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Full text of "Archiv für Kulturgeschichte"

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Archiv 

für 


Kultur-Geschichte 


Herausgegeben  von 

Professor  Dr.  Georg  Steinhausen 

Bibliotheksdirektor  in  Cassel. 


Sechster  Band. 


Berlin  •  Verlag  von  Alexander  Duncker  •  1908 


y^RCHIV 

FÜR 

<JU  LTU  R 

jESCHICHTE 

U  =  =,  =.    HERAUSQEÜEBEN  VON  =  =  =,=, 

PROF.  05  Georg  Steinhausen 


VI.  BAND 
1.  HEFT. 


BERLIN  •  At.EXANDf-R  DUNCKER  VERLAG  •  1908. 


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I 


I 


I 


ersclieiitt  jährlich  in  vier  Hrften  in  der  SUrke  von  je  tiwa  S  Bog*'n  zum 
Preise  von  12  Mark.  Die  Hefie  «erden  zu  Anfang  jedes  Vierteljahres 
ausgegeben. 

Alle  Manuskripte  und  lediglich  auf  den  Inhalt  der  Zeilschrift 
bezüglichcii  Mitteilungen  werden  an  den  Herausgeber,  Professor  Dr* 
O.  Sieinhatisen  in  Cassel,  Annastralie  16.  erbeten,  Herausgeber 
und  Vcrla^^buehhandliifig  crsuch^^n  drinj^end  darum,  die  Manuskripte  in 
druckreifem  Zustande  einzuliefern,  da  nachtriigliclie gröHere  Ändeningcn 
die  Satzkosten  ei  heblich  verteiteni,  und  die  Herren  Autoren  damit  bclaslct 
werden  müllten. 

Alle  ßcschäftliclien  Mittcihingen.  wfe  Wünsche  betr.  eine 
größere  Zahl  von  SonderabzüRen,  Anfragen  betr.  Honorar  usw,, 
sind  nur  an  die  VerUfsliandlung,  Herlin  W.  35,  Lützowstraße  -13. 
m  riditen. 

Beiträge  werden  mit  20  Mark  für  den  Bogen  honoriert. 

Die  Abrechnung  erfolgt  halbjähriich  im  Januar  und  Juli 

Die  Herren  Mitarbeiter  erliziten  \"on  ihren  Beiträgen  10  Sonder- 
"abzüge  mit  den  Seiienzahkn  der  Zeitschrift  koslenlos.  Eine  größere  An- 
zahl von  Sonderabzüj^en  kann  nur  nach  rechtzeitiger  Miltt-ilurg  eines 
soldien  Wunsches  an  die  Verlagshandlnng,  Herlin  W.  55,  hercesiellt 
werden.  Diese  werden  mit  1 5  Pf.  ffir  den  einzelnen  Dnickbogcn  oder 
dessen  Teile  beieclnirl. 


Hutilorscbe  Verla gthandlung  xu  Ftotburg  im  Breisgau. 

Soeben   und  crEcbicaeo   und  kttaaco  durch  alle  Buchhand  jungen  betogea 
werden  : 

Baumgarten,  P.  M.,  Aus  Kanzlei  und  Kammer. 

Rrrincrun^cn  ttif  kuriatcii  Hof-  und  Verwa1tiin2«s:«schicht«  xn  XIII., 
XIV.  u.  XV.  Jahrhundert.  ßOLLATORtJ.S- TAXATORF-S  •  DOMORLM 
CURSORES.     er.  8"    (XVIII  w.   U;)    .1/20.— 

Mayer,  Dr  H.,  SS:Lr^Ä:t  Die  Matrikel  der  Uni- 

VerbUai  rreiuurg  I.  or.  Akademischen  Archivkommission 
bcarbritet  uad  berautgeeebeo.  T.  Band:  EinJelluoK  und  Teil.  Lcx.>S*> 
(XCIV  u.  444)    .!/■  30.— 

eifbrrt,  Dr  ^.,  Beiträge  3ur  PorreformatorifAc» 
Beiligen.  un6  lUliquietiüerebrung.     i;^^,';^';;^^ 

AU  Pannen«  «cfdiif^ie  tte«  beutfc^cn  «olFed,  VI.  ^b.,  1.  ^eft)  dr.  H" 
(Xfl  u.  04)    Af  -i  " 


* 


14-* 


r 


Inhalt: 

Aufsätze:  Sdie 

Qudicnstudicn  zur  Geschichte  des  neueren  französischen  Einflusses 

auf  die  deulsche  Kultur.  II.  Von  Curt  Oebauer  ....  i 
Aus  dem  Papierkorb   eines    Kölner    Rechtsanwalts  zu   Anfang  des 

16.  Jahrhunderts.    Von  Hermann  Kmssen 22 

Eine  SpießrcthtsorOnung  aus  dem  Jahre  t542.  Miiget.  s.Wilhttm  Beck  28 
Die  Reise  des  Danztger  Ratsherrn  Arnold  von  Holten  durch  Spanien 

und  Oberitalien  in  den  Jahren  lfi06-160S.   Von  Patä  Simson      39 

Vom  Zutrinken.     Von  /(Ununs  Löffler 71 

Die  Nadibanchaften  in    den  Posencr  Hauländerden    nach  ihrem 

historischen  Zusammenhang.  Von  F.  O.  SchitUhaß  ...  137 
Txhiusch  Hedajets  Aufenthalt  in  NX-len  (I5b5).  Von  Alfred  Sitte  .  192 
Dn  fürstliches  Menü  von  1730.  Von  Hans  Beschorner  ....  202 
Die  Kosten  einer  Schwcizerreise  im  Jahre  1731.   Von  Siegfried  Main    TIS 

Das  fränkische  Ootte^ericht.    Von  Leo  Jordan 265 

Christian  Adolph  v.  Anacker^  Beschreibung  seiner  Reise  von  IJssabon 

nach  Wien  (1733».    Mitgeteilt  von  Th.  Renaud 2M 

Briefe  von  Philipp  von  Stosch  an  Mail.  Egizio  in  Neapel.  Mit- 
geteilt von  Rieh.  Engelmann 526 

Quellen   zur  Ambciger   Hochzeit  von  147^.      Herausgegeben   ^-on 

Maximilian  Bachner      38S 

RriMtifiebuch   eines    Dresdners   vom  Jahre  1691.     Mitgeteilt  von 

JZoarxul  Roger 459 

Miszellen: 

EiQ  Vertrag  mit  einem  Präzentor  für  einen  jungen  Adligen  (1557). 

Mitgeteilt  %-on  Martin  wehrmann 79 

E5o  Prolest  gegen  Hexen  Verbrennung  aus  der  Zeit  des  Dreißig- 
jährigen Kri^es.    Mitgeteilt  von  Eduard  Otto 84 

Etvas  von  der  iiinquarliening  Erfurts  im  letzten  Jahre  des  Sieben- 
ihrigen  Kri^es.    Von  Gustav  Sommerfeldt 90 

Zur  L^endc  von  der  Jagd  des  Einhorns.    Von  F.  Kuntze     ...      95 

Anflonlerungsschneiben  zu   einer  auf  dem  Schlosse  in  Königsberg 

gefeierten  Hochzeit,  1592.  tA\x^\i:\\\  \on  Gustav  Sommtff^t    477 

Besprechungen: 
Ans  der  Geschichte  der  Universität  Orcifswald.  Festschrift  (Steinhausen)    491 
Becker.    Das   er^le   halbe  Jahrhundert   der   hessen-darmstädtischcn 

Landesuni\-ersität  (Sleinhausen) 489 

Beiträge  zur  Geschichte  der  Universitäten  Mainz  und  Gießen  (Slein- 
hausen)       489 

BefKcr,  Die  Kulturaufgabcn  der  Reformation.  2.  Aufl.  (Steinhausen)  480 
B«mheiin.   Das  akademische   Studium    der   Geschichtswissenschaft 

(Steinhaiisen) 349 

Bibliothek  wertvoller  Memoiren.     Hrsg.  v.  E.  Schultze.    Bd.  I-IV 

(Stcinhauien) 102 

Böckenhoff,    Speisesatzungen    mosaischer    Art   in    mittelalterlichen 

Kirchenrechtsqucllen  (R.  M.  Meyer) .    .    .    24S 

BreTSJg.   Die  Entstehung  des  Gottesgedankens  und  der  Hcilbringcr 

(v.  DobschQtz) 241 


1 


I 


I 

I 


Breysig.  Die  Geschichte  der  Menschheit.    Bd.  I  (R  M.  Meyer)  .    .  94 

Consentius,  Alt-Berlin,  Anno  1740  (Sleirhausen) 483 

Dührcn,  Neue  Forschungen  über  den  Marquis  de  Sadc  (Heinrich) .  495 
Felder,  Geschichte  der  wissenschaftlichen  Studien  im  Franziskaner- 

orden  (v.  DobschOtz) SS6 

Friedli,  Bämdütsch.    Bd.  2:  Qrindelwald  (Steinhausen) 367 

Fustct  de  Coulanges,  Der  antike  Staat.    Cbcrs.  von  P.  Weiß  (Fries)  551 

Galle,  Konrad  Bitschins  Pädagogik  (Kohfeldt) 360 

illustrierte  Geschichte  des  Kunstgewerbes.  Hrsg.  vor  Lehnert  (Fries)  252 

van  Oulik,  Johannes  Groppcr  (1503-1559)  (Bruchmüller)  .  .  .  .  4S2 
Haendcke,   Deutsdie  Kultur   im  Zeltalter  des  Sojährigen  Krieges 

(Steinhausen) 106 

V.  Hansemann.  Der  Aberglaube  in  der  Medizin  (Heinrich)  ...  496 
Hedemann,  Die  Fürsorge  des  Gutsherrn  für  sein  Gesinde  (Brandenb.- 

prcuß.  Gesdiidite)  (Bothc)       2St 

Hottenroth,  Die  Nassauischen  Volkstrachten  (Steinhausen)  ....  109 
Hubrich,    Deutsches   Fürstentum   und   deutsches  Verfassungswesen 

(Bruchraüller) 482 

Kemnierich,   Die  frühmittelalterliche  Portrilnialerei  in  Deutschland 

(Steinhausen) 361 

Kiefer,  Die  körperliche  Züchtigung  bei  der  Kinder  erzieh  ung  in  Ge- 
schichte und  Beurteilung  (Kohfeldt) no 

Krollmann,  Die  Selbstbiographic  des  Burggrafen  Fabian  zu  Dohna 

(Bruchmüller)  _ 366 

Frhr.  v.  Künßberg,  Über  die  Strafe  des  Steintrageiis  (WerminghofO  565 
Lcnnhoff,  Das  ländliche  Oesindewesen  in  der  Kiirnhirk  Brandenburg 

vom  16.  bis  19.  Jahrhundert  (Bothe) 249 

Lindnerj  Weltgeschichte.    Bd.  S  (Steinhausen} 353 

Marcus,  Die  modern«  Entwicklungstheorie  in  der  jüdischen  Wissen- 
schaft (R.  M.  Meyer)       249 

Matthias,  Geschichte  des  deutschen  Unterrichts  (Levinstein)    .    .    .  493 

Meinecke,  Weltbürgertum  und  Nationalstaat  (R.  M.  Meyer)     ,     .    .  41S4 

Mcnke-Olückert,  Goethe  als  Oeschichtsphilosoph  (R,  M.  Meyer)       .  248 

Neumann,  Jesus,  wer  er  geschichtlich  war  (v.  Dobschütz)    ....  353 

Pastor,  Geschichte  der  Päpsle.    Bd.  IV,  Abt.  l.  2  (Steinhausen)     .  245 

Piper,  Burgenkunde.    2.  Atifl.  (Steinhausen) 362 

Die  Ri^el  des  hl.  Bcnedictus  (Wcrminghoff) 15S 

Schaunikell,    Geschichte  der  deutschen  Kulturgeschichtsschreibung 

(Steinhausen) 3S0 

Schradcr,  Die  Fragen  des  Königs  Menandros  (Fries) 244 

Schwann,  Geschichte  der  Kölner  Handelskammer.  Bd.  I  (Steinhausen)  369 

Stecke,  Drachenkämpfe  (R.  M.  M^er) 101 

Siecke.  Mythus,  Sage,  Märchen  in  ihren  Beziehungen  zur  Gegenwart 

(R.  M,  Meyer) 101 

Troeltsch.  Die  Bedeutung  des  Protestantismus  für  die  Entstehung  der 

modernen  Welt  (v.  Dobschütz) 359 

Weltgeschichte.  Hrsg.  von  Helmolt.  Bd.  9  (Stetithauscn)  .  .  .  SSO 
Erwiderung  (von   Mcnke-Olückeri)    und    Antwort    des    Referenten 

(R.  M.  Meyer) A97 


Kleine  Mitteilungen  und  Referate 111.253,371,502 


Quellenstudien 

zur  Geschichte  des  neueren  französischen 

Einflusses  auf  die  deutsche  Kultur. 

Von  CURT  GEBAUER. 


IV. 

Der  Traktat  des  Thomas  Erpenlus  über  die  nützliche 

Einrichtung  der  Reise  nach  frankrcich. 

Dem  seit  dem  Ausgange  des  16.  Jahrhunderts  in  Deulsch- 
löid  immer  wachsenden  und  sich  ausbreitenden  Streben,  die 
tnniösischen  Verhältnisse  auf  einer  Reise  nach  Frankreich  genauer 
knmen  zu  temcn,  suchte  eine  Überschwemmung  des  deutschen 
ßfichcrmarktes  mit  französischen  Reiseführern,  Wörlerbüchern  und 
Sprachlehren  Genüge  zu  leisten.  Für  Reisende,  die  es  mit  ihren 
Studien  ernst  meinten,  isl  nun  im  zweiten  Dezennium  des 
''■Jahrhunderts  auch  das  Werkchen  entstanden,  das  wir  auf  den 
Agenden  Blättern  modernen  Lesern  zugänglich  machen  wollen, 
*•«  Thomas  Erpenius  De  peregrinatione  Oalüca  utiliter  instituenda 
•iwahis.  In  Holland  geschrieben  und  gedruckt  wie  viele  der 
Wanntesten  Schriften  jener  Zeit,  hat  dieser  Traktat  sicher  auch 
'■>  Deutschland  schnelle  Verbreitung  gefunden  und  vielen  Reise- 
'wt^  den  Aufenthalt  in  Frankreich  nutzbringend  gestallet,  so 
^  auch  nicht  wenig  zur  Kennmis  und  Nachahmung  fran- 
zösischer Sitten  in  Deutschland  beigetragen.  Denn  zugleich  mit 
•löi  Früchten  ernsterer  Studien  pflegten  die  Reisenden  eine  ver- 
briete Neigung  für  das  französische  Wesen  in  das  Vaterland 
''«imzubringen.  M  ■  ^'  ^l 

AkUv  Kr  Knltnrgodiidlte.    VI.  t 


Curt  Gebauer. 


^^H  Thomas  van  Erpe,  latinisiert  Erptnius,  geboren  atn  Tl.  Sep- 

^^m  tember  I5S4  in  Gorkum  (Holland),  seit  1613  Professor  der 
^^m  orientalischen  Sprachen  an  der  Universität  Leyden,  hatte  die  ideine 
^^P  Schrift  im  Jahre  1624  zu  Nutz  und  frommen  eines  jungen 
j^^  Freundes  namens  Johannes   Nipartius  verfaßt,   der   einen    Winter 

*  in  Frankreich  zu  verleben  gedachte.     Die  Redaktion  des  Traktates 

läßt  auch  wohl  hier  und  da  erkennen,  daß  dem  gelehrten  Ver- 
fasser urspriingHch  die  Absicht  der  Veröffentlichung  fem  gelegen 
hatte.  Sieben  Jahre  später  (1631)  veranlaßte  Wilhelm  Christiani 
in  Leyden^  ein  Schüler  des  Erpenius,  den  Druck  und  widmete 
diesen  unter  Beigabe  eines  kurzen  Briefes  des  gelehrten  Justus 
Lipsius  über  italienische  Reisen  zwei  jungen  Männern,  Wilhelm 
und  Heinrich  Saiverius,  welche  den  Traktat  auf  ihren  Reisen 
gebrauchen  konnten,  und  zwar  um  sich  dem  Vater  seiner  Gilnsl- 
linge  für  empfangene  Wohltaten  erkenntlich  zu  zeigen.  Wir 
können  diese  Tatsachen  aus  dem  in  der  mir  vorliegenden  Ausgabe 
der  Breslauer  Stadtbibliothek  vorgedruckten  Dedtkationsbriefwechsel 
entnehmen.  Die  benutzte  Ausgabe  trägt  die  Jahreszahl  1721,  ist 
in  Hamburg  bei  Benjamin  Schillers  Witwe  und  Johann  Christof 
Kisner  erschienen,  und  zwar  als  Anfang  einer  Sammlung  lite- 
rarischer Miszeälen,  deren  Herausgeber,  Adam  Heinrich  Lackmann, 
diesen  Abdruck  des  Traktates  als  den  ersten  in  Deutschland 
hergestellten  bezeichnet.  Dem  Traktat  ist  noch  eine  Beschreibung 
Frankreichs,  eigentlich  des  alten  Galliens,  angefügt,  wahrscheinlich 
gleichfalls  aus  der  Feder  des  Erpenius. 

Der  Traktat  ist  wie  die  Beschreibung  Frankreichs  in  lateinischer 
Sprache  abgefaßt.  Er  zerfällt  in  vier  Abschnitte  (Sectiones),  diese 
wiederum  in  verschiedene  durch  Ziffern  bezeichnete  Paragraphen. 
Die  vier  Abschnitte  führen  die  besonderen  Überschriften:  1.  De 
lectione  et  studio  duranle  peregrinatione;  II.  De  ratione  itineris 
instituendi;  111.  De  observatione;  IV.  De  libris  circumferendis. 
Schon  die  Überschriften  lassen  erkennen,  daß  es  dem  Verfasser 
vor  allem  darauf  ankam,  den  Leser  zu  belehren,  wie  er  auf  der 
Reise  am  besten  seine  Kenntnisse  bereichern  könne.  Während 
die  modernen  Reiseführer  fast  ausschließlich  das  Unterhaltungs- 
bedürfnis der  Reisenden  zu  befriedigen  suchen,  sollte  der  Reisende 
des    17.   Jahrhunderts,   dem    gelehrten    Bildungstriebe    und    der 


Neigung  jenes  Zeitalters  zur  Polyhistorie  entsprechend,  auf  allen 
möglichen  Gebieten  lernen  und  wieder  lernen,  um  seine  Kennt- 
nisse in  der  Heimat  später  überall  nutzbringend  und  interessen- 
Törderlich  verwerten  zu  können.  Vtel  wissen  galt  als  Kennzeichen 
eines  »politischen",  d.  h.  wcUklugen  Mannes,  und  die  Reisen 
sollten  das  Vielwissertum  möglichst  befördern.  Demgegenüber 
tritt  das  Interesse  für  die  physische  Natur  des  Landes  sowie  für 
seine  Naturschönheiten  noch  fast  ganz  in  den  Hintergrund.  Auch 
in  dem  Traktat  des  Erpenius  veimißt  man  alle  entsprechenden 
Bemerkungen  und  Verweise.  Das  Aufleben  des  neueren  Nalur- 
gefflhles  in  seinen  verschiedenartigen  Abwandlungen  blieb  im 
großen  und  ganzen  erst  dem   IS.  Jahrhundert  vorbehalten. 

Was  die  Wiedergabe  des  Inhaltes  unseres  Reiseführers 
betrifft,  so  habe  ich  aus  leicht  ersichtlichen  Gründen  die  möglichst 
wörtliche,  jedenfalls  aber  sinngemäße  Übersetzung  einer  umständ- 
lichen Übertragung  in  die  indirekte  Rede  vorgezogen.  Der 
Obersetzung  werden  sich  allgemeine  Betrachtungen  über  Wesen 
und  Bedeutung  des  Traktates  und  schließlich  die  erforderlichen 
biographischen  Bemerkungen  passend  anschließen. 


Abhandlung,  wie  man  eine  Reise  nach  Frankreich  nutzbringend 

einrichten  könne. 

Erster  Abschnitt. 

fber  Lesen  und  Studieren  während  der  Reise. 

1. 

Niemand  möge  die  Reise  nach  Frankreich  antreten,  bevor 
er  sein  theologisches,  juristisches  oder  medizinisches  SpeziaU 
Studium  vollendet  hat;  auch  soll  man  Bücher  seiner  Wissenschaft 
nicht  bei  sich  führen,  außer  etwa  einem  kurzen  Abrißt  um  das 
Gelernte  im  Gedächtnis  zu  bewahren. 

IL 

Zweck  der  Reise  sei  es,  die  fremde  Sprache,  das  Land, 
seine  Regierung,  seine  Geschichte,  seine  Sitten  und  seine  be- 
rühmten Männer  kennen  zu  lernen. 


ITI. 
Die    Bekanntschaft    mit    den    Sitten    und    den    berühmten 
Männern  wird  allein  durcli  das  Leben,  durcli  tägliche  Beobachtung 
und  geselligen  Umgang  vermittelt. 

IV. 

Um  Spraclie,  Landesbesch äffen heit,  Regierung  und  Geschichte 
kennen  zu  lernen,  bedarf  es  nicht  nur  einer  gewissen  Reisepraxis, 
sondern  auch  einiger  Privatstudien  aus  wenigenj  aber  ausgewählten 
Böchem,  die  wir  jetzt  durchgehet]  wollen. 

V. 

Zur  leichten  und  genauen  Erlernung  der  Sprache  studiere 
man  die  französische  Grammatik  des  Carolus  Maupasius  aus 
Blois,  die  kürzlich  ins  Lateinische  übersetzt  worden  ist,  obgleich 
sie  auch  in  französischer  Sprache  von  einer  des  Lateinischen 
kundigen  Person  unschwer  zu  verstehen  ist.  Aufmerksam  achte 
man  auf  alle  Fälle,  in  denen  Ausländer  nach  des  Verfassers 
Angaben  besonders  häufig  Fehler  machen.  Alle  unregelmäßigen 
Zeitwörter  präge  man  sich  fest  ein.  Außer  dieser  Orammatik 
braucht  man  keine  andere  zu  studieren. 

VI. 

Neben  den  grammatischen  Studien  lese  man  fleißig  die  fran- 
zösischen Gespräche  des  Philijip  Qarnerius  aus  Orleans,  betitelt 
»Edelsteine  der  französischen  Sprache-  (GemmuIaeGallicae  linguae), 
die  durchaus  in  französischem  Geist  empfunden  und  angenehm 
zu  lesen  sind.  Man  merke  sich  dabei  alle  vom  deutschen  Sprach- 
gebrauch abweichenden  Redensarten. 

VIL 

Darauf  lese  man  die  schönen,  elegant  geschriebenen 
.Abende"  (Les  s^r6es)  von  Wilhelm  Bouchet,  drei  Bände  in 
Duodezformal,  femer  die  »Asträa",  welche  Liebesgespräche,  keusch, 
anmutig  und  von  seltener  Beredsamkeit,  enthält. 

VIIL 

Zur   Abfassung   von   Briefen    wird   sich   die   Lektüre  des 

Werkchens  »Le  secr^taire  des  secretaires"  (Reuen  1610,  in  Duodez) 

als  recht  nützlich  erweisen,  worin  viele  Briefe  vertraulichen   und 

ungeschminkten  Charakters    enthalten    sind,    durch    welche    man 


Um  sich  Gewandtheit  in  der  frarzösischen  Konversation  zu 
vcTBchaffen,  muß  man  fortdauernd  mit  Franzosen  sprechen  und 
den  Umgang  mit  Landsleuten  meiden.  Man  verschaffe  sich 
Zutritt  zu  einer  französischen  Familie  und  jungen  Männern,  mit 
denen  man  frei  von  der  Leber  weg  schwatzen  kann.  Das  nützt 
auBerordcntlich  vieL 

X. 

Wenn  irgend  möglich,  sollte  man  sich  in  größeren  Städten, 
besonders  in  Paris,  auch  mit  irgend  einem  angesehenen  Buch- 
händler bekannt  machen,  dessen  Laden  Staatsräte,  Advokaten  und 
andere  bedeutende  Männer  aufsuchen.  Aus  deren  Unterhaltung 
wird  man  sehr  viel  lernen.  Und  man  wird  so  auch  Gelegenheit 
finden,  mit  solchen  bedeutenden  Männern  bekannt  und  vertraut 
zu  werden  und  mit  ihnen  zu  sprechen. 

XI. 

Die  Kenntnis  des  Landes  selbst  ist  aus  der  Kosmographie 
des  Merula  zu  schöpfen,  ferner  aus  dem  französischen  Werke 
•  Les  antiquites  et  recherches  des  villes,  chateaux  et  places  plus 
remarquables  de  toute  la  France™  (in  acht  Büchern,  Paris  1614, 
Oktav)*)  und  aus  dem  Itincrarium  Galliae  des  Jodokus  Sinccrus 
(Lyon  1616).  Stets  soll  man  die  große  in  Frankreich  verfertigte 
Holzschnitt  karte  des  Landes  (vom  Jahre  —  ?)  zu  Rate  ziehen, 
wenn  man  sie  erhalten  kann,  oder  eine  große  7U  Amsterdam 
in  Kupfer  gestochene,  obwohl  diese  weniger  genau  ist,  sowie  auch 
eine  kleinere  in  Kupferstich.  Letztere  muß  man  der  Bequemlichkeil 
wegen  immer  zur  Hand  habeit- 

XII. 
Um  die  Regierung  des  Landes  kennen  zu  lernen,  lese  man 
das  dritte  und  \ierte  Buch  des  Werkes  >De  Testat  et  succes  des 
affinres  de  France«  von  du  Haillan  (Ronen,  Oktavformat),  ferner 


>)  Von  Aadrt  Dvcbeme.    Siebe  die  blofr.  Bemcflningen. 


den  Abschnitt  » Discours  de   la  France"    in    dem    großen  Werke 
»Les  estats,  empires  et  prtncipaut^s  du  monde". 

XIII. 
Was  die  geschichtlichen  Studien  anbetrifft,  so  lese  man 
(und  lerne  man  fast  auswendig)  die  beiden  ersten  Bücher  des 
Du  Haillanj  welche  einen  el^;ant  geschriebenen  Abriß  der  fran- 
zösischen Geschichte  bieten.  Darauf  kann  man  die  Memoiren 
von  de  Serres  lesen,  außerdem  die  Sclirift  des  Cajus  Julius  Cäsar 
»De  bello  Oallico"  in  der  Ausgabe  von  Rapheling;  diese  enthält 
ein  von  Scaliger  angefertigtes  kurzes  Ortsnamenverzeichnis,  das 
aber  die  der  übrigen  Ausgaben  an  Genauigkeit  übertrifft. 

XIV. 
Die  Lektüre  dieser  Bücher  wird  für  den  Reisenden  genügen. 
Will  aber  jemand  längere  Zeit  in  Frankreich  bleiben  und  außer- 
dem   noch    andere    Bitcher    lesen,   so    wird    er  solche  dort    im 
Oberfluß  finden. 

Zweiter  Abschnitt. 

Vom  Reiseplan. 

I. 

Ralsam  ist  es  für  den  Reisenden,  sich  so  lange  in  der 
Hauptstadt  Paris  aufzuhalten,  bis  er  hinlänglich  gut  französisch 
sprechen  kann  und  alle  oben  genannten  Schriftsteller  aufmerksam 
gelesen  hat 

II. 

Während  seines  Aufenthaltes  in  Paris  soll  er  reichlich  über- 
legen, wie  er  seinen  Neigungen  entsprechend  das  übrige  Frank- 
reich bereisen  soll.  Besonders  hat  er  natürlich  auf  die  zur 
Verfügung  stehende  Zeit  und  auf  seinen  Oeldbeute!  Rücksicht 
zu  nehmen.  Gewöhnlich  machen  die  Besucher  Frankreichs  eine 
Rundreise  durch  die  wichtigster  Städte  des  LandeSj  was  audi 
ich  empfehle.  Nächst  Paris  sollte  der  lernbegierige  junge  Mann 
noch  die  folgenden  Ortschaften  kennen  lernen,  nämlich  Orleans, 
Blois,  Tours,  Nantes,  La  Rochelle,  Bordeaux,  Montauban,  Toulouse, 
Narbonne,  Montpellier,  Nimes,  Arles,  Marseille,  Aix.  Avignon, 
Saumur^  Angers,  Rennes,  Orange,  Qrenoble,  Lyon,  Genf,  Be- 
sangon,    Dijon,    Troyes,    Reims,    Amiens,    Rouen^    Dieppe    und 


Zur  Geschichte  des  französischen  Einflusses  auf  die  deutsche  Kultur.     7 

Calais.  Und  v>-enn  irgend  eine  alle,  besonders  eine  von  Cäsar 
erwähnte  oder  sonst  sehenswerte  Stadt  abseits  vom  Wege  Hegt, 
so  lasse  er  sich's  nicht  verdrießen,  auch  nach  dieser  einen  Ab- 
stecher zu  machen  und  dann  zur  Hauptroute  zurückzukehren. 
Man  gebe  sich  Mühe,  wenn  möglich,  einen  unterrichteten  fran- 
zösischen Führer  zu  finden.  In  Paris  und  anderen  großen 
Städten  wird  demjenigen,  der  bei  einem  bedeutenden  Buchhändler 
wohnt,  Gelegenheit  dazu  nicht  fehlen.  Sobald  er  dann  nämlich 
irgend  einen  hervorragenden  Mann  findet,  von  dem  er  nach 
irgend  einer  Richtung  etwas  lernen  kann,  so  wird  dieser  sich 
ihm  als  Begleiter  anbieten;  das  wird  dem  Franzosen  nur  ange- 
nehm, dem  Reisenden  aber  höchst  nützlich  sein.') 

III. 
Dringend  ratsam  ist  es,  sich  in  berühmten  und  großen 
Städten  einige  Zeil  aufzuhalten  und  sie  nicht  eher  zu  verlassen, 
als  bis  man  sich  genaue  Kenntnis  davon  durch  Umherwandem, 
Betrachten  einer  Ortskarte  und  Lesen  einer  Ortsbeschreibung, 
wenn  solche  vorhanden  (was  man  überall  in  den  Buchhandlungen 
lekJit  erfahren  kann),  verschafft  hat  Auch  soll  man  die  Sitten 
der  Bewohner  auf  jede  Weise  erforschen,  Bekanntschaft  mit 
gelehrten  Männern  schließen,  auch  die  örtlichkeiten  bedeutsamer 
Ereignisse  aufmerksam  betrachten  und  mit  den  Schriftstellern 
vergleichen.  Zur  Nachweisung  vieler  Stadtpläne  und  Stadt- 
beschreibungen gibt  es  ein  gutes  Buch  von  Chiffiet  aus  Besangon 
(in  Quartformat). 

Dritter  Abschnitt. 

Vom  Beobachten. 

Wenn  man  sich  in  den  genannten  Büchern  über  Regierung 

und  Amter  in  Frankreich  wohl  unterrichtet  hat,  soll  man  während 

der  ganzen  Reise  noch   nach  folgenden   Dingen   eifrig  forschen 

und  darauf  achten: 

I. 
Welche  Personen  die  einzelnen  Ämter  verwalten,  bei  Hofe 
und  außerhalb   des  Hofes,   und   welche   Prinzen   von  Geblüt  es 
gibt,  welche  Pairs,  Herzöge,  Grafen  und  Gouverneure   der  Pro- 


0  Cinm  twssmn  Sinn  habe  icli  aus   drr  stlliiliKh  unkluni   Stelle   nicht  hcnu^- 


vinzen  und  der  Städte;  wer  Oberslallmeister,  Kanzler,  Großsiegel- 
bcwahrer,  Marschall  oder  AdmJral  ist  und  die  anderen  vornehmen 
und  hohen  Ämlcr  vciwallel,  aucli  wie  es  sidi  mit  Herbunfl, 
Kindern,  Macht,  Reichtum  und  Ansehen  beim  Könige,  mit  den 
Verwandten,  Freunden,  Feinden  und  politischen  Nebenbuhlern 
dieser  Personen  und  ähnlichen  Dingen  verhält. 

II. 
Welches  die  hervorragendsten  Rechtsgelehrten,  Räte,  Advo* 
katen,  Professoren  usw.  sind.  Der  Rechtsbeflissene  wird  sogar 
gut  daran  tun,  die  meisten  dieser  Männer  persönlich  aufzusuchen, 
denn  er  wird  von  ihnen  entschieden  etwas  lernen.  Es  ist  nütz- 
licherj  einen  gelehrten  Mann  zu  sehen  als  zehn  Paläste;  daher 
sollte  ein  eifriger  Reisender,  besonders  ein  Rechtsbeflissener,  auch 
die  acht  französischen  Paria mentsstädle  besuchen,  die  ich  in 
meinem  Verzeichnis  sehenswerter  Orte  vorangestellt  habe. 

111. 

Man  unterrichte  sich  auch  darüber,  welches  die  bedeutenden 
kirchlichen  Personen  sind,  die  Pairs  und  die  Kardinälcj  die  reichsten 
Äble,  die  berühmtesten  Jesuiten,  die  besten  Prediger,  die  aus 
vornehmen  Familien  slaminenden  Kapuziner  und  andere  Männer 
verschiedenen  Ranges. 

IV. 

Ferner  welches  der  Zustand  der  Reformierten  ist,  welches 
die  Haltung  der  Regierung  in  kirchlichen  und  politischen  An- 
gelegenheiten, welches  die  feierlichen  Versammlungen  (der  Refor- 
mierten) sind  und  ihre  Maßregeln  in  politischen  und  kirchlichen 
Dingen;  welche  S icherh ei ts platze  sie  in  den  einzelnen  Provinzen 
besitzen,  wer  die  Gouverneure  dieser  Plätze  sind  und  welches 
ihre  Slrcitkräfle;  welche  Fürsten  und  Großen  sie  in  ihren  Reihen 
zählen,  und  wer  sich  von  diesen  auf  das  Kriegswesen  versteht, 
welche  Gesandte  sie  bei  Hofe  halten,  welche  durch  Gelehrsamkeit 
und  Beredsamkeit  bedeutenden  Prediger  sie  haben;  welches  die 
Zahl  der  Prediger  in  ganz  Frankreich  ist  und  welches  die  Zahl 
der  Provinzialabteilungen,  oder  in  wieviel  Provinzen  die  Refor- 
mierten abgeteilt  sind  und  in  welche;  welches  die  Größe  der 
einzelnen    Kirchengemeinden    ist,    welche    Schuten    sie    besitzen, 


wdche  Lehrer  die  vorzüglichsten  sind,  und,  um  es  mit  einem 
Worte  zu  sagen,  wie  es  sich  überhaupt  mit  allen  Dingen  verhält, 
vetche  irgendwie  die  Reformierten  angehen. 

Da  man  nun  aber  alles  dieses  am  besten  und  richllgsicn 
von  den  Predigern  lernen  kann,  soll  man  während  seines  Auf- 
enthaltes in  Paris  von  Zeil  zu  Zeit  einige  der  zuvorkommendsten 
Prediger  aufsuchen  und  auch  später  an  den  Orten,  die  man 
sonst  berührt,  irgend  einen  hervorragerden  Geistlichen  begrüßen, 
um  Zustand  und  Beschaffenheit  der  Kirchen  kennen  zu  lernen 
und  zu  erfahren,  weldien  Geistlidien  man  wiederum  an  dem  später 
zu  berührenden  Orte  aufsuchen  solle.  So  wird  man  viel  erfahren, 
woran  man  seine  Preude  hat,  und  was  zur  besseren  Ausführung 
der  Reise  oder  zur  Vermehrung  der  Kenntnisse,  welche  fast  der 
einzige  Zweck  der  Reise  sein  soll,  beiträgt.  Wer  eine  genaue 
Kenntnis  von  jenen  Kirchen  zu  erlangen  begehrt  (was  für  alle 
notwendig  ist,  die  bei  uns  in  kirchlichen  oder  politischen  Ver- 
sammlungen oder  bei  der  Unterhaltung  zu  zeigen  wünschen, 
daß  sie  mit  den  französischen  Verhältnissen  vertraut  und  mit 
Nutzen  gereist  seien),  der  soll  auch  einen  oder  den  anderen 
Monat  in  einer  bedeutenderen  Stadt  bei  einem  angesehenen  und 
zuvorkommenden  f-*rediger  wohnen,  von  welchem  er  ein  voll- 
stSndiges  Wissen  erlangen  kann.  So  lebt  in  Rupelmonde  der 
Doktor  Lumäus,  ein  Mann  von  hervorragender  Gelehrsamkeit 
und  Bildung  in  allen  französischen,  die  päpstliche  und  die  refor- 
mierte Kirche  betreffenden  Angelegenheilen,  von  dem  ein  eifriger 
Jüngling  unglaublich  viel  lernen  kann.  Aber  auch  in  anderen 
gro&en  Städten,  wo  blühende  Kirchen  sind,  finden  sich  wohl 
einige  Männer,  mit  deren  Hilfe  sich  die  gedachten  Kenntnisse 
erwerben  lassen. 

V, 

Um  das  Gehörte  und  Beobachtete  zu  behalten,  soll  der 
Reisende  immer  eine  ausreichende  Schreibtafel  bei  sich  führen, 
worauf  er  das  Gelernte  täglich  genau  in  zeitlicher  Reihenfolge 
vermerkl,  ferner  ein  daumendickes  Schreibheft  in  Oktav  oder 
etwas  größer  mit  gutem  Papier  (sog.  Poslpapier},  worin  er  das 
auf  der  Tafel  Notierte,  sobald  er  Muße  hat,  mit  kleinen  Lettern 


Curt  Qebauer. 


genau  abschreibt,  und  zwar  nach  besonderen  Rubriken  geordnet, 
etwa  unier  folgenden  Titeln: 

Vom  Könige  und  seinen  Angelegenheiten. 

Von  den  Großen,  den  Fürstlichkeiten  und  allen  Beamten. 

Von  den  Parlamenten  oder  obersten  Gerichtshöfen. 

Von  berühmten  Männern. 

Von  den  reformierten  Gemeinden, 

Erwähnenswerte  Ereignisse  und  Naturalien. 

Gedanken  und  Sinnsprüche. 

Es  wird  nun  nicht  nötig  sein,  unter  den  einzelnen  Titeln 
sorgfältig  eine  bestimmte  Reihenfolge  beim  Schreiben  einzuhalten, 
vielmehr  wird  die  Folge  der  Titel  allein  genfigen.  Was  darunter 
fällt,  möge  man  der  Reihe  nach  aufzeichnen  und  bei  Gelegenheit 
besser  ordnen.  Man  lasse  einen  mäßigen  äußeren  Rand  wie 
bei  gedruckten  Büchern  und  mache  darauf  Notizen  als  Inhalts- 
angaben (nach  Stichwörtern),  so  daß  man  das  Gesuchte  leicht  zu 
finden  vermag. 

Vierter  Abschnitt. 

Über  das  Mitnehmen  von  Büchern. 

I. 

Man  soll  sich  in  Paris  alle  oben  angeführten  Bücher   ver- 

schaffen   und   lesen.     Verläßt   man   diese   Stadt,   so   nehme   man 

außer  Schreibtafel  und  Schreibheft,  die  ich  oben  schon  erwähnte, 

nur  folgende  Bücher  zum  Nachschlagen  an  den  zu  besuchenden 

Orten  mit: 

Das  Itinerarium  Galliae  des  Jodofcus  Sincenis. 
Die  Anliquiles  et  recherches   von  Franz  von  Duchesne   in 
Oktav,  aber   in  zwei  Bände  gebunden,   weil   das   Buch 
in  einem  Bande  zu  dick  ist,  um  bequem  in   der  Reise- 
tasche untergebracht  zu  werden. 
Ferner  von  der  Kosmographie  des  Merula  das  dritte  Buch 

des  zweites  Teiles  über  Frankreich. 
Dann  den  Discours  de  ia  France  aus  dem  großen  Werke: 

rLes  estats,  empires  et  principaut^  du  monde." 
Das  Werk  Julius  Cäsars  Ober  den   gallischen   Krieg  mit 
Nam  en  verze  ichn  is. 


Endlich  eine  größere  Karte  Frankreichs,  aber  in  sechs  oder 
idit  Teile  zerlegt  zum  bequemeren  Gebrauch,  und  zwar  mög- 
lichst eine  Holzschnittkarte.  Desgleichen  eine  kleinere  Karte  in 
Kupferstich  und  die  Karte  Altgalliens  von  Ortelius,  die  allerdings 
wenig  genau  ist,  wie  der  aufmerksame  Reisende  an  vielen  Stellen 
beobachten  wird.  Die  Fehler  möge  man  auf  dieser  Karte  sämtlich 
sorgfältig  vermerken  und  verbessern, 

IL 

Um  nun  jene  Bücherfragmente  gesondert  zu  besitzen,  soll 
man  die  Bücher  ungebunden  (broschiert)  kaufen,  aus  ihnen  zur 
Verminderung  des  Gewichts  jene  Teile  herausnehmen  und  be- 
sonders binden  lassen,  und  zwar  in  einfachen  Lederumschlag, 
damit  sie  leicht  zusammengefaltet  und  in  das  Reisegepäck  hinein- 
geian  werden  können.  Ratsam  erscheint  es  mir,  beständig  das 
Itinerarium  des  Sincerus  und  den  zweiten  Teil  des  Werkes 
»Lcs  anliquites"  bei  sich  zu  führen.  Auch  rate  ich  dazu,  vier 
Ränzel  aus  Fell  herstellen  zu  lassen,  so  tief,  daß  außer  anderem 
eine  Schreibkapsel  aus  Leder,  welche  das  Tintenfaß,  ein  Feder- 
messer und  einen  eisernen  Schreibgriffel  enthält,  darin  enthalten 
sein  kann.  Solche  Schreibzeuge  sind  für  die  Reisenden  wunderbar 
bequem,  aber  in  Frankreich  nicht  so  gut  wie  hier  bei  uns  zu 
haben.  Auch  bringe  man  in  irgend  einem  Fache  jenes  Schreib- 
zeuges ein  Stück  Siegellack  zum  Versiegeln  der  Briefe  unter  und 
tue  zu  dem  Federmesser  nocli  zwei  Federkiele.  Hat  man  kein  Feder- 
messer, so  kann  man  den  Kiel  auch  mit  einem  gewöhnlichen  Messer 
zuschneiden.    Wichtiger  ist  aber  noch  ein  eiserner  Schreibgriffet. 

III. 

Wer  auf  diese  Weise  die  Reise  nach  Frankreich  unternimmt, 
der  wird  mit  bestem  Erfolge  nach  Hause  zurückkehren  und  so 
viel  profitiert  haben,  daß  er,  sobald  auf  Frankreich  die  Rede 
komm^  im  täglichen  Gespräch  zeigen  kann,  wie  er  die  franzosische 
Sprache  und  die  französischen  Vcrhällnisse  kenne.  Und  er  wird 
für  das  tägliche  Leben,  für  die  Politik  und  die  Kenntnis  der 
Geschichte  einen  weit  größeren  Erfolg  zu  verzeichnen  haben  ?.!& 
die  große  Masse  aller  Reisenden. 


12  Curt  Gebauer. 


: 


Wer  den  Geist  der  Zeil  tiefer  erfassen  will,  möge  nach 
der  Lektüre  unseres  Traktates  sich  liicrmit  noch  einmal  die 
leitenden  Gedanken  vergegenwärtigen,  die  der  gelehrte  Verfasser 
in  den  sehr  ins  Einzelne  gehenden  Vorschriften  über  das  Ver- 
halten des  Reiselustigen  zum  Ausdruck  bringt 

Die  Vennehrung  der  Kenntnisse  wird  an  einer  Stelle 
(3.  Abschnitt,  Ziffer  IV]  als  der  fast  einzige  Zweck  der  Reise 
bezeichnet;  das  Amüsement  soll  daneben  völlig  in  den  Hinter- 
grund treten.  Dieser  strenge  Standpunkt  erhält  seine  nähere 
Erläuterung  in  der  Aufzählung  jener  Dinge,  die  dem  Reisenden 
zu  lernen  nötig  sind:  die  franz^isische  Sprache,  die  Beschaffenheit 
des  Ljindcs,  seine  Regierung,  seine  Geschichte,  seine  Sitten  und 
seine  berühmten  Männer  (1,  II),  Man  muß  gestehen,  daß  das 
Reiseprogramni  erschöpfender  und  gründlicher  kaum  gefaßt  werden 
könnte.  Daß  Erpenius  diese  Kenntnisse  nicht  nur  durch  Bücher, 
sondern,  wo  es  irgend  angeht,  auch  durch  die  Berührung  mit 
dem  Leben  erwerben  lassen  will  (z,  U.  i,  III),  macJit  dem  gesunden 
Sinne  des  Verfassers  alle  Ehre  und  beweist,  daß  das  «gelehrte" 
1 7.  Jahrhundert  nicht  so  einseitig  in  dem  Wüste  toten  Bucher- 
wissens aufging,  wie  man  es  in  unserer  modernen  Zeit  gern 
annimmt.  Jedenfalls  sollte  der  Reisende  auf  allen  möglichen 
Gebieten,  besonders  auf  dem  politischen  und  kirchlichen,  selbständig 
beobaditen  (3.  Abschnitt),  um  später  in  der  Heimat  im  täglichen 
Leben  und  in  der  Politik  Erfolge  zu  erzielen  (4.  Abschn.,  Schluß). 
Der  praktische  Nutzen  soll  also  den  Maßstab  für  die  gesamte 
Tätigkeit,  für  das  ganze  Handeln  und  Denken  des  Reisenden 
im  fremden  Lande  bilden  (vgl.  auch  3,  V  und  4,  I  u.  II). 

Hinsichtlich  des  Sprachstudiums  ist  die  Pflege  der  Grammatik 
in  die  erste  Linie  gestellt,  denn  dem  humanistisch  gebildeten  Ver- 
fasser mußte  ein  formal  richtiger  Gebrauch  der  Sprache  wesentlich 
erscheinen.  Aber  glatte  Konversation  und  fließende  schriftliche 
Anwendung  des  Französischen  sind  ebenso  wichtig;  sie  werden 
durch  passende  Lektüre  und  durch  steten  Verkehr  mit  Franzosen 
erworben.  Französische  Briefsteller  gehörten  im  17.  und  tS.  Jahr- 
hundert zu  dem  Hauplrüstzeug  der  neuen  gesellschaftlichen  Bildung. 

Die  Ausv^'ahl  der  zu  lesenden  Bücher  hat  aber  auch  eine 
liefere  kulturgeschichtliche  Bedeutung  (1,  VII  u.  VIII).     Die  Serees 


Geschichte  des  französischen  Einflusses  auf  die  deutsche  Kultur.  1 3 


des  Wilhelm  Bouchet,  zuerst  in  Lyon  (584  erschienen,  dann 
Doch  wiederholt  gedruckt,  sind  Erzählungen  In  Gesprächsform  zur 
Kärzung  der  Zelt,  Unterhaltungsliteratur,  wie  sie  durch  die 
Renaissance  in  Italien,  Frankreich  und  Deutschland  aufgekommen 
mr.  Häufig  obscön  nach  dem  Empfinden  der  heutigen  Welt, 
befriedigten  sie  durch  Anlehnung  an  die  griechischen  und  rö- 
mischen Klassiker,  an  Hesiod,  Penkies,  Deraosthenes  und  Cicero, 
dis  gelehrte  Interesse  ihrer  Zeil.  Die  »Asträa"  des  sGdfran- 
zöäschen  Edelmannes  Honore  d'Urfe,  geschrieben  ißlO — 1627, 
war  eine  Nachahmung  des  spanischen  Romans  „Diana"  von 
MoDlemayor  und  wiederum  die  Urahne  einer  langen  Reihe  anderer 
Fnnz6sischer  und  deutscher  Nachbildungen.  Wir  haben  es  hier 
mit  den  Anfängen  der  Schäferelen  zu  tun,  die  während  des  ganzen 
17.  Jahrhunderts  in  allen  möglichen  Variationen  den  beliebtesten 
Gegenstand  der  Salonunterhaltung  bildeten  und  noch  bis  weit 
ins  18.  Jahrhundert  hinein  den  Charakter  der  feinen  Oesetligkeit 
bestimmt  haben,  schließlich  aber  noch  bis  zu  unseren  K!as$ikem 
IB  einigen  Gattungen  der  Poesie  ihr  Dasein  fristeten. 

Machte  Erpenius  mit  den  Ser^es  und  der  iiAsträa"  dem 
leichteren  Modegeschmack  seiner  Zeit  eine  Konzession,  so  bedeutete 
die  Lektüre  der  Werke  des  Du  Bartas,,  die  er  dem  Reisenden 
znr  Einführung  in  die  französische  Gedankenwelt  vorschlägt,  denn 
doch  etwas  ganz  anderes.  Auffällig  ist  es,  daß  Erpenius  den 
sittenstrengen,  gläubigen  Du  ßarlas,  den  hervorragendsten  Dichter 
der  Protestanten  Frankreichs,  Viesscn  Ruhm  die  kalvJn istischen 
Zntgenossen  bis  an  den  Himmel  erhoben,  als  einzigen  lesens- 
werten Dichter  bezeichnet,  während  er  die  weltlichen  Dichter, 
Konsard  und  die  übrigen  Mitglieder  der  »Plejade",  des  Studiums 
deutscher  Reisender  nicht  für  würdig  zu  halten  scheint.  Es  spielt 
hier  wohl  die  politisch-kirchliche  Stellung  des  Erpenius  mit, 
wacher  als  strenger  Kalvlnist  seinen  feurig-beredten  Glaubens- 
genossen den  lockeren  katholischen  Hofdichtem  Frankreichs  vor- 
ziehen mußte  und  durch  die  Lektüre  des  Du  Bartas  seine  Lands- 
leute wohl  auf  die  protestantische  Kirche  Frankreichs  hinweisen 
wollte,  deren  genaues  Studium  er  Ihnen  in  seinem  Traktat  auch 
dringend  anempfahl.  Die  kalvinistische  Bildung  blieb  damals, 
wie  es  scheint,  vornehmlich  in   einer  extremen   und  ausschlleß- 


Curt  Oebauer. 


liehen  Richtung  auf  die  Kirche  befangen  und  darum  etu'as  einseitig. 
Sie  lehnte  auch,  dem  asketisch-m  oral  Ischen  Charakter  Calvins 
entsprechend,  die  von  den  Katholiken  gepflegte  künstlerisch- 
sinnliche  Richtung  in  der  Kultur  hartnäckig  ab. 

Von  den  Dichtungen  des  Du  Bartas,  derer  Ziel  allein  die 
sittliche  Erbauung  war,  meinte  Erpenius  wohl  in  erster  Linie  die 
gewaltigste,  die  sog.  ■.Woche"  (La  sepmaine).  Dieses  in  alle  Kultur- 
sprachen überselzte  Werk  war  eine  Darstellung  der  Schöpfungs- 
geschichte, eine  große  Apologie  des  christlich-reformierten  Glau- 
bens. In  ihrer  Bedeutung  für  die  kalvJnistiscbe  Welt  kam  die 
»Woche"  annähernd  der  Bibel  selbst  gleich,  deren  Sätze  auch 
fftr  sie  die  ausschließliche  Grundlage  der  Erkenntnis  bilden. 
Natürlich  stand  das  seltsame  Werk  auf  dem  Index  der  katholischen 
Kirche.  Ins  Deutsche  wurde  es  von  Hübner  (1577 — 1636) 
übersetzt.  Seine  Fortsetzung^  die  „zweite  Woche"  (15S4 — 93), 
welche  die  Geschichte  der  Menschheit  bis  zum  Jüngsten  Tage 
behandeln  sollte,  hat  der  Verfasser  nicht  vollendet.  Nächst  der 
icWoclie"  und  ihrer  Fortsetzung  hat  der  »Triumph  des  Glaubens" 
des  Du  Bartas  die  Zeitgenossen  hingerissen  und  auch  in  Deutsch- 
land in  Johann  Valentin  Andrea  1627  einen  Übersetzer  gefunden.*) 
Nähere  Erörterungen  über  die  reichhaltigen  Literaturangaben 
des  Erpenius  zum  Studium  der  französischen  Verhältnisse,  der 
Sprache  und  der  Landesbeschaffenheit  können  wir  hier  unter- 
lassen; die  angefügten  biographischen  und  literarischen  Be- 
merkungen sagen  das  Wissenswerte  und  geben  damit  einen 
Oberblick  über  die  Schriften,  aus  denen  die  Zeit  zwischen  1620 
und  1630  ihre  Kenntnisse  von  den  französischen  Dingen  schöpfte. 
Charakteristisch  für  das  Zeitaller  ist  das  antiquarische  Interesse, 
das  man  an  den  Ereignissen  des  Altertums  zu  nehmen  liebte. 
Darum  wird  dem  Reisenden  auch  die  Lektüre  des  ».Gallischen 
Krieges"  von  Cäsar  und  die  Beschäftigung  mit  der  Topo- 
graphie des  alten  Galliens  an  Ort  und  Stelle  anempfohlen 
(I,  Xin,  2,  II).  Der  Abhandlung  ist  in  der  mir  vorliegenden 
Ausgabe,  wie  ich  hier  nicht  unerwähnt  lassen  möchte,  noch  eine 
Beschreibung  «Galliens"  nachgedruckt,  gleichfalls  in    lateinischer 


I)  über  Du  Bxrtu  vfrL  Sudiler   und  Birch-Hirschtdd.  Pnr.  L.-O.,  S.  »}/4,  ttad 
Qoedcke,  Onindriß  i.  OcKh.  d.  denUcfatn  Dichtung,  W,  S.  28  ff. 


Spmchc  und^  wie  ich  vermute,  auch  aus  der  Feder  des  Erpenius. 

Audi  diese  Beschreibung  hat  einen  ganz  antiquarischen  Charakter. 

Dtr  Begriff  Gallien   zeigt  die  weite   Fassung,    welche   ihm   das 

Allcrtum  gegeben;  er  schHeßt  Oberilalien  und    das   linke  Rhe'tn- 

ükr  nebst  Holland  und  Belgien  in   sich   ein.     Dementsprechend 

ist  in  dieser  doch  für   moderne   Leser  verfaßten   Besdneibung 

von  Gallia  cisalpina  die    Kede  und    von   Gallia  Iransalpina,  von 

Cüllta  belgica  weiter,  von   Gallia  celtica  und   Aquitania  wie   bei 

Qsar.     Auch  die  altgallischen  Völkerschaften  und  ihre  Hauptorte 

sind  gewissenhaft  aufgezählt,  ebenso  die    Flüsse   und   Berge   mit 

ihren    alten    Bezeichnungen.     Im    übrigen    ist    das    Ganze    eine 

ziemlich  trockene  Aufreihung  von  gelehrten  Namen,  nur  hier  und 

da  finden  sich  kurze  Angaben  über  die  natürliche  Beschaffenheit 

der  genannten  örtlichkeiten  und   historische  Notizen.     Was   ihm 

för  den  unmittelbaren  Reisezweck  zu  wissen  nötig  war,  fand  der 

Leser  in  den  im  Traktat  genannten  Büchern  und  Karten. 

Höchst  interessant  sind  die  Bemerkungen,  die  tirpenius  im 
3.  Abschnitt  seines  Traktates  über  das  Studium  der  politischen 
und  kirchlichen  Verhältnisse  Frankreichs  macht.  Der  Reisende 
soll  sich  an  Ort  und  Stelle  auf  das  eingehendste  mit  der  Ver- 
fassung und  Verwaltung  von  Staat  und  Kirche  beschäftigen,  ja 
so^  über  die  gegenwärtig  in  den  maßgebenden  Amtern  sitzenden 
Personen  unterrichten.  Er  soll  sogar  die  berühmten  Männer, 
die  auf  seinem  Wege  wohnen,  besuchen,  denn  „es  ist  nützlicher, 
einen  gelehrten  Mann  zu  sehen  als  zehn  Paläste!"  Hier  zeigt  sich 
ganz  unmittelbar  und  deutlich,  ein  wie  dringendes  Interesse  man 
in  Holland  und  in  Deutschland  an  dem  mächtig  aufstrebenden 
französischen  Staatswesen  nahm.  Und  besonders  galt  dies  in 
reformierten  Kreisen  für  die  Angelegenheilen  der  hugenottischer 
Kirche  Frankreichs,  deren  Fortbestand  und  Wohltwftnden  eine 
Schulzwehr  gegen  die  reaktionären  Bestrebungen  der  von  den 
Jesuiten  geleiteten  habsburgisch-spanischen  Weltmacht  bedeutete. 
So  finden  sicli  denn  auch  bei  Erpenius  die  nachdrücklichsten 
Hinweise  auf  beharrliches  Studium  an  Ort  und  Stelle  bei  der 
Erörterung  der  reformierten  Kirche  (3,  IV). 

Die  Reformierten  bildeten  zur  Zeit  der  Niederschrift  des 
Traktates   noch    immer   eine   starke   politische    Partei   im   fran- 


]£  Curl  Qebauer. 


1 


zösischen  Staatswesen.  Wer  die  Bemerkungen  des  Erpenius  über 
diesen  Gegenstand  verstehen  will,  muß  sich  die  geschichtliche  Ent- 
wicklung dieser  hugenottischen  Partei,  die  man  als  einen  Staat 
im  Staate  bezeichnen  kann,  vergegenwärtigen.')  ^H 

Das  den  Abschluß  des  langwierigen  französischen  Religions- 
krieges bildende  Edikt  von  Nanles  vom  Jahre  »598  gewährte 
den  Kalvinisteii  in  Frankreich  nicht  nur  freie  Ausübung  ihres 
Kultus  an  zahlreicher,  fest  bestimmten  Örtlichkeiten,  eine  staat- 
liche Beihilfe  zur  Unterhaltung  ihrer  Geistlichen  und  Schulen 
und  gleiche  bürgerliche  Rechte  wie  den  Katholiken,  auch  hin- 
sichtlich der  Besetzung  staatlicher  Ämler^  sondern  auch  eine 
slaattich  garantierte  Verfassung  und  eigenen  militärischen  Schutz. 
Sie  durften  besondere  Versammlungen  zur  Verwaltung  der  geist- 
lichen und  zur  Wahrnehmung  der  politischen  Sonderinlere&sen 
abhalten,  bekamen  200  sogenannte  Sicherheitsplätze,  deren  eine 
Hälfte  sich  in  vorzüglichem  Verteidigungszustand  befand,  und 
durften  eine  eigene  Streitmacht  zu  Lande  und  zu  Wasser  unter- 
halten, die  der  König  aus  seiner  Schatulle  besoldete.  In  kirch- 
licher Beziehung  bildeten  ihre  Gemeinden,  806  an  Zahl,  16  Pro- 
vinzen, die  wiederum  in  Disb^ikte  geteilt  waren;  jede  Provinz, 
jeder  Distrikt,  jede  Kirche  halte  eine  besondere  synodale  Ver- 
tretung. In  politischer  Beziehung  wm  das  ganze  Land  in  Kreise 
mit  eigenen  Kreisversammlungen  geteilt;  über  dem  Ganzen  stand 
als  oberstes  Organ  die  assemblee  generale. 

Solange  Heinrich  IV.  lebte,  verhielten  sich  die  Hugenotten 
ruhig.  Kach  seinem  Tode  glaubten  sie  aber  aus  der  schwierigen 
Lage  des  Staates  Nutzen  ziehen  zu  können.  Als  Ludwig  XIM. 
einem  Versprechen  seines  Vaters  gemäß  anordnete,  daß  in  Bearn 
die  Katholiken  wieder  zur  freien  Ausübung  ihres  Gottesdienstes 
zugelassen  werden  sollten,  den  die  dort  herrschenden  Reformierten 
bis  dahin  unterdrückt  halten,  widersetzte  sich  die  hugenottische 
Partei.  Das  gab  dem  Könige  Anlaß  zu  bewaffnetem  Einschreiten. 
Es  gelang  ihm,  eine  große  Anzahl  der  festen  Plätze  der  Huge- 
notten zu  erobern;  den  Ausschlag  gab  der  Abfall  der  bedeutendsten 
hugenottischen  Führer  vom   hohen  Adel  zur   Partei    des   Königs 


>)  Zorn  folgmdoi  vgl.  Rantiaud,  Histctire  de  la  clvilitation  Irancusc,  Paris  t9(H, 
I,  p.  MI/».  5«/l,  SM-5rt. 


Zor  Oeschirhte  des  französischen  EJnritisses  auf  ctie  deutsche  KuTtur.  1 7 

und  die    Entmutigung   in    den    Reihen    der    Protestanten.     Der 
Friede  zu  Montpellier  von  1623  beslätigle  den  Hugenotten  zwar 
ille  ihnen  nach  dem  Edikt  von  Nantes   zustehenden    kirchlichen 
und  politischen  Rechte,   beließ  ihnen  aber  für  die  Zukunft   nur 
nodi  zwei   Sicherheitsplätze,    La  Rochelle    und   Montauban.     So 
standen  die  Dinge  noch  1 624,  als  Erpenius  seinen  Traktat  nieder- 
schrieb.    Die  hugenottische  Partei  war  zwar  erheblich  geschwächt, 
iber  sie  war  doch  noch  immer  ein   politischer  Körper  innerhalb 
der  französischen   Monarchie.     Freilich    haben    auch    die    eifrig 
gepflegten  Beziehungen  der  Hugenotten  zu  den  Protestanten  des 
Auslandes  den   politischen  Verfall   der   Partei   nicht   lange   mehr 
aufhalten    können;    die   deutschen    Protestanten    waren   selbst  in 
jenem  Stadium  des  30  jährigen  Krieges  hart  vom  Kaiser  bedrängt 
uod  nicht  mehr   imstande,  ihre   französischen   Glaubensgenossen 
gegen  die  ihrer  politischen  Selbständigkeit  feindliche  Staatsmacht 
zu  stützen.     In   zwei    Kriegen    besiegt    seit    1625    der    Kardinal 
Richelieu    Heer   und    Flotte  der   Hugenotten.     Der   Friede   von 
Alais  und  das  sogenannte  Onadenedikt  von  Nimes  (1629)  rauben 
den   Protestanten    Frankreichs    alle  äußeren    politischen    Sonder- 
rechte; ohne  Sicherheitsplätze  und  ohne  eigene  politische  Organi- 
sation,   jedoch    im    Genüsse    der    religiösen    Freiheit    und    der 
bürgerlichen  Oleichberechtigung  mit  den  katholischen  Untertanen 
des   französischen   Königs,   haben   sie   damals  aufgehört,    in   der 
Geschichte  Frankreichs  eine  Rolle  als  Staat  im  Staate  zu  spielen. 

*  * 

Biographische  Bemerkungen 
zan  Traktat  des  Thomas  Erpenius,  alphabetisch  geordnet. 

Benutzt  sind  folgende  Nachschlagewerke: 

Chr.  G.  Jöchers  Allgemeines  Gelehrtenlexikon,  mit  Er- 
gän2ungsl)ändcn  von  H.  Chr.  Adelung.  Leipzig.  (Aus 
dem  18.  Jahrhundert) 

Das  Große  vollständige  Universal lexikon  aller  Wissen- 
schaften und  Kiinslc.  Leipzig  und  Halle,  Verlag  von 
Joh.  Heinr.  Zedier.  (In  vielen  Bänden.  Erschienen 
im  18.  Jahrhundert.) 

Die  Allgemeine  Deutsche  Biographie. 

ArdHv  fftr  Kuitursncbichtc.    VI.  2 


Nouvelle  biographie  g^n^rale  depuis  les  temps  les  plus 
reculfe  jusqu'ä  uos  jours,  publice  par  M.  M,  Firmin 
Didol  freres,  sous  la  direction  de  M.  le  Dr.  Hoefer,  Paris. 

Suchier  u.  Birch- Hirsch  fei  d,  Gesch.  d.  franz.  Literatur.    1 900. 


Guillaume  Bouchet,  geb.  in  Poitiers  1526,  gest.  1606, 
Buchhändler  und  Richter  der  Kaufleute  in  seiner  Qeburtsstadt 
Seine  S^rdes  (Abendgespräche)  sind  zuletzt  1635—38  in  Rouen 
in  drei  Bänden  erschienen  und  gleich  den  «Dijoner  Abend- 
unlerhaltungen"  (Escraignes  Dijonnoises)  des  Etienne  Tabourot 
von  1606  satirisch  gefärbte  Sittenschilderungen,  Anläufe  zu  einer 
Art  von  Wirklichkeitsroman,  in  denen  noch  der  derbere  alt- 
gallische  Witz  der  Fabliaux  sich  behaglich  breit  macht. 

Chifflet,  ausgebreitete  Gelehrtenfamilie  des  16.  und  des 
17.  Jahrhunderts  aus  Besanijon.  Das  Buch  zur  Nachweisung 
von  Stadtplänen,  welches  Erpenius  empfiehlt,  ist  in  den  dieser 
Familie  gewidmeten  Artikeln  meiner  biographischen  Hilfsmittel 
nicht  aufgeführt.  Wahrscheinlich  handelt  es  sich  hier  um  Jean- 
Jacques  Chifflet,  das  bedeutendste  Mitglied  der  Familie.  Dieser 
wurde  am  2t.  Januar  I58S  in  Besanijon  geboren,  war  von  Beruf 
Atediziner,  starb  I660  in  Flandern  als  Leibarzt  des  Kardinals 
Ferdinand,  Statthalters  der  Niederlande,  und  hinterließ  medizinische 
und  historisch-politische  Schriften. 

Guillaume  de  Salluste,  Seigneur  Du  Bartas,  geboren  1544 
in  Montfort  bei  Auch,  gest.  im  Juli  1590  infolge  Verwundung 
in  der  Schlacht  bei  Ivry,  die  er  auf  protestantischer  Seite  mit- 
schlug. Heinrich  IV.  benutzte  den  Dichter  auch  zu  mehreren 
diplomatischen  Sendungen  nach  England,  Schotttand  und  Däne- 
mark. Neben  d'Aubign^,  dessen  r, Tragische  Poesien"  (Les  Tragiques, 
gednickt  1616)  das  größte  satirische  Werk  jener  Zeit  sind,  war 
Du  Bartas  der  berühmteste  Dichter  der  Hugenotten.  Sein  Stil 
zeichnet  sich  durch  seitsame  Wortbildungen  aus. 

Fran^ois  Duchesne  (latinisiert  Quercetanus).  Die  Duchesne 
waren  eine  französische  Gelehrtenfamilie  wie  die  Chifflet.  Das 
von  Erpenius  erwähnte  Werk  »Les  antiquit^  et  recherches  des 
villes,  chäteaux  et  places  remirquables  de  toute  la  France,  suivant 
l'ordre    des    huit    parlements",    zuerst    Paris   1610,  dann    1614, 


ZirOescfaichle  des  französischen  Einflusses  auf  die  deutsche  Kultur.  19 

t622  und  öfter,  ist  aber  nicht  von  Fran^ois  D.,  sondern  von 
dessen  Vater  Andr^  D.  verfaßt.  Doch  hat  es  sein  Sohn,  wie  noch 
andere  Werke  des  Vaters,  neu  herausg^eben  (zuletzt  1668  in 
iwei  Bänden,  welche  Ausgabe  als  die  beste  gilt).  Andre  Duchesne, 
geb.  i5S4  in  I'ile-Bouchard  in  der  Touraine,  gest.  1640  bei 
Piiis  an  den  Folgen  eines  Sturzes  aus  dem  Wagen,  war  könig- 
licher Hofgeograpb  und  Historiograpb  von  Frankreich  und 
an  sehr  fruchtbarer  Schriftsteller,  dem  man  die  Ehrenbezeichnung 
.Vater  der  französischen  Geschichte-  zuerkannt  hat.  Sein  Sohn 
Franqois,  Hofadvokat,  dann  ebenfalls  Historiograpb,  wurde  1616 
geboren  und  starb  1693. 

Bemard  de  Girard,  Seigneiir  Du  Kaillan,  französischer 
Geschichtschreiber,  geb.  1535  in  Bordeaux,  gest.  1610  in 
I^s.  Sein  Werk  »De  I'estat  et  succes  des  affaires  de  France, 
en  quatre  livres*  (Paris  1570),  widmete  er  dem  Herzog  von  Anjou 
die  zweite  vermehrte  Auflage  (Paris  1572)  aber  König  Karl  IX. 
von  Frankreich,  der  ihn  zum  Historiographen  ernannt  hatte. 
Das  Werk  wurde  auch  später  noch  mehrmals  überarbeitet  und 
neu  gedruckt.  Von  Du  Haillans  sonstigen  Schriften  ist  besonders 
eine  >Histoire  g^n^rale  des  Rois  de  France"  zu  nennen.  Er 
Qbersetztc  audi  lateinische  Schriftsteller. 

Philipp  Garnier  (Oarnerius),  aus  Orlifans,  französischer 
Philologe,  wanderte  nach  Deutschland  aus^  lehrte  seit  160S  in 
Gießen,  seil  (614  in  Leipzig  die  französische  Sprache.  Seine 
Genimulae  Gallicae  linguae  l-at.  et  Germ,  erschienen  1610  in 
Straßburg.  Er  hat  noch  mehrere  andere  Bucher  für  den  Sprach- 
unterricht geschrieben,  so  die  »Praecepta  Gallici  sermonis",  Straß- 
burg 1607,  den  »Thesaurus  Adagiorura  gallico-latinorum",  Frank- 
furt a.  M.  1610,  und  die  .»Dialogues  en  cinq  langues,  cspagnole, 
itiljenne,  latine,  frani;aise  et  allemande",  vermehrt  und  verbessert 
von  Philemon  Fabri,  Straßburg  1659.  In  eben  diesem  Jahre 
(1659)  starb  Garnier. 

Lumäus  ist  in  den  biographischen  Werken  nicht  verzeichnet. 

Auch  über  Carolus  Maupasius,  den  Grammatiker,  habe  ich 
mdits  ausfindig  machen  können.  In  der  Nouvelle  biographie 
g^^rale  ist  aber  Henri  Cauchon  de  Maupas  du  Tour,  ein  Prälat 
und  Kirchenschriftstelier,   Bischof  von   Puy,  später  von    Evreux, 


1 


20  Curt  Gebaucr. 


angeführt,  der  von  1600  bis  1680  lebte  und  einem  alten  Ge- 
schlecht der  Champagne  entsprossen  sein  soll.  Vielleicht  gehörte 
unser  Grammatiker  derselben  Familie  an. 

Paul  von  Merle  (Paulus  Merula),  holländischer  Gelehrter, 
geb.  155Ä  in  Dordrecht,  weit  gereist,  studierte  an  fran- 
zösischen^  italienischen,  deutschen  und  englischen  Universitäten 
Rechte,  Geschichte,  Sprachen  und  Humaniora,  war  also  ein  viel- 
seitig gebildeter  Mann.  Seit  t593  war  er  Professor  der  Geschichte 
in  Leyden,  später  Bibliothekar  und  Historiograph  der  General- 
staaten.  Er  starb  1607  in  Rostock.  Von  seinen  zahlreichen 
geographischen,  historischen  und  philologischen  Schriften  erschienen 
die  im  Text  genannten  «Cosmographiae  libri  tres"  zu  Amster- 
dam 1605  und   1636. 

Abraham  Ortelius  (Örtel,  Orteis),  geb.  4.  April  1527  in 
Antwerpen,  gest.  28.  Juni  l59S  ebenda,  Kartograph,  Geograph 
und  Archäolog,  von  seinen  Zeitgenossen  der  THolemäus  des 
Jahrhunderts  genannt.  Sein  »Thesaurus  Orbis  Terrarum",  oft 
verbessert  und  vermehrt,  war  der  erste  für  das  groüe  Publikum 
bestimmte  Atlas,  darum  wohlfeiler  als  frühere  Kartenwerke. 
Ortelius  pflegte  besonders  die  historische  Geographie.  Hier  und 
da  leiden  seine  Karlen  an  Ungenauigkeiten,  welche  auf  fehler- 
hafte Quellen  zurückgehen.  Er  »führte  inniitlen  seiner  museen- 
artigen Sammlungen  das  Leben  eines  Fürsten  der  Wissenschaft*. 
(Allg.  deutsch,  ßiogr.) 

Rapheling.  NiederlÄndtsche  Getehrtenfamiüe.  Am  wich- 
tigsten Franz  Rapheling,  geb.  1539  zu  Lanoy  bei  Ryssel,  gest. 
1597  zu  Leyden  als  Professor  der  hebräischen  und  arabischen 
Sprache,  Schwiegersohn  des  bekannten  Buchdruckers  Christoph 
Plantinus  in  Antwerpen,  dessen  Bücher  er  korrigierte  und  mit 
Vorreden  und  Anmerkungen  versah.  Er  leitete,  seil  1585  in 
Leyden  wohnhaft,  auch  die  dortige  Druckereioffizin.  Seine  Söhne 
Franz  und  Justus  waren  ebenfalls  wohlbewandert  in  den  alten 
Sprachen  und  leiteten  die  Druckerei. 

Scaliger.  An  der  hier  angeführten  Cäsarausgabe  ist 
wahrscheinlich  Joseph  Justus  Scaliger,  der  Sohn  des  Verfassers 
der  bekannten  Poetik  Julius  Cäsar  Scaliger  (1484  —  1558),  beteiligt. 
Joseph  Justus,  geb.  4.  August  1540  zu  Agen,  gest.  21.  Januar  I609 


Zur  Oeschichte  des  französischen  Einflusses  auf  die  deutsche  Kultur.  2 1 

in  leydm,  soll  als  klassischer  Philologe  den  Vater  noch  übertroffen 
loben.     Er  gab   I6O6  den  Cäsar,  kritisch  bearbeitet,  heraus. 

Jean  de  Serres  (Serranus),  geb.  1540  in  Villeneuve,  gest. 
51.  Mai  1598  in  Genf,  Historiker  und  Theologe,  jüngerer  Bruder 
des  berühmten  landwirtschaftlichen  Schriflstellers  Oiivier  de  Serres. 
Seine  BMemoircs  de  la  troisitme  gucrre  dvite«  erschienen  zuerst 
I56S/69.  Jean  de  Scrrcs  war  gemäßigter  Kalvinist,  der  Katho- 
liken und  Protestanten  zu  vereinigen  dachte,  weshalb  er  von 
beiden  Seiten  Anfeindungen  erfuhr.  Sein  Werk  »Apparatus  ad 
Hdem  catholicam"  (Paris  1597)  verfocht  die  Ansicht,  daß  die 
protestantische  Religion  dem  alten  Katholizismus  entspreche, 
Hörend  die  römische  Kirche  sich  von  diesem  entfernt  habe. 
Jean  de  S.  wurde  1597  von  Heinrich  IV.  zum  Historiographen 
von  Frankreich  ernannt. 

Jodokus  Sincerus  (Justus  Zinzerling),  Jurist,  Philologe  und 
Geograph,  über  dessen  Leben  wenig  bekannt  ist.  Er  wurde 
liSO  in  Thüringen  geboren  und  fand  nach  mehrjährigen  Reisen 
durch  Frankreich,  England  und  die  Niederlande  16T0  zu  Lyon 
als  Doktor  der  Rechte  Anstellung  in  einer  Druckerei.  Bald  nach 
161 7  siedelte  er  nach  Norddeutschiard  über,  wo  er  Rat  der 
mecklenburgischen  Landstände  und  der  Grafen  von  Oldenburg 
wurde  und  bald  darauf  (1620?)  starb.  Sein  »Itinemnum  Galliae 
cum  appendice  de  Burdigalia"  (Lyon  1616),  welches  in  vierzig 
Jahren  acht  Auflagen  erfuhr,  gilt  als  bedeutendes  geographisches 
Werk.  Auch  lateinische  Gedichte  sowie  philologische  und 
juristische  Schriften  hat  Zinzcrling  verfaßt 

Honor^  d'Urfö,  Edelmann  aus  Südf rankreich,  geb.  1568, 
gesL  1625-  Von  Heinrich  IV.  und  Ludwig  XIll.  begünstigt, 
wurde  er  durch  die  »Asträa"  schnell  auch  der  Liebling  des 
Publikums.  In  den  Üebesepisoden  des  Romans  schildert  der 
Verfasser  vielleicht  zum  Teil  seine  eigenen  Erlebnisse.  Das  Werk 
besteht  aus  fünf  eng  gedruckten  Bänden  zu  je  500  bis  600  Seiten. 


Aus  dem  Papierkorb  eines  Kölner 
Rechtsanwalts 

zu  Anfang  des  16.  Jahrhunderts. 

Von  HERM.  KEUSSEN. 


Die  Stadtbibliothek  in  Riga')  bewahrt  unter  Theol.  60 
eine  1515  bei  Aldus  ir  Venedig  erschienene  Ausgabe  des 
Lactantius  und  Tertullianus/)  die  anscheinend  zuerst  im  Besitze 
eines  Kölner  Rechlsarwalts  geweser  ist.  Denn  zur  Füllung  des 
Einbanddeckels*)  haben  außer  Resten  alter  Drucke  Papier-  und 
Pergamentblätter  und  -Streifen  gedient,  rjmeist  beschnittene 
Blätter  von  Briefen,  die,  soweit  eine  Adresse  erhalten  ist,  über- 
einstimmend einen  Lic.  jiir.  can.  Hermann  von  Krefeld.  Prokurator 
am  geistlichen  Gericht  in  Köln,  als  Adressaten  erkennen  lassen; 
diesen  darf  man  milhin  a!s  den  Besitzer  des  Buches  ansprechen, 
aus  dessen  Papierkorb,  sozusagen,  der  Buchbinder  das  Material 
zur  Verstärkung  der  Einbanddecke  entnommen  hat.  Im  ganzen 
sind  es  3i  Bruchstücke;  verschiedene  gehören  aber  zweifelsohne 
als  Teile  desselben  Stückes  zusammen. 

Zwei  Fetzen  (Nr.  30,  31)  sind  so  beschädigt,  daß  mit  ihnen 
nichts  anzufangen  ist;  zwei  weitere  Stücke  (2S  und  29)  gehören 
einer  schlecht  geschriebenen  Handschrift  offenbar  philosophisdien 


>)  Heim  SUdtbibiroMirlcar  Dr  Nik.  Hutch  in  Ries,  Jct  mich  auf  itic  Biuchstficbr 
anfnefkssin  K^micht  und  sIr  zur  näheren  DrttitnmaTie  nach  Köln  fibm>nd(  hat.  »chulde 
Ich  für  diese  Freund  lieh  kdt  balen  Dank. 

»)  l.jic«iuilii  (fivlttaruni  IfistllutioniHn  HbrI  Vll  und  TcrtuUlaniu  «dvcrsws  ifcntes. 
AnKliclncncl<lic  von  Cbert.  AUg.  bibHogcaph.  Lexikon  Sp.  951  tu;tcr  Nr.  11601  venelchndc 
Anigabe  btida  Schriluieller. 

^  Oepreßtcr  brauner  Lederband  in  B". 


Aus  dem  Papierkorb  eines  Kölner  Rechtsanmalts.  33 


I  nhalts  an ;  Plalo  und  Aristoteles  werden  erwähnt ;  aber  die 
lückenhafte  Erhaltung  läßt  eine  nähere  Bestimmung  der  Bruch- 
slücke als  kaum  möglich  erscheinen,  und  wahrscheinhch  wird  sie 
auch  wenig  lohnend  sein. 

Das  älteste  Stück  unserer  Sammlung  bilden  2  Pergament- 
blätter (1  und  2),  ein  Instrument  des  Mainzer  Notars  Joh. 
Fabri  alias  Wynneck,  aufgenommen  zu  Mainz  in  dem  Amspurger 
Huyfft,  im  Volksmunde  Siebcanne  genannt  Das  Stück  wirft 
ein  sehr  ungünstiges  Licht  auf  einen  höheren  Frankfurter 
Geistlichen,  Johann  Buch  (Fagus),  der  zu  Anfang  des  16.  Jahr- 
hunderts Scholaslikus,  Kustos,  Kanonikus  und  Vikar  an  der 
Bartholomäus- Kirche  war.  Ihm  wird  vorgeworfen,  er  habe  sich, 
den  Fußtapfen  eines  ungenannten  Oheims  folgend,  schwerer 
Verbrechen  -  Ehebruch,  Hurerei,  Meineid  u.  a.  m.  -  schuldig 
genucht  Der  Disziplinargewalt  des  Mainzer  Erzbischofs,  Albrecht 
von  Brandenburg,  habe  er  sich  entzogen,  indem  er  sich  von 
Papst  Julius  11.  eine  Exemtionsurkunde  vom  26.  Februar  1509*) 
verschaffte,  zu  deren  Exekutor  der  päpstliche  Prolonolar  Dr.  decr. 
Johann  von  Brempt,  I^opst  von  Zütpheti,  bestellt  war.  Diesen 
soll  er  zu  ungerechtem  Vorgehen  gegen  den  Mainzer  Oeneral- 
vikar  Theod.  Zobbel  und  den  Fiskalprokura tor  Valentin  Becker  in 
der  Testaraentsangelegenheit  des  Johann  Griffensteins  veranlaßt 
und  sein  Unrecht  durch  Anschlag  falscher  Abschriften  an  die 
Frankfurter  Kirchentüren  verschärft  haben.  Außerdem  warf  man 
ihm  vor,  daß  er  seine  Gläubiger  in  Prozesse  verwickle  und 
seine  Schulden  selten  bezahle,  daß  er  Frauen  von  Frankfurter 
Bürgern  mit  Gewalt  entführe^  Jungfrauen  entehre,  öffentliche 
Dirnen  bei  offenen  Fenstern  in  seinem  Hause  aufhalte.  Oegen 
die  durch  die  Exemtion  erwirkte  Straflosigkeit  für  seine 
Schandtaten  richtet  sich  die  Appellation  der  zuständigen  Behörde, 
des  Generalvikars  und  des  Fiskal  pro  kurators.  Zeugen  der 
Appellation  waren  der  Kurator  der  Fritzlarer  Kirche  üc.  decr. 
Herrn.  Qrauwichter  und  Adam  Valleren  von  Aschaffenburg. 

Ein    kulturgeschichtliches  SeitensCück  zu    diesem    Skandal- 
prozesse bieten  die  Klageartikel  (Nr.  24  -  27),    welche  ein  mag. 


■)  tSM,  4-  bü.  nurcU  pontif.  iulll  II  tHtiO  6. 


Johann  Raeve,  Vikar  an  S.  Severin  in  Köln,  gegen  seinen  ehe- 
maligen Vormund,  einen  Scholastikus  Petrus,  aufgestellt  hat.  Wie 
er  behauptet,  hat  er  diesem  mehrere  Jahre  gedient,  aber  keine 
Bezahlung  erhalten.  Ferner  habe  dieser  ihm  die  Einkünfte  des 
ersten  Jahres  der  Vikarie,  12  Ohm  Rotwein,  6  MaUer  Roggen 
und  Semmeln  u.  a.  vorenthalten ,  auch  späterhin  ihm  das 
Seinige  nicht  gegeben.  Die  Verpflichlungen,  die  dem  Scholastikus 
durch  den  Besitz  der  Vikarie  der  vier  Marschälle  in  der  Pfarr- 
kirche Klein  S.  Martin  erwuchsen,  habe  er,  der  Vikar,  erfüllen 
mfisseUj  indem  er  ein  halbes  Jahr  lang  jede  Woche  drei  Messen 
las.     Dieser  Prozeß  spielte  um  das  Jahr  1517.  ^M 

Zwei  andere  Bruchstücke  (Nr.  22,  23)  enthalten  Klage- 
artike!  in  dem  Prozesse  eines  gewissen  Swederus,  die  an- 
scheinend eine  Reparaturlast  betreffen.  In  diesen  Artikeln  wird 
es  als  ein  Kölner  Qewolmheitsrecht  bezeichnet,  daß  der  Eigen- 
tümer des  Grund  und  Bodens,  auf  dem  ein  Zaun  errichtet  ist, 
allein  die  Reparaturpflicht  und  -Kosten  zu  tragen  habCj  nicht  die 
Nachbarn  gemeinsam.  Ein  weiterer  Artikel  behauptet,  die 
Werkmeister  der  Stadt  Köln  hätten  nicht  das  Besichtigungsrecht 
(von  Neubauten),  sondern  überließen  es  den  Steinmetzen  und 
Zhnmerleuten. 

Alle  übrigen  Stücke  der  Sammlung  (Nr.  3-21),  die,  soweit 
sie  eine  Zeitangabe  tragen,  in  die  Jahre  15IG/17  fallen,  gehören 
dem  geschäftlichen  Briefwechsel  des  Lic.  Herm.  von  Krefeld  an; 
von  I5  an  ihn  eingegangenen  Briefen  sind  größere  oder  kleinere 
Teile  erhalten,  ganz  vollständig  keiner.  Über  die  Persönlichkeit 
des  Licentiaten  habe  ich  nur  feststellen  können,  daß  er  mit  seinem 
Familiennamen  Loeper  hieß,  am  TO.  Mai  1492  bei  der  Artisten- 
fakultät der  Kölner  Hochschule  immatrikuliert  wurde',)  daß  er, 
ohne  die  artistischen  Prü  fungen  gemacht  zu  haben  ^  zur 
juristischen  Fakultät  übertrat  und  von  dieser  am  4.  Mai  I50f 
zum  Baccalaureus  im  geistlichen  Recht  promoviert  wurde*.)  Ober 
seine  Beförderung  zum  Licentiaten  habe  ich  nichts  ermitteln 
können,     ebenso   nicht,    wann    er    sich    bei    der  Kölner    Kurie 


0  III.  Matr-  iB4b:  Rcct.  *i*.  3i. 
>j  JnristüdKs  KccbmuigtbKh  83  a. 


Aus  dem  Hapierkorb  eines  Kölner  Rechtsanwälte.  25 


ab  Rechtsanwait  niederließ.     Seine  Wohnung  hatte  er  im  Quartier 

Utin    in    der    Nähe    des    Dominikanerklosters.*)      Auch    damals 

schon  sorgten  die  Rechtsanwälte  für  ständige  Vertretung  im  Falle 

der   Abwesenheit.     Ein    jüngerer    Prokurator    mag.    Heinrich 

Allholt*)    wird    mehrfach    (z.  B.  Nr.    H)    als   sein  Vertreter  be- 

^ad]net      Die    Kölner    Klientel   des   Licentiaten    geht    5elbst\'er- 

sündlich  nicht  aus  diesem  Briefwechsel    hervor,   da  an  Ort  und 

Stelle   durchweg    die    persönliche  Rücksprache   ausreichte.      Die 

auswärtigen    Geschäftsverbindungen    gingen    mehrfach   nach    den 

Niederlanden;  Lüttich  und  Tongern  einerseits,  Delft   andererseits 

werden  als  Wohnsitze  von  Klienten  genannt.    Bis  nach  Osnabrück, 

dessen  Rat  ihn  zum  Syndikus  in  einem  Prozesse  vor  dem  Rektor 

der  Universität  bestellte   (Nr.  17),   reichte  sein    Ruf.     Auch  von 

Essen,  Neuß,  St.  Tonis  bei  Krefeld  und  Bonn  kamen  ihm  Briefe 

au    Meist   enthalten   sie,   soweit   der    Inhalt  festgestellt  werden 

konnte,  prozessual  nötige    Angaben,    Anfragen    über   den    Stand 

von   Prozessen     oder    die    Bitte    um    einschlägige    Abschriften. 

Mehrfach  ergeben  sie  Aufschluß   über  die   Entstehung  und   den 

Gang  der  geistlichen  Prozesse.    So  hatte  ein  Licenttat  Egidius  von 

S.    Trond    um    eine    Pfründe    von    S.   Maria    in    Tongern   zu 

prozessieren,  deren  Provision  er  durch  den  Lütticher  Siegler  als 

weltlichen  Abt    oder  Propst  von  Tongern  erhalten    hatte.      Die 

Universität  Löwen,   welche   ihrerseits  die   Pfründe   beanspruchte, 

lud  ihn  dieserhalb  vor  den  Konservator  ihrer  Privilegien  in  Köln, 

vor  dessen  Subkonservator,  dem  Offizial  des  Kölner  (Dom)propsles, 

die  Verhandlungen   stattfanden,   bei   denen  Herrn,  v.  Krefeld  als 

Vertreter  des  Beklagten  fungierte  (Nr.  tO/l  I  ;  19/'20).     Ein  anderer 

Fall  betrifft  das  Ersuchen  eines  Arnold  von  Drie!  in  Osnabrück, 

eine  durch  den   Notar  Johann   Dunhoc^t   vor  dem  Offizial  der 

Kölner  Kurie  anhängig  gemachte  Klage  gegen   den  Osnabrücker 

Kleriker  Jakob  Kenninck  an  den  Dechanten  Arnold  Folie  als  den 

Konservator   der    Privilegien   des  Osnabrücker   Klerus,   bei  dem 

die  Angelegenheit  früher  anhängig  gemacht  worden  war,  oder  an 

den  Osnabrücker  Offizial   zurückverweisen  zu   lassen  (Nr.   H). 


1)  Nr.  31 ;  apud  Prcdicttorci. 

■>  I.  J.  14W  imnwtriWulicrl:  Rrtl.  «*,  Hl. 


iJ 


Soweit  die  Briefe  lateinisch  abgefaßt  sind')  -  9  Briefe  in 
laleinischer  Sprache  stehen  neben  6  deutschen  Briefen  -  ,  erinnern 
sie  wohl  an  den  Stil  der  Duiikelmännerbride.')  In  einem  Punkte 
stimmen  fast  alle  Briefe  überein.  Sie  betonen  mit  Nachdruck, 
daß  die  Arbeit  des  Anwalts  wohl  gelohnt  werden  solle  (Nr.  9); 
man  will  Ihn  zu  Dank  (denklichen)  und  wohl  bezahlen^  wie  billig 
sei  {Nr.  15).  Es  scheint,  daß  die  Arbeit  um  Gottes  Lohn  bei  den 
Kölner  Advokaten  damals  so  wenig  üblich  war,  wie  50  Jahre 
früher,  als  ihre  Habsucht  in  einem  Spottgedichte  gegeißelt  wurde.") 
Infolge  der  schlechten,  äußent  lückenhaften  Erhaltung  der 
Stücke  eignet  sich  wohl  nur  das  beifolgende  wenig  verstümmelte 
Briefchen  zur  Wiedergabe.  Es  ist  geschrieben  von  einem  Lands- 
manne  Theodor  Greven  von  Krefeld,  der  ebenfalls  beim  Kölner 
geistlichen  Gericht  sein  Fortkommen  suchen  wollte,  wenn  auch 
in  der  bescheideneren  Stellung  eines  Notars.  Greven  war  ISIJ 
zur  Universität  gekommen')  und  hatte  als  Schüler  des  Lauren- 
tianer-Oymnasiums  das  Baccalaurcat  und  das  Licentiat  in  der 
Artistenfakultät  erworben,  letzteres  am  t.  März  1516.*)  Am 
7.  Januar,  wohl  im  folgenden  Jahre,  bat  er  von  S.  Tonis,  einem 
bei  Krefeld  gelegenen  Dorfe,  aus  seinen  angesehenen  Landsmann, 
ihm  durch  den  Überbringer  des  Briefchens,  einen  Studenten, 
Nachricht  zukommen  zu  lassen,  ob  er  ihm  beim  Erwerb  des 
Notariats  behilflich  sein  wolle.  Auch  er  will  es  an  klingendem 
Lohn  nicht  fehlen  lassen. 

[1517]  Jan.  7  S.  Tonis. 
Obsequium  meum  semper  paratum.  Honorabilis  domine 
licenciate.  Michi  persuasum  [est],  ei  indubitanter  sum  illius  inten- 
tioniSj  quod  adhuc  operam  darem  Colonie  in  offic[ialatul  vel  mox 
ante  camispriviuni  vel  posteai  in  ieiunio.  Quare  obnixe  rogo 
[dominationemj  vesfram  (si  non  fueril  molestum),  islo  studente, 
qui  meas  obtulit  literas,  me  certiorem  [facere],  quando  commodius 


1)  Einen  gutm  Tdl  allrr  Kormpondcntra  bitdricn  Odsttiche  iller  Ontde. 

>)  Wrnn  z.  B.  Corndtua  rhcodorid  Del(l«n^is  ihm  «dtfcibl,  er  habt  wJncii  Or^er 
grtraffm,  .et  frdinus  iimvl  trontim  vtillum'  (Nr,  1>. 

•)  Bolle,  Ein  SiioH^ldil  ouf  die  Kölner  Advokaten.  Jahrbudi  d»  Vorins  Ar 
niedcTdmtsche  Sprachforwhung.     1S91,    S.  liSt-i«8. 

*i  Adl  39    Juni   ISI3:  Matr.  IV.  6t  b  [Rfki.  49S,  %%*). 

■]  Ad.  L>efc.-Uucti  IV,  91»,  lOTb,  lOSa. 


Aus  dem  Papierkorb  eines  Kölner  Rechtsanwalts. 


27 


notarhis  effici  potuero.  Si  quidem  melius  polueril  fleri,  .  .  . 
mum  sine  mora  Colonie  operam  darem  in  officio  notariatus.  Et 
de[precor],  quod  dominatio  vestra  michi  in  isto  auxilto  esse  velit, 
cgo  iterum  in  pecunüs  prolmerebo].  Yalete  ex  sancto  Anthonio 
altera  epiphanis.  Theodericus  Greven. 

Beiläufig  sei  auf  ein  Spottbild  auf  die  Kölner  Advokaten 
hingewiesen,  das  in  der  Mitte  des  16.  Jahrhunderts  entstanden 
SQD  mag.  Es  wurtJe  im  Jahre  1901  vom  Historischen  Museum 
hiereelbst  erworben.  Dargestellt  ist  ein  Bauer  mit  einer  auf- 
Ulend  langen  Nase.  In  der  linken  Hand  trägt  er  einen  mit 
Eiern  gefüllten  Korb.  An  einem  über  der  rechten  Schulter  ge- 
tragenen Stocke  hängt  ein  Hase.  Als  Hintergrund  dient  ein 
schlecht  ausgeführtes  Spiegelbild  eines  Teiles  der  Stadt  Köln,  die 
durch  den  Domkrahn  kenntlich  gemacht  ist.  Überschrift  und 
Unterschrift  des  Bildes  mögen  hier  folgen: 

Überschrift:  Glück  zu,  Hans  mit  der  lange  nasen. 

Wo  wib  du  hin  mit  dem  hasen? 
Uaterscfarift:  Ich  will  gehen  recht  in  die  sladt 
Und  fragten  miner  Sachen  raht 
Dem  advokaten  Rcben  den  hasen, 
Den  procuraloren  glicicher(I)  masscn 
Die  cycr  im  korblcn  verehren  thon. 
Villicht  wirdt  mein  sach  vort  gehen, 
Die  nun  biss  in  die  zwentäch  iahr 
Qeweret  und  mich  verderbet  zwar. 
Gluck  (zu.  herr  advokat, 
Hir  breing  ich  euch  ein  gebraet 
Das  wollt  vor  gilt  auff  nemen, 
Das  doch  mein  sadi  zu  recht  keinen. 
Ho  dein  sach  ictzundc  schloffen  thot, 
Ein  rosse  nobel!  die  erwecken  nioet. 
Die  sach  ist  ictz  an  tnich  gesteh, 
Ich  rieht  gleich,  wy  mirs  gefcU. 
Ach  ach,  ich  armer  man  mich  klagen, 
Mach  voll  von  grossen  tmgUik  sagen 
Binaher  bisher  gL-vesen  ein  gcck,  ■ 
Mil  meiner  grosse  rasen  nit  gemercki, 
Worumb  der  khar  nil  woU  vortgan 
Und  ich  da  hinden  mossen  stan. 


Eine  Spießrechtsordnung  aus  dem 
Jahre  1542.) 

Mitgeteilt  von  WILHELM  BECK. 


Wo  leider  der  Gebrauch  ist,  daß  der  gemein  Mann  mil  del 
langen  Speißen  rieht. 

Wo  das  Gemein  mit  langen  Speißen  Macht  hat  zu  richten 
und  ein  IJbeltäler  oder  arme  Person  vorhanden  ist,  so  fuirt 
man  die  Knecht  zusammen  und  macht  ein  Ring;  darin  stellt 
der  Profos  die  arme  Person,  begehrt  jedes  Teils  ein  Vorsprecher, 
die  Klag  und  Antwort  gegen  einander  [tun],  wie  sichs  gebuh 
nadi  [Maß]  der  Verhandlung. 

Alsdann  steht  ein  Feldwebel  hervor  in  Ring,  fragt  cinen^ 
der  ihnie  gefällig  darzu  ist: 

N.,  frag  dich  by  deinem  Eide,  so  du  diesem  unserm  lob- 
lichen Regement  geschworen  hast,  daß  du  wollest  ein  Ausweisung 
geben  zwischen  unserm  loblichen  Regement  und  diesem  Armen. 
Wo  du  aber  der  Sach  allein  nicht  weis  genog  bist,  so  nimm 
andre  gute  Kreigsleut  zu  dir.  Darauf  steht  der,  so  der  Feld- 
webel erfudert,  hervor  und  spricht:  Leiben  Lanizknecht,  also  hat 
mich  der  Feldwebel  by  meinem  Eid  gefragt,  ich  soll  ihme  ein 
Ausweisung  geben  zwischen  unserm  Regement  und  der  arme 
Person,  so  bin  ich  der  Sach  allein  nicht  weis  genoch  und  be- 
gehr, daß  andre  verständige  Kreigsleut  inner  und  außer  des 
Rings    in    meinen    Rat    kommen,    und    will  euch  Befehlsleul  er- 


•n       I 


t)  Ans  dem  Cod.  gtnn.  «903  der  K.  Hof>  u.  Sl.  BibL.  Münchea.  -  Die  OrdanSB 
iil  im  Wortlaut  getreu  vf«]eT|-Ff>ct>ni,  nur  die  Schicibwcisr  und  Intrrpunlctiön  ist  ecindcrl. 
Dk  vnalgHi  ErGän/unccn  offmbjin  AusU&iuaK«i  stehen  in  «luecn  Klunincni. 


Eine  Spießrechtsordnung  aus  dem  Jahre  1542. 


29 


mahnt    haben,    mir    helfen    erfudren    diejenigen ,    so    zu    dieser 
Sachen  nützlich  und  verständig  sen,  die  wohl  des  Rechtens  be- 
kannt sein.     Und  so  man  den  Rat  crfudcrt  hat,  treten  dieselbigcn 
TOT    dem    Ring    zusammen;    fragt  der  Teldwebel  einen    in  dem 
Ral,    den   er  zuvor   gefragt   hat,   auf  den   Eid  wie  vor,  daß  er 
wolle   ein  Ausweisung  geben  zwischen  dem   Regement  und  der 
arme  Person,  darin  zu  urteilen,   soweit  Gewissen  und  Verstand 
reicht    und  ausweist;  herauf  der   Gefragt    [dem]   Feldwebel  ant- 
wcrt:     Dieweil    du    mich    fragest    by  meinem  Eid,    das  tsl  mein 
höchstes  Pfand,  das  ich  Gott,  Kynig,  Fürsten  und  Herrn  nachtrage. 
Und  wann    nun   der  Rat  zu    End   btschlossen  Ist,  so  tritt 
man  wieder  in  Ring,  dcnselbigcn  offcnllicli  zu  erzählen.     Spricht 
der  [uro]  den  Rat  anfänglich  gefragt  worden  von  dem  Feldwebel: 
Ich    bin  der  Sach    allein  nicht  weis  genoch  gewesen,  zwischen 
unaerm  loblichen   Regement  und  der    arme   Person    dorin  dn 
Ausweisung  zu  geben;  hab  derwcgen  verständige  Krelgsleut  zu 
mir  in   meinen   (Rat]  genommen.     Das  wird    euch   der  N.   er- 
zählen.   Auf  dasselbig  steht  der,  so  darzu  erbeten,  hervor  und 
^chl  also:    Leiben   Lantzknccht,    da   bin    idt    von   den    guten 
Kretgsleuten  erbeten  worden,  euch  den  Rat  oder  die  Sachen  zu 
erzählen,  wiewohl  ich  niclil  fast  töclitig  und  nützlich  darzu  bin; 
doch  so  es  euch  allen  leib  ist  und  mich  wollt  hören,  so  will 
ichs  aufs  Best  von  Herzen  gern  thun. 

Und  so  er  den  Rat  erzählt,  und  darüber  drei  Rät  gangen 
sein,  so  kehren  die  Fähndrich  die  Fähndlin  zu  der  Erden,  und 
spricht  der  älter  Fähndrich  unter  [ihnen]  also:  Leiben  Lantzknecht, 
da  «-ollen  wir  unsere  Fähndlin  mit  der  Spitz  zu  der  Erden 
wenden  und  nicht  Hegen  lassen,  bis  daß  das  Übel  gestraft 
wird.  So  hebt  ein  Feldwebel  an:  Wems  leib  um  die  Mißhand- 
löi^  si,  daß  dem  dreitten  Rat  beschlossen  nachkommen  und 
das  Übel  gestraft  werde,  Ja,  Ja.  Oder:  Wems  leib  si,  daß 
dieser  am  Lieb  gestraft  werd,  wie  die  drei  Rät  beschlossen 
haben,  der  heb  mit  mir  ein  Hand  auf. 

Alsdenn  lassen  die  Fähndrich  ihre  Fähndlin  wieder  flegen 
und  machen  fünf  in  ein  Glied  und  zehen  dreimal  um  den  Ring; 
nachmals  macht  man  ein  Gassen  und  stellt  die  Schützen  zu  den 
Fähndlin.       Damach    führt  der    Profos  den     Übeltäter    dreimal 


inwendig  in  dem   Ring   um  und  läßt  ihm  vorsprechen  von   di 
Pfaffen,  so  der  vorhanden  ist 

Darnach  stellt  ihn  der  Profos  gegen  Aufgang  der  Sonn< 
und  läßt    ihn    aus    seinen  Banden    und  spricht:    Jetzund  bist  d^ 
von  mir  ledig  und  los;  bitt  Gott,  daß  du  deiner  Sund  also  ledi 
werdest,  so    bist  (!)    du   ein  Kind  des  ewigen  Lebens  sein,  ui 
läßt  ihn  laufen. 

Kann  [er]  bis  zu  den  Fähndlin  kommen,  die  alle  zu  obiil 
in  dem  Ring    flegen    meussen,    -    und   auch    diewell  die   Spi 
gehen   -    und  er  eins  anrührt,  so   ist  er  seines  Lebens  gefreil 
aber  es  kommt  seilen  einer  so  weit 


Cod  germ.  1903  der  K.  Hof-  und  Staatsbibliothek  in  MQnchei 
eine  gut  erhaltene  Papierhandschrift  unbekannter  Herkunft, 
als  Wasserzeichen  einen  Schild  mit  den  gekreuzten  Schlüssel! 
Regensburgs,  darüber  ein  R;  das  ganze  Zeichen  ist  4  cm  hoch 
Die  Schrift,  gewöhnliche  deutsche  Kursivschrift,  ist  trotz  unver- 
kennbarer Schulung  etwas  ungelenk  und  schwer.  Nach  einer  in 
der  Handschrift  enthaltenen  Zeitangabe  muß  die  Anfertigung  in 
das  Jahr  1542  gesetzt  werden,  Die  Hs.  umfaßt  1 1  Blätter  (2  t  Seiten) 
in  Kleinfolio  (30-.  21  cm);  das  vorderste  Blatt  ist  bis  auf  einen 
kleinen  Rest  abgeschnlllen  und  war  wohl  unhe  seh  rieben,  Rote 
Linien  auf  den  vier  Rändern  jedes  Blattes  rahmen  ein  mittleres 
Feld  ein,  dessen  beschriebene  Fläche  23  bis  24  :  13  bis  15  cm 
mißt  Dieser  Raum  ist  durchweg  eng  beschrieben ,  30  bis 
34  Zeilen  auf  die  Seite.  Die  jeweils  ersten  Zeilen  der  Absätze 
zeigen  größere  Schrift  Das  dünne  Heft,  nunmehr  ohne  Titel 
und  Umschlag,  diente  wohl  dem  Handgebrauch  eines  Feldwebels, 
der  zu  den  6000  guten  Knechten  deutscher  Nation  zähUe,  die 
Oraf  Baptist  zu  Ladron  für  den  Markgrafen  Alfons  zu  Guata 
(OuastOj)  Rom.  Kais.  Maj.  obersten  Genera]  in  Italien  und 
Statthalter  des  Herzogtums  Mailand,  auf  drei  Monate  anwerben 
sollte.  Die  Oberslenbestallung  für  den  Grafen  Ladron  d.  d. 
Genua  S.August  1542  findet  sich  in  der  Handschrift.  Diese  selbst 
beginnt  mit  einer  Schultheissengerichlsordnung;  ihr  folgt  die 
hier  abgedruckte  Spießrechtsordnung,  dann  die  gerichtliche 
•Scheilfordnung"    -   der  Schreiber   ist    gewöhnt   .rSchicf«  statt 


.Schiff«  m  ^rechen  — ,  weiter  des  Feldwebels  [Amt  und]  Be- 
sttBung,  die  eben  erwähnte  Oberstenbestallung  und  der  Artikels- 
bn'rf  in  27  Artikeln.  Eine  Eigentümlichkeit  des  Schreibers  ist 
der  Gebrauch  von  „ei"  stall  „ie" :  Breif,  Gleid,  leib,  Kreig, 
SjxiS  und  umgekehrt:  »Lieb*  statt  ifLeib". 

Ein  Schutzumschlag  trägt  von  Schmellers  Hand  die  Ober- 
idirift:  .Ordnung  des  Kaiserlichen  Kriegsrechts  des  Regiments 
der  Landsknecht." 

Ahnlichen  Inhalts  ist  die  neun  jähre  jüngere,  aus  dem 
^re  1551  stammende  Handschrift  in  einem  Folianten  des 
Fmhnandeums  in  Innsbruck:  Di  Pauleana,  ms.  890,  III.  — 
BeUe  Handschriften  erwähnt  Jahns,  Gesch.  d.  Kriegswissen- 
sduAen  I,  767  und  768.  —  Die  Feldwebelordnung  findet  sich 
auch  im  ms.  gcrm.  fol.  98  der  Kgl.  Bibliothek  in  Beriin 
(|ihas  I,  492.) 

Die  hier  abgedruckte  Ordnung  ist  wohl  die  älteste  der 
höher  bekannt  gegebenen  Spießrechtsordnungen  und  stammt 
itts  einer  Zeit,  als  das  Spießrecht  in  dieser  Form  noch  wirklich 
gehandhabi  wurde;')  trotzdem  wird  unsere  Einsicht  in  die  Ent- 
stehung und  Dauer  des  merkwCirdigen  Rechts  auch  durch  diese 
zeitgenössische  Ordnung  nicht  gefördert.')  Wertvoll  ist  der 
Hinweis  an  anderer  Stelle,  daß  man  den  Ursprung  des 
Spießrechts  da  suchen  müsse,  wo  von  einundvierzig  Urteils- 
fiadem  die    Rede    ist")     Über   das   Ende   bemerkt   der   nach- 


*>  Db  %)irllchkd(  d«r  Oberlieferuns  Q^  ^^  Spiefirecht  Im  ZuMninienhall  mit 
firtvidklnsg  dct  LiutdtknrchU«e««i»  Mät  vcnnutei,  daß  üittes  Volk«grriclit  von  nicht 
Dntcr  war.  Übrrlirfcrl  «chdnl  nach  dm  Spießrech tslngrn  drr  Jnlirr  1517 
■d1M9(Klrcbhofr,  inil]lansdiKiplinfiS.eDnndI17  {1601])  kein  wdlrrcr  solcher  Tag  zu 
«A  (Vfl.  Zcnk,  die  ÖHentlidikeir  im  Miliiänr^rprotetK  S.  le  |<S96|  und  v-  Bonin. 
ftMaififtL  der  Rcchtfvtrfa«siiB{  in  den  dmlichcn  Heeren  S.  148  und  153,  n.  [1904].)  D» 
■  ^pimlklii  rvine  Vmr*2itvertiiilinJs  /«IkIicii  dem  Kiie^iJierm  »der  Obersten  und  dea 
laidikaecllieii  mit  deren  TnlKclieiidm  PatdeTKingm  intirrte  %kh  Khon  bald  im  Sinne  üa 
Zkifdririncnng  der  Fcrdcninccn  der  Kncctiic.  vobci  auch  dein  SpieSrechtc  das  vohl- 
»tfdiale  Ende  Ixiettet  v«nJcn  tein  dürtl«. 

•)  Dil  Ich,  KricEsbuchS.  167  [1607}:  Man  pHege  das  Spiefiiechl  mebrerleils  zu 
Ciaci  Zngei  zttriilla-iiim,  damit  auch  der  genieine  Suldal  :iehc  und  lerne,  wie 
es  Kl,  über  McnK>mI>lHt  urteilen.  -  So  annctvrnb^ir  diese  KrkirtninK  lautet,  SO 
•ic  docb  nur  eine  »illkflrliche  AuifQhmns  des  Wortes  •AtifIii[[Uch"  lu  sein,  mit 
Fto  nsperecr  d«  Spießrecbl  cinlci«e1:  Füntf  QüdierBl.  76  <issi). 

^  r.  Bonln  ,  Orund^ugc  S.  ISO,  wo  die  Oberplälz  besonder«  genannt  wird.  Zu 
^0,  die  VorbcnhuiK  <Ier  niederbaicriKhen  LaotlciurdimnK  voin  Jiiiie  14T4  bei  Krenner, 
'.  LjBdtXflluiuItUBgca  Vil,  }M.  Es  wird  vorurvhbiten,  dalS  htVhstenH  einundvieTU£ 
•M  den  evndc  AnveKoden  zd  Recht  niedergesetzt  und  diese  alldn  zu  Kecht  gefragt  werden 
Ro»entb«I,  Oetch.  d.  Onicbltwesen*  .  .  .  Bilems  1,  94  n.  7  {Mi^j. 


Wilhelm  Beck. 


maüge  Kaiserliche  Generalaudilor  Kostka  um  das  Jahr  1730» 
ganz  allgemein,  das  Spießrecht  habe  nunmehr  bei  den  Kaiser- 
lichen samt  dem  Spießgebrauch  aufgehört  und  sei  von  der- 
gleichen bei  Menschengedenken  Icein  Exempel  mehr,')  eine  Be- 
merkung, die  sich  nicht  auf  das  längst  aufgehobene  außerordent- 
liche Verfahren,  sondern  nur  auf  die  Strafe  des  ..durch 
die  Spieße  Jagens"  beziehen  kann.')  Jedenfalls  nmß  eine  rechts- 
geschichtliche Untersuchung  über  das  Spießrecht  scharf  trennen 
zwischen  dem  Gerichtsverfahren,  das  wohl  nur  wenige  Jahrzehnte 
überdauert  hat,  und  der  Strafe  des  Spießejagens,  die  vielleicht 
so  alt  ist  als  der  Spieß  selbst,  seitdem  er  Knegswaffe  geworden. 
Bei  der  Betrachtung  unserer  Spießrechtsordnung  im  ein- 
zelnen fällt  in  der  Überschrift  das  bezeichnende  Wörtchen  .-leider« 
auf.  Also  schon  im  Jahre  1542  waren  die  Unzuträglichkeiten 
dieses  Verfahrens  richtig  erkannt  und  gewürdigt!  Wer  dem 
Spießejagen  öfter  angewohnt  hatte,  wie  der  kriegserfahrene 
Feldwebel,  der  mußte  zu  der  Einsicht  gekommen  sein,  daß  es 
nicht  geeignet  sei,  das  Ehrgefühl  und  den  Gemeinsinn  unter  den 
Knechten  zu  heben.') 

Um  ein  vollständiges  üild  zunächst  des  Verfahrens  zu" 
gewinnen,  läßt  es  sich  nicht  umgehen,  zur  Ergänzung  der 
Lücken  eine  andere  Spießrechtsordnung   heranzuziehenj   die   von 


1>  Joh.  Kottka.otKCRitionci  mllitara  S.  9V(i75l).  Die  l.  Auflag«  diLrit«  ctva  ll 
Jahr  17  JO  fallen.  -  v.  Bon  In,  Zdlschr.  d.  S»vieiiy-Sl.  f.  H.  Q.  Oeim.  A.  2S,  54  (19W>  nimmt 
an,  daß  die  SpIcRe  schon  im  Jahir  1642  au«  dm  Krrrcn  vcisctivundm  «-arm.  Qprade  die 
von  itun  angnoK^nc  Stellr  brl  Jahns,  Oesch.  d.  Kr.  Wincnsch.  IT,  91),  wo  Oraf  Johann 
von  NasMii -Siegen  die  Wiedcrdnfflhrang  de«  -Splefteiagcnt"  empUchlt,  beireiil  deren  Vor- 
handensdn.    Sie  venchwanden  ent  zu  Ende  in  17.  Jahrhunderts. 

ff  [*ai>piii  von  Tntzberg  bemerkt  zu  Artikel  S9  dci  HolländischM  Kricgvrechti 
V.  13,  AugUfl  i:KI:  ■Oie  Stnfe  mit  den  Vaflni  ist,  wenn  nun  einen  archibuaiert  oder  durch 
die  Sjiieti«  iagl*.  Vfilcker,  coip.  jur  mil.  Ul,  2)9  (16»).  ~  Oa&  .durrti  die  SideBmten 
Ijicifen'  und  d»  «Piügrln  zwisclicn  (tcn  Piken*  sind  zwei  venchirdcne  Strafen ;  das 
Prügeln  varde  in  der  Weite  vollzoKen.  daß  mmi  dem  Mann  zwifclien  r<rci  von  Soldjiteii 
gehaltenen  Piken  durch  einen  Korporal  eine  Anzahl  StKksliddif  venetzcn  lieO. 
Staudinger,  OriCh.  d.  Bayer  Me*rrt  |],  1318.  Vgl.  I.udovici,  Einlelliuic  Mim 
K(icg3|>!nieB  S.  191  (l?'*)-  Oie  Bemerkung  »  Boninsln  d.  Zcitschr.  (  Rechttgesch. 
(rnniantst.  Abt.  IS,  6!  fi90<)  wäre  hiernach  m  berichtigen. 

■)  Ob  sich  die  .nnien,  unerh'Men  ungeschickten  KHegibriluchc  und  Krirgticthlc* 
(V.  Bonin,  Grundrüge  S.tSi)  auf  ün  SplcRrceht  berichen  lassen,  «ec  ich  nicht  zu  cnl- 
Kfadden ;  jetie  Stelle  der  KHcgstilndd  bcschlftigt  »ich  vorher  mil  Krieg»Eefangeneti, 
Kriegibetite  und  Stvrniiold.  -  Die  .KriegihAiidet  .  .  .-(Jahns  I,  4VT>scheine[i  ein  Abdruck 
aui  Jnslin  Oob  1  e  r,  .der  Kethlcn  Spiegel*,  zu  sein,  dcuen  Vurrede  «ui  «lern  Jalire  ISSC 
fttAmmt.  Der  schule  Tri!  hamlrli  -Von  Krlegihindeln-  und  schlicfit  mit  den  hier  oben 
angedeuteten  aKricguechlen  imd  Krieg^gebrüuchen.' 


Bne  Spießrechtsordnunft  aus  dem  Jahre  15^2. 


33 


Adam  Junghans,  Kriegsordnung  zu  Wasser  und  Land  (1590), 
überiKfert  isl.') 

Die  Fähnlein  werden  von  ilireii  Lagerplätzen  auf  den  oline- 
fcin  schon  bestimmten  AlarmplaU  »geführt",  da  alle  Befehlshaber 
te  zum  Hauptmann  mit  ausrücken.-)  Auf  dem  Alarmplatz 
»ahen  (der  oder)  die  Feldwebel  ihres  Amtes*}  und  ordnen 
die  Fähnlein  zum  Ring.  Der  Oberet  ist  nicht  anwesend ;  er 
btuif  den  Antrag  des  Profoscn  die  Genehmigung  zu  einem  Spieß- 
fKhl  erteilt  und  zum  Ausrücken  der  Fähnlein  „umschlagen"  lassen. 

Nun  erscheint,  gefolgt  von  seinen  Trabanten,  der  Regiments- 
profos  mit  dem  von  Stecken  knechten  geführten  \m<^  gefesselten 
Missetäter  im  Ring.*)  Er  begriißt  den  Umstand  und  fordert 
einen  oder  den  Feldwebel  aufj  ihm  in  der  Sache  behilflich  zu 
leJo.  Darauf  richtet  der  Feldwebel  gleichfalls  einige  Worte  an 
deo  Umstand,  der  seine  Geneigtheit  zur  Bestrafung  des  armen 
Minnes  durch  Mandautlieben  zu  erkennen  gibt.<^) 

Der   i^rofos   als   Kläger,  ebenso   der  AngekEagte  begehren 

*)  Da  du  Referat  bei  JSbns  I,  ss9  nidit  z*^'  ^'^  gchiltcn  Ist,  mag  hier  eine 
mSBpiphbche  BemcvlitinE  Plali  flmlm.  Adam  JunghsRs,  vJd^Hchl  vom  ob«rni  Main, 
»oi  *r  ölMhnitz  (?)  »tammoid,  schrieb  «in  Wstkchen  im  \.»ger  vor  Neuß  im  Wtnlcr 
IMJ  ml  w  mit  der  fn  drr  Vorrede  nDigetprochcncti  Absichl.  den  gemeinen  Knechten 
<tiaUeiiieiitundlidii;iirron5pereet;{u  liefern.  DMiicnliprccIienil  lü  iltr  pöiite  Tril  des  Inhalt! 
■I  Pro«spni:er^  Ktirg*l>tii:h  rnlruiroinoi.  U'uhl  von  JiiiiKh.iii»  «Ibsl  isl  die  prächlige 
Vormfe  all  Ihrer  detb-humori^lischcu  Schililening  des  Landskncchtslcbeni.  Wertvoll  IM 
ta«T  (He  Oberliefernnfi  d«  Oerichtiverf«liren»  (1J!8),  wo  Junghwi  beim  Spicftrcchl  dne 
linnt  VorUfc  bcDUtzle.  ils  sie  Fronipcrgcr  iiatle.  Auch  der  letzte  Abscliiiitl  von  der 
Hafendiniberei  «ithJÜt  eini^:»  allgatidn  Inlereuaiite,  to  ein  Preiwerüeichnli  der  Lt^iens- 
■fM  rarNnR  vom  6.  IJc/pmber  ISBS(2.  Aufl,  1SW).  MiinrbrnvIinLjnxen  und  Aiivahlirngs- 
BMa,  üt  datii  vlde  der  damals  K^iiSiK™  Miirzsanen  enehcinen.  Die  ei3(e  Aufläse,  die 
Im  Jahre  'SW  erschien,  kannte  ich  nicht  cmiittcln.  Dagegen  besitzt  die  K.  Hol- 
iMM.  MiDchen  die  z.  <1S9I>}.  3.  l%S9a)  und  4.  AuOkse  (1611).  Bald  nach  dem 
1390  scheint  Jnngtuc»  £»tcirbeii  xa  Min,  u)  dall  lich  der  Ecreienc  KesimenU-  und 
■Kfcrriber  Andm*  Hrutter  (aurh  Rcvllcr)  von  Speler  an  eine  Cberarbdinng  des 
U'okchdr»  RiKhen  konnte,  die  sehr  .arm^lig-  auffiel,  wie  Jihn»  rkhiig  Iwmerttte,  indem 
o  dibH  Rnittcr  indnte.  leider  «her  Jiini,^ian«  nannte.  Der  Nachdruck  verfiel  denn  audi 
tainnUailen  Sctahtal,  obvohl  er,  wie«  scheint,  noch  nichträsllch  mil  einem  anderenTittlblatt 
mditB  vn:de,  da  J^Uuts  von  dner  AutUee  1S94  und  U91  spcichl.  Iile  Bibriothck  det 
NalionalmutenniB  in  Nüinbcrg  übers-indtc  mir  in  entgegen koiiiuiendstcr  Weis« 
det  Jähret  i595.  —  Der  Drudccr  Lüizenkirehen  in  Külti  and  e«  besser, 
alte  Bearbeitung  von  Junghan«  zugrunde  lu  legen,  a\%  im  Jjlire  M')Z  eine  neue 
toflace  vrranr.Liltet  wurde  JiUin't  bat  vidiejctit  nur  die  idili^ehle  Aiunalie  vun  Reuller  In 
4n  Hand  irhaht,  und  die  vun  Junnhani  lübetbauiil  nicht ;  son»t  vfire  er  wohl  nicht  darauf 
ihn  .OIRnii/-  zu  nennen, 
fljnnghans  S.  sa.  Ziff  io(i6ii).  kh  dtierenaehderlm  AbKhaiti  ..Spießrechl- 
flMO  gl«icblaiitnid«n  4.  Auf],  von  i6n,  da  ent  di«e  rine  pAginicmng  tufveisl. 

t  Dei  Feldwebel  pdiAftr  nicht  xuin  rihnlein,  sundem  zühlte  lum  Staat  de*  Olwrslen. 
Aat  ttm»  tauend  Knechte  nrde  ein  l'Hdwrbel  gerechnet. 

<)  »Ca  «oll  auch  der  Profos  mehr  Gewalt  und  Aulseheni  haben,  als  wo  die  Ot>er- 
Wl  idbal  rtdUet  vo  ea  Icrin  Oeurralprofos  iit".  Junghani  S.  i6,  Ziff.  3. 
•>  Junghan«  S.  t7,  Ziff.  4. 


Ardiiv  f   Kolttirgndiichle  VI. 


JJ 


Wimelm  Beck. 


nunmehr  von  dem  das  Verfahren  leitenden  Feldwebel  ihre  Vor- 
sprecher,  die  ihnen  bewilligt  werden  müßen.  Die  Förmlichkeit 
des  »Eindingens  ins  Recht"*)  dieser  Fürsprecher  fällt  an  Stelle 
des  nicht  anwesenden  Schultheißen  gleichfalls  dem  leitenden 
Feldwebel  zu.  Außer  dem  Fürsprecher  können  sich  beide 
Parteien  auch  noch  je  einen  w Beistand  oder  Rat"  erbitten,*)  so 
daß  die  Beratungen  der  Parteien  außerhalb  des  Rings  jeweils 
von  dreien  gepflogen  werden.  Beide  Parteien  müssen  dreimal 
zum  Wort  zugelassen  werden;  die  Partei  des  Angeklagten  hat 
das  letzte  Wort.  Da  der  Oberst  nur  dann  ein  SpieOrecht 
bewilligte,  wenn  die  Tat-  und  Schuldfrage  keinerlei  Schwierig- 
keiten bieten  konnte,  das  Verlesen  von  Zeugenaussagen  wegen 
Leugnens  des  Angeklagten  sohin  wohl  überflüssig  war,  so  hatte 
die  letzterwähnte  Förmlichkeit  keinen  besonderen  Wert.  Doch 
wurde  bei  dem  Formalismus  des  immer  noch  mittelalterlichen 
Gerichtsverfahrens  in  allen  Fällen,  sohin  auch  bei  einem  so- 
fortigen Geständnis  des  Angeklagten,  an  der  dreimaligen  Wieder- 
holung von  ^Klag  und  Antwort"  festgehalten.  Damit  war  die 
Sache  »vor  dem  gemeinen  Mann  zu  Recht  gesetzt«;')  der  Ge- 
fangene bat  um  ein  gnädiges  Urteil. 

Der  weitere  Verlauf  ist  in  unserer  Handschrift  sehr  aus- 
führlich geschildert.  Die  drei  Räte  der  Einundvierzig  treten 
dreimal  zur  Urteilsfindung  außerhalb  des  Rings  zusammen;*) 
die  Bekanntgabe  des  Urteils  im  Ring  erfolgt  nicht  durch  den 
Landsknedit,  der  zur  Bildung  des  Rats  der  Einundvierzig  vom 
Feldwebel  angesprochen  wurde,  sondern  »man  muß  zu  jedem 
Rat  einen  sondern  Richter  haben,  darum  daß  jeder  Richter  seinen 
Rat  dem  gemeinen  Mann  vorbringe".'^)  Nun  erst  kehren  die 
Fähndriche  die  Fähnlein  zur  Erde,   und    der  älteste   Fähndrich 


1)  Bdipiele  fQr  dlcx  Fdrinlidikeii  bei  J  u  nghiR»  S.  71  und  83. 

•>  Junehtns  S.  87.  ZIH.  5. 

>>  ju  nKhans  S.  8S,  Zitf    8. 

*)  Aus  Junghiiis  S-  B7,  Ziff.  11  ngibl  skh  aach  hirc  ein  iUtm  Fextlulten  in  der 
Form  dö  dreifachen  Raü;  »clbst  wenn  dk  Knechte  schon  mit  dem  cralcn  Urteil  einver- 
standen iraren,  .mügen  tle  die  ersten  vleniz  Mann  allein  dreimal  zu  Rat  gehen  lasten«. 

t)  Junehant  S.  8»,  Ziff  ^2.  v.  Bonin,  Zeilschiift  für  R,  0.  15,  S3^  (IW4)  gfht 
nlt  dictem  ■FCIdilcr'  übt  &trrng  im  Orrieht,  da  er  die  am  Schluß  Oiineh^ni  ^-  ^^■ 
Ziff.  10)  van  V.  Bonln  vcnnutele  .OencrilkUuset*  stdri.  VfL  auch  v.  Bunin,  Qnindzäge 
der  RrchUvcrf.  S  iJ2  und  Ml  -  Kit:liter  ist  aber  nach  oberdcutBChcm  Recht  »weh  dw, 
der  das  Urtdl  aunprlcht.  Vgl.  blerübcr  ItoscnIhaL,  Oeicb.  d.  OcrictalsT.  .  .  . 
Batenu  1,  M, 


^ 


Eine  Spießrech tsordnung  aus  dem  Jahre  1542.  3$ 


M  seine  Ansprache  an  die  Knechte.*)  Um  das  Urteilsfinden 
MtDinchr  endgültig  abzuschließen,  berichtet  Junghans  ^  über  eine 
F9nnlicbkeit,  die  nicht  entbehrt  werden  konnte.  Nach  einem 
Trommdzeichen  gibt  der  leitende  Feldwebel  bekannt,  daß  .bei 
Ehre  und  Eid  keiner  begehren  solle,  den  Rat  über  zwei-  oder 
ilreimal  zu  wiederholen,  sondern  zu  Recht  gänzhch  beschlossen 
sein  lasse".  Damit  ist  etwaigen  Versuchen  des  Umstands,  die 
Urteitsfindung  zu  verzögern  oder  gar  unmöglich  zu  machen, 
die  Spitze  abgebrochen.  Unsere  Handschrift  erwähnt  diese 
Förmlichkeit  nicht;  hier  läßt  der  Feldwebel  nach  der  Ansprache 
des  Fihndrichs  den  Umstand  ohne  weiteres  abstimmen,  ent- 
weder durch  den  Zuruf:  «Ja,  ja"   oder  durch  Hardaufheben. 

Es  folgt  ein  dreimaliger  Umzug  auf  dem  Gerichtsplatze 
ia  der  Marschordnung  zu  Fünfen.  Dieses  Umziehen  hatte  vor 
illeoi  den  praktischen  Zweck,  den  Ring  aufzulösen  und  die 
fihnlein  zur  Gassenbildung  zu  ordnen,  wobei  es  dem  freien 
Ermessen  des  Feldwebels  überlassen  blieb,  die  Marschkolonne 
an  einer  beliebigen  Stelle  zu  trennen,  so  daß  die  Knechte  nicht 
wissen  konnten,  wer  an  die  kritische  Stelle  am  Eingang  der 
Oasse  zu  stehen  komme,  wo  voraussichtlich  die  tötlichen  Stöße 
blien  mußten,  ebensowenig,  wer  in  der  Oasse  einander  gegen- 
öberstehen  werde.  Waren  die  Spieße  einmal  gefällt,  so  konnte 
niemand  mehr  bestimmen^  wohin  die  Stöße  gehen  würden. 
Darum  war  es  sehr  angebracht,  unmittelbar  vor  dem  Fällen  der 
Spiefie  das  alte  Verbot,  >, keinen  alten  Neid  oder  Haß  zu  rächen",^) 
in  Erinnerung  zu  bringen.  Die  Schützen  nahmen  Aufstellung 
bei  den  Fahnen,*)  da  sie  sich  mit  ihren  Schußwaffen  an  der 
Vollstreckung  des  Todesurteils  nicht  beteiligen  konnten. 

Der  letzte  Akt  der  Handlung  macht  nach  unserer  Quelle 
einen  durchaus  würdigen  und  sachgemäßen  Eindruck,  da  sie 
nichts  erwähnt  von   dem   blasphemisch   wirkenden  Hereinziehen 


I)  Nuh   Junsfatns  &  11,  Ziff  9  gnchati  dies  ichon  vor  <lcr  UrtflUfindung. 

1)  jHnfhans  S.  89,  Zdlf.  11. 

t  Jnngbans  S.  M,  ZIH.  16. 

•I  Di«  Abbildung  in  P' ritniperEer*  Kriee)l»ich  Teil  i  xtiip  illc  Schfttjen  auf 
der  den  Fahnen  enlgegwigeaelxlcn  Sdte  (Im  Oaise.  Es  Ist  anzumchmcn,  tUß  die  Knechte 
W  der  OaMCaUldang  in  ihrer  OidnunK  blieben,  m>  daO  gegtn  die  Qas&t  je  fQnf  Mann 
tUvitoaidcr  tfudoi.  Die  SpleBc  konnten  jedoch  nar  äK  ivei  votdenlen  Otieder  an( 
jcdn  Seite  der  Quac  2ct>rauclien,  didleOliedcr  jedenfalls  diditiusammeognctilonm  «nren 

3* 


der  Dreifaltigkeit,  dem  rohen  Umzug  um  die  Leiche  des  Ge- 
richteten und  dem  AbschieBen  der  Büchsen,  obwohl  man  dieses 
nocli  etwa  als  den  letzten  kriegerischen  Gruß  erklären  könnte, 
mit  dem  die  Kameraden  den  in  Sflhnung  seines  Fehltrittes 
Gestorbenen  ehren. 

Vom  Standpunkt  der  Erhahung  der  Ehre  auch  im  T 
mul5  wohl  das  Spießejagen  betrachtet  werden,  solange  es  sei 
ursprüngliche  Gestalt  beibehielt  und  frei  bHcb  von  abstoßend 
Förmlichkeilen.  Dejn  armen  Mann  wird  der  Angriff  d 
Henkers  erspart;  er  fällt  ehrlich  von  den  Händen  seiner 
Kameraden,  die  damit  zugleich  das  Recht  des  Blutbanns  für 
sich  in  Anspruch  genommen  zu  haben  glauben.  Es  ist  jedoch 
undenkbar,  daß  sich  das  außerordentliche  Gerichtsverfahren  in 
den  Territorien  bei  dem  stetigen  Erstarken  der  landesherrlichen 
Gewalt  durch  längere  Zeit  halten  konnte;  die  dem  hochfahrenden 
Sinne  der  Landsknechte  entspnmgene  Übung  mufite  bald  im 
ganzen  Reiche  verschwinden. 

Nach  Junghans  (Ziff.  17)  wird  zum  Schluß  wieder  der 
Ring  gebildet.  Der  Profos  ermahnt  die  Knechte,  daß  »einer 
des  anderen  Strafe  annehmen  wolle"  (Ziff.  t8>,  das  heißt,  daß 
er  sich  durch  das  strafende  Zureden  besonnener  Kameraden  von 
Verfehlungen  aller  Art  abhalten  lasse  (»das  Strafen  mit  guten 
Worten"),')  und  daß  keiner  einen  Kameraden  leichthin  und 
leichtfertig  (»liederlich")  ihm,  dem  Profosen,  in  die  Hände 
liefern  solle. 

Da  es  auch  zum  Amt  des  Profosen  gehört,  in  kleineren 
Sachen  zu  vennitlcln  und  zu  entscheiden,  so  richtet  dieser 
schließlich  noch  die  Frage  an  die  Knechte,  ob  sie  irgend  etwas 
miteinander  zu  schaffen  hätten,  das  nicht  Malehzsache  wäre; 
noch  könne  man  Mittel  und  Wege  suchen,  solche  Sachen  hier  im 
Ring  beizulegen.  iWeldet  sich  niemand,  so  ist  des  Profosen 
Tätigkeit  zu  Ende ;  er  entfernt  sich  mit  seinem  Gefolge. 

Die  ganze  Handlung  zum  endgültigen  Abschluß  zu  bringen, 
obliegt  nun   dem   leitenden   Feldwebel.     Daher  gibt  dieser  oder 


1)  Vgl.  Artiktlibiief  v.  J.  MOS,  Art  A:  Onblcr,  ChronLka  der  Krirt^iAndel  .  .  . 
isas,    Bl,    T   (1166).     tmier   Ott    und    rrpull,    KrickfsordniinK   (<s:s),   Ttil  1  (iMCll  den. 

EUl  der  tkntzunit);  AJIgnn.  Knchurttirv  Jiilüochcn:  Muilcmnscn  I.  2ii. 


Eine  Spießrech tsordnung^  aus  dem  jahir  1S42.  37 


der  .Richter",  das  ist   einer  der  drei   Urteilssprecher  aus  den 
£imindvierzig,  bekannt:   Wenn  einer  von   den  Knechten  glaube, 
es  sei  bei  dem  ganzen  Vorgang  irgend  etwas  vergessen  oder  nicht 
ganz  richtig  gemacht  worden,  so  könne  das  jetzt  nicht  mehr  zur 
Sprache  gebracht  werden.     Die  Entscheidung  hierüber  stehe  dem 
(nicht   anwesenden)   Obersten  und   dem  ganzen  Regiment ')  zu. 
Es  sei  auch  alles   nachträgliche   Besprechen  der   eben  erledigten 
Angdegenheiten  beim    Bier   oder  Wein   zu   unterlassen.      Diese 
ktzle  Mahnung  gilt  vor  allem   den  Knechten,  die  etwa  bei  der 
Utteilsfindung   oder    bei    der   Abstimmung    abweichender    An- 
schauung waren. 

Zum  Schluß  wieder  ein  Trommelzeichen,  und  die  Fähnlein 
rücken,  geordnet,  wie  sie  gekommen,  zu  ihren  Lagerplätzen  oder 
in  die  Quartiere  ab. 

Im  Spießrech!  steckt  sicher  ein  ganz  gesunder  Kern:*) 
Knechte  --  zunächst  etwa  nur  solche  aus  bestimmten  Gegenden 
-  bedingten  sich  bei  der  Annahme  zum  Kriegsdienst  die  Be- 
ft^is  aus,  in  Fällen,  wo  die  Ehre  der  ganzen  Genossenschaft 
in  Betracht  komme,  selbst  Recht  zu  sprechen  und  dazu  mit  der 
Oberwehr  auszurücken.  Allmählich  bildete  sich  sodann  die 
Übung  aus,  daß  im  Anschluß  an  die  sehr  ernsten  Fälle,  die 
mit  der  Hinrichtung  des  Missetäters  endigten,  auch  leichtere 
Fälle  zur  Sprache  und  Entscheidung,  sei  es  ilurch  den  Profosen 
allein  oder  auch  wieder  durch  den  gemeinen  Mann,  gebracht 
werden  konnten.  Ließe  sich  diese  Annahme  quellenmäßig  be- 
legen, so  wäre  eine  Trennung  des  Rechts  vor  dem  gemeinen 
Mann  und  «vor  den  langen  Spießen",  wie  sidi  Kirchhoff  aus- 
drückt, nicht  mehr  angezeigt.^)  Da  der  Oberst  um  die  Ge- 
nehmigung eines  Spießrechts  jedesmal  vom  Profosen  gebeten 
werden  mußte,  so  hatte  er  es  in  der  Hand,  ungeeignete  Fälle 
von    dieser    Behandlung   auszuschließen.      Im    Laufe   der   Zeit 


*)  RegiifHnl  hier  wabi  Im  Sinne  von  .Kricgsfqpmcnt-  ili  >obcTSte  KominanilDbe- 
Mirie*  oder  .rrsinmdr  SlcItC. 

1)  Zu  vet.  den  Ai»ui2  aus  dem  Oiskur«  de«  Graien  Johann  von  Nassau-Sieben 
«.  J.  itM  bei  Jihnt.  Onch.  d    Kr-WiBtcuKhaften  ir.  QU. 

<1  V.  Bonin.  Onind^ngc  .  .  .  S.  ***  und  i^*  hriiaiitkli  hrtdc  Vrtfahrm  ge- 
Maden  wd  bcxetcbnei  <lai  Redit  der  luifcen  Spicfe  als  etac  Abart  des  Rcthb  vor  dem 
iam  Mann  iS,  uay    Beitle  »ind  «oh!  ein  und  dauelbc. 


Wilhelm  Beck. 


scheinen    sich   jedoch    bedenkliche    Mißbräuche   eingesch  lieh« 
zu  haben. 

Mit  dem  Erstarken  der  Landeshoheit  einerseits  und  dem 
Überhandnehmen  eines  besonderen  Kriegerstandes  anderseits 
mußte  die  Entwicklung  einmal  auf  einen  Punkt  kommen,  wo 
der  Kriegsherr  auf  Grund  der  bisherigen  Erfahrungen  allein 
seine  Bedingungen  aufstellte,  auf  die  sich  die  Knechte  anwerben 
lassen  mochten  oder  nicht;  an  Menschen  war  ja  kein  Mangel. 
Dabei  wird  unser  außerordentliches  Gerichtsverfahren  sein  Ende 
gefunden  haben,')  während  die  Strafvollstreckung  des  Spieße- 
jagens -  nunmehr  auf  Grund  von  Urteilen  der  ordentlichen 
Kriegsgerichte  -  fortbestand,  bis  die  Spieße  und  Piken  vor  den 
Feuergewehren  das  Feld  gänzlich  geräumt  hatten. 


■>  .Allrni   Ansr'heiL  nacli   isl   k  in  der  Idztm  Hilftr  des  16.  J&hrliunderts, 
der  ml(  iintrrgrUtifcncn  MiJlbräuchr  glnillrh  sbKachsfft  vonim*    Laurenili,  Abh 
lunji  von  den  Kricjpccrichloi   ru  unjcrcn   Zritw   S,  34  (I7?7)     -     Lunrnilii   wird  mehr^ 
fach,  M  auch  von  Jihnt  und  v.  Bonin,  irrig  ah  LiurcnUus  liticri:  vg^   den  Nvncn  itnter 
der  Widmung  seines  Werke«  Bl.  4  b. 

Das  von  v.  Bonin  (Zdtsch.  (.  R.  0.  2i,  61,  o.  2)  ervihntc  Budi  -Von  aller» 
hand  KritgiTüstutig  und  Qebraiich.  PrankfuH  a.  M.  I!SS'  i«l :  Fron  »per  ^er,  Fönff 
Sucher  (I5!E).  Dem  von  Kowalevskl  benutzten  Exemplare  fehlte  offenbar  das  Titelb«tt, 
«cduilb  er  den  über  jedet  linkm  Blalorite  «trhenden  Titel  antQbrte.  Dai  laipressiim 
SdilnB  mx  erhalten. 


Die  Reise  des  Danziger  Ratsherrn 
Arnold  von  Holten 

rrch  Spanien  und  Oberitalien  in  den  Jahren  1606-1608. 

Von  PAUL  SIMSON. 


Als  die  Deutsche  Hanse  sich  ihrem  Niedergange  zuneigte, 
versuchte  sie  Welfach,  durch  diplomatische  Tätigkeit,  besonders 
durch  Gesandtschaften,  das  wieder  zu  erlangen,  was  sie  in  ihrer 
Schwäche  nicht  hatte  behaupten  können,  ja,  sich  auch  neue  Wege 
für  ihren  Handel  zu  eröffnen.  So  beschloß  der  Haiiselag  von 
1606  auch,  eine  stattliche  Gesandtschaft  an  König  Philipp  III.  von 
Spanien  zu  senden,  um  die  alten  hansischen  Privilegien  in  diesem 
Lande  und  dem  damals  mit  ihm  verbundenen  Portugal  wieder 
öi  erlangen,  die  Erschwerungen,  denen  der  hansische  Handel 
dort  angesetzt  war,  zu  beseitigen  und  neue  Berechtigungen  zu 
erwerben.*)  Mit  dieser  Gesandtschaft  wurden  die  Städte  Lübeck, 
Kimburg  und  Danzig  betraut.  Von  Ihnen  wurden  die  Rat- 
mannen  Heinrich  ßrokes  aus  Lübeck,  Hieronymus  Vogeler  aus 
Hamburg  und  Arnold  von  Holten  aus  Danzig  zur  Ausführung 
dieser  Aufgabe  ausgewählt  und  ihnen  der  hansische  Syndikus 
Dr.  Johann  Doman  beigegeben.  Sowohl  von  dem  Lübecker  als 
von  dem  Danziger  Vertreter  sind  eingehende  Aufzeichnungen 
aber  diese  Reise  gemacht  worden,  jene  bilden  einen  Teil  der 
Lebenserinnerungen  von  Brokes,*)  diese  befinden  sich  als  Reise- 


t)  Vgl.  über  dicie  GcundUchafl :  Sorloriot,  0«*chlchte  dn  hanMilitchen  Bund«, 
Vi,  lII^tMff.  und  KuUer,  Die  Muidckverbindunsni  dtt  l[anu,  spcilell  Ouiiigs,  mil 
tpMitJi  and  Portugal  ieillStl,  ZvitM-hrilt  dnvestpingUlutHnQndilrbKvcfcin«,    iRSt,  V,  HfT. 

I  Mltsctetll  von  PiuU.  /.ribditill  des  Vtftim  Ür  Lübtckachie  Oeadiichle  and 
AlMmriBUMlr.  ttMff.  I.  :Qtl, 


Paul  Simson. 

notizen  in  einem  Sammelbande  des  Danziger  Stadtarchivs,^ 
der  einen  großen  Teil  der  auf  die  Gesandtschaft  bezügliche 
Akten  enlhäh. 

Während  die  Berichte  von  Brokes  bereits  mehrfach  gedrucli 
sind,")  ist  von  Holtens  Reisetagebuch  zwar  von  Kcslncr  in  dei 
erwähnten  Aufsatze  ausgiebig  benutzt  worden,  aber  doch  ii 
wesentlichen  nur,  soweit  es  sich  auf  das  politische  Ergebnis  d< 
Gesandlschaft  bezieht.  Dagegen  ist  das,  was  kulturgeschichtlicl» 
Interesse  bietet,  bisher  nur  wenig  berücksichtigt  worden.*)  Dah< 
dürfte  es  sich  verlohnen,  von  diesem  Gesichtspunkte  aus 
Rciseaufzeichniingen  von  Holtens  zu  betrachten. 

Die  Reise  nahm  die  Zeit  vom  12.  Oktober  1606*) 
zum  6.  Mai  1608  in  Anspruch  und  führte  Holten  zunächst  na( 
Lübeck  und  Hamburg,  wo  er  sich  mit  seinen  Kollegen  vcrcinij 
Von  dort  ging  es  nach  Brüssel,  wo  bei  Erzherzog  Atbrecht,  dem 
dortigen  spanischen  Statthalter,  und  nach  Paris,  wo  bei  König 
Heinrich  IV.  Aufträge  auszuführen  waren.  Von  Paris  reiste  man 
nach  Madrid,  wo  man  am  12.  April  1607  eintraf.  Die  sehr 
langwierigen  Verhandlungen  mit  den  dortigen  Staatsmännern 
dauerten  bis  zum  November.  Während  Brokes  schon  am  18.  No- 
vember die  Rückreise  antrat,  begaben  sich  die  drei  anderen  am 
21.  November*)  zunächst  nach  dem  Eskorial,  wo  sie  sich  drei 
Tage  darauf  trennten.  Donian  reiste  über  Lissabon,  Vogeler  über 
Granada  nach  Hause,  und  Holten,  der  längere  Zeit,  wohl  infolge 
des  Klimas,  krank  gelegen  und  sich  auch  noch  nicht  erholt  hatte, 
begab  sich  nach  Sevilla,  da  die  königlichen  Leibärzte,  von  denen 
er  behandelt  worden  war,  ihm  Seeluft  angeraten  hatten,  weit  er 
an  diese  von  Jugend  auf  gewöhnt  sei.  Von  dort  reiste  er  durch 
das  südliche  und  östliche  Spanien  bis  Barcelona,  fuhr  nach  Genua 

1)  HandKhrlhca  )  l  i. 

■)  Zatnt  von  Zictra  unter  dem  T]te1:  Wjllrem,  Nubrlcht  von  der  ui  den  Mnif 
von  Spunin  abgeardoclcn  OcundUchatt  der  Hantcstätitc  ncl>tt  ....  volUtlndigcn]  Tugit- 
bvchc  d«  LMbn-kisdim  Ralshcirn  und  tunsi&chcn  Abgcaidnriiüi  Henrich  Dnokci,  1774. 
todina  von  I'suii  a.  a.O.  S.  I9Tir. 

■}  AuQer  einigen  Noli^eii  bei  Kcslncr  hil  HIncb  in  seinem  AufsaUe  .Übrr  den 
Handels  verkohl  I)aTui(n  mfl  den  iuilieni^elieit  SU;i<ni  do  16.  Jahrhiinderlii-,  Nene  PreufiiK^e 
rnivJTimlbllttrr,  1II4I,  S.  ii2f.,  mdirerci  üttcr  den  AnfoiUiall  Holtai%  iti  Italien  auf  der 
Itficicrcisc  mitgcldlL 

*t  Nadi  neuem  Stil,  den  Holten  anwendet,  wjlhmid  Brokes  nach  dem  Qcbnach 
nincr  ViRntadt  nach  dem  allen  KaLendcr  ditU-rt. 

*)  Nkhl  tchon  an  ii.  November,  vle  Kölner  S.  iO  a»][lbt 


herüber,  ging  dann  quer  durch  Oberitalien  bis  Venedig  und 
schließlich  über  den  Brenner,  durch  Süd-  und  Mitteldculschland 
nach  Hause. 

Die  Aufzeichnungen  von  Holtens  zerfallen  in  zwei  Teile: 
das  JoumaV)  das  bis  zur  Ankunft  in  Madrid  in  deutscher  und 
bis  zum  24.  Juli  1607,  mit  dem  es  abbricht,  in  lateinischer  Sprache 
geführt  ist,  und  die  Relatio,')  in  deutscher  Sprache  mit  lateinischen 
Zusätzen  abgefaßt,  das  Konzept  zu  dem  Bericht,  den  Holten  nach 
seiner  Rückkehr  dem  Rat  seiner  Vaterstadt  abstattete.')  Dazu 
kommen  dann  die  von  einem  Begleiter  Holtens*)  gemachten 
Aufzeichnungen  über  die  Rückreise  vom  21.  Novcmlxrr  1607  bis 
lam  6.  Mai  1608.*)  Diese  sind  für  unseren  Zweck  am  wichtigsten, 
dl  sie  die  Merkwürdigkeiten  der  durchreisten  Landschafien  und 
Orte  ausführlich  behandeln,  während  in  Holtens  Berichten  natur- 
Ecndfi  das  Politische  in  den  Vordergrund  tritt.  Auch  hatte  man 
sich  bis  Madrid  wenig  Zeit  gelassen,  die  Rückreise  wurde  da- 
gegen in  voller  Behaglichkeit  als  Vergnögungs-  und  Erholungsreise 
gestalteL  Aber  auch  von  der  Hinreise  wird  noch  manches,  bisher 
oserwähnt  Gebliebene  zu  berichten  sein. 

Arnold  von  Holten  trat  die  Reise  in  Begleitung  des  Sekretärs 
Wenzel  Mitlendorff,  der  zu  den  Verhandlungen  in  Lübeck  und 
Hamburg  mit  bevollmächtigt  war,  dann  aber  umkehrte,  an. 
AuBerdern  begleiteten  Ihn  drei  junge  Palriziersöhne,  welche  die 
Gelegenheit  zu  einer  der  damals  für  vornehme  Jünglinge  üblichen 
Kn'alierreiscn  wahrnahmen  und  zum  Teil  auf  eigene  Kosten 
reisten,  während  der  andere  Teil  von  der  Hanse  getragen  wurde,*) 
die  den  Wunsch  hatte,  daß  ihre  Gesandten  mit  einem  möglichst 
gUnunden  Gefolge  aufiralen.  Deshalb  nahmen  auch  die  Herren 
von  Hamburg  und  Lübeck  solche  junge  Reisegefährten  mit.  An 
Dienerschaft  hatte  von  Holten  seine  Diener  Jakob  Ankerman  und 


i}J|}f.  Mr-a». 

*)  EbendA  f.  Mi -981. 

*t  Nktit  bloß  ein  AuuHg  damis,  wie  tlinch  a.  a.  O.  S.  (13  Anm.  3  meint. 

t  Nkhl  viin  dtin  Danngvr  SUdHekretär  Wennl  Mittendorff,  wie  Kestner  x.  ».  O. 
i  M  neutt,  von  Ihm  blwililicb  U'ltimdüif  geiianDt.  Datii  ijii-scr  ici&te  ludi  llolleos  An- 
ffht,  J  I  )  I.  WS.  berdti  von  Himbvr^  *i«Icr  nach  Danxig  /urilck. 

^  Jl  1  I.  871-MI. 

^  Dttaign  AnMv  IX,  313  trtstruliTin'n  fi'ir  Wetud  MItImdaitf  zum  hansJKhen 
DlftiHUMlt  vom  t$.  ApHl  1609 


Michel  Bonneau,  sowie  den  Stadtkoch  Simson  und  den  städtischen 
Schaffet  Hans  Pavels  bei  sich. 

Die  oft  von  Danziger  Ratsherren  zurückgelegte  Reise  nach 
Lübeck  und  Hamburg  bot  natürlich  nicht  viel  Besonderes.  Nach- 
dem bis  Zoppot  dem  Gesandten  eine  ganze  Anzahl  von  Freunden 
das  Geleite  gegeben  hatte,  ging  es  durch  Pommern  und  Mecklen- 
burg nach  Lübeck,  wo  man  nach  14  Tagen,  am  26.  Oktober, 
eintraf.  Hier  wurde  von  Holten  drei  Wochen  lang  aufgehalten, 
da  die  Instruktion  für  die  Gesandtschaft  noch  nicht  fertiggestellt 
war.  Einen  Tag  dieses  unfreiwilligen  Aufenthalls  benutzte  er  zur 
Besichtigung  Travemündes  und  der  dortigen  Befestigungen.  Da 
auch  in  Hamburg  noch  nicht  alles  fertig  war,  konnte  die  voll- 
zählige Gesandtschaft  erst  am  30.  November  von  dort  aufbrechen. 

In  Lübeck  mietete  Holten  von  Hans  Neibur  einen  Wagen 
mit  vier  Schimmeln,  den  dessen  Bruder  Thewes  als  Kutscher 
fuhr.*)  Neibur  verbürgte  sich  für  seinen  Bruder,  «daß  er  getreu, 
nicht  zenckisch  noch  versoffen  sey.  Holten  sagte  für  den  Wagen 
ein  neues  schwarres  Spartuch,  für  den  Kutscher  einen  neuen 
Rock  und  freie  Kost,  für  die  Pferde  freies  Futter  und  freien 
Hufschlag  sowie  die  Bezahlung  der  Wagenschmiere  zu.  Außer- 
dem hatte  er  täglich  28  lübische  Schillinge,  falls  er  das  Fuhrwerk 
bis  Paris  benutzte,  24,  falls  er  sich  desselben  bis  Madrid  bediente, 
zu  zahlen,  die  auch  für  die  in  angemessen  kürzerer  Zeit  ohne 
Holten  zurückzulegende  Rückfahrt  zu  entrichten  waren,  falls  Thew-es 
Neibur  keine  andere  Gesellschaft  dazu  finde.  Sollte  es  diesem  aber 
gelingen,  andere  Fahrgäste  zur  Heimfahrt  zu  bekommen,  so  sollte 
Hollen  für  den  Rückweg  nichts  zahlen.  Bei  einem  länger  als 
acht  Tage  währenden  Aufenthalte  an  demselben  Orte  hatte  Holten 
für  die  acht  Tage  überschreitende  Zeit  außer  Futter  und  Kost 
nichts  zu  zahlen.  Einem  den  Wagen  begleitenden  Knecht  hatte 
er  nur  die  Kost  zu  geben.  Holten  hatte  auch  das  Recht,  den 
Wagen  und  die  Pferde  unterwegs  zu  verkaufen,  wofür  er  Neibur 
200  Taler  zu  zahlen  hatte.  In  Brüssel  hat  Holten  den  Wagen 
für  diese  Summe  selbst  übernommen,  und  Thewes  Neibur  trat  als 
Kutscher   in   seinen   Dienst»)     Dieser   erhielt   außer   freier  Kost 

*)  Vtrtrac  »itchen  Hohen  nnd  Ndbtir  J  1  3  f .  I6i~tt7. 

•)  Vcnnc  cviwbcn  llollcn  and  Thewn  Nrihw  J  l  J  f.  in  -3i!. 


20  Talw,  2  Hemden,  je  ein  Paar  Stiefel  und  Schuhe  zugesichert 
für  den  Fall,  daß  er  ein  Jahr  lang  in  seinem  Dienste  bleiben 
sollte.  Wenn  Holten  ihn  früher  entlassen  würde,  sollte  der  Lohn 
der  kürzeren  Zeil  entsprechend  gekürzt  werden.  Nach  */,  Jahren 
hat  er  ihn  in  Madrid  entlassen  und  auf  seine  Kosten  über 
Lissabon  zur  See  nach  Lübeck  zurückgeschickt.  Den  Wagen  und 
die  Pferde  scheint  er  mit  Gewinn  losgeschlagen  zu  haben.*) 

In  Bremen,  wo  der  Rat  die  Gesandten  während  ihres  3*/^ 
Hgigen  Aufenthalts   freihielt,   stand    Holten  bei  dem  Sohne  eines 
Atilgliedes  der  auch  in  Danzig  ansässigen  und  hoch  angesehenen 
Familie  Zierenberg  Gevatter.  Auf  sehr  schlechten  Wegen,  die  zudem 
noch  durch  spanisches  und  anderes  Kriegsvolk  unsicher  waren,  so 
difiman  immer  starke  Bedeckung  mitnehmen  mußte,  zogen  die  Qe- 
sodten  durch  Westfalen  nach  Köln,  wo  sie  am  20.  Dezember  ein- 
trafen.    Hier,  wo  der  Rat  sie  aufs  ehrenvollste  aufnahm  und  mit 
köstlichem   Weine   beschenkte,   versäumte   der   Proteslanl   Hollen 
nicht,  die  Reliquien  zu  besichtigen:  die  heiligen  drei  Könige,  die 
Oebeine   der   1 1 000  Jungfrauen    und   der   heiligen    Ursula,  die 
Hiupter    vieler  Heiliger,   ein  Stück  der  Rute,   mit  der  Christus 
geschlagen  lA'ar,  sowie  zwei  Domenspitzen  aus  Christi   Domen- 
kiooe.     Femer  nahm  er  das  Rathaus  und  den  Dom  in  Augen- 
schein, von  dem  aus  er  den  Blick  über  die  ganze  Stadt  genoß. 
Als  bemerkenswert  notiert   er,   daß    den   Mitgliedem   des  Kölner 
Rates  die  Anrede  »gnädige  Herren"  zukomme.     Auf  der  Weiter- 
reise wurde,  um  die  warmen  Bäder  kennen  zu  lernen,  in  Aachen 
eioen  Tag  lang  gerastet.     Auf  dauernd  unsichern  Straßen  zog  man 
ittch   den  Niederlanden.     Hier  wurde    Löwen  genauer  besichtigt, 
namentiich  die  Universität,  von  der  Holten  anmerkt^  daß  an  ihr 
der  groöe,  jüngst  verstorbene')  Philologe  Lipsius  gelehrt   habe. 
Am  letzten  Tage  des  Jahres  trafen  die  Gesandten  in  Brüssel 
ein.  wo  sie  sich  einschließlich  eines  Abstechers  nach  Antwer|)en 
ziu"   Besichtigung   des   stark    verfallenen    hansischen    Osterschen 
Hauses  über  drei  Wochen  aufhielten  und  ihre  Geschäfte  bei  Hofe 
erledigten.     Von  Brüsseler  Sehenswürdigkeiten  scheint  nichts  auf 
Holten  Eindruck  gemacht  zu  haben. 


t)  D«izi«cr  Archiv  IX.  Jtj. 
^  ».  Min  t6M. 


mM 


Die  Fahrt  von  Brüssel  bis  Paris  erforderte  acht  Tage;  von 
ihr  weiß  Holten  nur  über  gute  oder  schlechte  Beschaffenheit  der 
Wege  zu  berichten.  In  Paris  halte  Holten  am  ersten  Tage,  dem 
2.  Febniar  1607,  Gelegenheit,  mit  seinen  jungen  Freunden  das 
Lichtmeßfest  des  Hofes  mit  anzusehen.  Dabei  berichtet  er  nun 
etwas,  was  für  König  Heinrich  IV.,  dem  ja  bekanntlich  Paris  eine 
Messe  wert  war,  ungemein  charakteristisch  ist.  Lassen  wir  ihn 
darüber  selbst  sprechen:  »Wir  liaben  gesehen,  wie  der  König 
mit  den  weißen  wachslichten  seine  kurtzweile  getrieben,  wie  er 
dem  einen  fursten  und  herren  die  seine  ausgerissen,  dem  anderen 
dieselbe  gegeben,  dem  einen  sein  liecht  angezündet,  dem  andern 
das  seine  aiisgeleschet,  und  wie  er  die  gantze  Messe  durch  (aus- 
genommen bey  der  elevation)  mit  dehn  umbstehenden  herren 
immer  zu  geredet,  seinen  schertz  und  gelechler  getrieben.  Hat 
wenig  darauf  gepassel,  obgleich  die  bischöfe  und  andere  geist- 
liche pcrsoncn  biesweilen  sich  unibgekehret  und  ihn  angesehen.« 
Da  der  Jahrmarkt  von  St.  Gemiain  gerade  damals  abgehalten 
wurde,  an  dessen  Freuden  der  König  eifrig  bis  in  die  Nacht 
hinein  teilnahm,  so  daß  er  am  Morgen  lange  schlief,  dauerte  es 
lange,  bis  die  Gesandten  ihre  Audienz  erhalten  konnten.  Einen 
Tag  dieses  wenig  erwünschten  Aufenthalts  benutzte  Holten  dazu, 
um  sich  St.  Denis  mit  seinen  Königsgräbern  und  Heiligtümern 
anzusehen.  Ganz  besonders  hebt  er  den  porphyrnen  Taufstein 
in  der  Kirche  hervor.  Auch  wurde  ein  Ausflug  nach  St.  Qermain 
gemacht.  Als  scitließlich  das  Geschäft  bei  dem  Könige  mit  Glück 
abgewickelt  war,  brach  man  am  r6.  Februar  auf  und  kam  vier  Tage 
danach  nach  ürieans,  wo  die  dortigen  Deutschen,  die  deutsche 
Nation,  die  Landsleute  festlich  empfingen  und  sie  mit  zwölf 
Kannen  Wein  beschenkten.') 

In  Orleans  schiffte  sich  die  Gesellschaft  mit  ihren  Wagen 
und  Pferden  ein  und  fuhr  in  drei  Tagen  auf  der  Loire  hinab 
bis  Tours.  Unterwegs  wurde  ein  Abstecher  zu  Pferde  nach 
Chambord  gemacht,  um  das  dortige  herrliche  königliche  Schloß 
zu  besichtigen.  In  Blois  wurde  Holten  ebenfalls  das  königliche 
Schloß  gezeigt,  wo  158S  auf  Befehl  Heinrichs  III.  die  Brüder 
Quise  ermordet  und,   wie  man  ihm  sagte,  auf  der  Plattform  des 

1)  VkI.  Brokei  a.  *.  O.  S.  int. 


Turmes  \'erbrannt  worden  waren.  In  einer  Kirche  der  Stadt 
stind  er  mit  Schauder  an  der  Stätte,  wo  Katharina  von  Medici 
»gar  schlecht  begraben  Hegt".  In  der  Schloßkirche  zu  Amboise 
fid  dem  Danziger,  in  dessen  heimatlichem  Artushof  Hirschge- 
«rrihe  zum  Schmucke  prangten,  ein  riesiges  Stück  dieser  Gattung 
auf.  In  Tours  versäumte  man  nicht,  der  berühmten  Martinskirche 
einen  Besuch  abzustatten. 

Die  zehn  Tage  erfordernde  Fahrt  von  Tours  bis  Bordeaux 
bot  nichts  Bemerkenswertes.  In  Bordeaux  und  in  Bayonnc 
gönnten  sich  die  Reisenden  je  drei  Tage  Rast.  Die  spanische 
Grenze  wurde  am  20,  März  überschritten,')  indem  maUj  »weil 
der  alte  französische  geitzige  fehrmann  mit  S  Kronen,  die  wir 
ftm  für  die  uberfart  geben  wollten,  nicht  zufrieden  sein  wollte," 
oil  den  Wagen  durch  die  Bidassoa  fuhr^)  und  nach  trun  ge- 
tangle.  Die  feiertidien  Empfänge,  die  hier  begannen,  wurden 
den  Gesandten  bald  lästig,')  umsomehr,  als  man  sie  nötigte,  die 
Festungen  Fontaraba  und  San  Sebastian,  die  aus  ihrem  Wege  lagen, 
m  besichtigen.  Zum  Obergang  über  die  Pyrenäen  nahm  man 
anen  Schmied  als  f^ührer  mit,  der  gleichzeitig  die  Pferde  bc- 
sdilagen  sollte,  da  dort  kein  Vertreter  seines  Handwerks  zu  finden 
war.  Die  Herren  rillen  über  die  Ocbirgshöhe,  während  sie  die 
Wagen  auf  einem  weniger  steilen,  aber  weiteren  Wege  nach- 
konmien  ließen.  In  Victoria,  wo  man  mehrere  Tage  auf  die 
Wagen  wartete,  machte  auf  die  protestantischen  Reisenden  ein 
Bild  großen  fundruck,  das  sie  auch  später  noch  öfter  in  spanischen 
Kirchen  sahen:  in  Flammen  die  von  der  Inquisition  zum  Tode 
vmirteiUen  Ketzer  mit  ihren  darunter  ycsch rieben en  Namen.  Sie 
selbst  aber  wurden  überall  cluenvotl  aufgenoimncn  und  eine 
Tagereise  vor  ihrem  Endziele  von  königlichen  Abgesandten  bc- 
lillkommneL*)  Nachdem  nur  in  Burgos  noch  ein  Rasttag  gehalten 
lar,  traf  man  am  12.  April  endlich  in  Madrid  ein. 

Der  mehr  als  haibjährige  Aufenthalt  in  dieser  Stadt  war 
wm  hauptsächlich  den  politischen  Verhandlungen  gewidmet,  die 
«dl  mit  einer  ermüdenden  Langsamkeit  hinzogen^  aber  schließlich 

•)  Nkhl  Anfing  April,  wie  Keshiw«.  a.  O.  5^  iö  angibt. 
^  Vgl.   Brok.^  ».  *.  O.  S.  5M. 
1  Vgl.  ebnMla  S.  iM. 
4  VfL  ebenda  S.  WT. 


h 


I 

i 

diel 


46  Paul  Sintson. 

zu  einem  guten  Ende  führten.  So  blieb  den  Gesandten  noch 
reichlich  Zeit,  alles  mögliche  Sehenswerte  in  Augenschein  zu 
nehmen.  Wir  heben  nur  das  kulturgeschichtlich  Interessante  heraus. 

Prächtig  wurden  sie  auf  königliche  Kosten   untergebradit 
und  bewirtet.     Oft  erschienen  bei  ihren  Mahlzeiten  Herren  vom 
Hofe,  um  sie  dabei  zu  beobachten.     Als  die  Königin,  die  Tochter 
eines  österreichischen  Erzherzogs,  das  erfuhr,  sagte  sie  unwillig: 
»Meinet  ihr,  daß  unsere  landsleute  nicht  so  sittig  sein  als   ihrfl 
Spanier?"     Die  erste  Audienz  beim  Könige  hatten  die  Gesandten 
am  30.  April  in  Aranjuez.     Hier  entzuckte  Holten  der  herrliche 
Park  mit  seinen  alten  Bäumen,  Lusthäusern  und  Springbrunn 
ungemein.     Besonders  bemerkt  er  eine  Mühle,  durch  welche  d 
Springbrunnen   getrieben    wurden.      Ihr   Rad    ließ   schöne   Töne 
erschallen,  die  bald  denen  einer  Orgel,  bald  denen  einer  »Sturtze",*) 
bald  wieder  denen  einer  Sackpfeife  glichen.     Auf  dem  Rückwege 
wurde  den  Gesandten  zu  Ehren  ein  Stiergefecht  aufgeführt,-)  ein 
anderes  größeres,  bei  dem  16   Stiere  getötet  wurden,  sahen   sic^ 
später  noch  in  Madrid.  fl 

Bei  den  verschiedenen  Großen,   in  deren  Häuser  er  kam, 
bewunderte  Holten  die  Pracht  der  Einrichtung.     So  sah  er  beim 
Grafen    von  Miranda    herrliclic,    in  Brüssel    oder  Antwerpen    ge- 
arbeitete Tapeten,  in  die  Landschaften  hineingewebt  waren.     Iin^l 
Palast  des  Grafen   von  Salines  waren  mehrere  Säle  mit  pracht- 
vollen  Samttapeten    mit  Gold-    und    Silberstickerei    geziert      In  ^ 
einem  Saale  \\'ar  ein  gewaltiger  silberner  Kamin,  in  einem  anderedf 
ein  silberner  Tisch  mit  eingelegten  Piguren,  in  einem  dritten  ein 
Tisch  von  Nußbaum  mit  silbernen  Einlagen.      In  dem  in  einem 
lieblichen,  dem  Prado  benachbarten  Garten  gelegenen  F^last  des 
Herzogs  von  Lerma  sah   Hollen  amerikanische  Malereien  sowie 
Tapeten,  in  denen  die  Geschichte  Josephs  zur  Darslellung  gebracht 
war.     In  einer  Kunstsammlung  des  Herzogs  befanden  sich  viele 
indische  QeßBe    und    prächtige    Gläser.      Besonders  angestaunt 
wurde  dort  ein  in  fünf  Terrassen  aufsteigender,    mit    fließendem^ 
Wasser  versehener  hängender  Garten.     Der  große  Garten  dieses 
Schlosses  war  mit  Marmorstatuen    römischer   Kaiser  geschmückt 

>)  Ein  BlulRStnuacni 

*)  Vct  Brakes  a.  I.  O.  S.  J1i, 


und  «ithielt  ein  Vogelhaus  mit  Nestern  an  den  Wänden  und 
sprudelndem  Wasser.  Auch  die  reiche  Schatzkammer  des  Herzogs 
«"urde  in  Augenschein  genommen.  Gegen  die  Paläste  dieser 
Haren  sdiien  das  königliche  Schloß  zurückzustehen.  Von 
Interesse  war  jcdodi  die  hier  untergebrachte  Waffensammlung. 
Besudit  wurde  auch  das  königliche  Lustschloß  Pardo  mit 
seiner  reichen  Vegetation  und  seinem  großen  Wildpark,  in  dem 
man  viele  Kaninchen  und  Hirsche  sah.  Holten  berichtet,  daß  im 
Keller  dieses  Schlosses  20  große  irdene  Gefäße  aufbewahrt  wurden, 
in  denen  man  Wasser  bis  zu  10  Jahren  frisch  erhalten  konnte. 
Eigenartig  berührte  den  evangelischen  Deutschen  die 
Heiligen  Verehrung,  die  er  in  den  Kirchen  und  vor  den  Heiligen- 
bildern auf  den  Straßen  beobachten  konnte.  Aber  auch  die 
Schrecken  der  Inquisition  traten  ihm  nahe,  als  die  Nachricht  kam, 
daß  in  Sevilla  ein  Lübecker  Kapitän  ins  Gefängnis  geworfen  sei, 
weil  man  in  seinem  Schiffe  zwei  verdächtige  deutsche  Bücher 
gefunden  hatte.  Doch  gelang  es  Brokes,  seinen  Landsmann  zu 
befreien.') 

Während  der  Anwesenheit  der  Gesandten  in  Madrid  kam 
die  Nachricht,  daß  die  Silberflotte  aus  Amerika  glficklich  in  Cadiz 
eingetroffen  sei.  Ein  Teil  des  Silbers  wurde  später  mit  dem- 
selben Schiff,  das  Hollen  zur  Überfahrt  von  Barcelona  nach 
Genua  benutzte,  weiter  transportiert. 

Interessant  ist,  daß  Holten  die  lange  Muße^  die  später  noch 
durch  seine  im  Juli  einsetzende  Krankheit  vermehrt  wurde^  dazu 
benutzte,  um  spanischen  Unterricht  zu  nehmen.  Wie  weit  er  es 
darin  gebracht  hat,  verrät  er  allerdings  nicht. 

Das  nächste  Reiseziel  nach  dem  Aufbruch  aus  Madrid  war 
der  Eskorial,  den  Holten  mit  den  anderen  Gesandten  ohne  Brokes 
anwehte.  Der  Bericht  teilt  richtig  die  Entstehungsgeschichte 
dieses  großartigen  Baudenkmals  mit,  das  Philipp  IL  auf  Qrund 
eines  dem  heiligen  Laurentius  am  Tage  der  Schlacht  bei  St.  Quentin, 
seinem  Namenstage,  getanen  Gelübdes  errichtet  hatte.  Wir  erfahren, 
daß  die  Spanier  den  Eskorial  dem  Tempel  Salomonis  verglichen 
tind  als  das  achte  Wellwunder  ausgaben.     Eine  für  sechs  Wagen 


■J  Vgl.  Kcstmr  t.  a.  O.  S  i9 


r 


4g  Paul  Stnwon. 


ncbeneinantler  Raum  bieknde,  von  beiden  Seiten  mit  Mau« 
eingefaßte  Straße  führte  zu  dem  mächtigen  viereckigen  Gebäud< 
Durch  die  mit  einer  Bildsäule  des  ])eiligcn  Laurentius  und  der 
königlichen  Wappen  geschmückte  Haupipforte  tralen  die  Besucht 
in  den  großen,  von  drei  Säulengängen  übereinander  umgeben« 
Hoff  von  dem  die  tingänge  in  die  Kirche  und  das  Kloster  führte 
In  der  Kirche  fesselte  zunächst  der  Chor,  an  dem  verschwenden* 
weißer  und  schwarzer  Marmor  und  Jaspis  verA-andt  waren.  Ii 
Chor  standen  128  aus  siebenerlei  kostbarem  Holz  verfertig 
Stühle  von  ^unglaublicher  würde  und  prelio".  In  der  Mitte  d( 
Chors  zog  ein  aus  feinstem  Jaspis  gearbeitetes  Pult  die  Aug« 
auf  sich,  das  drei  Ellen  im  Durchmesser  hatte  und  auf  dei 
riesige,  mil  Messing  beschlagene  Bücher  lagenj  die  fünf  Span  n( 
lang  waren  und  in  denen  die  Buchstaben  etwa  zwei  fingerglied« 
maßen.  Davon  gab  es  auch  noch  mehr:  im  ganzen  Chor  wurden 
227  derartige  Bücher  gezählt.  In  der  Sakristei,  an  deren  einer 
Wand  die  Genealogie  der  spanischen  Könige  dargestellt  war, 
bewunderten  die  Reisenden  eine  Fülle  von  prächtigen,  mit  Gold 
und  Perlen  bestickten  Meßgewändern,  so  kostbar,  wie  sie  sie  auf 
der  ganzen  Reise  nicht  mehr  sahen,  die  alle  am  Hauptfesttage 
der  Kirche,  dem  Laurentiustage,  verwandt  wurden.  Ein  Pracht- 
stück war  der  Altar,  der  auf  einem  hohen  Unterbau  von  Jaspis 
ruhte.  Zu  beiden  Seiten  des  Altars  erhoben  sich  die  großartigen 
Grabdenkmäler  Karls  V.  und  Philipps  II.  Der  Boden  der  ganzen 
Kirche  bestand  aus  Alabaster.  Die  Bibliothek  enthielt  außer  vielen 
gedruckten  Büchern  und  Handschriften,  darunter  eine  von  der 
Hand  Philipps  II.  und  eine  angeblich  von  der  des  heiligen 
Augustin,  Merkwürdigkeiten  wie  ein  mit  Goldbuchslaben  ge- 
schriebenes Neues  Testament,  auf  das  die  deutschen  Kaiser  ihre 
Eide  geleistet  haben  sollen,')  und  eine  altjüdische  Münze.  Auch 
die  Apotheke  mit  ihrem  großen  Vorrat  an  Arzneien  und  einem 
Destillierofen  wurde  den  Besuchern  gezeigt.  Der  Bericht  meint, 
daß  man,  wenn  man  den  ganzen  Eskorial  besichtigen  wollte,  aclil 
Tage  brauchen  und  zehn  deutsche  Meilen  gehen  müßte.  Er  sagt, 
daß  in  ihm  wohl  i  500000  Türen  und  Fenster  seien,  fügt  jedoch 


■)  El  Itt  äu  jedenfalls  dri  lur  Kaiser  Künnd  11.  garhriebrnr  und  ctva    10» 
votldidete  Codlcc  aurto.    BAdcker,  Spanien  lunl  Portugal.    1W7,  S.  tu. 


Die  Reise  des  Danziger  Ratsherrn  Arnold  von  Holten. 


hinzu:  »habe  sie  aber  nicht  gczchlet"  Die  Baukosten  gibt  er 
auf  20  Millionen  an,  doch  könnten  es  auch  mehr  gewesen  sein.*) 
Nach  der  Trennung  von  ihren  Reisegefährten  flberschrittcn 
die  Danziger  auf  ungeziumten  und  ungesattelten  Mauleseln  die 
wilde  Sierra  Guadenama,  während  der  leere  Wagen  von  Ochsen 
über  den  Berg  gezogen  wurde.  Am  Abend  in  einer  rlenden 
Herberge  war  kdn  Brot  zu  bekommen.  uZu  unscrtn  glück  aber 
Icam  ein  armer  pawersman  in  die  herberge,  derselbe  hatte  ein 
failbcs  bebissenes  brot,  dasselbe  kauften  wir  ihm  ab."  In  be- 
schwerlicher Reise  wurde  am  dritten  Tage  Segovia  erreicht,  dem 
dieser  Abstecher  nach  Norden  galt 

Hier  war  der  Hauptanziehungspunkt  die  römische  Wasser- 
leitung. Unser  Berichterstatter  erzählt,  daß  man  sie  im  Orte  die 
Teufelsbrücke  nannte')  und  unter  die  Wunder  Spaniens  rechnete, 
weil  hier  das  Wasser  auf  der  Brücke  statt  unter  ihr  hindurch  läuft. 
Er  gibt  eine  genaue  Beschreibung  des  gewaltigen  Aquädukts,  der 
damals  noch  der  Stadt  das  Wasser  lieferte.  Er  weist  die  von  den 
Bewohnern  behauptete  Erbauung  durch  den  Teufel  zurück,  da 
der  Augenschein  ergebe,  ..daß  es  eine  antiquitas  Roniana  sey*, 
and  fügt  hinzu,  daß  wohl  die  Stadt  im  Anschluß  an  den  Aquä- 
dukt erbaut  sei,  da  sie  in  ihrem  Wappen  eine  solche  Brücke  führe, 
»quod  exacte  et  studiose  observaW".  Die  Kathedrale  Segovias, 
eine  der  schönsten  Kirchen  Spaniens,  verfehlte  ihren  Eindruck 
auf  die  Reisenden  nicht.  An  ihr  wurde  damals  gebaut,  »und 
wins  ausgebaut  sein  wird,  halte  ich  darfür,  das  es  so  ein  schon 
«■erck  sein  werde,  desgleichen  nicht  viel  in  Hispanien  zu  finden". 
Die  Inschrift  eines  Epitaphiums  auf  einen  in  der  Kirche  1587 
begrabenen  Bischof  von  Segovia  hat  der  Erzähler  abgeschrieben 
und  seinem  Berichte  eingefügt.  Als  er  von  einem  der  oben 
erwähnten*)  Ketzerbilder  in  der  Kathedrale  die  Namen  zu  notleren 
begann,  wurde  ihm  das  von  Leuten  untersagt.  So  kann  er  nur 
mitteilen,  daß  ein  Präsident  des  königlichen  Rates  darunter  war. 
Bei  den  Namen  derer,  die  vor  dem  Ende  sich  noch  zur  allein 
selig  machenden  Kirche  bekehrten,   stand    hier   ein    rotes  Kreuz, 


*)  ln<ter  Tat  wtdcn  sie  auf  !&■/,  Mlllionni  Ptsria  benchnet.    Bädeker  a.  a.  O.  S.  116. 
■(  V|L  ebradj  S.  i2f. 
*t  Oben  S.  45. 

ArcUv  für  Kiilturgechichte.    VI.  4 


bei  den  verstockt  gebliebenen  Ketzern  dagegen  eine  Feuer  speiende 
Teufelsfraizc.  Von  dem  startlichen,  1862  im  Innern  zum  größten 
Teil  verbrannten,^)  auf  einem  hohen  Felsen  in  der  Nähe  der 
Stadt  gelegenen  maurischen  Schlosse  konnten  unsere  Reisendeifl| 
nur  einen  Teil  ansehen,  da  sie  nicht  in  die  Türme  hineingelassen 
wurden.  Der  Grund  dafür  war  wohl,  daß  es  gerade  damals  zur 
Festung  ausgebaut  wurde.  Es  machte  den  Eindruck  der  Un- 
cinnehmbarkeiL  Die  andern  Räume  des  Schlosses  wurden  aber 
besichtigt.  Es  standen  in  einem  Saale  52  in  Holz  geschnittene 
Statuen  spanischer  Herrscher,  von  denen  einige  aus  dem  zehnten 
und  elften  Jahrhundert  uns  genannt  werden. 

Sehr  interessant  war  der  Besuch  in  der  königlichen  Münze 
in  Segovia,  in  der  hauptsächlich  Kupfermünzen  geschlagen  wurden. 
Die  Maschinen  in  ihr  wurden  durch  Wasserkraft  getrieben.    Sehr 
eingehend  wurden  die  Einrichtungen  besichtigt,  wovon  eine  ausi^l 
führliche   und   anschauliche    Beschreibung   des  Verfahrens  zeugf. 
«Alles  wird   durchs  wasser  also  gedrucket  und   gepresset   ohne^ 
menschenhände,  die  nichts  mehr  thun,  als  das  sie  die  gedachteifl^ 
kupfernen   schienen   in   die  schrauben  Inhalten   und  wieder  aus- 
nehmen, welche,   wenn  sie  nun  schon  gedrucket,   wieder   heraus 
kommen."  Nach  der  Prägung  wurden  durch  mechanische  Maschinen 
die  Münzen  in  ihre  runde  Form   gebracht.     Die  Münze  besaß 
auch   ihre  eigene  Schmiede,  in  der  alle  nötigen  eisernen  Werl 
zeuge  herg^tellt  wurden. 

Nach  den  inhaltsreichen  P/a  Tagen  in  Segovia  ging  ra; 
auf  demselben  Wege  wieder  über  die  Sierra  de  Guaderrama  zurQcki 
bog  dann  aber  nach  Süden  ab  und  erreichte  am  fünften  Tage, 
dem  2.  Dezember,  Toledo.  Hier  erfährt  unser  Berichterstatter 
die  sagenhafte  Gründung  der  Stadt,  wonach  sie  50O  Jahre  vor 
Christi  Geburt  von  den  römischen  Hauptleuten  Tolemon  und 
Brutus  gebaut  sein  soll.  Ferner  erzählt  er  von  den  großen  Kon- 
zilien, die  vor  Zeiten  dort  abgehalten  worden  waren  und  unter 
denen  er  das  dritte,  das  unter  dem  Westgotenkönig  Reccared  tagte 
(589)  und  auf  dem  die  Westgoten  unter  dem  Einflüsse  des  auch 
von  ihm  erwähnten  heiligen  Isidor  vom  Arianismus  zum  Katholi- 


1)  BUdnra.  lO.  S.  1». 


zismus  übergingen,  besonders  hervorhebt.  Die  berühmte,  aus 
dem  sechsten  Jalirhundert  stammende  Kathedrale,  in  der  es  trotz 
der  über  700  gemalten  Peiister  sehr  dunkel  war,  wurde  besichtigt 
und  ihr  reicher  Schatz  an  KSeinodien  und  Reliquien  in  Augen- 
schein genommen.  »Die  blinden  und  verstockten  Leute*',  das 
iind  die  Katholiken,  gaben  vor,  daß  an  einem  dort  stehenden 
Altar«  der  Erzbischof  Udefonso,  unsere  Handschrift  nennt  ihn 
S.  Nefonsus,  als  er  die  Messe  las,  von  der  Jungfrau  Maria,  die 
mit  den  himmlischen  Heerscharen  zu  ihm  herabschwebte,  mit 
einem  Rock  beschenkt  sei.')  Dieses  Wunder  war  in  einer  Ala- 
baslerguppe  dai^estellt,  deren  in  spanischen  Versen  abgefaßte 
Inschrift  uns  mitgeteilt  wird.  Mit  Staunen  hörten  die  Reisenden, 
diß  der  Erzbischof  von  Toledo  über  ein  Jahreseinkommen  von 
3000OO  Dukaten  verfüge  und  daß  unter  die  Geistlichen  und 
anderen  Offizianten  der  Katliedrale  jährlich  das  Doppelte  verteilt 
*erde.  Außer  dem  Dom  wurden  auch  die  drei  Kirchen  der 
heiHgen  Leokadia  besucht.  Außer  den  Kirchen  zog  die  Wasser- 
leitung, die  aus  dem  Tajo  oberhalb  der  Stadt  das  Wasser  herauf- 
ffthrte,  an.  Aber  auch  wirtschaftliche  Anmerkungen  macht  hier 
unser  Erzähler,  so  über  den  Reichtum  der  Stadt,  in  der  sich,  wie 
tr  hörte,  über  10  000  Menschen  vom  Seidengewerbe  nährten,  und 
duöber,  daß  hier  die  besten  spanischen  Klingen  geschmiedet  werden. 

Auf  der  Reise  bis  Cordova,  das  man  ohne  längeren  Auf- 
wthalt  erst  am  zwölften  Tag  erreichte,  wurde  nur  wenig  bemerkt. 
In  der  Sierra  Morena  fiel  der  Reichtum  an  auch  für  billigen 
PftÄ  zu  kaufenden  Rebhühnern  und  Kaninchen  sowie  die  Fülle 
3n  Rosmarin  auf.  Bei  Andujar  fuhr  man  auf  einer  steinernen 
Brücke  über  den  Tajo,  die  so  eng  und  steil  war,  daß  die  Maul- 
esel kaum  den  Wagen  hinüberziehen  konnten.  In  Marmolejo  an 
•fcmsclben  f^lusse  wurde   mit  Interesse  eine  Ölmühle    besichtigt 

Cordova  nennt  unser  Berichterstatter  eine  feine,  wohl  ge- 
Ixiute  und  berühmte  Stadt.  Doch,  meint  er,  sei  hier  niclits  zu 
besehen  als  der  wohlbesetzle  königliche  Marstall,  Die  berühmte 
iOlthedrale,  einstmalige  Moschee,  enA'ähnt  er  nur  ganz  nebenbei. 
Doch  wird  er  mit  seiner  Angabe,  daß  in  ihr  900  Marmorsäulen 


()V8t.  Bldeker«.«.0.  S.  m. 


stehen,  der  Wahrheit  wohl   näher  kommen  als   Heinrich  Heine, 

der  von  diesem  Gotteshause  singt: 

In  dem  Dome  zu  Cordova 
Stehen  Säulen  dreiwhnhundert, 
Dreizehntmnücrt  Rieseiisäuten 

Tragen  die  gewalt'ge  Kuppel. 

Denn  heute  werden  nur  noch  etwas  über  850  gezählt.')  An 
einer  der  Säulen  betrachteten  die  Reisenden  ein  Üpitaphiuni  eines 
Mannes,  der  mit  seinen  Tingemägeln  ein  noch  sichtbares  Kruzifix 
in  sie  eingegraben  haben  sollte.  Von  den  sonstigen  Bauten  der 
Stadt  wird  nur  noch  die  Brücke  über  den  Quadalquivir  genannt, 
während  der  Alkazar  nicht  der  Beachtung  wert  schien. 

Eingehender  sahen  sich  die  Danziger  in  Sevilla  um,  das 
sie  in  drei  Tagereisen  von  Cordova  erreichten  und  wo  sie  sich 
neun  Tage  aufhielten.  Merkwürdig  sind  die  geschichtlichen  An- 
gaben über  diese  Stadt.  Danach  ist  sie  599  Jahre  nach  der 
Sintflut  und  626  Jahre  vor  Christi  Geburt  von  dem  Könige 
Hispalus  gebaut  worden.  Lange  danach  soll  Herkules  dorthin 
gekommen  und  zum  Andenken  einige  Säulen  errichtet  haben. 
Auf  einem  Platze,  der  Alameda,  standen  zwei  Säulen,  die  angeblich 
von  Herkules  bei  Cadiz  ins  Meer  gesetzt,  dann  aber  von  Philipp  U. 
1574  nach  Sevilla  überführt  waren.  Auf  der  einen  sah  man  die 
Figur  des  Herkules,  auf  der  anderen  die  des  Julius  Cäsar.  Doch 
machte  dieser  Anachronismus  dem  eifrigen  Beobachter,  der  die 
auf  die  Aufstellung  der  Säulen  und  die  Herstellung  des  Platzes 
bezüglichen  Inschriften  in  spanischer  und  lateinischer  Sprache 
abschrieb  und  seinem  Reisetagebucli  einverleibte,  keine  Skrupel. 
In  der  Tat  sind  die  Säulen  römischen  Ursprungs  und  stammen 
wahrscheinlich  ebenso  wie  einige  andere,  die  in  neuester  Zeit 
freigelegt  sind,  von  einem  römischen  Tempel.*) 

Das  königliche  Schloß,  der  Alkazar,  gefiel  den  Reisenden 
besonders  gut,  aber  den  mächtigsten  Eindruck  machte  der  herr- 
liclie  dazu  gehörige  Oarten,  der  trotz  der  winterlichen  Jahreszeit 
in  schönster  Pracht  dastand.  «Der  Oarten,  darinnen  die  Zäune 
von  Citronen-   und    Pommeranzenbäumen   aufgeflochten  als  ein 


1)  Bidcker  a.  l.  O.  S.  SM. 

*i  Ebenda  S.  «i  t  f.,  4t4. 


Die  Reise  des  Danztger  Ratsherrn  Amol 


Haus  hoch,  so  Citroncn  tragen  als  ein  Kopf  groli,  und  es  Winter 
und  Sommer  voller  Frucht  hänget;  ja  es  sind  auch  Irregarten 
dasclb«!  von  Cilronen-  und  Pommeranzenbäumen,  so  ebenmäßig 
fnicht  tragen."') 

Von  der  Kathedrale  wird  der  berühmte  Glockenturm,  die 
Ciralda,  erwähnt  Wir  hören,  daß  man  in  seinem  Innern  bis 
nach  oben  hinaufreiten  kann.  ..Ja,  man  will  sagen,  daß  die  alte 
Königin  einstmals  sei  bis  oben  hinauf  geritten  auf  einem  kleinen 
Pkrddien,  als  sie  aber  hinauf  kommen,  sei  das  Pferd  stracks  tot 
blieben.-  In  der  Kirche  wird  außer  dem  Hauplaltar  nur  ein 
Marienbild  erwähnt,  das  la  antigua  genannt  wird,  weil  man  nicht 
weiß,  wann  es  gemalt  oder  an  seinen  Platz  gekommen  ist.-)  Es 
ist  uTgen  seiner  Wunder,  ..wie  sicli  die  blinden  Leute  solches 
einbilden  und  wegen  seiner  Devotion,  dadurch  alles  Volk  zuläuft," 
wohlbekannt.  In  der  Kapelle,  in  der  es  aufgestellt  war,  brannten 
23  Lampen  aus  reinem  Silber,  Ferner  hören  wir,  daß  Sevilla 
25  Pfarrkirchen,  32  Klöster  und  100  Hospitäler  besitzt.  In  dem 
Hospital  de  la  misericordia  wurden  alljährlich  am  Karfreitag  Al- 
mosen in  Höhe  von  10000  Dukaten  ausgeteilt.  Interessant  ist 
aocfi,  daß  von  diesem  Hospital  arme  junge  Mädchen  eine  voll- 
sländige  Aussteuer  oder  eine  Beihilfe  an  Geld  zur  Verheiratung 
erhielten. 

Eindruck  machte  auch  das  lebhafte  geschäftliche  Treiben, 
d»  in  Sevilla  herrschte.  Hören  wir  darüber  die  Worte  unseres 
Berichtes:")  «Alhie  in  dieser  Stadt  ist  der  Principalhandcl  in 
Ocddentalindien,  das  ist  das  Haus  de  la  contraction,  da  alle 
Sidien  von  Indien  hingebracht  werden,  welche  durch  3  Richter 
tOffitialen)  des  Hauses  expedieret  werden.*)  Diese  Richter  emp- 
fangen das  Gold,  Sillwr,  Perlen  und  ander  Kdelgestein  und 
Reichtum,  so  all  aus  Indien  kommet,  Allhier  sind  kommen  und 
kommen  noch  viel  Schiffe  mit  Gold  und  Silber  beladen.  In 
summa,  es  ist   unzählig,   was  Gut   aus  Indien   von   Golde   und 


■)  Beteia  niixrwilt  von  Kcstntr  a.  ».  O.  S-  31. 

^  II  der  Tat  ttimmt  n  >as  dem  H.  JatiThiimJrrt  und  M  Im  i6.  übermalt  vorden. 
ri.j.0.  S.tVni.  <I6. 
■)  B«r«fb  milKctcilt  von  Kcstner  i. a. O.  S.  !t. 

^  Bnfeht  lieh  djrtiir,  daR  SeiHlU  der  Klz  des  Tribunal  de  I»  Indiu  vir.    Bi- 
dAtca-i  O-  S.  406. 


Silber  da  ankommet,  und  (wie  man  saget)  sei  auch  kein  Ort  in 
der  Welt,  da  mehr  Reichtum  ankommen  ist  und  noch  ankomme 
als  hier  zu  Sevilla."  Auch  die  Öler7eugung  Sevillas  lenkte  die 
Aufmerksamkeit  unseres  Tagebuchschreibers  auf  sich:  er  bemerkt, 
daß  sie  sich  jährlich  auf  60-70000  Quintale  zu  je  10  Arrobas 
belaufe.  Da  eine  Arroba  gleich  25  Pfd.  gesetzt  wird,  so  ergibt 
das  15-l7Vf  Miilionen  Pfd.  oder  7500-S750  Tonnen.')  Be- 
sucht wurde  hier  ebenso  wie  in  Segovia  die  königliche  Münze, 
in  der  nur  Oold-  und  Silbergcld  verfertigt  wurde  und  in  der 
180  Arbeiter  täglich  700  Mark  an  Gold  und  Silber  verarbeiteten. 
Erwähnt  wird  schließlich  noch  die  gewaltige  römische  Wasser- 
leitung, die  damals  noch  alle  Brunnen  der  Stadt  mit  einem 
«schönen,  lieblichen"  Wasser  versorgte.  Im  Bau  sah  man  die 
tügliche  Zusammenkunftssteile  der  Kaufieute,  die  Börse,  nder- 
gEeichen,  wenn  sie  ganz  wird  fertig  werden,  nicht  wird  zu  finden  sein.* 

Arnold  von  Holten  selbst  nahm  an  den  Besichtigungen  der 
Sehenswfirdigkeiten  Sevillas  nicht  teil.  Da  er  hier  einen  gelehrten 
Arzt  fand,  ließ  er  sich  vielmehr  von  ihm  behandeln,  da  sein  Leiden 
sich  noch  nicht  gehoben  hatte  und  er  «an  einer  bösen,  ganz  ver- 
härteten  Milz,   entzündeter   Leber   und   sehr   bösem  Magen«  litt. 

Von  Sevilla  wurde  die  Weiterreise  nach  den  Weibnachts- 
feiertagen auf  gemieteten  Mauleseln  nach  Xerez  angetreten,  das 
am  dritten  Tage  erreicht  wurde.  Hier  war  Holten  sehr  ermüdet 
vom  Reiten;  daher  nahm  man  einen  Tag  Aufenthalt.  Das  gab 
Gelegenheit,  die  Stadt  zu  besichtigen,  die  den  Danzigem  recht 
gefiel.  Sie  erfuhren  auch,  daß  hier  jährlich  einige  Tausend  Ohm 
Wein  ausgeführt  und  die  besten  Pferde  im  Königreich  gezogen 
wurden,  welche  auch  für  Kriegszwecke  Verwendung  fanden.  In 
San  Lucar  an  der  Mündung  des  Güadalquivir  wurde  das  Meer 
erreicht.  Hier  mußte  Holten  wegen  großer  Erschöpfung  infolge 
seiner  Krankheit  und  des  häufigen  Aderlassens  wieder  vier  Tage, 
bis  zum  3.  Januar  1608,  ausruhen.  Sehr  freundlich  nahm  ihn 
dort  der  Herzog  von  Medina  Sidonia  auf  und  bot  ihm  auch  an, 
daß  er  sich  einige  Zeit  auf  seinem  Schlosse  erholen  solle.  Doch 
lehnte  Holten  das  ab,   da  es   ihn   drängte,   weiter  zu  kommen. 


*>  Heute  hl  eine  Atroba^  (l,s  kg.  und  auf  einen  QiiinUl  gdicn  *  Armben.    BS. 
dehn  II.  ■•  O.  S.  XXXIV, 


r 


Die    Rerse  des  Danziger  Ralsherm  Arnold  von  Hollen.         SS 


Von  Puerto  S.  Maria,  das  man  in  einem  Tageritte  von  San  Lucar 
aus  erreichte,  wollte  man  Ober  den  schmalen  Meeresarm  nach 
Cadiz  hinüberfahren,  doch  mußte  man  das  wegen  des  stürmischen 
Wetters  um  einen  Tag  verschieben.  Das  Unwetter  hielt  aber 
auch  während  der  Überfahrt  an  und  verursachte  in  Verbindung 
mit  Holtens  leidendem  Zustand  einen  viertägigen  Aufenthalt  in 
Cadiz.  Diese  Stadt  zeigte  damals  noch  die  Spuren  ihrer  Plünde- 
rung durch  die  Engländer  im  Jahre  1596')  in  hohem  Maße. 
Holtens  Begleiter  sahen  aber,  wie  eifrig  an  den  Festungswerken 
gebaut  wurde,  damit  ähnlichen  Vorfällen  vorgebeugt  werde. 

In  dieser  südlichsten  Gegend  Europas  wurden  den  Reisenden 
die  mythologischen  Erinnerungen  an  Herkules  besonders  lebendig. 
Wieder   werden    die    beiden    Säulen    in    Sevilla^    erwähnt,    die 
ursprünglich  Herkules   bei  Cadiz   hatte  ins  Meer  setzen   lassen, 
•damit  anzuzeigen,   das   sich   aldar  Europa   ende".     Auf  dem 
weiteren  Ritte  kam  man  über  viele  Brücken,  deren  Bau  ebenfalls 
dem   alten   griechischen   Helden   zugeschrieben  wurde.     An   der 
Küste  fielen  in  Entfernung  von  je  einer  halben  Meile  sich  folgende 
bemannte  Warttürme  auf,  die  den  Reisenden  Schutz  gegen  mau- 
rische Seeräuber  bieten  sollten.     Vor  dieser  Gefahr  waren  auch 
unsere  Freunde  in  Sorge,  als   sie   nun   in   den   nächsten  Tagen 
immer  hart  am  Strande  auf  sehr  schlechten  Wegen   ihren  Kitt 
fortsetzten.     Doch   gelangten   sie  glücklich   bis   Tarifa  und    von 
hier  zur  See   in   einem   Tage   nach   Gibraltar^   einer    »ziemlich 
hübschen  und  wohl  gebauten  Stadt",  die  natürh'ch  damals  noch 
nicht  die  Bedeutung  hatte,  die  sie  als  Festung  seit  1704  im  eng- 
Ibchcn  Besitz  später  erlangte.     So   notiert   unser   Berichterstatter 
ib  merkwürdig  auch  nur,  daß  man  am  Strande  Überreste   von 
Scbiffen  als  Zeichen  einer  vor  wenigen  Jahren  dort  geschlagenen 
Seeschlacht  finde.     Femer  hört  er  davon,  daß  eine  halbe  Meile 
von  der  Sladl  .ein  Haufen  wunderliche  Sachen  zu  sehen  sei  im 
Gebirge  unter  der  Erden,  so  die  Natur  also  gemacht,  als  näraüch 
gleichsam  wie  eine  große  Kirche  mit   ein  Haufen  Pfeilern   und 
Orgeln,   so  leibhaftig,   als   wenn   es  alles   von    Menschenhänden 
gemacht  wäre;  ist  aber  sehr  gefähriich  und  sehr  steil,  den  Berg 


<)  BUcker  >.  t.  O.  S.  «46. 
1)  Vgl.  oben  S.  ». 


I 


aufzusteigen,  denn»  wie  man  saget,  er  über  zwo  Meilen  hoch  ist*. 
Es  ist  das  wahrscheinlich  die  St.  Michaelshöhle,  eine  der  zahl- 
reichen Tropf  Steingrotten  im  Innern  des  Felsens  von  Gibraltar, 
die  eine  große  Halle  von  70  m  Länge  und  20  m  Höhe  enthält 
und  deren  Eingang  im  Gegensatz  zu  jener  Übertreibung  sich  in 
einer  Hohe  von  nur  330  m  über  dem  Meeresspiegel  befindet.') 
Auch  wird  den  Danzigern  von  einer  Einsiedlerin  erzählt,  die  in 
der  Nähe  der  Stadl  haust,  der  nuestra  Senora  de  Europa,  die 
durch  ihre  Wunder  berühmt  ist.  Daß  man  in  drei  Stunden  von 
Gibraltar  nach  Barbarien,  d.  h.  Afrika,  übersetzen  kann,  wird 
ebenfalls  notiert. 

Auf  der  Weiterreise  immer  an  der  Küste  entlang  stürzte 
einer  der  Reisegefährten  beim  Passieren  eines  reißenden  Flusses 
und  wäre  beinahe  ertrunken ;  er  verlor  dabei  sein  ganzes 
Gepäck.  Malaga  erschien  den  Besuchern  als  die  »allerlustigste 
und  wohlgebauteste  Stadt"  in  ganz  Spanien.*)  Es  fielen  ihnen 
außer  dem  starken  Schiffsverkehr  hier  noch  die  Festungswerke 
auf.  Von  dem  Schloß,  das  heule  ganz  in  Trümmern  liegt,*) 
war  auch  damals  schon  nichts  als  die  kahlen  Maueni  zu  sehen. 
An  der  schönen  Kathedrale  wurde  nodi  gebaut,  und  in  der 
Kirche  des  Klosters  de  la  nuestra  Senora  de  Victoria,  in  der  die  fl 
Jungfrau  Maria  viele  Wunder  getan  haben  sollte,  sah  man  zum 
Gedächtnis  daran  »viele  solche  Fratzen",  wahrscheinlich  Weih- 
geschenke, hängen.  In  der  Nähe  der  Stadt  wurde  mit  Interesse 
eine  Zuckermuhle,  in  welcher  der  Zucker  gesotten  wurde,  besichtigt. 

Von  Malaga  aus  verließ  man  die  Küste  und  wandte  sich 
nordostwärts  über  die  steile  Sierra  Nevada  nach  Granada,  das 
man  bei  schrecklicliem  Unwetter  mit  starkem  HagcSschlag  am 
dritten  Tage  erreichte.  Die  berühmte  Alhambra  fand  unser  Ge- 
währsmann zwar  sehr  schön,  doch  sei  sie  mit  dem  Schloß  zu  Sevilla 
lange  nicht  zu  vergleichen.  Dagegen  bewunderte  er  sehr  den 
von  Karl  V.  begonnenen  königlichen  Palast,  an  dem  damals  noch  fl 
gebaut  wurde,  der  aber  niemals  vollendet  worden  ist*)  Ganz 
besonderen  Eindruck  machten  das  großartige  Portal  und  der  von 

t)  Biddccra  ilQ  S.  M9. 

*i  Bereit»  mil£etetll  von  K«4ner  a.  n  O.  S.  !'. 

•]  Bädekcr  >.  a.  O.  S  13T. 

*)  PJjcnda  S.  J7<. 


I 


zahlreichem  Wild  belebte  Park.  In  der  Kathedrale  wurden  die 
Grabmäler  der  katholisdien  Könige,  ihrer  Tochter  Johanna  der 
Wahnsinnigen  und  ihres  Scliwiegersohncs  Philipps  des  Schönen 
bewundert  Bei  der  Sakristei,  der  heuligen  Pfarrkirche,  crkünnle 
unser  Berichterstatter  richtig  die  Ähnlichkeit  der  Anlage  mit  der 
großen  Moschee  in  Cordova.')  Der  Fischmarkt  zog  den  Danziger 
guu  besonders  an.  Wie  in  seiner  Vaterstadt-)  wurde  auch  hier 
das  Geschäft  behördlidi  überwacht.  Die  Preise  wurden  von  der 
Justicia  festgesetzt,  und  zwei  berittene  Beamte  hatten  darauf  zu 
achten,  daß  die  Verkäufer  von  der  Wage,  die  in  jeder  Bude  hing, 
den  richtigen  Gebrauch  machten,  in  der  Nähe  der  Stadt  wurde 
der  Sacro  Monte  gezeigt,  aus  dem  eine  Menge  von  Heiligen  auf- 
erstanden sein  sollte  und  auf  dessen  Gipfel  eine  Kirche  lag,  in 
der  ihre  Gebeine  wieder  bestaltet  waren. 

Nach   dreitägigem  Aufenthalt   in  Granada  ging  es   wieder 

mit  Wagen  in  siebentägiger  ununterbrochener  fahrt  nach  Murcia. 

In  der  Umgegend  dieser  Stadt  fiel  unseren  Reisenden  die  große 

Menge  von  Maulbeerbäumen  auf.     In  Murcia  selbst,  der  letzten 

Stadt  Kastiliens  vor  der  Grenze  des  Königreichs  Valencia,  machten 

sie  die  unliebsame  Bekanntschaft  mit  den  ..schelmischsten  Zöllnernj 

so  in   ganz    Spanien    mögen    zu    finden    sein",    die    sie    einen 

ganzen  Tag  mit  ihren  Scherereien  aufhielten.^)     Von  Murcia  aus 

reichten  sie  in  fünf  Tagen  Valencia,  dessen  breite  Straßen  und 

Plätze  ihnen  gefielen.     Hier  übte  die  Hauptanziehung  das  Zeug- 

luus  aus,  das  Ausrüstung   für   nicht   weniger  als   2OOO0  Mann 

enthalten  sollte.     Ferner  wurde  der  bischöfliche  Garten  mit  seiner 

mchen  Vegetation   besucht,   in   dem   Semperviven,*)  Immergrün^ 

in  Manneshöhe  die  besondere  Bewundening  der  nordischen  Oäsle 

emgten.    Sehr  merkwürdig  war  ihnen  auch  in  diesem  Garien 

«in  Häuschen,  in  dem  der  Bischof  zwei  Strauße,  «einen  liec  und 

eine  See,"   ein   Männchen   und   ein  Weibchen,   stehen    hatte.     In 

nnem  schönen  Lusthäuschen,  das  mit  Malereien  geschmückt  war, 


•J  BUekera.aO.  &3i0. 

^  Vt\-  Simion,  Oescfaldtie  der  DBinigrr  Willkür  5.  )3Af. 

*t  Ekofccs  iBKtilc  Ihnlicbr  &blc  Erfahrungen  mit  ipanltctirii  ZoKbamitn  in  Biit«- 
^L  Ztibdirlft  d.  V«.  f.  Lfibcdtltdic  Ondi.  u.  Allertumskde  I,  ji9. 

't  SnBpn(]«i  (!)   im  Text   snunnl;    wahrscbcinlidi    ist   Senpcmvuin   arbomim 
Vfl.  Cn^ler'l'rand,  Narürlirhr  Hnnirmrumtlleii  Ula,  29,34. 


sahen  sie  etwa  50  Straußeneier,    welche  dieses  Weibchen    gel 
haben  sollte.     Der  Vizekönig  von  Valencia  ließ  Hollen  auf  seil 
Schloß  biUen  und  empfing  ihn  sehr  ehrenvoll.     Er  lud  ihn  au 
zur  Mahlzeit  auf  den  nächsten  Tag  ein,   doch   entschuldigte  si 
der  Ratsherr  mit  seiner  Kränklichkeit  und  gemessenen  Zeit  u 
lehnte  dankend  ab,     Von  den  sonstigen  zahlreichen  Sehenswürdi; 
keilen    wurde    nur    die   Kathedrale   mit  ihrer   riesigen  Orgel 
Augenschein   genommen    und    dann    zu    Pferde   der   Weg 
Barcelona  fortgesetzt,  das,  nachdem  Holten  wegen  seiner  Krankh 
noch   in  Tarragona  einen  Tag   hatte  liegen   und   sich   zur  Ad« 
lassen  müssen,  am  neunten  Tage  erreicht  wurde.     Hier  wu 
außer  dem  Hafen  das  Zeughaus,  das  ebenso  gut  besetzt  war 
das  in  Valencia,  und  das  große  Kornhaus  besichtigt. 

Es  stellte  sich  jetzt  heraus,  daß  Holtens  Leiden,  zu  d 
sich  noch  eine  Fußkrankheit  gesellt  hatte,  sich  so  verschlimm 
hatte,  daß  er  den  Anstrengungen  eines  Rittes  oder  einer  Fahl 
über  die  Pyrenäen  nicht  gewachsen  war.  Daher  nahm  er 
üelegenheit  wahr,  daß  vier  genuesische  Galeeren  mit  dem  ame 
kanischcn  Silber,  das  während  seiner  Anwesenheit  in  Madrid 
der  Silberflotte  angekommen  war,')  nach  Genua  abgehen  sollt 
um  sich  auf  einem  dieser  Schiffe  durch  einflußreiche  Leute, 
die  er  Empfehlungen  hatte,  Plätze  sichern  zu  lassen.  Nachd 
man  schon  acht  Meilen  gesegelt  war,  mußte  man  des  stark 
Gegenwindes  w^en  wieder  nach  dem  Hafen  von  Barcelo; 
zurückkehren.  Endgültig  wurde  zum  zweiten  Male  am  24.  Feb 
die  Seereise  angetreten,  die  sich  wegen  des  dauernden  Stu 
wenig  erfreulich  gestaltete.  Es  mußten  vielfach  die  Ruder 
braucht  werden.  Mehrfach  mußte  man  Häfen  aufsuchen, 
lag  man  drei  Tage  in  Collibre,^)  von  wo  aus  man  zweimal  v 
geblich  den  Versuch  zur  Weiterfahrt  machte.  Die  Schiffe  hiel 
sich  immer  dicht  an  der  Kfiste,  so  daß  man  Marseille  und  andere  f: 
zösischeStädledeutlichsehenkonnte.  Während derganzen  14tägi 
Seereise  lag  Hollen  wegen  seines  entzündeten  Fußes  im  Bett  und  H 
sich  von  einem  zufällig  mitreisenden  Mönch  ärztlich  behandeln: 

1)  Vsl.  oben  S.  47. 

>>  WAhrtchcinlfch  CiiNinitre  un    da    fian/Oiitchrn    KQttc,    unniiltrlbar   hinter 
tputtschen  Qtcnu 

>)  IJavfin,  daß  »ich  Holteni  Leiden  Intolge  di««r  Behandlung,  dk  Hirach  a.  ■.  ■ 
S.  ilJ  fchon  vor  die  Seefahrt  scUt,  vertchliiumerl  lubc,  ilchl  in  dca  Bcricblen  nidiU. 


Die  Reise  des  Danziger  Ratshemi  Arnold  von  Holten.  59 


In  Genua,  wo  die  Reisenden  am  7.  März  eintrafen,  wurden 
sie  im  Namen  des  Dogen-  und  der  Republik  von  einem  Staats- 
Sekretär  aufs  ehrenvollste  begrüßt  und  erhielten  einen  Sicherheitspaß 
für  das   ganze   Gebiet  des  Staates.')     Wahrend  Holten   sich   in 
den  drei  Tagen,   die  man  in  der   berühmten  Seestadt  verweilte, 
ausruhte,  nahmen  seine  Begleiter  die  Sehenswürdigkeiten  in  Augen- 
sdiein.     Die  Stadt  mit  ihrem  lebhaften  Treiben  gefiel  ihnen  sehr, 
doch  erklärten   sie  die   engen  Straßen   für  einen  Jammer.     Die 
Psliste   und    Kirchen,    namenltich    der  große   Dom    mit   seinem 
prächtigen  Portal  aus  weißem  und  rotem  Marmor,  verfehlten  ihren 
Eindruck  auf  sie  nicht     Von  den  Palästen  wurden   verschiedene 
besichttgl,  so  der  des  Marchese  Spinola  und    der  des   Fürsten 
Doria.    In  diesem  erregten  besonders  die  reiche  Rüstkammer  mit 
zahlreichen  kostbaren  Waffen  sowie  wertvolle  Gold-  und  Silber- 
geschirre, ferner  ein  Kunstwerk  aus  einem  Korallenstück,  Christus 
and  die   beiden  Schacher  am  Kreuz   darstellend,   lebhaftes   Ent- 
zücken.    Am  Dogenpalast  wurde  eifrig  gebaut.    Auch  die  Börse 
vurde  besucht     Vor  der  Stadt  suchte  man  das  Lusthaus  eines 
Edelmannes  auf,    in   dem   viele  schöne  Bilder  zu   sehen  waren. 
Vor  allem    wird    hier   auch   eine  in  vier  Foliobände   eingeklebte 
KupfeislJchsammlung  cnvähnt     Diese  Villa  besaß  einen  Garten, 
hl  dem    eine    merkwürdige    Einrichtung  war,   über  die   wir  die 
Worte  des  Berichtes  hören  wollen.    Es  war  dort   »ein  schönes 
Fontcin,   darinnen   gleichsam    wie   eine   Zugbrücke  gemacht,   so 
an  allen  vier  Ecken  hangete,  darauf  derselbe  Edelmann  bisweilen 
des  Sommers  nebenst  andern  Oästen  zu  essen  pfleget.     Wenn  nun 
önselbe  Edelmann  seinen  Oästen  eine  Schalkheit  hm  wollte,  so  ließ 
er  die  Brücke,  wenn  sie  am  allerfröhlichstcn  waren,  mitsamt  dem 
Tische  in  das  Wasser  hinein  sinken,  daß  sie  bis  über  die  Kniee 
in  Wasser  saßen  und  man  nicht  eher  wieder  herausser  kommen 
bnnle,   bis  das  die   Brücke  aufgehoben   ward*.     Solche  derbe 
Spöße  vertrugen   sich   mit    der  verfeinerten   italienischen    Kultur 
yatr  Zeit  ganz   wohl.     Als   besondere  Merkwürdigkeit  fiel  den 
Danzigem  in  Oenua  noch  auf,  daß  niemand  ohne  obrigkeitliche 
Erlaubats  Waffen  tragen  durfte. 


')  Berdts  mitgetfilt  ron  Hind),  Neue  Pmiß.  I^vEnz-DI.  IS4T,  S.  i)3.  J  i  3  f.  891 
«•  Oii^mü  des  P^tuca. 


Am  if.  März  verließen  die  Reisenden  Genua,  ehrenvoll 
bis  auf  vier  Meilen  geleitet  durch  einen  Landsmann,  den  Oberst 
Sidinghausen,  und  seinen  Bruder,  einen  Fähnrich  in  Diensten 
Genuas,  mit  vier  anderen  Offizieren,  einem  Feldwebel  und  elf 
Musketieren,  die  auf  dem  ganzen  Wege  aus  ihren  Musketen 
schössen  und  dadurch  in  der  Stadt  großes  Aufsehen  erregten.') 
Am  zweiten  Tage  wurden  die  Pferde  mil  einem  gemieteten  Wagen 
vertauscht.  In  Pavia  ließ  man  sich  nur  Zeit,  die  Kathedrale  und 
die  Gebeine  der  in  der  Schlacht  von  t525  gefallenen  Franzosen 
zu  besichtigen.  Am  Abend  desselben  Tages  kam  man  nach 
Mailand,  auf  das  ein  Tag  verwandt  wnirde. 

Die  Danzigcr  hörten  mil  Interesse  von  dem  lebhaften  Handel 
dieser  Sladt,  besonders  mit  Seide  und  Seidenwaren,  und  vernahmen 
mit  Staunen,  daß  in  manchen  der  großen  Häuser  über  tOO  Leute 
wohnen  sollten.  !m  Dom,  der  natürlich  besichtigt  wurde,  fielen 
ihnen  die  vier  Orgeln  und  zwei  Kanzeln  auf,  ferner  die  kunst- 
voElen  geschnitzten  Holzsessel,  die  um  den  Altar  standen.  Außer- 
dem wird  nur  noch  das  aus  schwarzem  Marmor  bestehende 
Grabmal  des  t53S  gestorbenen  Kardinals  Caracciolo  erwähnt.*) 
In  der  Kirche  S.  Giovanni  in  conca^)  wurde  das  Grabmal  eines 
mailärdischen  Fürsten,  höchst  wahrscheinlich  des  Bamal)as  oder 
Beniabo  Visconti  (f  1 38S),  betrachtet,  das,  aus  Alabaster  bestehend, 
ihn  zu  Pferde  in  Begleitung  von  zwei  Jungfrauen  darstellte,  zur 
Erinnerung  daran,  daß  er  sich  stets  von  zwei  Jungfrauen  hatte 
begleiten  lassen.  Von  dem  noch  heute  bestehenden  großen  Spital 
wird  berichtet,  daß  es  eine  Jahreseinnahme  von  80000  Dukaten 
hat  und  noch  sieben  andere  Spitäler  unterhält.     Als   die  größte 


>huH^ 


1)  Vgl.  Hirsch*.«  O.  S.  113. 

«)  BBdeker,  OberiUllen.    i7  AuH,    S.  M 

■)  Der  Bericht  nennt  die  KlTch«  S.  Juan  de  Concha.  Jn  der  iieueten  Lileratnr 
Ich  tie  elicnsowenig  wie  das  in  ihr  ««Ähnle  Orabmal  fettstctlm  können.  DnB  tcdca 
die  Kij^che  S.  Oiov&niil  In  cann  gemant  isl,  die  ihren  Namen  vnn  rinetn  aiiHen  aner- 
brachlen,  den  I'vanerüstm  Johanne«  in  einer  W.imie  tcigen<len  Relief  hat.  geht  att»  einer 
freundlichen  MiMciJung  des  Herrn  Ocnerals  Dal  Vennc  iti  Rom  hervor.  Danach  gvli5n 
die  Kirche  heule  den  WaldenKni  und  encheini  immer  getchlnfiwn.  Daher  var  Hefr 
Ocneral  Dil  Vcrrne  nie  in  iliieni  Innern  lutd  kann  über  das  Qi-abiiul  nitht^  ausutgen. 
Dasmen  nudilc  mich  Herr  Archivar  Dr.  Kaufmann  in  r>anii2  in  liehen  «würdiger  Welse 
auf  folgende  Stelle  de»  163S  in  Augsburg  erschienenen  Mcrcuriils  ItaUcus  hospill  fldut  per 

IUI von  ].  H,  von  Plliumem  aufmcrloam  (S.  4tii),  an  welcher  die  Kirche  erwähnt 

wird  and  sich  anch  ein  Hlnvdf  auf  da«  Denkmal  findel;    .Celrfcraia  maxime  In  hac  urhis 

rechne  acd»   Mt  S.   loannli   EvangelisUr  cngiiomcnln  In  Cunciui Bamab».  vice 

comes,  (lux  Mcdiolanentis,  cnndem,  ^n  i)iii>  titiieK'erel.  locvm  delrgit.- 


Die  Rcfse  des  Danager  Ratsherrn  Arnold  von  Holten. 


61 


Sehenswürdigkeit  Mailands  erschien  aber  unserem  Gewährsmann 
das  Kastell,  das,  im  15.  Jahrhundert  erbaut,  im  16.  Jahrhundert 
als  die  vollkommenste  Feste  der  Welt  galt.^)  Das  spiegelt  sich 
auch  in  dem  Bericht,  in  dem  es  heißt:  „Man  sagt,  daß  jetzund- 
er  in  der  ganzen  Christenheit  dergleichen  nicht  zu  finden."  Er 
erTihlt  ferner  davon,  daß  das  Kastell  über  300  Geschütze  habe 
nnd  auf  drei  Jahre  mit  Proviant  versehen  sei.  Jedes  Jahr  werde 
dieser  für  ein  Jahr  erneuert,  der  älteste  aber  den  Soldaten  ver- 
kauft, die  verpflichtet  seien,  keine  anderen  Lebensmittel  zu  kaufen. 

Auf  der  Weilerreise  fiel  von  kleineren  Städten  nur  Brescia 
durch  seine  schönen  Kirchen   und  Klöster  und  sein  Kastell  auf. 
Am  Abend  des  vierten  Tages  fuhr  man  in  Verona  ein,  das  in 
aller    Eile   angesehen    wurde.     Als    vornehmste    Merkwürdigkeit 
wurde  hier  die  römische  Arena  befrachtet,  die  damals  u.  a.  auch 
als  Reitschule  benutzt  wurde  und  den  Besuchern  trotz  mehrfacher 
Restaurationen  sehr  verfallen  erschien.     Interessant  sind  die  etwas 
unklaren  und  naiven  Angaben  über  die  ursprüngliche  Bestimmung 
des  Gebäudes,  die  ich  deshalb  hier  wörtlich  folgen  lasse:    «Das 
FDmehmste,  so  allhier  zu  sehen,  ist  das  Theatrum,  dar  für  Zeiten 
die    Leute,   so   den   Tod   verursachet  gehabt,   mit  wilden  Tieren 
haben    streiten   müssen.     Dieses  Theatrum    ist  ganz    rund,   und 
gehen  von  unten  bis  zu  oben  Treppen  hinauf  von  lauterm  Stein, 
darauf  die  Leute  gesessen   und  solches  Spiel   angesehen    haben. 
Unter  diesen  Treppen   sein  lauter  Gewölbe,    darinnen   man   die 
wilden  Tiere  gehallen  hat."     Sonst  wurden  nur  noch  die  Denk- 
mäler der  Scaliger  und   das  angebliclie  Grab  des  Königs  Pipin, 
das  aber  eine  Enttäuschung  bereitete,  in  Augenschein  genommen, 
Am    nächsten  Abend    in   Vioenza    sah    man    nur   das  von 
Palladio  erbaute,  1584  von  Scamozzi  vollendete")  Theater,  während 
die  übrigen  Bauten  Palladios,   die  später  Goethe   so  entzückten, 
unberücksichtigt  blieben.    Sehr  gründlich  dagegen  wurde  Padua 
besichtigt.     Hier  zog  zunächst  die  berühmte  Universität  an.    Aufs 
eingehendste  wird  der  große  Saal  in  dem  im  12.  und   13.  Jahr- 
hundert erbauten  Gerichtsgebäude,  dem  Palazzo  della  Ragione,") 

•)  BlddocTL  1.0.  5.10).    Qurckhardl,  Der  CIceroDC.    a.Anfl.    S.W. 

•)  Vfl.  Bldeker  n.  t.  O.  S.  120. 

t  VkI.  ebenda  %tti.    Burdihirdt  a.  a.  O.  S.  69. 


Paul  Stmson. 


beschrieben.  Die  in  der  ersten  Hälfte  des  1 5.  Jahrhunderts  von 
Miretlo  u.  a.  genialter  Fresken,  welche  den  Einfhiß  der  Gesitme 
und  Jahreszeiten  auf  die  Menschen  darsItUen,  weiß  unser  Bericht- 
erstatter sich  nicht  zu  erklären.  Er  konnte  auch  nicht  erfahren, 
aus  welcher  Zelt  der  Saal  und  die  Gemälde  stammten,  hörte 
vielmehr  die  verbreitete  Ansicht,  daß  der  Saal  vom  Teufel  oder 
von  einem  Schwarzkünstler  Petnis  Aponus')  gebaut  sei.  Dessen 
steinerne  Figur  sah  er  über  einer  Tür  des  Saales,  die  dazu 
gehörige,  auf  seine  Kenntnis  der  Philosophie,  Medizin,  Astrologie 
und  Magie  bezügliche  Inschrift  schrieb  er  ab.  Der  Saal  war  zu 
einer  Art  Ruhmeshalle  bcri3hmter  Paduaner  gestaltet,  deren  In 
Stein  gehauene,  mit  Inschriften  versehene  Bildnisse  ihn  schmückten. 
So  fanden  sich  dort  die  Bilder  des  großen  römischen  Juristen 
Julius  Paulus,  der  unter  Kaiser  .Mexander  Severus  lebte  und  der 
danach  aus  Padua  stammen  könnte,')  des  Albertus  von  Padua, 
der  an  der  Pariser  Universität  Philosophie,  Metaphysik  und  Theo- 
logie gelehrt  hatte  und  1323  gestorben  war,")  und  des  der  Über- 
lieferung nach  aus  Padua  stammenden  römischen  Geschicht- 
schreibers T.  Livius,  dessen  nihmredlge  Inschrift  ebenfalls  wie 
die  anderen  in  das  Reisetagebuch  aufgenommen  wurde.  In  de 
Saale  selbst  stand  und  steht  noch  heute  der  Grabstein  eines  F 
gelassenen  der  Familie  Livius,  T.  Livius  Halys.  Ihn  hatten  die 
Paduaner  auf  den  Geschichtschreiber  bezogen  und  dieser  Meinung 
in  drei  hinzugefügten  Distichen,  die  ebenfalls  wie  die  ursprüng- 
liche Inschrift  des  Steines  in  unseren  Bericht  übergegangen  sind, 
Ausdruck  gegeben.  Daneben  stand  noch  ein  einem  verdienten 
Paduaner  gesetzter  modemer  Gedenkstein  vom  Jahre  1594. 

In  der  Kirche  S.  Antonio  wurden  die  im  15.  und  16.  Jahr- 
hundert von   Uellani  und   RIccio  gearbeiteten   Bronzereliefs  am 


1)  Piftn  von  Apono  oder  Abxio,  geboren  13S0,   Frofeuor  der  Medizlo  in 
t  1316  oder  nach  1319.    Jödief,  AllgcnieinM  OclehrtenlMikün. 

*)  Nach  Schanr,  ntrtchichtr  der  rftmivrhCTt  LKeralur  MI.  219.  iit  Clbrr  «ine  Hell 
nkhb  bekannt     JÖchcr  sagt;    jni  Padua   oder  vielmehr  ru   Rom.     Es  buidcll  «kh 
«llewr  Bitte  d«  PauluK  (i>en>o  vie  bc)  Jen  beiden  indeien  um  Reliefdarstcllunscn, 
iwdt  dnar  freundlichni  MiKeilung  dn  Direktors  des  Mumo  civico  in  Padiii,   Herrn 
fenor  Mofchetti,  heule  not-h  vnthunden  «ind.     Narli  sdner  lirbensvärdiKen  AngAbc  staiDi 
(ie  aus  der  Zeit  dn  Umbau«  d«  Paliuzo  dclla  Ragione  Im  Jahre  1430.     Die  Inichiilt  unl 
dem  BiJdnii  de»  Paulus  hat  Ihre  heutige  I'orm  sogar  ent  iS6S  erhallen.    Daher  kann 
BUdnll  nixli  luMhrift  alt  Beveit  für  die  auch  schon  in  der  LileraMr  de»  i6.  und  tT.Jahr- 
hooitefls  nmitritlene  Herkunfl  des  Julttu  Paulus  aus  Padua   benutzt   werdra.     Vgl.  auch 
Kiriova,  RSmisdie  Kechh(|[c«chiehle  I,  T44. 

5)  J6chcr  a.  a.  O. 


Chor  und  der  heute  verschwundene  Hochaltar  Donatellos,  von 
dem  nur  die  die  Talen  des  heiligen  Antonius  darstellenden  Re- 
liefs erhalten  sind,')  gebührend  bewundert.  Von  den  Grabsteinen 
interessierten  die  Danziger  besonders  die  der  dort  studierenden 
Polen,  namentlich  ein  solcher,  den  die  ganze  polnische  Nation 
der  Universität  kürzlich  für  SOO  Dukaten  hatte  anfertigen  lassen. 
An  einem  ähnlich  kostbaren  der  deutschen  Nation  wurde  gerade 
gearbeitet.  Sonst  wurde  noch  die  Orabschrift  des  1547  ver- 
storbenen berühmten  Humanisten  Pietro  Bembo  abgeschrieben. 
Dis  vor  der  Kirche  stehende  wehberühmte  Reiterstandbild  des 
Gattamelala  von  Donatetlo  nennt  unser  lirzähler  sehr  kunstreich, 
doch  kennt  er  weder  den  Namen  des  DargestelUen  noch  den 
des  Künstlers. 

Eindruck  machte  noch  die  Kirche  S.  Giustina,  unter  deren 
AlUr  die  heilige  Justina  begraben  liegt*)  Ferner  hören  wir  noch, 
diB  unter  einem  Seitenaltar  der  Evangelist  Lucas  liegen  sollte, 
«ihrend  man  unter  einem  anderen  die  von  Herodes  ermordeten 
unschuldigen  Kinder  schlummernd  dachte.  Eine  andere  biblische 
Kuriosität  wurde  in  dem  an  seltenen  Pflanzen  reichen  Garten 
der  Doktoren  der  Universität  gezeigt:  nämlich  der  Baum,  an  dem 
skfa  Judas  erhängt  hatte. 

Reich  an  Eindrücken  verließen  unsere  Reisenden  nach  nur 
eintJIgigem  Aufenthalte  Padua  und  gelangten  am  Abend  des 
zweiten  Tages,  das  letzte  Stück  Weges  auf  einer  Gondel  zurück- 
Iqgendr  nach  Venedig,  wo  sie  fünf  Tage  blieben.  Da  Danzig 
mit  Venedig  vielfach  in  freundschaftlichen  Handelsbeziehungen 
slind,  versorgte  es  die  Adriakönigln  doch  gerade  in  jener  Zeit 
rekfalicfa  mit  Getreide,*)  so  suchte  und  erhielt  Holten,  der  von 
seiner  Krankheit  jetzt  ganz  genesen  zu  sein  scheint,  eine  Audienz 
bei  dem  Dogen,  der  ihn  mit  großer  Freundlichkeit  begrüßte  und 
mü  Anerkennung  der  Dienste  Danzigs  gedachte,  die  dieses  der 
Republik  erwiesen  habe,  sowie  versprach,  den  Danzigern  stets 
mit  seinem  Schutz  zur  Seite  zu  stehen.  Danach  schickte  er  ihm 
ein  Faß  Wein,  allerlei   Konfekt   und   weiße  Wachsstapel   als  Ge- 


I)  V£l.  Udcker  ■.  a.  0.  S.  UT. 

n  Vj[l.  ebenda  S.  2M. 

I)  Vgl.  fiber  dt«M  Bcziehtinscn  Kinch  a.  a.  O.  5.  IMff. 


sdienk   in    seine    Herberjje    und    beauftragte    den    StaatssekretäfV^ 
Marco  Otthobono,  die  Danziger  überall    in   der  Stadt  herumzu- ' 
führen.*)     Otthobono   war  den    Danzigern   kein   Fremder:   hatte 
er  doch   159t   längere  Zeit  in  diplomatischen  Geschäften  in  ihrer 
Vaterstadt  geweilt  und  war  damals  sehr  freundlich  aufgenommen 
worden.     So  war  er  Mitglied  der  vornehmen  St.  Qeorgenbrftder- 
schaft')  und  der  Reinholdsbank  des  Artushofes  geworden.*)    Da 
er  Danzig  bei  seinen  BemQhungen,  im  Gebiete  der  venetianischeriH 
Republik  Handelsfreiheit  und  Befreiung  von  den  lästigen  Zöllen" 
auf  Kreta  2u  erlangen,  sehr  förderlich  gewesen  war,  so  hatte  ihm 
der  Rat  1600  ein  von   dem    Danziger  Maler  Anton   Möller  ge- 
schaffenes Büd  der  nordischen  Stadt  als  Geschenk  zugehen  lassen.*) 
So  war   es    natürlich,    daß    Otlhobono   sich    liebenswürdig   der 
Danziger  Gäste  annahm  und  sie  gern  mit  dem,  was  sie  zu  sehen 
wünschten,  bekannt  machte.  ^M 

Venedig  wird  in  dem  Reisetagebuch  bezeichnet  als  »eine 
schöne,  lustige,  prächtige  und  wohlgebaute  Sladt^  lieget  im  Meer, 
rund  herum  und  fast  durch  alle  Straßen  mit  der  See  befiossen, 
ist  sehr  wohl  munieret  von  allerlei  Kriegcsrüslung».  Am  Canale 
grande  erregten  die  prächtigen  Marmorpaläste  das  Erstaunen 
unseres  Berichterstatters,  von  denen  einige,  wie  man  ihm  sagte, 
60-  70000  Dukaten  gekostet  hatten.  An  der  Markuskirche  fielen 
ihm  vor  allem  die  Mosaiken  und  die  vier  berühmten  antiken 
Pferde  auf.  Im  Dogenpalast  interessierte  ihn  besonders  die 
Waffensanimlung.  Daraus  hebt  er  hervor  eine  Menge  von 
türkischen  Bogen,  welche  die  Venetianer  im  Kriege  erbeutet  hatten, 
den  Küraß  König  Heinrichs  IV.  von  Frankreich,  den  dieser  selbst 
geschenkt  hatte,  eine  Menge  polnischer  Waffen.  Mit  großem 
Interesse  wurde  ein  kleiner,  nur  eine  Spanne  langer  Bogen  be- 
trachtet, mit  dem  ein  Doge  eigenhändig  viele  Leute  umgebracht 
haben  sollte,  .rdencn  er  nicht  gewogen  gewesen  und  die  nicht 
nach  seiner  Pfeife  haben  tanzen  wollen-.  Die  grüßte  Sehens- 
würdigkeit Venedigs  wird  das  Arsenal  genannt,  vor  dessen  Eingang 


>)  Bcfdti  mltErteilt  von  Hirsch  a.  a.  O.  S.  «n. 

•)  Qdirk«,  Danzig»  SchützaibrüdnsrhiElcn  In  alter  tind  noicr  Zdt     S-  41. 

«i  Sim»«!.  Dct  Artushol  in  Düi^ig  imd  «inr  «rödcndiafttn.  die  Banken.    S.  »?. 

<)  Hirsch  i.  3.  O.  S.  rti  und  Daiiziger  Archiv  Ml«.  XLVII,  tM-lO!. 


damals  noch  nicht  die  vier  berühmten  antiken  Löwen  standen.^) 
Die  Besucher  waren  erstaunt  über  die  gewaltige  Zahl  der  dort 
beim  Bau  von  Schiffen,  Ausrüslungsgcgenständen  und  Geschützen 
beschäftigten  Arbeiter')  sowie  über  die  große  Anzahl  von  Kanonen- 
rohren, die  so  aufeinandergelegt  waren,  wie  man  in  der  Heimat 
des  Erzählers  das  Holz  aufhäuft  Man  sah  auch  den  Bucintoro, 
das  prächtige,  mit  Malereien  und  Vergoldung  gezierte  Schiff,  von 
dem  aus  der  Doge  an  jedem  HitnmeHahrlstage  den  Ring  in  das 
Adriatische  Meer  warf  und  von  dem  heute  nur  noch  geringe 
Überreste  erhalten  sind.')  In  einem  Saal  des  Arsenals,  hörten 
die  Besucher,  würde  die  Ausrüstung  für  70000  Mann  aufbewahrt. 
Man  sah  ferner  noch  das  bunte  Treiben  auf  der  RtaUobrücke 
und  den  dicht  daneben  stehenden  Fondaco  de'  Tedeschi  an. 
Daran  wurde  dann  ein  Ausflug  auf  einer  Gondel  nach  Murano 
angeschlossen,  wo  man  die  Arbeit  in  einer  Glasfabrik  beobachtete,*) 
ganz,  wie  es  noch  heule  die  meisten  Venedig  besuchenden  Fremden 
zu  tun  pflegen. 

Für  die  Weiterreise  erhielt  Hollen  im  Namen  des  Dogen 
einen  von  Marco  Otlhobono  unterschriebenen  Paß/)  der  den 
venetianischen  Beamten  ganz  besonderes  Entgegenkommen  und 
ehrenvolle  Behandlung  zur  Pflicht  macht.  Interessant  ist  auch, 
daB  von  dem  Officio  della  Sanitä  auf  einem  gedruckten 
Formular  eine  Bescheinigung")  beigefügt  wurde  darüber,  daß 
Holten  und  seine  Begleiter  aus  einer  gesunden  und  nicht  seuchen- 
verdächtigen Stadt  kommen. 

Am  29.  März  brachen  die  Danzigcr  aus  Venedig  auf,  zu- 
nächst bis  Meslre  auf  einer  Gondel  fahrend;  hier  wurden  dann 
wieder  die  Pferde  bestiegen.  Man  wählte  den  Weg  durch  das 
Val  Sugana,  um  bei  Trient  die  Brennerstraße  zu  erreichen.  Eine 
Merkwürdigkeit  wurde  auf  dieser  Strecke  noch  beobachtet.  Hoch 
oben  im  Gebirge  wohnte  ein  Kapitän  mit  einer  Anzahl  Soldaten, 
zu  dem  man  nur  gelangen  konnte,  wenn  man  sich  in  einem 
Korbe  hinaufwinden  ließ.     Ihm  stand  der  Zoll  zu,  der  in  einem 

I]  fOdehcra  «  O.  S  Ut. 

>)  In  der  BIfitezrit  Venedigs  mrcn  m  täOM;  cbcnd«. 

1)  Bereit)  nUizHHIl  vtm  HIncli  a.  u.  O.  S.  US,  Aura.  t. 

•)  Dm  Oricitnal  ]  i  !  f.  tC09. 

•)  Ebenda  t.  lOll. 

Archiv  lOx  Kullurgodilditc.    VI.  5 


i 


unten  am  Wege  stehenden  Zollhause  zu  erl^en  war.  Dort  war 
die  Grenze  zwischen  dem  Gebiet  von  Venedig  und  dem  des 
Kaisers.  So  erreichten  die  Danziger  nach  mehr  als  1 '/«jähriger 
Abwesenheit  wieder  deutschen  Boden  und  gelangten  bald  auch  auf 
deutsches  Sprachgebiet. 

Am  t.  April  kamen  sie  durch  Trient,  in  dem  ihnen  auffiel, 
daß  fast  alle  Häuser  aus  Marmor  gebaut  waren.  Als  einzige 
Sehenswürdigkeit  wird  das  Kindlein  erwähnt,  das  von  den  Juden 
vor  130  Jahren  gemartert  worden  war.  Nun  ging  es  ohne  Auf- 
enthalt auf  der  großen  Brennerstraße  nordwärts  und  bergauf. 
Über  keinen  der  herrlichen  Orte  an  dieser  heute  alle  Naturfreunde 
entzückenden  Straße  wird  eine  Bemerkung  gemacht,  sondern  es 
werden  nur  lakonisch  die  Ortsnamen,  Bozen,  Klausen,  Gossen- 
sass  usw.,  aufgezählt.  Die  einzige  Merkwürdigkeit  auf  der  Südseite 
der  Paßhöhe  schien  eine  Gedenktafel  aus  Kupfer  zu  sein,  die 
berichtetej  daß  sich  hier  Kaiser  Karl  V.  und  sein  Bruder  Ferdinand 
einst  nach  einem  Kriege  getroffen  hätten. 

Der  Übergang  über  den  Brenner,  der  übrigens  nicht  als 
Paß,  sondern  als  Berg  bezeichnet  wird,  erfolgte  bei  sehr  schlechtem 
Wetter.  Es  schnelle  und  stürmte  und  war  so  kalt,  daß  es  die 
Reisenden  auf  den  Pferden  nicht  aushtcllcn,  sondern  zu  Fuß 
gingen.  So  ging  ihnen,  wie  es  aucli  im  Geist  der  Zeit  lag,  die 
die  Schönheiten  des  Hochgebirges  noch  nicht  entdeckt  liatte,  von 
den  Reizen  dieser  großartigen  Wanderung  nichts  auf,  sondern 
sie  empfanden  nur  die  Schrecken  der  unwirtlichen  Natur.  In 
Innsbnick  wurde  nur  die  Hofkirche  mit  dem  Grabmal  Kaiser 
Maximilians  besichtigt.  Das  Material  der  gewaltigen  Bronzestand- 
bilder, welche  das  Grabmal  umstehen,  hält  unser  Gewährsmann 
merkwürdigerweise  fälschlich  für  Gips^  und  ebenso  bezeichnet 
er  irrtümlich  die  dargestellten  Persönlichkeiten  als  Herzoge  und 
Fürsten  von  Tirol,  während  es  die  wirklichen  und  angeblichen 
Vorfahren  sowie  Zeitgenossen  des  Kaisers  Maximilian  sind.*)  An 
diesen  Herrscher  erinnerte  die  Reisenden  auch  bald  hinter  Inns- 
bruck die  Martinswand,  auf  deren  Gipfel  sie  das  noch  heute 
stehende  hohe  Kreuz  sowie  die  Figuren  von  Maria  und  Johannes 


if  BiddccT,  Südbayon,  Tirol,  Satiburg  usw.    3t.  Aun.    S  2». 


M 


Die  Reise  des  Danziger  Ralsherm  Arnold  von  Mollen. 


gut  erkennen  konnten.  Die  Sage  von  der  Martinswand  ist  als 
titsächliches  Ereignis  in  den  Reisebericht  aufgenommen. 

Gleich  hinter  der  MartinSM'and  bog  man  nordwärts  ab  und 
erreichte  über  Partenkirchen  und  Oberammergau  bei  Schongau 
das  Lechtal,  womit  die  Alpen  überschritten  waren.  Sehenswürdig- 
keiten und  Erlebnisse  werden  nicht  weiter  hervorgehoben.  Der 
gesamte  Ritt  über  die  Alpen  vom  Eingang  ins  Val  Sugana  bis 
znm  Austritt  des  Lechs  aus  den  Bergen  hatte  somit  acht  Tage 
erforden,  ohne  daß  irgendwo  länger  als  zu  Mittag  oder  zur 
Nacht  gerostet  worden  wäre. 

Nun  ging  es  im  Lechtal  abwärts,  und  am  Abend  des 
8.  April  ritt  man  in  Augsburg  ein,  wo  man  sich  nach  den  letzten 
Anstrengungen  zwei  Ruhetage  gönnte. 

Der  Rat  der  Stadt  sandte  Holten  ein  Ehrengeschenk  an 
Wein  zu.  Den  Danzigem  gefielen  die  schönen  Marktplätze, 
besonders  der  Weinmarkt  mit  den  beiden  von  Adrian  de  Vries 
1599  geschaffenen  Brunnen,  dem  Merkur-  und  dem  Herkules- 
brunnen,^)  zu  denen  derselbe  Meister  später  ein  Scitcnstück  in 
Danzig,  den  Neptunsbrunnen,  schaffen  sollte.  Während  das 
beriihmte  Augsburger  Rathaus  von  Elias  Holl  damals  noch  nicht 
begonnen  war,^  konnten  die  Besucher  das  Zeughaus  desselben 
Mdsters,  das  fDr  20000  Mann  Ausrüstung  enthielt,  bewundem. 
Ihre  Bewunderung  erregten  ferner  die  kunstvolle  Wasserleitung 
und  zwei  wunderbare  Uhren,  an  deren  einer  f*sich  drei  Meister 
zu  Tode  gearbeitet",  die  al>er  noch  nicht  ganz  fertig  war  und 
deren  Wert  auf  30  000  Taler  geschätzt  wurde.  Erwähnt  werden 
audi  die  in  dem  Festungsgraben  in  Kästen  gehaltenen  Fische, 
die  täglich  mit  1000  Ochsenlebern  gefüttert  wurden.  Mit  ganz 
besonderem  Interesse  wurde  aber  eine  Einrichtung  betrachtet 
und  beschrieben,  mittels  deren  der  Torwächter  von  seiner  Stube 
aus  eine  eiserne  Tür  in  den  Festungswerken  sowie  ein  großes 
Tor  in  der  Mauer  öffnen  und  schließen  und  eine  Zugbrücke 
herablassen  und  wieder  aufziehen  konnte. 

Der  nächste,  ebenfalls  zweitägige  Aufenthalt  auf  der  jetzt 
wieder   mit  Wagen    fortgesetzten    Reise    wurde    in    Nürnberg   ge- 


t]  Sprinecr,  Hjuidimcb  <ln  Kumlj^achlcbtc.    6.  Aufl.    IV,  IM. 
^  CbOMla  S.  SIS. 


s* 


nommen.  wo  Hollen  ebenfalls  vom  Rate  ein  reichhaltiger  Ehren- 
Intnk  kredenzt  wurde.  Hier  wird  der  zalilreiclien  geschickten 
Kunsthandwerker  gedacht.  Neben  dem  Zeughaus  wurde  hier  ais 
Hauptsehenswürdigkeit  die  in  der  Nähe  des  bekannten  Pellerhauses 
befindliche  Antiquitätensammlung  eines  Ratsherrn  besucht,  die 
namentlich  reich  an  seltenen  Münzen  und  schönen  Gemälden  war. 
Von  Nürnberg  ging  es  ohne  weiteren  Aufenthalt  über 
Forchheim,  Bamberg,  Koburgj  Saalfeld,  Rudolstadl,  Jena,  Naum- 
burg nach  Leipzig,  wo  man  am  Abend  des  fünften  Tages,  des 
21.  April,  eintraf  und  einen  Tag  blieb.  Hier  wird  der  starke 
Besuch  der  Universität  erwähnt,  eine  Kirche,  das  Gymnasium 
und  das  Rathaus  werden  besichtigt.  Auf  der  weiteren  Reise  fuhr 
man  durch  den  an  weißen  Hirschen  und  Rehen  reichen  Park  des 
Jagdschlosses  Colditz,  das  die  Kurfürstin -Mutter  bewohnte.  Hier 
sah  man  in  einem  Graben,  der  ein  Lusthaus  umgab,  rote  Fische, 
von  der  Farbe  »als  Pomeranzenäpfel".  Wahrscheinlich  sind  es 
Goldorfen  gewesen,  denn  an  Goldfische  darf  man  nicht  denken, 
da  diese  damals  noch  nicht  in  Europa  eingeführt  waren.')  In 
Freiberg  erregte  die  kurfürstliche  Begräbnisstätte  im  Dome,  an 
der  steh  besonders  das  in  Antwerpen  gearbeitete  Denkmal  des 
Kurfürsten  Moritz')  (tl5S3)  auszeichnet,  große  Bewunderung: 
vcs  ist  Ober  die  Maßen  prächtig  und  königlich  gebauet, '  heißt 
es  in  der  Beschreibung.  In  Dresden,  dem  man  nur  einen  halben 
Tag  schenkte,  wurde  die  kurfürstliche  Kunstkammer  besucht, 
»darinnen  viel  herrliche  Kunststücke  sein,  unter  andern  ein  Ein- 
horn, so  an  einer  güldenen  Kette  hing,"  ferner  ein  Positiv,  ein 
orgelartiges  Instrument,  in  dem  die  Pfeifen  von  klarem  grünen 
Glase  waren.  Weiter  werden  die  zahlreichen  Elfenbeinschnitzereien 
erwähnt,  noch  heute  ein  Hauptschatz  des  Grünen  Gewölbes,  von 
denen  Kurfürst  August  (»553  -  1586)  einen  Teil  selbst  verfertigt 
hatte,  sowie  eine  Anzahl  künstlicher  Uhrwerke.  Von  sonstigen 
Sehenswürdigkeiten  wurden  noch  der  kurfüretliche  Marstall,  der 
Platz,  an  dem  die  Ringelstechen  des  Hofes  stattfanden,  und  das 
kurfürstliche  Zeughaus  in  Augenschein  genommen. 


')  Die  trüh«te  AnK»be  ober  OoMlischc  in  Eurirpa  nrnnl  da»  Jihr  1611  wid  besieht 
•Jdi  nur  auf  Sädraro]M.    Brehm,  Tiefleben.  PJKbc.    3.  Aufl.    S.  3$3- 
1)  Vgl.  Spiinser  ft. «.  O.  5.111. 


d 


Rebe  da  Danziger  Rabih«m  Arnold  von  Holten.  59 


Dnsden  bildete  die  letzte  Station  auf  der  langeti  Reise. 
Dmn  nun  hatten  Holten  und  die  Seinen  es  eilig,  nach  Hause 
zu  kommen.  In  redil  großen  Tagereisen,  wobei  bis  zu  acht 
Meilen  täglich  zurüdcgelegl  wurden,  ging  es  nun  über  Lübben, 
Frankfurt  a.  O.,  Küstrin,  Pommersch  Stargard,  Kästln,  Schlawe, 
Ijnetiburg  heimwärts,  bis  man  am  6.  Mai  abends  »Gottlob"  in 
Dntzig  einfuhr. 

Ober  die  Bewillkommnung  zu  Hause  sagt  unser  Bericht 
nidits,  doch  wird  sie  wohl  recht  herzlich  nach  dieser  langen 
Abwesenheit  ausgefallen  sein.  Wenige  Tage  darauf  hielt  Holten 
über  die  politischen  Ergebnisse  seiner  Reise  im  Rate  Vortrag.*) 
Ebenso  war  er  der  Vertreter  der  Stadt  auf  dem  Hansetage  in 
Lfibcdc  im  September  desselben  Jahres,  auf  dem  der  Bericht  der 
Oesuidten  erstattet  wurde.*) 

Ober  die  Kosten,  welche  die  Reise  verursacht  hat,  erfahren 
wir  nur  die  Oesamtstimme,  da  sich  Spezial  rech  nur  gen  leider 
nicht  erhalten  haben.  Sie  bellefcn  sich  auf  16  007  fl.,  zu  denen 
noch  1400  fl.  für  Kleidung  und  Ausrüstung  kamen.^)  Doch  ist 
dabei  in  Betracht  zu  ziehen,  daß  der  mehr  als  siebenmonatige 
Aufenthalt  in  Madrid  nur  sehr  wenig  gekostet  haben  kann,  da 
die  ganze  Gesandtschaft  dort  als  Gäste  des  Königs  auf  dessen 
Kos^n  lebte.  Immerhin  schien  man  in  Danzig  zu  fürchten,  daß 
Hollen  Vorwürfe  wegen  seiner  langen  Rückreise  und  der  dadurch 
hervorgerufenen  Kosten  gemacht  werden  würden.  Denn  es  trug 
sdnem  Vertreter  zu  dem  Hansetage  im  Jahre  1609,  auf  dem  die 
Rechnungen  der  Gesandtschaft  geprüft  werden  sollten,  auf,  falls 
ein  solcher  Vorwurf  erhoben  werden  sollte,  zu  erklären,  daß 
Holten  auf  ärztlichen  Rat  seine  Reise  so  eingerichtet  habe.*) 
Doch  wurde  auf  dem  Hansetage  die  Sache  nicht  weiter  zur 
Spriche  gebracht. 

Ein  solche  Reise,  wie  Hollen  und  seine  Begleiter  sie  aus- 
geführt hatten,  war  nicht  nur  eine  Erinnerung  für  das  Leben, 
sondern  sie  galt  auch  in  den  Augen  ihrer  Mitbürger  für  etwas 
AuBergewdhnliches  und  umgab  sie  mit  einem  gewissen  Nimbus.  Das 

i>  V|L  oben  S.  41. 
1  Dnolitr  Archiv  XXVIII.  16. 
n  Ebenda  Ji  3  f.  ii(8l. 
*)  Eb«ndi  IX.  lU. 


ersehen  wir  auch  daraus,  daß,  als  Holten,  der  1617  Bürgermeister 
geworden  war,  1629  starb,  der  Pastor  Dilger,  der  ihm  die  Qrab- 
rede  hielt,  es  angemessen  fand,  diese  -beschwerliche,  gefährliche 
Legation*,  die  er  -mit  sonderm  Lob  und  Ehren,  aber  auch  mit 
grolter  Qeßhrlichkeit  verrichtet",  darin  besonders  zu  erwähnen.*) 
Uns  aber,  den  Kindern  einer  so  viel  späteren  Zeit,  ist  diese 
Reise  eines  von  den  vielen  menschlichen  Dokumenten,  die  an 
ihrem  kleinen  Teile  dazu  beitragen,  das  geistige  Leben,  die  Oe- 
schmacksrichtungen,  die  Interessengebiete  ebenso  wie  das  äußere 
kleine  Leben  der  Vergangenheit  kennen  zu  lernen.  Und  so  kann 
auch  dieser  bescheidene  Beitrag  wohl  dazu  dienen,  uns  Einblicke 
in  die  Entwicklungsgeschichte  der  Menschheit  tun  zu  lassen. 

1)  Duilfer  Sudlttlbliodiek  XV  <\  «1  c.  2. 


Vom  Zutrinken. 

Von  KLEMENS  LÖFFLER. 


Von  unseren  Trinkgebräuchen  ist  das  Zu-  oder  Vor-  und 
Nachtrinken  der  älteste  und  verbreitetste.  Eine  Humanistenschrifl, 
auf  die  wir  nachher  zurückkommen,  will  die  erste  Spur  davon 
bei  den  Brahmancn  finden,  imd  es  gibt  sogar  Leute,  die  es  zu 
den  Ursitten  der  Menschheit  rechnen.  Das  allerfriiheste  Zeichen 
der  Gastfreundschaft,  sagen  sie,  war  das  Darreichen  eines  Bechers^ 
und  aus  dieser  Sitte  ging  unmittelbar  diejenige  des  gesellschaft- 
lichen Zulrinkens  hervor. 

Rudolf  V.  Ihering  legt  dem  Brauch  in  seinem  geistvollen 
Buche  »Der  Zweck  im  Recht"  einen  sehr  ernsten  und  höchst 
praktischen  Ursprung  bei.  Das  Zutrinken  war  nach  ihm  urspriing- 
tich  Vortrinken  aus  demselben  Becher  und  geschah,  um  den  Gast 
gegen  die  Besorgnis  sicherzustellen,  daß  der  Trank  vergiftet  sei. 

Eine  andere  Kerleitung  hat  neulich  von  England  her,  aus 
Chambers'  Journal,  ihren  Weg  in  die  deutschen  Zeitungen  ge- 
funden. Danach  wird  in  alten  englischen  Chroniken  das  Zutrinken 
als  geheimes  Zeichen  der  Engländer  erwähnt,  die  sich  damit 
nach  dem  Eindringen  der  Dänen  der  gegenseitigen  Treue  ver- 
sicherten. Die  Dänen  überfielen  nämlich  die  alten  Bewohner 
des  Landes  besonders  häufig,  wenn  sie  mit  ihnen  an  der  Tafel 
siBen.  Trank  dann  ein  Engländer  und  war  momentan  wehrlos, 
so  erdolchte  ihn  der  Däne.  Die  Engländer  erfanden  daher  d.-ts 
Zeichen  des  Zutrinkens,  durch  das  der  Trinkende  einen  Freund 
anrief  und  ihm  zu  verstehen  gab,  er  solle  aufpassen,  damit  ihm 
während  des  Trinkens  kein  Leid  geschähe,  und  zur  Verteidigung 
mit  der  Waffe  bereit  sein. 


Leider  können  wir  den  Engländern  die  Ehre  der  Erfindung 
nicht  unbestrlllen  lassen;  denn  das  tpiXonjoiav  jiQOJiivcir  übten 
bekanntlich  schon  die  Griechen  bei  jedem  Gastmahl.  Nur  die 
strengen  Spartaner  machten  auch  in  diesem  Punkte  eine  Aus- 
nahme. Wie  gut  sich  manche  auf  den  Komment  bereits  ver- 
standen, davon  gibt  eine  von  Athenäus  überlieferte  Anekdote 
Zeugnis.  Alexander  der  Große  trank  einmal  einem  gewissen 
Proleas  sechs  Quart  vor.  Dieser  leerte  nicht  nur  umgehend 
dieselbe  Menge,  sondern  trank  auch  sofort  dem  Könige  nochmals 
sechs  Quart  vor.  Als  Alexander  nachkommen  wollte,  fiel  sein 
Pokal  auf  den  [k)den  und  er  selbst  mäuschenstill  hinterher. 

Die  Römer  führten  den  auch  von  ihnen  gern  geübten 
Brauch  auf  die  Griechen  zurück  und  sprachen  von  »Graeco  more 
bibere"  und  „propinare",  während  sie  den  Ausdruck  ihrer  eigenen 
Sprache,  »praebibere"  seltener  anwandten.  Es  ist  kein  anderer 
als  der  sonst  so  würdige  Cicero,  der  uns  fiber  die  Bedeutung 
dieser  Ausdrücke  Auskunft  gibt.  „Bene  te"  oder  »Bene  tibi« 
sagte  man,  wenn  man  sich  zutrank.  Doch  trank  man  auch  auf 
sein  eigenes  oder  der  ganzen  Gesellschaft  Wohl: 

Bene  nos,  bünc  vos,  bene  mc,  bcne  te,  bene  noslram  etia 
Siephanium.     (Plautus.) 

Bei  den  germanischen  Völkern  erfreute  sich  die  Sitte  eben- 
falls grofler  Beliebtheit,  ohne  daß  sich  entscheiden    läßt^  wie   sie^ 
bei   ihnen   Aufnahme   gefunden   hat.     Auch  dem    HunnenkönigeV 
gefiel  sie  so  wohl,  daß  er  sie  in   sein  Hofzeremoniell   aufnahm. 
Priscus,  der  im  Jahre  446  mit  einer  oströmischen  Gesandtschaft 
bei  ihm  war,  weiß  uns  davon  zu  erzählen.     »Als  wir  alle  nach 
dem    Range  saßen,    kam   der  Wcinschenk   und   bot    dem    Attila 
eine  Schale  Wein.     Er  nahm  sie  und  grüßte  den  ersten  im  Range. 
Wer  so   geehrt    wurde,  stand   auf   und   durfte   sich    nicht    eher 
setzen,    bis   er  entweder  gekostet  oder  auch   ausgetrunken   und 
den  Becher  dem  Schenken  zuriickgegeben  hatte.     Dem  sitzenden 
Attila  aber  bezeigten   auf  dieselbe   Weise  alle   Anwesenden    ihre 
Ehrfurcht,  indem   sie  die    Becher   nahmen  und  nach   dem    Heil^^ 
wünsch  daraus  tranken".  ^| 

Ein  Gelage  am  Rhein  im  sechsten  Jahrhundert  schildert  Ve- 
nantius  Fortunatus:  »Umher  lagerten  die  Zecher  bei  ehernen 


I 


J 


Vom  ZutrinlMa. 


73 


Bechern  und  tranken  Gcsundbdtai  nm  die  Wette  wie  Rasende. 
Wer  nicht  mittat  galt  als  Tor.  Man  msfile  sidi  gUddich  pfCiseD, 
lus  dem  Trinken  mit  dem  Leben  davon  zu  koauaeB*. 

Am  Ende  des  Mtttdaiters  suchten  scharfe  kirchticbe  and 
»-eltlichc  Verbole  das  Zutrinken,  vor  allein  das  Vor-  und  Nach- 
trinken bestimmter  Quantitäten  aus  der  Welt  zu  schaffen,  und 
wenn  nian  liest,  daß  sogar  die  Reichstage  wiederholt  dagegen 
einschritten,  dann  wundert  man  sich  fast,  daß  es  sie*  bis  heute 
tn  solcher  Blüte  erhalten  hat 

Die  Synode  von  Schwerin  im  Jahre  1492  bestimmte:  Nee 
9e  mutuo  in\iten1,  obligenl  et  constringant  ad  commensuratos 
haustiis  et  ad  potus  aequales.  Der  Rat  von  Bern  wollte  das 
•niederländisch,  lanzkneclitisch,  ja  suevisch  zutrinken*  mit  einem 
Pfund  bestrafen,  der  Nürnberger  verbot  es  bei  fünf  Pfund  Heller 
Strafe.  Das  Reich  beschäftigte  sidi  zum  ersten  Male  auf  dem 
Wormser  Reichstage  von  1495  mit  der  Sache  und  bestimmte, 
.daß  die  Königlich  Majestät  allen  Kurfürsten,  Fürsten,  Prelaten, 
Grafen,  Freien  Herrn  und  Stenden  sdireibe  und  gepite,  in  jren 
Höfen,  von  yren  Dienern,  auch  sust  allen  jren  Underthanen  das 
Trinken  zu  gleichen,  vollen  und  halben  nil  zu  gestatten,  sundcm 
das  tmstlich  zu  strafen,  vnd  ist  geratschlagt,  daß  sein  Kö.  Majestät 
sokhs  in  seiner  Gnaden  Hofe  zu  verbieten  und  zu  handhaben 
Desgleichen,  daß  es  auch  durchaus  in  allen  Veltzcflgen 
Veitlagern  verboten  vnd  nit  gestatet  werde". 

Wie  wenig  das  Verbot  beachtet  wurde,  geht  daraus  hervor, 
daß  CS  drei  Jahre  später  in  Freiburg,  i500  in  Augsburg  und 
IS  12  in  Köln  in  immer  drohenderen  Worten  wiederholt  wurde. 
Man  machte  sich  so  wenig  daraus,  daß  man  sich  mit  dem  Spruch 
zutrank:  »Es  gilt  dir  des  Reichs  Abschied  wider  das  Zutrinken-. 

Besonders  liebevolle  Beachtung  fand  natürlich  der  klassische 
Brauch  bei  den  Humanisten.  Sie  legten  die  Fonneln  fest,  mit 
denen  man  zutrank  und  nachkam.  Erasmus  von  Rotterdam 
UBt  einen  Rundtrank  folgendermaßen  vor  sich  gehen.  Der 
Hausherr  Christian  fängt  an:  Ebibetis  igitur  ordine  suum  quisque 
calicem,  a  me  exemphim  capiatis!  Tibi  hoc  primum  propino, 
Mida!  Midas  antwortet:  Accipio  abs  te  Eibenter.  Er  trinkt  dann 
dem  Nächsten   zu:    Erasme,    praebibo    tibi  dimidiatam    pateram! 


Mbhe. 
Kd  Ve 


Klemens  Löffler. 


Darauf  antwortet  Erasmus:    Precor,    ut  sit  tibi   bono.     «Pi 
tibi"  und  >Proficiat"  hält  Erasmus  für  weniger  gute  Ausdruck« 

In  anderen  Trinkvorschriften  wird  mehr  verlangt.  D< 
Vortrinkende  soll  einen  Hexameter  extemporieren  und  der  Nach- 
kommende mit  einem  solchen  oder  einem  Pentameter  antworten. 
Zum  Beispiel; 

A.:  Hoc  tibi  ht  xif^rof  poclum  de,  care  sodalis. 

Oder:  Praebibo,  quicquid  id  est  pocii,  studiose  Jacobe. 

Oder:  lam  bibo,  deinde  statim  me,  Petre,  scquare  bibendo. 
B.:  Sit  friix,  faustum,  Petrt  dtscrte,  tibi! 

Oder;  Sil  felix,  cams  potiis  uüiquc  tiius! 

Oder:  Accipio  oblatum  pei^rato  pectore  poctum. 

Auf  das  Nachkommen  wurde  streng  gehalten.  In  der 
Pappa  puerorum  des  münsterischen  Humanisten  Murmellius 
trinkt  ein  Knabe  seinem  Kameraden  einen  Kalben,  diinidialum 
poculum  (ein  polken  halQf  vor.  Dieser  aber,  ein  schwacher 
Trinker,  winkt  ab:  Ne  mihi  praebiberis  quidquam,  quod  tibi 
responderc  non  possim  (Wil  my  nycht  brengen,  want  ich  dy 
geyn  gelych  gedocn  Jean)!  Empört  droht  ihm  der  erste:  Nisi 
tantundem  potaris,  hunc  calicem  tibi  in  os  impingam  (Het  en  sy 
saich,  dat  du  my  gelych  sals  doen,  ich  sal  dit  cruysken  dich 
voer  den  cop  werpen). 

Eine  ganz  ährliche  Szene  findet  sich  in  den  Dunkel- 
männerbriefen. Auch  bei  den  Obskuren  ist  der  löbliche 
Brauch  im  Schwange,  cum  sociis  ad  dimidios  et  lotos  bibere. 
Bei  einer  solchen  Kneiperei  setzt  es  nun  einen  Bierskandal,  über 
den  der  Magister  Bernhardus  Ptumilegus  in  seinem  drolligen 
l^tein  selbst  berichten  mag:  Et  semel  in  una  zeccha,  quando 
bibimus  cerevisiam  Turgensem,  et  sedimus  usque  ad  terliam 
horam,  et  ego  fui  modicum  ebrius,  quia  ilEa  cerevisia  ascendil 
mihi  in  capul,  tunc  fuit  ibi  unus,  qui  alias  non  stetit  bene  mecum, 

Let  ego  apportavi  ei  unum  modicum  canfarum,  et  ipse  accepit; 
sed  postea  non  voluit  mihi  simile  facere;  et  ter  cavisavi  (trat) 
cum,  et  non  voluit  mihi  respondere,  et  sedit  cum  silentio  et 
nihil  dixit;  tunc  ego  cogitavi:  »Ecce  iste  alias  spernit  te,  et  est 
superbus,  et  semper  vull  te  confundere".  Et  fui  commotus  in 
ira  raea,  et  accepi  canlarum  et  percussi  ei  ad  capul.     Davon  ist 


Vom  Zutrinken. 


75 


natürlich  der  andere  wenig  entzückt,  und  es  geschieht  dem  hitzigen 
Rumilegus  ganz  recht,  wenn  er  an  die  Luft  gesetzt  wird. 

Es  ist  nicht  sehr  rühmenswert,  daß  auch  das  »Mauern" 
von  den  Humanisten  gelehrt  wird.  Wenn  einer  aus  irgend  einem 
Oninde  nicht  nachkommen  kann,  soll  er  wenigstens  den  Becher 
an  den  Mund  führen  und  so  tun,  als  ob  er  trinke.  So  raten 
Brunfcls  und  Erasmus.  Wenn  der  Betreffende  noch  jung  ist, 
kann  er  dem  Alteren,  der  ihm  etwas  gekommen  ist,  auch  ver- 
sprechen, später,  wenn  er  erwachsen  ist,  nachzukommen. 

Ein  sehr  gewissenhafter  Nachtrinker  ist  der  von  Friedridi 
Dedekind  (1549)  so  köstlich  gezeichnete  Qrobianus.  Er  trinkt, 
bis  ihm  der  Atem  ausgeht  oder  Tränen  in  die  Augen  kommen 
oder  nichts  mehr  im  Olase  ist.  Damit  man  sehen  kann,  daß  er 
ordentlich  nachgekommen  ist,  stülpt  er  den  Becher  um. 

Oe^en  schlechtes  Nachkommen  wuBte  man  sich  durch  einen 
Bnnreichen  Apparat,  die  Bierleiter,  zu  sichern.  Der  Vortrinkende 
Meckte  sie  in  sein  Oias,  trank  einige  Sprossen  weil  vor,  und 
cbcnso\'iel  mußte  der  andere  nachkommen. 

Nicht  selten  gab  es  wegen  des  Nachkommens  Unfrieden 
md  böse  Händel.  „E&  bleibt  nicht  dabei,  daß  schlicht  einer 
dem  andern  einen  guten  Trunk  brächte  und  immer  vor  sich  hin 
söffe  und  in  sich  seines  Gefallens  trüge,  sondern  da  dringt  und 
zwingt  einer  den  andern  ihm  Bescheid  zu  tun,  ohne  Ablassen, 
etwa  auch  mit  bösen  zornigen  Worten  und  greulichen  Flüchen, 
ob  man  denn  einen  nicht  für  redlich  achte,  geraten  bisweilen 
auch  wohl  darüber  in  Unfrieden.  Etwa  misset  und  wiegt  einer 
dem  andern  den  Wein  oder  das  Bier  zu,  Irinken  bei  viertel 
oder  halben,  auch  wohl  ganzen  Ellen,  aufs  wenigste  bei  Spannen- 
lang oder  Handbreit  einander  zu  oder  nach  dem  Gewichte  bei 
etlichen  Pfunden:  und  da  muß  es  dann  oft  auch  wohl  gemessen 
und  abgeteilt  sein,  in  wieviel  Schlucken  oder  in  wieviel  Trünken 
man's  aussaufe".  So  erzählt  Cyriakus  Spangenberg  etwas  dick 
aufU'agcnd  im  »Adelsspiegel". 

Das  16.  Jahrhundert  war  bekanntlich  die  klassische  Zeit 
des  Trinkens  nidit  nur,  sondern  auch  der  Trinkliteratur. 
Was  man  so  gern  treibt,  davon  spricht  und  schreibt  man  ja  auch 
gem.    Daß  in  dieser  Literatur  das  Zutrinken   die   größte  Rotle 


spielt,  versteht  sich  von  selbst.  Gleich  die  erste  Schrift  befaßt 
sich  mit  ihm  ex  professo.  Es  ist  das  der  Dialogismus  Hieronymi 
Emser  de  origine  propinandi  vulgo  compotandi  et  an  sit  lole- 
randa  compotatio  in  republica  bene  institula  necne  (1505).  Die 
Schrift  ist  auch  deshalb  von  Interesse,  weil  sie  uns  den  späteren 
streitbaren  Gegner  Luthers  einmal  von  einer  anderen  Seile  zeigt 
Das  Exemplar  der  Götlinger  Bibliolhek,  das  mir  vorliegt,  hat 
einen  sehr  interessanten  Titel holzschnitt,  der  ein  Gelage  darslellL 
Sechs  Zecher  sitzen  am  Tisch,  neben  dem  das  Faß  aufgelegt  ist 
Zwei  trinken  gerade.  Der  eine  ist  dabei,  nachzukommen;  denn 
unter  seinem  Bilde  steht:  »Es  gilt."  Einer  stützt  schon  das 
Haupt  in  die  Hand  und  macht  ein  sehr  jämmerliches  Gesicht 
Die  merkwürdige  Art  seines  Leidens  bezeichnet  die  Unterschrift: 
Doleo  ventrem  inter  aures.  Zwei  andere  haben  es  noch  weiter 
gebracht  Sie  liegen  betrunken  am  Boden.  Während  der  eine 
die  Erde  küßt,  liegt  der  andere  nach  oben,  und  —  appetitlich 
sieht  es  nicht  eben  aus  —  ein  Hund  leckt  ihm  das  aus  dem 
Munde  hervorquellende  Naß  ab.  Ober  dem  Bilde  verschlingen 
sich  allerlei  Spruchbänder:  «Sobrius  auroram  cernere  non  potui*, 
»Serotina  potacio  matutina  replecione  curabitur"  usw. 

Auf  den  Inhalt  wollen  wir  uns  nicht  allzuweit  einlassen. 
Sophronius  und  Silenus  disputieren  über  die  im  Titel  angegebenen 
beiden  Punkte.  Welche  Partei  ein  jeder  vertritt,  zeigt  schon  der 
Name  an:  der  eine  ist  solide  und  streng,  der  andere  ein  fideler 
Bruder.  Silenus  führt  das  Zutrinken  auf  die  alten  Inder  zurück 
und  verteidigt  es  mit  allerlei  guten  und  schlechten  Gründen. 
Sophronius  greift  die  Trunkenheit  aufs  heftigste  an.  Da  sie  sich 
nicht  einigen  können,  t>cschließen  sie,  einem  gelehrten  Nachbar 
die  Entscheidung  zu  überlassen.  Der  will  es  aber  mit  keinem 
verderben  und  fällt  folgendes  Urteil.  Es  sind  zwei  ..ritus  com- 
potandi *  zu  unterscheiden.  Die  eine,  wohl  weniger  auf  die 
Brahnianen  als  auf  die  Griechen  zurückgehende  Sitte,  zur  Be- 
zeugung der  Freundschaft  und  des  Wohlwollens  sich  gegenseitig 
zum  Trinken  einzuladen,  hält  er  nicht  für  verwerflich,  sondern 
sogar  für  empfehlenswert.  Ja,  er  meint,  es  sei  nicht  einmal 
schlimm,  wenn  dabei  das  Maß  ein  bißchen  überschritten  würde. 
Die  andere,  neue  Art  dagegen,  sich  Ganze  und  Halbe  vorzutrinken 


Vom  Zutrinken.  77 


and  um  die  Wette  zu  saufen  (consuetudo,  qua  sigillalo  antes  et 
■esuiato  vino  aut  plenos  hauriunt  auf  setniplenos  calices,  pateras 
et  dnolaros  interbibunt  seque  invicem  quasi  ad  pugnani  aliquam 
invitanl  et  impellunt  gloriamque  Parthorum  instar  in  nulla  re 
iBtffS  queninl  quam  inebriando),  erklärt  er  für  höchst  venA-erflich. 
Ä  ist  nicht  nur  schiecht,  sondern  die  allerschlimmslc,  unmensch- 
lich, gegen  Gott,  gegen  die  Natur,  gegen  die  Ehrbarkeit  und 
gegen  die  guten  Sitten  und  muß  auf  alle  Weise  bekämpft  werden. 

Was  nachher  noch  für  und  wider  das  Zutrinken  geschrieben 
worden  ist,  z.  B.  »der  Zutrinker  und  Prasser  Gesetze,  Ordnungen 
und  Instruktion  *  von  Johann  von  Schwarzen berg"  (15 16),  das 
erste  ironische  Gesetzbuch,  Matthäus  Friedrichs  Schrift  «Wider 
den  Saufteufel  *■  usw.,  das  kann  ich  hier  nicht  alles   besprechen. 

Nur  die  Bestimmungen  des  ersten  Kommentbuchs,  des 
Jus  potandi  von  Blasius  Multibibus  (T6I6)  seien  noch  ange- 
führt. Es  werden  hier  zwei  Arten  des  Zutrinkens  unterschieden, 
entweder  nach  oder  außer  der  Ordnung.  f,Nach  der  Ordnung, 
wenn  keine  Person  wird  übergangen  und  ausgelassen,  sondern 
allen,  wie  sie  nacheinander  sitzen,  wird  zugetrunken.  Und  ein 
solches  Glas  oder  Pokal  ist  nun  dasjenige,  welches  voll  geschenket 
und  wegen  Wunsches  oder  Bestärkung  eines  guten  Freundes 
Gesundheit  und  zwar  stehend  mit  entblösseten  Haupt  von  einem 
iedcn  in  der  ganzen  Gesellschaft  evacuirt  und  aüßgetninken 
wird".  (Pos,  16.)  —  »Außer  der  Ordnung  zecht  man,  wenn  man 
ganz  und  gar  keine  Ordnung  observieret  und  in  Acht  nimmt, 
sondern  bald  diesem,  bald  jenem,  bald  dahin,  bald  dorthin,  eines 
nach  dem  andern  präsentieret  wird.  Welches  denn  entweder 
simplidter,  schlechtweg  geschieht,  oder  aber  cum  singulari  sensu, 
mit  einem  sonderlichen  Verstände  und  Meinung.  Simpliciter  und 
schlechtweg:  wenn  der  Pokal  nichts  anders  über  den  actum 
bibendi,  wie  man  sonst  nach  gemeiner  Weise  zu  trincken  pflegt, 
mit  sich  bringet  .  .  .*•  (Pos.  19.)  »Einen  sonderlichen  Verstandt 
oder  Meinung  hat  derjenige  I3echer  oder  Glaß,  damit  einer  den 
andern  zum  Bruder  erwählet  und  einweihet  oder  aber,  wie  man 
sonst  zu  sagen  pfleget,  mit  ihm  auff  BrOderschafft  oder  auff  den 
Datz  irincket,  welches  auf  allgemeine  Weise  folgender  Gestalt 
zu  geschehen   pfleget.     Indem    einer   den    andern    anredet    und 


spricht:  Wenn  ich  dem  Herrn  nicht  zu  jung  oder  zu  geringe 
wäre,  wolle  ich  ihm  eines  auf  gute  Kundschafft  oder  Brüder- 
schafft  bringen.  Oarauff  antwortet  der  ander:  Trinck  her  in  Oottes 
Namen,  es  soll  mir  sehr  lieb  seyn.  DarauFf  trincket  er  aus  und, 
indem  er  das  wieder  eingesehen  ekle  Trinckgesdiirr  seinem  neuen 
Bruder  zustellet,  gebraucht  er  dieses  Wort  und  spricht:  Mein 
Name  heißt  N.  N.,  icli  wil  thun^  was  Dir  lieb  ist,  und  lassen, 
was  Dir  leid  ist.  Darauf  antwortet  der  ander:  Und  eben  deß- 
gleichen  wil  ich  in  allem  auch  thun.  Und  nach  Verrichtung 
dessen  schweigen  sie  ein  wenig  still  und  bitten  darauff,  daß  solche 
Brüderschafft  durch  öffters  Besuchen,  so  von  einem  gegen  den 
andern  geschehen  sollj  möge  bestätiget  und  vollzogen  werden. 
Eine  solche  Brüderschafft,  wie  gemeldet,  ist  durch  Oewonheit 
eingeführt  worden  und  weiß  das  Jus  civite  von  derselben  gar 
nichts,  alleweil  ihm  (sich)  keiner  durch  Adoption  nach  solchem  Recht 
einen  Bruder  aquiriren  und  zu  wege  bringen  könne".    (Pos.  20.) 


Miszellen. 


Ein  Vertrag  mit  einem  Präzeptor 
für  einen  jungen  Adligen  (1577). 

Mitgeteilt  von  MARTIN  WEHRMANN. 


Ceorg  Stein  hausen   hat  in   den   Mitteilungen  der  Ge- 
sellschaft für  deutsche  Erziehungs-  und  Schulgeschichte  (IV,  1894, 
S.  246)  den  Wunsch  ausgesprochen,  es  möge  durch   Mitteilung 
von   instmlrtionen    für    einzelne    Zöglinge    die    Erziehungsan- 
schauung  vergangener  Zeiten    klar  gelegt    und    durch  Beispiele 
deutlicher  gezeigt  werden,    wie  namentlich  auch    der  Adel    für 
Bildung  und   Erziehung   seiner    jungen   Söhne   Sorge  trug.     In 
dem  soeben  erschienenen  ersten  Teile  des  dritten  Bandes  der  Oe- 
scbichtsquellen     des    bürg-   und    schloßgesessenen 
Geschlechts     von     Borcke,     die    O.     Sello     herausgibt 
(Berlin,  A.  Stargardt,    1907),  ist  ein    sehr    interessanter    Vertrag 
vom   t6.  April    t577  abgedruckt,    durch  den  Christian  (Karsten) 
Borckc   auf    Labes  den  Magister  Christoph  Schiele  zum   Lehrer 
und  Reisebegleiter  seines  Sohnes  Messig  (=  Matthias)  bestellt.    Die 
Urininde  ist  in  den  Akten  des  Reichskammergerichts  in  Wetzlar 
(heute  im  Kgl.  Staatsarchiv  zu  Wetzlar:  B.  N.  1767)  abschriftlich 
erhalten    und   wird   hier  nach    dem  Drucke   bei   Sello   mitgeteilt. 
Kund    und    zu  wissen  sei  jedermenniglich,   daß  heut  dato 
zwischen  den  edlen    und   ehrnvesten  Carsten    Boreken,    auf 
Labes   erbsessen,    und    seinem    Sohne    Messig    Boreken  an 
dnem  und    dem  erbam,    ehrnvesten  und   wohlgelarlen  magistro 
Chrtstoffcr  Schielen  andcrsteils  eine  rechtmäßige  Bcredunge, 


rtc, 

icfaa 


Convention  und  Vorgleichunge  geschehen,  in  Beisein  unc 
Kegenwart  der  auch  edlen  und  ernvesten  Otto  und  Claus, 
Gevetter  die  Borckenj  auf  Labes  und  Claushagen  erbsessen,  also 
und  dergestalt: 

Erstlich  gerede,  gelobe  und  verspreche  ich,  magister 
Chrtstoffcr  Schiele,  bei  meinen  Hhren^  Treuen  und  waren 
Worten,  daß  ich  gedachten  Messig  Boreken  ein  Jar  lang  in 
meiner  disciplina  wolle  nehmen  und  mit  im  auf  und  vorl 
ziehen  bis  gen  Leipzig  und  dar  mir  zu  erkundigen,  wor  die 
beste  und  gelegenste  Universilet  sein  muchle,  dar  wir  unser  Ge- 
legenheit nach  zum  sichersten  sein  konten,  um  im  in  der  Gottes- 
furchte,  guten  Sitten,  freien  Künsten  und  Sprachen,  und  sonder- 
lich noch  praecepta  grammaticesj  dialecticcs,  retorices,  auch 
exercitia  styli  und  nunmehr  das  Studium  juris  aufs  trewiichstc, 
vleisigste,  als  es  immer  muglich  sein  kan  und  mag,  {zuj  lehren,  auch] 
alle  vier  Zeiten  zum  weinigsten  zum  hochwürdigen  Sacramenl 
zu  hallen,  und  als  ich  kegen  Gott,  seinem  Vater  und  mennig* 
lich  zu  verantworten  habe,  nach  ratsam  Bedenken  und  Anorc 
nung  gedachten  Messiges  Vater,  Carsten  Borcken.  Wen  wir, 
wils  Gottj  kommen,  das  wir  unser  Studirent  anfangen  werden, 
so  vorpflichte  ich  mich  Imgleichen,  daß  ich  mit  meinem  disdpulo 
auf  einer  Stuben  wohnen,  in  einer  Cammer  schlafen,  aufstehe^H 
und  zu  Bette  gehen,  bei  einem  Dische  beide  zu  Dische  gehen, 
auch  weiter  l>eide  siedes  vom  Dische  aufstehende,  t^lich  des 
Morgendes  und  Abcndes,  wan  er  aufstehet  und  zu  Bette  gehet, 
ohne  Underlaß  fleißig  beden  und  aus  der  Bibel  oder  sonstcn 
aus  der  heiligen  Schrift  etwas  lesen  laßen,  auch  mit  im  teglich 
in  die  Lection  gehen,  die  praecepta  grammattices  und  dialectices 
auswendig  aufsagen,  vorgeben  und  dieselbe  ohne  Unterlaß  zu 
repetiren  und  darinne  usum  in  scribendo  zugleich  weisen  und 
alle  Woche  zwo  scripta  zu  machen  vorschrieben  will^  auch  alles 
das,  was  im  zu  Gottesfurchte,  zu  Besserunge  seines  Lebens  und 
Furdenmg  seines  Studirens  und  zu  Bewahrung  seines  Leibes 
Gesundheit  nutzlich  und  dinstlich  sein  muge,  nicht  unterlaßen 
noch  umbgehen  will. 

Darentkegen    habe     ich,    Carsten    Borckej     dem    emanten 
magistro  arderthalbhundert  gute  Tahler  vorreichet,  da  er  neben 


Ein  Vertrag  mit  einem  Prftzeplor  für  dnen  jungen  Adeligen  (1S77).  81 


meinem  Sohne  soll  einen  freien  Tisch  und  Staubenzinsen  von 
haben,  jedoch  also  einen  freien  Tisch  und  Staubenzinsen,  was 
in  zu  Ehren  iren  studüs  geboret,  also  ausdrucklichen  genamet: 
was  sie  alle  Woche  einem  Dischwirte  Dischgelt  billicher,  ehrlicher, 
unvorweislicher  Maßen  [...],  darneben  pillige  Staubenzinse^  ßette- 
zinsen.  Lichte,  Holz  des  Winters,  das  sie  notwendig  und  zu 
Ehren  iren  studüs  haben  müssen.  Auch  habe  ich  dem  magtsler 
zwanzig  Tahler  getan  zu  den  Büchern  corporis  iuris  civilis  und 
sonstigen,  die  Messigen  zum  notigsten  sein,  auch  fünf  Taler  dem 
Furmanne  bis  Leipzig.  So  sollen  die  ernanten  Oelde  obge- 
nanten  magistro  zugestellet  sein,  dergestalt,  so  seinem  discipulo 
seiner  Notlurfl  noch  etwas  behöven  wurde,  davon  er  der  Ge- 
legenheit nach  Ausgabe  und  Rechnung  zu  tuende  vorpflichtet 
sein  soll,  auch  Messige  so  wol  also  sein  Register  eines  Lauts 
übereinbalten  klar,  wohin  und  woran  es  gewendet  wirt. 

Und  ich,  Messig  Borcke,  muß  bekennen,  daß  mein  lieber 
Vater  mit  seinen  schweren  Uncoslen  mehr  bei  mir  tuet  und 
anwendet,  als  sich  fast  sein  Vormugen   erstrecket.    Weil  ich   dan 

tsein  vaterlichs,  trews  Herz  nicht  allein  spure,  sonder  mit  der  Tat  ge- 
nugsam   befunden  und    noch    teglich  befinde,   so  gerede,    gelobe 
und    vorspreche    ich    bei    meinen    Ehren,    Treuen,    christlichen, 
riUcrmeüigen  Glauben  und  wahren  Worten,  daß  ich  in  gedachten 
allen  gewogenen    Puncten    und  sonsten    allentha.]ben  der  Gebur 
nach    meinen   praeceplori   willig  und   gehorsam  sein  und  wider 
in  mit  Worten  noch  Werken  im  geringsten  nicht  sperren  oder  auf- 
wcrfcn  [will].    So  will  ich  mich  in  keine  Hochzeiten,  convivia  oder 
Jndcre     collalioncs    ohne    Voi wissen    oder    Bewilligung    meines 
praeceptoris   nicht  begeben,    sonder  von  aller  Gemeinschaft  und 
Spazirengchen,    als    das   im   Sludiren  sehr   hinderlich,    abhalten, 
«tich  von  der  Stuben  ohne  sein  Furwissen   nicht  gehen,   so  wol 
tis  den   lectionibus    und    vom    Dische,    als    bald   der    magister 
aufstehen  wirt,  mit  im  oder  ohne  ime  auf  die  Stuben,  darinnen 
vir  wohnen,  furfuegen,   fleißig  zur  Kirchen,  zum  Sacrament  und 
^n     die  lectiones  gehen,  praecepta   arlium    und  doctrinae  coelestis 
*uswendig  lernen,   auch  teglich  stilum  exerciren  und  hierin  oben 
^ül    Im  Pall  aber  da  ich  im  geringesten  nachlessig  und  meine 
studia   nicht  vortsetzen    wurde,  wie  ich  kcgen  meinen  Vater  an- 

ArcMv  für  KtüUttochktitc.    V).  6 


gelobet  und  wie  sich  doch  ohne  das  geburet,  so  verpflichte  ich 
mich,  was  der  Valer  von  Kindesbein  auf  an  Golde  und  anders  (.. .], 
so  mein  Vater  und  Bruder  mit  wahren  klaren  Registern  berechnen 
können,  daß  dasselbe  an  meinem  väterlichen  patrimonio  soll  ab> 
gezogen  werden.  Ich  will  von  nun  an  vort  klare  Register  halten 
und  jederzeit  meinem  Vater,  so  oft  ers  begerel,  was  auf  mein 
Studium  gellet,  von  Heller  zu  Heller  gute  Rechnung  tuen.  Und 
so  ich  mein  Studium  vieißig,  wie  einem  Redlichen  gebuere^ 
unvorweislich  fortsetzen  werde,  so  hat  mir  der  Vater  aus  red- 
lichem Herzen  und  Liebe  zugesagt  in  Bei-  und  Anwesen  oben- 
benanlcn  meinen  lieben  Vettern,  alles,  was  ich  bisher  an  diese 
Zeit  zum  Teile  unnutze  und  furgebes  vorzehret  und  vorbrachl, 
will  und  soll  mein  Vater  und  Bruder  nicht  an  mein  veterliche 
Patrimonium  anrechnen,  besonder  aus  veterllcher  Liebe  schenken. 
Wo  ich  aber  über  alte  Zuvorsicht  in  Ungehorsam  und  Mutwillen 
vortfuhre  und  dieser  Furschreibunge  alles,  wie  obstehet,  nicht 
nachkommen  wurde,  so  soll  nicht  allein  mich  mein  veterliche 
Patrimonium  abgezogen  werden,  besondern  will  auch  meins 
Vätern  Strafen,  wie  recht,  gewertig  sein.  Und  ober  dicß  alles: 
So  ich  obgenantem  magistro  alles,  wie  obstehet,  nicht  folgen 
und  hallen  wurde,  so  sols  der  magister  Macht  haben,  vor  Zeit 
und  Stelle  Tischgeld  und  Stubenzinsen  abzuzahlen  und  das 
übrige  Geld  bei  gewisser  Botschaft  dem  Vater  das  Geld  {sie !) 
zuzuschicken  mit  klaren  Registern  und  guter  Rechenschaft,  wie 
der  magister  auch  zu  volnziehende  angenommen  und  zugesaget 
Dies  alles  stets  und  fest  unverbrochen  zu  halten,  haben 
wir  einander  mit  handgegebenen  Trewen  fursprochen  und  zuge- 
saget, alles  getrewlich  ohne  Geferde.  Und  zu  mehrer  Sicher- 
heit seind  drei  underscheidliche  Recesse  eineslaulende  aufge- 
richtet, die  wir  Otto  und  Claus  neben  unserm  Vettern  Carsten 
Boreken  und  dem  magistro  Christoffer  Schielen  mit  unserm  erb- 
lichen Pitschaft  besiegelt  Und  weil  ich  Messig  Borckc  noch 
kein  Siege!  habe,  habe  ich  solchs  zu  halten  mit  eigner  Hand  ge- 
schrieben und  underschrieben,  und  ist  einem  jedem  ein  Receß 
eineslautes  zugestellt.  Geschehen  zu  Labes,  den  Djngstag  nach 
Quasi modogeniti  anno  1577.     (1577,  April  16,) 


d 


Ein  Vettnfi  mit  einem  PrSzeptor  für  einen  jungen  Adeligen  (1577).   83 


Mag.  Christoph   Schiele  war  einer  von  den  Präzeptoren, 

die  den  jungen  Herzog  Kasimir  IX.  (geb.  155  7),    wie  es  in  der 

Lödienprcdigt  von   1605  heißt,   »zum  Studieren,   guten  Künsten 

und  fürstlichen  Tugenden  in  ernster   Disciplin   gehalten"  hatten. 

Der  junge  Fürst  wurde  bereits  am  26.  Oktober  1574  als  Bischof 

in  das  Stift  Kammin  eingeführt,  und  Schiele  scheint  bald  darauf 

seine  Stellung    aufgegeben    zu    haben.      Er    beabsichtigte    nun, 

fremde  Universitäten  zu  besuchen,  um  seine  Studien  fortzusetzen. 

Dies    erfuhr    Karsten   Borcke    und    beschloß,    ihm   seinen  Sohn 

Messtg,  mit  dem  er  schon  übele  Erfahrungen  gemacht  zu  haben 

scheint,   mitzugeben.     Deshalb   nahm   er  Schiele   in    sein    Haus 

und  lieB  ihn  dort   unterrichten.      Da   dieser  sich   durchaus    be- 

wikfte^  schloB   Karsten   mit   ihm  den  oben  mitgeteilten  Vertrag. 

Pitzeptor  und  Schüler  machten  sich  noch  in  demselben  Monate 

luf  die   Reise   nach    Leipzig.     Von   dort  gingen   sie  nach  Elasel 

und  dann  nach  Freiburg  I.  Br.     Hier   starb,    ein  Jahr  nach  der 

Abreise,   Magister  Schiele.     Messig   begab  sich    bald   darauf  auf 

die  Universität  Ingolstadt,  wo  er  ein  ausschweifendes   Leben  be- 

^n   und    erhebliche   Schulden    machte.      Über  die   Bezahlung 

dieser    geriet    Karsten    Borcke  später,    als    sein  Sohn    Ende  des 

Jahres    i580   in   die  Heimat  zurückkehrte,  mit   dem    Freiburger 

Qtstwirt  Hieronymus  Kierer  in  einen  langwierigen  Prozeß,  von 

dessen  Ausgang  wir  nichts  erfahren.     Messig  hat  auch  in  seinem 

»•eiteren  Leben   viel  Ärgernis  gegeben   und    ist,   wie  es  scheint, 

bald  nach    I60t    elend  aus  dem   Leben   geschieden.     G.  Seilos 

Mitteilungen  verdanken  wir  die  vorstehenden  Angaben. 


rfik 


Ein  Protest  gegen  Hexenverbrennung 


aus  der  Zeit  des  Dreißigjährigen  Krieges. 

Mitgeleiit  von  EDUARD  OTTO. 


4 


Der  Prolest  der  Herrschaft  Breuberg  (im  Odenwald)  g^en 
die  Verbrennung  von  Hexen  durch  die  Obrigkeit  der  Stadt 
Wörth  am  Main  scheint  mir  deshalb  mitteilenswert,  weil  die 
genannte  Herrschaft  sich  ausdrücklich  gegen  die  Unterstellung 
glaubt  verwahren  zu  müssen,  als  ob  sie  die  Verfolgung  von 
Hexen  nicht  als  berechtigt  und  notwendig  anerkenne,  andererseits 
aber  doch  die  Exekution  anderwärts  verurteilter  angeblicher 
Hexen  sehr  unangenehm  empfindet  und  um  jeden  Preis  ver- 
hindern will,  wodurch  sie  freilich  bei  den  Wörthcm  in  den 
Verdacht  gerät,  sie  wolle  ^die  Hexen  ledig  machen«.  Die  Ur- 
kunde würde  freilich  an  Interesse  noch  gewinnen,  wenn  sich 
feststellen  ließe,  ob  die  Herrschaft  Breuberg  auf  ihrem  Gebiete 
den  vermeintlichen  Hexen  gegenüber  eine  mildere  Rechtspraxis 
geübt  hat.  Übrigens  gibt  der  umständliche  Bericht  des  Notarius 
Georg  Schwarz  einen  so  deutlichen  Einblick  in  das  kleinstaalliche 
Regiment  und  Gerichtswesen  des  ZeitaUers  des  Dreißigjährigen 
Krieges,  daß  das  Schriftstück  schon  umdeswillen  für  die  Leser 
dieser  Zeitschrift  Interesse  hat. 

Der  Inhalt  der  in  meinem  Besitze  befindlichen  Pergament-_ 
Urkunde  ist  folgender: 

Instnimentum  protestatio nis 
Gemeiner  Herrschafft  Breuberg  gegen 
die  statt  Wörth  wegen  geschehener 
execution  auff  der  alten  Strahßen  Et- 
licher hexenweiber. 


Ein  Plotest  gegen  Hexenverbrennung  sus  der  Zeit  des  Dreißig].  Krieges.  85 

In  Gottes  Nahmen  Amen:    Köndl  vndt  zue  wießen  AUer- 
mennigken,  die  dieß  gegcnwertige  offen  Instrument  sehen  Selbsten, 
oder  durch  andere  höeren  Icßen,  daß  in  dem  Jahr  Christi  vnßers 
iidmi  hem  vndt  Seeligmachers  Sechßzehcn  hundert  Zwantzig  vndt 
Aclit,  gezehlt  in  der  Eylfften  Rhömer  Zinßzahl,  zue  Latein  tndictio 
geiundt,    bey  Regierung   vndt    herschung    des   AUerdurchieuch- 
ligslen,  Oroßmechtigslen  vndt  vnvberwindllchsten  Fuersten   vndt 
herren,  Herren  Ferdinandi  des  anderen  dieß  Nahmens,  crwöhlten 
Römischen    Kayßers,   zue    allen   Zeitten    Mehrer   des   Reichß,  in 
Qennanien,   zue    Hungern,   Böheimb,    Dalmatien,   Kroatien   vndt 
Sdivonicn  Königs,  Erzhertzogen  zue  Oesterreich,  Hertzogcn  zue 
Biirgund,   Steyer,  Kämdien,  Crain    vnd  Wuerttenbergk,   Qraffens 
zue  Tyrol,  vmßers  (!I  Allergnedigsten  herren,  Seiner  Mayiesledt 
Reichs,  des  Rhömischen  im  zehenden,  des  Hungarischen  im  Eylfften 
vnd  des  Böheimischen  im  zwöelfften  Jahr,  auff  Mittwochen  nach 
Afatthäj  tagte,  welcher  war   der  vier  vndt   zwantzigste  tagk  des 
Moaats  Scptembris,  vmb  zwey  vhr  nach  Miettage  vff  der  Oräff- 
lichen  Vhestung  Breubergk  Ich    offener   vnd   zue   endt  bemelter 
Notarius  vff  zuuhor   ordentliches   in   Schriefften   erfordern  vndt 
begehren    ahngelanget    bin,    aldar  das  ahn  mtdi   gesonnene  be- 
gehren zuuernehmen  vndt  anzuhören.    Alß  ich  mich  almgcmeldet, 
hat  der    Ehmvhest    vndt   hochgelährte    Herr   Oodefredt   Georg 
Cnno,  Beyder  Rechte  Doctor,  Gräfflicher   Löwensteinischer   Rath 
vadi   Ambtmann    des  ohrts,   mich    vor    sich   vii  seine  Schreib- 
stuhben  kommen    laßen,  darinnen    vor  sich    wegen   seiner  One- 
digen    Herrn    vndt    Qraffen    von    Löewenstein,     dan     auch    in 
Nahmen  des  Ehrnhafften  vndt  wohlvornehmen  Herrens  Nictauß 
Mohrens,     Gräfflichen     Erpachischen    Kelners     gemelten     ohrts, 
»tlcher    zugegen    stundt    wegen    dieß    Gnediger    herschaft   Er- 
pach,   mir    die    vff    Pappicr    verfaßte    vndt    wohlverauthorisirte 
nachfolgende  Protestation   schriefft   vbergeben    nitt  gewöhnlicher 
widt  gebüchrender   rcquisition    vndt   begehren,   solche  zu  trans- 
snmircn    vndt    dan     das    Transsumpt     folgenden    Donncrslagk, 
den    Fucnff    vndt    zwantzigsten    tagk    Hujus,    in    Persöhnlicher 
Oegenwardt  deren  hierzue  sonderlich  erbettenen  glaubwuerdigen 
Oezeugen   (hiernach  benandt)  Herrn   Khelner,  Schultheißen  vndt 
Gericht  zue  Wörth    vff  dem  Rathhauße  oder  sonsten  gewöhn- 


{ 


liehen  ohrtt,  wie  sich  von  Rechts  vndt  gewohnheit  wegen  ge- 
buehret,  zue  insinuiren  vndt  deren  Andtwortt,  oder  waß  sonsten 
darbcy  vorlauffen  wurdt,  vleißigk  ad  notam  zue  nehmen  vndt 
vff  erfordern  Ein  oder  mehr  Instnimenta  vmb  die  Oebuehr 
darueber  zu  iierferligen.  Lautlet  demnach  die  mir  vberreichte 
Proteslation  schriefft  von  wortl  zue  wortten  wie  folget! : 

Obwohl  man  Breubergischen  theileß  negst  verschieb nenen 
*/i*  Septembris  dießes  laufenden  1628  Jahreß  in  hoffnunge  ge- 
standen, Es  wuerden  Herr  Heinrich  Frantz,  Cronbergischer  Khelnrr, 
HannO  Lang,  Schultheiß,  vndt  ein  gantz  Erbar  Gericht  zue  Wörth 
vff  vnßer  Beaniplten  freundl  Nachparliches  erinnern  vndt  wäeder- 
sprechen  die  Execution  vber  der  Alten  Straahßen  mit  den  zwey 
Hexenweibern  eingestelll  vndt  anderßwo,  do  sie  deßen  befugt, 
dieselbe  verrichten  laßen,  So  ist  aber  solches  wieder  Zunereicht  nicht 
allein  nicht  in  Acht  genommen,  in  ihrem  vnfügk  forthgefahren  vndt 
vff  der  Herrschafft  Breuhergk  vnzweyfflicher  hoher  Cenlhbahrer 
ObrigkeiJt  ahngeregte  weiber  verbrennen  laßen,  Sondern  auch, 
wie  wir  Beambtte  berichtetj  sollen  dießer  läge  wiederumb  drey 
weiber  ahn  gcmclltem  ohrtt  vber  der  Aitten  Straahßen  wegen 
Hexerey  justificirt  werden,  vndt  vermuhthlich  ins  Khuenfftig  noch 
mehr  dergleichen  actus  exercirt  vndtfflrgenommen  werden  möchten, 
alß  wollen  wir  hiermit  wieder  solches  vnrechtmeßig  beginnen 
letzt  alß  dan  vndt  dan  alß  ietzt  in  solemnissima  forma  proicstirt 
vndt,  so  offl  sich  dergleichen  Fäll  zutragen  werden,  ieder  zeitt 
dieße  unßerc  Protestation  repetirt  vndt  wiederhole!  vndt  vnßerer 
O.  On.  herrschafft  an  dero  vhrallten  wohlhergebrachten  Rechten 
das  geringste  nicht  begeben,  Sondern  vklmehr  per  Expressum 
alle  Rechtliche  Notturfft  vorbehallten  haben.  Ist  demnach  ahn 
euch,  herm  Nolari^  vnßer  im  Nahmen  hoch  wohl  gedachter  vnßerer 
O.  Gn.  herrschafft  begehren,  daß  ihr  wieder  solch  Aigenwielliges, 
wiederrechlliches  procedere  bester  Fornib  Rechtens  vff  das  Aller- 
ziehrlichst  obgeniclter  maßen  wollet  protestiren,  dieöe  Schriefft 
transsumiren  vndt  das  Transsumpt  abgedachten  Khelner,  Schult- 
heißen vndt  Gericht!  gebuehrlich  insinuiren  vndt  deren  Andtwortt 
vleißigk  ad  nolam  nehmen  vndt  vff  erfordern  Ein  oder  mehr 
Instrumenta  vmb  die  gebuehr  verferttigcn.  Hierahn  verrichtet 
ihr,  waß  euer  Notariat  Ambtt  ausweißet     Datum  Breuhergk  den 


Ea  Protest  gegen  Hexen  Verbrennung  aus  der  Zeit  des  Dreißigj.  Krieees.  S7 

liSeptembris  Ao.  t628.  Beambtte  doßetbst.  Oodefr.Qeorg  Cuno, 
Nioobuß  Mohr. 

Weil  ich  nuhn,  nachgeschriebener  Notariiis,  tragenden  Ambtts 
bher  hierin  veruielligen  sollen,  So  hab   ich   mich   sambt   eben 
ladengemelten  Gezeiigen  vndt  mit  dem  Schultheißen  von  Stein- 
miuiwi,   Hannß   Hengel,   genandl  Donnerstags    morgens    fruehe 
niher  beruehrtem  Wörth  verfuegt,    doselbstcn    zwieschen   Sechß 
vndt  Sieben  vhrcn  vor  Miettage  ahngelanget  vndt  vorgcdachlen 
kam  Khelners,  Schultheißen   vndt  Gerichtts  vnderm  Rathhauße, 
AUar  das  Gericht  gehalten  worden,  erwarttel,  bis  endilichen  der 
Kbdner    vorgedacht   (Als   schon    ein    mechtiger  Umbstandl  bey 
douider  versamblet  gewesen)  nach  Acht  vhren  das  Oerichl  zue 
besitzen    kommen    vndt   im    eingehen  [mich    hefftigk  angesehen, 
grstracks  vnderm  Rathhaufie  vnder  den  Umbstand  zum  Gerichts- 
tiesch,  so  mit  einem  gmehnen  wuellen  Teppich   belegt  gewesen, 
zugegangen    vndt    nicht,    wie    zuvhor    beschehen,    die    Trepffen 
binauff  zum  Schultheißen  vndt  Schöepffen  vff  das  kleine  judicir 
Stuehblein  gewandert;  hat  den  Kraihß  oder  Ringk,  wie   man   es 
rennt,  mit  langen  Spiehßen  oder  l^iecken  schließen  laßen  mit  dem 
Stadt  Knecht  vndt  Anderen  Buei^em,  so  in  der  Ruestunge  ge- 
standen, heimblich,  daß  ichs  nicht  gehörett,  geredt,    Nach  dießem 
durch  den  Stadt  Knecht  herm  Schultheißen  vndt  Schöepffen  von 
oben  hernieder  fordern    vndt   bey    den    tiesch   sich   niedersetzen 
laßen,  Aldar  hin  sich  der  Khelner  auch  gesetzelf.     Ich,  Notarius, 
in  Beyseyn  der  hiernachbemelten  Gezeugen  durch  den  Stadtknecht 
mich  ahnmelden  laßen,  wollt  gebeten  haben,    mir   vor  heegunge 
des  Gerichtts  audientz  zue  geben,  hette  ein  etwas  vorzuebringen. 
Khelner  mich  fragen    laßen,    vor   weßwegen    es    den    geschehen 
solle?     Ob  ichs  vor  mich  setbsten  thuen  oder  in  Nahmen  Anderer 
verrichten  wolle?    Ich  hinwiedenimb;  Wolle  es  von  wegen  meiner 
0.  Gn.  herrschafft  Breubergk  alß  ein  offener  Notarius  verrichten. 
Hierauff  der  Khelner  auf f gestanden,  zue  mir  zugehendt  gesagtt. 
das  Rathhauß  sey  seiner  herm  NTid  das  Gericht  seiner  Gnedigen 
herrv:hafft     Man  gestehe  der  herrschaft  Breubergk  Nichts;  hette 
ich  etwas  zu  praetendiren,  sollt  ichs  draußen   nach   gehaltenem 
Gericht  vff  der  MahtstadI  thuen  vndt  mich  nuhr  zue  verhuettunge 
Scfaiempffe  hinwegk  packen,  Man  solle  mich  alhier  nicht  höeren. 


Ich  zur  Anttwordt  geben:  Ich  wehre  vors  Oerichtt  vndt  nicht  vff  den 
ExecuHons  platz  beschieden,  wollte  mein  Ambtt  verrichten.     Hier- 
mit das  Transsumpi  herfuergezogen  vndt  dem  Keiner  dargereicht 
cum  Protestatione  et  contradictione  wieder  den  Actum,  daß  solcher 
vber  der  AlUen  Straahßen  vff  der  herrschafft  Breubergk  vnzwey(f- 
licher    hoher    Centhbarer    Obrigkeit   wiederumb,    wie    verlauttet 
werde,  wieder  dero  B  reu  bergischen   Beampiten   hievoriges    Con- 
tradtdren,  so  wenigk  in  Achlt  genommen  worden,  ahnietzo  solle 
vorgehen   vndt  mit  der  justjfication  ietziger  dreyer  hexenweibcr 
effectuirel  werden.      Es   hats  aber  obengedachter   Khelner    nicht 
wollen  gutwielligk  ahnnehmen.    Undt  alß  Jn  Gemein  im  gantzen 
ümbstandt,  wie  ich  Selbsten  gehört,  geredt  worden:  O  der  will  die 
Hexen  gerne  ledigk  machen,  hab  ich  zum  Khelner  gesagt:  Meine 
G.  Gn,  herrschafft  Breubergk  ist  nicht  gemeinel,  das  Hexenwcßen, 
daß  die  21äuberer  oder  Zauberin  nicht  sollen  verbrannt  werden,  zu 
hintertreiben,  Sondern  Sie  laßen  gnedigklich  dagegen  protestiren, 
daß  die  Justification  vff  ihrer  G.   On.  ohnstreit bahrer   Obrigkeit 
geschehe  vndt  vorgenommen  werde;  wan  solche  vff  Wörthischen^ 
grund  vndt  Bodem  beschehe,  wehre  man   wohl   zufrieden:   Nuhn 
aber  deme  zue  wieder  gelebt  werde,  thätte  man  dargegen  prote- 
stiren vndt  es  in  solemnissima  forma  wiedersprechen.     Khelner: 
Ich   hette  meinen  Bescheydt,   solle  mich    nuhr  zue   verhuettunge 
Schiempffs  von  dannen  packen,  die  Buergere  hellen  schon  albereits 
Beuhelch  vndt  wueßten,  waß  sie  thuen  solten;  Hettc  oder  wueßte 
Ich    aber   ein    eigenes  Exempell,    daß   vor   Hundertt  Jahren  ein 
solcher  Casus  ahn  gemeltem  ohrt  wehre  hintertrieben  oder  ahn- 
gefochten  worden,  wolle    er    es    höeren,    ietzo    nicht;    Ich  höere 
wohl,  daß  ich  mich  von  dannen  machen  soll.     Ich  in  praesentta 
omnium  astantium  zur  Andlwortt  geben:  Wir  Bcyde  seyen  noch 
wohl  kauhmb  Hundert  jähr  attl,  wo  er,  Khelner,  mit  dießer  StadI 
herkäehme,  das  nehme  mich  wunder,  daß  er  so  ohnverschähmbdt 
vffgezogen  komme.     Khelner  den  Buergem,  so  in  der  Ruestunge 
gestanden,  zugesprochen:    Sie    wueßten,    waß    sie    thuen   soltten. 
Sollten  zugreiffen.     Ich  dagegen:  wolle  gebetten  haben,  Schierapff 
vor  zu  seyn,  wolle  mein  Ambt  verrichten;  Alßo  nochmals  semel 
pro  semper  contra  ipsum  Actum  protestirt  vndt  die  Zeugen  ahn- 
gemahnet, Alleß  vleißigk  ad  noiam  zue  nehmen.     Der  Khelner: 


4 


Gl  ftolest  cegen  Hexen verbminung  aus  der  Zeit  des  Dreißig]'.  Krieges.  59 


[a  wohl  ad  notam,  ad  notam!     Packet  euch  khurtz  von  dannen, 
oder  aber  es  wirdt  nicht  gut  werden!     Ich;  das  Rathhauß  stehe 
mir  sowohl  offen  Alß  auch  einem  Andern.     Hiennit  nicht  aüeine 
der  Stadtknecht,    Sondern    auch    die    Buergere    mich    Abziehen 
fccfficn,  muestcn  sonsten  thuen,  waß   mir   nicht   lieb   vndt   ihnen 
leydl  Mthre.     Also   ich   abgezogen.     Des    Andern    tags    hab  ich 
dem  Khelner,  Schultheißen  vndt  Gericht  naher  Wörth  geschrieben, 
ifcien    das    Transsunipt    vndt    schriefftliche    Protestation    zuge- 
schickt  vndt    darinnen    vermeldet,  weiln   die   Sach   lis   pendens, 
daS  vamötg  aller  Rechten  die  Sachen  nicht  ab  Executione  ahn- 
griangen,  Sondern  bieß  2ue  erörtterung  daran  eingehaltten  vndt 
köiie  Neuerliche  thättlichkeit  vorgenommen  werden  solle:  Ist  mir 
aber   keine    Andtwortt    ertheillet    worden.     Geschehen    Im   Jahr, 
Indiction,    Khayßerl icher    Regierung,    Monatt,    tagk,   Stundt  vndt 
ohrti  zuc  Ahnfangk  gemeldet,  in  Persöhnlicher  Gegen  wert  tigkeit  der 
EhrBamen  vndtwohlvomehroen  herrn  HannßPhieibertsvndtHanßen 
Grawlichs,  beyder  Bucrger  zu  NewsLidt  vnder  Breubergk  gelegen, 
Alfl  hierzu  Insonderheit  beruffcner  vndt  erbettener  Gezeugen. 

Vndt  dieweit  ich,  Georg  Schwarlz,  von  Hombergk  ahn  der 
Ohm  buerttigk,  Fuerstlicher  heßischer  Jurisdiction  vnderwörffigk, 
luB  Rhömischer  Kayßerlicher  Mayiestedt  ein  offenbahrer  ge- 
schwohrener  Notarius,  ietzo  Sladtsch reiber  zue  Vmbstadt,  bey 
alten  Diengen,  so  hie  oben  erzehlet  seindt,  neben  den  vor- 
gedachten Gezeugen  Selbsten  Persöehnlich  geweßen,  solches  Alleß 
abo  ergangen  scyn  gesehen,  gehöerlt  vndt  theitß  selbsten  ver- 
richlel:  So  hab  ich  hierüber  dicß  offen  Instrument  auffgerichtet, 
solches  mit  meinem  gewöehniichen  Notarialzeichen  signirl,  auch 
mit  meinem  Tauff  vndt  Zunahmen  vndersclirieben,  hierzue 
sonderlich  beruffen,  erfordert  vnd  erbetten. 

Georg  Schwarz  auß  Rhöem.  Khayß.  Maytt.  ein  offenbah- 
rer geschwohrener  Notarius. 


Etwas  von  der  Einquartierung  Erfurts^ 

im  letzten  Jahre  des  Siebenjährigen  Krieges. 

Von  GUSTAV  SOMMERFELDT. 


Unter  wichtigen  Kriegsakten  des  Jahres  f762  findet  sich 
im  Stadtarchiv  zu  Erfurt,  Signatur  XI  A,  Nr.  20,  Vol.  M,  Blatt  69  -  70 
folgendes  humoristische,  für  die  Landessitten  jener  Zeit  äußerst 
bezeichnende  Schreiben  eingestreut,  das  ein  Dr.  med.  der  Stadt 
Erfurt,  der  sich  mit  den  Buchstaben  D.  G.  M.  nur  unterzeichnet 
hat,  an  einen  Beamten  höherer  Stellung,  der  seiner  näheren  Be- 
kanntschaft angehörte,  über  Vorgänge  bei  der  zur  Relchsarmee 
gehörigen  Besatzung  Erfurts  gerichtet  hat.  Als  Adressat  scheint 
der  Erfurtische  Kamnierrat  Johann  Michael  Franz  Spoenla  gemeint 
zu  sein,  der  sich  1762  zeitweilig  außerhalb  Erfurts  befand.  Bei 
einigen  Berichten  ähnlicher  Art  in  dem  Aktenstück  ist  freilich 
der  Geheime  Kammerrat  von  Lyncker  genannt^  der  sich  um  jene 
Zeit  in  Gotha  aufhielt. 

»Wohfgebohrner  Herr  Raht^  ohnschätzbahrcr  liebster  Hm 
Vetter!  Das  gütige  Angedenken,  welches  Ewer  Wohlgebohren  gegen 
mich  zu  hegen  geruhet,  präget  meiner  ergebensten  Dankbahrkeit 
jedesmahlen  neue  Merkmahle  ein,  dem  [d.  h.  den]  Himmel  auf  der 
Welt  bey  Deroselben  viel  länger  als  Adam  die  Freude  des  Para- 
diesus  genossen  zu  haben,  xind  gleichwohl  mit  diesen  merklichen 
Unterschiedt,  daß  diesen  der  Brenntwein  gemangelt  hat  Ich 
denke  lausendmahl  meines  bey  Ewer  Wohlgebohren  genossenen 
Glücks  und  wünsche  davor  meinem  lieben  Herren  Vettern  ein 
langes  Leben  und  eine  niemahls  zu  verwüstende  Gesundtheit. 
Die  Well  hal  ohnlängsl  einen  Nimmemüchtem  verlohren,  dessen 
fatales    Ende    anbefohlener    massen  etwas  authentisch   bemerken 


A 


Etwas  von  der  Einquartierung  Erfurts  im  Siebenjährigen  Kriege.    91 

werde.  Dem  Sontag  vor  seinem  Unglückslage  hatte  sich  der  Herr 
Baron  von  Werther')  toll  und   voll  gesoffen,    und  brachte  dem- 
selbigen  Abendt  Nachtständtchen  bey  seinen  Schönen,  welche  einem 
[d.  h.  einen]  Schweinspeltz  verehren  konten.   Mierbey  war  er  so  eil- 
fertig, daß   er  entweder  berauscht  oder  aber  vor  überflüssiger 
Freude  in  die  Qehra  stürtzte,  ein  Unfall,  den   besoffene   Leuthe 
allcmahl  ausgesetzt  (experientia  docet).  —  Jedoch  seinen  CoIIegen 
ni  zeigen,  daß  ihme  diese  Kühlung  nicht  befrembde,  so   tappte 
derselbe  in  diesen  nassen,  mit  Nachtslühlen  und  Privetten  ange- 
füilrien  Element  eine  geraume    Zeit   hentm.     Solchergestalt  war 
diese  Lust  beschlossen,  und  der  Herr  ging  mit  seinem,  sit  venia, 
vDiedc'   nach  Hause.     Der  folgende  Montag  war  prädestiniret, 
diejenige  in  Ordnung  zu  setzen,  was  Tags  vorher  confns  hieße. 
Hierzu  wurde  Gasthof  Schleendorn,  als   der  ordinaire   Tummel- 
platz ausersehen,  gegessen,  getrunken,  gespiehlet  und  Judas  Ischariot 
verdollmetscbet.     Der    Major    von    Mejers    war    auch    daselbst. 
Werther    hatte    diesen    sowohl,    als    dem    Major    von    Eberstein 
ofhermahln    railUret:    ,Du,   Olasenapp')    komt    und   will    Dich 
bohlen'!    welches    diesen    beiden    Kriegsknechlen  sehr   empfind- 
üch  gefallen.")     Mithin    als   der   von    Mejers    3   Reichsthaler  bey 
dem   Spiehle   an    Werther   verlohren^    letzterer   dem    Mejers    mit 
dem  Glasenapp   zu  vexiren    nicht  nachgelassen,    ist  endlich   ein 
lollkommener  kleiner  Krieg  zwischen    beyden   entstanden,    also 
daß    die    Chartenkönige    mit    ihren     Unterthanen     abandoniret 
txjrden.      Werther,    welcher   mit    seinem    fixen    Maulwerk    das 
Stillschweigen  erwählet,  stehet  unten    in   der  Stube  am   Fenster, 
wekbes    auf    dem    Hof  gehet,    und  sein  Bruder  Alexander  von 
Werthw    stehet     vor    ihm,    in    währender    Zeit     Mejers     dem 
Degfn     ziehet    und    zwischen     des    Alexanders     Armen     durch 


•)  Dfe  Fimilie,  inf  Mhlicichfn  Oütmi  der  Gegend  bd  Erfurt  und  SÖmmerda 
•iiaeBeB,  hol  %pAiet  der  ptnflischnt  Ainiee  viele  Offiziere  gntelli.  Heute  nennen  lieh 
fcAücMnem  dmcr  Familie  voti  Wrnhem. 

t)  Major  V.  Olascnipp.  BrfrblKbal>cr  rines  uus  etva  300  Husaren  und  Dragonern  bc- 
Mcadoi  Korpf.  wmr  tm  8.  September  UM  in  Erfurt  crMhienen  um)  halle  starke 
üMribMioi»  erhoben.  K.  Beyer.  Neue  Chronik  von  Erfurt,  t756-iaii.  Jirfurt 
W».  S.  lOS-tlM.  -  Ende  Nov«iiber  1T6!  lag  v.  Olatenipp  am  Johannislor  bei  Erftir*. 
ta  OfedteWihhabcr  der  preufllKhen  SlreltkiäUe  In  VoiderthürinKen,  Generali cutnanl  Kttl 
(MM^  Onf  von  SchmcEUD  rückte  mil  dem  Ora«  im  Dexeinber  1762  dann  in  Erfurt  ein. 

^  Wohl    «til   von   Wcrthcn   und   von   Eberjleli»  in  Thfirineen  belegene  OdUr 

gqiländcn  woi. 


dem  Werther  mil  einer  Schilffklinge  eine  Handt  breit  neben 
dem  Nabel  hinein  und  durch  die  Seiten  im  Rücken  wieder 
heraus  sticht,  wovon  Werther  zwar  nicht  gefühlet;  ^)  -  über 
ein  wenig  aber  greift  Werther  nach  dem  Rücken,  und  wie  der- 
selbe mit  der  Handt  wieder  vorkomt,  spricht  sein  Bruder  zu 
ihm,  er  habe  ja  Blut  an  der  Handt,  ob  er  etwa  an  der  Handt 
blessiret  worden  sey^  da  denn  allererst  der  Stich  ecclatent  wird. 
Mejers  bittet  also  dem  Werther  um  Verzeihung,  hertzet  und 
küsset  demselben,  verbürget  sich  und  gehet  zum  Tempel  hinaus. 
Werther  inzwischen  wird  soforth  in  einer  Portochaisen  nach  Haus 
geschleppt  und  verbunden,  da  denn  die  Wunde  kein  Blüht  von 
sich  gelassen,  das  Geblüht  alles  inwendig  unterloffen,  und  der- 
selbe Dienstag  darauf  Abendts  gegen  5  Uhr,  ohne  einem  Prister 
zu  sprechen,  in  die  Elisäische  Felder  abmarchiret  ist,  bey  dessen 
Eröffnung  der  Stich  durch  das  Netz  und  kleine  Gedärme  be- 
funden worden.  Mejers  ist  des  andern  Tages  früh  gegen  S  Uhr 
auf  und  davon  nach  Saalfeld  geritten;  wo  er  sidi  dermahlen 
aufhält,  ist  unbekandt  -  sie  transit  gloria  mundi,  sie  finis  coronat 
opus.  —  Der  Entleibte  lAiirde  in  seiner  Uniform  in  dem  Sarg 
geleget  und  nach  Frohndorff  int  Rüstwagen  geführet,  woselbst 
der  Pachter  bey  dessen  Ankunft  flüchten  wollen,  weil  er  von 
dem  Tode  seines  Herrn  nicht  gewußt  und  geglaubt  hat,  er  be- 
komme Preußische  Einquartierung.  Die  Frau  von  Werther,  dessen 
Mama,  bejammert  diesen  Unglücksfall  unter  Millionen  Thräncn- 
güssen,  und  dieses  ist  es  aUes,  was  sie  demselben  nachschicken 
kann.  Am  letztabgewichenen  Sontag  kalimen  diejenigen  Effecten 
wieder  zurück,  welche  Qlasenapp  dem  Major  von  Eberstein  ab- 
genommen hatte.  Heute  Nacht  um  12  Uhr  ist  der  tapffere 
Lieutenant  Schill*)  mit  300  Mann  der  Stadt  vorbey  entweder 
auf  Langensaltz  oder  Weißensee  marchiret,  wo  er  entweder  was 
aufheben  will  oder  aufgehoben  werden  wird.  —  In  Hessen  findet 
man  allenthalben  Pfähle  mit  der  denkwürdigen  Inscription  ,Hüte 
Dich  vor  Schaden'.  Von  dem  angeschienenen  Frieden  verschwindet 
fast  die  Hoffnung;  Havanna  macht  einen  großen  Querstrich,  die 

')  Die  Phanluic  des  Meditinm  beginnt  hier  enichtllch   In  slirkerer  Wcüc  am- 
ladivcifcn. 

>)  Ebenfaltfi  von  der  Reichsannce. 


Etwas  von  der  Dnqtiartierung  Erfurts  im  Siebeniährieeii  Kriege.    93 


Engelländer  passen  auf  noch  mehr  dergleichen  fette  Wachteln. 
Dei  auf  eine  lächerliche  Art  bekannt  gewordene  Schwedenkönig 
»tndet  seine  Zeit  viel  besser  an,  indem  er  der  Ruhe  genießet.*) 
Soeben  kommt  die  Nachricht,  daß  der  tapffere  Lieutenant  Schill 
in  Walschleben  1 0  Preußische  Husahren  aufgehoben  habe.  Gott 
segne  unsere  Bergwerke,  ist  viel  gescheiter.  So  ferne  a!s  der 
hjcßigc  Mechanicus  Fischer  nicht  bald  die  Arbeit  der  Sonnen- 
uhr« anfängt,  werde  ohne  Anstandt  das  Original  remiltiren.  An 
Dero  Herrn  Bruder  ergehet  mein  ergebenst  Compliment,  und  ich 
hibe  die  Ehre,  Dero  ferneren  Wohlwollen  mich  bestens  zu 
empfehlen,  beharrendt  Ewer  Wohlgebohren,  meines  sehr  wehrten 
und  ohnschätzbahren  Herrn  Velterj  verbunderster  D.  O.  M.,  Doctor. 
—  Den  4.  November  1762". 


■)  InfolfEC  dn  am  33.  Mai  Mit  gochtosscnen  defiiilUvra  Frieden  zvhchen  Schweden 
od  PmtBen;  Harairaa  hallen  die  EngUndrT  iitilCT  0«ieni1  Albcmorlc  am  1).  ^ugnsl  176t 


Zur  Legende  von  der  Jagd  des  Einhorns. 

Von  FRANZ  KUNTZE      " 


I 


Bald  nach  der  Publikation  meines  im  3.  Heft  des  fünften 
Bandes  dieser  Zeitschrifl  erschienenen  Aufsatzes:  »Die  Jagd  des 
Einhorns  in  Wort  und  Bild"  hatte  Herr  Archivrat  Dr.  Albert  in 
Freiburg  die  Freundlichkeit,  mich  darauf  aufmerksam  zu  machen, 
daß  er  schon  im  Jahre  1898  im  25.  Jahrgang  des  Schauinsland 
über  das  gleiche  Thema  gehandelt  hat.  Ich  erkannte  nach  Ein- 
sicht des  Aufsatzes  sofort,  daß  hier  wichtiges,  mir  nicht  bekannt 
gewordenes  Material  veröffentlicht  ist,  und  erlaube  mir  daher, 
auf  Grund  desselben  einen  kurzen  Nachtrag  zu  meinen  Aus- 
führungen zu  geben.  Vor  allem,  weil  meine  erstmalige  Darstel- 
lung den  Eindruck  hervorrufen  könnte^  als  ob  die  bildh'chen 
Darstellungen  der  Einhornjagd  vorzugsweise  in  Mitteldeutschland 
heimisch  wären  und  der  Süden  weniger  daran  beteiligt  sei. 
Aber  aus  Alberts  Publikation  ergibt  sich,  daß  Süddeutschland 
ein  viel  größeres  Kontingent  hierher  gehöriger  Bildwerke  stelll, 
als  ich  bisher  angenommen  habe. 

Ein  hochinteressantes  Denkmal  ist  eine  Schnitzerei  am 
ChorgestQhl  des  Doms  zu  Konstanz,  die  im  letzten  Viertel  des 
15.  Jahrhunderts  von  Nikolaus  Lerch  angefertigt  ist.  Inmitten 
eines  dichten  Blatt-  und  Rankengewebes  sieht  man  den  Ober- 
körper der  Jungfrau,  ganz  von  den  aufgelöst  herab  wallenden 
Haaren  verhüllt  --  ob  sie  als  Waldfrau  gedacht  ist,  wie  Albert 
meint,  lasse  ich  dahingestellt  sein  —,  und  vor  ihr  das  Einhorn 
stehend.  Auf  der  entgegengesetzten  Wange  des  Gestühls  is^ 
wie  Albert  sagt,  der  Jäger  dargestellt  «als  Waldmensch"  mit  drd 
Hunden.  Es  ist  aber  eigentlich  wohl  nicht  der  Jäger  gemeint,  der 
das  Wild  mit  den  Hunden  hetzt  -  dem  widerspricht  schon  die 
ruhige  Haltung    des    Einhorns    - ,   sondern    der   Fänger.     Also  _ 


*iir  LfgCTide  von  der  Jagd  des  Einhorns. 


95 


äix  Profandaretellung  frei  nach  der  späteren  Physiologuslegende, 
wobei  allerdings  eine  Eigenheit  darin  liegt,  daß  der  Jäger  von 
drei  Hunden  begleitet  ist,  was  sonst  auf  Bildwerken  dieses  Typus 
oichl  vorkommt  und  wohl  aus  den  Darstellungen  der  himm- 
üsdien  Jagd  entlehnt  ist  Dann  folgen  einige  Darstellungen  der 
himmlischen  Jagd.  Auf  dem  Stadtwappen  der  Stadt  Meersburg')  ist 
eine  solche  auf  dem  obem  zu  diesem  Zweck  ausgesparten  Rande. 
Der  Jäger  stößt  Ins  Hörn,  die  Lanze  fehlt.  In  den  Ecken  des  Bildes 
erblickt  man  vier  Frauengestalten,  die  durch  Inschriften  als 
Justitia,  Caritas,  Fides  und  Spcs  bezeichnet  sind,  und  Albert  ver- 
skfaertt  daB  dies  auch  die  Namen  der  vier  Hunde  sind.  Wenn 
dts  richtig  ist  -  und  es  wird  wohl  so  sein  - ,  haben  wir 
mederum  einen  Beleg  für  den  Typus  der  Dreizahl  Caritas, 
Rdes,  Spes,  die  dann  nur  durch  die  aus  der  anderen  üruppe 
ftunmende  Justitia  verstärkt  wäre.  Eine  ähnliche,  höchst  an- 
mutige Szene  befindet  sich  auf  einem  Hans  Holbein  dem 
Jängcren  zugeschriebenen  Glasgemälde,  das  jetzt  im  Besitz  des 
Freihcrm  Hcyl  zu  Hermsheim  in  Worms  ist.  In  der  Mitte 
steht  Maria  mit  der  Krone  auf  dem  lang  herabwallenden, 
lodit  gekräuselten  Haar,  das  Szepter  in  der  Linken^  das  Christ- 
tindchen  in  der  Rechten  haltend.  Oben  im  Spitzbogen  ober 
der  durch  Baumzweige,  die  in  einen  BlütenstrauB  verlaufen,  ge- 
bildeten Umrahmung  des  Hauptbildes  sieht  man  links  die 
fangfrau  mit  dem  Einhorn,  rechts  von  dem  BlütenstrauB  auf  den 
Knien  den  blasenden  Engel,  und  vor  ihm,  zum  Teil  noch  ver- 
deckt von  ihm,  zwei  Hunde,  während  er  die  beiden  anderen  an 
einer  Leine  hinter  sich  herzichL 

Zwei  andere  Bildwerke  befinden  sich  in  Kolmar:  eine 
Khöne  Miniatur  in  einem  Brevier  des  Dominikanerklosters  aus 
der  ziNveiten  Hälfte  des  15.  Jahrhunderts  -  links  die  be- 
iciinzle  Gottesmutter,  dann  das  Einhorn,  die  vier  Hunde  mit 
Spruchbändern,  der  geflügelte,  ins  Hom  stoßende  Engel,  das 
Qntze  durchwirkt  von  einem  stilisierten  Ranken-  und  ßtütenge- 
»ebe,  wohl  der  Andeutung  des  hortus  conctusus  -  und  ein 
fr&6eres   Gemälde    auf    der    Rückseite  der  sogenannten    Schon- 


■>  Aal  den  Rxlhuse  dct  Slailt,  aneHertigt  von  Tobiu  SttmintT  im  Jahre  I5SI. 


gauerschen  Passion  im  Museum  zu  Unterlinden.  Hier  ist 
auf  der  Oberlahnstciner  Stickerei  der  hortus  condusus  umgeben 
von  einer  kreisförmigen,  zinnengekrönten  Mauer.  Im  übrigen  ge- 
hört das  Bild  dem  Typus  an,  den  wir  auf  den  dekorativen  Ge- 
mälden dieser  Gattung  gewöhnlich  finden:  da  ist  der  Engel  mit 
Hom,  Spieß  und  Leilseil,  an  dem  er  die  Meute  führt,  das 
springende  Einhorn,  die  Jungfrau,  dazu  über  das  Bild  verteilt 
eine  Anzahl  der  üblichen  Embleme  und  Spruchbänder. 

Andere  Denkmäler  dieses  Typus,  die  Skulptur  auf  einem 
Altarschrein  in  Klagenfurt,  ein  Altarbild  in  der  Deutschordens- 
kirche  zu  Friesach  in  Kärnten,  zwei  Stickereien,  die  eine  im 
Privatbesitz  der  Familie  Tobler  in  Stuttgart,  die  andere  ein  Vor- 
hang, der,  aus  dem  weltberühmten  Kloster  auf  dem  Odilienbei^ge 
stammend,  jetzt  der  gräflich  Uexkult-Oyllenbandschen  Familie  in 
Kannstatt  gehört,  endlich  das  bei  Niederlegung  einer  Kirche  ge- 
fundene Bruchstück  eines  Wandgemäldes  im  Museum  zu  MühU 
hausen  im  Elsaß,  nenne  ich  nur,  um  gleich  zu  dem  Interessan- 
testen zu  kommen,  was  die  Abhandlung  von  Alberl  bietet, 
nämhcli  zu  der  Abbildung  und  Besprechung  einer  Skulptur,  die 
sich  am  Erker  des  alten  UniversitStsgebäudes,  jetzigen  Rathauses, 
zu  Freiburg  im  Breisgau,  befindet.  Das  Haus,  ehemals  »-zum 
Rechen"  genannt,  ist  erbaut  von  dem  Dr.  med.  Joachim  Schiller,  und 
der  Bau  wurde  begonnen  im  Jahre  1539.  Diese  Zahl  nennt  dernoch 
erhaltene  Baustein^  der  zugleich  den  Namen  des  Bauherrn  angibt 
und  rechts  von  der  Inschrift  das  Familienwappen  trägt,  welches  in 
seiner  Vierung,  und  zwar  im  ersten  und  vierten  Felde  den  Oberkörper 
eines  Einhorns,  im  zweiten  und  dritten  je  zwei  Pfeilspilzen  zeigt 
Man  sieht  hieraus,  woher  Schiltcrs  Adelswappen  stammt,  er  wird 
es  von  seinen  Vorfahren  als  altes  Familienerbe  übernommen 
und  erneuert  haben.  Die  Idee  und  die  Ausführung  des  Bild- 
werks aber,  das  aus  dem  Jahre  1543  stammt,  ist  so  eigenartig, 
daß  es  nirgends  seinesgleichen  findet.  Im  modischen  Zeit- 
koslQm  mit  weiten  Puffärmeln  und  Kopfschmuck  sitzt  die  reich- 
gekleidete Jungfrau  auf  bequemen  Polsterkissen,  während  das 
F-inhorn  in  einiger  Entfernung  auf  sie  zuspringt.  Der  blasende 
Engel  aber  ist  ähnlich  wie  auf  dem  Jenenser  Evangelistarium 
ersetzt  durch  einen    auf  der  rechten  Seite  des  Erkers  angebrachten 


Zur  L^mde  von  der  Jigd  des  Clnhoms.  97 


geflügelten  Genius,  einen  feisten,  dickbäuchigen  JunRcn,  der 
nicht  drei  oder  vier,  sondern  nur  einen  nach  Art  einer  Do^e 
gebildeten  Hund  am  Leitseil  führt  und  mit  aller  Gewalt  ins 
Hom  stößt.  Auf  der  entgegengesetzten  Seite  des  Erkers  zieht 
cb  inderer  ungeflügelter  Genius  zwei  Ochsen,  mit  jeder  Hand 
eineii,  aus  zwei  gegenüberliegenden  Ställen.  Dazu  bt  folgendes 
Oisüchenpaar  angebracht : 

Alle  habitat  virtus  gmcrosae  (gnosae)  conscia  praedae, 
NoQ  capit  banc  sordes  aut  hypogaea  colens, 
Una  Salus  est  monoceros  composque  saltttis 
Virgo,  a  terrenis  mcntc  Icvata  fides. 
AibcTt    meint,    daß   wir  es  hier  mit  einer  rein  sinnlichen  Dar- 
stellung der   Einhomjagd  mit  Ausschaltung   des  religiösen    Ele- 
nentes   zu    tun    haben.     Er  schließt    das   aus    der    modischen 
Tracht  und  Haltung  der  Jungfrau,  sowie  aus   dem  Fehlen    aller 
Attribute,   welche  sonst  die  Jungfrau  ats  Gottesmutter  charakteri- 
sieren. Aber  die  letzteren  fehlen,  wie  wir  gesehen  haben,  auch  auf 
loderen   Darstellungen  der    himmlischen  Jagd,    wie  denn    auch 
Airchaus  nicht  immer   die    Maria,    wo    sie    erscheint,    mÜ  dem 
Glorienschein  ausgestattet  ist     Und  wenn  sie  hier  als  Weltdame 
im   modernen    Prachlgewande  dargestellt    ist,    so  mag  uns   das 
rwar  geschmacklos  dünken,    tritt  aber  doch  keineswegs  aus  dem 
Rahmen  der  im  Mittelalter  bis  auf  die  Neuzeit  gelterden  Kunst- 
auf£issung  heraus,   wonach    historische  Personen    ohne  Rücksicht 
auf  die  Zeit,  in  der  sie  lebten,  durchweg  im  Zeitkostüm  darge- 
stellt wurden.     Dazu  kommt,  daß  meiner  Meinung  nach  die  bei- 
gegebenen  lateinischen    Verse  gar  keine  andere   Auffassutig   als 
die  übersinnliche  zulassen.     Denn  der  Sinn  ist  doch  wohl  dieser: 
Hoch  thront  die  Tugend,  die  sich  des  herriichen  Lohnes  bewußt 
ist,   den    jedoch    nicht    der   empßngt,    der    in  Gemeinheit  oder 
Finsternis  versunken  ist  {sordes  möchte  ich  lieber  als  von  colens 
abhängigen   Akkusativ   plur.    auffassen,   während    Albert    es    für 
den    Nominativ    hält).     Nur    ein    Heil    gibt    es,   das    ist    das 
Einhorn,    also  Christus,    und    die    dessen    teilhaftig    gewordene 
Jungfrau.     Aber   dazu    bedarf   es  eines    über   alles    Irdische  er- 
habenen Glaubens.     Durch  diese  Worte  soll  doch  wohl  die  Be- 
ziehung   des  Bildes  auf    die  Menschwerdung    bestätigt    werden. 
Was  bedeuten    nun  aber   die  Ochsen  auf  der  linken  Seite  des 

ArUv  lär  Knllurgnchfchlt.    VI.  7 


1 


Erkers  und  der  Knabe,  der  sie  aus  dem  Stalle  zieht  ?  Das 
ist  eine  schwierige  Frage,  an  deren  Lösung  man  verzweifeln 
möchte.  Oder  sollen  etwa  die  Ställe  wie  die  Tiere  eine  An- 
spielung auf  den  Ort  bedeuten,  wo  das  Christkind  zur  Welt 
Itani?  Ich  gestehe,  daß  dies  mein  erster  Gedanke  war,  als  ich 
versuchte,  mir  den  Zusammenhang  des  Ganzen  deutlich  zu 
machen.  Freilich  «meine  ersten  Gedanken  sind  gewiß  kein 
Haar  besser  als  jedermanns  erste  Gedanken,  und  mit  jedermanns 
Gedanken  bleibt  man  am  klügsten  zu  Hause«,  sagt  Lessing. 
Es  wird  aber  doch  erlaubt  sein,  einen  solchen  ersten  Gedanken 
zur  Prüfung  vorzulegen. 

SchlieUlich  möchte  ich  noch  ein  Volkslied  mitteilen,  das 
besser  als  alle  anderen  die  himmlische  Jagd  im  Einklang  mit  der 
bildlichen  Darstellung  illustriert;  es  ist  von  Drewes:  Die  Jagd  des 
Einhorns  {Stimmen  aus  Maria-Laach,  Freiburg  i.  B,  1S92) 
veröffentlicht  worden. 

Hoch  von  dem  thron  ein  Jeger 

der  Jaget  das  Einhorn  fein, 

Ein  ausserwelte  Jungfrawe 

streckt  aus  ihr  ärmlein  tialde, 

mit  Iiist  sprang  es  darein. 

Gott  sandt  vom  Hl  mm  eisthrone 
Den  Engel  Gabriel 
All  7.U  Maria  der  schone, 
solt  geberen  Gottes  sone 
mit  Namen  Enitnanuel. 

Die  Hündlein,  die  es  jagten, 
fcriebens  frisch  und  wol  getrost 
Die  Wahrheit  und  QcrechtigkeU, 
Fried  und  auch  Barmhertzigkeit, 
der  Jungfrawn  in  den  schos. 

Die  Jungfraw  die  was  edel 
War  Kfiniglicher  arth. 
Von  David  und  dem  Salomon, 
getHir  sie  Jhesiim  Gottes  son 
gantz  rein,  keusch  und  zart. 

(bei  Albert  a.  a.  O.  S.  74.) 


Besprechungen. 


Riri  Breysii;,  Die  Geschichte  der  Menschheit.  Band  I.  DieVölker 
der  («igen  Urzeit.  Ereter  Band.  Die  Amerikaner  des  Nordwestens  und 
ioNordens.  Mit  einer  Völkerkartc.  Berlin,  Bondi.  1907.  (XXVII,  563  S.) 
Der  Plan,  die  Oeschichte  der  Menschheit  zu  schreiben,  ist  älter  als 
«V  vir  uns  geröhnl  liaben,  Weltgeschichte  zu  nennen  —  ein  Ausdruck 
Btv^ois,  Über  den  sich  mit  gelehrter  Entntstune  aufzuhalten  uns  nicht 
bqpäodeler  erscheint  als  die  sittlichen  Zomausbriiclie  über  unsere  Brief- 
libtT-  und  Unterschriften.  Geschichte  der  Menschheit,  d.  h.  der  Entvick- 
hns  ihrer  großen  Typen  gibt  das  Buch  Genesis,  auf  dessen  Pfaden  das 
MiUeUlter  bis  zu  BcMsuet  und  GÖrrcs  einschließlich  (wenn  Oörres  nidit 
Mitteliltcr  Ist.  wer  ist  es  dünn?)  die  EDIIe  der  Geschichte  zu  ordnen  bestrebt 
tv.  Und  wie  diese  Konstruktionen  besser  fun da men tieften  Weltge* 
Mhichlen  von  bescheidencrem  Gepräge  varauszogcn,  so  öffnete  wiederum 
jeder  Vosuch  einer  geschichtsphilosophischen  Darstdlung  seil  H^el  den 
T«2  tüT  Ranke  und  seine  Nachfolger. 

Auf  die  Neuartigkeit  seines  Unternehmens  scheint  uns  deshalb  der 
Vrrfasser  in  seiner  übrigens  sehr  wichtigen  \ind  anregenden  Vorrede  zu 
{roBes  Gewicht  zu  legen.  Der  chronologischen  Ordnung  früherer  Welt- 
(Bcfaiditen  oder  der  geographischen  Helmolts  stellt  er  die  nach  Stufen 
pgenfiber:  Stufen  weltgeschichtlicher  Entwicklung  oder,  theologisch  aus- 
pdrückt,  Klassen  göttlicher  Pädagogik  suchten  doch  aber  all  jene  höheren 
Mch  zu  geben.  Und  wenn  B.  hofft,  daß  sein  ElntetlungspriTizip  vor  den 
Venrimingen  schützen  wird,  die  jene  Prinzipien  räumlicher  oder  zeit- 
ficher  Kontinuität  mit  sich  bringen,  so  spricht  aus  ihm  hier  eben  jener 
frische  Enthusiasmus  des  Pioniers,  der  das  Werk  überhaupt  so  licbens- 
viinjig  macht;  aber  nur  fQr  die  ältesten  Stufen,  wo  noch  eine  völlige 
Isolierung  möglich  ist.  dürfte  er  recht  behalten.  Später  werden  Völker  von 
gontscbter  Kultur,  Stämme,  die  sozusagen  zwischen  zwei  Stufen  auf 
der  Kante  stehen,  eine  rdnliche  Durchfühning  aucli  dieses  Prinzips 
(diwierig,  wenn  nicht  unmöglich  machen.  (Vgl.  allg.  meinen  Aufsatz 
über  Prinzipien  wissenschaftlicher  Periodenbildung,  Euphorion  S,  1  f.) 

Auch  daß  B.  In  die  ■vorgeschichtlichen'*  Perioden  eintaucht,  be- 
dentet  an  sich  gegen  jene  Welthislorikcr  keine  Neuerung,  denn  auch  sie 
ncfaen  ja  den  Menschen  auf  seinen  Vorstufen  auf,  und  Görres  macht  aus 
jedem  Schöpfungstag  eine  Epoche  der  r*rähistorie.  Wohl  aber  ist  die 
Entschiedenheit,  mit  der  er  den  »frühen  Menschen"  in  all  seinen  Lebens- 


äußcnjn^cn  zu  erfassen  und  hieraus  seine  .Totalität-  (vie  Qocthe  sagen 
würde)  zu  konstniieren  sucht,  ein  Fortschritt.  Ihn  leitet  dabei  eine  ^m- 
pathischc  Sympatliie  mit  dem  Menschen  der  Urlcultur,  die  ihn  sogar  die 
bildende  Kunst  der  Kotiimbianer  mit  romanischen  Bildwerken  (S.  271, 
275)  und  anderer  hoher  Kunst  (S.  286)  oder  ihre  Erzählungen  (S.  30S) 
mit  Boccaccios  Novellen  vergleichen  läßt.  Gerade  bei  einem  Bewunderer 
Nietzsches  wirkt  ein  so  weitgehendes  Anstnunen  primitiver  nMeisterwerklein" 
(S.  506,  vgl.  6S5]  befremdend;  man  fühlt  sich  an  den  Maler  Gauguin 
erinnert,  der  auf  Tahiti  Auffrischung  der  alten  Kunst  suchte.  Vielldcht 
ist  dieser  kulturhistorische  Gauguinismus  betlsam  als  O^enbewegung  auf 
eine  Geringschätzung  der  , Wilden-,  die  doch  freilich  schon  recht  weil 
zurückliegi  (vgl,  Breysigs  Übersicht  der  Prähistoriker  S.  9U.,  569,  519,  bd 
der  auffallcndcrwcisc  Frazer  und  Lang  nicht  genannt  sind).  So  ist  die 
Anschauung,  da/J  der  Neger  den  Fetisch  selbst  anbete  (S.  4^^).  doch  wohl 
längst  nicht  mehr  die  allgemeine  Meinung;  an  sich  aber  (gegen  S.  98) 
scheint  mir  der  Terminus  nicht  verwerflich,  ]a  unentbehrlich. 

Breysig  faßt  die  Geschichte  der  Menschheit  {S.  5*))  als  .fließende 
Zustandsgeschichle«  auf,  ein  glücklicher  Ausdruck;  aber  der  voHtegende 
Band  gibt  doch  eben  auch  nur  ^beschreibende  Ceschichle",  so  sehr  der 
Verfesser  diese  sonst  als  etwas  ansieht,  was  überwunden  werden  muH . 
Freilich  ist  bei  .Kindervölkern"  (5,  92,  wieder  ein  hübsches  Wort,  vogegea 
das  häufige  ^kindhaft"  mir  nicht  recht  gefallen  will)  der  Entwicklungs- 
gedanke (S.  52)  nur  tnit  Vorsicht  anzuwenden;  denn  der  Versuch,  hinter 
den  breit  stagnierenden  Zuständen  fn'ihere  aufzufinden,  führt  doch  schließ- 
lich stets  zu  einer  unsiclieren  Spekulation  (wie  S  260,  oder  noch  mehr  S.  163), 
z.  B.  über  den  Urzustand  der  Sprache  (S.  475).  Am  Ende  sind  .Natur- 
völker" doch  wohl  solche,  die  (nach  der  romantischen  Definition,  die 
freilich  von  den  Romantikern  selbst  wohl  gerade  im  entgegengesetzten  Sinn 
wäre  gebraucht  worden!)  keinen  .eigenen  Mittelpunkt"  haben  und  deshalb 
von  außen  angestoßen  werden  müssen,  wenn  auch  schließlich  nur  durch 
die  »Verchristlichung"  (S.  194).  Die  .Einheit  des  geistigen  Schaffens« 
(S.  350)  ist  kein  Gegenbeweis:  sie  entsteht  bei  jeder  Stagnation  und  ließe 
sich  sogar  mit  der  Verfallshypothese,  die  neuerdings  Lang  wieder  verficht, 
hl  Einklang  bringen. 

Innerhalb  dieser  Einheit  ist  es  docli  naturgemäß  die  Mythologi 
die  B.  am  lebhaftesten  interessiert,  und  seine  Nachweisungen  zu  der  En 
Wicklung  des  ..Hcilbringcrs"  (S.  249)  scheinen  uns  so  wertvoll  wie  d 
Durchschlagen  seiner  Lieblingshypothese  vom  TiergÖtlertum  (S.  22t) 
bedenklich.  Näch&tdcm  wird  die  Kunst  am  eingehendsten  betraclttet, 
aber  auch  das  primitive  Wissen  feinsinnig  ertäutert  (S.  330f.);  sdilcchter 
kommt  die  Sitte  fort,  deren  Beschreibung  unter  dem  vorschnellen  Zu- 
dringen der  völkerpsychologischen  Erklärung  leidet.  So  wird  der  Nasengruß 
der  Eskimos  (S.  391)  als  .sehr  zutraulich"  gerühmt  und  ihm  ein  Nach- 
klang Forster^cher  Unschuldshymncn  angehä^ngt;  aber  sollte  in  einem  Klinu, 


M 


101 


woselbst  >dic  Kunst  cinfnert-  (S.  471),  nicht  einfacli,  vieandersvo,  der 
m  vmigsten  bedeckte  Körperteil  grfißen?  -  Die  DarslelhmBen  des 
mtllidieD  oder  vorstaatlichcn  Lebens  tHorde  und  Gcschlcclit  S.  168  u.  ö.) 
inbn  mich  am  venigsten  befriedigt;  ich  konnte  mir  kein  klares  Bild 
in  B&.  Ausführungen  bilden,  und  vas  er  vorlrigt,  schien  mir  geringe 
DUn  mit  zuviel  Spekulation  zu  belasten. 

Obefblicken  wir  diesen  Anfang  der  wellhistorischen  Porlrätgalerie, 
»  Tcrden  vir  doch  nicht  Bedenken  tragen,  auf  Bre>-sig  die  Lobesworte 
inrowcnden,  die  er  selbst,  willig  im  Anerkennen,  Reichs  »Mimus-  zu- 
oltill  (S.  313  Anm.).  daß  das  Buch  .zunäclist  andeutungsweise,  aber  mit 
Kkkcbthin  menschheitsgeschicbtlichem  Spürsinn  und  in  wahrhaft  ent- 
ffeUuDgsmäßiger  Auffassung'  «weite  Sichten  über  die  Erde  hin  eröffnet!» 

Richard  At.  Meyer. 


Ernst  Stecke,  Mythus,  Sage,  Mirrhen  in  ihren  Beziehungen  zur 
ö^nwart.    Leipzig,  Hinrichs,  1906,    (29  S.) 

Emt  Siecite,  Drachen  kämpfe.  Untersuchungen  zur  indogennan. 
Svrbunde  (Mythologische  Bibliothek,  herausgegeben  v.  d.  Gesellschaft 
für  vgL  Mythenfoischung,  1,1).     Leipzig,  Hinrichs,  1tJ07.    (123  S.) 

Sieckc   wehrt    die    Geringschätzung   ab,  in  die  die  vergleichende 

Üytliolflgie  geraten  sei.    Nicht  mit  Unrecht;  aber  leider  werden  Schriften 

wie  seine   »Drachenkämpfe»  diesen   Drachen   schwerlich   niederzwingen. 

East  war  bei  Max  Müller  alles  Sonne,   bei  Wüliclnt   Schwartz  alles  Oe- 

»ttlr;  wenn  bei   Ernst  Siecke  alles  Mord  ist,  sehen  wir  darin  keinen 

fortschritt     Hochmütig  spricht  der  Verfasser  über  die  ab.  die  etwa  (S.  61) 

bei  der  lemSischen  Hydra  an  die  Auslrocknung  eines  Sumpfes  denken: 

de  hallen  selbst  die  ältesten  Bewohner  Griechenlands  bestimmt  und  klar, 

ofeoe  Umschweife  und  so,  daß  sie  jeder  verstehen   konnte,  ausdrucken 

iäanen.    Um  aber  die  Mondscheibe  zu  bezeichnen,  muBten  die  Indo- 

lenunen  und  Semilen  (S.  7t>)   Harfe,   Sichcischwcrt,   Keilliaramer,   Beil, 

Hdmbtnd.  Knochen,  Eselskinnbacken,  Rochcnstachel,  Schwanzfeder  eines 

Hahns,  Hirschhorn,  giftige  Schlange  wählen.     .Unmöglich  als  Mond- 

vcsen    zu    verkennen-   sind   (S.  81)   der    Löwe,   der  Eber^   die   Hirsch- 

knh.  der  Stier,  die  Amazone,  Geryones,  Kerberos.    Das  ist  doch  schon 

mehr  fixe  Idee  als  Methode;  es  erinnert  mich  an  einen  gewissen  Joh.  Konr 

Wagncr,  der  in  seinen   köstlichen   „Fauslstudien-  (S.   IM)  erklärt:   ,1m 

Fasst  bedeutet  , Knabe*  immer  den  Knaben  Karl  Moor  und  Don  Carlos, 

d.fc.  Schiller.     Ebenso  ist  dieser  angedeutet  durch  Mensch,  Tor,  kühn, 

bunt  unr."     Beweisend  für  solche  Theorien   ist  dann  clwa,  daß  (S.  99) 

in  Bftsiles  Pentamerone  die  Kinder  einer  der  Brunhild-Dornröschcn  cnt- 

fprecbendcn  Frinzefsin  Sonne  und  Mond  heißen.    Und  der  einzige  Gegen- 

tflDd  in  der  Well,  dem  in  jeder  neunten   Nacht  acht  cbcnschwcre  ent- 

(riufeln,   ist  (S.    107)   der   Mondring.     .Die   alten   Mlren   wollen   aber 

Wahres  melden".  .  .  .  Richard  M.  Meyer. 


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Menschen  aller  Zeiten  tmd  Völker.  HerausKcgcbcn  von  Ernst  Schnitze. 
Bd.  I  [A,  u.  d.  T.]:  Die  Reisen  des  Venezianers  Marco  Polo  im  13.  Jahr- 
hundert- Bearbeitet  und  herausgegeben  von  Mans  Lemke.  Mit  einem 
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(3-43  S.).  -  Bd.  II  [A-  u.  d.  T.j:  Deutsches  Bürgertum  und  deutscher  Add 
im  16.  Jahrhundert.  Lebens-Erinnerungen  des  Bürgenncistcrs  Bartholo- 
mäus Sastrow  und  des  Ritters  Hans  von  Schweinichen.  Beiirbdtct 
voti  Max  Goos  T.  1.  2.  Ebenda  1907(173;  151  S).  -  Bd.  III  (A.  u. 
d.  T-l:  Au&  der  Dekabristenzeit.  Erinnerungen  hoher  russischer  Offiziere 
(Jakuschkiti,  Obolenski,  WoJkonski)  von  der  Militär-Revolution  des 
Jahres  1825.  Bearbeitet  von  Adda  Ooldschmidt.  Ebenda  1907  (382  S.). 
—  Bd.  IV  (A.  u.  d.  T.]:  Die  Eroberung  von  Mexiko.  Drei  eigenhändige 
Berichte  von  Ferdinand  Cortez  an  Kaiser  Karl  V,  Bearbeitet  von 
Ernst  Schnitze.    Mit  Bildern  und  Plänen.    Ebenda  1907  (M2  S.). 

Der  Gedanke  des  vorliegenden  Unternehmens  ist  ohne  Zweifel  als 
ein  glücklicher  zu  bezeichnen.  Der  im  Dienst  der  heute  mehr  und  mehr 
anerkannten  Volksbildungsbestrebungen  siehende  Herausgeber  ist  meines 
Erachtens  auf  dem  richtigen  Wege,  wenn  er  vor  allem  auch  die  geschicht- 
liche Bildung  in  weiteren  Kreisen  zu  fördern  bestrebt  ist.  Bildung  ist 
in  letztem  Sinne  überhaupt  gcschtchtlidic  Bitdung;  ihr  Maß  und  ihre 
Tiefe  können  verschieden  sein :  aber  allein  ihr  Besitz  gibt  Horizont.  Freilich 
betont  der  Herausgeber  eines  der  Beiträge,  der  Sastrow'schen  Memoiren, 
diesen  Gesichtspunkt  nicht  so  entschieden,  indem  er  -den  modernen  Leser 
mit  Recht  von  dem  alten  Schriftwerk  fordern"  !SBt,  «daß  es  ihn  nicht 
lediglich  (!)  vom  historischen  Standpunkt  imr(!)  inleressierc":  es  solle  ihn 
„allgemein  menschlich  ergreifen«.  Aber  damit  soll  wohl  nicht  mehr 
gesagt  sein,  als  wenn  der  Herausgeber  des  Oesamtwerks  für  die  Auswahl 
der  Werke  den  Gesichtspunkt  des  »allgemein  menschlich  interessanten« 
innehalten  will.  Dieser  Gesichtspunkt  ist  um  so  berechtigter,  als  weniger 
interessante  Memoiren  desto  weniger  Leser  finden  und  die  Erreichung  des 
au^esprochcncn  Zweckes  der  Sammlung,  »die  Neigung  für  die  Beschäf- 
tigung mit  Geschichte  und  Kulturgeschichte  zu  stärken,*  verhindern  wQrden. 
Die  Sammlung  ist  auch  .mehr  für  den  gebildeten  laien  bestimmt  als  für 
den  Historiker  von  Fach",  weshalb  weniger  interessaule  Partien  in  den 
einzelnen  Werken  fortgelassen  werden.  Unzweifelhaft  wird  mm  gerade 
bei  dem  größeren  Publikum  geschichtliche  Belehning  und  Anschauung 
am  tcjclitcstcn  durch  die  gewShlte  Gattung  der  Memoiren  erzielt  und 
gewissermaßen  unbemerkt  gewonnen.  Mit  Recht  sagt  der  Herausgeber: 
■Was  vielen  Memoiren  einen  so  besonderen  Reiz  verleiht  —  einen  Reiz, 
den  nur  vcrhältnismäßi;^  wenige  Werke  der  reinen  Geschichtswissenschaft 
ausüben  können,  -  das  ist  die  Anschaulichkeit  und  der  Stimmungs- 
gehalt, die  von  ihnen  ausströmen."  Der  Geist  der  Zeiten  tritt  unmittelbar 
an  den  Leser  heran  und  das  kulturgeschichtliche  Milieu  ihm  gleichsam 


A 


103 


pfasäsdi  entgegen,  bei  dem  einen  Werk  mehr,  bei  dem  anderen  weniger. 
Oside  vom  Standpunkt  unseres  Interesses  an  der  Förderung  kultur- 
gadiichllicher  Neigungen  begrfißen  wir  daher  die  Sammlung  und  heben 
iDEtach  henor,  d«ß  gerade  die  ersten  Bände  besonders  geeignet  sind, 
koKnrgfschichtiiche  Kenntnisse  allgemeiner  zu  vermitteln. 

Der  erste  Band  bringt  dn  berühmtes  Werk,  die  Besdireibung  der 
(ttisen  des  Venezia.ner5  AUrco  Polo.  Die  persönlichen  iirlebnisse  und 
Stintnungen  treten  hier  allerdings  mehr  vor  einer  geographischen  und 
kulturgeschichtlichen  Beschreibung  zurück,  aber  ein  allgemeines  Interesse 
ku  dieses  früher  mit  Mißtrauen  betrachtete  Werk  sicherlich  in  hohem 
Mifi^  zumal  In  unserer  Zeit,  die  den  Blick  stilrker  als  je  auf  jene  öst- 
UdKn  Gebiete  gerichtet  hält,  in  die  der  Venezianer  des  13.  Jahrhunderts 
dach  das  Spiel  des  Zufalls  einen  besseren  Einblick  erhielt  als  die  Abend- 
Ifaidcr  späterer  Zeiten,  bis  sich  erst  neuerdings  der  Schleier  mehr  und 
RKhr  lüftete.  Über  die  Bedeutung  des  Werkes  braucht  an  dieser  Stelle 
nicbts  näheres  gesagt  zu  werden:  es  sei  nur  emähnt,  daß  es  von  dem- 
«ü»«i  neben  englischen,  französischen  und  italienischen  Ausgaben  bereits 
doc  deutsdie  Übersetzung  gab,  die  von  A.  Bürk  mit  Zusätzen  von  K. 
f  Neumann  aus  dem  Jahre  1845.  Doch  ist  dieselbe  längst  vergriffen. 
faiKt  ist  es  nun  aber  gerade  heute  durch  «die  zahlreldien  Reisen  euro- 
pjacher  Forscher  nach  Ostturkesttn.  Tibet,  China  und  Irdien"  bedeutend 
kidKer  geworden,  das  Werk  hinreichend  /u  kommentieren,  eine  Aufgabe, 
der  H.  Lemke,  der  sich  auch  zum  Teil  um  einen  guten  Text  bemüht  hat, 
Ädi  mit  Eifer  gewidmet  hat.  Man  muß  auch  immer  wieder  bei  diesem 
olttdalter liehen  Werk  feststellen,  daß  die  darin  niedergelegten  Beob- 
Kfatuigen  .bei  dem  stabilen,  fast  unveränderten  KuHurzustandc  jener 
Uoderauch  als  Informationsquellen  die  größte  Bedeutung  erlangt  haben". 
Ein  Register  wäre  doch  wohl  erforderlich  gewesen. 

Der  zireite  Band  bringt  zwei  dem  Kenner  der  Deutschen  Kultur- 
Sescbichte  sehr  bekannte  Werke,  die  Lebenscrinnerungcn  Sastrows  und 
Sdtvejnichcm,  beide  bcrcils  von  Freytag  in  seinen  Bildern  veruertet  und 
dem  großen  Publikum  durch  ausgewählte  Abschnitte  bekannt  gemacht. 
Von  beiden  existieren  auch  genügende  Aufgaben.  SastrowB  Lebensbe- 
schreibung ist  1823/4  von  Mohnike  herausgegeben,  und  seine  Ausgabe 
kommt  für  den  Historiker  allein  in  Betracht.  1860  hat  L  Orote  dann 
dae  gekürzte,  im  übrigen  willkürliche  Bearbeitung  veröffentlicht.  Schwet- 
lichens  Erinnerungen  liegen  in  der  älteren  Ausgabe  von  Büsching  (1820/3)  und 
in  der  neueren  von  Oralcrley  (Breslau  187S)  vor.  Der  jotziRC  Bearbeiter 
hat  bei  beiden  Werken  zunächst  eine  starke  Kürzung  eitilreteii  lassen,  alle 
ibm  uninteressant  scheinenden  Stellen  gesIrichcEt,  ganze  Partien  zusammen- 
gezogen usw.  Auf  die  Handschriften  ist  er  nicht  zurückgegangen,  stützt 
I  tich  vielmehr  lediglich  auf  Mohnike,  bzw.  Oestericy.  Er  hat  aber  auch  auf 
I  »örtlichen  Abdruck  der  ausgcu-ahitcn  Slcllen  verzichtet,  vielmehr  dieselben 
I    modemi:»ert,  weiter  aber  bei  dem  langatmigen  &istrow  auch  Satzbau  und 


Wortstellung  verändert  und  lan^e  Perioden  in  kleine  ^tze  aufKdöst  tm 
ganzen  hätlc  ich  aber  eine  treuere  Bewahrung  des  Originals  auch  für  dn 
ICrößcres  Publikum  vorgezogen.  Freviag  hat  das  in  den  von  ihm  ausgewählten 
Abschnitten  auch  so  gehalten,  und  Qoos  hätte  diesem  Beispiel  folgen  sollen. 

Um  ein  Urteil  zu  emt&glichen,  setze  ich  den  Anfang  der  Sastrov- 
ftchen  Memoiren  in  der  Fassung  des  Originals,  derjenigen  bei  Frej'tag  und 
derjenigen  bei  Ooos  her: 

Mohnike  1,  ISf.: 

Circa  annum  1488  ist  mein  Vatter  zu  Rantzin  im  Kruge  am  Kirchovc 
nach  Anclam  werts,  unter  den  Ovstine»  zu  Quitov  gesessen,  von  Hans 
Sastnnren  gebom  worden.  Nun  hatt  disser  Hans  Sastrov  in  Vormugen, 
Gestalt,  Slirke  unnd  Vorstande  die  Honien,  daselbst  zu  Rantzin  wonende, 
weit  Öbertroffcn,  dcrwcgcn  er  dan  auch  vor  seinem  Ehestande  auf  gcmciten 
Havehoven  nicht  unwert  gewesen;  das  dann  den  Homen  »bell  vordrossen, 
imc  Schimpff,  Spott,  Schaden,  Nachtcill,  auch  an  seiner  Gcsuntheit  unnd 
Leben  zu  gefahren,  sich  eussertes  Könnens  beflissen,  unnd  dar  sie  soUtches 
vor  ihre  Person  nicht  vorrichten  können  noch  dorfflen,  haben  sie  ihren 
Vogt  . . .  abgerichtett,  in  den  Krug  zu  gehen,  zu  zechen,  Zanck  unnd 
Unwillen  mit  dem  Wyrte  anzurichten,  unnd  denselt>en  mit  Sdilägen  bis 
an  den  Toedt  abzukehren.  Aber  was  geschieht?  Da  der  Wyrt  wüste,  das 
die  Home  ime  nachgingen,  unnd  leichllich  vomierckte,  was  der  Vogt  im 
Sinne  hette,  ist  er  ime  vorkommen,  und  ine  so  abgefertigt,  das  er  schwerlich 
auf  den  vierai  aus  dem  Kruge  hatt  kriechen  können.  J 

Freytag  II,  2,  l7Sf,  ™ 

Um  das  Jahr  t487  ist  mein  Vater  zu  Ranzin  im  Kruge,  der  am 
Kirchhofe  auf  Anklam  zu  liegt  und  unter  die  Junker  Osten  zu  Quilow 
gehört,  dem  Wirth  Hans  Sastrow  geboren  wordwi.  Nun  halte  dieser  Hans 
Saslrow  an  Vermögen,  Qcstall,  Stärke  und  Verstand  die  Junker  Home, 
welche  ebenfalls  zu  Ranzin  wohnten,  weit  übertrotfen,  so  datJ  er  schon 
vor  seinem  Ehestande  sich  mit  ihren  HoHmfeii  wol  vergleichen  konnte. 
Das  hat  denn  die  Home  Qbel  verdrossen,  sie  haben  sich  aufs  äusserste 
beflissen,  ihm  Schimpf,  Spott,  Schaden,  Nachthetl  zu  bereiten,  ihm  auch 
Gesundheit  und  Ixben  zu  gefährden.  Und  da  sie  für  ihre  Person  nicht 
konnten  noch  durften,  haben  sie  ihren  Vogt  abgerichtet,  in  den  Krug  zu 
gehen,  zu  zechen,  Zank  und  Unwillen  mit  dem  Wirth  anzufangen   und 

denselben   mit  Schlägen   bis  zum  Tode  abzufertigen Aber  was 

geschieht?     Da  der  Wirth  wusste,  dass  die  Hornc  ihm  nachstellten,  und 
leicht  vermerkte,  was  der  Vogt   im  Sinne  hatte,   ist  er  diesem   zuvor- 
gekommen und  liat  ihn  so  abgefertigt,  dass  er  kaum  auf  allen  Vieren, 
aus  dem  Kruge  hat  kriechen  können.  '■ 

Qoos  2t f.: 

Um  das  Jahr  1488  ist  mein  Vater  zu  Rantzin  geboren,  da,  wo  die 
Straße  nach  Anklam   vorbeiführt,  nahe  beim  Kirdihof.    Sein  Vater 


Besprechuiigeii. 


105 


der  Oastwirt  Hans  Sastrow,  ein  Hintersasse  der  Herren   von  Owstin  zu 

QuilOT.     Ebendon   haben  die   Herren  von   Hörn   gewohnt.     Denen   ist 

mön  Orossvater  an  Ansehen  und  Qesult.  sowie  an  Oe!d  und  Veretand 

himrodweil  überlegen  gewesen.    Vor  seiner  Verheiratung  hat  man   ihr 

aucfa  oft  und   gern   auf  ihrem  Hofe  gesehen.     Dann   aber   haben   Ärger 

und  Verdruß  bei  den  Leuten  gewallig  zugenommen.    Sie  haben  sich  alle 

cnlcnklicbe  Mühe  gegeben,  rndnem  Ahnherrn  allerlei  Schimpf  und  Nachteil 

an  Oesundheit  und  Leben  anzutun.    Und  weil  die  feige  Sippschaft  der- 

gteichen   nicht  mit  eigener  Person  anzufangen   wagte,   haben  sie  ihren 

Vogt  dam  angestiftet.  .  .  .    (Er]  sollte  in   unsem  Krug  gehen,  daselbst 

«1»  trinken  und  mit  dem  Wirt,  meinem  Grossvater,  Streit  anfangen.    Dabei 

»Ute  er  ihn  zu  Tode  prügeln.    Aber  was  geschieht?    Der  Wirt  merkte 

nur  zu  gut,  daß  die  Herren  von   Hörn. etwas  im  Schilde  führten.    Da 

nr's  nicht  schwer  zu  erraten,  was  es  mit  dem  Vogt  für  eine  Bewandtnis 

bttc.    Mein  Grossvaler  kommt  ihm  daher  zuvor  und  hat  ihn  so  gotts- 

fimracrlidi  verdroschen,  daß  der  Vogt  nur  mit  knapper  Not  auf  allen 

Vieren  hat  nach  Hause  kriechen  können. 

Es  ist  bekannt,  daß  Sastrow  und  Schweinichen  zahlreiche  Einzel- 
htiien  zur  Geschichte  der  deutschen  Sitten  und  deutsdicn  Lebens  ent- 
lullcn:  e  sei  aber  bei  Sastrow  auch  auf  die  Schilderung  seiner  italienischen 
Reise  {Qoos  S.  89ff.)  hingewiesen.  Gelegentlich  der  Trinkszenen  bei 
Schweinichen  hitle  vom  Bearbeiter  auf  die  damals  allgemein  verbreitete 
Uii&itte  übermißlgen  Saufens  und  Schweigens  aufmerksam  gemacht  werden 
sollen,  überhaupt  auf  den  Gmbianismus  des  1b.  Jahrhunderts.  Auf  Einzel- 
beilcn  sei  im  übrigen  hier  nicht  näher  eingegangen.  S.  S6,  Anm.  1  muß 
es  statt  Zwerehnertunn  Zwehrenturm  heißen. 

Der  dritte  Band  hat  in  der  Hauptsache  ein  politisch-historisches 
biteresK.  Er  bringt  die  Erinnerungen  dreier  {nicht  hoher,  wie  die  Heraits- 
geberin  sagt,  -  denn  einer  davon  ist  Kapitän  außer  Diensten,  einer 
Leutnant)  russischer  Offiziere,  die  an  dem  Dezemberaufsland  von  1825 
direkt  und  indirekt  beteiligt  waren  und  zur  Strafe  nach  Sibirien  ver- 
idiickt  wurden.  Immerhin  ist  der  Einblick  in  den  Geist  des  modernen 
Tdb  des  damaligen  russischen  Adels  wie  in  die  russischen  Zustände 
überhaupt  -  vgl.  u.  a.  das  dritte  Kapitel  der  Jakuschkin'schen  Memoiren, 
die  äbrigens  den  größten  Teil  des  Bandes  ausmachen,  über  die  Lage  der 
Bauern  .  endlich  in  das  Leben  der  sibirischen  Sträflinge  von  nicht 
geringem  kulturgeschichtlichen  Interesse. 

Den  vierten  Band  hat  der  Herausgeber  selbst  bearbeitet.  Bei  dem 
zweifellos  interessanten  Stoff  tritt  aber  wieder  das  kulturgeschichtliche 
Moment  zurück:  es  überwiegt  das  Spannende  dramatischer  fCreignisse  und 
der  Reiz  der  Handlungen  und  Pläne  einer  überragenden  Persönlichkeit, 
wie  es  Ferdinand  Cortcz  war.  Mit  Recht  weist  der  Herausgeber  auf  den 
loraanartigen  Charakter  ganzer  Abschnitte  dieser  Berichte  hin,  die  Cortcz 
selbst   unmittelbar   nach   den  Vorgängen    für  seinen   Kaiser  Karl  V.   tn 


gfdringter  Kürze  niedersdirieb.  Voti  den  fünf  Berichten  werden  hier 
der  2.,  3.  und  4.  als  die  interessantesten  wiedergegeben.  Die  Berichte 
haben  von  jeher  die  Leser  gefesselt,  und  sehr  groß  ist  die  Zahl  der  Aus- 
gaben in  den  europäischen  KuHurspractien.  Eine  deutsche  Übersetzung 
des  2.  und  3.  Berichts  ist  bereits  iSSo  zu  Augsburg  erschieneti.  Die 
letzte  deutsche  Übersetzung  des  2.,  i.  und  4.  Berichts  durch  Koppe 
(Berlin  1854)  hat  der  jetzige  Herausgeber  seiner  Ausgabe  zugrunde  gelegt, 
seine  Hauptaufgabe  aber  in  der  Beseitigung  eines  bei  allen  früheren 
Ausgaben  bestehenden  Mangels  gesehen,  des  Mangels  an  einem  aus- 
giebigen Kommentar.  Dieser  Kominenlar,  der  zum  Teil  auch  Kritik  an 
den  Angaben  des  Cortez  übt,  darf  hier  um&omchr  hervorgehoben  werden, 
als  er  vor  allem  die  Zustände  der  Azteken  durch  kulturgeschichtliche 
Anmerkungen  dem  Verständnis  näher  zu  bringen  sucht.  Im  übrigen  sind 
auch  einzelne  Partien  des  Textes  seihst  rein  kulturgeschichtlich,  so  die 
Besclireibung  der  Stadt  Mexiko,  des  zoologischen  Gartens  Montezumas, 
der  Lebensweise  und  des  Hof  Zeremoniells  desselben  u.  a. 

Georg  Steinhausen. 


* 


Berthold  Haendcke,  Deutsche  Kultur  im  Zeitalter  des  Sojähngen 
Krieges.     Ein    Beitrag    zur   Geschichte    des   siebzehnten   Jahrhunderts. 

Leipzig,  E.  A.  Seemann,  1906.   (X,  464  S.) 

Nur  wenig  zahlreich  sind  die  wirklich  wissenschaftSichat  [Erschei- 
nungen, die  als  im  engeren  Sinne  kulturliistorisch  zu  bezeichnen  sind. 
gegenüber  der  großen  Menge  derjenigen  Bücher,  die,  irgend  einem  ver- 
u-andlcii  Fachgebiet  angehörig,  nur  nebenher  für  die  Kulturgeschichte  in 
Betracht  kommen,  gerade  dann  sich  freilich  besonders  gern  als  -kultur- 
geschichtlich interessant"  hinstellen,  gegenüber  ferner  den  vielen  von 
Dilettanten  herrührenden  unselbständigen  Kompilationen,  die  die  Bezeich- 
nung Kulturgeschichte  nur  diskreditieren.  Auch  der  Verfasser  des  vor- 
liegenden Werkes  ist  kein  Kulturhistoriker  von  Fach  -  deren  gibt  es 
zurzeit  überhaupt  nur  sehr  wenige  -,  sondern  ein  Kunsthistoriker,  wie 
ja  auch  sonst  l<unsthisloriker  neben  den  Germanisten  besonders  häufig 
auf  kulturgeschichtlichem  Ocbicl  gearbeitet  haben.  Aber  er  hat  ein  echt 
kulturgeschichtliches  Werk,  auf  die  Quellen  gegrilndcl  und  von  großen 
Gesichtspunkten  gelragciij  vollendet.  Deutlich  schwebt  ihm  nicht  nur  äußer- 
lich in  der  Anordnung  des  Stoffes,  sondern  auch  in  der  Autfassung  und 
den  Zielen  der  Arbeit  Jakob  Burckhardts  Kultur  der  Renaissance  in  Italien 
als  Muster  vor.  Wir  dürfen  das  Werk  um  so  mehr  willkommen  heißen, 
als  für  die  gewählte  Zeit  eine  zusammenfassende  kulturgeschichtliche  Arbeit 
durchaus  ein  Bcdürinis  ist.  Ich  selbst  trage  mich  seit  langctn  mit  dem 
Gedanken  der  Daretellung  einer  Periode,  die  nur  teilweise  in  den  von 
Haendcke  bearbeiteten  Zeitraum  hineinfällt,  teilweise  über  ihn  hinau^eht, 
jener  Periode  nämlich,  die  man  als  Zeitalter  der  Perücke,  mit  gewisser 
Beschränkung  auch  als  galante  Zelt  bezeichnen  kann,  und  die  die  Blüte- 


nt  der  Nnzösischen  Bildung  in  Deutscltland  bedeutet  Diese  Zukunfts- 
arbel  vird  nun  von  dem  Buch  Haendckes,  der  die  genannte  Periode 
genJe  nocb,  ohne  sie  übrigens  besonders  zu  untenclieiden,  streift,  nicht 
Bbsflfissig  gemacht.  Jedenfalls  füllt  aber  Haendckes  Werk  eine  Lücke 
ans,  tind  zwar  in  wünschenswertester  Weise. 

Was  an  dem   Buch  auszusetzen   ist,  habe  ich  zum  Teil  bereits  in 

Ar  Deutschen  Lileratnr/eitung(1907,  Nr.  H),  auf  die  ich  für  diese  Punkte 

Kiwöse,  ausgeführt.     Haendcke  geht  in  dem  Bestreben,  eine  oft  herab- 

jeetttc  Zeit  in  ihren  zum  Teil  nicht  genügend  betonten  Lichtseiten  dar- 

sutellen,  das  Qroße  und  Achtunggebietende  der  Ideen  und  Leistungen 

Hau  Periode  nachzuweisen,  etwas  zu  weit.    Jenen  Lichtseiten  gegenüber 

mtea  die  doch  vorhandenen  starken  Schattenseilen  zum  Teil  ganz  zurück, 

nkr  sk  werdeti,  nicht  immer  mit  Recht,   auftauend  entschuidij^,  so  der 

oft  widerwärtige  Servilismus  der  Zeit,  die  gescii macklose  Unnatur  der 

•Komptimentierart'r  des  Schwulstes  und  Bombastes  und  der  abstoßendste 

Zug  der  Zeit,  die  berechnende  Lebensklugheil,  das  allgemeine  Strebertum, 

itczu  völlig  gesinnungsloser  Gnnstbuhlcrci  führt.    Ich  habe  bereits  a.a.O. 

duiuf  hingewiesen,   dafi  Haendcke  den   von   den   damaligen  Menschen 

sdbst   für  diese  verbreitete  moralische  Schwäche    geprägten   Ausdruck: 

tFadaschwänzerei"  gar  nicht  erwähnt,  so  wenig  wie  die  ganze  Erscheinung 

xlbst    Ich  habe  in  meiner  Geschichte  des  deutschen  Briefes   sowie  in 

«direren  Aufsitzen  (z.B.  Strebertum  vor  zweihundert  Jahren,  1893)  genug 

Milnial   dafür  gegeben.      Briefliche   Äulkrungen   einzelner  (man    habe 

•hrutigen  Tages  sich  Betteins  nicht  zu  schämen";    rralles  muß  man  tun, 

w  der  Leute  Gewogenheit  zu  behalten";   «vor  die  Devotion  etwas  Er- 

KCtztiohkeit  haben"  usw.)  wie  die  Anweisungen  der  Klugheitslehren  (.Hänge 

denMantd  nach  dem  Winde,  soweit  es  christlicli  ist";  .man  muß  riechen 

BKh  der  Hof-Luft,  woher  dieseih  am  meisten  wehet,   dahin  nun  sich  zti 

«fiden  hat»)  sprechen  beredt  genug.     Für  die  auffallende  Äußerlichkeit 

ia  Zeit,  die  zum  Teil  aus  dem  eben  charakterisierten  Zug  erhellt,  weiter 

«her  in  dem  verbildeten  Naturgefühl  sowie  in  einer  steigenden  Nüchlern- 

hdt  und  Nützlichkeitsrichtung  des  geistigen  Lebens  (die  andererseits  auch 

ihr  Gutes  hatte)  sich  Tcigl,  hat  Hamdcke  keinen  Blick.  Wenn  er,  wie  bereits 

ingefülirt,  die  Fuchsschwänzerei  nicht  nennt,  so  möchte  ich  femer  noch 

luf  einen  anderen,   bei  ihm  nicht  zu  findenden  Zeitausdruck  hiuwcibcn, 

die  .Schulfüchserei".  Es  ist  das  der  gelahrte  Pedantisntus,  den  neben  der 

ßieologischen  Knechtung  des  Geisteslebens  die  Anhänger  des  Neuen  mit 

Feuereifer  bekämpften.     «Es  war  der  ganze,  aul  das  Formalistische  und 

Metaphysische  gertchlele,  unter  der  Herrschaft  des  humanistischen  Lateins 

Achende  neuscholastische  Betrieb."     (Meine  Gesch.  d.  d.  Kultur,  S.  6)4.) 

OewiD  ist  diese  Richtung  damals  von  den  fortgeschritteneren  Geistern  eben 

ils  Joch  empfunden  worden,  ihre  Ursprünge  u-urzcln  auch   schon   im 

16.  Jahrhundert,  aber  sie  ist  doch  im  17.  Jahrhundert  noch  so  vei1>reilet, 

dafi  man  ohne  ihre   Betrachtung  das  Wesen  der  damaligen  Menschen 


nicht  versieht.    Die  von  Haendclce  S.  244,  2S2  n.  a.  beigebrachten,  cli 
hierfür  in  Betracht  kommenden  Züge  des  geistigen  Lebens  sind  doch 
weitem  nicht  erschöplend  g^eniig.    Auch  der  etwaige  Einwand,,  daß 
seiner  Absicht  gemäß  nur  die  schaffende  Kraft  der  dainaligen  Deutsche 
das  für  die  Zukunft  folgenreiche  in  Betracht  ziehe,  kann  die  geringe 
rücksichligung  einer  fflr  die  Zeit  so  bezeichnenden  Geisleshaltung,  d( 
Schilderung  schon  die   PoÜe  für  den  Kampf  der  freieren  Geister  bilde 
müßte,  nicht  rechtfertigen. 

Im  fibrigen  ist  Hacndckc  mit  Erfolg  bemüht,  alle  Seiten  des 
zu  berücfei  cht  igen,  und  hat  dafür  auch  das  ÜiielSenmaleria]  wie  die  n< 
rinsdiLägige  Literatur  ziemlich  vollständig  herangezogen.    Einige  kldn< 
Arbeiten  von  mir  hätten  neben  der  benutzten  Gesch.  d.  deutsch.  Brie 
vielleicht  noch  ververiet  werden  können,  so  für  S.  $32  (galant)  der  Auf 
.Galant,  curiös  und  politisch"  (Zeitschrift  f.  d.  deutschen  Unterricht 
22  ff.),  für  S.  349  ff.  (Der  Kavaher):  »Die  Idealerziehung  im  Zeitalter 
Perücke'  (Mitteilungen  der  Gesellschaft  f.  deutsche  Erziehungs-  und 
gescliichte  IV,  209  ff.),  für  S.  3SJfT.:  .Beiträge  zur  Geschichte  des  Rcb 
1.  Die  Reisesucht  der  Deutschen  im  16.  und  17.  Jahrhundert-  (Ai 
1893.  Nr.  13  ff.). 

Auf  eine  unerfreuUche  Seite  des  Werkes,  die  ich  hier  nicht  weil 
beleuchten  will,  hin  ich  bereits  in  der  erwähnten  Besprechung  eingeganj 
auf  die  schlechte  Korrekturarbeit  des  Verfassers,  infolge  deren  zahlreJt 
Dnickfehler  nicht  allein,  sondern  auch  sonstige  Verschen  st^en  geblicbco 
sind.  Wie  mangcthart  viele,  ja  die  meisten  Autoren  ihre  Arbeiten  korri- 
gieren, weiß  ich  zwar  aus  der  Erfahnmg  als  Herausgeber  der  Zeitschrift 
und  des  Archivs  f.  Kult.-Gesch.  zur  Genüge.  Wieviel  Fehler,  auch  sachliche, 
ich  durch  meine  Korrektur  bei  fast  allen  Beihrägen,  trotz  der  vorherigen 
Korrektur  der  Autoren,  noch  herausbringen  muß,  ist  gar  nicht  zu  be- 
schreiben, und  nicht  jeder  Herausgeber  würde  stillschweigend  soviel  Zelt 
zur  Beseitigung  Iremder  Fehler  verwenden.  Aber  der  Verfasser  eines 
Buches  muß  eben  selbst  wiederholt  Korrektur  lesen:  das  ist  er  den 
Lesern  schuldig.  Zu  den  in  der  Literatur-Zeitung  von  mir  aufgezählten, 
teilweise  recht  unangenehmen  Fehlem  wäre  noch  eine  ganze  Reihe  weiterer 
hinzuzufügen  (»ie  etw-a  S-  432:  »Polyb-Lcyscr"!):  ich  verzichte  daranf 
und  will  nur  noch  das  unKhünc  Versehen  erwähnen,  daß  das  ganze 
Buch  hindurch  auf  der  linken  Seite  die  Überschrift  des  ersten  Kapitels: 
»Die  Mächle  im  Staate-  wiederholt  ist! 

Auch  das  an  sich  dankenswerte  Register  könnte  man  sich  innerlich 
und  äußerlich  vollkommener  vorstellen. 

Aber  alles  das  sind  Dinge,  die  uns  den  inneren  Wert  des  Buches 
nicht  beeintrSchligen  sollen.  Haendcke  hat  uns  die  von  ihm  gewählte 
Zeit  vielfacli  neu  erschlossen;  er  zeigt  sich  als  Kenner  der  Quellen,  und 
er  besitzt  den  Blick  für  das  wirklich  kulturgeschichtlich  Interessante,  die 
Eigenschaft,  die  in  erster  Linie  den  Kultur  Historiker  ausmacht 

Georg  Steinhausen. 


J 


^10, 


Besprechungen. 


nichl  versteht.    Die  von  Haendcite  S.  244,  252  u.  a.  beigebrachten,  el^ 
hierffir  in  Betracht  kommenden  Züge  des  geistigen  Ixbens  sind  doch 
vciltrm  nicht  erschöpfend  genug.    Auch  der  etvaige  Einwand,-  daß  -■' 
seiner  Absicht  gemäß  nur  die  schaffende  Kraft  der  damaligen  Deutsdii 
das  für  die  Zukunft  Folgenreiche  in  Betracht  ziehe,  kann  die  geringe 
rücfcsichtigiing  einer  für  die  Zeit  so  bezeichnenden  Gcistcshaltung, 
Schildenmg  schon  die  Folie  für  den  Kampf  der  freieren  Qetsler  bilde 
müßte,  nicht  rechtfertigen. 

Im  Obrigen  ist  Hacndcke  mit  Erfolg  bemüht,  alle  Seiten  des 
zu  beriicksicliligen,  und  hat  dafür  auch  d.is  Quellen material  wie  die  ncnt 
einschlägige  Literatur  ziemlich  vollständig  herangezogen.    Einige  kleJm 
Arbeiten  von  mir  hätten  neben  der  benutzten  Qesch,  d.  deutsch.  Brii 
vielleicht  noch  verwertet  werden  können,  so  für  S.  332  ^lant)  der  Aufs 
•Galant,  cnriös  und  politisch"  (Zeitschrift  f.  d.  deutschen  Unterricht 
22  ff.),  für  S.  349  ff.  (Der  Kavalier):  „Die  Idealerziehung  im  Zeitalter 
Perücke"  (Mitteilungen  der  Oesellschaft  f,  deutsche  Erziehungs-  und  Schi 
geschichte  IV,  2oyff.),  für  S.  353  ff,:  «Beiträge  zur  Geschichte  des  Reisen^ 
1.  Die  Reisesucht  der  Deutschen  im   16.  und  17.  Jahrhundert-  (Ausland 
1893,  Nr.  13  ff.)-  ^J 

Auf  eine  unerfreuliche  Seite  des  Werkes,  die  ich  hier  nidit  wcKef*^ 
beleuchten  will,  bin  ich  bereits  in  der  erwähnten  Besprechung  eingegangen, 
auf  die  schlechte  Korrekturarbeit  des  Verfassers,  infolge  deren  zahlreiche 
Druckfehler  nicht  allein,  sondern  auch  sonstige  Verwhen  stehen  gebliebrn 
sind.    Wie  mangelhaft  viele,  ja  die  meisten  Autoren  ihre  Arbeiten  korri- 
gieren, weiß  ich  zwar  aus  der  Erfahrung  als  Herausgeber  der  Zdlschrift 
und  des  Archivs  f.  Kult.-Gesch.  zur  CenQge.  Wieviel  Fehler,  auch  sachliche, 
ich   durch   meine  Koneklur  tiei  Fast  allen  Beilrägen,  trotz  der  vorherijjia^ 
Korrektur  der  Autoren,  noch  herausbringen  muß,  ist  gar  nicht  zu  b^B 
schreiben,  und  nicht  Jeder  Herausgeber  wflrde  stillschwcigrnd  soviel  Zrit    ' 
zur  Beseitigung  fremder  Fehler  verwenden.    Aber  der  Verfasser  eines 
Buches  muß  eben  selbst  wiederholt  Korrektur  lesen:  das  ist  er  den 
Lesern  schuldig.    Zu  den  in  der  Literatur-Zeitung  von  mir  aufgezählten, 
teilweiAc  recht  unangenehmen  Fehlern  wäre  noch  eine  ganze  Reihe  weiterer 
hillzuzufügen   (wie  etwa  S.  432:  «Polyb-Lej-ser»!);    ich   vcirichte  darauf 
und  will  nur  nocii  das  unschöne  Versehen  erwähnen,  daß  das 
Buch  hindurch  auf  der  linken  Seite  die  Über^hrift  des  ersten  Kapit 
«Die  Mächte  im  Staate"  wiederholt  ist! 

Auch  das  an  sich  dankenswerte  Register  könnte  man  sich  innerii 
und  äußerlich  vollkommener  \'orslellen. 

Aber  alles  das  sind  Dinge,  die  uns  den  inneren  Wert  des  Buchi 
nicht  beeinträclitigen  sollen.    Haendcke  hat  uns  die  von  ihm  gewihli 
Zeit  vielfach  neu  erschlossen ;  er  zeigt  sich  als  Kenner  der  Quellen,  u 
er  besitzt  den  Blick  lür  das  wirklich  kulturgeschichtlich  Interessante, 
Eigenschaft,  die  in  erster  Linie  den  Kulturhistoriker  ausmacht. 

Georg  Steinhausen. 


laiaui 

gan^^ 

pitel^ 

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108 


nicht  versteht.  Die  von  Haendckc  S.  244,  252  u.  a. 
hierfür  in  Betracht  komincnden  Züge  des  geistigen  Lr' 
weilcm  nictit  erschöpfend  genug.  Auch  der  etwaig' 
seiner  Absicht  gemäß  nur  die  schaTfende  Kraft  der  d 
das  ffir  die  Zukunft  Folgenreiche  in  Betracht  ziehe,  k 
rücksichtigung  einer  für  die  Zeit  so  bezeichnenden  ( 
Schilderung  schon  die  Poüc  fQr  den  Kampf  der  fn 
müßte,  nicht  rechtfertigen. 

Im  übrigen  ist  Haendckc  mit  Erfolg  bemüht,  : 
zü  berücksichtigen,  und  hat  dafür  auch  das  Qiiellentr 
einschlägige  Literatur  ziemlich  vollständig  herangezo 
Arbeiten  von  mir  hätten  neben  der  benutzten  Oesc 
vielleicht  noch  verwertet  werden  können,  so  für  S.  33: 
-Galant,  airiös  und  politisch"  (Zeilschrift  f.  d.  deu' 
22  ff.),  für  S.  J4vff.  (Der  Kavalier):  «Die  Idealerziel 
PeriicSce-  (Mitteilungen  der  Qeseitschaft  f.  deutsche  K: 
geschichte  IV.  2W  ff.),  für  S.  iSi  [f.:  „Beiträge  zur  C 
1.  Die  Reisesudit  der  Deutschen  im  16.  und  17.  J. 
1893,  Nr.  13  ff.). 

Auf  eine  unerfreuliche  Seile  des  Werkes,  die 
beleuchten  will,  bir  ich  bereits  in  der  erwähnten  Desp 
auf  die  schlechte  KürrckturarbeH  des  Verfasser?,  infi 
Druckfehler  nicht  allein,  sondern  aucli  sonstige  Verst 
sind.    Wie  mangelhaft  viele,,  ja  die  meisten  Autoren 
gieren,  veiO  ich  zwar  aus  der  Erfahrung  ab  Meraii 
und  des  Archivs  f.Kull.-Oesch.  zur  Oenüge.  Wieviel  1 
ich  durch  meine  Korrektur  bei  fast  allen  Beiträgen. 
Korrektur  der  Autoren,  noch   herausbringen  muß,   i 
schreiben,  und  nicht  jeder  Herausgeber  würde  stillsc 
zur  Beseitigung  fremder  Fehler  verwenden.    Aber 
Buches  muß  eben  selbst  wiederholt  Korrektur  Ics 
Lesern  schuldig.    Zu  den  in  der  Literatur-Zeitung  v( 
teilweise  recht  unangenehmen  Kehlern  wäre  noch  eine  ■ 
hiiuuzufügen  (wie  etwa  S.  432:  ,PoIyb-Leyser"!):    ii 
und  will  nur  noch  das  unschöne  Vergehen  erwähni 
Buch  hindurch  auf  der  linken  Seite  die  Überschrift  c 
iiDie  Mächte  im  Staate"  wiederholt  ist! 

Auch  das  an  sich  dankenswerte  Register  könnle 
und  äußerlich  vollkonmiener  vorstellen. 

Aber  alles  das  sind  Dinge,  die  uns  den  innerer 
nicht  beeinträchtigen  sollen.    Haendcke  hat  uns  die 
Zeit  vielfach  neu  erschlossen;  er  zeigt  sich  als  Kennet 
er  besitzt  den  Blick  für  das  wirklich  kullurgeschichtlit 
Eigenschaft,  die  in  erster  Linie  den  Kulturhistorikcr  ai 

Georg  S 


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108 


nicht  versieht.     Die  von  Haendckc  S.  244,  252  u.  a.  be 
hierfür  in  Betracht  kommenden  Zöge  des  geistigen  Lebe 
weitem  nicht  erscliöp(end  genug.    Auch  der  etvaigc 
seiner  Absicht  ßemäß  nur  die  schaffende  Kraft  der  dar 
das  Für  die  Zukunft  Folgenreiche  In  Betraclit  ziehe,  kat 
rücksichtignmg  einer  für  die  Zeit  so  iKzeichnenden  Cu 
Schilderung  schon  die  Folie  für  den  Kampf  der  freii 
müßte,  nicht  rechtfertigen. 

Im  übrigen  ist  Haendckc  mit  Erfolg  btmüht,  all 
zu  berücksichtiRcn,  und  hat  dafür  auch  das  QucILciima' 
einschlägige  Literatur  ziemlich  vollständig  herangezogt 
Arbeiten  von  mir  hätten  neben  der  beuutzteu  Oescli. 
vielleicht  noch  verwertet  werden  kftnnen,  so  für  S.  332  i 
.Galant,  curiös  und  politisch*  (Zeitschrift  f.  d.  deuts> 
22  ff.),  für  S.  349  ff.  (Der  Kavalier}:  „Die  [dealerziehu 
Perücke"  (Mitteilungen  der  Ccsellschaft  f.  dcutsclie  Erz 
geschichte  IV,  209  ff.),  für  S.  353  ff.:  -Beilräge  zur  Q< 
1.  Die  Reisesucht  der  Deutschen  im  16.  und  17- 
Iö93,  Nr.  I3f(.). 

Auf  «nc  unerfreuliche  Seite  des  Werkes,  die  i> 
beleuchten  will,  bin  idi  bereits  in  der  erwähnten  Besprt 
auf  die  schlechte  Korrekturarbeit  des  Verfassers,  infol, 
Druckfehler  nicht  allein,  sondern  auch  sonstige  Ve 
sind.  Wie  mangelhaft  viele,  ja  die  meisten  Autoren 
gieren,  weiß  ich  zwar  aus  der  Erfahrung  als  Herai 
und  des  Archivs  f.Kult.-Gcsch.  zur  Genüge.  Wieviel  Fe 
ich  durch  meine  Korrektur  bei  fast  allen  Beiträgen, 
Korrektur  der  Autoren^  noch  herausbringen  muß,  i^- 
schreiben,  und  nicht  jeder  Herausgeber  würde  slillscli 
zur  Beseitigung  fremder  Fehler  verwenden.  Aber  < 
Buches  muß  eben  selbst  wiederholt  Korrektur  lese 
Lesern  schuldig.  Zu  den  in  der  Literatur-Zeitung  voi 
teilweise  recht  unangenehmen  Fehlem  wäre  noch  eine  t 
hinzuzufügen  (wie  etwa  S.  432:  t.Polyb-Lcyser*!);  '\c 
und  will  nur  noch  das  unschöne  Versehen  enrähiK 
Buch  hindurch  auf  der  linken  Seite  die  Überschrift  u 
.Die  Mächle  im  Staate"  wiederholt  ist! 

Audi  das  an  sich  dankenswerte  Kegister  köniUt 
und  äußerlich  vollkommener  vorstellen. 

Aber  alles  das  sind  Dinge,  die  uns  den  inn< 
nicht  beeinträchtigen  sollen.  Haendckc  hat  uns  die 
Zeit  vielfach  neu  erschlossen;  er  zeigt  sich  als  Kennet 
er  besitzt  den  Blick  für  das  wirklich  kulturgcschichtHc 
higenschaft,  die  in  erster  Linie  den  Kulturhistoriker  ai 

Georg  S 


nicht  versteht  Die  von  Hacndckc  S.  244,  252  u.  a.  bdRcbrachtcn,  etwa 
hrerfflr  in  Betracht  kommenden  Züge  des  geistigen  Ijclxns  sind  doch  bei 
weilcm  nicht  erschöpfend  genug.  Auch  der  etwaige  Einband,  daß  er 
seiner  Absicht  gemäß  nur  die  schaffende  Kraft  der  damaligen  Deutschen, 
das  für  die  Zukunft  Folgenreiche  in  Betracht  ziehe,  kann  die  geringe  Be- 
rücksichtigung einer  für  die  Zeit  so  bezeichnenden  Geistes hal tu ng,  deren 
Schilderung  schon  die  Folie  für  den  Kampf  der  freieren  Ueister  bilde^^ 
müHte,  nicht  recht  fertigen.  ^H 

Im  übrigen  ist  Haendcke  mit  Krfolg  bemfiht,  alle  Seiten  des  Lebens 
zu  berücksichtigen,  und  hat  dafür  auch  das  QuellenniateriaJ  wie  die  neuere 
einschlägige  Literatur  ziemlich  vollständig  herangezogen.  Einige  kleinere 
Arbeiten  von  mir  hätten  neben  der  benutzten  Gesch.  d.  deutsch.  Briefes 
vielleicht  noch  verwertet  werden  können,  so  für  S.  332  (galant)  der  Aufsatz: 
„Galant,  curiös  und  politisch"  (Zeitschrift  f.  d.  deutschen  Unterricht  IX, 
22  ff.),  für  S.  349  ff.  (Der  Kavalier):  -Die  Idcalerachung  im  Zeitalter  der 
Perücke-  (Mitteilungen  der  Gesellschaft  f.  deutsche  Erziehungs-  und  Schiil- 
geschlchle  IV,  2W  ff.),  für  S.  3S3  ff.:  „Beiträge  zur  Geschichte  des  Reisens, 
1.  Die  Reisesucht  der  Deutschen  im  16.  und  17.  Jahrhundert"  (Ausland 
1893,  Nr.  13  ff.). 

Auf  eine  unerfreuliche  Seite  des  Werkes,  die  ich  hier  nicht  weiter 
beleuchten  will,  bin  ich  bereits  in  der  erwähnten  Besprechung  eingegangen, 
auf  die  schlechte  Korrekt urarbeil  des  Verfassers,  infolge  deren  zahlreiche 
Druckfehler  nicht  allein,  sondern  auch  sonstige  Versehen  stehengeblieben 
sind.  Wie  mangelhaft  viele,  ja  die  meisten  Autoren  ihre  Arbeiten  korri- 
gieren, weiß  ich  zwar  aus  der  Erfahrung  als  Herausgeber  der  Zeitschrift 
und  des  Archivs  f.  Kult.-Gesch.  zur  Genüge.  Wieviel  Fehler,  auch  sachliche, 
ich  durch  meine  Korrektur  bei  fast  allen  Beiträgen,  trotz  der  vorherigen 
Korrektur  der  Autoren,  noch  herausbringen  muß,  ist  gar  nicht  zu  be- 
schreiben, und  nicht  jeder  Herausgeber  würde  stillschweigend  soviel  Zeit 
zur  Beseitigung  fremder  Fehler  verwenden.  Aber  der  Verfasser  eines 
Buches  muß  eben  selbst  wiederhoH  Korrektur  lesen:  das  ist  er  den 
Lesern  schuldig.  Zu  den  in  der  Literatur-Zettung  von  mir  aufgezählten, 
teilweise  reclil  unangenehmen  Fehlem  wäre  noch  eine  ganze  Reihe  wetlerer 
hinzuzufügen  (wie  etwa  S-  432;  MPolyb-Leyser*!):  ich  verzichte  darauf 
und  will  nur  noch  das  unschöne  Versehen  erwähnen,  daß  das  ganze 
Buch  hindurch  auf  der  linken  Seite  die  Oberschrift  des  ersten  Kapitels: 
»Die  Mächte  im  Staate'  wiederholt  ist! 

Auch  das  an  sich  dankenswerte  Register  k^Snnte  man  sich  innerlich 
und  äußerlich  vollkommener  vorstellen. 

Aber  alles  das  sind  Dinge,  die  uns  den  inneren  Wert  des  Buches 
nicht  beeinträchtigen  sollen,  Haendcke  hat  uns  die  von  ihm  gewählte 
Zeit  vielfach  neu  erschlossen ;  er  zeigt  sich  als  Kenner  der  Quellen,  und_ 
er  besitzt  den  Blick  für  das  wirklich  kulturgeschichtlich  Interessante, 
Eigenschaft,  die  in  erster  Linie  den  Kulturhistoriker  ausmadit. 

Georg  Steinhausen. 


Besprechungen, 


109 


Fricdridi  HottenroÜt,  Die  Nassauischen  Volkstrachten,  auf  Qnind 
ds  rora  tAintsgerichtsrat  a.  D.  Dftssell  gesammelten  Materials  bearbeitet. 
Hoiusgegcben  vom  Verein  für  Nass.  Altertumskunde  und  Oeschichts- 
iondning.  Mit  29  farbigen  Tafeln,  39  Trachtenabbild  im  gen  und  einer 
Religionskanc  im  Text  sowie  einer  Trachten  typen- Karte.  Wiesbaden,  Selbst- 
«rlig  des  Vereins,  1905.    (XII,  225  S.)    (Nicht  im  Buchhandel ) 

Zu  dem  schönen  Hessischen  Trachtenbuch  Justis  erhalten  wir  in 
den  vorliegenden  Werk  ein  vortreffliches  Seitenstück.    Seinen  Urspmng 
mdankt  es  dem  im  Titel  genannten  DQssell,  der  auch  >die  Sammlung 
Manischer  Volkstrachten  im  dortigen  Landesmuseum,  auf  welcher  die 
to  gdwtene  Darstellung  zunächst  beruht,  erst  geschaffen*  hat.    Die  von 
ihffl  herrührenden   Vorarbeiten,    handsdiriftüchc  Notizen   wie  bildliche 
Darstellungen ,  hat  der  auf  dem  Gebiet  der  Trachtengeschichle  bewährte,  als 
Autorität  bekannte  Friedrich  hottenroth  zur  Grundlage  seiner  Bearbeitung 
gcnucfat,  die  vorhandenen  Lücken  dabei  tuch  Möglichkeit  zu  ergänzen 
gtsuchl.  freilich  nur  für  einen  geringen  Teil  des  Werkes  aus  lebendiger 
Anschauung   schöpfen   können.      Auch    der   Mithilfe    und    ergänzenden 
ftüfung  durch  die  Mitglieder  der  dafür  eingesetzten  Kommission  und 
diie  Reihe   landeskundiger  Männer  hat  sich  H.  zu  erfreuen  gehabt.    Die 
Schwierigkeit  liegt  darin,  daü  die  in  Nassau  einst  so  zahlreichen  Trachten 
□tm  gröBten  Teil   verschwunden  sind.     Daraus  ergiebt  sich  auch  der 
besondere  Wert  des  Düssellschen  Materials.    Zur  Vervollstündigung  sind 
jedenfalls    alle    erreichbaren    Mittel    benutzt,    so  die   Erinnerungen   alter 
Leute,  die  noch  hier  und  da  vorhandenen  Trachlenstücke,  auch  alte  volks- 
lümlichc  Gemälde  usw.     In  letzterer  Beziehung  sei  hier  eine  Stelle  (S.  14?) 
benttsgehoben :  «Das  alte  Marfels  (Marienfels),  der  Mittelpunkt  des  ganzen 
Einrichgaues,  besitzt  an  der  Empore  der  ehemaligen  Klosterkirche  in  Ge- 
mälden aus  dem  Jahre  1752  die   Abbildung  bäuerlicher   imd   jüdischer 
Gestalten  in  den  Kostümen  aus  der  Zeit   ihrer  Anfertigung.    Das  Bild 
(Tafel  XX)   erinnert  an  mitlclalterllche  Darstellungen  und  zeigt,   wie  der 
Bauer  auf  diesem  weltabgeschiedenen  Stück  Erde  im  AUhergebrachlen 
stecken  geblieben  ist.    Rock,  Hose,  Mütze  und  Stiefel  könnten  ebensogut 
aus  dem  15.  als  aus  dem  18.  Jahrhundert  stammen."     Wie  hier,  kommt 
auch  sonst  neben  dem  eigentlich  volkskuiidlichen  das  kiilturgeschichllichc 
Moment  im  engeren  Sinne  zur  Geltung.     Hottenroth  hat  auch  eine  wert- 
volle rein  geschichtliche  Einleitung  vorangestellt:  Ȁltere  Bauern trach toi 
bis  zur  Entwicklung  der  Volkstracht.'    Die  Entstehung  der  kostümlichen 
Absondening  ist  allgemein  wichtig:  sie  bildete  sich  wesentlich  im  16.  Jahr- 
hundert und  zu  Beginn  des  17.  Jahrhunderts  aus  und  steigerte  sich  dann. 
,Um  die  Zeit,  da  die  Karte  von  Deutschland  .im  buntscheckigsten  aussah, 
standen  die  Volkstrachten  in  ihrer  höchsten  Blüte,  und  als  die  politischen 
Parfoen  anfingen  sich  zu  vermindern,  kamen  auch  sie  zum  Stillstand  und 
allmählich  in  Rückgang.-    Mit  Redit  betont  zhcr  H  den  allen  Kennern 
bekannten  Satz:   .alle  Volkstrachten  sind  aus  historischen,  aus  Mode- 


traditcn  hfrvorgegangen  und  stehen  im  Banne  von  deren  Hauptformcn, 
die  der  jeweilige  Zeitgeist  geschaffen  hat."  H.  hat  Obrigcns  auch  Notizen 
über  Sitten  und  Brauche  in  sein  Bucli  aufgenommen,  insbesondere  über 
Hochzeits-,  Tanf-  und  Btegräbnisbräuche,  die  j&  *ntjt  den  Trachten  gleich- 
sam vcrsch visiert'  sind. 

Die  Beschreibung  der  Trachten  Im  einzelnen  geht  naturgemäß  auch 
aiir  das  kleinste  ein  und  macht  den  Eindnick  peinlicher  Sorgfalt.  Es 
werden  dabei  die  evangelischen  und  die  katholisciien  Gebietsteile  unter- 
schieden. Als  Haupttypen  der  Volkstracht  in  Nassau  stellt  H.  die  alt- 
nassauische  mit  ihren  Spielarten,  die  kurtrierische,  die  kurraain zische, 
die  hessische,  die  saynsche,  die  wiedische  und  die  pfälzische  Tracht  auf. 

Georg  Steinhausen. 


0.  Kiefer,    Die  körperliche  Züchtigung  bei  der  Kindererziehu 
in  Qcschidite   und   Beurteilung.    Ein   Buch    für   Eltern    und   Eiziehe^ 
Berlin,  Alb.  Kohler.  19ü4.    {V,  196  S.) 

Kiefers  Mojiographie  will  eine  »Kullurgeschichle  des  Kinderstraf- 
mittels  der  körperlichen  Züchtigung"  von  den  ältesten  Zeiten  bis  in  die 
Gegenwart  im  Zusammenhang  mit  den  jeweils  vorherrschen  den  Kulturzu- 
ständcn,  vor  allem  den  jeweiligen  religiösen  und  moralischen  Anschau* 
ungen,  geben.  Der  Verfasser  ist  ein  leidenschaffUcher  Gegner  der  Prügel- 
strafe; seine  Schilderung  hat  dKhalb  neben  der  wissenschaftlichen  Auf- 
klärung sicher  aucli  den  Zweck,  dem  Gedanken  einer  humanen,  milden 
Er7iehung  Freunde  zu  gewinnen.  Ich  bin  unter  diesen  Umständen,  so 
sympathisch  mir  auch  der  Standpunkt  des  Verfassers  ist,  nicht  sicher,  ob  ersieh 
als  objektiver  Historiker  überall  auf  der  richtigen  raittlcrcn  Tatsachen- 
Unic  gehalten  hat.  Daß  es  einem  Gegner  nicht  schwer  werden  würde, 
recht  viele  Zeugnisse  entgegengesetzter  Arl  zu  sammeln  und  so  die  Dar- 
stellung zu  einem  mehr  oder  weniger  .ibwcich enden  Gesamtresultat  zu  führen, 
scheint  mirallerdings  sicher.  Aberauch  das  ist  gewiß,  daß  kulturgeschichtliche 
Monographien  dieser  Art  niemals  ganz  einwandfrei  sind  und  sein  können. 
Nach  Ks.  Darstellung  spielt  die  Prügelstrafe  weder  bei  den  heutigen 
Naturvölkern  nodi  bei  den  Völkern  des  Altertums  eine  erhebliche  Rolle. 
Eine  Ausnahme  machen  unter  den  Völkern  des  Altertums  nur  die 
Griechen  und  Römer,  bei  denen  aber  die  nbesten  MiSnner"  audi  stets 
für  eine  mäßige  Anwendung  der  Strafe  eingetreten  seien,  und  dann  vor 
all«  die  Juden.  Die  jüdische  Auffassung  von  der  Verderbtheit  der 
mensclilichen  Natur  und  von  der  Notwendigkeit  harter  Körperstrafen  hat 
sich  dann  das  Mittelalter  zu  eigen  gemacht.  Ein  grundsätzlicher  Um- 
schwung setzt  erst  mitRousseauein;  aberauch  .tus  der  neuesten  Zeit  weiß  K. 
noch  viel  Trübes  aus  der  Theorie  und  Praxis  der  «pfäffischen"  Volks-  und 
Kindererzieher  zu  berichten. 

Rostock.  G.   Kohfeldt. 


I 


m 


Kleine  Mitteilungen  und  Referate. 


Der  amerikanische  Forscher  Edgar  J.  Bank«  hat,  wie  die  Tigl. 
Rundschau  mitteilt,  tn  den  unteren  Schichten  von  Bisniyra  die  bisher 
«hl  älteste  Kulturstätte  Babylonicns  gefunden.  Er  begann  seine  Aus- 
pabungeii  bereits  1903,  veröffenllidit  aber  erst  Jetzt  die  Ergebnisse  In  PiU- 
auDS  Magazine.  Er  stieß  ll'/j  Meter  unter  der  Oberfläche,  deren  Bau- 
veriie  schon  der  Zeit  von  2700  bis  4500  v.  Chr.  angeh&ren  sollen, 
uf  die  Trömmer  einer  nodi  viel  alleren  Stadt.  Dort  fand  er  eine  kleine 
Rgur  ohne  Kopf,  letzterer  ist  später  aber  noch  entdeckt  worden.  Banks 
pht  in  seiner  Zeitbestitnmung  der  Kultur  ßabyloniens,  der  diese  Figur 
ugdtörte,  bis  auf  4500  und  veiter  v.  Qir.  zurück  Nach  Banks  ver- 
brannten die  früheren  Bevohncr  Mesopotamiens  ihre  Toten.  Es  sind  auch 
Tontafeln  gefunden  worden,  deren  Deutung  wohl  ober  die  »Urzeit  der 
lUenschen"  verläßlichere  Auskunft  bringt  als  Banks  Vermutungen  (Beilage 
lur  [Münchner]  Allgemeinen  Zeitung,  H.  43). 

Die  Urzeit  der  ägyptisdicn  Kultur  sctiilüert  auf  Grund  der  Aus- 
irabnngscTigebntsse  der  letzten  15  Jahre  A.  Moret  in  der  Revue  de  Paris 
vom  15.  März  1907  (L'Iigypte  avant  les  pyramides). 

Der  unermüdliche  Äg>'ptoIoge  Flindcrs  Petrie  hat  bei  seinen  Aus- 
grabungen in  Rifeh,  Oegcnd  von  Asiut,  im  letzten  Winter  eine  große 
Anzahl  altägyplischer  Secicnhäuschen  zutage  gefördert,  die  bisher  nur  vcr- 
diuelt  in  den  Mu-seen  vertreten  waren.  Er  kann  Jetzt  ihre  Entwicklung 
TOD  der  prähistorischen  Zeit  bis  zti  den  späteren  Dynastien  nachweisen, 
wn  den  einfachen  Matten  und  Steinplatten  an,  auf  die  man  die  Speisen 
%die  Seelen  der  Abgeschiedenen  legte,  bis  zu  allerlei  künstlichen  kleinen 
Biaten  aus  Ton  mit  Stufen,  Säulen,  Gemächern,  Haushalt  im  Innern,  die 
loch  aus  dem  Gründe  von  Wichtigkeit  sind,  weil  sie  uns  die  Modelle  der 
nicht  erhaltenen,  aus  Lehm  hergestellten  bürgerlichen  Wohnhäuser  der 
Ahigypter  darstellen.  Diese  Tonhäuschen  enthielten  die  Nahrung  für 
äleSeden  und  wurden  auf  die  Grüber  gestellt,  damit  dort  die  Seele  sidi 
«Bahre  und  nicht  etwa  ins  Dorf  zurückkehre.  Die  Seele  stieg  aus  der 
Enk  empor  und  fand  im  Häuschen  die  nfitige  Wohnung  und  Nahnmg. 


Dabei  bedurfte  sie  auch  der  Tische,  Stühle,  Betten,  und  auch  diese  finden 
xirir  in  Tonmociellen  in  den  Seelenhäitsem. 

In  dem  kürzlich  erschienenen  34.  Heft  der  Mitteilungen  der 
Deutschen  Ortcnt-Qesellschaft  berichtet  Borchardt  ilber  den 
günstigen  Erfolg  einer  Versuchsgrabung  auf  dem  Gebiete  von  TcU-el- 
Amarna,  der  Residenz  des  ■.Ketzerkflnigs"  Amcnophis  IV.,  die  dieser,  im 
schärfsten  Gegensatz  zu  der  polytheistischen  Religion  seines  Volkes,  der 
allen  Menschen  Leben  spendenden  Sonne  als  der  einzigen  von  ihm  an- 
erkannten und  verehrten  Gottheit  erbaut  hatte  (um  1 375  v.  Chr.).  Da  die 
Stadt  Amenophis'  nur  kurze  Zeit  gestanden  hat  und  ihre  Stelle  nach  ihrer 
ZerstÖntng  nie  wieder  besiedelt  worden  ist,  so  verepricht  die  übrigens 
sehr  ausgedehnte  Ruinenstätte,  wie  die  Tastung  gezeigt  hat,  noch  immer 
reiche  Ergebnisse,  obwohl  nun  schon  seit  fast  hundert  Jahren  in  ver- 
schiedenen Teilen  der  Sladtniiue  größere  und  kleinere  Grabungen  ausee- 
fflhrt  worden  sind.  Besonders  unsere  Kenntnis  der  Wohnungen  vor- 
nehmer Ägypter  aus  dieser  Zeit  der  höchsten  Verfeinening  wird  durch 
systematische  Ausgrabungen  noeh  um  ein  Bedeutendes  vermelirt  werden. 
B.  schildert  ferner  den  nun  völlig  freigelegten  Totenlempel  des  Königs 
Nefererkerc  bei  Abusir  (um  2700  v.  Chr.)  und  führt  auf  Farbenlafein 
wundervolle  Scheingcfäfie  aus  vergoldetem  Holz  mit  eingelegten  hell-  und 
dunkelblauen  Fayenceornamenten  vor  Augen.  Diese  Gefäße  wtirden  im 
Altertum  wohl  bei  Prozessionen  im  Totenkult  des  Königs  gd>rauchl.  Be^ 
sonders  hervorzuheben  sind  die  ä.stheti,<icU  und  kunstgeschichtilch  be- 
deutenden Relieffunde  im  Totenlempel  des  Königs  Sahure,  eines  Vor- 
gängere  des  Königs  Nefererkerc.  Die  Grabung  wird  erst  im  Laufe  des 
Herbstes  beendigt  werden.  In  Verbindung  mit  der  Rudolf-Vlrchow-Stiftung 
liat  die  Deutsche  Orient-Gesellschaft  die  Untersuchung  des  vort[Cschicht- 
lichen  Friedhofs  bei  Abusir-el-Meleq  beendet.  Dr.  Möller  berichtet  über 
erfreuliche  archäologische  Ergebnisse  dieser  Grabung,  von  deren  Ausbeute 
nach  dem  Plan  der  Deutsclien  Orient-Gesellschaft  die  vorgeschichtlichen 
Sammlungen  Deutschlands  Anteile  erhalten  sollen  (Deutsche  Uleratur- 
zeitung  )907,  Nr.  -(2). 

Aus  der  Zeitschrift  KHo  (VI,  1)  verzeichnen  wir  die  Abhandlung  von 
E.  Kornemannr  Zu  den  Siedelungsverhältnissen  der  myke- 
nischen  Epoche. 

Zur  Orientierung  über  die  so  ungemein  wichtig  gewordene  Papjxus- 
titeratur  sei  der  Bericht  von  P.  Viereck  über  die  griechischen  Pa- 
pyrusurkunden (1899-1905)  in  dem  Jahresbericht  über  die  Fortschritte 
der  klassischen  Altertumswissenschaft  (19U6,  H.  ll/)2)  empfohlen. 

Aus  dem  American  Journal  ol  Archaeology  (11,  2)  erwühnen  wir 
die  Arbeit  von  P.  Baur,  Prc-Roman  antiquities  of  Spain. 

O.  W.  Botsford  ba^ndelt  in  The  PoUtical  Science  Quarterly  (21, 
Nr.  3)  über  The  social  composition  of  the  primitive  Roinan_ 
populus. 


über  dit  Funde  in  Ostia  unterrichtcl  in  der  Nuova  Antologia 
11907, 16.  Juli)  A-  Calza  in  einem  instruktiven  Aufsatz:  Ostia  antica; 
movr  scoperle  e  ricognizioni. 

Aus  der  Glotta  {I,  H.  1)  nennen  wir  hier  den  Beitrag  von  F. 
SJcntscb,  Vom  pompejanischcn  Straßcnlcbcn. 

Detlefsen  behandelt  in  der  Heimat  (Jg-  17.  Nr.  1)  die  ältesten 
Nichrichten  über  den  deutschen  Norden. 

In  den  Deutschen  GeschichtsblSttem  (8,  H.  9)  weist  R.  KStzschke 
luf  die  Bedeutung  der  Fluß namcn  für  die  Sied clungsgeschichte 
bin,  Tobei  er  sich  des  näheren  auf  das  Qebiet  der  mittleren  Elbe  und 
Stile  bezieht,  und  fordert  eine  Sammlung  dieser  Namen. 

Zu  der  Frage  der  sogenannten  Gebundenheit  des  Mittelaltere  nimmt 
M.  Kemmerich  in  einem  Ideinen  Beitrag  zu  der  Zeitschrift  Deutschland 
(IW7,  837-S44):  Ein  Beitrag  zur  Frage  vom  Werte  der  Persön- 
lichkeit Im  Mittelalter  in  interessanter  Weise  auf  Grund  der  Belrach* 
Umg  seines  Spezialfeldes,  des  Porträts,  Stellung.  Er  kommt  zu  folgendem 
Raultat:  .Von  der  Gebundenheit  der  mittelalterlichen  Persönlichkeit  im 
Oegensatz  zur  Freiheit  der  modernen  zu  sprechen,  ist  nur  mit  großen 
Einschrin klingen  statthaft.  Denn  weder  war  der  mittelalterliche  Mensch 
»  wenig  frei,  wie  es  scheinen  könnte,  »cnn  wir  ihn  nur  als  typischen 
Votreter  eines  Standes  gelten  lassen  vollen,  noch  auch  ist  der  der  Gegen- 
«al  so  frei,  wie  man  aus  diesem  Gegensatz  herauslesen  zu  können  glaubt.' 
h  bandelt  sich  »hier  um  fließende  Gegensätze,  die  schwer  in  eine  Formel 
m  fassen  sind.  Am  ehesten  geht  dies  vielleicht  noch  gegenüber  dem 
Abbild  einer  Person,  sozusagen  ihrem  Stellvertreter,  dem  Porträt  Während 
die  riumliche  Distanz  zwischen  uns  und  dem  Dargestellten  uns  nicht 
mehr  von  der  Verpflichtung  historischer  Treue  entbindet,  hat  sich  die 
zeitliche,  sofern  wir  ihr  diese  befreiende  Wirkung  einräumen,  beträchtlich 
nrüagcrt;  aus  materiellen  Gründen  aber  die  PietSt  ni  verleugnen,  ist 
dem  Denken  der  Gegenwart  nicht  mehr  erträglich".  -  Es  sd  hierbei 
fiejch  auf  einen  Aufsatz  Kemmerichs  in  der  Beilage  zur  Allgemeinen  Zeitung 
{1M7,  Nr.  196):  Eine  deutsche  Kaiserikonographie  hingewiesen, 
tB  dem  er  die  Notwendigkeit  einer  solchen  Ikonographie  der  deutschen 
Heincber  zu  erweisen  sucht.  Die  Vorbedingung  ffir  die  Einbeziehung 
lucta  des  frühen  Mittelalters  ist,  daß  auch  jene  Zeil  Porträtfähigkeit 
ia  beschränktem  Umfange  besaß.  Hierfür  glaubt  K.  den  Beweis  erbracht 
a  haben  (vgl.  auch  die  Notiz  im  vorigen  Heft  des  Archivs  S.  495). 

Die  von  Walter  Goetz  in  der  Historischen  Zeitschrift  (3.  Folge, 
Bd.  II,  H.  1)  veröffentlichte  Antrittsrede  über  Mittelalter  und  Renais- 
sance beginnt  mit  einer  Art  Vorgeschichte  des  Begriffs  Renaissance, 
mit  der  Darstellung  der  Fortschritte  in  der  Erkenntnis  dieses  Begriffs,  die 
aber  bis  zu  Jakob  Burckhardt  nur  Ansiatze  zu  einiT  neuen  Erfassung  der 
italienischen  Entwicklung  vom  13.  bis  7um  16.  Jahrhundert  xraren.  Erst 
Burckhardt  und  Georg  Voigt  gaben  dem  noch  schwankenden  Begriffe  den 

Ajctti*  Wr  Kn)(nn:ochichtc.    VI.  Ji 


entscheidenden  Inhalt-  Eingehend  erörtert  O-,  wie  Burcicbardt  zur  Re- 
naissance, die  er  vom  italienischen  VoIW^eisl  und  von  der  Antike  abhängig 
seit!  länt,  kam.  Seine  Anschauungen  herrschten  dann  ein  paar  Jahrzehnte 
uneinKcschränkl,  bis  vor  nicht  langer  Zeit  die  Opposition,  namentlich 
diircti  H.  Thode  und  Karl  Neiimann,  ztim  Ausdnick  kam.  (Vgl.  dieses 
Archiv  I,  ■19sr)  Darnadi  ist  die  Renaissance  nichts  anderes  als  die 
volle  Weitcreiitwickhing  des  miltclalleflichen  Lebens.  Die  Frage  vom 
Einfluß  des  Altertums  auf  das  Werden  der  Renaissance  bleibt  aber  nach 
Q.  durchaus  offen.  Sie  wird  von  O.  mit  einigen  Sätzen  erörtert.  Vieles 
hat  man  freilich  jetzt  am  Mittelalter  besser  kennen  gelernt,  audi  wird 
mit  Recht  die  Annahme  einer  jähen  Unterbrechung  verworfen. 

\X'ähreiid  die  kuHurgeschiditlichen  Beiträge  aus  den  Zeitschriften 
der  historischen  Vereine  hier  sunst  einzeln  an  der  sachlich  in  Betracht 
kommenden  Stelle  Erwähnung  finden,  sei  bei  dem  neuesten  Bande  des 
Archivs  für  Frankfurts  Qeschichte  und  Kunst  (3.  Folge,  Bd.  IX) 
auf  die  Vereinsschrift  als  solche  hingewiesen,  da  der  vorliegende  Band 
zum  SojShrigen  JubitSum  des  Vereins  erschienen  Ist.  Er  wird  denn  aucli 
mit  einem  Rückblick  auf  die  Entstehung  und  Entwicklung  des  Vereins 
von  tüS7  bis  1907  (von  A.  Riese)  eingeleitet,  aus  dem  die  Ixistungcn  des- 
selben und  seine  Verdienste  insbesondere  auch  um  die  Erforsdiung  der 
Vaterstadt] sehen  Kulturgeschichte  ersichtlich  werden.  Ausdr^ickÜch  sd 
dabei  auf  das  bcigeffigte  Verzeichnis  der  vom  Verein  veröffentlichten 
Schriften  hingewiesen.  Aus  dem  weiteren  Inhalt  des  Bandes  seien  als 
kulturgesdiichUich  interessant  noch  folgende  Beiträge  genannt.  R.  jung 
handelt  über  Frankfurter  Hochschulpläne  US4-iS6ö.  Er  geht  aus  von 
dem  frühzeitig  auftretenden  Vorurteil  gegen  Frankfurt  als  Sitz  des  Mammo- 
nJsmus  und  Malerialismus  und  will  die  alte  Reichsstadt  von  der  schon  von 
Ooethe  betonten  Seite  der  Pflege  geistiger  Interessen  zeigen.  Dieser 
(.Beitrag  zu  der  noch  zu  schreibenden  Qeschichte  des  geistigen  Lebens" 
in  F.  ergibt  sogar,  «daß  es  einige  Male  gerade  der  Handelsstand  gewesen 
ist,  aus  dessen  Kreisen  der  Wunsch  laut  wurde,  der  Materialisierung  durch 
das  geschäftliche  Leben  ein  Gegengewicht  in  der  Pflege  des  geistigen 
gegenüberzustellen".  Auf  Einzelheiten  kann  hier  nicht  eingegangen  werden. 
erwähnt  sei  nur  der  älteste  Versuch  Frankfurts  von  1384.  -daz  shidium 
von  Parys  gegen  Franckfurt  zu  legen."  der  wohl  auf  den  Kreis  der  deutschen 
Dissidenten,  die  1383  in  größerer  Zahl  die  Pariser  Hochschule  verließen, 
zurücl^ht,  und  mit  dessen  Gelingen  Frankfurt  Heidelberg  zuvorgekommen 
vire.  —  Als  eine  gründliche  Arbeit  stellt  sich  die  von  F.  Schrod,  Zur 
Qeschichte  der  Deutschordens-Komturei  Sachsenhausen  bis  zur  Mitte  de» 
14.  Jahihunderts,  dar,  die  die  ältere  Arbeit  von  Niederinayer  wesentlich 
ergänzt  und  vor  allem  auch  berichtigt.  -  In  den  nun  folgenden  Beiwägen 
zur  Reformalionsgeschichle  der  Stadt  Frankfurt  a.  M.,  Teil  I,  gliedert  Karl 
Euler  den  Inhalt  einer  bisher  unbekannten  Aktcnsammlung  des  Wiener 
Haus-,   Hof-  und  Staatsarchivs    in  die    bisher    bekannte  Reformations- 


d 


erscbichte  von  Frankfurt  ein.    (1.  Die  Bornheimer  Eingabe  1S2S-1S24; 

1  Zw  Vorgeschichte  des  ZGnfte.iufslandes  von  1S2S.)  -  Nach  zwei  politisch- 

hidorischen  Beitragen  von  J.  Kracaucr  und  R.  Jung  folgt  schließlich  eine 

■trtKhifts-  wie  allgemein  kulturgeschichtlich  wichtige  Arbeit  von  Fr.  Bothe, 

OisTalanientdcs  Frankfurter  GrolSkaufniafins  Jakob  Heller  vom  jähre  1519. 

B.  bezeichnet  diese  Arbeit  ebenso  wie  die  kürzlich  als  zweites  hrgänzungsheft 

iiBseres  Archivs  für  Kulturgeschichte  erschienene  Schrift  über  Frankfurter 

Ftoiäervennögen  im  16.  Jahrhundert   mit  Recht  als  einen  Beitrag  zur 

ChuakterisÜk  der  bürgerlichen  Vermögen  und  der  bürgerlichen  Kultur 

iffl  Ausguß  des  Mittelalters.     »Sic  berichtet  einesteils  im  Anschluß  an 

täe  Steuergeschichte  Frankfurts  von  der  Ziisainmeusetzung  des  Besitzes 

m  den  radieren  patrizischen  Kreisen  und  anderenteils  von  der  Geistes- 

wfissung,  dem  religiösen  Denken,  dem  Qemütsleben,  dem  sozialen  Emp- 

Gfldeo  sowie  von  den  Beziehungen  zur  Kunst,  die  in  den  oberen  Schichten 

(kr  Frankfurter  OescIlschafI   herrschten.     Freilich   ist  Jakob   Heller  in 

■Mchcf  Hinsicltt  kein  Typus  seiner  Zeit-  und  seiner  Standesgenossen. 

NtmenÜich  In  religiösen  Fragen  nimmt  er  eine  andere  Stellung  ein  als 

virie,  die  ihm  gesellschaftlich  nahegestanden  haben:  er  war  ein  Gegner 

der  Freiheitsbewegung.    Aber  gerade  darum  kann  er  liier  gut  als  Vertreter 

der  alten  Richtung  dienen;  zu   ihrer  Beurteilung  bringt   sein  Testament 

nanchen  Anhaltspunkt."    Die  Ausführungen  über  die  Privatwirtsdiafl  von 

frankfurter  PatrizierFamilieii  werden  durch  die  eingehendere  Behandlung 

in  jener  anderen  Schrift  Bothes  ergänzt.    Die  Arbeit  über  das  Testament 

Hellere    ist    übrigens    auch    gesondert    im    Buchhandel    (Beriin,    Alex, 

Duncker)  erschienen.   -■  Qlciclizeitig  mit  dem  vorliegenden  Bande  ist  ein 

neues  (4.)  Heft  der  »Mitteilungen  über  römische  Funde  in  H  edder  n- 

heim"  ausgegeben  worden.    Diese  Mitteilungen,  die  jüitgste  periodische 

VeröffentUchung  des  Vereins,  sind  ein  Zeugnis  des  gegen  frilher  mächtig 

mtariclen  Interesses  für  die  vorchristliche  Zeit.    An  den  Ausgrabungen 

in  Heddernhdm   beteiligte  sich  der  Verein  seit  1S96;  «sie  ließen"   -  so 

ioBert  sich  der  Riesesche  Rückblick  -    »ISt^b  das  Domitianische  Steiii- 

batdl,  in   den  letzten  Jahren  unter  anderen  eine  Erweiterung  des  Stein- 

kmells  und  ein  provisorisches  Lager,  ferner  ausgedehnte  Töpfereien,  bei 

haunhdm  Villen  und  ein  weiteres  firdlager,  sowie  ebenda  in  der  von 

Quillnig  1901  mit  Vereins-  und  anderen  Mitteln  unternommenen  Grabungen 

ein  römisches  Totenfdd  zur  Erforschung  kommen."    Dies  alles  gelangt 

im  4.  Heft  zur  Veröffentlichung.    Wir  geben  hier  das  Inhaltsverzeichnis 

viedcr:  A.  Riese,   Das  römische  Gräberfeld  bei  Praunheim;   die  Aus- 

pibungen  des  Winters  I90l-t902;  O.  Wolff.  Römische  Villa  in  Praitn- 

hdm  nebst  dem  an  sie  angrenzenden  Teile  des  Gräberfeldes;   O.  Wolff, 

Bericht  über  die  Arbeiten  der  Ausgrabungskoniniission  in  den  Jahren  1903 

bis  1906;    G.   Wolff,    Die  Töpfereien  vor  dem  Nordtorc   der  römischen 

Südl;  R,  Weicker,  Die  Fundstückc  ans  der  römischen  Töpferei  vor  dem 

Nordtore;  H.  Dragendorff,  Neue  Terra-Sigilbta-l'unde  aus  Hcddemhein ; 


S' 


1i6  Kleine  Mitteilungen  und  Referate. 

Chr.  L  Thomas,  Das  römische  Villeneebäude  bei  der  Oünthersburg.  Er- 
wähnung verdienen  noch  die  Abbildungen,  die  der  Vorstand  mit  Recht 
als  stattlichen  Schmuck  des  Heftes  bezeichnet. 

W.  Bruchmüller  behandelt  in  Nord  und  Süd  (1907.  September) 
die  kulturellen  Beziehungen  zwischen  Schlesien  und  Ober- 
Sftchsen. 

MIelke  schildert  in  den Nicdcrlausitzer  Mitteilungen  (Bd. 9,  H- 5/8) 
die  märkisch-lausitzische  Stadt. 

Von  allgemeinerem  Interesse  ist  auch  der  Aufsatz  A.  Riemers  in 
der  Zeitschrift  des  Historischen  Vereins  für  Niederearhsen  (1907,  Heft  i) 
über  die  Juden  in  niedersächsischen  Städten  des  Mittelalters. 
In  dem  neuesten  Jahrbuch  für  lothringische  Geschichte  und  Alter- 
tumskunde {Jahrg.  18)  finden  sich  zwei  kulturgeschichtliche  Beiträge: 
N.  Hoiipert  handelt  über  das  lothringische  Landleben  gegen  Ende 
des  18.  Jahrhunderts  und  Poirier  über  la  famillc  messine  au  bon^ 
vieux  temps. 

In  der  Rivista  Italiana  di  sociologia  {Ann.  11,  tasc.  3)  findet  sich 
eine  Arbeit  von  A.  Solnii  sulla  coslttuzione  del  comune  italiano 
nel  medio  evo.  ■ 

Für  die  Geschichte  und  Volkskunde  der  Zigeuner  ist  ein  älteres 
Organ,  das  Journal  of  thc  Oypsy  Lore  Society,  das  von  1888-92 
bestand,  neu  ins  Leben  gerufen  worden.  Sitz  der  Gesellscliaft  ist  6  Hope 
Place,  Liverpool,  Präsident  David  Mac  Ritchie.  Wir  verzeichnen  den 
Inhalt  des  ersten  Heftes  der  neuen  Serie  (Vol.  I,  t ;  July  1907):  J.  Sampson, 
Oypsy  knguage  and  origin;  J.  H.  Yoxall,  A  word  on  Oypsy  costume 
(with  1  niustr.);  J.  Sampson,  Weish  Oypsy  foIk-Ules  No.  l;  H  Th. 
Crofton,  Supplementary  annals  of  thc  Gypsic»  in  England,  before  1700; 
F.  N.  Finck,  Die  Omndxüge  des  armenisch-zigeunenschen  Sprachbaus; 
Alice  E.  Oillington,  The  Rivier  Running  By;  F.  S.  Krauss,  Two  Oypsy 
tales  froni  Siavonia;  W.  E.  A.  Axon,  A  Qypsy  tract  from  the  sevcntecnth 
Century  (with  1  facsim.);  Ch.  G.  Leland,  Shelta,  or  the  lost  langii^e  of 
Ihe  Bards,  prefacc;  Ch.  0.  Leland,  The  Tinkcrs;  Reviews  usw. 

Aus  dein  volkskundlichcn  Gebiet  können  hier  im  übrigen  nur  solche 
Erscheinungen  erwähnt  werden,  die  geschichtliches  Material  ^tnrcrten. 
So  weisen  wir  auf  eine  Abhandlung  Frazers,  die  in  den  E  B.  Tylor 
gewidmeten  Anthropological  Essays  (Oxford  1907)  erschienen  ist,  Über 
Folk-Lore  in  the  Cid  Testament  hin,  sowie  auf  den  Aufsatz  Kente- 
nichs  Qbcr  Fränkische  Weihegaben  des  9.  Jahrhunderts  in  der 
Zeitschrift  des  Vereins  f.  rheinische  u.  westfäl.  Volkskunde  (Jg.  4,  H.  3). 
Eine  sorgfältige  Arbeit  über  das  Osterei  und  seine  Entstehung  vvr- 
öffeathchle  Louise  Hagbcrg  in  Nordiska  Museet  Fataburen  (Kulturhist, 
Tidskrift,  utgiven  af  B.  Salin)  1906,  H.  3  (Päskäggen  och  deras  hed- 
niska  Ursprung). 


M 


In  der  Zeitschrifl  des  Vereins  für  Volkskunde  (Jg.  17,  H.  1)  findet 
9dl eine  neue  Studie  Max  Höf  lers  Aber  die  QebiMbrote:  der  Krapfen« 
Dff  K.  geht  als  Gebäckbezeichnimg  bis  in  die  altliochdcutsclie  Zeit 
arfick  und  ist  vohl  das  älteste  schriftlich  bezeugte  deutsche  Qebildbrot. 
H.  rtelh  die  primäre  Form  fest  und  erörtert  dann  die  verschiedenen 
Atortea,  berücksichtigt  dabei  auch  die  Erwähnungen  in  historischen 
(^tlen,  Kochbüchern  usw.  Er  behauptet  nun,  „daß  man  gewisse  Oe- 
hide,  namentlich  aber  auch  das  Gcbildbrot  des  Krapfens,  der  mit  einer 
duftenden  l-arce  gefüllt  ist,  wie  auch  das  Gebildbrot  des  menschlichen 
Henens,  das  mit  duftenden  Blumen  geziert  ist,  als  Symbole  der  Liebe 
BiJd  als  Vermittler  der  Gegenliebe  betrachtete  und  daß  man  dem  Lust- 
dufte Tie  dem  Bhitdunste  im  Her/en  und  dem  am  Körper  getragenen, 
dnfteaden  Liebesapfel  eine  besonders  sympathische  Rolle  in  diesem  Glauben 
nimutete'.  Er  nimmt  aucli  einen  Zusammenhang  der  Krapfenforra  mit 
der  Herzform  an.  Obwohl  im  Mittelalter  die  Herzform  der  ägyptischen 
Kopien  das  römische  rundballigc  Herzschenia  fast  ganz  verdrängte,  blieb 
in  Volke  doch  ein  gewisser  Zusammenhang  mit  dem  Eelztcrcn  bestehen: 
tk  solches  Oberlebsel  sieht  er  .den  rundbalHgen,  hohlen,  mit  einer 
duftenden  Farce  innerlicli  gefüllten  Krapfen  an,  der  als  placeiita  bacchica, 
dh.  ab  Kultbrot  der  Zeit  der  Bacchanalien  aus  dem  römischen  Kolonisten- 
bnndie  durch  Vcrmittehing  der  Klosterküchen  auf  germanrschen  oder 
deutschen  Boden  sich  übertragen  haben  kann,  wo  er  als  Faschingsgebäck, 
Emtebrot  und  Hochzeitsküchel  sich  forterhielt  und  sich  in  versdiicdcnen 
iBdcm  Abarten  weiter  entwickelte*. 

Hoffmann  veröffentlich!  in  der  Zeitschrifl  für  den  deutschen  Unter- 
ridit  (Jg.  21,  H.  to)  aus  dem  Nachlaß  A.  KÖberlins  einen  auf  ober^ 
blnlnsche  Quellen  des  H.  und  15.  Jahrhunderts  gestützten  kurzen  Beitrag 
nir  Namenkunde:  Volkshumor  in  fränkischen  Namen.  Erzeigt, 
»wie  die  ganze  Stufenfolge  vom  froh  lieh -härm  losen  Scherz  bis  zu  urkräf- 
tiger Derbheil,  um  nicht  zu  sagen  Roheit,  in  der  volkstümlichen  Namen- 
gebung  sich  verfolgen  läßt". 

In  der  Zeitschrift  für  deutsche  Wortforschung  (Bd.  8,  H.  3)  teilt 
Q.  Binz  Basler  Schimpfwörter  aus  dem  IS.  Jahrhundert  mit. 

Zur  Geschichte  des  Aberglaubens,  insbes.  Zauberglaubens  steuern 
tw  die  Arbeiten  von  A.  Morel,  La  Magie  dans  I'tgypte  ancicnne 
(Btbliotheque  de  vulgarisalJon  du  Mus^  Quitnet,  l.  20);  }.  Hansen^ 
Heinrich  Inslitoris,  der  Verfasser  des  Hexenhammers  und 
seine  Tätigkeit  an  der  Mosel  im  Jahre1488  (Westdeutsche  Zeitschrift) 
fir  Gesell-  n.  Kunst,  26,  H.  2);  Mehring,  Aus  der  Zeit  der  Hexen- 
verfolgungen in  Reutlingen  t665-t>6  (Blätter  f.  württcmb.  Kirchen- 
gtach-,  N.  F.  9,  187-192):  Otto  Schell,  Abwehrzauber  am  ber- 
gischen Hause  (Globus,  Bd.  91,  No.  21  u.  23);  A.  Becker,  Ein 
Pestsegen  (Archiv  f.  Religionswissenschaft,  9,  291)  und  B.  Spirkner, 
Kollurgcschichllichcs  aus  dem   Mirakelbuche  der   Wallfahrt 


(1644—1772)  iVerhandltinRen  des  Iiislorischen  Vereins  förNiederbayem  42, 
17S/96  und  197/211).  Letztere  b«idpn  Arbeiten  verdienen  besondere 
Hcr\'orhcbung,  'reil  Mirakelbücherj  d.  h.  solche  Bücher,  in  denen  an  Wall- 
fahrtsorten irunderaanie  Heilungen  aufgezeichnet  werden,  selten  riir  Ver- 
öffetitlicliung  gelangt  sind.  Namentlich  das  ersterwähnte  Buch  bietet  viel 
fiir  die  Kulturgeschichte  und  Geschichte  der  Volksmedizin. 

Einen  sehr  beherzigenswerten  Beitrag  zur  Geistesgeschichte  veröffenl- 
licht  Cl.  Bäumker  in  der  Internationalen  Wochenschrift  (1,  Nr.  15/6) 
in  seiner  trefflichen  Abhandlung  Aber  Geist  und  Form  der  raittel- 
alterlichei)  Philosophie  des  europäischen  Mittelalters,  die  er  nach 
Entstehung,  Denkxreise  und  Hauptgegenständen  charakterisiert.  Durch 
Anna,hme  seiner  Anschamngen  werde  man  gleidiniäßig  betrahrt  »vor  der 
Überschätzung,  die  in  der  mittelalterlichen  Philosophie  «ne  absohile 
Wahrheitsregel  erblicken  möchte,  wie  vor  der  Unterschätzung,  die  ihr 
jeden  Kulturwert  am  hcbsten  ganz  absprechen  will". 

Ein  anziehendes  Kttiturbild  entwirft  K.  v.  Arx  in  Westermanns 
Monatsheften  (Jg.  51,  H.  10]  in  seinem  Aufsalz:  Die  Insel  Rcichenau 
Im  IJntersec,  die  älteste  Pflanzstätte  süddeutscher  Bildung, 
Wissenschaft  und  Kunst. 

In  der  Wiener  klinischen  Wochenschrift  (1907,  Nr.  36)  gib!  Franz 
Strunz  einen  Überblick  über  die  Wiener  Paracclsus-  Hand- 
schriften, unter  denen  sich  nur  ein  eigenhändig  geschriebenes  Stück, 
ein  Rezeptzcttcl,  befindet.  Das  Katcsimile  i;st  beigefügt.  Die  sonst  vor- 
handenen zalilreiclien  Manuskripte  sind  vor  allem  medizinischen  und 
iatrochcmischen,  daneben  praktisch-chembchen  und  alchimistischen  Inhalts. 
Die  -magischen«  Schriften  sind  meist  untergeschobenes  Material  und  daher 
als  unecht  anzusprechen. 

Über  den  Nürnberger  MathenutikproEessor  Johann  Schöner,  der 
besonders  durch  die  Herstellung  von  Erd-  und  Himmelsgloben  von  Be- 
deutung geworden  ist,  liegen  gleich  zwei  Abhandhmgcn  vor.  In  der 
Festschrift  zum  16.  Deutschen  OeographenJag  findet  sich  eine  solche  von 
Emil  Reicke,  Aus  dem  Leben  des  Johann  Schöner,  ersten 
Professors  für  Mathematik  und  Geographie  in  NÖrnberg.  R. 
betont  die  Mühen  und  Äußeren  Schwierigkeiten,,  mit  denen  in  jener  Zelt  ein 
Gelehrter  oft  in  seinen  Studien  zu  kämpfen  hatte.  Kr  bringt  vor  allem 
interessante  Mitteilungen  aus  den  noch  so  ^t  wie  unbekannten  Briefen 
Schöners  an  seinen  Freund  und  Beschützer,  den  berühmten  Wilibald 
Pirckhcimcr,  dessen  handschriftlichen  Nachlaß  in  der  Hauptsache  die 
Nürnberger  Sladlbibllothck  verwahrt.  Vor  der  Reickeschen  Arbeit  noch 
erschien  diejenige  von  Karl  Schottenloher  Über  Johann  Schöner 
und  seine  Hausdruckerei  im  2^ntra[blatt  für  Bibliothekswesen  (Jg.  24, 
H.  4).      Sic  wTndet  sich  der  wenig  bekannten  Fertigkeit  Schöners  in 


Kleine  Mitteilungen  und  Referate. 


1t9 


Hnktlnng  von  Hobschniilen  und  Druckschriften  zii.  Schöner  war  ein 
hgüterter  Schüler  des  Regiomontanus.  Er  .mag  durch  das  Beispiel 
HcfioiDOnlans  veranlaßt  worden  sein,  eine  eigene  Dntckerpresse  sich 
limchaffen,  um  seine  Schriften  rasch  und  nacli  Gutdünken  ausgeben 
a  IfOfuien*.  Seh.  hat  dn  bibliographiächcü  Verzeichnis  der  Hausdrucke 
Scböiun  beigefügt. 

Es  sei  an  dieser  Stelle  kurz  auf  einen  kleinen  Aufsatz  Gustav 
Wuslmanns  in  der  Kunstchronik  (N.  F.  18,  Nr.  2t):  Die  Schongaucr 
in  Leipzig  hingewiesen.  Eine  Angabe  Wendlands  berichtigend,  daß 
Bmlich  Martin  Schongauer  in  Leipzig  als  Beamter  der  Univcrsiläl,  vahr- 
sdMtnlidi  als  Buchmaler,  0^^^)  immatrikuliert  worden  sei,  stelll  W.  fest. 
difi  er  zweifellos  iiadi  Leipzig  gekommen  sei,  um  zu  studieren.  Wann 
dkI  wie  er  umsattelte  und  Maler  und  Kupferstecher  wurde,  ist  nicht  fest- 
astdleD.  W.  glaubt  wahrscheinlich  machen  zu  können,  daß  Seh.  in  der 
VeMitt  des  Nikolaus  Eiscnherg,  auf  den  er  näher  eingeht,  zur  Malerei 
«geWtet  worden  sei,  Weiter  berfihrt  aber  W.  noch  die  bisher  unbe- 
baate  Tatsache,  daß  ein  Bruder  Martins,  Paul  Seh.,  der  Goldschmied, 
U7«  in  Leipzig  das  Bürgerrecht  erworben  hat. 

Aus  der  Dansk  Tidskrift  (1906)  erwähuen  wir  den  Au^tz  von 
A.  Hansen,  Engelsk  Indflydelse  paa  dansk  Aandsliv  i  det 
tS.  Aarhundrede. 

P.  Barth  setzt  In  der  Vicrtcljahrsschrift  für  wissenschaftliche  Philo« 
lophie  und  Soziologie  (Jg-  3^<  H.  1}  seine  lesenswerten  Studien  über  die 
Geschichte  der  Erziehung  in  soziologischer  Beleuchtung  fort. 

Eine  Mitteilung  von  F.  Küch,  Ein  unbekannter  Brief  von 
Euriciu5Cordus{Zeitschrift  fiir  Hessische  Geschichte,  N.  F.  30,  l,i.>;8-6tX 
iu  weniger  für  die  Scliulgcschichlc  als  für  die  Biographie  des  Dichters 
TOB  Interesse.  Derselbe  wendet  sich  in  diesem,  mit  Ritze  Simtßhusen, 
awn  Schulmeister  zu  Cassel  off  der  aldenstait,  unterschriebenen  Brief 
£1  den  Landhofradster  Ludwig  von  Boyneburg,  um  das  unfreiwillig  vcr- 
k«nc  Rektorat  der  siädtischen  Schule  zu  Cassel  wieder  zu  erlangen.  Der 
Bdef  ist  auf  August  bis  September  1512  zu  datieren. 

Zur  Erziehungs-  und  Schulgcschichte  seien  weiter  folgende  BeiTräge 
ovähnt:  O.  Liebe,  Der  Streit  um  die  Schutaufsicht  in  Halle 
1S83  (Neue  Mitteilungen  a.  d.  Gebiet  histor.-antiquar.  Forschungen,  23, 1); 
A.  Fritz,  Geschichte  des  Kaiser  Karls-Gymnasinras  In  Aachen, 
1.  das  Aachener  jesuiteng>-mnasiiim  (Zeitschrift  des  Aachener  Geschichts- 
wrrios.  Bd.  28);  A.  Lechcvalier.  L'ecole  primaire  sous  l'ancien 
rigime  (Revue  p^agogique.  15.  ScpL  1907);  Fr.  Hummel,  Ein  Rück- 
blick auf  das  Bildungswesen  vor  hundert  Jahren  (Neue  Blätter 
IIB  Süddeutschland  für  Erziehung  und  Unterricht,  August  19i>7). 

Beachtung  verdient  die  Arl>eil  von  E,  Costa,  La  prima  calledra 
d'umaniti  nellostudio  bolognesc  durante  ü  secolo  XVI  (Studi  e 
memorie  per  la  storia  dell'universitä  di  Bologna,  Vol.  1, 1). 


1 


Eine  in  den  Baltischer  Studien  (9,  1-54)  erschienene  Arbeit  O. 
Kohfeldts,  Eine  akademische  herienreiie  von  Rostock  bis 
Königsberg  i.  J.  1694,  können  wir  hier  nur  dem  Titel  nach  erwähnen, 
da  sie  uns  nicht  mgänglich  war.  ^h 

Das  Schrift-  und  Buchwesen  der  Brüder  vom  gemein^l 
Samen  Leben,  deren  eifrige  Tätigkcil  auf  diesem  Gebiet  eine  bekannte 
anziehende  Erscheinung  ist.  behandelt  Kt.  LÖffler  in  der  Zeitschrift  für 
Bücherfreunde  (Jg.  H ,  H.  7)  auf  Grund  der  bisher  veröffentlichten  Quellen 
und  der  einschlägigen  Literatur  und  unterrichtet  weitere  Kreise  in  dankens- 
werter Weise  über  die  Einzelheiten  ihres  Schreibbetriebes  wie  über  ihre 
Tätigkeit  auf  dem  Gebiet  des  Drucks  und  Verlags. 

Zur  Oeschiclite  des  Buch-  und  Bibliothekswesens  erwähnen  wir  noch 
dieBeiträgevonLDoreZpNotessurles  libraires,relieurs,enluniineurs, 
papeticrs  et  parcheminiers  jurfc  de  TUniver^ite  de  Paris  et  traitfe  des 
mfimoriaux  de  la  Facultd  de  Jccret  1504-1574  (Revue  des  biblioth^ues, 
1906,  mars/avri]),  j.  R.  Hayes,  Sixteenth  Century  Library  Ruies 
{The  Library  Journal,  1907,  Fdjruary),  und  E.  Fairon,  La  bibllo- 
thique  d'iin  chanoine  li^geois  cn  1614  (Revue  des  bibliothdques 
et  arch.  de  Belgiquc.  1906,  No.  2/3). 

Eine  höchst  gründliche,  für  die  Bildungsgeschidite  recbl  ergiebige 
Arbeit  ist  diejenige  über  Bamberger  Privatbibliotheken  aus  alter 
und  neuer  Zeit,  die  Karl  Schottenloher  in  dem  Zentralblatt  für 
Bibliothekswesen  (Jg.  24,  H.  S/9)  veröffentlicht  hat.  Die  Gründung  und 
reiche  Ausstattung  der  Dombibliottick  durch  die  B Gehergeschenke  des 
Kaisers  Heinrich  M.  wie  der  Bücherschatz  im  Kloster  Michelsberg  steigerte 
die  Wertschätzung  der  Bücher  mächtig  und  weckte  auch  bd  dem  ein- 
zelnen den  Wunsch,  solche  zu  besitzen.  Eine  ähnliche  Wirkung  hatte 
in  neuerer  Zeit  die  Säkularisation  der  Klostcrbibliothcken  vom  Jahre  1803, 
die  in  Bamberg  finc  förmliche  Bücheriibcrschwemmung  zur  Folge  hatte. 
Viele  Bücher  wurden  nicht  abgeliefert.  Für  Sammler  war  daniais  dne 
goldene  Zeit;  die  Wertschätzung  der  Bücher  und  der  Sammeleifer  erfaßte 
größere  Kreise.  Namentlich  gewarm  jetzt  das  Laienelemenl  im  Umsatz 
und  Sammeln  der  Bücher  einen  entscheidenden  Einfluß  in  Bamberg. 
Vorher  hatten  doch  die  Geistlichen  im  Vordergrund  gestanden.  In  langer 
Reihe  läßt  Seh.  die  Bibliothcksbeaitzcr  von  dem  Domdckan  Kraft  aus  der 
ersten  Hälfte  des  1 3.  Jahrh .  und  dem  Domscholastcr  Jakob  an  vor  uns  vorüber- 
ziehen. In  dem  gelehrten  Scliulmcistcr  Hugü  von  Trimbcrg  begegnet 
aber  auch  früh  ein  Ijie  als  vermutlicher  Besitzer  einer  für  jene  Zeit 
höchst  seltenen  umfassenden  gelehrten  Bibliothek.  Im  15.  Jahrhundert 
hören  wir  von  der  Bibliothek  eines  Arztes.  Buchdnickerkunst  wie  Huma- 
nismus sodann  scheinen  keinen  besonderen  Einfluß  aufdasBücheru-esen  in 
Bambergausgeübt  zu  haben.  Im  I6.jahrhundertsind  es  immernoch  fast  aus- 
schließlich die  Geistlichen,  bei  den^ n  grilllere  Mengen  von  Büchern  zu  finden 
sind.  Von  Laien  begegnen  als  Bibliotheksbesitzcr  später  Veit  Ulrich  von  Mar- 


Kleine  Mitteilungen  und  Referate. 


12t 


sdiiüt,  ein  protestantischer  Edelmann  (Testament  von  1625),  und  der  Jürst- 
biscfifln.  Rat  Dr.  Carl  Pessler,  dann  der  Hofrat  Dr.  Joh.  Neydecker.  Nalfirlich 
ist  ludi  der  Inhalt  und  Charakter  der  einzelnen  Büchersammlungen  von 
Inlensse  und  von  Seh.  auch  gebührend  berüclsichligt  worden. 

0.  Clcmcn  berichtet  in  den  Beiträgen  zur  sächsidien  Kirchenge- 
Kftichte  (Heft  20)  über  ein  Stammbuch  aus  der  2.  HäLfle  des 
lk  Jahrhunderts. 

In  den  Deutschen  Qcschichtsblättem  (Bd.  8,  H.  10)  teilt  ein  Herr 
A.  K.  (warum  so  unkenntlich?)  unter  Aem  Titel:  .Familienbriefe  als 
kulturgeschichtliche   Quelle-    seine   Absicht   mit,    »den    Brief   als 
tellnrhistorische  Quelle  zu   benutzen."     Es  uerde  ihm   freilich   vereagt 
Iibben  müssen,  für  weit  zurückliegende  Zeiten  mit  Hilfe  von  P'amtlienbriefen 
Volbleben  und  Familiensinn  zu  erforschen,  »denn  wohl  schwerlich  werden  sich 
oUrdcfae  Privatbriefe  finden  lassen  aus  Zeiten,  die  mehrere  Jahrhunderte  zii- 
rbdüiegen.    (Der  Herr  A.  K.  weiß  also  nichts  von  der  Fülle  der  erhaltenen 
ftrvalbriefe  seit  dem  16.  Jahrhundert! !)    Daher  wird  man  sich  zunächst  an 
dis  19.  und  1 8.  Jahrhundert  halten  müssen".    Er  bittet  nun,  ihn  bei  seiner  ge- 
planten Arbeit  dadurch  zu  unterstützen,  daß  man  Ühn  auf  das  Vorhandensein 
WB  Familien briefen  aus  der  Zeit  von  1700  bis  etwa  1  SSO  in  Archiven,  Biblio- 
Mien  usw.  sowie  in  r*riv3tbesitz  aufmerksam  mache.    Wir  wünschen  Herrn 
A.  K.  gute  Erfolge  bei  seiner  Arbeit,  meinen  aber,  daß  sein  Aufruf  auf  eine 
lelier  sehr  geringe  Orientierung  seinerseits  über  das  auf  dem  bc- 
ifeten   Oebiet  Qeleistele   schließen    läßt.     Sehr   energisch    müssen    wir 
iiBbesondere  feststellen,  daß  ■seine  Idee  von  Oeor^  Steicihaitscn  längst  aiis- 
fespracbeti  und  vor  allem  bereits  zu  einem  Teile  verwirklicht  ist,  und  zwar 
besonders  auch  schon  für  das  16.  und  17.  Jahrhundert.     Es  ist  geradezu 
eae   DreistiRkeit,    Steinhausens    Geschichte    des    Deutschen    Briefes    zu 
nrlhnen  und  dabei  zu  behaupten,  daß  dieser  ,in  seiner  sonst  so  verdienst- 
voRen  Arbeit  nicht  auf  Fragen  komme,  an   die   gerade  die  Briefliteratur 
nmittribar  heranführe".    Der  Herr  A.  K-  möge  sich  erst  efn  wenig  in  das 
fladi  Steinhausens  vertiefen,  das  er  anscheinend  überhaupt  gar  nicht  gelesen 
Itil:  er  wird  dann  nicht  so  absolut  Unzutreffendes  aussprechen,  wie  daß  »ihm 
|SL)  wohl  Briefmaterial  im  Sinne  des  schlichten  Privatbriefes  nicht  zur 
Voffigung    gestanden    habe"    -    man    denke  u.  a.   an   die   ausgiebige 
Verwertung  der  Briefe  der  Nümbergisclien   Familien    (insbesondere  der 
Bdtaims)  — ,  daß  er  «das  Formate  nicht  als  Mittel  zum  Zweck"  benutze: 
■ihm  ist  es  Selbstzweck,  weil  er  nicht  darauf  hinzielt,   mittels  der  Briefe 
be  auf  den  psychischen  Kern   der  Zeit  durchzudringen-.     Unerhörtere 
URbenntnis  desjenigen,  worüber  man  urteilt,  ist  wohl   kaum  dagewesen. 
ib  wie  sie  hier  Herr  A.  K.  dokumentiert.    Gerade  das  van  ihm  Verlangte 
BiderZweckvonSL's-Qcschichte desdeutschen  Briefes-.    »Schonin  meiner 
OacUchte  des  deutschen  Briefes-,  heißt  es  in  der  Einleitung  zu   Stem- 
hmetts  Ausgabe  der  »Deutsdien  l^vatbriefc  des  A^itlclalters-  Bd.  I  (1809), 
»habe  ich  mich  besonders  bemüht,  den  Brief  als  Spiegel  für  die  Lebens- 


gcschichte  unseres  Volkes  zu  benutzen."  Gesperrt  gedruckt  heißt  es  in 
dem  Vorwort  zu  dem  Werke  selbst:  -So  kann  uns  die  Betrachtung  des 
deutschen  Briefes  wichtige  Betträjte  zur  Kulturgeschichte  im  weitesten  Sinne, 
zur  Ocschichtc  des  Verkehre  und  der  Qescilfgkeit.  der  Entwicklung  der 
Volksbildung  und  des  VoSksIebens  wie  des  Volksgristes  und  des  Volks- 
charakters  gewähren."  Die  Briefform,  deren  Entwicklung  nattirgemftß 
«rgehend  behandeil  werden  muDle,  ist  also  eben  nicht  der  Selbstzweck, 
vielmehr  gerade  das,  was  Herr  A.  K-  entdeckt  zu  haben  glaubt,  Tiämlich 
(Vorwort  z.  G.  d.  d.  B.):  -wie  das  Volk  sich  in  den  Briefen  gibt,  was  es 
beschäftigt  und  worin  es  lebt".  Es  sei  dem  Herrn  A.  K.  empfohlen,  von 
dem  Werk  I,  9t  ff.,  Ifebff.,  173ff.,  iVbff.;  II,  180ff,.  1'i9ff.,  2P9ff.,  34Jff. 
usid'.  recht  genau  zu  lesen.  -  Noch  auf  einen  weiteren  Punkt  müssen  wir 
hinweisen.  A.  K-  selbst  nennt  Steinhausens  Ausgabe  des  rein  familiSren 
Briefwechsels  des  Durchschnittsmenschen  Balthasar  Paiimgartners  mit  seiner 
Gattin,  spricht  aber  keineswegs  kSipp  und  klar  aus,  daß  gerade  Steinhausen 
bcmCiht  war,  das  Briefmaterial,  das  von  Durchschnittspcrsonen  stammt. 
der  historischen  Benutzung  zugänglich  zu  machen,  verschweigt  vor  allem 
die  Sätze  der  Einleitung,  die  den  „schlichten  Privatbrief"  {das  ist  St. 's 
Ausdruck)  gerade  als  kulturgeschichtliche  Quelle  hinstellen.  SL  spriclit 
ausdrücklich  von  -BriefpubÜkalionen  in  rein  kulturhistorischem  Interesse". 
Dal3  Sleinhausen  dann  jene  «Deutschen  Privatbriefe  des  Mittelalters-  heraus- 
gegeben hat,  erwähnt  Herr  A.  K.  überhaupt  nicht;  er  weiß  das  wahr- 
scheinhch  gar  nicht.  Sein  ganzes  «Programm'  findet  sich  dort  auf  S.  VI 
bereits  ausgesprochen  (namentlich  unten). 

Für  die  Geschichte  des  Privatlebens  bieten  insbesondere  Tagebücher 
und  tage-  oder  hausbuchähnliche  Aufzeichnungen,  auch  solche  wirtschaH- 
licher  Natur,  willkommenes  Material.  Wir  verzeichnen  folgendes:  Fried- 
rich IV.  von  der  Pfalz  Tage-  und  Ausgabenbuch  (Mannheimer 
Oeschichtsbll ,  7,  52-71;  91-101;  123-33);  M.  Th.  v.  Oombert 
(KammcrfrauIcin  der  Kurfürstin  Amalie),  Was  sich  im  Jahre  1734 
ereignete:  Tagebuch  a.  d.  Franzöfi.  öbersctzt  von  F.  X.  Zetller  (Alt- 
bayerische Monatsschrift,  5,  89-104;  122;  P.  v.  Radlcs,  Familien- 
chroniken krainischer  Adliger  im  16.  u.  17.  Jahrh.  (Mitteilungen 
des  Musealvereins  f.  Krain,  16,  l  -27;  137-56;  17,  3-13);  Le  livre  de 
raison  de  Jean  de  Bouffard-Madiane  publ.  p.  Ch.  Pradcl  (Sod^t 
d'hist.duprotestantismefrani^is,  Bulletin,  1907,  janv./f^vr..mars);J.Ceyssens, 
Notes  du  curi  Jean  Hervianus  de  Hernialle-sous-Argcntcau 
(lokale  Aufzeichnungen  über  die  Jahrel684  -  17H)  (Leodium,  1906,  Nr.  lo). 

Nicht  wegen  des  spczidlcn  Themas,  sondern  wegen  mannigfacher 
kulturgeschichtlicher  Streiflichter  sei  hier  eine  in  der  Zeitsdmft  des  Vereins 
f.  Kirchengesch.  d.  Provinz  Sachsen  (IV.)  erschienene  Arbeit  Georg  Liebes. 
Die  Zivil  Versorgung  der  preußischen  Fcldprcdigcr  im  Herzog- 
tum Magdeburg  und  im  Fürstentum  Halbcrstadt  bis  zum 
Jahre  tS15,  erwähnt.    Die  hier  in  beschränktem  Rahmen  g^ebene  Oe- 


schichte  des  Standes  und  des  Instituts  der  Feldprcdtgrr  ffcwährt  vtederholt 
Einblicke  in  die  innere  Art  und  dieäiißeren  Verhältnisse  nicht  nur  der  Soldaten 
cinencits  und  des  Feldpredigcrs  andererseits,  sondern  auch  der  Menschen 
)mer  Zeiten  überhaupt.  Auch  sitlcngcschi  cht  lieh  ist  die  Arbeit  von  Interesse. 
För  die  Oesdiidite  der  Frauenwelt  sei  auf  die  beachttnswerte  Studie 
von  G.  Ascolj,  Les  id^es  fiministes  en  France  du  XV!*"  siede 
i  U  Revolution,  in  der  Revue  de  Synthese  historique  (1906,  aoüt)  hin- 
geviescn,  in  der  nach  Darstellung  der  Fortschritte  in  der  Stellung  der 
Frau  im  Ib.  Jahrh.  der  Einfluß  des  Cartesianismus  auf  die  Entstehung 
des  feininisme  rationd  aufgezeigt,  audi  eine  Bibliographie  hinzugefügt 
wird,  sowie  auf  den  Aufsatz  von  Alice  W.  Kemp-Welch,  A  Fif- 
teenth-Cenlury  Feministe  (Christine  de  Pisan)  in  The  Nineteenth 
Century  and  afler  (1107,  April). 

In  tschechischer  Sprache  Hegt  eine  Mitteilung  von  V.  J.  Duiek 
md  F.  V.  Vykoukal,  Ein  handschriftliches  Hochzeitsstatut 
aus  der  erslen  Hälfte  des  1ä.  Jahrhunderts,  vor(Ndrt>doplsny  Vcstnik 
ColcOfilovansky,  Jg.  2,  Nr.  7/8). 

Die  Harvard  Studies  in  Classical  Philology  (Vol,  18)  enthalten  eine 
Arimf  von  A.  B.  Bryant,  Boyhood  and  Youth  in  the  Days  of 
ArUtophanes. 

Eine  sehr  hübsche  Nachlese  zu  dem  «Kinderleben  in  der  deutschen 
Vorgängen hcit"  von  Hans  Bocsch  gibt  Heinrich  Heervagen  im  An- 
TÖsar  des  Oermanischen  National muscums  (1906,  H.  4)  in  seinen  Bildern 
aus    dem    Kiiiderlcben    in    den    dreißiger  Jahren    des   sech- 
zehnten Jahrhunderts,  die  Auszüge  aus  den  Aufzeichnungen  des  be- 
kannten Nürnberger  Humanisten  Dr.  Christof  Scheurl  in  seinem  Schuld- 
ttnd    Rechnungsbuch   wiedergetJen.      Zum    Teil    nur   lose   mit   den  rein 
«irtsdiafttichen  Aufstellungen  verknüpft,  treten  uns  -ecicdcrholt  ansprechende 
Niederschriften  über  das  Manchcriei  des  täglichen  Lebens  entgegen.    Das 
Ansprechendste   bleiben   jedoch   die  von  Zeit  zti  Zeit  immer  wieder  auf- 
tudKDden  Ocnrebildchen  aus  der  Kinderstube,  die,  wie  der  Herausgeber 
agt,   durch    unwidentehlichc    Einfalt    und   ergötzliche    Unmittelbarkeit 
fevinnen.    Wir  geben  ein  Beispiel:  .Benedlctus  deus  in  donis  suis.  Den 
19.  aprilts,  als   ich  gen  Perching  riet,   ist   mein   lieber  sun  Jörg  Scheurl 
drei  jar  alt  worden,   hat  dises  jar  ganz   keinen  aufstoss  gehabt,  ist  gar 
nichzit  gefallen,   liebet  di   muttem   herzlich,   libct  was  rot  ist,  von  wein 
und  kleidern.  trinkt  gern  wein,  sunderUcii  roten,   ißt  gern  fisch,   krebs, 
kirn,  ist  stets  frolich  und  guter  ding,  kreint  nimmer  nit,   Übet  aus  der 
am  ser  pferd  und  was  zur  rcuterei  dinet,  padt  gem,  reit  und  vert  gem. 
Kan  nodi  nidizit  reden    dann  data,   manima,  aia,  das  ist  Albrecht,  zin 
«ad  wein,  ist  ser  merklich,   hat  vast  einen   guten  verstand,   verstet  schir 
>tte%  Fhrcht  di  nitcn  überaus  ser,  vtrniaint  etwan  dem  valer  und  der  niten 
ai  ntioufen,  der  gütig  herr  got  sei  gelobt  und  verleih  im  gnad,  in  seinen 
»«gen  erzogen  ze  werden." 


Hüscr  veröffentlicht  in  der  Zeitschrift  des  Vereins  f.  rhdn.  u. 
westnil.  Volkskunde  {1907,  H.  1)  einen  Beitrag  zur  Qeschichte  der 
weltlichen  Kindtauffeier  in  Warburg;. 

In  den  Jahrbüchern  für  Nationalökonomie  und  Statistik  (111.  Folge, 
ij,  537ff.)  handelt  Oscar  Stillich  über  den  Stellenwechsel  der 
Dienstboten  und  jicht  dabei  auf  das  historische  und  tirsächliclie  Mo- 
ment dieser  Erscheinung  ein,  unter  Zugrundelegung  der  Nürnberger 
Verhättnisse,  wofür  die  historischen  Quellen  reichlich  fließen.  Im  ganzen 
wird  im  Laufe  der  Zeil  das  langlebige  Verhältnis  zu  einem  kurzlebigen. 

Der  Sklavenhandel  Im  mittelalterlichen  Italien,  über  den 
KatI  Schneider  auf  Grund  einer  Jn  der  Revue  des  questions  historiqiies 
erschieneneu  Arbeit  {der  nicht  erwähnte  Verfasser  ist  C  Rodocanacht) 
in  der  Zeitschrift  für  Sozial  Wissenschaft  (Jg.  10,  H.  4)  berichtet,  hat  einen 
groUen  Umfang  besessen,  wesentlich  infolge  der  Wirkung,  die  die  innige 
Berührung  mit  den  Völkern  des  Orients  auf  die  italienische  Sitte  ausübte. 
Er  erhielt  sich  im  södlichen  Italien  bis  zum  au^ehenden  16.,  wahrschdn- 
lieh  sogar  bis  zum  beginnenden  17.  Jahrhundert.  Nur  wurden  in  Italien 
im  Gegensatz  zu  Spanien  und  der  Provence  fast  ausschließlich  weibliche 
Sklaven  verkajift. 

Eine  schon  früher  von  ihm  ausgesprochene  Auffassung  sucht  Paul 
Sarasin  in  seinem  Aufsatz  über  die  Entwicklung  des  griechischen 
Tempelsaus  dem  Pfahlhause  in  der  Zeitschrift  für  Eihnologie  <Jg.  J9, 
H.  1/2)  durch  weitere  Argumente  als  richtig  zu  erweisen.  Seine  Aus- 
führungen über  die  ursprüngliche  Pfahlbaunalur  des  griechischen  Säulen- 
tempels sind  gewiß  lesenswert.  Er  geht  dabei  übrigens  von  der  Über- 
zeugung aus,  ndaß  der  I^ripleros  die  älteste  Tcmpelform  darstellt,  nicht 
der  sc^enaunte  Anten-  oder  Mauertempel-:  »nie  und  nimmer  läßt  sich 
die  Sijle  aus  einer  Mauer  entwickeln,  wohl  aber  ganz  leicht  die  Mauer 
der  Cella  ans  einer  Verbindung  der  Säulen  durch  Lehm  oder  Stein". 

Walther  Altmanns  Aufsatz  in  der  Umschau  (Jg- 11,  Nr,43): 
Palast  und  Wohnhaus  im  Altertum  stellt  eine  ansprechende  Ski£ze 
der  Entwicklung  des  griechischen  und  italischen  Burg-  und  Wohnhauses 
bis  zu  den  Villen  der  Kaiserzeit  dar. 

Zur  Geschichte  des  Hauses  und  der  Wohnung  verzeichnen  vir 
weiter  folgende  Beiträge:  O.  Brenner,  Zur  Hausforschung  in 
Bayern  (Mitteilungen  und  Umfragen  zur  bayer.  Volkskunde,  1907,  N.  F. 
Nr.  10);  Fr.  Kauffmann,  Zur  Geschichte  des  niedersächsischen 
Bauernhauses(Zeitschrift  f.  deutsche  Philol..Bd.39,  H.ä/*);  W.  Pessler, 
Die  geographische  Verbreitung  des  altsächsischen  Bauern- 
hauses in  Pommern  (Globus,  Bd.  90.  Nr.  2üi)  (interessant  für  die  Koloni- 
sation des  Ostens);  O.  Schell,  Das  bergischc  Haus  in  kultur- 
geschichtlicher  Beleuchtung  (Ober  Land  und  Meer,  Jg.  49,  Nr.  9); 
L.  Galle,  La  villa  d'un  marchand  florenlin  du  XVI*  si^eäQoi^e- 
de-Loup,  pres  Lyon  {Re\iie  d'histoire  de  Lyon.  t.  S,  Nr.  i). 


Kleioe  Mitteilungen  und  Referate.  i2S 

Aus  dem  KonrspondenzbUtt  des  Vereins  für  siebcnbürgiscbe 
Ludolninde  (Jg.  30,  Nr.  2/3)  erwähnen  vir  zwei  Beiträge  von  F.  W. 
Seriphin:  Haiisinschriften  aus  Schirkanyen,  und  Kommuni- 
lilsbcschiuß  über  Backhäuser  von  1495. 

Eine  lehireiciie  »kunst-  und  kulturgeschichtliche  Studie*  veröffent- 
BditB.  Haendcke  in  Wcstermanns  Monatsheften  (Jg.  51,  H.  12)  über 
deo  Turm. 

Als  neuen  Beitrag  zur  Qlockenkunde  nennen  vir  den  von  E. 
Brückner,  Die  Glocken  der  Oberlausttz,  im  Neuen  Lausitz. 
Migazin  <Bd.  S2). 

Eine  Lücke  in  der  Geschichte  des  Bernsteins  füllt  die  Arbeit  von 
B  Laufer,  Hislorical  Jottings  on  Amber  in  Asia,  in  den  Me- 
■oin  of  thc  American  AnthropoSogical  Association  (Vol.  I,  p.  3)  durch 
die  Heranziehung  von  Bd^lellen  fijr  die  Kenntnis  des  Bernsteins  bei 
isialisdien  Völkern  aus.  Insbesondere  wird  die  Verwendung  dL-s^elbcn  in 
China,  wo  man  ihn  schon  im  ersten  Jahrhundert  nach  Christus  aus  Birma 
ahtelt,  nach  chinesischen  Quellen  beleuchtet,  aber  aus  denselben  Quellen 
aadi  das  Vorkommen  desselben  in  Indien  seit  dem  ersten  Jahrhundert  vor 
Dr.  und  durch  das  Mittelalter  hindurch  festgestellt. 

In  Boas  Memorial  Volume  (1906,  208-56)  handelt  Friedrich 
Hirlh  über  Chinesische  Metallspiegel  auf  Onmd  chinesischer 
QiieUen.  Diese  gegossenen  ßronzespi^el  sind  in  China  viel  älter  als 
die  Glasspiegel  und  werden  schon  673  v.  Chr.  erwähnt.  Sie  dienten 
weht  nur  als  Toilettenspiegel,  sondern  auch  als  Brennspiegel  zur  Ent- 
ifindung  hdligen  Feuers  (mittels  dürren  Laubes)  im  Kultus,  ferner  als 
Abvchrmittel  bösen  Geistern  gegenüber,  zu  welchem  Zweck  sie  auf  dem 
Rücken  getragen  wurden. 

in  der  ßibliotheque  de  l'6cole  des  charics  {1906,  mai-aoüt)  unter- 
richlet  P.  Ouilhermoz  eingehend  über  alle  im  mittelallerlichen  Europa 
pbnuchlen  Gewichte  (Note  sur  les  poids  du  mayen  ägc.  I). 

Im  Daheim  (Jg.  43,  Nr.  14)  veröffentlicht  H.  Sendung  dne 
kalturgeschichtliche  Skizze  über  den  Handkuß  und  seineO es chwister. 

Von  einem  alten  Kartenspiel  (im  Ödenburger  Museum)  handelt 
Blinker  in  der  Zeitschrift  für  österreichische  Volkskunde  (1907.  H.  4/5). 

Aus  der  Nuova  Antologia  (fasc  847  und  später)  erwähnen  wir  den 
Anikd  von  Q.  Monaldi,  La  danza  nel  secolo  XIX. 

Georg  Liebe  unterrichtet  in  der  Zeitschrift  des  Vereins  f.  Ktrchen- 
EOdt.  d.  Prov.  Sachsen  (1,  192-207)  über  Herbergspflicht  der 
■itteliltcriichen  Klöster  mit  besonderer  Beziehung  auf  die 
Landschaften  der  Prov.  Sachsen. 

R.  Andrees  Artikel  in  der  Zeitschrift  des  Vereins  für  Volkskimde 
'Jä- 17.  H.  2)  über  den  grünen  Wirtshauskranz  enthält  auch  gc- 
Kkichtticfae  Belege  über  seine  Verbreitung  und  geht  auf  den  (römischen?) 
t'npnmg  der  Sitte  ein. 


In  da-  Monatsschrift  f,  d.  Turnwesen  (Jg.  26,  H.  4)  liefert  Kurth 
einen  Beilrag  zur  Ocschichte  des  Fechtens  in  Deutschland. 

Allgemeineres  Interesse  hat  eine  Mitteilung  zveier  Aktenstücke 
über  das  militärische  Signalvesen  im  15.  Jahrh.  durch  A.  Plüss 
ira  Anzeiger  für  Schweizer.  Gesch.  (jg.  37,  Nr.  2).  -  Im  Anreiger  für 
Schweizerische  Altertumskunde  (N.  F,  8,  Nr.  2)  findet  sich  eine  solche  von 
J.  Egli:  Inventar  über  Waffen  und  Munition  der  Stadt  St 
Gallen  im  Frühjahr  1532. 

Wohl  beachtenswert  Ist  der  von  S.  Meyer  in  der  Altpreußischen 
Monatsschrift  {Bd.  44.  H.  1)  veröffentlichte  Beitrag  zur  Kutturgeschichte 
Preußens  im  1 5. Jahrhundert:  DieOesetzederSpielleute  (zu  Mewe?]. 

Wegen  des  Details  interessant  ist  ein  Aufsatz  W.  Berdrows 
in  den  Qrcnzboten  ('907,  Nr.  18):  Fahrendes  Volk  im  17.  Jahr- 
hundert, aus  den  Bettelregistern  einer  deutschen  Kleinstadt  geschildert 
Es  handelt  sich  um  Coswig  in  AnhaU,  das  trotz  seiner  Un bedeutend heit 
im  1 7.  Jahrhundert  von  einer  unatwehbaren  Schar  fahrenden  Volkes  durch- 
zogen wurde.  Sie  wird  in  ihren  flüchtigen  Bestandteilen  gemustert  Eine 
Ergänzung  dazu  bietet  ß.s  Artikel  in  derselben  i^eitschrifl  (1907,  Nr.  23); 
Was  das  fahrende  Volk  erzählte. 

Der  Artikel  von  Julius  R.  Haarhaus  in  Velhagen  &  KUisings 
Monatsheften  (2t,  1,  337 -S3)  über  Menagerien  und  Tierschau- 
slellungen  in  früherer  Zeit  gibt  eine  nicht  üble,  quellenmäßige 
gcschiditiichc  Zusaninienslellung  des  einschlägigen  Materials  und  bringt 
auch  eine  große  Reihe  zeitgenössischer  Abbildungen,  Anpreisungen  usw. 

R.  Doebner  veröffentliclit  in  der  Zeitschrift  für  Kirchcngcschichte 
(27^4)  zwei  Erlasse  des  Propstes  Heinrich  zu  Buxtehude  und 
des  Bischofs  Berthold  von  Werden  zur  Besserung  der  Sittenzu- 
stände  im  Kloster  Buxtehude. 

Aus  der  Dermatologischen  Zeitschrift  (13,  H.  b)  teilt  Joh.  Lachs 
einen  Beitrag  zur  Kenntnis  des  Krakauer  Proslilutionswesens 
im  15.  Jahrhundert  mit 

Im  Anzeiger  für  Schweizerische  Altertumskunde  (N.  F.  8,  Nr.  2) 
teilt  R.  Wegeli  einen  Steckbrief  vom  Jahre  1433  mit 

Kulturgeschichtlich  und  kulturpsyclio logisch  sehr  beachtenswert  ist 
eine  umfangrriclie,  in  den  Jahrbüchern  für  Nationalökonomie  und  Statistik 
(III.  Folge,  Bd.  32,  H.  5;  34,  H.  2)  erschienene  Abhandlung  Otto  Ncu- 
ralhs:  Zur  Anschauung  der  Antike  über  Handel,  Gewerbe 
und  Landwirtschaft  (Cicero  de  officüs  I,  c.  42).  Von  allgemeinerem 
Interesse  ist  dabei  das  zweite  Kapitel :  Zur  Geschichlc  der  vergleichenden  Ge- 
schichte und  Politik,  iii  dem  einige  Typen  der  Ocsdiichlsbetrachtung 
Prinzipien  und  historisch  besprochen  werden.  Ira  dritten  Kapitel  wird  die 
jeweilige  Anscliauung  über  die  verschiedenen  Erwerbsarten  charakterisiert. 

In  der  Zettsclirift  f.  d.  Gesell,  d.  Oberrheins  (N.  F.  22,  H.  1/2)  be- 


J 


Kldne  Mitteilungen  und  Referate. 


127 


spricht    K.    Beyeric    neuere    Forschungen    zur   Wirtschaftsge- 
schichte der  Ostschweiz  und  der  oberrheinischen  Lande. 

Aus  den  Annalcs  de  Test  et  du  nord  (t.  3,  fasc.  1/2)  errähnen  wir 
die  Publikslion  A.  de  Saint-L^gers,  Memoire  concernant  lasitu- 
alion  iconomique  de  la  Flandrc  marilinie  cn  1  699. 

In  den  Pommerschen  Jahrbüchern  (6,  77-90)  teilt  H.  Ulmann 
Aktenstücke  ab  Beiträge  zumWirtschaftslcben  Neu  Vorpommerns 
1  848,9  mit. 

In  der  Monatsschrift  für  Qesdi.  u.  Wissenschaft  des  Judentums 
(N.  F.  M.  H.  9-12)  handelt  F.  Qoldmann  über  den  Ölbau  in 
Palistina  in  der  tannaitischen  Zeit. 

Zur  Geschichte  der  gnindherrlich-täuerltchtn  Verhältnisse  sind  eine 
ganze  Reihe  von  Zeitschriftenaufsätzcii  zu  nennen,  rümüch:  R.  Heath, 
Peasaot  Insurrcclions  13S>  and  \S'2S  (Ttie  Contetnporary  Review, 
1907,  January);  Ü.  Schwarz,  Die  Untertanen  des  Klosters  Fbrach 
in  Oochsheim  und  ihre  Bedrückung  im  IS.  Jahrhundert  [Bei- 
trtge  zur  bayer.  Kirchengeschichte,  13,  4);  Schräpler,  Der  Bauern- 
stand vom  1ö.  bis  18.  Jahrh.  in  unserer  Gegend  (Veröffentlichungen 
des  Altertumsvcrcins  Torgau,  I5,'I9,  40-73);  H.  Sie,  Lcs  classcs 
rorales  cn  Bretagne  du  XVI*  s.  h  la  r^voiution  (suite)  (Annales  de 
Bretagne,  21,  4;  22,  1,^);  J.  Letaconn oux,  Le  regime  de  la  corv£e 
en  Bretagne  au  KVIII"^  s.  (suite)  (Ebcntta,  22,  1/2);  R.  Prümers, 
Pol  nische  Bauern  bedrüclcung(Histor.Monatsblätterf.  Posen,  6, 123 -5). 

In  dem  Berg-  und  hüttcnmännisclicn  Jatirbiich  <Bü.  54,  H.  4) 
idmdcrl  A.  Mölln  er  den  Bergbau  in  denAEpcnländern  in  seiner 
geschichtlichen  Entwicklung. 

W.  Belclc  sucht  eine  wichtige  kulturgeschichtliche  Hrage,  ein  oft 
erörtenes  Problem  in  seinem  in  der  Zeitschrift  für  Ethnologie  (Jg.  39, 
H.  3)  abgedruckten  Vortrag;  Die  Erfinder  der  Ctsentechnik  der 
Lfeung  niher  zu  bringen.  Wesentlich  auf  Orund  der  Angaben  der 
Bibet  stdit  er  fest,  daß  als  Fabrikanten  von  Sclimiedcciscn  und  Stahl 
sovie  daraus  gefertigter  Oeräle  allein  die  Philister-Phönizier  um 
11«)  bis  looy  V.  Chr.  erwähnt  werden,  während  damals  den  Juden  die 
Bcarbeilung  des  Stahls  ein  Geheimnis,  allen  anderen  Völkerschaften 
Vonlerasiens,  Assyrcm  usw.,  ebenso  den  Völkern  Anatoiiens,  einschließlich 
JonienSt  Eisen  und  daraus  gefertigte  Geräte  vollständig  unbekannt  waren, 
bd  Griechen  und  Ägyptern  endlich  Stahl  noch  unbekannt,  Schmiedeeisen 
»ber  sdir  kostbar  war.  Den  Pili listeni- Phöniziern,  die  somit  als  einzige 
selbständige  Erfinder  gelten  müßten,  komme  insbesondere  das  Verdienst 
der  Erfindung  der  praktischen  Stahl fabrikation  und  -Technik  zu.  In  der 
Dskussion  wurde  u.  a.  die  Heranziehung  der  archäulu^i sehen  Ausgrabungen 
iB  den  ver^hiedenen  Undem  verraitit,  vor  allem  die  Ausscheidung 
Ägyptens  aus  der  Untersuchung  beanstandet  v.  Luschan  hält  es  so  gut 
vie  für  sicher,  daß  die  Eisentechnik  aus  dem  tropischen  Afrika  stamme. 


Zur  Zunft-  und  Gcwcrbcgcschichte  tragen  folgende  Aufsätze  bei: 
M.Heyne,  Entstehung  der  Gilden  (Protokolle  Ober  die  Sitzungen 
des  Vereins  f.  Gesch.  Oöttingens,  III,  4,  6-1t);  F.  Frcnsdorff,  Dis 
Zunflrcchtinsbes.  Norddeutschlands  und  die  Handverkerehre 
(Hansische  Oeschichlsblätter.  1907,  H,  1);  Jules  Vann^rus,  De  kcure 
der  wollctrevers  van  D  lest  van  135 3  (Verslagen der VIumscheAcademie, 
1906,  8,  Ji77-702),  H.  Coninckx,  Eeni^e  aanteekeningen  be- 
treffende de  handbooggilde  te  Mechelcn  (Bulletin  du  cerde 
archiol.  etc.  de  Malines,  t.  XVI);  Werbriin,  Aus  dem  Protokollbuch 
der  Fuldaer  Leineweberzunft,  Betträge  zur  Qesch.  der  Zunft,  1610 
bis1723  (Fuldaer  Qeschichtsblätter,  4,12-23;  42-47);  A.  Mörath.Das 
LebkQchnerhandwerk  in  Krummau  im  17.  Jahrh.  (Mitteilungen 
des  Vereins  f.  Qesch.  d.  Deutschen  in  Böhmen,  Jg.  46,  Nr.  1);  K-  Schöppe, 
Zur  Geschichte  des  Topf-  und  Palmariimmarktes  in  Naum- 
burg, ein  Beitrag  zur  Qesch.  d.  Innungswesens  (Nette  Mitteilungen  aus 
dem  Gebiet  histor.-antiqciar.  Forschungen,  23,  H.  1). 

In  der  Zeitsclirift  SzJzadok  veröffetitllcht  S.  Takäts  in  ungarischer 
Sprache^kulturgeschichtlicheStudien«  Ober  den  ungarischen  MQUer  im 
Ib.  U.17  Jahrli.  (Januarli07)  und  die  ungarische  Mühle  (Febf./März). 

Aus  den  Annaies  de  Bretagne  (22,  2)  erwähnen  wir  die  Arbeit  von 
F.  Bourdais,  L'industrie  et  le  commerce  de  la  teile  en  Bre- 
tagne du  XV«  au  XIX«  siecle  (nach  einem  memoire  de  licence). 

In  der  Vierleljahrschrift  für  Sozial-  und  Wirtschaftsgeschicbte 
(Bd.  V,  H,  1/2  und  3)  handelt  Johannes  Muller  ober  Geleitswesen 
und  Güterverkehr  zwischen  Nürnberg  und  Frankfurt  a.  M.  im 
15.  Jahrhundert.  »Für  die  Sicherung  der  Qeleitsstraßc  nach  Frankfurt 
zur  Zeit  der  beiden  Frankfurter  Messen  wurde  von  dem  Ral  und  der 
Handclswelt  Nümbei^  im  15.  Jahrhundert  schon  in  so  bestimmter  Fonn 
Fürsorge  getroffen,  daß  sich  sowohl  bezüglich  der  Werbung  des  Geleites 
bei  den  verschiedenen  Dynasten,  durch  deren  Gebiete  die  Reise  zur  Messe 
ging,  als  bezfiglich  der  Ausführung  der  Reise  selbst  bereits  bestimmte 
Regeln  gebildet  hatten.  Da  die  Kosten  för  das  Geleite  in  die  Frankfurter 
Messe  nur  zum  kleineren  Teil  der  Stadt  zur  Last  fielen,  sondern  (!)  zum 
größeren  Teil  durch  eine  auf  die  MeKbesucher  gelegte  Umlage  aufgebracht 
wurden,  so  lassen  sich  aus  den  für  das  dritte  Jahrzehnt  des  15.  Jahr- 
hunderts und  dan])  wieder  von  H7b  ab  erhaltenen  Angaben  über  diese 
sogenannten  Frellgelder  interessante  Aufechlüsse  über  die  Höhe  des  Güter- 
verkehrs zwischen  Frankfurt  und  Nürnberg  zur  Zeit  der  beiden  Messen 
gewinnen.  Die  für  die  Mitte  des  15.  Jahrhunderts  bekannten  Zoltsitze 
auf  die  verschiedenen  Warengatlungen  und  Geleitsgelder  für  die  Begleiter 
der  Warenzüge  gestatten  endlich  eine  annälienide  Berechnung  der  Fracht- 
kosten, deren  enorme  Höhe  im  Mittelalter  weniger  durch  die  eigentlichen 
Transportkosten  als  durch  die  Zölle  und  Geleitsgelder  jener  verkehrsfeind- 
lichen Zeit  herbetgefflhrl  wurde.* 


Halbersladts  Handelsstraßen  und  älteste  Handelsb«- 
zichangen  sind  der  Ge^nstand  eines  Aufsatzes  von  0.  Arndt  im 
Moalagsblatt  der  AUj^dcburger  Zeitung  (1907,  Nr.  35). 

St  I.ewicici  behandelt  im  Anzeiger  der  Akademie  der  Wissen* 
sdiiAen  in  Krakau  (Phil.  Kl-,  1906,  Nr.  9/10)  die  Handelsrouten  !n 
Polen   im  Mittelalter. 

Die  Beilr^  zur  ntssisdien  Geschichte,  Theodor  Schiemann  dar- 
gebniclit,  enthalten  zra  handelsgeschichlliche  Arbeiten,  eine  von  P.  von 
derOsten-Sacken,  DerHanschandel  mit  Pleskau  bis  zurMittc 
des  15.  Jahrhunderts,  eine  andere  von  Emil  Zweig,  Die  Unt- 
stehung  und  Organisation  der  englisch-russischen  Handels- 
beziehungen in  der  zweiten  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts. 

Aus  mehrfachen  Gründen  ergab  sich  im  Mittelalter  die  Notwendig- 
kdt  der  Bildung  von  Kaufmannsorganisationen  »fust  überall,  wo  ein 
einigcnDaßen  entwickelter  Verkehr  mit  dem  Ausland  gepflegt  «iirdc. 
mEinc  solche  Organisation  war  auch  die  Bruderschaft  der  Merchant- 
Advcnturcrs.*  deren  Entwicklung  und  Organisation  S.  van 
Brakel  in  der  Vierteljahrschrift  für  Sozial-  und  Wirtschaftsgcschidile 
(Bd.  V,  H.  i)  in  de«  Hauptziigcn  skizziert. 

Sehr  beachtenswert  ist  die  umfangreiche  Abhandlung  F.  Keutgens 
Aber      Hansische     Handelsgesellschaften,     vornehmlich     des 
H.  Jalirhunderts,  in  der  Viertel jahrechrifl  für  Sozial-  und  Wirtschafts- 
geschichte (Bd.  IV,  H.  2-4).     Keutgen  geht  von  einem  Standpunkt  aus, 
doi   vir  als  echt  kulturgeschichtlichen   bezciclmcn   müssen:   Recht   und 
Wnischaft  sind  ihm  nicht  die  eigentlichen  Ziele  der  Erkenntnis:  sie  sind 
ihm  «schlechthin  Selten  des  allgemeinen  Menschenlebens".     .Dem  tiefer 
Sdiauenden  sind  selbst  die  Formen  der  Handelsgesellschaften  Bausteine 
der  Erltennmis  der  Menschen  selbst,   ihrer  Denkweise,   ihrer  Fähigkeiten, 
ihm  praktischen  Könnens."    In  seiner  Einleitung  erörtert  er  allgemein 
hsadelsgeschich fliehe  Gesichtspunkte  in  einer  Weise,  der  man  meist  durch- 
las rustimmen  kann,   und  in  gegensätzlicher  Haltung  (wie  auch  in  der 
Abhandlung  selbst)  zu  Sorobarts  nachgerade  allgemein  verurteilten  Theorien. 
Er  stdlt  zunächst  nicht  nur  »durch  raschen  Überblick'    fest,  was  der 
FemhAndel   »nach  seiner  Menge  bereits  für  das  gesamte  damalige  Leben 
bedeutet  haben  muß",   sondern   lallt  vor  allem   keinen  ZweiEel   darüber, 
vdaB   unsere  Vorfahren    im   Innern  ein  ebenso   lebhaftes  Gewinn  sireben 
cmpCanden    wie   die   Heutigen    und    es  ebenso   mannhaft  zu   betätigen 
«uBten.*    Seine  besondere  Aufgabe  aber,  bei  der  es  sich   vielfach   um 
lofvule  fragen  handelt,  betrachlet  er  wesentlich  auch  von  den  durch  ihre 
Bdnadlung  zu  erzielenden  Ergebnissen  ffir  die  Erkenntnis  der  allgemeinen 
Itaidelszustände  des  wichtigen  14.  Jh.  her.     Es  koninitdaraiif  an,  das  Wesen 
öer  im  Bereich  der  deutschen  Hanse  gewöhnlich  abgeschlossenen  Haudels- 
ecsellschaften  zu  erkennen;  daraus  können  Sdilüsse  gezogen  werden  .ein- 
wl  Ulf  die  Bedeutung  des  Handels  selbst,  dann  auf  die  Selbständigkeit 

An*W  für  Kul(iirg«chichtc.    VI.  9 


der  deutschen  Rechtsbildung  in  dieser  Materie".  Er  will  die  Arten  der 
deutschen  SeehandelsgeseUschaften  nur  aus  den  deutschen  Quellen 
erschließen,  die  italienischen  aber,  von  denen  sonst  die  wissenschaftlidie 
Untersuchung  ausgegangen  ist,  nnrziim  Vergleich  heranziehen.  «Welcher 
Art  auch",  schließt  Keutgen  seine  liier  icn  einzelnen  nicht  zu  verfolgende 
Abhandlung,  ^seit  dem  Ende  des  15.  Jahrhunderts  der  Einfluß  fremder 
Rechtsgedankcti  auf  das  deutsche  Oesellschaftsrecht  gewesen  ist,  bis  dahin 
halte  es  sich  selbständig  entwickelt.  Die  Stellung  der  auswärts  mit  der 
Ausführung  der  Oesdiäfte  Betrauten  war  von  vornherein  in  der  hansischen 
Handelswell  eine  von  der  im  Süden  verschiedene ....  Noch  wichtiger 
ist,  daß  im  Norden  nicht  das  Traktatorttim  sich  zw  einem  selbständigen 
Gewerbe  ausliildcte  .  . . .;  selbst  dann,  wenn  zwei  gleichstehende  Kaufleule 
sich  vereinigten,  von  denen  einer  das  Reisen  besorgte,  war  Hauptmann 
der,  der  zu  Hause  blieb.  Damit  aber  war  die  Entwicklung  zur  Kom- 
manditgeseMschan  von  Anfang  an  an  die  zweite  Stelle  gedrängt:  im 
Vordergrunde  steht  die  offene  HandclsgesellscliafL"  Die  führenden  Kauf- 
leule besaflen  -ihrefesten  Verbitidungen,  ihrelebenslänglichen Gesellschafter, 
mit  denen  gemeinsam  sie  ilirem  Handelsge»'erbe  oblagen*.  »Nur  so  ist 
zu  verstehen,  wie  der  hansische  Handel  die  bedeutende  Ausdehnung  an- 
nehmen (tonnte,  die  ziffernmäßig  belegt  ist."  Im  Anhang  sucht  K.  auf 
Qrund  des  Handlungsbuchs  des  Lübecker  Bürgermeisters  Johann  Witten- 
borg  dessen  Geschäftsführung  im  Zusammenhang  darzustellen,  sowdt 
dadurch  die  berfihrten  Fragen  beleuchtet  werden. 

Kurz  sei  auf  eine  Abhandlung  von  G.  Arias,  Lc  societä  di 
commcrcio  medievali  in  rapporto  con  la  chiesa  im  Archlvlo 
della  Societä  Romana  di  Storia  Patria  (29,  3/4)  hingewiesen. 

In  den  Mitteilungen  des  Vereins  für  Geschichte  der  Deutschen  in 
Böhmen  (Jg.  46,  Nr.  1)  veröffentlicht  Jos.  Blau  als  einen  Beitrag  zur 
Geschichte  des  Handels  in  Böhmen  eine  Arbeit  über  den  Neucrncr 
Eedernhandei. 

Interessante  Kulturbildcr  entrollt  der  Au^tz  von  A.  Woringcr, 
Zoll  und  Schmuggel  in  Hessen  im  18,  und  19.  Jahrhundert 
(Hessenland,  Jg.  20,  Nr.  4-7).  Die  Sache  nahm  erst  mit  dem 
1.  Januar  1S54  seit  dem  Anschluß  Hannovers  an  den  Zollverein  ein  Ende. 

Zur  Geschichte  des  Kapitalismus  (ragt  die  Arbeit  von  R  Ailard, 
Une  grande  fortune  romaine  au  V^siicle,  in  der  Re^'uc  des  que»- 
tfons  historiques  {1907,  Janvier)  bei.  Es  handelt  sich  um  das  enonne 
Vermögen  der  hl.  Melania,  das  A.  auf  Qrund  der  Angaben  des  Rarapolla- 
schen Werke«:  Santa  Melania  juniore  und  ihrer  Vita  berechnet.  Die  Höhe 
der  angegebenen  Sunune  grenzt  aber  stark  an  das  Unwahrsdieinlidie. 

Allgemeincrc  Beachtung  unrd  eine  Arbeit  Ignaz  Schippers  über 
die  Anfänge  des  Kapitalismus  bei  den  abendländischen  Juden 
im  fräheren  Mittelalter  (bis  zum  Ausgang  des  12.  Jahrh.)  in  der 
Zeitschrift  für  Volkswirtschaft,  Sozialpolitik  und  Verwaltung  (Dd.  XV, 


I 


Kleine  Miltdttmg:en  und  Referate. 


H.  5;6)  finden,  gegen  die  sich  frdlidi  auch  mancher  Wjder^prucli  erheben 
wird-  Seh.  weist  nicht  mit  Unrecht  darauf  hin.  wie  sehr  der  jüdische 
hUndcl  und  Wandel  im  Mitlelaller  noch  immer  eine  terra  incognita  sei 
—  von  neueren  Arbeiten  erkennt  er  die  von  O.  Caro  über  die  Juden  des 
Mittelalters  in  ihrer  virtschafltichen  Eklätigung  am  meisten  an  -,  und 
will  die  Kenntnis  der  mittelalterlichen  jüdischen  Wirtschaftsgeschichte 
durch  einige  den  Quellen  entnommene  Beiträge  ergänzen.  Indem  er  die 
Sombartschc  Theorie  des  jüdischen  »Atlkapitalismus-,  nach  der  die  Juden 
ihren  Rdchtum  der  Herüber  reitung  der  Vermögen  aus  dem  Röntisclien 
Reich  verdanklen,  bekämpft,  stellt  er  etwa  folgende  Entwicklung  auf.  Im 
Römischen  Reich  bildeten  die  Juden  keine  von  der  übrigen  Bevölkerung 
geschiedene  wirtschaftliche  Klasse;  ihre  wirtschaftliche  Betätigung  unter- 
schedci  sich  von  der  der  übrigen  Bevöllcerung  nicht:  sie  waren  »bis  zum 
Ausgang  des  6.  Jahrhunderts  in  Italien,  im  Frankcnlandc  und  in  Spanien 
romdioilich  im  Ackerbau  tatig  oder  bezogen  Pachtzinsetf.  Aus  civcs 
Roroani  wurden  sie  zu  Volksfreraden,  Die  Grundlage  ihrer  Vermögens- 
bilduiig  war  aber  .die  Grundrente  (im  weiteren  Sinn),  die  sich  bei  den 
bodenbesitzenden  Juden  akkumulierte.  Diese  akkumulierte  Grundrente 
wie  auch  die  nach  der  Veräußerung  des  jildischcn  Bodens  -  eine  Theorie 
Schippers!  -  in  die  Hände  der  Juden  gelangenden  (größeren  mobilen 
Vermögen  bildeten  die  Gnnidlage  des  späteren  Welthandels»  als  dessen 
Träger  sich  die  Juden  bis  zum  Ausgang  des  10.  Jahrh.  behauptet  haben." 
Von  Grund  und  Boden  losgetrennt,  ein  fluktuierendes  Element  geworden, 
konnten  sie  sich  nur  dem  Handel  -  vom  Handwerk  konnte  noch  nicht 
die  Rede  sein  -  zuwenden.  Die  Nachfrage  nach  den  Waren  des  Orients 
und  ihre  günstige  Stellung,  da  sie  durch  die  überall  sitzenden  Juden 
bis  2um  Orient  die  besten  Verbindungen  hatten,  kam  ihnen  zugute.  Sie 
wurden  außerordentlich  reich.  Als  nun  ihre  Vomiundschaff  dem  auf- 
blühenden einheimischen  Kaufmannstaiid  des  westlichen  Europas  lästig 
geworden  war,  warfen  sie  sich  mit  ihren  mobilen  Kapitalien  auf  den 
OekShandel,  wieder  begünstigt  durch  ihre  internationale  Stellung.  Es 
war«!  die  Kulturzustände  des  früheren  Mittelalters,  welche  die  Juden 
dem  gewerbsmäßigen  Wuchergeschäft  in  die  Arme  warfen  und  sie  darin 
förderien.  -  Die  jüdischen  Geldgeschäfte  werden  noch  des  näheren 
bebandelt. 

Kulturgeschichtlich  interessant  ist  der  Aufsalz  von  Ch.  Knapp, 
Travel  in  ancient  times  as  seen  in  PEaulus  and  Terence 
(dasaical  Philology,  2, 1.) 

Beachtung  verdient  die  in  den  Hansischen  Geschieh tsblätfem  {1907,  t) 
erscfaiencne  Abhandlung  \V.  Vogels:  Zur  nord-  und  wcstcuro- 
piischcn  Seeschiffahrt  im  früheren  Mittelaller,  d.  h.  bis  gegen 
Ausgang  des  11.  Jahriiunderts-  Die  Wikingerfahrten  spielen  in  ihr  eine 
besondere  Rolle,  der  Sdiiffsbau  und  die  äußere  Seite  des  Schiffswesens 
werden  gebührend  berücksichtigt. 


9' 


E.  Gerlands  Aufsatz  in  den  Mitteitun^n  zur  Gesch.  d.  Medizin 
und  der  Naturwi$scnsdiafleii  (VI,  Nr.  1)  ütwr  den  Kompass  bei  den 
Arabern  und  im  christlichen  Mittelalter  hebt  die  VX''idiliglceit  der 
Veröffentlichungen  E.  Wiedemanns  und  Q.  Helltnanns  für  die  genauere 
Kenntnis  der  Entstehungsgeschichte  des  Kompasses  hrn-or,  meint  aber, 
daß  noch  Widersprüdie  und  Dunkelheiten  geblieben  seien.  Er  versucht 
daher,  >das  nunmehr  zur  Verfügung  stehende  Material  einer  erneuten 
Bearbeitung  zu  unterziehen.-  Als  Ergänzung  zu  dieser  Arbeit  madit 
H.  Stadler  in  derselben  Zeitschrift  (VI,  Nr.  2)  auf  etne  Stelle  bd  Thonus 
von  Cantimpre  aufmerksam,  die  er  abdruckt. 

Aus  den  Annalen  des  Historischen  Vereins  für  den  Niederrliein 
(81,  1-45)  erwähnen  wir  die  Abhandlung  von  B.  Kuskc,  Donner 
Schiffahrt  im  Mi.  Jahrhundert. 

Zur  Geschichte  des  Postvesens  li^t  eine  ganze  Reihe  von 
Arbdlen  vor.  P.  Prclsigke  handelt  in  der  Zeitschrift  KHo  (7,  H.  2) 
über  die  ptoleraäischc  Staatspost,  J.  A.  J.  Housden  in  der  Engl. 
Historical  Review  (Oct.  1906)  über  The  Merchant  Strangers'  PosI 
in  the  XV!'*»  Century;  Korzcndorfer  vcröffentlidit  im  Archiv  für 
Post  und  Tel^raphie  (1907,  Nr.  19)  die  MQnchener  Botenordnung 
a.  d.  J.  1565,  die  nur  Boten  zu  Fuß,  keine  fahrenden  und  reitenden  Boten 
kennt,  In  der  auch  von  bestimmten  Botengängen  und  -Fahrten  oder  davon, 
daß  der  eine  Bote  in  einer  bestimmten  Stadt  zu  einer  bestimmten  Znt 
auf  einen  anderen  warten  mußte,  noch  keine  Rede  ist;  Weise  handdt 
ebenda  (Nr.  16)  über  das  bremische  Postwesen  bis  zur 
Gründung  des  norddeutschen  Bundes,  H.  Habblcht  ebenda 
(Nr.  19)  über  den  ehemaligen  Hof-Poststall  und  die  Kurier- 
und Extrapoststation  in  Weimar. 

In  der  Natuns-issenschaf fliehen  Wochenschrift  (1907,  Nr.  39)  be- 
spricht Petri  Athanasius  Kirchers  Buch  über  die  Pest  K^s  An- 
sichten hält  er  mit  Recht  für  sehr  mitteilenswert.  K.  -that  gevnssermaßen 
den  PestbacilUis  vorgcahnL" 

In  der  Zeilschrift  für  österr.  Volkskunde  (1907,  H.  Aß)  behandelt 
O.  v.  Hovorka  Fraisen  und  andere  Krankheiten  im  Lichte  der 
vergleichenden  Volksmedizin. 

in  der  Romania  (tsoV,  Janvier)  findet  steh  dnc  Miftdiung  von 
A.  Bos:  Deux  recettes  en  catalan. 

O.  Giemen  teilt  in  den  Mltteihmgeti  des  Vereins  für  Gesch.  d. 
Deutschen  in  Böhmen  (Jg.  45,  Nr.  3)  ein  Klagelied  des  Stadtarztes 
von  Schlaggen wald  vom  J.  1583  mit. 

H.  Schöpplei-  bringt  in  der  Ärztlichen  Rundschau  aus  Nürn- 
berger Quellen  allerlei  Mitteilungen  über  Ärzte  und  Medizinalwesen 
in  Nürnberg  zur  Zdt  des  «goldenen  Jahrhunderts"  (I9o7,  Nr.  b),  über 
die  Arzte  der  freien  Reictasstadt  Nürnberg  und  ihren  Kampf 


KIdne  Mitteilungen  und  Referate. 


133 


itgn  dts  Kurpfuschertum  (1906,  Nr.  4S)  sovie  über  Bader, 
Birbierer  und  Wundärzte  in  der  ehemals  freien  Reichsstadt  Nürnberg 
(1907,  Nr.  2). 

W.  Hanauer  bringt  in  der  Deutschen  Vicrteljahrsschrift  für  Öffent- 
lidie  Oesundhettspfl^e  (Bd.  39,  H.  3)  eine  Geschichte  der  Sterb- 
lichkeit und  der  öffentlichen  Oesundheilspflege  in  Frank* 
fnrt  a.  M.  Die  Bezidiungen  zwischen  Sterblichkeit  tnid  dem  jeweiligen 
Stand  der  hygienischen  Betätigung  waren  für  die  ältere  Zeit  bisher  dunkel. 
Gerade  für  Frankfurt  fließt  aber  reichliches  Materiat,  da  nicht  wenig 
Nachrichten  über  die  gesundheitlichen  Zustände  aus  früherer  Zeit  uns 
überkommen  sind,  andererseits  die  Aufzeichnungen  über  die  Sterblichkeit 
bis  in  frühere  Jahrhunderte  zurückreichen. 

Oreiner  behandelt  in  den  Württem bergisch en  Vierteljahrsheften 
für  Landesgeschichte  (N.  F.  16,  H.  1)  die  Geschichte  des  Ulmer 
Spitals  im  Mittelalter,  A.  Ziegler  in  dem  Zürcher  Taschenbuch  auf 
das  Jahr  1907  die  Spitalordnungen  von  Winterthur. 

In  der  Deutschen  Vicrteljahrsschrifl  für  öKentliche  Gesundheitspflege 
(Bd.  S9,  H.  4,  1.  Hälfte)  untersucht  Wawrinsky  die  Entwickelung 
des  Lazarcttvesens  in  Schweden.  Aus  seiner  Darstellung  .erhellt, 
daH  Schweden  erst  recht  spät  sein  Lazarcttwesen  geordnet  erhalten  hat, 
und  daß  die  Kranken pfle^eanstalien  des  Landes  erst  in  altemeuester  Zeit 
einen  höheren  Grad  von  Entwickelung  erreicht  haben."  uErst  in  der 
Sitzung  vom  Jahre  1642,  wie  mit  Armen  und  Kranken  verfahren  werden 
solle,  wird  ein  Unterschied  zwischen  K ranken liüusem  (Hospitälern)  und 
Annenhäiisem  angedeutet."  „Irgend  welche  Maßnahme  für  die  Auf- 
nahme heilbarer  Kranker  zwecks  Behandlung  scheint  indessen  eigentlich 
nicht  getroffen  zu  sein  vor  Mitte  des  18.  Jahrhunderts." 

In  den  Mitteilungen  zur  Geschichte  der  Medizin  und  der  Natur- 
wissenschaften (Vi,  22t  ff.)  war  vor  einiger  Zeil  ein  Referat  über  einen 
Vortrag  von  Jul.  Hirechberg  über  »die  Geschichte  der  Erfindung  der 
Brille*  und  die  daran  sich  sdiheßende  Diskussion  gegeben.  H.  wider- 
legte darin  eine  Reihe  bisheriger  Irrtümer  und  behauptete  eine  Erfindung 
da*  Brille  um  UOO  in  Europa,  vielleicht  durch  Zufall  bedingt.  Oppert 
vermißte  dem  gegenüber  die  Berflcksichtigimg  der  Inda*.  Letztere  hielt 
wieder  Hirschberg,  trotzdem  bekannternialJen  das  Wort  Brille  von  dem 
indischen  Halbedelstein  Beryll  und  seinem  ursprünglich  indischen  Namen 
herkomme,  dennoch  nicht  für  die  Erfinder.  Jetzt  wendet  sich  nun  in  der- 
Klbeo  Zeitschrift  (VI,  379-8S)  Berthold  Laufer  in  einer  Abhandlung  zur 
Geschichte  der  Brille  gegen  Hirschbergs  »unhistorische  Ansicht  von 
der  selbständigen  Eriindung  der  Brille  in  Europa-  und  will  »durch  neues, 
aus  der  chinesischen  Literatur  beigebrachtes  Materi.^]  beweisen,  daß  die 
Ansicht  von  der  ursprünglichen  Erfindung  der  Brille  in  Indien  die  größte 
Wahrscheinlichkeit  für  sich  hat."  Brillen  waren  übrigens  -in  der  Zeit 
des   chinesischen    Altertums    gänzlich    unbekannt    und    werden    in  der 


t 


Literatur  nicht  früher  als  in  Schriften  des  13.  Jahrhunderts  erwähnt  und 
beschrieben,  treten  also  in  China  in  derselben  Periode  aiif  wie  in  Europa.« 

H.  Schöppler  bringt  im  Janiis  (IW7,  Febr.)  Mitteilungen  über 
das  Kebammenwesen  im  alten  Nürnberg  und  teilt  nach  dem 
Original  im  Mflnchener  Reichsarchiv  in  Krüches  Ärztlich.  Rundschau 
(1907,  Nr.  tt]  der  Reichsstadt  Re^ensburg  HcbammcnordDung 
vom  Jahre  1617  mit.  Zu  der  im  Anhang  mitgeteilten  Eidesformel  gibt 
Erich  Ebstein  in  den  Millciliingen  zur  Gesch.  d.  Medizin  und  Natunr. 
(VI,  491  f.)  eine  spätere  Parallele  durch  Mitteilung  eines  Hebamme 
eides  von  1787. 

Die  Geschichte  des  Badewesens  wird  zurzeit  eifrig  bearbeitet.  Wir 
erwähnen  folgende  Beiträge:  Alfr.  Martin,  Historisches  aus  dem 
Badcvescn  (Berliner  Klinische  Wochenschrift,  1907,  Nr.  H);  Q.  Acher 
cl  V.  Leblond,  Le  baln^aire  gallo-romain  de  Beaiivais  (in: 
Compte  rendu  du  deuxieme  congres  ardi^l.  de  France,  lenu  en  1905  ii 
Beauvais);  -ng,  über  öffentliche  Bäder  heute  und  in  früherer 
Zeit  (Ans  dem  Monatsblalt  des  Wormscr  Alterlumsvereins  »Vom  Rhein» 
[Beilage  zur  Wormser  Ztg.],  5.  Jahrg.,  Juni  1906:  Veröftenilichungen  der 
deutschen  Gesellschaft  f.  Volksbäder,  Bd.  IV,  H.  1)  (bezieht  sich  auf  die 
Entwicklung  in  Worms);  B.  Reber,  Ein  Lobgedicht  des  fabricius 
Hildanus  auf  den  «Wasserschatz*  des  Tabernämontanus,  sowie 
Anweisungen  des  Gebrauchs  der  Bäder  von  Baden  im  Aargau  und  voti 
Markgrafen- Baden  (Mcdizini^hc  Klinik,  1907,  Nr.  6);  E.  Roth,  Pyrmont 
in  alten  Zeiten  (Medizinische  Woche,  1907.  Nr.  24)  (u,  a.  Auszüge  aus 
der  Bcschrdbtuig  des  Bades  durdi  Bollniann  von  1661);  G.  C.  Laube, 
Teplitzcr  Badeleben  in  alter  Zeit  (Mitteilungen  des  Vereins  f.  Qcsch. 
d.  Deutschen  i.  Böhmen,  Jg.  45,  Nr.  4);  Siegl,  Alteste  KurlJstc  von 
franzensbad  (t797)  (Ebenda,  Nr.  3). 


■w 


Das  Museum  Carnavalet  in  Paris.  Wer  jemals  einige 
Tage  an  der  Seine  verlebte  oder  zu  verleben  gedenkt,  versäume  nicht, 
sich  einen  Überblick  über  .>Alt>Paris"  zu  verscliaffen,  wobei  ihm  ein 
Auszug  aus  den  erst  jetzt  geordneten  Schätzen  des  Museums  Carnavalet 
ein  guter   Führer  sein  mag. 

Nicht  nur  Bücher,  sondern  auch  massive  Paläste  haben  ihre 
oft  wunderbaren  Wandlungen  durchzumachen.  Im  östlichen  Teile 
der  Stadt  erhebt  sich  das  von  der  Stadt  Paris  eingerichtete  Musee 
Carnavalet  Bereits  tS44  erbaut,  ging  es,  unter  den  verschiedenen 
Besitzern  manchen  Änderungen  unterworfen ,  im  1 7.  Jahrhundert  in 
die  Hände  der  berülmiten  Madame  de  Sevtgne  über.  Dort  war  der 
Trpffpunkt  der  führenden  Geister.  Männer  wie  der  Kardinal  Retr,  La 
Rochefoucauld,  Conde,  Bossuet  u.  a.  kamen  hier  zusammen.  Während 
die  Revolution  dann  ihre  .Direction  de  la  Librairie"  in  den  Räumen  des 
Palastes  einrichtete,   blieb  es   bis  1829  eine   Schule  für  Brücken-  und 


Wegebau,  dann  kam  ein  Erziehungsinstitul,  und  schließlich  konnte  im 
Jahre  ISSO  trob!  drr  Kricgscreignisse  von  1870y71  die  Einweihung  des 
Mus«ums  erfolgen.  Inzwischen  hat  man  die  Scluilze  nun  übcrsiclitlich 
gruppiert.  Die  umfangreiclicn  Sammlungen  von  Büchern,  wertvollen 
Urkunden,  Sarkophagen,  Oefäßen,  Lampen,  Münzen,  Reliefs,  Statuetten 
in  Bronze  und  Ton,  Inschriften  bieten  der  romanischen  Forschung  ein 
gewaltiges  Material.  Vor  unseren  Augen  stehen  die  Zeugen  einer  Kultur- 
epodie  von  2000  Jahren!  Die  Zeit  der  Kelten  redet  zu  uns,  die  Karo- 
lingerepoche ist  durch  eine,  vlcUeichl  von  einem  Zeitgenossen  des  groOen 
Karl  herrührende  (Nein!  D.  Red.)  Kcilcrstatucttc  vertreten,  auf  den  Trcppcn- 
gingen  hängen  die  alten  Stadtpläne  des  damaligen  geistigen  MittelpiinHes  der 
Wdt,  von  Paris.  Unsere  Aufmerksam  keil  verdient  besondere  ein  plan  de 
taptsKrie,  die  sonstigen  topographischen  Sile  interessieren  nur  den 
Fachmann.  Im  IS.  und  16.  Jahrhundert  war  die  Miniaturmalerei  weit 
entTickdt,  als  Hauptvertreler  sei  hier  nur  Jean  Fouquel  genannt.  -Von 
den  freundlichen  Bildern  aus  der  Touraine  führt  er  uns  in  die  engen 
SinBen  von  Alt-Paris,  wo  die  dicht  zusammen ^erilckten  Häuser  stehen, 
Aberngt  von  den  Türmen  von  Notre-Dame  und  der  zarten  Spitze  von 
Sainle-Chapelle,  oder  er  geht  mit  uns  in  die  Umg(^>nd  und  zeichnet 
DRS  die  Umrisse  des  Mont  Valdien  oder  die  dtmkle  Silhouette  von 
MoDlfaucon  mit  dem  dortigen  Galgen.-  Wo  heute  die  RiesenniarkÜiallen 
dem  ganzen  Viertel  das  eigenartige  Gepräge  geben,  war  damals  der  - 
.Kirchhof  der  Unschuldigen«.  Zahlreiche  Ölbilder,  Hand  Zeichnungen 
uad  Kupferstiche  vom  16.  bis  IS.  Jahrhundert  gestatten  die  Rekonstruktion 
de» bourbonischcn  Paris;  so  z.  B.  Der  Schwur  im  BalLspieIhau.se  (20.  Juni 
1789)  und  die  Proklamation  der  Verfassung  (14.  September  1791).  Unter 
den  Kupfertafeln  sei  das  «Schifferstechen*,  ein  noch  heute  auf  den 
BiMhis  von  Versailles  beliebter  Sport,  und  der  .Triumphzug  Voltaires' 
Etnannt  Einen  großen  Raum  nehmen  Dukumenle  ein,  die  auf  politische 
Taten,  Ermordungen  usw.  Bezug  haben.  Der  kulturgeschichtlichen  Be- 
deutung halber  sei  hier  das  von  Leithäuser  im  Original  wiedergegebene 
Todesurteil  Ravailtacs,  des  Mörders  Heinrichs  des  Vierten,  übersetzt.  .Der 
Venirteilte  hat  vor  der  Hauptkirche  von  Paris,  wohin  er  in  einem 
SchindeHcarren  zu  führen  ist,  im  bloßen  Hemd  und  eine  zwcipfündige 
brennende  Fackel  haltend,  zu  sagen  und  zu  erklären,  daß  er  bedauerlichcr- 
vctsc  und  verräterischen  Gemüts  besagten,  äuBerst  bösen,  abscheulichen, 
vcrSchtlichcn  Mord  begangen,  daß  er  besagte  Königliche  Hoheit  mit  zwei 
Dddtsticben  getötet  habe  und  dal)  er  es  bereue.  Colt,  den  König  und 
die  Gerechtigkeit  bittet  er  um  Verzeihung.  Von  dort  führe  man  ihn 
auf  den  Grtve-Platz  zu  einem  dort  errichteten  Schafott.  An  beiden 
Bnislsciten,  Armen,  Schenkeln  und  Waden  werde  er  mit  glühenden 
Zangen  gezwickt.  In  der  Rechten  soll  er  das  Messer  hallen,  mit  dem  er 
besigtcn  Königsmord  begangen.  Man  senge  und  brenne  ihn  mit 
giObendem  Schwefel,  und    auf  die    gezwickten  Stellen  gieße  man  ge- 


schmolzencs  Blei,  siedendes  öl,  Pech,  brennendes  Harz  und  geschmolzenes 
Schwefel  wachs.  Dann  verde  er  gestreckt  und  von  vier  Pferden  zerrissen, 
seine  Glieder  sind  üetn  Feuer  zu  überliefern,  einzuäschern  und  in  alle 
Winde  zu  zerstreuen.  Alten  kund  und  zu  wissen  getan,  seine  Güter 
fallen  dem  Könige  anhdm.  gemäß  dem  Spruche  des  Parlamentshofes 
vom  27.  Mai  1610.  Ausgefertigt  vom  Magister  Daniel  Voysin  und  an 
bengtem  Tage  ausgeführt."  -  Als  andere  Probe  dieser  KulturerTeugnisse 
fltebe  hier  aus  dem  reichen  übersichtlichen  Material  der  deutsche  Text 
jener  berflchtigten  Verhaftungsbefehle  (lettres  de  cachet)  unter  Ludwig  XV. 
aus  dem  Jahre  I7ü7:  alm  Namen  des  Königs!  Teure  und  Vieledle,  wir 
verlangen  von  tiuch  und  befehlen,  besagten  Frangois  Augustin  La  Orange 
in  Oewahrsam  zu  nehmen  und  ihn  bis  zum  Eintreffen  neuer  Ordre 
unsererseits  festzuhalten,  auf  Grund  einer  Pension  von  200  Pfund,  die 
Euch  von  seinem  Bruder,  falls  Ihr  keine  Fehler  macht,  au^ezahlt  werden- 
Dies  ist  unser  Wille!  G^ebcn  in  Versailles  am  20.  Oktober  1767. 
Uidwig." 

Den  Schluß  unserer  Wanderung  möge  die  Erwähnung  d 
großen  Münzkabinette  machen,  unter  denen  besonders  in  dem  Pariser 
Münzenfund  von  l  syj  Geldstücke  und  Medaillen  aus  den  verschiedensten 
Epochen  die  Zierde  des  Muscc  Carnavalel  bilden.  —  Der  Bearbeiter  der 
Urkunden,  Dr.  O.  Leithäuser,  hat  sich  auf  jeden  Fall  ein  großes  Verdienst 
erworben,  das  interessante  Material  auch  dem  Publikum  zugänglich 
macht  zu^^haben.  Roering. 


'M 


Portofreie  Liefernng  sämtlicher  Bficher. 


Reines  Deutschtum 


«I 


Grundzüge  einer  nationalen  Weltanschauung 

Mit  einem  Anhange:  Nationale  Arbeit  und  Erlebnisse 

Von  Friedrich  Lange 

Dritte  bis  fünfte  stark  vermehrte  Auflage.    -    44.»  Seilen. 
-  ■  Geheflel  Mk.  4.  -  ,  ßebundcn  Mk.  5.-.  =^=^= 

-Es   ist   ein   liuch,  an   dem   Gustav   hrcytag  und  Heinrich   von 

Tteitsclikc   ihre  helle   Freude  haben  würden,  ein   männlich-nationales 

Bi\\d  aus  der  deutsclien  Gegenwart,  das  auf  alle  Mitlelienden  anfeuernd 

und   belebend  wirken  muß.     Ein   vortreffliches  Buch  deutscher  Ge- 

«lOttiigl     fernste,  nachhaltige  Freude.'  Deulsclie  Wacht. 

-Es  ist  erfreulich,  daß  von  diesem  trefflichen  Buche  eine  fünfte 

"Uflage  notwendig  geworden  ist.     Denn  es  enihält  i.so  etwas  wie  das 

'^'^lolcoll  der  Lebensarbeit*  eines  der  besten  Deutschen  unserer  Zeit 

*^tt  «nabhängi»e  nationale  Mann,  der  das  Buch  noch  nicht  kennt, 

~^lhe  es  schleunigst  kaufen,  gründlich  studieren  und  darnach  sein 

^keti  einrichten."  Rhein. -Westf.  Ztg. 


ti 


I 


er  als  Vorkämpfer  einer  deutsch-bewußten  Entwicklung  unseres 
Volkes  bekannte  Verfasser  beleuchtet  vom  Standpunkte  eines 
^*llschlossenen  Nationalismus  die  Verhältnisse  und  Bestrebungen  der 
^'^genwart  und  baut  die  neudeutschen  Gedanken  begrifflich  zu  einer 
^Qtionalen  Weltanschauung  aus.    -    Der  Anhang  enihält  die  wert- 
vollen Berichte  über  die  Umsetzung  der  nationalen  Weltanschauung 
^^  praktische  Kulturpolitik.    tKolonialpoIitische  Erinnerungen,  Schul- 
reform, Deutschbund.   Deutsche  Zeitung,  nationale  Reform  unseres 
Wrttiwesens.) 


Alexander  Duncker,  Königi.  Hofbuc»iii»ndiung.  Berlin  W.  35, 


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ARCHIV   FÜR  KULTURGESCHICHTE 

Vf.  Band  Heft  1. 


Seite 


Inhalt: 

Quellenstudien  zur  Geschichte  des  neucrtn  französischen 

Etnflussesaufdiedeiitsche  Kultur.  11.  Von  Regierungs- 

nt  Dr.  Cart  Gebaiur  in  Breslau 

Aus  dem  Papierkorb  eines  Kölner  Rechtsanwalts  zu  An- 
fang des  16.  Jahrhunderts.    Von  Sladtarchivar  Dr.  Hrr- 

mann  Kfussen  in  Köln 

Eine  Spicllrectitsordnung  aas  dem  Jalire  1542.    Mitgeteilt 

von  Oberst  a.  D.  Wilhelm  Betk  in  München 

Dir   Reise  des   Danziger   Ratsherrn    Arnold   von   Hollen 

durch    Spanien    und    Oberitalien    in    den    Jahren 

1606-160S.    Von  Professor  Dr.  Paul  Simson  in  Danzig    . 
Vom  Zutrinken.    Von   Hilfsbibliorhckar  Dr.  KJemrns  Löffirr  in 

Berlin 

Mtszellen: 

Ein  Vertrag  mit  einem  PrSzeptor  für  einen  janf^en 
AdÜRen  (1.577).  Mitgeteilt  von  Professor  Dr.  Martin 
Wehrmann  in  Stettin 

Ein  Protest  gegen  Hexenverhrcnining  aus  der  Zeit 
des  Dreißigjährigen  Krieges.  Mitgeteilt  von  Direktor 
Dr.  Ed.  Otto  in  Offenbacli  a.  M 

Etwas  von  der  Einquartierung  Erfurts  Im  letzten 
Jahre  des  Siebenjährigen  Krieges.  Von  Dr.  Gustav 
Sommerfeldt  in  Königsberg  t.  Pr 

Zur  Legende  von  der  Jagd  des  Einhorns.    Von  Prof. 

Dr.  F.  Knntze  in  Weimar 

Besprechungen. 

Breysig,  Die  Geschichte  der  Menschheit. 
Bd.  [.  Die  Völker  der  ewigen  Urzeit.  I. 

Siecke,  Mylhus.  Sage,  Märchen  in  Ihren 
Beziehungen  zur  Gegenwart     .    .    . 

Sieckcj    Drachenkämpfe   (Mythologische 
Bibliothek,  i,  1 

Bibliothek  wertvoller  Memoiren.     Hrsg. 
von  Ernst  Schnitze.  Bd.  I— IV     .    . 

Haendcke,  Deutsche  Kultur  im  Zeitalter 
des  30  jährigen  Krieges 

Holtenroth,    Die    Nassauischen    Volks- 
trachten       

Kiefer,  Die  körperliche  Zöchtigung  bei  der  Kindcrerziehung 
in  Geschichte  und  Beurteilung.  Iksprochen  von  Biblio- 
thekar Dr.  O.  Kohfelät  in  Rostock 

Kleine  Mitteilungen  und  Referate 


I 


Hcsprochen  von 

Universitätsprof. 

Dr.  Rieh.  M.Meyer 

in  Berlin 


Besprochen  vom 
Hcrau^el>er 


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101 

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toi 


KU  LTU  R 

GESCHICHTE 

=.  =  =,  ^=  HERAUSQEOEBEN  VON  =  c=  =  .= 

PROF.  DR  Georg  Steinhausen 


VI.  BAND 
2.  HEFT. 

Bö?™  -  ALEXANDER  DUNCKER  VERLAG  -  l»««. 


J 


„Archiv  für  Kulturgeschichte" 

erscheini  jührlich  in  vier  Heften  in  der  Stiikc  von  j*  etwa  s  Hofit-n  ;niiW 
Preise  van   l'J  Mark    Die  Heflc  wcnlt-n  lu  Anfang  jedes  Vicrieljahr 
ausgegeben. 

A^le  Manuskript?  titid  ledijrlicli  .luf  den  Inhalt  der  Zeitsclirifl 
bezüglichen  Mitteilungen  werden  an  den  Herausgeber.  [Vofessor  Dr. 
O.  Sieinhaiisen  in  tjissel.  AnnasIraOe  !6,  erbeten.  HciaiisKcbcr 
und  Verlagsbiichhandlting  ersuchen  dringend  darum,  die  Manuskriple  in 
druclireifein  Zustande  einzuliefern,  da  nachlrägtichc  ciöOerc  Änderungen 
die  Satzkosten  crlieblich  verleiicrn,  nnd  die  Herren  Auioren  damit  belastet 
Herden  müHten. 

Alle  geschäftlichen    Mitteihnigen ,    «iir    VC'ünschc    belr.    eine 
gröflere  Zahl  von  Sonderabziigen,  Anfragen  betr.  Honorar  usw., 
sind  nur  du  die  Verlagshandliing,  Berlin  W.  SS.  Lüizowstraße 
zu  richten. 

BeiträEe  werden  rail  JO  Mark  fflr  den  Bogen  honoriert 
Die  Abrcchnimi;  erfolgt  lialbjahrÜch  im  Januar  und  Juli. 
Die  Herren  Mitarbeiter  erhalten  von  ihren  BeitrÜRcn  10  SondcT' 
abzügc  mil  den  Seitenzahlen  der  Zcitsclirifi  kostenlos.  Eine  gröfkre  An- 
zahl V01I  Sondcrabzi^geii  kann  nur  nach  reditzeiü^r  Mitteilung  eines 
solchen  Wunsches  an  die  Verlagshandlung,  BcrIinW.äS,  hergestellt 
werden.  Diese  werden  mil  1 S  Pf.  für  den  einzelnen  Druckbo|t:en  oder 
dessen  Teile  berechnet. 


eine 


Alexander  Duncker.  Verlagsbuchhandlung.  Berlin  W.  35. 


Di«  soziale  und  polltlsctic 

BedeutQii^  der  Scholreform  yod  1900. 
Von  Adolf  Matthias. 

tirti.Hu  -tJiX'-K«  nnil  vodr,  Kai  Im  KuliuMiilniMnium. 

Geh.  Mk.      .7  5. 


GusUv  Freossen  und  das  SocbeD  der  Zeit. 

Zwei  Vorträge  von  [)r.  Mfisebeck. 
Mk.       ,7  5. 


Min«  Iclire,  anbchaaltchc  Du' 
«tclluug  der  Ki»chiiiiilichni  l^iil- 
wicklndi;  d«  Kdunn trage  liHtl 
(Iff  wciUragmdni  Bcdeiilung  der 
Ketufdi  (6r  dfe  vcnK-hiedenoi 
StiKn  iirtscrcs  Knllutlcboi*. 


.TnJluJi  einmal  fceia  krifl- 
t.l:rN  Kmtrtn,  keine  kur/£ktil)Ke 
KIciiikUubcin,  auch  kdn  kircbcrt- 
piilltivlu-i  Ur^itnk.  Cndliob 
einmal  Gedanken.  Vcrtvoll 
«iiiil  auch  dteiirkuiuinchenNKll- 


.Chritil. 


■ma 


Innerhalb  der  deutschen  Bevölkerung  der  heutigen  Provinz 

Posen,    wie   sie  die  preußische    ßesJbtergreifung    1793    vorfand, 

bildeten  die  sogenannten  Hauländer  eine  deutlich  von  den  übrigen 

Bauern   deutscher  Abkunft    und    noch    mehr    von    der    f,trägen, 

stumpfen,  durch  Trunk  und  Elend  vertierten  Masse"  der  polnischen 

Bauernschaft    sich    abhebende    Kiassc.      Auf   Onind    besonderer 

Privilegien  von  polnischen  Gutsherren  angesetzt,  hatten  die  Hau- 

tiader  zwar  Abgaben  zu  entrichten  und   Dienste  zu  leisten,  aber 

sie  erfreuten  sich  doch  eines  gcsJdicrten  Besitzstandes  {Prümers, 

Das  Jahr  1793,   S.  7iJ,  abgesehen  von   den    immer  von  neuem 

ansetzenden  Versuchen  der  Outsherrenj  diese  Abgaben  und  Lei- 

»luagen  eigenmächtig  zu  steigern;  es  ist  dieselbe  Mißachtung  ver- 

tagunäßiger  Rechte,   die  schon  das  mittelalterliche   Deutschtum 

IWrs  zuerst  moralisch  geknickt  und  dann  der  Slavisiernng  zu- 

pführt  hatte.    Ihr  zäher  Widerstand  zog  ihnen  das  Mißfallen  der 

»tuen    preußischen    Beamtenschaft    zu;    aus    dieser    Stimmung 

bttaus   Ist  der  Aufsatz  Stengers  in  Unruhstadt:    »Von  den  Hau- 

Öadern  in  Südpreußen"  (Ja'^rbücher  der  preußischen   Monarchie 

»Bter  der   Regierung   Friedrich  Wilhelm    des    Dritten,  Jahrgang 

^M,  U,  247-256)  niedergeschrieben.    Es  ist  ein  hartes  Urteil, 

der   preußische  Jurist    über  die   Hauländer  ausspricht,    aber 

kennzeichnet    zugleich     den    Standpunkt    des    ausgehenden 

Archiv  nr  KBltatKesditcfatt.    VI.  9l> 


18.  Jahrhunderts  so  scharf,  daß  die  wörtliche  Wiedergabe  gerecht- 
fertigt erscheint: 

•  Der  beste  Teil  der  deutschen  Nation  verließ  mit  den  Vor- 
fahren unserer  jetzigen  Hauländer  sein  Vaterland  gewiß  nicht; 
denn  möchten  wir  auch  weiter  unten  Gründe  auffinden,  warum 
sie  schlechter  geworden,  so  läßt  sich  doch  ihre  jetzige  Verderbt- 
heit nicht  gut  erklären,  wenn  sie  gute  Sitten  und  Charaktere  mit- 
brachten. Fleiß  und  Industrie  als  Kinder  der  Not  waren  gewiß 
ihre  einzige  Mitgift;  möchten  sich  diese  nun  wenigstens  ganz  er- 
halten haben.  Der  Haulander  ist  nicht  einfällig,  aber  auch  nichts 
weniger  als  klug;  er  ist  verschmitzt,  wenn  er  einen  Angriff  be- 
fürchtet und  klebt  so  an  alten  Vorurteilen  und  Gewohnheiten, 
daß  er  seinen  offenbaren  Vorteil  nicht  sieht,  den  triftigsten  Vor- 
stellungen kein  Gehör  gibt,  weil  angeborene  Furcht  gegen  alles, 
was  neu  ist,  ihn  taub  macht,  ^r  ist  äußerst  mißtrauisch;  der 
Mann  traut  seinem  Weibe  nicht,  der  Vater  nicht  dem  Kinde, 
aber  alle  vereinigen  sich,  wenn  es  auf  Mißtrauen  gegen  den 
Herrn  oder  Vorgesetzten  überhaupt  ankommt.  Er  ist  äußerst 
halsstarrig,  widersetzlich  und  -  undienstfertig;  tut  nichts  gerne 
was  er  nicht  tun  muß;  er  hat  endlich  keine  Religion"  (S.  249/50). 

Bei  dem  engen  Gesichtskreis  des  Verfassers  durfte  ihm 
entgehen,  daß  das  von  ihm  entworfene  Charakterbild  nicht  nur 
auf  den  Hauländer  zutrifft,  sondern  überhaupt  auf  den  deutschen 
Bauern  und  vielleicht  nicht  erst  seit  der  Verschlechterung  seiner 
Lage  als  Folge  der  großen  Tragödie  des  Bauernkrieges  -  durch 
eben  die  Eigenschaften,  die  Stenger  tadelnd  zusammenstellt,  hal 
der  Hauländer  Posens  seine  Gemeinde  Verfassung  und  sein  Deutsch- 
tum wie  hinter  Stacheln  und  Dornen  bewahrt,  hat  der  deutsche 
Bauer  als  Kolonist  in  Ungarn,  Rußland,  Pennsylvanien  sich  zu 
behaupten  verslanden.  Stenger  ist  sich  aber  doch  dan'iber  klar 
geworden,  daß  das,  was  er  Halsstarrigkeit  und  Widersetzlichkeit 
nennt,  auf  einem  Rechtsgefühl  beruhte,  dessen  Wirkung  er  kenn- 
zeichnet mit  den  Worten:  «Möchte  es  Gemeinsinn  sein,  aber  ich 
muß  es  leider  Qemeindestolz  nennen,  der  diese  Leute  auszeichnet 
Man  sehe  einmal  eine  solche  Hauländergemeinde  unter  dem 
Präsidio  ihres  Schulzen  und  ihrer  Gerichtsleute  -  ich  weiß 
nicht  gleich,  womit  ich  diese  Szene  am  schicklichsten  vergleichen 


A 


Die  Nachbarschaften  in  «^^senernaulindereien.  i  J9 


kÄHTite"  (S.  252).  Die  Worte  kennzeichnen  mehr  die  Vcrsländnis- 
los^ildes  Beobachters,  aber  sie  lassen  doch  erkennen,  daß  ihm 
dioe  Gerichlslagc  der  Hauländer  wider  Willen  imponieren.  An 
positiven  Einzelheiten  bringt  sein  Aufsatz  nur  noch  die  folgende 
^merkenswerte  Stelle: 

rOewöhnhch  war  die  Vollmacht  der  Gemeinschulzen  und 
iiircr  Gerichtsleute  viel  zu  weit  ausgedehnt  Blieb  auch  die 
Appellation  an  den  Grundherrn  offen  —  wer  verdirbt  es  gerne 
mit  der  Willkör?  Auf  Willkür  beruhte  das  ganze  Verweseramt 
dieser  Geraeinrichter.  Eine  Art  von  Polizei- Ordnung  unter  dem 
Namen  Willkür  ausgenommen  fehlte  es  ganz  an  gesetzlichen 
Vorachriften  für  das  platte  Land  -  die  Rieh tersprü che  der  Hau- 
änder  sind  zum  Teil  unerhört  und  dabei  waren  besonders  Oeld- 
sfrafcn  sehr  gang  und  gebe.  Jeder  wird  von  selbst  die  nach- 
teiligen Folgen  einer  so  traurigen  Gerichtsverfassung  auf  den 
Charakter  der  zu  Richtenden  und  der  Gerichteten  einsehen.  Start 
Prozesse  zu  vermeiden,  ward  dadurch  Prozeßsucht  vielmehr  an- 
gefacht, statt  das  Eigentum  zu  sichern,  ward  vielmehr  der  Weg 
rar  Störung  desselben  gebahnt."     (S.  254.) 

Der  Weisheit  dieses  Beurteilers  letzter  Schluß  ist  der  Rat 
zur  Coupierung  der  Hauländer  Dienst-  und  Prästalionsprozesse 
(S.  255)j  da  die  Verjährung  all  ihrer  Privilegien  doch  schon 
eingetreten  sei.     (S.  25 1.) 

Wohl  durfte  unter  der  preußischen  RecEilspflege  die  alte 
Autonomie  der  Hauländergemeinden  einschlafen,  durften  ihre 
Privilegien  und  Willküren  in  die  Archive  wandern  -  aber  es 
blieben  doch  die  Wirkungen  bestehen,  die  der  Erhaltung  des 
Deutschtums  zugute  gekommen  waren,  und  heute  wird  man  anders 
Aber  die  Hauländer  urteilen  als  vor  ItO  Jahren.  So  dürfen  denn 
auch  diese  Willküren  heute  ein  wissenschaftliches  Interesse  be- 
anspruchen und  der  Versuch,  ihr  Verständnis  durch  Vergleichung 
mit  verwandten  Erscheinungen  wie  durch  schärfere  Unterscheidung 
des  Ahnlichen  zu  vertiefen,  auf  Nachsicht  rechnen. 

Am  eingehendsten  hat  sich  bisher  Erich  Schmidt  in  seiner 
Geschichte  des  Deutschtums  im  Lande  Posen  (Bromberg,  1904) 
mit  der  eigenartigen  Verfassung  der  Hauländer  beschäftigt  (besonders 
Su   346  f.,    dann    385  f.);    er    hebt   auch    die    Bezeichnung    des 


Gemeindeverbandes  als  i.Nachbarschah"  hervor.  «Auf  breitester 
demokratischer  Grundlage  aufgebaut,  war  der  Gemeindeverhand 
in  allen  wichtigen  Selbstvcrwaltungsangelegenhciten  einzig  und 
allein  maßgebend,  die  Qemeindebeaniten  besoldete  Werkzeuge 
der  Allgemeinheit,  der  Einfluß  des  Grundherrn  fast  ausgeschaltet 
Und  doch  ist  in  der  schroffen  Abschließung  gegen  alles  Fremde  ein 
gut  Teil  aristokratischer  Selbstgenügsamkeit  nicht  zu  verkennen. 
So  atmet  das  ganze  System  jenen  echt  holländisch-republi- 
kanischen Geist,  den  dieses  Volk  in  seinen  Unabhängigkeits- 
kämpfen  alter  und  neuerZeit  oft  so  glänzend  bekundet  hat  "  (S.351.) 

Veröffentlicht  ist  bereits  die  ^Willkerliche  und  geburchliche 
Gerechtigkeit  in  Slotkawe-  (Ztolkowo-Hauland,  jetzt  Goldau  im 
Kreise  Posen-West)  von  Q.  Brandenburger  in  der  Zeitsclirift  der 
Historischen  Gesellschaft  für  die  Provinz  Posen  XVIII  (1 903),44  -  49, 
als  Anhang  zu  einer  Abhandlung  über  »Das  Hauländer  Dorf 
Goldau  bei  Posen**.  Eine  namhafte  Anzahl  unveröffentlichter 
Aufzeichnungen  dieser  Art  enthält  das  Staatsarchiv  zu  Posen, 
andere  das  Beriiner  Staatsarchiv.  Bei  der  großen  Anzahl  von 
alten  Hauländeransiedlungen  -  400  altein  in  den  bei  der  ersten 
Teilung  Polens  t772  an  Preußen  gekommenen  Landesteilen  - 
ist  es  untunlich,  Vollständigkeit  des  Materials  anzustreben;  das 
Nachfolgende  fußt  auf  der  durch  Vergleichung  gewonnenen  Ein- 
sicht, daßeine  ganze  Rcihesolcher  Dorfordnungen  Posens  einem  Typus 
angehörte,  dessen  vollständigste  Fassung  in  der  von  Tuchorze  Neu- 
Hauland  von  1 745  sich  findet.  Auch  die  Dorfordnung  von  Zk>tkoMr(^| 
Hauland  ist  nur  eine  Herübernahme,  sei  es  nun  der  Ordnun^^ 
von  Neu-Tuchorze  oder  von  deren  Vorbild.  So  wird  es  der 
Wirklichkeit  keinen  Zwang  antun,  wenn  die  Ordnung  von  Neu- 
Tuchorze  im  folgenden  als  Grundlage  der  Charakterisierung 
benutzt  wird. 

Durchaus  werden  die  Familienväter  als  Nachbarn  bezeichnet 
Ihre  Gesamtheit,  für  die  man  zunächst  nach  Analogie  den  Namen 
Nachbarschaft  gebrauchen  darf,  wählt  alljährlich  in  der  Haupt- 
versammlung, der  Kühr  (§  34),  den  Schultzen  und  seine  beiden 
Beisitzer  als  ihre  Organe.  Ihre  Aufgaben  umschreibt  im  allge- 
meinen die  Arenga  der  Bestitigungsurkunde  des  Grundherren 
mit    den   Worten    uwelchc    zu   tun   haben    mit   Zank,   Schm 


Die  Nachbarechaften  in  den  Posener  HaulSndereien. 


Handel  und  Schlägereien,  sie  werden  verübet  bei  Tag  oder  Nacht, 

ihsonderlich    mit    Schuldsachen    unter    ihren    Testament-Sachen, 

Iiwentierung,  Erbsonderung,  Zeugen  verhören,  Besichtigung  und 

Schätzung   der   Häuser,    Äcker,    Wiesen,    Raine    und    Oränzen*. 

SdiÄtrere   KriminalfäUc  behält  sich    der   Grundherr  seihst  vor. 

An  Strafen   dürfen   die  Vorsieher  QeldbuUen  verhängen,   die  in 

äner  Lade  aufbewahrt   werden;   sie  steht  beim   Schnitzen,  den 

Sdilüssel  dazu   aber  sollen  zur   Kontrolle   die  Beisitzer   haben. 

Die  S'achbarschaftsordnung  soll  der  Versammlung  der  Kachbam 

jährlich  zweimal  vorgelesen  werden,  einmal  nach  der  Wahl  der 

neuen  Vorsitzer,   das   zweitemal   auf   Michaelis.    Alljährlich  hat 

der  Schultz   den   Nachbarn    Rechnung  abzulegen     -    vermutlich 

geht  dies  der  Neuwahl  voraus;  oh  Wiederwahl   Regel   war  oder 

nkht,  darüber  fehlen  die  Anhaltspunkte. 

Als    Entschädigung    für    die    Mühewallung    der    Vorsteher 
bestimmt  die  Ordnung    30    Groschen    von   der   Hube    für   den 
Schultzen  und   15  für  die  Beisitzer;  sie  sind  alljährlich   bei  der 
Kähr  zu  entrichten.    Was  die  Bestimmung  bedeutet  »bei  Strafe 
doppelt  abzugeben*,  läßt  sich  nur  vermuten;  sie  geht  wohl  auf 
säumige  Zahler.    (§  6.)     Aufwendungen  des  Schultzen  oder  der 
Ralleutc    bei    Reisen    im    Dienste  des    Dorfes  sollen   nach   der 
Hübenzahl  auf  die  Nachbarn  verteilt  werden.    {%  7.)    Die  Auf- 
gaben der  Vorsteher  scheidet   die  Ordnung   in   solche   der  all- 
gemeinen Verwaltung  (§  8),  wobei  es  der  ursprünglichen  Eigenart 
der  holländischen  Kolonisation  entspricht,  wenn  die  Aufsicht  über 
die  Schleuse,  die  Wellung  imd  die  Wassergänge  besonders  hervor- 
griioben   wird.    Ais  die  Hauptaufgabe  des  Schultzen  und  seiner 
Beisitzer  tritt  uns  im  §  28  ihre  Verpflichtung  entgegen^  an  jedem 
zweiten  Dienstag,  dem  uraltgermanischen  Gerichtstag,  den  Nachbarn 
Recht   zu   sitzen   auf   Klage   und    Antwort,   die   Streitigkeiten    zu 
schlichten    und    zu    vertragen,   verwirkte  Strafgelder  einzutreiben. 
D»e  Ladung  des  Verklagten  fällt  hierbei  dem  Kläger  zu;   er  hat 
als  Gebühr   12  Groschen  zu  eriegen,   wovon  dem  Schultzen  4 
zukommen.     Auch  für  Rechtbegehrende,  die  nicht  dem   Kreise 
der  Nachbarn  angehören,  sollen  sie  Urteil  sprechen.     Die  nähere 
Sotimmung    «jederzeit  nach  Gelegenheit  oder  nach   Erledigung 
der  Gebühr'*  ist  in  ihrem  zweiten  Teil  nur  so  zu  verstehen,  daB 


an    den    ordentlichen    Gerichtstagen    die    Sachen    der  Nachbarn 
voraus  zu  erledigen  sind. 

Daß  die  Vorsteher  nur  die  Organe  der  Nachbarschaft  sein 
sollen,  hebt  der  Schlußsatz  des  §  S  scharf  hervor:  wenn  der 
Schultz  oder  seine  Beisitzer  nachlässig  in  der  Aufsicht  befunden 
würden,  so  sollen  sie  nach  Erkenntnis  der  ganzen  Gemeinde 
bestraft  werden.  Charakteristisch  für  das  Zusammengehörigkeits- 
gefühl der  Nachbarn  ist  die  Einschärfung  der  Verschwiegenheil 
über  die  Beratungsgegenstände  bei  den  alljährlichen  Haupt- 
versammlungen oder  sonstigen  Zusammenkünften.  (§  34.}  Es 
berührt  sich  damit  der  Ausschluß  der  Frauen  bei  den  Gerichts- 
sitzungen mit  Ausnahme  weniger  Fälle.  (§  5.)  Die  enge  wirt- 
schaftliche Geschlossenheit  der  Hauländereien  bekundet  auf  das 
schärfste  das  Vorkaufsrecht  der  Nachbarn  bei  Besitzveränderungen, 
um  das  Findringen  fremder  Elemente,  also  doch  wohl  zunächst 
polnischer,  zu  verhindern,  (§§  31,  32.)  Die  Bestimmungen 
über  die  Ordnung  im  einzelnen  (§§  9,  ti,  14,  1S,  18-23,  26), 
über  die  Pflicht  gegenseitigen  Beistandes  (§§  10,  13),  über  die 
Abgrenzungen  der  Grundstücke  (§§  16,  I7)j  ebenso  wie  die 
Bestimmungen  über  die  Strafen  bedürfen  nur  der  Ven^'eisung 
auf  den  Wortlaut.  Eine  große  Rolle  spielt  unter  den  Strafen 
das  Bier;  wann  und  unter  welchen  Gebräuchen  es  gemeinsam 
vertrunken  wurde,  darüber  läßt  uns  die  Überlieferung  im  Stich. 
In  §  9  tritt  uns  der  auch  sonst  bezeugte  Brauch  entgegen,  Käufe 
durch   einen   gemeinsamen  Trunk   zu   bekräftigen,   der  Leikauf. 

Eine  Reihe  sonstiger  Dorfordnungen  von  Hauländereien  in 
der  Provinz  Posen,  wie  Eulendorf,  Bieganin,  Gnlnwiese.  Neu- 
Dombrowo- Hauland,  Ziolkowo  zeigen  keine  wesentlichen  Unter- 
schiede von  der  für  Neu-Tuchorze.  ^H 

Allgemeine  Analogien  dieser  Dorfordnungen  oder  Willkürr^^ 
finden  sich  nun  freilich  fast  allenthalben  auf  dem  geschlossenen 
deutschen  Sprachgebiet  als  Ausfluß  der  Selbstverwaltung.  Sie 
tragen  in  älterer  Zeit  vielfach  den  Namen  Weistiim,  wie  das  bei 
Maurer,  Geschichte  der  Dorfverfassung  (II,  Anh.  412-414)  ab- 
gedruckte «der  Gemeinde  Dackenheim  Herkommen  und  Recht*. 
Von  der  Dorfordnung  für  die  Gemeinden  Wint5-  und  Berßweiler 
in  der  heutigen  Kheinpfalz  sind  dort  drei  Fassungen  von  1SS6, 


Die  Nachbarschartm  In  den  Posener  Haul3ndera«n.  1 4.3 


1^  und    1628    abgednickt    (S.  429-443);    sie    zeigen    die 
Sdiwkhung  der  Selbstverwallung  und  das  Anwachsen  der  Öffent- 
Ma  Gewalt.     Neben  der  Bezeichnung  des  Dorfes  als  Gemeinde 
in  Baiern,  als  Menig   oder  Menge  Im  Schwarzwald  und   in  der 
Schweiz,  als   Gemeinschaft   in   ßaicrn   und   im   Odenwald   findet 
SKh  vielenorts  die   als  Bauerschaft  in  mancherlei    mundartlichen 
Gestaltungen,    dann    Nachbauerschaft    oder    Nachbarschaft,    auch 
gnncine  Nachbarschaft  in  Baiem,  im  Stifte  Fulda,  in  Westfalen 
und  Sachsen  (Maurer  II,  98  f.);   ebenso  voisinage  und  ähnliches 
selbst  in  Prankreich;  femer  in  noch  älterer  Bezeugung  Hunschaft, 
Huntari  in  Alemannien  sowie  am  Niederrhein  im  alten  Franken- 
iiDd,  dann  Heimschaft   und  endlich  Kirchspiel    -    alles  in  der- 
selben Bedeutung  einer  genossenschaftlich  zusammengefaßten,  sich 
seihst   verwaltenden   Gruppe.     Aus   Norddeutschtand,   besonders 
aus  den    niedersächsisch-friesischen   Strichen,    hat   Gg.   Hanssen 
(Agrar- historische  Forschungen  11,  84  —  178,   „Die  Dorfwillküren 
oder   Nach  bar  bei  icbungen     in    norddeutschen    Gegenden «)    eine 
Anzahl  solcher  Ordnungen  gesammelt,  verwertet  und  zum  Teil 
abgedruckt,  daninter  das  bis  1588  zurückgehende  «Bannesdorfer 
Belieben"  (Fehmarn);  ferner  aus  dem  heutigen  Königreich  Sachsen 
die   Dorfordnung    von    Gröblitz   aus   dem   Jahre    1746,    die   der 
Obergenieinde  zu  Erlau  I752j  endlich  von  Gröbschütz  1793,  die 
in  mancher  Hinsicht  nähere  Analogien  zu  dm  Posener  Holländer- 
Willküren   des    18.  Jahrhunderts  bieten.     Allenthalben  zeigt  sich 
besonders  in  der  Bestätigung  durch  Landesherren  oder  Behörden 
die    Zuröckdrängimg     der     Selbstverwaltung;    in    späterer   Zeit 
änd  solche  Dorfordnungen  auch  vielfach  oktroyiert  worden.    Hin- 
gen ist  von  vornherein  anzunehmen,  daß,  je  weiter  zurück  man 
die  Fassungen   verfolgen    kann,    auch  die  Selbstverwaltung,   die 
Atitononiie   immer  geschlossener  sich  darstellt;  wie  z.  B.  In  der 
Dorfordnung  von  Parlschins  in  Tirol   von   1380  (Orimm,  Weis- 
Ukmer  III,  738). 

Nach  Hanssen  (a.  a.  O.  S  100)  ist  die  schriftliche  Abfassung 
iiTin  Dorf  Willküren  erst  seit  dem  1 6.  Jahrhundert  allgemeiner 
üblich  geworden;  in  einzelnen  Gebieten  aber  hat  sich  dazu  über- 
haupt kein  zwingender  Grund  gefunden,  und  so  ist  die  Nleder- 
sdirift  unterblieben. 


Aus  diesen  verschiedenen  Dorfordnungen  lassen  sich  die 
Analogien  zu  den  jn  den  Posener  Hauländerordnun^n  fest- 
gesetzten« Nachbarpflichten  "(Maurer.Gesch.d.  Dorfverfassung  1,354) 
zusanimenslellcn,  so  die  Anlegung  und  Unterhaltung  von  Gemeinde- 
wegen,  die  Reinigung  der  Dorfgräben,  der  Bichc  und  Flüsse, 
der  Dorfbrunnen,  Sorge  für  Brücken,  Dämme,  Wuhrcn,  Zäune 
und  Hecken  -  wie  sie  noch  heute  in  den  ba>Tischen  Voralpen 
allgemein  üblich  sind  (ebd.  S.  354),  der  Unierhalt  der  Gemeinde- 
hirten (S.  361),  Botendienste,  Tag-  und  Nachtwachen  (S.  360) 
die  Feuerpolizei,  insbesondere  die  Aufsicht  über  die  ledernen 
Eimer  und  die  Leitern  (ebd.  It,  tl,  12),  die  StraBenpolizci,  so  die 
Anordnung  der  Ausleitung  des  Mistpfuhls  auf  die  Straße,  die 
Aufsicht  über  das  Spiel  (ebd.  S.  13). 

Im  geschlossenen  deutschen  Sprachgebiet  reicht  der  Ursprung 
der  autonomen  Oemeindeverfassung  wohl  in  die  Zeit  der  Seßhaft- 
wcrdung  zurück;  ihre  Grundlage  ist  die  Feld-  und  Mark- 
gemeitischaft  oder  richtiger  die  Ausscheidung  der  engeren  Dorf- 
mark aus  der  großen  Mark;  die  Dorf\'erfa5Sung  bleibt  auch  bei 
der  Teilung  der  Dorfmark  in  Sondereigen  aufrecht  und  erhilt 
sich  selbst  gegenüber  dem  Aufdrängen  einer  Grundherrschaft  mehr 
oder  weniger  noch  lange  fort.  Bei  den  älteren  Ansiedlungen 
deutschen  Rechts  des  13.  und  14.  Jahrhunderts  auf  fremdem 
Sprachgebiet,  wie  in  der  Mark  Brandenburg  oder  in  Schlesien 
und  ebenso  in  Oroßpolen,  liegen  die  Verhältnisse  anders:  hier  er- 
scheint meist  der  Unternehmer,  locator,  als  Erbschulze  und  Ver- 
treter der  Orundherrschaft,  dem  als  genossenschaftliche  Beamte 
gewählte  Schdffcn  zur  Seite  treten.  Das  den  Ansiedlern  zuge- 
standene »deutsche  Recht"  umfaßt  die  Selbstverwaltung,  die  per- 
sönliche Freiheit  und  den  Erbbesitz  gegen  einen  mäßigen  Zins, 
die  Befreiung  vom  Frondienste  für  die  Orundherrschaft,  die  Frei- 
zügigkeit; nur  für  den  Krieg  gilt  Hilfeleistung,  etwa  Stellung  von 
Reisewagen  -  dieses  ist  auch  bezeugt  für  Pfälzer  Dörfer 
(Maurer  11,16)  —  oder  Dienst  bei  der  Anlage  von  Befestigungen. 
Die  polnischen  Adeligen  setzten  sich  freilich  bald  über  diese  Ver- 
einbarungen hinweg,  und  mit  dem  Deutschen  Recht  ging  dann 
auch  das  Deutschtum  in  Großpolen  zu  Grunde.  Erst  in  den  Hau- 
ländereien  (ritt  uns  die  autonome  deutsche  Bauerngemeinde  entgegen. 


Ä 


Erich  Schmidt  hat  nun  in  schlagender  Ausführung  fesIgeslelU, 
daß  die  Hauländereien  richtiger  HoIIändereien  hießen,  daß  diese 
Tonn  der  Ansiedlung  auf  holländische  Einwanderer  zurückgeht,  die 
sicft  unler  dem  ersten  weltlichen  Herzog  von  Preußen  im  dortigen 
Amt  Preußisch- Holland,  dann  seit  1 540  auf  dem  Danziger  Werder 
Diedergelassen  hatten.  ..Danzigs  Vorgang  fand  irrt  ganzen  Weichsel- 
lebiete  Beachtung  und  Nachfolge  —  von  Jahr  zu  Jahr  erweilerte 
sich  der  Wirkungskreis  dieser  Holländer,  1562  wurden  solche  in 
Ti^nhof,  Kreises  Marienburg,  angesetzt,  1565  im  Ellernwald  bei 
Elbing,  1564  im  Gebiet  von  Graudenz,  1594  in  Przylubie,  heute 
Orätz  an  der  Weichsel  in  Posen."  (Erich  Schmidt,  Geschichte 
des  Deutschtums  im  Lande  Posen,  31 7  ff.  Vgl.  Schumacher, 
Niederländische  Ansiedlungen  19,  33-42.)  Nach  den  Namen 
(Schumacher Anh.  XIV,  Schmidt  324)  ist  nicht  daran  zu  zweifeln,  daß 
Man  es  anfänglich  auch  in  Polnisch- Preußen  mit  reinen  Holländern 
zu  tun  hat,  daß  sich  ihnen  aber  bald  auch  Zuzüge  hochdeutscher 
Herkunft  angeschlossen  haben.  In  der  Willkür  des  Dorfes 
Neu-SchlingenoderSchillno,  angeblich  aus  dem  Jahre  1 562,  besitzen 
wir  auch  einen  urkundlichen  Beweis  dafür.  Es  ist  das  Kenn- 
zeichnende für  ihre  Ansiedlung,  daß  sie  nicht,  wie  die  ältere  des 
13-  und  14.  Jahrhunderts  oder  die  in  den  gleichzeitigen  Schulzen- 
ddrfern,  unter  einem  Unternehmer  stehen  -  t,eine  Gruppe  von 
Ansiedlem,  die  das  Schicksal  wer  weiß  wie  zusammengeführt 
latte,  tritt  in  geschlossener  Schar  -,  aber  Mann  für  Mann  unter- 
schreibend, -  oder  durch  Vertreter,  die  sie  aus  ihrer  Mitte 
pwShlt  hatten,  mit  dem  Grundherrn  in  Verbindung." 

Es  ist  wohl  kaum  daran  zu  zweifeln,  daß  wir  in  der 
Willkür  von  Neu-Schlingen  -  datiert  1562,  aber  nur  in  un- 
vollständiger und  mehrfach  beschädigter  Abschrift  des  Thomer 
Archivs  erhalten  und  nach  diesem  Exemplar  im  Anhang  ab- 
gedruckt —  ein  Muster  für  viele  spätere  Holländer  Dorfordnungen 
io  Posen  vor  uns  haben.  Wohl  ist  die  Willkür  von  Marienfeld, 
Amts  Preußisch- Holland,  noch  älter,  abernur  in  einem  Kopiaibuch 
in  der  Schrift  des  I7.  Jahrhunderts  erhalten  (Staatsarchiv  zu 
Königsberg,  Verschrcibungen  1 525  —  1 568,  Foliant  9t  5, 
Bl  149  V.  f.,  angef.  bei  Schumacher,  Niederländische  Ansicdlungen 
im  Herzogtum  Preußen  zur  Zeit  Herzog  Albrechts,  Publikation  des 

Archiv  tüT  Kulturgochidiie.    VJ.  10 


146 


F.  O.  Schüllhdß. 


Vereins  für  Geschichte  von  Ost-  und  Westpreußen,  S.  92,  An- 
merk.  394,  dort  datiert:  6.  Mai  1539),  auf  deren  Abdruck 
zu  verweisen  ist  (Anhang  Nr.  3.)  Sie  gibt  Iceine  weiteren  Auf- 
schlüsse. Aus  der  Reihe  der  sonst  bekannten  norddeutschen 
Dorfwiilkflren  hebt  sie  sich  schon  deshalb  nicht  hervor,  weil  auf 
die  Holländer  Ansicdlungen  im  Herzogtum  Preußen  das  Kölmische 
Recht  Anwendung  fand,  das  dem  Schulzen  eine  höhere  Stellung 
zuwies,  als  sich  mit  völliger  Selbstverwaltung  der  Gemeinden 
vertrug.  Wohl  war  den  neu  zuziehenden  Holländern  grund- 
sätzlich nach  den  »Artikeln  der  Holländer"  vom  16.  Augiist  1528 
(Einlage  zu  Ecks  Schreiben  vom  1 7.  August  nach  Schumacher, 
5.  92j  A.  395)  zugestanden,  udaß  sie  ihr  eigen  Recht  nach  ires 
landes  gewohnheit  außgenommen  Straffgericht  und  Appellation  zu 
E.  F.  Q.  oder  derselben  amptmann«  haben  sollten.  Demgemäß 
war  anfänglich  in  den  holländischen  Gemeinden  die  Selbständig- 
keit -  »eine  Folge  der  nationalen  Isoliertheit*'  —  noch 
kaum  eingeengt.  p^Die  Verhältnisse  änderten  sich,  als  die  Landes- 
herrschafl  ihr  sonstiges  Verfahren  betreffs  des  Schulzenamtes  aucli 
auf  diese  Niederlassungen  anwandte.  Das  zeigte  sich  zum  ersten 
Male  in  Schönberg  [begründet  1539,  Schumacher,  S.  45]  i  543. 
Von  jetzt  ab  hörte  die  Trennung  der  Gewalten  auf;  das  Schulzenamt 
wird  dem  Locator  ohne  iVlitwirkung  der  Gemeinde  gegeben;  es 
ist  erblich  und  verkäuflich,  die  amtlichen  Funktionen  sind  sämtlich 
mit  ihm  vereinigt  Der  Schulz  erhält  nun  auch  das  Freigut  von 
vier  Mufen,  von  dem  er  Reiterdienst  zu  leisten  hat.  Ein  Über- 
bleibsel des  Einflusses  der  Gemeinde  ist  es  nur  noch,  daß  bei 
Verkauf  oder  Neubesetzung  des  Schulzenamtes  der  Nachfolger 
sich  mit  den  Angesiedelten  zu  vertragen  hat"  {Schumacher, 
S.  89,  90.)  Es  hängt  vielleicht  mit  dieser  Verschlechterung  ihres 
Rechtszustandes  zusammen,  daß  die  Holländer  im  Herzogtum 
sich  bald  vemtindem,  die  im  polnischen  Preußen  zusehends  sich 
ausdehnen.     (Vgl.  Schumacher  S.  4i,  42.) 

Die  Willkür  der  Dorfschaft  (gleich  Nachbarschaft)  Marienfeld 
kennzeichnet  sich  durch  den  Eingang  als  Transsumpt  einer  älteren 
Fassung.  Nun  war  allerdings  Marienfeld  im  Amt  Preußisch- 
Holland  gelegen,  aber  als  holländische  Ansiedlung  hat  sie 
Schumacher  selbst  nicht  in  Anspruch  genommen,     (Vgl.   Karte 


*™  Ende  seines  Buches.)    Ihre  Nachbarschaftsartike!  bieten  dafür 
I^ichEalls  keinen  Anhaltspunkt.     Die  Sprache  könnte  wohl  noch 
ifcm  16.  Jahrhundert  zuzuweisen   sein,    im   ganzen   und  großen 
lind  die  Vermutung  gerechtfertigt  sein^  daß  die  Bestätigung  der 
Aniitel  nicht  vom  ersten  Herzog  Albrecht  von  Preußen,  sondern 
vom  letzten  Albrecht  Friedrich   herrührt  oder  in  seinem  Namen 
(seit    15  77    war    Markgraf  Georg   Friedrich    von   Ansbach,    seit 
HS05    Kurfürst  Joachim,   seit    1609    Kurfürst  Johann   Sigismund 
J^dministrator)  aii^csprochen  worden   ist.     Immerhin   behält  das 
Schriftstück  einen  gewissen  Wert  als  eine  der  ältesten  erhaltenen 
Oorfordnungen  des  nordöstliclien  Kolonialgebietes,   und  ihr  Ab- 
dmck  wird  nicht  überflüssig  sein,  wenn  auch  ein  engerer  Zusammen- 
hang mit  den  Nachbarschaftsartikeln  der  Posener  Hauländereien 
nicht  in   Betracht  kommen   kann.     Hervorhebung   verdient  die 
Bezeichnung  Vorleute  für  den  Schulzen  und  seine  Beisitzer  Im 
Sdilußabsatz;  das  deutet  auf  oberdeutsche  Vorbilder  (Obleute  in 
derselben    Bedeutung    im    bayrischen    Landrecht    16 16;     Maurer 
1 1  O.  H,  31). 

Eingehendere  Würdigung  erfordert  die  Willkür  des  Dorfes 
Neu-Schlingen.  Absatz  21  bezeugt  das  Zurücktreten  der  eigent- 
lichen Holländer  in  der  stromaufwärts  fortschreitenden  Kolonisation, 
der  Käufer  eines  Hofes  soll  in  der  Regel  ein  »Teutscher,  welcher 
tK^landisch  weiß  und  gebrauch  halt",  sein.  Mit  der  vorausgesetzten 
Datierung  1562  ist  diese  Bestimmung  freilich  schwer  zu  verein- 
baren, ebensowenig  wie  die  Sprache,  die  eher  auf  das  Ende  des 
1 7.  oder  den  Anfang  des  1 8.  Jahrhunderts  deutet  Es  schließt 
das  nicht  aus,  daß  ein  älteres  Original  vorgelegen  hat,  das  der 
Bearbeiter  nur  für  seine  Zeit  modernisiert  hat.  Vielleicht  kann 
man  in  der  Form  ..Nabers"  in  Absatz  33  ein  holländisches 
Zurückbleibsel  aus  der  ursprünglichen  Fassung  erblicken.  Manche 
Zahlangaben  sind  nicht  ausgefüllt;  jedenfalls  hat  das  erhaltene 
Exemplar  nicht  Rechtskraft  besessen,  es  ist  vielleicht  nur  eine 
von  mehreren  Abschriften,  die  zur  Belehrung  und  als  Muster  auf 
Verlangen  hergestellt  worden  sind.  Aber  wo  steckt  nun 
das  Original? 

Andere  Willküren,  die  vielfach  mit  der  für  Neu-Schlingen 
übereinstimmen,    wie    die    für    Kostbar,    Duliniewo,    Orabowice, 

KT 


befinden  sich  gleichfalls  im  Thomer  Stadtarchiv  (vgl.  Erich  Schmidt 
S.  348  Anm.). 

Von  den  Bestimmungen  der  Nachbarschaftsordnung  für 
Neu-Schlingen  verdienen  noch  einige  besondere  Hervortiebung, 
so  die  im  Vergleich  zu  den  Nachbarschaftsartikeln  für  Tuchorze 
ausführlichere  Umgrenzung  des  Vorkaufsrechtes  des  Nachbarn 
(§  21),  dann  die  über  das  Benehmen  bei  den  Oclagen.  (§  38.) 
Die  Lade  ist  hier  im  Text  genannt  (§  36.)  Eine  andere  Be- 
stimmung regelt  die  Ersalzpflicht  der  Genossen  für  Schaden,  den 
ein  Nachbar  durch  Krieg  erlitten  hat  (§  34.)  Ein  Protokol 
oder  Nachbarnbuch  ist  bezeugt  durch  Absatz  7. 

im  übrigen  ergibt  eine  Vergleichung  der  Nachbarschafts- 
aitikel  von  Neu-Schhngen  mit  denen  von  Tuchorze  und  seiner 
Gruppe,  daß  die  Festsetzung  der  Artikel  für  eine  jüngere  Holländer- 
gemeinde zwar  auf  Grund  von  Vorlagen  erfolgte,  aber  sich  doch 
die  Freiheit  wahrte,  diese  nach  eigenem  Ermessen  zu  benutzen,  die 
Bestimmungen  anders  zu  ordnen,  hier  wegzulassen,  dort  zuzusetzen. 

Es  besteht  deshalb  wohl  auch  wenig  Aussicht  darauf,  für 
die  Nachbarschaftsarlikel  von  Neu-Schlingen  ein  bestimmtes  Vor- 
bild zu  finden.  Erich  Sdimidt  begnügt  sich  zu  sagen  (a.  a.  O.  S.  346), 
daß  das  Schema  der  Vereinbarungen  zwischen  dem  Grundherrn 
und  den  Ansiedlern  der  Posener  Holländereien,  d.  h.  der  so- 
genannten Privilegien  nach  Ursprung  und  ältester  Form  auf  die 
Holländer  Ansiedlungen  der  Weichselniederungen  zurückgehe;  es 
gilt  das  wohl  ebenso  für  die  Nachbarschaftsartikel.  Behauptet 
hat  sich  diesem  Vorbild  auch  dort  nicht.  Wenigstens  die  von 
Abraham  Hartwich  (Geographisdi -historische  Landesbeschreibung 
derer  dreycn  im  Pohlnisclien  Preußen  liegenden  Werdern,  1723, 
S  323  ff.)  mitgeteilte  Willkür  des  Marienburger  Werders  ist  eine 
Überarbeitung  von  1676  und  weit  weniger  altertümlich  als  die 
Ordnung  von  Schillno. 

Als  eine  unlösbare  Aufgab«  erscheint  es  auch  zunächst,  ein 
Vorbild  für  die  Artikel  von  Neu-Schlingen  in  einer  analogen 
Dorfordnurg  Hotlands  nachzuweisen;  bei  der  Schwierigkeit,  die 
nötigen  Quellenveröffenllichungen  in  Deutschland  zur  Einsicht  zu 
erhalten,  wird  diese  Arbeit  nur  von  einem  holländischen  Forscher 
geleistet   werden   können.      Es    fehlt   dazu   auch    noch    die   un- 


A 


Die  Nachbarschaften  in  den  Ptsener  HäulSnderelm.  149 


ertliche  Vorarbeit,  eine  Zusammenstellung  der  Namen  und 
HoBUlsorte  der  frühesten  holländischen  Ansiedler  im  Gebiete  von 
Duzig  und  Elbing.  (Vgl.  Schumacher,  Niederländische  An- 
serflurgen,  S.  25  f.) 

Und  femer  darf  nicht  Obersehen  werden,  daß  die  schriftliche 
Üteriiefening  der  Nachbarschaftsartikel,  der  Posener  wie  der 
Grippe  von  Neu-Schlingen  (mit  Kostbar,  Duliniewo,  Qraboviceusw. 
Ericfa  Schmidt  a.  a.  O.  S.  348),  uns  über  einen  wichtigen  Teil 
lin  wissenschaftlichen  Interesses  an  dieser  Einrichtung  fast  völlig 
im  Stiche  läßt:  über  Sitte  und  Brauch.  Da  dieser  Seite  bisher 
wdi  »-enig  Beachtung  gewidmet  worden  ist,  stehen  uns  darüber 
Bur  zwei  wichtige  ergänzende  Notizen  zu  Gebote.  Cl.  Branden- 
burger behauptet  in  seiner  Monographie  (Zeitschrift  der  Historischen 
Göcllschaft  für  die  Provinz  Posen,  XVIII  [I903J,  17),  in  den 
Gemeindeakten  von  Goldau  Anhaltspunkte  dafür  gefunden  zu 
htben,  daB  hier  der  »Nachbarschulze"  nicht  mit  dem 
»Kgierenden"  Schulzen  zusammenfalle,  also  neben  ihm  in 
einer  selbständigen  Bedeutung  stehe.  Die  zweite  Tatsache  ist 
die  Bezeugung  eines  «Nachbarzcichens«  für  die  Gemeinde  Freital 
durch  die  Auslieferung  der  sogenannten  Gemeindekrücke  dieses 
Ortes  an  das  Kaiser  Friedridi-Muscuni  zu  Posen.  Es  ist  ein 
agenartig  gestaltetes  Stück  Holz,  mit  der  Jahrzahl  1752  versehen, 
dß  früher  der  Bote  bei  der  mündHchen  Einladung  der  Maus- 
rtier  zu  einer  Gemeindeversammlung  im  Hause  des  Schulzen 
mit  sich  geführt  haben  soll,  oder  das  samt  der  daran  gehefteten 
»Tagesordnung"  in  der  Gemeinde  herumgesandt  worden  sein  soll. 
In  dieser  Form  wurde  in  den  Zeitungen  Kunde  von  der  Er- 
werbung für  das  Museum  gegeben. 

Das  Nebeneinanderstehen  eines  Nachbarschaftsschulzen  und 
eines  »regierenden"  Schulzen  würde  nichts  anderes  bedeuten,  als  — 
WS  auch  von  einzelnen  Dorfschaften  des  geschlossenen  deutschen 
Sprachgebietes  bezeugt  ist  -  den  genossenschaftlichen  gewählten 
Vorsteher  der  Nachbarschaft  neben  dem  Vertreter  der  Grund- 
herrschaft, so  im  Bistum  Würzburg,  an  Mosel^  Lahn,  Ober-  und 
Mitlelrhein,  in  der  Wetterau  usw.  (Maurer,  Gesch.  der  Dorf- 
verfassung It,  34  f.)  oder  neben  dem  Ortsrichter  in  den  Nachbar- 
schaften der  Siebenbürger  Sachsen^  die  Maurer  nicht  in  den  Bereich 


seiner  Forschungen    gezogen    hat.     Bei   ihnen    findet    auch    die 
.Gemeindekrücke"  ihre  richtige  Erklärung  —  wenn  auch  selt)st- 
verständlich  bleibt,  daß  andere  genossenschaftliche  Vereinigungen^^ 
die  Zünfte  usw.  Analogien  dazu  bieten.  ^| 

Das  Verständnis  der  Nachbarschaft  in  ihrer  Bedeutung  für 
die  holländisch-deutsche  Kolonisation  im  Weichsel-  und  Warthe- 
land  kann  durch  die  vergleichende  Heranziehung  der  sieben- 
bürgisch-sächsischen  Nachbarschaften  nur  gewinnen,  wenn  auch 
ein  direkter  Zusammenhang  nicht  anzunehmen  ist.  Konser\'ativ 
wie  in  allen  Stücken  des  mitgebrachten  Deutschtums,  am  wunder- 
barsten in  der  Mundart,  die  noch  heute  nach  700  Jahren  der 
Abgeschiedenheit  das  Gepräge  der  Heimat  bewahrt,  haben  die 
Siebenbürger  Sachsen  auch  die  Einrichtung  der  Nachbarschaft  in 
altertümlichen  Formen  bis  in  die  jüngste  Vergangenheit  fest- 
gehalten; von  dort  fällt  das  Licht  auf  die  trümmerhaften  Über- 
bleibsel in  den  Hauländereien  der  Provinz  Posen. 

Ein  tiefgreifender  Unterschied  der  siebe nbürgisch-sächsischen 
Nachbarschaft  von  der  in  den  Posener  Hauländereien  ist  die 
völlige  Freiheit  von  einer  Grundherrschaft;  durdiaus  besteht  sie 
neben  der  Gemein  de  Verfassung,  wenn  aucli  ihr  untergeordnet 
und  ihrem  EIngreifenj  wenigstens  in  späterer  Zeit,  sich  nicht 
entziehend.  Sitte  und  Brauch  der  älteren  Zeit  sind  in  aller 
Vollständigkeit  bezeugt;  sie  seien  im  Anschluß  an  Fr.  Fr.  Fronius 
(Bilder  aus  dem  sächsischen  ßauernleben  in  Siebenbürgen;  ein 
Beitrag  zur  deutschen  Kulturgeschichte,  3.  Aufl.,  Hermannstadt 
bei  W.  Krafft,   1885)  hier  vorgeführt. 

Veröffentlicht  sind  die  Nachbarschaftsartikel  der  oberen 
Wiesengasse  zu  Hermannstadt  von  1563  und  die  der  dortigen 
Burgergasse  von  1577  sowie  jüngere  von  G.  Seivcrt  (Die  Stadt 
Hermannstadt,  1 859)  und  neuerdings  dieArtikelder Großen  Salzgasse 
von  G.  A.  Schuller  (Korrespondenzblatt  des  Vereins  für  sieben- 
bürgische  Landeskunde,  Jg.  29,  1906,  Nr.  7). 

Jede  größere  sächsische  Gemeinde  hat  mehrere,  meist  vie^ 
Nachbarschaften,  Hermannstadt  in  früherer  Zeit  sogar  zehn.    Die 
Rechte  und  Pflichten  der  Genossen  sind  in  den  uralten,  aber  oft 
überarbeiteten  Nachbarschaftsartikeln  zusammengefaßt. 

An  der  Spitze  der  Nachbarschaft  steht  der  Nachbarvater, 


Die  Nachbarschaften  in  den  Posencr  Hauländereien.  1 5 1 


den  Sädten   früher  Nachbarhann   genannt.      Hann    ist   der  alte 
frinktsche  Hunno,  Vorsieher  einer  Hundertschaft.     An  Saar  und 
-Mosel,  zumal  am  Niederrhein  -  also  in  der  Heimat  der  Sieben- 
büfger  Sachsen    -    hat  sich  diese  Bezeichnung  für  Dorfvorsteher 
gleichfalls  lange  erhalten  a!s  Honnen,  Hunnen,  Kirchhonnen,  sogar 
umgedeutet  in  Hund.  (Maurer,  Geschichte  d.  Dorfverfassung  II,  25.) 
Die  Amtsgewalt  des  Nachbarvaters  ist  durch   die  Artikel  genau 
umschrieben:  er  beruft  und  leitet  die  Versammlungen,  ordnet  die 
gemeinsamen  Arbeiten,  hebt  die  Strafgelder  ein,  die  in  der  Nachbar- 
sdiaftslade  verwahrt  werden,  und  legt  alljährlich  an  dem  Gerichtstag 
oder  Slttag,  dem    Fasnachtsdienstag,   darüber  Rechnung  ab.     Er 
eröffnet  diesen  Gerichtstag,   zu  dem   die  Nachbarn   in  festlicher 
Kleidung  erscheinen,  indem  er  Stille  gebietet  und  den  nGerlchts- 
fricden"  bannt,  dankt  dann  Gott  für  die  Behütung  der  Nachbar- 
sdiift  vor  schwerem  Unglück  und  empfiehlt  sie  seinem  ferneren 
Sdiutz    -    alles    in    althergebrachten   formelhaften   Wendungen. 
Hierauf  folgt  die  allgemeine  Aufforderung,   es  möge  sich  jeder 
selbst  melden,  der  sich  straffällig  wisse;  dann  kommen  die  Klagen 
nir  Entscheidung,   die    aus    der   Versammlung    heraus    erhoben 
wenden;   anzeigepflichtig  ist  jeder,    der  Zeuge  einer  Verfehlung 
gewesen  ist.     Dann  verliest  ein  Schreiber  aus  einem  vom  Nachbar- 
valer  geführten  Verzeichnis  die  ihm  bekannt  gewordenen  Über- 
tretungen der  Artikel  sowie  die  Versäumnisse  bei  Nachbarschafts- 
sbdten.    Die  gesamte  Nachbarschaft  entscheidet  über  vorgebrachte 
Entschuldigungen    und  spricht  das  Schuldig  oder  Nichtschuldig 
aus.    Der  Gebüßte  hat  die  Strafen  sofort  zu  entrichten,  Wider- 
streben hat  die  Ausschließung  aus  der  Nachbarschaft  zur  Folge. 
Die  Strafgelder  kommen  in  die  während  der  Verhandlung  offen 
dastehende  Lade:  ihr  Zuschlagen  bedeutet  den  Schluß  der  Gerichts- 
sitzung.    Hierauf  werden  die   etwa   neu   eintretenden   Nachbarn 
aufgenommen,  wieder  in  formelhaften  Wendungen,  die  Nachbar- 
schaftsartikel verlesen  und  zum  Schlüsse,  aber  nur  alle  zwei  Jahre, 
der  Nachbarvater  neu  gewählt. 

Wesentlich  anders  können  auch  in  den  Hauländereien  die 
groBen  Versammlungen  (Kühren)  nicht  verlaufen  sein. 

An   der  Wahl  des  Nacbbarvaters   beteiligen  sich  alle  erb« 
gesessenen   Nachbarn:    in    Frage   kommen   drei   bis   sechs   der 


Ältesten,  die  das  Amt  bisher  roch  nicht  bekleidet  haben, 
werden  in  der  Versammlung  selbst  als  Kandidaten  aufgestellt,  und 
ohne  triftigen  Grund  darf  sich  niemand  dieser  Ehre  entziehen. 
Hierauf  treten  sie  ab  und  die  Versammlung  wählt  einen  von 
ihnen  durch  Zuruf  oder  durch  Stirn menmchrhett  Der  Gewählte 
dankt  für  die  ihm  erwiesene  Ehre;  dann  nehmen  die  beiden 
jüngsten  Nachbarn  die  Lade  auf  und  schreiten  dem  Zuge  voran, 
der  den  neuen  Nachbarvater  zu  seinem  Hause  zurückgeleiteL 

Am  Tage  nach  dem  Gerichtstag,  am  Aschermittwoch,  ver- 
sammelt sich  die  Nachbarschaft  zum  fröhlichen  Gelage.     Dabei 
werden  die  Strafgelder,  soweit  sie  nicht  andere  Verwendung  finde^H 
sollen,  gemeinsam  vertrunken.  ^| 

In  der  Verwahrung  des  Nachbarvaters  befindet  sich  auch 
das  Nachbarzeichen,  ein  meist  herzförmiges,  oft  mit  schönen 
Holzschnitzereien  verziertes  Holzstück  im  Durclimesser  von 
8-12  Zoll.  Soll  eine  Versammlung  der  Nachbarn  einberufen, 
eine  gemeinsame  Arbeit  angesagt,  eine  Anordnung  des  Nachbar- 
Vaters  bekannt  gemacht  werden,  so  wird  das  Nachbarzeichen  zu- 
gleich mit  der  mündlichen  Botschaft  zum  Weitersagen  von  Haus 
zu  Haus  in  Umlauf  gesetzt  -  nach  feststehender  Reihenfolge  und 
unvcrzögert,  bis  zur  Rückkehr  ins  Haus  des  Naclibarvatcrs.  «So 
der  Nachbarhann  ausschickt  das  Nachbarzeichen  und  dasselbe  bei 
jemandem  verdreht  wird,  und  nicht  also  angesagt  wirdt,  wie  der 
Nachbarhann  befohlen  hat,  der  verfeit  1 0  denare",  bestimmt  das  Statut 
der  oberen  Wiesengasse  zu  Hermannstadt  von  157  7. 

Im  übrigen  gehen  die  Besünimungen  der  verschiedenen 
Nach  barsch  aftsartikel  weil  genug  auseinander,  um  die  Festhaltung 
des  Wortlautes  eines  verlorenen  Originals  als  undenkbar  zu  er- 
weisen. Gemeinsam  ist  ihnen  allen  die  Betonung  der  gegen- 
seitigen Unterstützungspflicht,  die  Erhaltung  der  öffentlichen 
Ordnung  und  Sicherheit,  die  Regelung  der  gemeinsamen  Tragiing 
der  »Beschwernisse",  der  Gassen-  und  Torhut,  der  Hilfeleistung 
bei  Pcuers-  und  Wassei'sgefahr,  der  Reinhaltung  des  Baches,  der 
Instandhaltung  der  öffentlichen  Brunnen.  An  Bestimmungen  der 
Posener  Holländerwillküren  erinnert  der  Salz  einer  Kronstädler 
Nachbarschaftsordnung  von  1606:  Wäre  jemand  in  der  Nachbar- 
schaft geschmälit  worden,   so  soll   er   nicht  flugs    zum   Richter 


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Iiufcn,  sondern  er  soll  solches  der  Nachbarschaft  anzeigen,  sonst 
wiier  Strafe  geben  50  Denare.  In  der  Hermannstädter  Ordnung 
der  oberen  Wiesengasse  von  1577  lauten  Absatz  5  und  V;  »So 
entr  den  andern  im  Zom  Lögen  straft,  verßllt  ohne  Gnade 
10  Denare.  So  einer  mit  dem  andern  hadert  oder  zankt,  der 
soll  »-erden  gestraft  nach  Erkenntnis  der  Nachbarschaft.*  Weiter 
ah  die  Posener  Nach  barschaftsord  nun  gen  gehen  einzelne  sieben- 
burgisch-sächsischc  Bestimmungen  über  nachbarliche  Pflichten; 
so  in  den  Artikeln  von  Qroß-Alisch;  Der  Strafe  verfällt,  wer  die 
Einladung  zu  einer  Hochzeit  innerhalb  seiner  Nachbarschaft  ab- 
Wiat;  ebenso  wer  eine  halbe  Stunde  nach  dem  G locken geläute 
ins  Hocfazeitshaus  kommt  In  Arkeden  zahlte  6  Denare,  wer  dem 
Nxhbam  bei  Hochzeiten  nicht  mit  Tellern,  Schüsseln,  Bänken, 
Tischen  und  Trinkgefäßen  aushalf  oder  den  zugeschickten  Braten 
nicht  ordentlich  wendete  und  briet.  Besonderes  Gewicht  wird 
in  den  alien  Hermannstädter  Ordnungen  auf  die  korporative 
Begleitting  bei  der  Leiche,  dem  Trauergeleit  des  abgeschiedenen 
Nxbbam  vom  Sterbehause  zum  Friedhof,  gelegt.  In  den  jüngeren 
Redaktionen  tritt  immer  stärker  der  kirchliche  Einfluß  hervor, 
üc  starke  Betonung  der  kirchlichen  Zucht  und  die  Überaufsicht 
der  Kirche.  Dem  entspricht  z.  B.  in  den  Posener  Nachbarschafls- 
oidnungen  ein  Zusatz  in  der  Willkürlichen  Gerechtigkeit  der 
Itschtzrimniker  oder  Neu-Domrower  Holländer  Gemeine  von 
1775,  §  45:  «Was  Kirchen  Ordnungen  und  Salzungen  nach 
ilkr  Konfirmicrung  sollen  dieselben  von  einem  jeden  starkgläubig 
und  christlich  gehalten  werden;  die  Begräbnisse  soll  die  ganze 
Gemeine  macht  haben." 

Die  Analogie  der  Nach  barsch  aftsordnungen  bei  den  Posener 
Hauländereien  und  den  sieben  bürgisch -sächsischen  Ansiedlungen  - 
beide  inmitten  andersredender  Bevölkerungen  -  ist  unleugbar: 
genügt  zur  Erklärung  das  Axiom:  Gleiche  Verhältnisse,  gleiche 
Einrichtungen  auf  Grund  der  gleichen  völkerpsychologischen 
Voraussetzungen,  nämlich  der  Neigung  deutscher  Volksari  zu  ge- 
fMKScnschaftlichen  Einungen  -  ?  Fürdiesiebenbürgisch-sächsischen 
Nachbarschaften  ist  die  Anknüpfung  zunächst  in  der  allen  Heimat, 
im  Moselgebiet  und  besonders  im  Lützelburgischen  zu  suchen. 
Daß  sie  auch  dort  lange  Zeit  nach  der  Auswanderung  einzelner 


Volkssplitter  nach  Siebenbürgen  -  denn  der  Name  Sachsen  ist  end- 
gültig vor  allem  durch  siebenbürgisch-sächsische  Forschung  (Gustav 
Kisch  in  Bislritz  u.  a.)  als  irreführend  nachgewiesen  —  noch 
bestanden  haben,  bezeugt  W.  Hardt  in  der  Einleitung  zu  den 
von  ihm  als  Nachtrag  zu  Grimms  Weistümern  herausgegebenen 
»Luxemburger  Weistümern"  (1870,  S.  XIX)  mit  den  Worten 
.Die  freien  Dorfgemeinden  erscheinen  ebenfalls  als  genossen- 
schaftliche Vereine  unter  dem  Schutz  und  der  Gerichtsbarkeit 
ihrer  Grund-  und  Oehchtsherrn;  allein  infolge  des  Rechtes  der 
Freizügigkeit  sind  die  Mitglieder  eines  derartigen  Vereins  jenem 
Schutzverhältnisse  nicht  mehr  zwangsweise  Untertan,  sondern 
können  nach  Belieben  aus  der  Gemeinde  und  dem  herrschaft- 
lichen Untertaiienverbande  ausscheiden  und  in  irgendein  anderes 
ihrem  Personenstande  zugängliches  Verhältnis  treten".  Für 
Nachbarschaftsartikel  bietet  das  Buch  keine  Belege. 

Weiter  ist  nun  aber  daran  festzuhalten,  daß  ebenso  wie  die 
Holländer  Gemeinden  im  Weichsel-  und  Warlhegebiet  sich 
bildeten  aus  i» Ansiedlern,  die  das  Schicksal  wer  weiß  wie 
zusammengeführt  hatte,"  auch  die  Ahnen  der  Siebenbürger 
Sachsen  nicht  als  Sippen,  wie  in  der  Völkerwanderungszeit,  oder 
als  geschlossene  Dorfschaften  nach  Siebenbürgen  gekommen  sind, 
sondern  als  Einzelne,  Familienväter,  jüngere  Söhne,  Neuerungs- 
lustige usw.,  die  sich  vielleicht  schon  als  Reisegefährten  -  wie 
Fr.  Seraphin  im  Rahmen  eines  historischen  Romans  (Die  Ein- 
wanderer, Hermannstadt  1905)  sich  die  Voi^eschichte  der  Nieder- 
lassung zurechtrückt  -  oder  erst  in  der  neuen  Heimat  zusammen- 
fanden. Mag  es  immerhin  die  Form  der  heimischen  Fcld- 
markgenosscnsdiaft  gewesen  sein,  die  sie  auf  ihre  neuen,  durch 
freiwilligen  Zusammenschluß  begründeten  Lebensgemeinschaften 
übertrugen,  so  war  es  doch  nicht  «das  Herkommen*,  sondern 
der  Wille  und  der  Geist,  die  sich  ein  neues  Haus  aus  be- 
kannten Formen  schufen.  Und  insofern  berühren  sich  die 
Nachbarschaften  der  Siebenbürger  Sachsen  -  und  etwnso  noch  die 
der  Posener  Holländereien  -  unverkennbar  mit  dem  Wesen  der 
Gilde,  wie  es  uns  am  frühesten  in  dem  Verbot  der  Geldonien 
durch  die  karoüngische  Gesetzgebung  entgegentritt.  Ihre  Aufgabe 
gegenüber  der  Lockerung  des  alten  Sippeverbandes,  besonders  in 


Die  Nachbarschaften  in  den  Posener  Hauländcreten.  i5S 

den  Städten  des  fränkischen  Reiches,  war,  die  freiwillig  sich 
verbindenden  Genossen  auf  gegenseitige  Unterstüt7urg  in  Not 
uod  Tod,  auf  Versicherung  gegen  Feuerschaden,  auf  gemeinsame 
Verfolgung  von  Räubern,  auf  gemeinsame  Gelage  und  endlich 
luf  gemeinsame  Kultusverrichtungen  zu  verpflichten  (Inama-Sternegg, 
Deutsche  Wirtschaftsgeschichte  I,  263  Anm.).  Wenn  v.  Amira 
die  siebenbfirgisch-sächsischc  Nachbarschaft  (und  ebenso  die 
Bniderschaft  und  Schv^esterschaft  der  Ledigen)  ohne  weiteres  als 
Fortleben  der  alten  Qilde  auffaßt  {Grundriß  der  germanischen 
Philologie  MI,  166),  so  gehl  das  wohl  etwas  zu  weit;  es  fehlen 
(fie  Zwischenglieder  der  historischen  Entwicklung. 

Vielleicht  lassen  sich  aber  —  unter  allem  Vorbehalt  kritischer 
Einsprache  ~  solche  gerade  aus  dem  mütterlichen  Stammgebiet 
der  Siebenbürger  Sachsen  wie  der  Holländer  als  »Vortrekker"  der 
Posener  Hauländereien,  aus  der  rhein-  und  niederfränkischen 
Rcchtsgeschichte  namhaft  machen. 

Die  Einwanderung  der  Siebenbürger  Sachsen  in  ihre  neue 
Heimat  ist  nur  ein  Kapitel  aus  der  Kolonisationsgeschichte  des 
östlichen  Deutschlands  und  seiner  Ausläufer.  Die  Träger  dieser 
Kolonisation  sind  in  den  östlichen  Slav engebieten  zunächst  die 
Flamen  gewesen,  seit  Adolf  von  Schaumburg-Holstein,  Albrecht 
dem  Bären  von  Brandenburg  und  Heinrich  dem  Löwen;  als 
Flandrer  werden  wohl  auch  ungenau  die  Siebenbürger  Sachsen 
bezeichnet.  Ober  die  Formen,  in  denen  sich  die  flämische  Be- 
sittUung  Norddeutschlands  vollzog,  sind  wenig  Nachrichten  er- 
Ittlten.  Ihre  Sonderstellung  hat  sich  hier  früher,  dort  später  in 
der  allgemeinen  niederdeutschen  Art  verloren;  ihren  Namen  aber 
hit  der  Höhenzug  des  Flämings,  bewährt,  und  ebenso  hat  sich 
io  Bitterfeld,  einer  alten  flämischen  Ansiedlung  aus  der  Zeit 
Albrechts  des  Bären,  in  der  Flemings- Sozietät  ein  Stück  der 
Vergangenheit  erhalten.  Darüber  hat  Borchgrave  in  seiner  Histoire 
des  colonies  beiges,  qui  s'^tablirent  en  Allemagne  pendant  le 
XII'*™  siede  (M^moires  couronn^s  de  l'Acad^mie  de  Belgique,  4* 
Tome  32(1865],  angeführt  bei  Schumacher,  Niederländische  An- 
siedlungen,  S.  80)  reichliches  Material  gesammelt  Die  Flemings- 
sozielät  ist  völlig  zu  einer  Gilde  geworden  innerhalb  der  größeren 
Gemeinde,  auf  Grund  ihres  gemeinsamen  Grundbesitzes,  Wiesen 


P.  O.  Schultheiß. 


und  das  Flemingsholz  umfassend.  Ein  GrQndungsjahr  ist  — 
selbstverständlich  -  unbekannt,  die  Nachkommen  der  alten 
hamlEien  hielten  sich  eben  von  dem  späteren  Zuzug  gesondert  und 
wahrten  ihm  gegenüber  ihre  Rechte.  Die  älteste,  mangelhaft  über- 
lieferte Fassung  ihrer  Nachbarschaftsordnung  aus  dem  Jahre  1 587  ist 
im  Anhang  aus  der  nicht  allgemein  zugänglichen  Veröffcnllichung 
Borchgraves  wieder  abgedruckt.  Von  ihren  Bräuchen  berichtet 
er,  daß  aHjährlich  am  zweiten  Pfingsttag  der  Vorsitzende  für  die 
Mitglieder,  deren  Frauen  und  Kinder  den  Flämischen  Sclimaus  zu 
geben  hatte  -  besteht  das  noch  heute?  Der  Brauch,  dabei  den 
Humpen  mit  der  Aufschrift  »Becher  einer  löblichen  Sozietät  der 
Flämings  Hüffner  alhier  zu  Bitterfeld"  zu  benützen,  sei  abge- 
kommen. Jüngere,  ausführlichere  Satzungen  von  1776  seien 
gleichfalls  erhalten. 

In  Betracht  gezogen  zu  werden  verdient  femer  die  eigen- 
tümliche Einrichtung  der  Kölner  Bauerbänkc,  die  zuletzt  Fr.  Wrede 
im    Oymnasialprogramm    von    Köln -Ehrenfeld    1905    behandelt 
hat.    (Vgl.  auch  Oierke,  Rechlsgeschichte  der  Deutschen  Genosse^^ 
Schaft,  S.  336.)  ^| 

Es  sind  ihrer  fünf:  genannt  nach  der  Wcyerstraßc,  der 
Wiesenstraße,  der  Schaafenstraße,  St.  Severin  und  Eigelstein.  Indem 
die  Teilnehmer  in  der  ältesten  Zeit  Erbgenossen  heißen,  geht  ihre 
Verbindung  auf  die  alte  Markgenossenschaft  zurück,  andererseits 
erscheint  sie  aber  als  freiwilliger  Zusammenschluß. 

Mit  Sicherheit  nachzuweisen  ist  das  Bestehen  der  Weyer- 
straßen- Bauerbank  erst  seil  1334,  die  anderen  sind  jünger  (1384 
und  1391).  Wenn  aber  ihre  Organisation  nicht  als  «uralle  In- 
stitution", sondern  als  Ergebnis  der  städtischen  Entwicklung  Kölns, 
insbesondere  der  Stadterweiterung  von  1 1 80  —  wobei  die  Um- 
wallung die  ländlichen  Anwesen  der  AuBenteile  teilweise  einschloß 
(Wrede,  S.  8)  --  betrachtet  werden  soll,  so  klafft  auch  bei  den 
Kölner  Bauerbanken  eine  Lücke  der  schriftlichen  Überlieferung, 
und  die  älteste  erhaltene  Ordnung  bezieht  sich  in  der  Tat  auf 
eine  genossenschaftliche  Neubildung  mit  einigem  Anklang  an 
Markgenossenschaften  (Wrede,  S.  9):  ..Man  könnte  sie  fast  eine 
unbewußte  Nachbildung  derselben  rennen.  Neu  daran  war  der 
korporative  Zusammenschluß,  entlehnt  die  Feldgewohnheiten  und 


die  einsclilägigen  Rcchtsgcbräuche."  Auf  solche  Entlehnungen 
weisen  Bemerkungen  hin,  wie  Absatz  39  der  Weyerstraßen-Ordnung^ 
•nie  Bnseme  alden  recht  als  it  herkommen  ist". 

Die  Bauerbank  auf  dem  Eigelstein,  deren  Ordnung  auf 
die  Genehmigung  des  Rates  hinweist  (1391,  nach  später  Abschrift 
bdLiu,  Entwicklung  der  kommunalen  Verfassung  und  Verwaätung 
der  Stadt  Köln  abgedruckt,  S.  3  80  ff.),  nennt  sich:  «Wir  gemine 
nabem,  wonofting  up  deme  Eygelsteine". 

Die  Ordnung  der  Weyerslraße  ist  in  späteren  Redaktionen 
aus  dem  15.  und  16.  Jahrhundert  erhalten,  zwei  bezeichnen  sich 
ils  Kopien  einer  Urschrift  aus  dem  Jahre  1240.  Die  Heraus- 
{eber  (Ennen  und  Eckertz,  Quellen  zur  Geschichte  der  Stadt 
Köln  II,  210  ff.)  setzen  hinzu,  manches  sei  ohne  Zweifel  späterer 
Zusatz.  Da  der  Absatz  56  das  Recht  ausspricht,  die  Punkte  zu 
nehren  oder  zu  mindern,  so  ist  doch  recht  zweifelhaft,  wie  grofi 
bereits  die  Abweichungen  von  der  frühesten  Fassung  sein  mögen. 
Ouraklerisiert  wird  dieWeyerstraßen-Bauerbank  als  freie  Gemeinde 
■Bit  gewählten  Meistern,  eigenem  Boten,  eigener  Kasse  und  einem 
Gebühren meister.  Die  Gemeinde  handhabt  die  Feldpolizei,  stellt 
einen  FeldschDtzen  an,  gibt  Bestimmungen  über  die  Benützung 
der  Oemeindetrift  u.  dgl.  (ebd.  Einl.  6).  Außer  dieser  allgemeinen 
Ähnlichkeit  der  Aufgaben  enthält  die  Ordnung  der  Weyerstraße 
eine  Festsetzung,  die  an  sächsische  Artikel  erinnert: 

,45.  Vort  hain  wir  gemacht,  so  wanne  die  Erffgenoissen  zo 
amen  synt,  so  wie  dar  untzoiditige  wort  off  Scheltwort  hedde 
Bit  eynie  andern  erffgenoissen  off  mit  dem  Schützen,  so  wanne 
dat  eyme  der  meister  gebuyt,  dat  hey  swygen,  en  swyget  hey 
dan  nyel,  so  gilt  hey  IV  pennynge,  zo  dem  andern  geboede  VI 
pennynge,  zo  dem  dirden  VIII  pennynge,  zo  dem  vferden  XII 
pennynge,  und  wer  ouch  weder  also  unnulzig  anlwort,  der 
göl  ouch  so  vill." 

Die  Kölner  Bauerbänkc  bestanden  noch  bis  ins  1 9.  Jahr- 
hundert herein,  aber  in  ihrer  Forlbildung  walten  ganz  andere 
wirtschaftliche  Verhältnisse  als  bei  den  sächsischen  Nachbarschaften. 
Beachtung  verdient  aber  eine  Vermutung  über  den  Ursprung  der 
Weyerstraßen- Bauerbank.  Es  bestand  in  ihr  eine  engere  Bruder- 
schaft, genannt  nach  St.  Nikolaus  zu  Sulz,  mit  der  üblichen  Ver- 


r 


pflichtung,  an  dem  Begräbnis  verstorbener  Brüder  teilzunehmen, 
gemeinsamem  Gottesdienst  u.  dgl.  Wirtschaftliche  Zwecke  sind 
in  ihrer  Ordnung,  erhalten  in  einer  Handschrift  des  13.  Jahr- 
hunderts, nicht  angedeutet.  Lau  (S.  T89)  meint,  die  Bauerbank 
könnte  wohl  erst  im  Anschluß  an  die  Bruderschaft  gestiftet  worden 
sein.  In  anderem  Zusammenhang  ist  auf  diese  Vermutung 
zurückzukommen. 

Noch  näher  als  die  Kölner  Bauerbänke  in  ihrer  frühesten 
bezeugten  Verfassung  stehen  den  Hermannslädter  und  Kronstädter 
Nachbarschaften  schon  im  Namen  die  ehemaligen  Brunnen- 
gesel Ischaften  zu  Rüdesheim  im  Rheingau,  denn  sie  bezeichnen 
sidi  selbst  als  Nachbarschaften  in  der  neuen  Kcllergasse  und  in 
der  Steingasse  in  ihren  Satzungen  von  1607  und  160S,  wie  sie 
Job.  Peter  Schunk  in  seinen  „Beyh^gen  zur  Mainzer  Geschichte" 
III,  1 790  Heft  3,  241  ff.,  nach  seiner  Vereicherung  aus  alten  Hand- 
schriften, veröffentlicht  hat  Sie  beziehen  sich  in  den  Eingangs- 
Sätzen  auf  ältere  Fassungen:  nim  Jahre  1607  haben  sich  die 
Nachbarn  in  der  neuen  Kellergasse,  so  zu  dem  Kellerbom 
gehören,  vereinigt,  ihren  nachbarlichen  Bombrief  zu  erneuern, 
und  wie  sich  auch  ein  jeder  Nachbar  gegen  jeden  Nachbarn  ver- 
halten und  der  Nachbarschaft  zu  Lieb  und  Leyd  sein  soll,  was_ 
Nachbarn  zuständig  ist,  wie  folgt" 

Auffällig  unterscheiden  sich  im  Ton  die  Elngangssätzc  deT 
,1  Ordnung  der  Nachbarschaft  und  Brunnenmeister  in  der  Stein- 
gasse zu  Rüdesheim  1608":  »Im  Namen  der  hochheiligen  Drey- 
faltigkeit  Gottes.  Als  In  Betrachtung  der  allgemeinen  Nachbarschaft 
der  Steingasse  zu  Rüdesheim  zu  Oemüt  geführt,  daß  der  hoch- 
berühmte  Spruch  und  Einigkeit,  Concordia  genannt,  in  politischen 
Satzungen  viel  erhält  und  wohl  ausrichtet,  ist  aus  denen  vor 
Alters  [von]  unsern  teils  verstorbenen  angestellten  guten  Ordnungen 
diese  nachfolgende  Vereinigung  einmütig  eingewilligt  zu  halten 
und  ohne  Nachlaß  zu  vollziehen  verwilligt. " 

Unverkennbar  ist  auch  in  den  einzelnen  Bestimmungen  der 
Nachbarschaft  der  Kellergassc  die  Überlieferung  treuer  bewahrt, 
das  Altertümliclie  mehr  erhalten;  die  allgemeine  Bedeutung  der 
Nachbarschaft,  ganz  im  Sinne  der  sächsischen  Einrichtung,  Über- 
wiegt, ihr  sind   die  ersten   drei   Paragraphen   gewidmet.     Dann 


Mpo  drei  über  die  gemeinsame  Verpflichtung  zum  Fegen  des 
BruDMns,  und  den  Schluß  machen  wieder  Bestimmungen,  die  die 
Nadibarschaft  als  enge  Lebensgemeinschaft  kennzeichnen.  Die 
Artiel  der  Steingasse  hingegen  beziehen  sich  ausschließlich  auf 
dn  engeren  Zweck,  die  Riege  des  Brunners  durch  die  alljährlich 
gewählten  zwei  Bnmnenmeister  und  auf  die  Zeche  oder  Kollation 
nir  Verzehrung  der  Strafgelder:  nach  einem  Anhang  fand  diese 
an  Fasnacht  oder  Aschermittwoch  statt  -  hier  also  wieder  ein 
Anklang  an  sächsische  Sitte,  und  ebenso  in  den  Strafbestimmungen 
g^n  Zank  oder  Hader  und  Lügenstrafen  bei  Versammlungen 
der  Nachbarschaft 

•Würden  sie  sich  aber  ferner  mit  ehrenrührigen  Worten 
«Her  den  andern  verletzen,  soll  allezeit  der  Anfänger  um  einen 
Gulden,  und  der  unlaidige  Antworter  um  einen  halben  Oulden 
strafbar  sein.  Wollen  sie  alsdann  noch  nicht  Frieden  halten,  und 
dner  den  andern  mit  der  Thal  und  Faust  angreifen,  soll  man 
diesen  Zankischen  die  Kerb  vorlegen,  und  alles,  was  dießnials 
verzehrt  worden  ist,  berechnen  und  bezahlen  lassen,  wie  vor  Alters." 
Gegenüber  den  Unterschieden,  wie  sie  in  diesen  beiden 
Ordnungen  derselben  Stadt  mit  dem  geringen  Zeitabstand  der 
Aufzeichnung  sich  zeigen,  ebenso  wie  in  den  von  Gustav  Seivert 
(Die  Stadt  Hermannstadt,  1859)  abgedruckten  Ordnungen  der 
Nachbarschaften  Hermannstadts,  wird  niemand  versucht  sein,  die 
Gnmdsätze  philologischer  Handschriftenvergleicliung  darauf  an- 
»wendcn,  einen  gemeinsamen  schriftlichen  Archetypus  rhein- 
fi4nkischer  Nachbarschaftsordnungen  vorauszusetzen,  den  die  Vor- 
fahren der  Sachsen  aus  der  Heimat  mitgenommen  hätten. 

Es  ist  im  einzelnen  schwer  zu  sageUj  wie  die  Formen 
der  uralten  NVarkgenossenschaft  fortbestanden  haben,  und  wie  das 
Wesen  der  Nachbarschaft  als  freiwilliger  Vereinigung  ins  Leben 
tritt  —  sofem  man  es  mit  mehreren  Nachbarschaften  nebeneinander, 
wie  in  Rüdesheim,  oder  mit  Kolonistenschwärmen  zu  tun  hat, 
die  eben  nicht  als  Sippe  oder  als  Dorfscbaften  ausgewandert  sein 
können.  Wenn  Hanssen  über  f^ehmarn  berichtet:  ..früherscheinen 
dort  die  Einnahmen  zu  einem  Fasnachtsgelage  der  Bauernschaften 
verwandt  worden  zu  sein;  das  Antrittsgeld  hieß  ursprünglich  Ein- 
sprungsbicr-  (Historisch-statistische  Darstellung  der  Insel  Fehmam, 


1S32,  S.  130),  so  gibt  das  noch  keinen  Unterschied  von  del^| 
feldmarkgenosscnschaflen  des  deulschen  Binnenlandes,  bei  denen 
sich  an  die  echten  Dinge  gleichfalls  Gelage  anschlössen.  (Gicrke, 
Rechtsgeschichte  der  deutschen  Genossenschaft,  S.  624.)  Aber 
Fehmam  ist  eben  auch  Kolonialgebiet,  und  zwar  der  Ditmarsen, 
und  die  Formen  und  das  Zeremoniell  der  Nachbarschaft  können 
immerhin  herü bergen omnien  sein,  wenn  diese  auch  im  Wesen 
eine  Neubildung  darstellt.  Gerade  die  siebenbürgisch-sächsische 
Nachbarschaft  in  ihrer  altertfimlichen  Erhaltung  wirft  erst  das 
Licht  der  Erklärung  auf  die  Verkümmerung  und  das  mangelhafte 
tiezeugtsein  der  nord ostdeutschen  Nachbarschaft  und  rechlfertigt 
den  Leitsatz: 

Die  Form  der  Kolonisation  des  Ostens  durch  deutsct 
Bauern  und  Bürger  ist  die  Nachbarschaft  —  im  Unterschied  von 
der  sogenannten  Völkerwanderung^  deren  Form  die  Sipix:  ist  ■ 
Entstanden  aber  ist  die  Nachbarschaft  in  der  Heimat  und  zwar 
auf  anderer  Grundlage  als  die  alte  Markgenossenschaft  der  Sippe, 
wenn  sie  auch  in  der  Fremde  deren  Form  und  Funktion  vertritt. 
In  allen  Schriftstücken,  die  wir  zur  Vergleichung  heranziehen 
können,  findet  sich  gleichermaßen  die  Festsetzung  von  Strafen 
für  unfriedfertiges  Verhalten  und  Schimpfworte  bei  Zusammen- 
künften. Das  ergibt  sich  aus  dem  Grundcliarakter  der  Nachbar- 
schaft und  ihrer  geselligen  Bedeutung^  wie  sie  sich  besonders  bei 
den  Hermannstädter  Nachbarschaften  im  1  7.  Jahrhundert  bemerkbar 
macht.  Auffallen  aber  muß  die  engere  Verwandtschaft  der  Rüdes- 
heimer  und  der  Hermannstädter  Ordnungen.  Brunnenmeister 
nennen  die  gemeinsamen  Hermannstädter  Artikel  von  1652  in 
den  Absätzen  20  und  21,  wohl  in  derselben  Bedeutung  wie  zu 
Rüdesheim.  Ein  wichtiger  Fingerzeig  aber  scheint  es  zu  sein« 
daß  die  älteste  Hermann  Städter  Ordnung  von  T563  an  erster  Stelle 
die  Bestimmung  hat:  »Wehn  einer  nicht  czwr  leichen  kompt, 
verfeit  4  denare".  Die  Ordnung  des  Großen  und  Kleinen  Rings 
hat  unter  9  den  Zusatz  «doch  soll  der  Honn  in  dem  Teil  awf- 
merken".  in  der  Ordnung  der  Kellergasse  zu  Rüdesheim  heißt 
es  »Zum  Andern  wo  es  Sache  würde,  daß  einer  Alters  stürbe 
oder  sich  eine  HauptEeiche  in  der  Nachbarschaft  ergebe,  soll  ein 
jeder  Nachbahr  gebührlicher  Weise  sich  dazu  machen  und  dieselbe 


Die  Nachbarschaften  in  den  Posener  HauliDderdeu.  i£} 


hdffert  zur  Erde  bestatten,  auch  keine  Entschuldigung  suchen, 
fti  Ki>  denn  Leibesschwachheit  oder  unsers  gnädigsten  Herrn 
DiMste  halber,  bei  Straffe  eines  halben  Viertel  Weines";  der 
idrte  Satz  gedenkt  des  Leichentrunks  als  sich  anschließender  Ver- 
pftichlung.  Oben  ist  der  Vermutung  gedacht,  daß  die  Köiner 
tiiüerhank  zur  Weiherstraße  aus  einer  religiösen  Bruderschaft 
Iien-orgegargen  sei,  deren  Ordnung  (Quellen  zur  Geschichte  der 
Stidt  Köln  I,  403)  für  die  Teilnehmer  am  Begräbnis  genaue 
Vorschriften  gibt:  hier  liegt  die  von  Fronius  an  falscher  Stelle 
^tsDchte  Verknüpfung  der  sachsischen  Nachbarschaft  mit  dem 
OeWel  des  religiösen  Lebens  der  Vorzeit.  Die  sächsische  Bruder- 
schaft der  Jünglinge  scheint  späteren  Ursprungs  zu  sein,  sie  hat 
jei)«afalls  keinen  selbständigen  Zusammenhang  mit  der  religiösen 
Bniderschafl,  der  confraiernitas. 

Denn  diese  ist  die  kirchliche  Umbildung  einer  noch  vie! 
illeren,  im  germanischen  Heidentum  wurzelnden  Einrichtung,  der 
TOD  der  karolingischen  Gesetzgebung  mit  schweren  Strafen  ver- 
folgten Geldonien,  von  ihr  Verschwörungen  genannt,  in  der 
äächsischen  Abschwörungsfomiel  aber  Teufelsgilden.  Die  Bund- 
bruderschaft begründete  unter  den  Vertragschließenden  einen 
Ihnlichen  Schutz-  und  Tmtzverband,  wie  er  für  die  Sippe  durch 
die  Blutsverwandtschaft  gegeben  war.  Die  Pflicht  der  Blutrache, 
<fer  Anspruch  auf  Wergeid  für  erschlagene  Genossen,  der  Toten- 
fcull  durch  Opfer  und  Opfergelage  begründen  sich  ursprünglich 
durch  die  symbolische  Mischung  des  Blutes,  das  aus  dem  auf- 
geritzten Arm  in  den  Trank  rinnt,  später  nur  durch  den  Eidschwur. 
Die  Christianisierung  stellte  die  Bruderschaft  unter  einen  Schutz- 
heiligen, rückte  den  Gottesdienst  zum  Seelenheil  des  Abgeschiedenen 
an  die  Stelle  des  heidnischen  Opfers;  die  gegenseitige  Unter- 
stützung, die  Gerichtsbarkeit  über  die  Genossen,  die  regelmäßigen 
Gelage  behaupten  sich  auch  unter  der  geistlichen  Verhüllung 
ungcmindert  fort.  Die  Genossen  versichern  sich  gegen  Feuer- 
schaden und  Schiffbruch,  sie  verpflichten  sichj  Räuber  gemeinsam 
Zu  verfolgen  —  Akte  der  Selbsthilfe,  die  uns  noch  ebenso  in 
der  Nachbarschaflsordnung  von  Neu-Schlingcn  begegnen.  Die 
drakonische  Sü-enge,  mil  der  die  karolingische  Gesetzgebung  An- 
siifter  und  Teilnehmer  bedroht,  Tod  für  die  ersteren,  gegenseitiges 

Aidti«  für  Kalttirseichtcfate.    VI. 


Oeißeln  und  Nasenabschneiden  für  die  anderen,  ist  nur  dadurc 
zu  erklären,  daß  gerade  die  Volkstümlichkeit  der  Einrichtung  si 
der  Wahrung  des  Heidentums  verdächtig  machte. 

Der  karolingische  Cäsaropapismus  war  aber  glück) ich eru'cis 
eine  vergängliche  Erscheinung.  Das  germanische  Volkstum  Üb« 
dauerte  seine  Experimente.  Der  Name  der  Oilden  bezeichnet  i 
den  folgenden  Jahrhunderten  Verbindungen,  in  denen  d^ 
religiöse  Moment  verschwindet;  in  den  Verbrüderungen  wied« 
spielt  es  eine  große  Rolle:  trotzdem  sind  beide  desselben  Ursprung 
In  der  jüngeren  Form  der  kolonialen  Nachbarschaft  sind  die  alle 
Züge,  wenn  auch  abgeschwächt,  erhalten.  Die  historische  B< 
trachtung  lehrt  den  Zusammenhang  des  Volkstums  seit  der  Urze 
würdigen.  Daß  es  unvergleichlich  tiefer  wurzelt  als  die  wechselnde 
Anschauungen  und  Formen  staatlichen  Lebens,  ist,  will  uns  bt 
dünken,  wie  für  die  Siebenbürger  Sachsen  ein  Trost,  so  auch  ii 
Hinblick  auf  die  Posener  Hauländereien  und  unsere  Neubesiedt 
lung  des  Ostens  eine  Mahnung. 


4 


1. 

Bestätigung  der  Willkür  von  Tuchorze  Meu-Hauland.    Ausgestel 
vom  Grundherrn  v.  Rutcowski. 

15.  Juni  1745.  f 

Posen,  Staatsarchiv  A  3   B   I.  <>■  Handschrift   In   4 

9  Bl  Die  Anfangszeile 
roL    Noch  ungedrucli 

Ich  wohlgebomer  großmächtige  Herr  von  Ruthcovcky  Neb 

meiner   Frauen    Gemahlin    Heiina  von    Ruthcovckin    Erbsitzend 

auf  Tuchorschc  und  Braufuhrd  Erkläre  und  Bekenne  hiemit  vc 

Absonderlich   wo  von   Nöthen,   daß  meine   Hauländer  aus  dei 

Dorfe  Novituchorsche  vor  mir  erschienen  bittende  etliche  Punkt 

allergnedigst  zu  confirmieren,  damit  sie  wissen  woran  sie  sich  halte 

sollen.    Wegen  guter  Ordnung  und  Policcy  dieses  nicht  denegirc 

können,  sondern  ihnen  das  folgende  gratificieren  wollen,  und  z 

besserer  aufsieht  sollen  sie  sich  järlich  einen  scholtzen  nebst  zweye 

Beysitzem  erwählen,  welch  ich  auch  bckräfftigen  will,  welche  z 

thun  [Loch]  haben  mit  Zanck  Schmoch  Handel  und  schlägereiei 

Sie  werden  verübet  bey  Tag  oder  Nacht,  Absonderlich  mit  Schul 


d 


Die  Nachbarschaften  in  den  Posener  Hauländereien.  |  £3 


achtn  unter  ihren  Testament  Sachen,  inventierung  Erbsonderung 
Zeigen  verhören  Besüchtigung  und  Schätzung  der  Heußer  äcker 
ließen  reinen  und  Gräntzen,  sollen  aber  besondere  Actus  von 
Diebstahl,  oder  andere  Peinlichen  Sachen  vorTallen,  so  von  ihnen 
an  schwerer  inquisition  nicht  geschehn  kann,  behalte  ich  mir 
vorauß.  Ich  will  auch,  daß  die  Bedachte  gelt  Straffe  in  eine  Lade 
»iil  gethan  werden  und  beim  Scholtzen  stehen,  die  Beisitzer 
ibfl-  sollen  die  Schltssel  dar  zu  haben  und  järlichen  den  Nach- 
hahm  rcchnung  thun.  Folgende  Puncla  sollen  ihnen  des  Jahrs 
zwe)mahl  vorgeießen  werden,  alß  zum  Ersten  mahl  nach  gehaltener 
Köhr,  daß  andermahl  auf  Michaelis.  Und  damit  sich  niemand  mit 
imwißenheit  zu  entschuldigen  weiß,  damit  nu  dießen  alle  möge 
fohl  und  christlich  nachgelobet  [!]  werden, 

So  habe  ich  mich  zu  ende  dießer  Puncte  selbsthändig 
itnlerschriebcn. 

Datum  Tuckarze,  d.  15.  Junius  Anno  1745. 

1 .  Zum  Ersten  so  der  Schultz  die  Nachbahren  verboth  oder 
«rbothen  leßt,  sollen  sie  zu  ihn  kommen  und  gehorsam  sein,  so 
aber  jemand  einheimisch  währe  vnd  in  Eugener  Person  nicht 
itomme,  sohl  er  auf  5  Qr.  gestrafft  werden.  2.  Da  Jemand  von 
den  Nachbaren  den  Scholtzen  oder  rathleuthen  mit  unhöfflichen 
Worten  oder  sonst  wiederstrebende  mit  Schärften  Gewehr  inß 
Scholtzen  Gericht  kämme  und  kein  gehohr  geben  wolle,  der  soll 
ohne  eine  einige  Widerrede  auf  2  Marg')  gestrafft  werden.  Da  er 
aber  sonsten,  davor  Gott  behütte,  Mit  Schlägen  anlauffcn  würde, 
soll  er  nach  gclegenheil  seines  Verbrechens  nach  erkentniß  des 
Dorffgerichts  höher  gestrafft  werden.  3.  So  einer  sich  frefentlich 
setzte  wider  den  verordneten  schultzen  und  seine  beysitzer  und 
nach  begangener  Mißethat  nicht  wolte  gehorsam  sein  oder  sich 
gefangen  geben,  würde  er  darüber  geschlagen  oder  verwundet 
B  wehre  bcy  Tag  oder  Nacht,  soll  darüber  Seine  Buße  nach 
wdit  ergehen.  4.  Wenn  einer  oder  mehr  von  Scholtzen  in  des 
Dorffs  gerichts  geschafften  geschickt  würde  und  Jemand  mit 
übrigen  Scheltworten  oder  Schlägen  sich  vergriffe,  der  soll  ver- 
fallen sein  2  gutte  Marck  und  nach  eilcenntniß  der  Eltesten  gestrafft 

*]  Die  polniidK  Mailc,  nur  R«chnu[iK«einhelt.  hatte  «1  OnKben. 

11' 


tA* 

werden.  5.  Wann  der  Scholtz  mit  seinen  Rathleuten  zu  genicht 
»itzt»  soU  kein  weib,  es  sey  den  daß  sie  vor  ihre  Person  zu  klagen 
und  ihr  Mahn  wo  die  einen  hat  nicht  einheimmisch  wehre,  für 
gtröchle  kommen,  bey  Straffe  5  gr.  6.  Ist  bewilliget  worden  den 
Scholtzen  sein  Lohn  von  der  Hube  30  gr.  und  beyden  ratlilculen 
i5  gr.  soll  gegeben  werden,  alle  Jahr  wann  die  Kühr  geliallen 
wird,  bey  Straffe  doppelt  abzugeben.  7.  So  der  Scholtz  oder 
Ksthleute  auser  den  Dorffe  und  w^en  des  Dorffs  besten  ver- 
reißea  würde,  sollen  die  Unkosten  nach  Hüben  Zahl  begeben 
wcfdeo.  ft.  Sollen  Scholtz  und  Rathleute  auf  das  Dorff  gulte 
Achtung  haben,  so  etwas  an  der  schleiße  wellung  w^ei^ängen 
oder  sonsten  daß  dem  Dorffe  schädl.  sein  «ijrde,  sollen  sie  dahin 
trachten  damit  daß  selbe  gemacht  und  gebeßert  werde,  da  aber 
scholtz  und  rathleute  hierinen  Nachläßig  befunden  wurden,  sollen 
sie  nach  erkänntniß  der  ganzen  gemein  gestrafft  werden.  9.  Wo 
KauK  oder  Kaufte  geschehen,  es  sey  Qetreitig  vich  oder  Pferde^ 
wie  es  audi  Nahmen  haben  mag,  und  ist  gewißes  Bier  darQber 
getrunken  worden,  der  soll  verfallen  sein  l  Thonne  Bier  wer  den 
Kauff  nicht  helt  10.  Zum  zchcnden,  davor  Gott  behüttc,  durch 
Uottes  Willen  oder  sonst  durch  bößc  Leuthe  einen  Jrgend  ein 
gebcyde  abbrennen  mächte,  sohl  man  ihm  mit  einer  Christ).  Bey- 
Hleucr  tu  hilffe  kommen,  von  der  Hube  100  ^^  15  gr.  auch 
Wiikl  röhr  und  holtz  führen  helffen.  Item  wer  in  solchen  fahl 
v^thi'iiuiach  wehre  und  nicht  wolte  retten  oder  löschen  helffen, 
^  Udl  verfallen  sein  straffe  zu  geben  3  gutte  Marg.  Wer  im 
llfl))^  fremde  gefeße  ergreifft,  es  sey  an  Hacken  Äxten  Eymem 
^^  V/(f  es  Nahmen  haben  mag,  der  soll  es  zum  Scholtzen 
WlittiWU  M\\\  nicht  mitte  nach  hauße  nehmen,  damit  es  wieder  dem 
1W^  stettt  c«  gehöret,  bey  straffe  einer  guttcn  Marck.  1 1 .  Niemand 
•^^  1^  «Hdnen  für  seine  Thür  lauffen  und  ihn  zomigl.  Weiße 
UfiyiMK^ttlt  ^ty  straffe  3  gutten  March,  dafern  aber  einer  den 
«<tt\lf  Wege  lagern  in  dem  dorffe  oder  felde  und  solches 
v^.-,^  \*i\  i*vvr»  Zeygen  bewießen  werden,  der  soll  ohne  alle 
^v'K  ^v^UIW4*  »ein  4  gutte  Marc.  12.  Dafern  ein  man  den 
)j|J(M^  aM  f*nr  Frau  die  ander  übe!  aushandelte  und  an  ihren 
iMMkM  MtirotW  beschimpfft  würde  und  kan  solches  mit  2  Per- 
WMMk  IAMM  MHI  dlT^lhan  werden,  sohl  der  oder  dieselbe 


Die  Nschbai^aftcn  in  den  Poscner  Hatiländereien.  16S 

(äe  Lade  Z  gutte  Marg  straffe  geben  und  ein  gerichtliches  Attestalum 
dm  beiddigten  ausl50en.     13.   EQ  soll  einer  den  andern  Auf 
(fcf  Oebauthen   hoffeStädte   mit  Mist   so  es  die  Noth  erfordert 
iniif  Waßer   zu    reichen    schuldig    sein,    bey    straffe    ein    Marg. 
N.  Wan  einer  dem  Nachbar  eine  Hecke  öffnet  und  nicht  wieder 
amacfal  und  schaden  dadurch  geschieht,  soll  derselbe  straffe  ver- 
alten sein  1  Marg,  und  so  einer  den  andern  über  seinen  besäten 
xker  ßhret,  sol  er  schuldig  sein  l  Marg  zu  geben  und  vor  den 
schaden  stehen.     15.  So  auf  Refehl  des  Schollzen  gebothcn  würde 
iSc  Trifften  zu  bösem   die  gräntzen  zu  verfertigen  die  Wasscr- 
Önge  und  Graben  zu  rcymen  oder  sonslen  was  dem  dorff  zum 
besten  gereichet,  wer  solches  nicht  verrichtet,   soll  verfallen  sein 
2  gulte  Marg  und  bey  8  Tagen  alles  fertig  haben  bey  doppelter 
Äiffe.      tö.    Sohl   ein   nachbar   dem   andern   seine  gräntze   mit 
gnben  oder  zäunen  nach  gelegenheit  des  Landes  halten,  wer  daß 
nklit  ihun  würde  und  einen  hierüber  schaden  geschieht,  soll  der- 
selbe für  den  schaden  gutt  kommen  und  so  offt  er  darüber  an- 
gtUaget  wird  dem  Scholtzen  verfallen  sein  tO  Groschen.    17.  Eine 
redjtfertigc  Gräntze  sol!   heißen  ein  Graben  einer  halben  rutlien 
breit  und  2  Ellen  lieff,  ein  Zaun  soll  sein  2  Ellen  hoch,  alß  das 
ein  halbjärigs  Kalb  nicht  kann  durchkommen,  dafem  aber  einer 
on  Pferdt  oder  rindt  hetfle  und   vor  dem  Zaune  nicht  bleiben 
*olte,    so   soll  ers  zwingen  oder  soll  es  abschaffen.      30  rutten 
soll  ein   Jeder    seine    HoffStädle  dichte    zeunen,    vor    Schwein 
Genfte  und  Enten.     18.  Niemand  soll  drti  andern  ohne  Consens 
und  bewilligung  sein  angenomene  Arbeiter  Ehe   er  sie  ablohnet 
und  nicht   mehr   gebrauchet  abspendig  machen    und   auf  einige 
arbeit  nehmen,  bey  Straffe  einer  Marg,    und   daferne   sich  einer 
Bnlerstehet    seinen    Nachbahr    seinen   Knächt    oder    Magd    aus- 
amielten,   der  soll   verfallen    sein   eine  gutte  Marg   und   gleich 
w>\[  den  dienstbothen  seinen  Herren  in  den  Dinst  folgen   lassen. 
19.  Da  Jemand  seinen  Nachbaren  vieh  pfendet,  der  soll  es  trencken 
hßen,  damit  es  nicht  verschmachte  oder  umbkomme,  sonsten  soll 
er  ihn  den  Schaden  erstadtcn,  und  wann  daß  eingetriebene  Vieh 
inß  recht  gebracht  wird  und  der  Scholtz  es  demselben  ansagen 
ließe,  Er  aber  sein  Vieh  im  Gerichte  stehen  ließe,  so  soll  er  die 
Erste  Nacht  vom  Stücke  5  gr.  die  ander  Nacht  10  gr.  und  also 


F.  O.  ScbuItheiB. 


n 


lEttkii  Nacht  erlegen,   und   so  daß  vieh   nicht 
^^g«  ^wtBgüößci,  $0  soll  es  der  gnädigen  Obrigkeit 
feBÜkcn  werden.     20.  Eß  soll  sich  keiner  untcr- 
aiAtehren  Vieh   daß  gepfendet  ist  in  seine  ver- 
sondem  dem  Scholtzen  oder  eim  rathmann 
jjß    fort    überantworten,    bey  Straffe    i   gutten 
lera  derselbe,  dehme  das  Vieh  gepfendtet  und 
syiateen  getrieben  würde,  sich  wolte  entgegensetzen 
rik  mH  Oewall  wiedemehtn   wolte,  der  soll   2  gutte 
^rten.     Item   dem   scholtzen  sohl  von  gepfendcten 
K  Ffcnnig  gegeben  werden,  wer  sein  vieh  loß  haben 
setzen,  damit  der  Schollz  zufrieden  ist  auf  doppell 
■  Wer  eines  andern  vieh  so  er  gepfendel  schlagt  oder 
jn  Schaden    davon    bekomt,    der   soll  den  Sdiaden 
^   nr  Straffe   3  gutte  Marg  erlegen.     Es  soll   auch 
^^iendete  Kühe  melcken  oder  die  Pferde  reithen.  bey 
.^^ade  einer  gutten  Marg,  item  wer  eines  andern  vieh 
,  yiHKicl  oder  auf  den  wießen,  der  soll  den  Schaden  durch 
.^j^KJcMtzen  laßen,  wo  er  aber  solches  nicht  thun  wiell,  soll 
1.  Pfandtgelde  gnigen  laßen  als  einen  groschen  vom 
4»  Besichtigung  sohl  dem  Gerichten  1 2  gr.  gegeben 
I  Jer  den  Schaden  thut,  von  dem  soll  crs  wieder  fodem. 
et  durch  den  Scholtzen  gcbothcn  würde,  die  Schweine 
^H  wA  wer  es  nicht  thut  und  einen  Nachbar  Schaden  thut 
..«aJrt  wird,  soW  von  Einen  Schweyne  5  gr.  Pfandtgelt  ge- 
^^f^lipo.     Gänße  und  Enten  sollen  die  Freyheit  haben,  wenn 
\^-M«Ar  dem  andern  zu  Sdiaden  lest  gehen,  soll  man  sie 
.  ^-f«  und  dem  sie  gehören  zu  Haußc  schicken.     24.  Wer 
\ficfate  mit  unhöfflichen  Worten  anfähret,  oder  liegen 
^  solches   mit  5  gr.   büßen.     Dreuet   er  ihn  aber  zu 
lobl  er  gehorsam  halten  und  1D  gr.  ablegen  und  soll 
{«uBgeUßen  werden,   er  habe  sich  den   mit   seinen 
^^fin^n.      25.    Sohl   Viertel   und   Biermeß   rechtfertig 
r  wnblicgende    Stadt    Maß     gemessen    werden,   damit 
'^^-.^*  »nitcht  geschiehet,   bey  straffe  der  erkäntniß  Scholtzen 

,t„clM  riniccn  ■»  der  Sdivrifwn  ein«)  Ei«cndnM  durch  di«  Nite  ziehifi, 
Vihkn  kötinen.  Vcrsnch  rlno  braniKh-nlrdcnidititdini  WÖrterfatidu, 
<     Seltllln  <"■<)  Läbben,  MitKlnicdcrdeuttdiet  Wörterbuch  III,  4>4. 


Die  Nxchbarachaften  in  den  Posener  Haulindereien. 

DDd  rathJeuthen.     26.  Niemand  sohl  macht  haben  einen  Gärtner 
oder  Haußmann   bey  sich  einzunehmen    oder  auf  sein  Land  zu 
selzien,  ohne   vorbcwusl   und  Bewilligung  der  ganlzen   Nachbar- 
sduift,  bey  straffe  einer  Thonnen  Bier.    27.  Wo  von  Nöthen  sein 
*ünle,  einen  graben  zur  abweßerung  dem  dorff  zum  besten  zu 
verfertigen   oder  auch  das  Land  zu  bedänimen,  sohl  daßselbige 
bey  den  Nachbahm  nach  Hubenzahl  vergeben  werden.     Ich  ver- 
spreche Ihnen   mit  meinen  angräntzenden  dörffern   dabey  auch 
hiiffe  2ü  leisten,  So  sich  aber  Jemand  darwiedersetzte,   soll  nach 
Erkcntniß     der    SchoUzen    und     rathleuthen    bestraffet    werden. 
M.  Der  Scholtz  und  seine  Beysitzer  sollen  schuldig  sein,  alle 
14  Tage  auf  den   dinstag   den  Nachbahren  recht  zu  sitzen  auff 
Klage  und  Antwort,   die  Parteiische  Händel   schlichten    und  ver- 
tragen, die  verwürgkten  Straffen  und  solches  unabläßig  abfodem. 
Jedoch   daß   eine  Parte  die  ander   den  Tag  zuvor  zeitig   laden 
oder  bestellen  laßen  sollen,  dem  Fremden  aber  sollen  sie  jederzeit 
Nach  gelegenheit  oder  nach  erledigung  der  gebühr  recht  verhelffen, 
vor  die  Zusammen kunfft  aber  sohl  ein  jeder  der  daß  recht  be- 
gehret  12  Groschen  ablegen  davon  dem  Scholtzen   4  Groschen 
gebühren.     29.    Weil    ich    mir   alß   die  hohe  obrikeit  das  Pein- 
liche Halßgerichle  vorbehalten,  Als  soll  der  Scholtz  gulte  Achtung 
haben,  damit  an  straffe  Nichts  verschwiegen,  sondern  mir  allezeit 
angemeldet  werde.    Was  aber  andere  Sachen  anbelangt,  laße  icli 
alles    dem     dorffe    zum    besten    zu    richten    und    gehöret   dem 
Scholtzen  von  jeder  Blutt  und  Blauschlag  8  gr  und  dem  Gerichten 
ihren  gehörl.  Gebühr.     30.  Wenn  einer  Vermeinet  daß  ihme  von 
Scholtzen    und   seinen   Beysitzem    im   rechte    zu  viehl   geschehe 
und  ist  Willenß  an  die  Gnädige  Obrigkeit  zu  Apeliren,  sohl  ihnen 
solches  vergönnet  und  zugelaßen  werden,  wer  es  aber  freventl. 
Weiße   thun   solt,   sohl   Straffe   geben    45    gr.      31.    Dafern   ein 
Nachbar   dem   andern   oder  ja  einem  Fremden  sein  Landt  ver- 
kauffeie, soll  solches  Erstlich  dem  Scholtzen  angemeldet  werden, 
und  es  nicht  heimlicher  weiße  verkauffen.     Damit  nicht  schulden 
hinter  sich    laßen    niechte,   und   sohl    der   Keuffer  jederzeit  der 
Nachbarschafft  eine  Tonne  Bier  geben.     32.   Wofern  aber  einer 
außerhalb    des    dorfs    ein    Land   kauffete,  sohl  dem   Scholtzen 
gebühren   umbfrage   zu   halten    unter  den   Nachbaren,    bey  der 


k 


Tonne  Bier,  ob  Jemand  ein  Nachbar  selbiges  Land  an  sich 
kauffen  wolle,  und  davern  einer  wehre,  sohl  ihn  solches  vor 
dem  Fremden  zugelaßen  werden,  der  Nachbar  so  es  mit  seiner 
Oräntze  und  hoffe  am  Nähsten  hat,  vorauß,  jedoch  sind  die 
Freindc  die  aller  Nähsten;  wer  diß  nicht  thut,  sohl  der  gnädigen 
Obrigkeit  10  Marg  und  der  Nachbarschafft  eine  Tonne  Bier 
Straffe  geben.  33.  Wann  einer  sein  I^ndt  also  hat  daß  er  auf 
seinen  Revier  nicht  kann  in  die  rechte  Straße  kommen  oder 
fahren,  sohl  er  macht  haben  bey  seinen  Nachbahr  zu  fahren  bey 
welchen  er  wiell,  und  wo  sich  die  Straße  am  besten  schicket, 
ohne  alle  wiederrede,  bey  straffe  und  erkentniß  der  gantzen 
gemeine.  34.  Letzlichen  wird  einen  jeden  bey  straffe  i  gutten 
Marg  verbothen,  was  bey  gehaltener  Kühr  oder  sonsten  zusammen- 
kunfft  gehandelt  und  beschloßen  wird,  solches  ganz  verschwiegen 
zu  hallen  und  Niemanden  offenbahren  viel  wöniger  jemanden 
dadurch  ärgern. 


4 


2. 


4 


Nachbarschaflsordnung  des   Hoiländerdorfes  SchiUno   im    Kreise 
Thorn,  Weslpreußen.     1562. 

Thom,  Ratsarchiv  (E  1). 


Or.  Handschrift  in  klein  Quart, 
18  Blätter,  mit  Ausnahme  von 
Bl.  1 8  auf  t>cidcn  Seiten  beschrie- 
ben; anfallen  einfache  Bordierung, 
zwei  parallele  Striche  mit  Tinte, 
zvischen  ihnen  rote  Wellenlinien. 

Willköhr  das  ist  Oüte,  Ordnung  Vnd  Recht  so 
diese  Gantze  Nachbarschafft  dcß  dörffeß  New  Schlingen 
sembtiichen  Bewilliget  vnnd  beschloßen  Einhelligiichen  Vnd  Ein- 
trechtig  zu  halten  Gott  dem  Allmächtigen  zu  Lob  Preyß  vnnd 
Ehre,  den  Menschen  vnnd  Nachbahren  aber  zur  Beßerung,  Fried 
vnd  der  Liebe  Einigkeil,  da  zu  verhelft  der  liebe  Gott  von  Nun 
biß  in  alle  Ewigkeit.     Amen. 

Geschehen  in  Schiinnen  Inß  Jahr  Unseres  Herren  1562. 

Zum  ersten  haben  die  Nachbarn  Sembtlich  vnd  einhelligen 
bewilliget,  alle  hohe  Eeyertage  Nebenst  den  Sontagen  zu  heiligen 


4 


Dit  Nadilnnchaftrn  in  dm  PnsMcr  Hiulindcrcien.  i{« 


vnd  zu  feyren,  Gort  dem  Herren  zu  Ehren,  vnd  soll  keiner  auff 
solche  Feyrlage  Arbeiten  oder  arbeiten  laßen,  weder  im  Lande, 
Noch  in  der  Heyde,  auch  nicht  dreschen  laßen,  Wer  darüber 
thutt.  der  soll  in  der  Nachbahrschaft  verfallen  sein  2  Mark  Straff 
vnd  dem  Herren  !  fl. ') 

. . .  auch  bestimmet,  Ein  Sdiultz  Nehenst  Gerichts  Personen 
zu  haben  und  zu  setzen,  welche  des  Dorffs  Recht  und  Gerechtig- 
keit sollen  pflegen,  auch  allerley  Händel  und  Ratthsgängen  an 
Frerabden  so  wol  alß  Nach  bah  msachen  richten  und  mit  glitten  Recht 
beUegen,  außgenommen  Criminalia  vnd  Halßgerichte.  Welche  ge- 
boren auf  das  Schloß  vnd  vnsser  Obrigkeit  7U  richten  vnd  Schlichten, 

Zum  3.  soll  keine  Nachbarn  (!J  oder  kein  Fremder,  der  mit 
einem  Nachbarn  Was  zu  Thunde  hat,  balt  ans  Schloß  bringen. 
Eher  ers  auß[ff?]en  Dorffe  vor  Gerichte  mit  Recht  versuchet  halt 
und  seine  Sache  vorgebracht,  auch  sein  Abscheidt  abgewartet  vnd 
ein  schriftliches  Decret  genommen.  Der  darüber  wird,  der  ist  5  M. 
verfallen  und  dem  Herren   I   fl.  vngers  pflichtig  abzugeben, 

Zum  4.  soll  auch  der  Schultz  Neben  Seyn  seim')  recht, 
welcfae6  Ihn  von  Gott  und  Rechtswegen  zukompl,  ntittheilcn 
vnd  geben,  Ists  aber  ein  Hochwichtige  Sachen,  daß  der  Schultz 
mit  den  GericIUen  nicht  bcylcgen  kann,  so  nimbi  er  die  gantze 
Nachbabrscliafft  darein  zu  llülffe,  vnd  derselbe,  der  die  Nachbahr- 
schaft auff  sein  Recht  hat  fürderen  laßcnj  der  ist  denn  Nachbahm 
Schuldig  3  fl.     Ein  Nachbar  aber  giebt  Nur  18  Gr. 

S.  Wenn  Jcmandt  vom  Schultze  geladen  vnd  angsagl  wird, 
eß  Thues  der  Schultz  selber,  oder  sein  Bohle,  vnd  der  ver- 
sitzet daß  Schultzcn  Qebott,  so  ist  er  zum  ersten  5  gr.  Straffe, 
wird  er  aber  zum  andern  Mahl  geladen  vnd  er  versitzet  es,  so 
ist  er  10  gr.  als  Straffe  fellig.  Versitzet  erß  zum  3.  Mahl,  so 
soll  er  geben  ohne  einige  Gnade  3  fl.  den  Nachbarß  v.  den 
dem  Herren  1  fl.  vngerß.  Auch  sol  die  Sache  aEßden  balde  an 
die  Obtregkeit  gewiesen  werden. 


1)  Der  polniichc  Oulden  lutte  nur  SOroschen,  tplter  gidch  5  Sllbcrerosclim ;  der 
«M^rtocbe  Oialdai  ist  der  Ooldguldcn,  in  der  U'IDkür  von  Kotlbar  <roB  1119,  einer  Ab- 
Khftft  von  obigtr  mit  Hnigeii  AMiidcningni  (Rils-Arctiiv  Ttiam  D  i)  M  "  *)*  Da- 
katti  batfmnt. 

^  Wohl  vciilcibl  buh:  d«i  Nachbarn  jcdctD  wln. 


6.  Zum  6.  wen  der  Schultz  die  gantze  Nachbarschaft 
zusamen  verbotet  vnd  ein  Nachbar  alßden  außbleibct,  so  ist  er 
auch  Straff  5  gr.,  gibt  er  sie  nicht  mit  gutte,  so  muß  er 
doppelt  geben,  gibt  ers  mit  gulle,  so  Ist  er  der  Helffte  frey»  so 
wol  auch  -  wenn  er  1.  Stunde  über  die  Zeit  auBbteibet,  Hs 
sey  dann,  wann  der  Schultz  ansagen  läßet,  daß  er  vom  Hause 
were,  auch  in  der  Zeit  nicht  in  der  Zeil')  zu  hause  kommen 
könnte  oder  sonst  mit  des  leibes  Schwachheit  beladen  were,  Oder 
einen  Todten  im  Hause  hette,  Oder  auch  sein  Ehefraw  todtkran 
were,  so  ist  er  entschuldiget  vnd  der  Straffe  frey. 

Zum  7.  Haben  Auch  Die  Nachbarn  bewihget,  das  der 
Schultz  mit  seinen  Gerichts  Personen  alle  Jahr  auff  [leere  Stelle]  •) 
schuldig  ist  von  allen  Nachbahrllchen  Sachen  richtig  Rechnung 
zu  thunde,  auch  von  allen  verlauffenen  Händel  vnd  wichtige 
Sachen,  alß  da  sein  kauffhendel  der  Länder,  Erbschicht  vnd 
Theylung  so  geschehen,  Vnd  Zirßequiten,  wen  ein  rechtes 
Händel  vorfeit  der  da  gebühret  au  ff  geschrieben  werden.  So  sollen 
Sie  es  in  daß  Nachbahren  Buch  oder  Protokol  waß  sie  haben, 
verzeichcnen  oder  verschreiben  laßen,  daß  sciireibegeldt  vnd  Ge- 
bühr Muß  geben  der  daß  Recht  suchet  Ein  Nachbahr  12  gr. 
Ein  frembder  aber  24  gr.  Wirdt  auch  einer  sich  an  der  Nachbahr 
recht,  wem  sie  recht  gerichtet  haben,  nicht  zufrieden  seinn,  vnd 
daß  er  begehret  an  die  Obrigckeit  zu  appelieren,  So  wird  \Tid 
ist  denn  dorffesrecht,  4  Markh  zu  geben,  alß  bekommet  er  ein 
Schriftlich  Decret  an  die  Obrigckeit 

8.  Zum  8  haben  die  Nachbarn  Auch  scmtlichen  bewilliget, 
Nebcnst  Gerichts  Personen  dem  Schultzen  zum  Jahr  Lohn  zu 
geben,  weil  daß  Dorff  klein  ist.  Von  jeder  Hube  3  fl.  wovon 
der  Schultz  [Lücke]  *)  fl.  bekombt  vnd  die  Gerichts  Person  jede 
[Lücke]')  n.  Deßen  sein  sie  Schuldig,  dem  dorff  in  Allem  Besten 
vorstehen,  auch  vor  der  Nachbar  Beste  willen  zu  reisen,  wo  es 
von  Nötthen  ist    Mußen  Sie  aber  auß  dem  Dorff  ferne  überfeldt 


^ 


■* 


•)  D«  iwcite  -in  der  Zrit"  ist  vcrechmllichit  Wiederholung 

*}  Dit  Willkür  von  Otibowe  h«l  itatl  auf .  . .  nur  auch,  ohne  die  LDcIce  ni  bearhten, 

■>  Die  hin  dusgdu»ne  Zahl  i&t  ausgerailt  -  i  It.  -  In  dcf  WlUkAr  vonOrsbow. 

Jrtrt   Cnibowice,   Krci»  Thom,   cinrr  AbKrhrill   der   Otdnung  von   Schillino,    diUcrt   irJ9 

(Tbom.  Raliarchiv.  Kitalos  II-  ^t  ^   ^  '>i-     Nach  die»cr  sind  die  mchrfacfa  verbUckcna 

Anfuiesieilcn  In  der  WltllcSr  roa  Schlllno  hier  crglart. 


Die  Nacfabarscbaften  in  den  Poscner  Hautänderrien. 


oder  zum  Herren  Seiner  Gnaden  reißen  Vmb  der  Nachbarschaft 
Ihre  geschcffle  halben,  oder  Kricgslcuten  nachreisen  vnd  ziehen, 
auch  sey  es  umb  waß  Ursach  halben  es  wolte  wegen  der  Nach- 
bahrschafft,  so  sollen  sie  auf  solche  Reise  frey  vnd  billiche  Zehrung 
haben,  auch  sein  sie  Zehrunge  vnd  Reisen  schuldig  zu  Rechen- 
schafft zu  bringen  vnd  von  der  Nachbarschafft  solche  Unkosten 
vnd  Zehrunge  vneder  abzufürdem. 

Zum  Neundten  Weil  auch  die  Nachbarn  schuldig  sein, 
jahr)ährlich  auff  [leergelassen!!')  Ihren  Zinß  dem  Herren  ein 
Jeder  von  seinem  Lande,  so  viel  er  hatt,  auff  rechter  Zeit  zu 
schaffen  vnd  zu  geben,  wofür  sich  die  Nachbarn  in  des  Dorffes 
Consens  vndt  Gerechtigkeit  verschrieben  vnd  gelobet  Alle  vor 
Einen  vnd  Eine  vor  Allen,  auch  darfur  hafften  vnd  stehen,  alß 
sol  ein  jeder  seinen  besten  fleiß  anwenden,  daß  er  seinen  gebühr- 
lichen Zinse  auff  rechter  Zeit  schaffe  vnd  gebe,  damit  der  Herr 
an  der  Zinse  nicht  verhindert,  vnd  daß  Dorf  mit  der  Qvit  ver- 
kürtzt  werden.  Wer  aber  hierrin  Kachläßig  und  verhindert  an  des 
Herren  ZinO  befunden  wirdt,  So  sollen  die  Nachbers  den  Schultzen 
Schuldig  Hülffe  zu  thun  vnd  dem  Jenigen  so  viel  zu  Nehmen» 
vnd  den  Zinß  davon  zn  machen.  Were  es  dan  Sache,  daß  die 
Nachbahrschafl  so  viel  Geldt  auff  interesse  in  kurtzer  Zeit  be- 
kommen köndten,  so  sol  der  daß  zugeben  schuldig,  waß  darfür 
muß  geben  werden,  auch  alle  vnkosten  darauff  ergehen. 

Zum  to,  soll  auch  ein  Jeder  Nachbar  recht  dänige  grentzen 
in  seinem  Lande  halten  undt  machen,  so  weil  sein  Landt  er- 
strecket; da  man  zeunen  kan  vnd  ricke^)  grentz  halten,  soll  man 
es  Ihun,  da  man  aber  nicht,  da  soll  man  gutte  graben  machen 
and  halten,  die  depede^)  des  Grabes  soll  sein  anderthalbe  steyll 
vnd  3  Ellen  die  breilte,  Nach  gelegenheit  aber  so  man  auch 
den  graben  so  tieff  haben  magk.  Darzu  soll  auch  1  Rick 
welches  bestehen   kann  auff  die   eine  Bort   l   Schue  von  dem 


')  I>ic  Villkfir  ron  Onbowr  schrriM  mit  Iguoriening  der  Lücke  fflr  den  Temln 
mtut  Ikran  Zlni*:  die  Will  Mir   von  Kostbir   (Koilbor)  171»  hjtl  .iuff  MAnlen',   die  auf 
^^tftawr  fnteide  ron  Dnlinievo  von  t754  (Tlionicr  Ratsuchiv  D  3>  auf  den  NniiahnUc, 
^^^B  ^  Rldc  =  Oehegc,   zuniichit  von   I^len ,   dann  vorzu£S««iie    Idxndiger    Zuui, 

^^"  MidN  (■kdcTdeutsch  Rnke).   Schiller  u.  LGbben,  Mnd.  Wit).  3, 1S3,  Grimin,  D.  Wtb.  S,  MT. 
r  t  Dqxde,  pieilcrdcultch,  Tide.    WiHlrär   von  Orabowe  hai   .die   titit  «oll   seyn 

I  mOtnhätb    stich',    Willkür   von   Kostbar    .die    dlqite    [holIÄndisclw   Tonn  !1    «otl    iHn 

■  IV«  Ehlc  steil-. 


graben  stehen.  Die  Zaunngräntze  aber  soll  sdn  ein  dichte  ge- 
flochtener Zaun,  V.  2  Ellen  hoch,  die  Ricke  grentz  soll  sein  von 
drey  guHen  Ricken  vnd  auch  2  Ellen  hoch,  aber  nicht  kleine 
Vogelstangen,  alß  denn  soll  sie  vor  ein  Rechtdänigc  grentzc  be- 
stahn; also  soll  auch  die  Hoffwehre  grentzc  40  Ruhten  lang  und 

2  Ellen  hoch  sein,  vnd  von  gutten  Struck*)  dichte  geflochten, 
da  niil  daß  kein  Kälber,  Schwein  vnd  gänß  durchkrupen^ 
mögen  oder  können. 

1 1.  Zum  1 1.  wan  dan  nun  ein  jeder  seine  richtige 
grentzen  gemacht  vnd  dar  daß  pferde  oder  andere  Viehe  über 
springe,  oder  vberspringc  die  Bullen,  vnd  daß  daßclbige  Viehe, 
es  sey  waß  vor  Viehe  es  wolle,  In  daß  Hewgraß  oder  ander 
gettreyde  kommen,  vnd  gehen  möchten,  So  mag  derselbe,  dem 
der  Schade  wiederfähret,  daß  gerichte  sichtlicher  weise  darauff 
fürdem,  VTid  nach  derselben  ErkäntnuB  soll  er  den  Schade 
büßen,  auch  denn  gerichten  4  gr.  besichlegeldt. 

Zum  12.  so  auch  eines  Nachbahrn  Viehe  wie  oben 
meldet  vberspringen  oder  durchbrechen  würde,  so  sol  er, 
ers  auff  frischer  Thatt  bekombt,  vnd  noch  viel  schaden  nicht 
gethan,  daßelbe  pfänden  vnd,  wo  es  sein  Nachbahr  nicht  siehet, 
Ihm  solches  anmelden,  vnd  sol  das  Pfandtgeldt  sein,  von  jede 
Pferd  2  gr.   jede  K«e  2  gr.  vom    kalbe  1  gr.   von   jede  Schwein 

3  gr.  von  jeder  Qanß  vnd  Endte  9  /^.  Solches  wird  verstanden 
vom  gutten  Hewgraß  vnd  körn. 

Zum  13.  wen  eines  Nachbahrn  Viehe  in  des  Andern 
Land  kombt  vnd  erß  darin  betrifft,  so  soll  ers  nicht  zorniger 
Weise  oder  vbemiuth  werffen,  schlagen^  mit  knüppeln  oder 
briglen,  auch  nicht  mit  Hunden  hetzen,  daß  es  dadurch  einen 
Schaden  bekomme  oder  Hinckende  würde,  So  soll  der  Solches 
thutt  schuldig  sein,  den  Schaden  an  seines  Nachbahrn  Viehe  z 
Zahlen  vnd  3  Mark  straffe  in  der  Lade  ohne  Gnade. 

t4.  Zum  14,  wenn  einer  seines  Nachbarn  Viehe  in  seinem 
Lande  betrifft,  eß  sey  im  Korn  oder  Hewgraße,  So  soll  ers 
bequemblich  darauß  jagen,  oder  jagen  laßen,  auff  daz  es  nicht 
mehr  schaden  thue,   Er  mag  es  woU  in  seines  Nachbahrn  Land 


4 


rs 


■]  Struck,  tiledenl<-ui«ch,  Stnudi. 

<)  diirchkrupni,  niederdeutsch,  diirctikriechen.    So  Wlllkär  von  Onbove. 


wieder  jagen,  ins  weyde  Landt  vnd  den  Schaden  so  sein  Schaden 
so  des  Nechsten  Schaden  gethan  *)  anzeigen.  Auch  mag  ers 
woll  mit  sich  zu  Hause  nehmen,  vnd  behalten  biß  an  den  Abendt, 
aber  soll  es  seinem  Nachbahrn  baldt  anzeigen;  wird  erß  den 
nicht  vor  Abend  außlösen  vnd  sich  mit  ihm  vertragen,  vmb  den 
Schaden,  so  mag  er  daß  Vichc  mit  der  Sonnenvntergang  zum 
Schultzen  treiben,  Löset  er  dcnselbigen  Abend!  auß,  so  giebt  er 
von  jede  Haupt  Viehe  5  gr.  Pfandlgeldt,  darvon  nimbt  nimb! 
[sie!]  der  Schultz  die  helfte  vnd  der  es  zum  Schultzen  treibet 
die  andere  t  lelffte,  Läßet  erß  die  Nacht  über  beiiTi  Schultzen,  So 
muß  er  standtgeldl  vnd  der  ander  Pfand tgetdt,-)  auch  muQ  er 
den  Schaden  zahlen  so  daß  Viehe  gethan,  auch  das  bcsichtgeldt 
von  stundt  an. 

15.  Zum  15.  sol  auch  ein  Jeder  Nachbar  sein  Schuldig, 
seine  Schweine  kelber  genße  vndt  Endten  auff  seinem  Eigenen 
Lande  im  Dichten  Högken  zu  hallen^  auff  daß  seinem  Nachbarn 
keinen  Schaden  dadurch  geschieht  oder  zugefüget  wirdt.  Der- 
halben  ist  bestimmet  Vnd  bewilliget,  daß  die  Eine  abgräntz 
Nachbahr*)  dem  andern  40  Ruhten  lang  einen  dichten  Zaun  zur 
Hoffewehr  zu  lieffern  und  zu  halten. 

16.  Zum  16.  soll  auch  ein  jeder  seine  schweyn  bey  Zeiten 
ringen,  den  sie  von  Schultz  vnd  Gerichten  sollen  besehen  werden, 
vnd  welchen  denn  nicht  wird  geringet  sein,  davon  sol  stracks 
5  gr,  von  jede  Schwein  gegeben  werden,  den  es  Ihnen  der 
Schultz  8  tage  oder  14  Tage  anmelden  thut. 

17.  Zum  17.  mag  audi  Ein  jeder  Nachbar  so  viel  Hengst 
vnd  Bullen*)  auf  seinem  eigen  land  halten,  wie  viel  er  kann  vnd 
magk,  wenn  er  sie  helt  auff  sein  Landt,  vnd  Zelnet,  da  er  seinen 
Nachbahrn  keinen  Schaden  damit  zufüget,  daß  sie  durch  ein 
rechtdänige  Grcntze  nicht  mit  gewalt  brechen,  oder  überspringen, 
damit  sie  in  seines  Naclibam  Viehe,  Grase,  oder  getreide  keinen 
Schaden  möchten  thun,  oder  Schaffen  würde;  werde  aber  jemand 

>)  Die  «JthUldi  vrTKhTicb«ne  Stelle  butct  In  der  Wllllcflr  von  Onbom  .iot  «eyde 
Land  and  den  Schaden  sdcicm  Nachbibr«),  dem  das  Vieh  eehörel,  anieigen.* 

•)  .rad  der  mder  Pfandlgeldt-  fehlt  In  der  Tlllknr  von  Oribowe  und  itl  nbl  nui 
Schfdbvcncbai.    In  denen  von  Kottbar  und  DuIinLevo  ist  es  ebmiaUs  beridiUct 

^  «der  Nufabihren-  In  der  Willkür  von  Orabowc. 

«)  OewAriebcn  M  deutlich  .Bcollcn-. 


solche  Bullen  oder  Hengsten  haben  die  dergleichen  Schaden 
[t]hätten,  so  sol  derselbe  allen  Schaden  zu  büßen  schuldig  sein, 
der  dadurch  kommen  möchle.  Nach  ärkentuüß  Schultz:  u.  Gerichte. 

18.  Zum  18.  soll  auch  kein  Nachbar  recht  haben 
schnuppige  oder  rotzige  Pferde  zu  hallen,  auch  keine  frembde 
Fleischer  Ochsen  in  die  weyde  zu  nehmen,  auff  dadurch  dem 
gantzen  dorffe  keinen  Schaden  mag  zugefüget  werden,  Vnd  in 
Unglück  gebracht,  weil  gemeinlich  durch  fremde  Fleisclier  Ochsen 
Unglück  und  großen  Schaden  kompl,  Wer  nu  wieder  diesen 
Anickel  Ihut,  der  so!  in  der  Nachbar  Straff  10  M.  pol. -|-  Vnd 
an  die  Obrigkeit')  v.  des  Nachbarn  schad  wofern  ein  Unglück 
kompt  soll  er  auch  alles  büßen  vnd  zahlen. 

19.  Zum  19.  Hat  auch  die  Nachbarschaft  bewilligt, 
den  Wasserganck  und  Vorfluth  des  Jahres  2  Mahl  zu  kreuden*) 
und  zu  reuiger,  zum  1.  Mahl  auff  Pfingsten,  zum  2,  Mal  vor 
Micheli,  wer  nun  daßelbevbcrtrit  vnd  Nachläßig  funden  wirdt,  wenns 
der  Schultz  angesaget  hall,  der  ist  zum  1 .  Mahl  t  gr.  Straff  verfallen, 
zum  2.  Mahl  1  fl.,  Zum  3  Mahl  3  Marck  von  stunden  an  zu  geben. 

Zum  zwantzigsten  soll  auch  ein  jeder  seinen  Nachbar 
schuldig  sein,  gute  vnd  richtige  Waßerlösung  bey  Zeit  zu  thunde, 
damit  seines  Nachbarn  Oraß  oder  Getreide  nicht  durch  Ihn  er- 
säufft  oder  sonslen  durch  Frewel  vnd  Nachleßigkeit  zu  nicht 
vndt  Schade  gebracht  werde,  wer  sich  nun  in  solchen  schuldig 
befinden  laßet  vnd  dardurch  in  der  Nächbarschafft  angcklaget 
wirdf  der  sol  vor  erst  in  der  Nachbarschafft  straffe  sein,  20  gr. 
Vnd  a]ß  der  auffs  gerichte  weiter  besehen,  aber  auff  verbrechen 
kosten,  alß  den  sol  es  ihm  binnen  8  Tage  bei  4  M  vnkostraff') 
aufferleget  werden  zu  machen.  Halt  ers  den  auff  die  Zeit  noch 
nicht  gemacht,  So  ist  er  die  4  Marck  straffe  schuldig.  Zum 
3.  Mahl  wird  es  ihm  binnen  3  Tagen  aufferleget  bey  lO  M 
Straff,  aber  doch  solches  alles  mit  dem  bescheide,  waß  die  gerichten 
darauß  besehen,  vnd  verstehen,  ob  erß  auch  Machen  kann,  vo: 
Bedrengnuß  Vieles  od.  Hohes  Waßers. 


I 


■)  .der  soll  in  der  Nadtb>rBchili  StriCfc  geben  lO  Maxck  pol,  1  [?]  und  den  Hcrm 
adne  Stufte  cpaite  ,      .■  Willkfir  von  Orabo««. 

')  Kmidcn  =  kriuim  im  Sinne  do  Kntfrrnen»  von  angcichveinniten  Pflinxai. 

■)  .auf  Verbrechen  Unkottcn  AU  denn  wll  es  Uim  bey  ■  Tage  bey  4  Marck  Uakotka 
II.  Strafte«  . . .  Willkür  von  Orabov«. 


Die  Nachbarschaften  in  den  Posenrr  HaulSnderelen.  175 


21.  Zum  21.  Soll  kein  Nachbar  macht  haben  sein  land 
einem  Frcmbden  zu  verkauffen  oder  zu  vermitten  Ehe  erß  auff- 
richtig  vnd  mit  emstem  Muth  vor  der  Nachbahrechaft  außgcboten 
hatt  zu  vergleichen  und  zu  verkauffen,  beliebts  den  keinen 
Nachbarn  zu  kauffen,  auch  keiner  innerhalb  14  Tage  mit  ihm 
handelt,  alßdann  mag  crs  einem  fremden  verkauffen,  aber  doch 
sol  ers  Einem  verkauffen,  der  kein  böse  gerichte  oder  bösen 
Nahmen  hatt,  vnd  wan  er  einem  ehrlichen  Mann  verkauffet 
hatt,  so  sol  ers  ihm  aufrichtig  Nach  gebrauch  vor  der 
Nachbarschaft  übertragen.  Ohn  betrug  oder  arglist,  wie  der 
Handel  geschehen  ist  Behebet  es  den  einem  Nachbarn  daß  I-and 
zu  haben,  so  stehet  es  ihm  frey,  zu  Negesten  die  beyde  abgrentze 
Nachbar  aber  ist  dem  aller  Neheste,')  beliebet  es  keinem  Nach- 
hahrcn  zu  haben,  so  hclt  es  der  cB  gekaufet  hatt,  Sofern  er  ein 
Ehrlicher  Mann,  vnd  gutt  beweiß  hatt,  So  wird  er  vor  einen 
Nacbbahm  angenohmen  vnd  gibt  er  Einen  kleinen  Einkauff 
stracks  i5  gr.  vnd  über  4  wochen  eine  Thonne  Bier  oder 
dafi  geldt  darfür,  gibt  ers  aber  bald  v.  stracks  die  Thone 
Bier,  so  darff  er  nicht  die  tS  gr.  geben;  der  Kauffmann 
aber  solcher  ein  Teutscher,  welcher  hollandisch  weiß  vnd  gebrauch 
hdt,  wird  ers  aber  einem  Pohlen  verkauften,  der  sol  10  fl.  in 
der  Nachbarschafft  Straff  verfallen  sein. 

Zum  22.  Soll  auch  keiner  Macht  haben  sein  land  binnen 


■)  BcMCr  In  dtt  Villküi  von  Qiabove,  .sn  stehet  »  ilim  tcry,  tunichsl  Hein  ilvr 
iiad  Ac  abgraitx  lUe  brrdm  abgrnil»ndc  Nachbahm  dir  aUrr  Ncch^lcn  .--.  rmschcnder 
botiauBt  dk  TUlkOr  von  Koilbari  ^^.  ....  bcliebm  den  dem  Enten  ibgrindig  Nachb&hr 
oder  hl  dem  tclben  lande  wohnet,  lo  kanncn  die  es  vor  alLcn  indem  Nachsien,  dCKh  der  Im 
MlbCB  lande  wohnet.  i*l  dei  atlet  niclut,  sd^cbel  es  den  Beyden  nicht,  toUt  der  aufl  der 
Mdeni  tdlc  <kf  N«diile,  bdlebd  es  dem  auch  nichl,  m>  maK  e«  nrchMen  von  den  Nadi* 
hihna,  «er  da  «ili,  begArti  den  kein  Nac^ibahr  m  hat>en  oder  ni  nechtten.  to  bcUltt 
dcB  der  Erüt  Klflner,  to  ferne  er  ein  EhrUchcr  pirter  Mann  Ist  von  pjttm  gerächt  vnd 
er  nftlobct  lich  lemer  alft  ein  Ehrlidter  Nachbahr,  In  Nachbahrlichen  Sadien  vnd  der 
DorfbcbcB  (crccfatlgkeit  zn  halten,  lo  wird  er  vor  Einen  Nachbahr  in  genuin  cnen  und  muß 
Cf  ZBMi  Einkaoff  alSfaald  IS  Or.  geben  und  ober  4  wuchen  h:ine  Tonne  Hier,  giebel  er  ■!»• 
bdl  dte  Tonne  Biet,  so  siebt  er  die  ii  Hr.  nicht  Cs  sol  aach  der  Uiiffer  Clr  dentscher 
kIh,  wctcfaer  den  HolUadcr  Kcbrauch  und  i;crechti£kel(  tu  hallen  weiß  und  Dicht 
der  den  HolUDder  g^raach  nicht  «ei»,  |t)cr  SchluDsal.;  dtr  Wiilkrir  van  Sctüta^ni 
fitfcll  btcr  bemerkcBS'MTler  Weiie]  Die  Willkür  von  Dullnieva  hat  nanhiii^lirh  vor  dem 
ScMlBartikei  die  Bestinmiing:  39.  Zum  Neun  und  Drrysixsten  haben  aiich  die  Kachbarn 
lAallkh  bevllligel,  vmn  einer  ein  Und  sllbler  kaufen  wil.  oder  einwohnen  wil,  to  sol 
dcriadKe  einen  fcbriftlichen  Vrweifl  von  dar  ils  von  Einen  Eib-Kbultzenaflit  mit  tidi 
«ibere  bfLnsB).  damit  man  üevläheil  helle  von  wegea  «elici  hcrboaimens  oder  Vcrballens, 
Wai  aber  üich  uibcUnccn  thul  die  Nrchsinng  von  wegen  di^  verkaurtra  l^andi.  ufern 
Hn  Nackbar  von  dem  andern  ein  Land  Lauft,  so  »oll  keine  andere  Nechitung  nirhl  ^n 
als  der  lai  Lande  wohnrl  oder  der  abgrintz  Nachbar  oder  der  aat  der  andern  Seite  wohnet 
oder  loiifl  kdncr  mehr. 


einem  Jahr  Wieder  zu  verkauffcn,  ehe  ers  ein  Jalir  bewohneil 
begräntzel  vnd  elwaß  wor  es  von  Nöiheii  gethan  halt  begraben. 
Es  sey  dann  daß  er  2  liöffe  und  Landen  auff  dem  Dorffc  habe. 
So  mag  erß  binnen  Jahr  verkauffen,  doch  daß  erß  nach  gebrauch 
vor  der  Nachbarschafft  auJJbiefte.  Verkauffet  aber  einer,  der  nicht 
2  Länder  halt,  binnen  Jahres,  So  ist  der  halbe  Gewinst  der 
Nach  bahrschafft,  gewinnet  er  nicht,  So  soll  er  gleichwoU  4  M.  in 
der  Nachbahren  Lade  zu  geben  schuldig  sein,  Vrsach  halben,  daß 
er  des  Nachbahrn  Gerechtigkeit  nicht  gehalten  halt,  verkauffet 
erß  aber  einem  untüchtigen  Maann,  da  die  Nachbahrß  nicht  mit 
zufrieden  sein,  so  soll  er  auch  ohn  alle  Gnade  die  10  fl,  so  in 
der  21.  Artikel  verfaflet  sein  zu  geben  schuldig  sein. 

25.  Zum  23.  Woferne  auch  Einer  sein  Land  Anders  über- 
trüge, als  der  Kauff  ist  geschehen,  und  Hinderlist  darein  gebraucht, 
so  soll  der  Kauffer  mit  sanipt  dem  Verkauffer  so  viel  als  sie 
falsch  haben  vbcrlragen  Nebenst  50  M.  dazu  straff  verfallen  sein,  Ohn* 
einigen  Gnade,  oder  Abbitte,  vnd  deß  Herren  Straff  außbehalten, 

24.  Zum  24.  Soferne  ein  Nachbahr  sein  hof  und  Land 
verkauffete  und  es  ihm  und  seiner  Trauen  der  Kauff  geräwele, 
so  mag  ei  24  stunden  nach  dem  vbertrage  kommen  vnd  siüi 
beim  Schultzen  anmelden,  daß  ihm  der  Handel  leid  were,  so 
hatt  er  Macht  sein  Landt  zu  behalten,  doch  muß  er  alle  Vnkosten 
erstatten  vnd  seinen  Kauff-Mann  wiedergeben,  auch  den  Nach- 
bahrn ihre  vollkommene  Gebühr,  waß  in  der  21.  Artikel  geordnet 
ist;  also  auch  woferne  es  dem  Kauffer  auch  berawen  were,  so 
ist  er  den  eben  so  woll  daß  zu  thunde  schuldig,  auch  den 
Rawkauff  einander  zu  geben  der  darauff  gesetzt.  Wenßschon  einem 
gerawel,  wen  er  vor  der  Nachbahrschaft  stehet  vnd  die  Nachbahrn 
vnib  derselben  beim  Schultzen  zusammen  sein.  So  sol  er  ja 
so  wol,  wie  oben  vermeldet,  zu  geben  schuldig  sein,  Wen  er; 
schon  nicht  laßet  übertragen. 

25.  Zum  25.  So  soll  auch  kein  Nachbahr  die  Macht 
haben  sein  land  daß  hauß  oder  sonstcn  etwaß  vom  Lande  einem 
Frembden  vermiten  oder  verarrendiren,  auch  keinen  bei  sich 
einzunehmen,  Ohne  der  Nachbahrschaft  wißen  und  willen.  Thutt 
aber  Jemandt  darwiedcr,  Vnd  nimbt  einen  Frembdcn  zu  sich, 
oder  setzet  ihn  auff  sein  Land,  der  kein  ehrlich  beweiß  hatt  un 


^ 


Die  NacfabarsduLften  En  den  Posener  Hauländerd^.  177 


die  NachbaJim  durdi  denselben  zu  Schaden,  Vnglück  oder  vn- 

gelcgenheit  gerahten   vnd    kommen    möchten,  so  soll  derselbige, 

der  ihn  zur  sich   eingenommen  oder  auffs  Dorf!  gezogen  vnd 

bracht  halt,  den  Nachbahni  10  fl.  ohne  einige  Gnade  zu  geben 

schuldig  sein,  Auch  dem  Herrn  1 0  Markt  [!]  polnisch,  vnd  sollen 

da^u  denselben  binnen  3  Tage  vom  Dorffe  abschaffen,  den  Nach- 

bahm  Ohne  einige  Schade  oder  Müehe,  Thutt  er  es  nichts  so  ist 

ihm  weitere  Straffe  vor  sein  Muthwillen. 

26.  Zum  26.  Wo  ferne  aber  auch  ein  Nachbar  wurde 
einen  einwohner  bey  sich  ein  Nehmen  der  klein  kindcr  halte,  vnd 
die  Eltern  da  von  abstürben  daß  die  Kinder  nachbleiben,  so  so! 
derselbe  Nachbahr  für  die  Kinder  stehen,  vnd  dieselbigen  ver- 
sorgen, damit  die  Nachbahrschaft  gentzlich  nicht  wolle  be- 
schweret sein,  wenn  aber  ein  Nachbahr  der  kerne  Kinder  hette 
und  begehrte  Eins  zu  Nehmen,  daß  stünde  ihm  von  dem  andern 
Nachbahr  ohne  Schade. 

27.  Zum  27.  Wenn  Ein  Einwohner  wird  bei  der  Nach- 
barschaffl  eingenommen  und  die  Nachbarn  mit  ihm  zufrieden 
zu  wohnen  sein,  So  giebt  er  1 5  gr.  in  der  Nachbarschaft.  Er  ist 
auch  schuldig  auff  demselben  Dorffe  zu  arbeiten,  wen  da  zu 
arbeitten  ist,  wen  er  sein  kost  vnd  gebürliche  Lohn  bekombt, 
gehet  er  aber  auff  andere  Dörffer  Ohne  Vrsach  zu  arbeiten, 
vnd  er  auff  dem  Dorffe  Arbeit  haben  kan,  so  sol  er  auch  sein 
Wohnung  und  stuel  weittersetzefn],  vnd  abzuziehen. 

28.  Zum  28.  sol  auch  kein  Nachbahr  Noch  weiniger  ein 
einwohner  jemandes  seine  kinder  weder  knecht  noch  Magdt  auch 
keinen  Taglöhner  oder  keinen  arbeiter  verführen  und  von  seinem 
Lohn  Herren  abspendig  machen,  daß  er  entlauFfet  vnd  wcgzeuchet 
auß  seinem  Dienste  vnd  arbeit,  ehe  seine  zugesagte  Zeit  da  ist. 
Noch  Viel  weniger  solle  sie  Jemandt  dazu  verführen,  daß  er  ihn 
heimlich  an  Irgendt  einer  sache  auß  dem  Hause  oder  sonsten 
zu  zubringen.  Wodurch  sie  dan  solche  Bald  zu  bösen  Thatt 
Reitzen  und  Leiten  können.  Welcher  Nun  Solches  thun  würde, 
der  sol  in  der  Nachbahrschaft  alß  10  fl.  zu  geben  schuldig  sein 
Vnd  dem  Herrn  20  fl.,  werc  es  ein  Einwohner,  der  cß  thcltc, 
der  sollte  Noch  darzu  zu  der  Straff  binnen  3  Tage  daß  Dorff 
reumcn,    vnd   des  Herren  gebiette,   were  es  aber  ein  Nachbahr, 

Archiv  tai  Kiil(iuE«cbidilc.    VI.  12 


werden.  5.  Wann  der  Scholtz  mit  seinen  Rathleutcn  zu  gerächt 
siUt,  soll  kein  weib,  es  sey  den  daß  sie  vor  ihre  Person  zu  klagen 
und  ihr  Mahn  wo  die  einen  hat  nicht  einheimmlsch  wehre,  für 
gerücbte  kommen,  bey  Straffe  5  gr.  6.  Ist  bewilligel  worden  de^^ 
Sdioltzen  sein  Lohn  von  der  Hube  30  gr.  und  beyden  rathleute|^| 
15  gr.  soll  gegeben  werden,  alle  Jalir  wann  die  Kühr  gehalten 
wird,  bey  Straffe  doppelt  abzugeben.  7.  So  der  Scholtz  oder 
Rathleute  auser  den  Dorffe  und  wegen  des  Dorffs  besten  ver- 
reißen wörde,  sollen  die  Unkosten  nach  Hüben  Zahl  begeben 
werden.  S.  Sollen  Scholtz  und  RathleuEe  auf  das  Dorff  gulte 
Achtung  haben,  so  etwas  an  der  schleiße  wellung  waßergängen 
oder  sonslen  daß  dem  Dorffe  schädl.  sein  würde,  sollen  sie  dahin 
trachten  damit  daß  selbe  gemacht  und  gebcßert  werde,  da  aber 
scholtz  und  rathleute  hierinen  Nachläßig  befunden  wurden,  sollen 
sie  nach  erkänntniß  der  ganzen  gemein  gestrafft  werden.  9.  Wo 
Kauff  oder  Kauffe  geschehen,  es  sey  Qelreitig  vieh  oder  Pferde, 
wie  es  auch  Nahmen  haben  mag,  und  ist  gewißes  Bier  darüber 
getrunken  worden,  der  soll  verfallen  sein  1  Thonne  Bier  wer  den 
Kauff  nicht  helt  10.  Zum  zehenden,  davor  Gott  behütte,  durch 
Gottes  Wüten  oder  sonst  durch  böße  Leuthe  einen  Jrgend  ein 
gebeyde  abbrennen  mächte,  sohl  man  ihm  mit  einer  christl.  liey- 
stcuer  zu  hilffe  kommen,  von  der  Hube  100  ^  15  gr.  auch 
sonst  röhr  und  holtz  führen  helffen.  Item  wer  in  solchen  fahl 
einheimisch  wehre  und  nicht  wolte  retten  oder  löschen  helffen, 
der  soll  verfallen  sein  straffe  zu  geben  3  glitte  Marg.  Wer  im 
Brande  fremde  gefeße  ergreifft,  es  sey  an  Hacken  Äxten  Eymem 
oder  wie  es  Nahmen  haben  mag,  der  soll  es  zum  Scholtzen 
bringen  und  nicht  mitte  nach  hauße  nehmen,  damit  es  wieder  dem 
werde,  dem  es  gehöret,  bey  straffe  einer  gutten  Marck.  1 1 .  Niemand 
sohl  den  anderen  für  seine  Thür  lauffcn  und  ihn  zomigl.  Weiße 
ausfordern  bey  straffe  3  gutten  March,  dafem  aber  einer  den 
andern  würde  Wege  lagern  in  dem  dorffe  oder  felde  und  solches 
kann  mit  zweyen  Zeygen  bewießen  werden,  der  soll  ohne  alle 
gnade  verfallen  sein  4  gutte  Marc.  12.  Dafern  ein  man  den 
andern  oder  eine  Frau  die  ander  übel  aushandelte  und  an  ihren 
Ehrlichen  Namen  beschimpfft  wörde  und  kan  solches  mit  2  Per- 
sonen bezeigt  und  dargelhan  werden,  sohl  der  oder  dieselbe  in 


die  Lade  2  gutte  Marg  straffe  geben  und  ein  gerichtliches  Attestatum 
dem  beleidigten   auslößen.     15.   Eß  soll  einer  den  andern  Auf 
der  Qebauthen    hoffeStädte    mit  Mist   so  es  die  Noth  erfordert 
und  Waßer   zu    reichen    schuldig    sein,    bey    straffe    ein    Marg. 
I*.  Wan  einer  dem  Nachbar  eine  Hecke  öffnet  und  nicht  wieder 
lumacht  und  schaden  dadurch  geschieht,  soll  derselbe  straffe  ver- 
fallen sein  t  Marg,  und  so  einer  den  andern  ober  seinen  besäten 
icker  Hihret,  sol  er  schuldig  sein  1  Marg  zu  geben  und  vor  den 
xhaden  stehen.     15.  So  auf  Befehl  des  Scholtzen  gebothen  würde 
die  Trifficn  zu  bösem   die  gräntzen  zu  verfertigen  die  Wasser- 
gänge und  Graben  zu  reymen  oder  sonsten  was  dem  dorff  zum 
boten  gereichet,  wer  solches  nicht  verrichtet,  soll  verfallen  sein 
2  gutte  Marg  und  bey  8  Tagen  alles  fertig  haben  bey  doppelter 
fliaffe.      16,   Sohl   ein   nachbar   dem   andern   seine   gräntze   mit 
graben  oder  zäunen  nach  gelegenheit  des  Landes  halten,  wer  daß 
nicht  Ihun  würde  und  einen  hierüber  schaden  geschieht,  soll  der- 
selbe für  den  schaden  gutt  kommen  und  so  offt  er  darüber  an- 
geklagcl  wird  dem  Scholtzen  verfallen  sein  to  Groschen.    17.  Eine 
rechtfertige  Gräntze  soll  heißen  ein  Graben  einer  halben  ruthen 
breit  und  2  Ellen  tieff,  ein  Zaun  soll  sein  2  Ellen  hoch,  alß  das 
ein  halbjärigs  Kalb  nicht   kann  durchkommen,  dafem  aber  einer 
ein  Pferdt   oder  rindt   helle  und   vor  dem  Zaune  nicht  bleiben 
wolte,    so   soll  ers  zwingen  oder  soll  es  abschaffen.      30  rutten 
soll    ein    Jeder   seine   HoffStädle  dichte    zeunen,    vor    Schwein 
Cenße  und  Enten.     18.  Niemand  soll  d^  andern  ohne  Consens 
und  bewilligung  sein  angenomcnc  Arbeiter  Ehe   er   sie  ablohnet 
und    nicht   mehr   gebrauchet  abspendig  machen   und   auf  einige 
arbeit  nchmenj  bey  Straffe  einer  Marg,   und   dafeme  sich   einer 
unterstehet    seinen    Nachbahr    seinen    Knächt    oder    Magd    aus- 
zumietten,   der  soll   verfallen    sein   eine   gutle  Marg  und    gleich 
well  den  dienstbolhen  seinen  Herren  in  den  Dinst  folgen    lassen. 
1 9.  Da  Jemand  seinen  Nachbaren  vieh  pfendet,  der  soll  es  trenckcn 
laßen,  damit  es  nicht  verschmachte  oder  umbkomme,  sonsten  soll 
er  ihn  den  Schaden  erstadten,  und  wann  daß  eingetriebene  Vieh 
inß   recht  gebracht  wird  und  der  Schollz  es  demselben  ansagen 
ließe,  Er  aber  sein  Vieh  im  Gerichte  stehen  ließe,  so  soll  er  die 
Erste  Nacht  vom  Stücke  5  gr.  die  ander  Nacht  lO  gr.  und  also 


vnd  wollen  die  Nachbahrn  daßelbe  bezahlen,  auch  mit  solchem 
beschcidt  daß  er  auch  selbst  keine  Vrsach  dazu  gebe  Oder  in 
seinem  Hause  zuvor  V^rsach  geben  iiabe,  auch  so!  derselbe,  dem 
ctwaß  Ohne  seine  eigene  Vrsach  genommen  oder  behalten  wird. 
Sein  beste  Vor  erst  dabei  Ihuen  mit  bitten  oder  mit  loßkauffen, 
erß  mag  wieder  bekommen,  bekommet  erß  wieder,  So  soll 
waß  er  dar\'inb  gegeben  halt  wiedergekehrct  werden,  Kan  erft 
nicht  von  kriegsleuten  wiederbekommen,  So  soll  es  Ihm  Nach 
billicher  Weyse  bezahlet  werden. 

35.  Zum  35.  Wenn  auch  ein  Absterben  deß  vieheß  dure! 
schickunck  Gottes  des  Allmächtiger  kommen,  vnd  einfallen 
möchte,  so  sol  deiselbige  der  daß  vnglück  hette,  vnd  sein  Viehe 
stürbe,  daß  todte  Aaß  nicht  also  liegen  laßen,  seinem  Nachbahm 
zum  Vnglück  zu  bringen  damit,  sondern  er  sol  es  von  stunden 
an  begraben  oder  in  Weisel*)  schleppen,  leßet  crs  liegen,  so  ist 
er  in  der  Nachbahr  straffe. 

.^6.  Zum  36.  Wen  auch  Jemand  vor  gericht  und  recht- 
licher Weise  vorm  Schultzenampt  zu  thunde  halt  vnd  er  einen 
Lügen  straffet  Oder  schlaget  zorniger  weyse  auff  den  Tisch, 
So  ist  jedemahl  5  g.  so  offt  erß  thutt,  vnd  daßelbige  sirags  ab- 
leget, Ehe  er  vom  Tisch  gehet,  auch  soll  er  gantz  und  gar  mit 
kcinerley  gewchr  vorß  Schultzen  Gericht  v.  Tisclie  tretten.  Er 
sey  Nachbahr  oder  frcmbder  Bürger  oder  Bawer.  Wann  auch 
parten  Türm  Schultzen  Ampt  klagen  vnd  Wiederkläger  hat>en,  so 
sol  einer  dem  andern  gehör  geben,  vnd  keiner  dem  andern  auß 
haaß  vnd  Neidt  zomiglich  schlagen,  so  sol!  derselbige  straff 
erlegen  Ohne  einige  begnädigung  dem  Herren  1  fl.  vng.  vnd  der 
gemeine  ein  Thone  Bier  l  fl.  in  die  Lade  abzugeben. 

Zum  3  7.  Wen  auch  Jemand  vor  gerichle  Sachen  zu 
Thunde  hat  vnd  Ihm  vom  Schultz  vnd  Gericht  sein  gebührendes 
recht  vnd  Spruch  mitttheilet  wird,  zu  [!]  ihm  zukonibt,*)  vnd  er 
den  gehet  vnd  schmähet  daß  gerichte  hinder  Ihren  Rücken,  vnd 
saget  sie  haben  nicht  recht  gerichtet,  oder  sie  haben  Nach  Gunst 
gerichtctt,    so   sol    derselbe,    der  daß    thun    würde,    4  fl.    ohne 


ß 


M 


>)  afn  die  Weixcl  schleppen*.    WiUkÜr  von  Qribovt. 
>)  .to  ihm  cukomnil«.    Willlcfir  von  Onbow«. 


einige    gnade    zu    geben    schuldig    sein    vnd   dem  Herrn  1  fl. 
vngcrsch. 

38.  Zum  38.  Wen  auch  die  Nachbarn  Ein  Thonnc  Priey*) 
oder  Nachbahr  Bier  haben,  vnd  im  Schultzen  Hoffe  außgetruncken 
wirdt  vnd  daß  jemandt  einen  Hader  oder  Zanck  da  bey  anfanget 
daß  sie  sich  schmehen  vnd  böse  Scheltwort  geben,  so  soll  der 
es  erst  vrsache  3  fl.  Straffe  zu  geben  schuldig  sein  vnd  der 
andere  45  gr.,  weil  er  des  Schultzen  geholt  nicht  geachtet  vnd 
schweigen  nicht  wollen,  schlagen  sie  sich  aber,  so  sollen  sie  den 
Bande  wieder  fühlen,  ohne  einige  Begnadung  ein  jeder,  Machen 
sie  CS  den  zu  gar  grob,  so  feilet  auch  des  Herren  Straffe. 

39.  Zum  39.  Wenn  Einem  Nachbahrn  Sein  dienstbotte 
oder  Taglöhner  ohn  Vrsach  auß  dem  Dienste  vnd  Arbeit  weg- 
gehen würde,  so  sol  kein  Nachbahr  die  Macht  haben  denselben 
anzuhalten,  oder  den  geringsten  arbeit  zue  geben  auff  dem  Dorffe, 
welcher  Nachbar  daß  thun  würde,  sol  der  4  fl.  in  der  Nach- 
bahr l^de  zu  geben  schuldig  sein  vnd  dem  Herrn   I  fl.  vng. 


Die  Willkür  von  Kostbar,  die  in  der  Mitte  einige  Um- 
stellungen der  inhaltlich  mit  dem  Schema  von  Neu-Schlingen 
übereinstimmenden  Artikel  aufweist,  unterscheidet  sich  dann  durch 
folgenden  Schluß: 

35.  (=  38  Schlingen]  ...  den  Bandt  wieder  füllen,  der 
zum  Ehrsten  mahl  schlaget,  sol  eine  gantze  Tonne  Bier  geben, 
der  ander  eine  Halbe  Tonne  Bier,  ohn  Einige  Begnadigung  oder 
abbiltung,  Es  sey  auch  wer  es  wolle,  da  soll  keiner  verschonet 
werden.  Es  sey  bürger  oder  bauwer,  Taglöhner  oder  knecht, 
Auch  des  Gnädigen  Herren  Straffe. 

36.  Zum  sechs  und  dreyßigsten,  haben  die  Nachbahren 
auch  bewilliget,  wo  Etwa  im  Kruge,  oder  auff  Einer  hochzeit, 
kindt  Tauffe,  bey  dem  schultzen,  wie  auch  an  allen  ohrten  im 
Dorffe,  Ein  hader  vnd  Zank  würde,  und  jemandt  dabey  bluttig 
geschlagen,  oder  tödliche  wie  auch  untödlich  verwundet,  so  soll 
solches  ohne  vorwißen  des  Hochedlen  Königlichen  Schloßcs,  bei 


1)  Pikr  Ist  dniUlch  geschrirtim. 
rinfiidi  »Tttj-  oder  Nachbihrbicf 


Die  VlUUr  von  Ondtowe  llett  cbcBK)  wk 


Ihrer  Großmacht! gen  Gnaden  Ernstlichen  Straffe  heimlicher  weiße 
nicht  vertragen  werden. 

37.  Zum  sieben  vnd  dreyßigslen,  soll  ein  jeglicher  krüger 
oder  anderer  oben  gemelter  wirth,  auch  ein  jeglicher  an  scynen 
orth  schuldig  sein,  wenn  Et\va,  da  Gott  vor  behütte,  solches  Unglück 
im  dorffe  geschehen  möchte,  so  soll  der  selbe,  bey  welchem  die 
selbe  taht  geschehen,  den  täter  anzugreiffen  und  zu  bewahren 
schuldig  seyn.  Hatt  Er  aber  nicht  so  viel  hülffe  bey  sich,  so 
soll  er  daß  die  Nachlwrschafft  oder  dem  schultzen  ansagen,  und 
durch  ihn  den  Thäter  bewahren  laßen,  biß  daß  dießes  dem  Hoch- 
edlen KöTiigi.  Schloß  Eilig  angemeldet  werde,  auff  daß  der  thäter 
nicht  Entweichen  möchle,  bey  Emslticher  hoher  Straffe,  Ihrer 
Großmächtigen  Gnaden. 

38.  Zum  Acht  und  Dreyßigsten,  soll  sich  auch  der  Schultz« 
nicht  Vhrsache  machen,  Jemanden  vnter  den  Nachbahren  zu 
slraffen,  vnd  zu  tribulieren,  so  Etwa  Einer  von  den  Nachbahren, 
inn  solchen  oben  gemelten  Sachen  Selbsten  (sich  nicht  Ein  stelle) 
in  Persohn,  dehm  Es  nicht  gelägen  währe,  zu  Hülffe  sich  nicht 
einstelle  und  einen  andern  voimächligen  an  seine  städt  schicken 
thäte,  so  soll  Er  damit  außgerädet  und  entschuldiget  sein 
auch  bleyben. 

39.  Zum  Näun  und  Dreyßigsten,  so  sichs  auch  hieben 
möchte,  daß  etwa  nach  dem  lode  der  Eltern  Weyse  Kinder  nach 
bleyben  möchten,  und  keine  nahe  Freunde  und  verwantten  nicht 
hätten,  so  sollen  den  Selben  die  Nach  bahrschafft  auffrichtige  und 
vollmächtige  Vormünder  zu  stellen  schuldig  sein,  auff  daß 
diejenigen  weyse  kinder  biß  zu  ihrer  mündigen  Jahreßzeil  traulich 
versorget  werden,  und  waß  ihnen  von  wäligen  ihren  säeligen 
Eltern  zu  kompt  und  gehöret  künftiger  Zeit  zu  Händen  bekommen 
und  keinen  schaden  daran  haben  mögen.  ^M 

Diese  willkühr  haben  die  Ehrbahren  Schullzen  vnd  gerichte^^ 
imm  Nahmen  der  Gantzen  Nachbahrschafft  Eygen  Händig  unter 
schrieben   biß   auff   ferner  Confirmation    seiner  Großmechtigen 
Gnaden  vnd  Herren  Herren 

[folgt  dessen  polnische  Bestätigung 

und  Unterschrift]  Jakob  Hienresdnski. 


die  Lade  2  gutte  Marg  straffe  geben  und  ein  gerichtliches  Attesfatum 
itm  beleidigten  auslößen.  13.  ES  soll  einer  den  andern  Auf 
iler  Gebauthen  hoffeStädte  mit  Mist  so  es  die  Noth  erfordert 
und  Waßer  zu  reichen  schuldig  sein,  bey  straffe  ein  Marg. 
U.  Wan  einer  dem  Nachbar  eine  Hecke  öffnet  und  nicht  wieder 
nimacht  und  schaden  dadurch  geschieht,  soll  derselbe  straffe  ver- 
felfcn  sein  t  Marg,  und  so  einer  den  andern  über  seinen  besäten 
icker  fähret,  sei  er  schuldig  sein  1  Marg  zu  geben  und  vor  den 
schaden  stehen.  15.  So  auf  Befehl  des  Scholtzen  gebothen  würde 
die  Trifflen  zu  bösern  die  gräntzen  zu  verfertigen  die  Wasser- 
ginge und  Graben  zu  reymen  oder  sonsten  was  dem  dorff  zum 
besten  gereichet,  wer  solches  nicht  verrichtet,  soll  verfallen  sein 
3  gurte  Marg  und  bey  8  Tagen  alles  fertig  haben  bey  doppelter 
*iffe.  16.  Sohl  ein  nachbar  dem  andern  seine  gränize  mit 
graben  oder  zäunen  nach  gelegcnheil  des  Landes  halten,  wer  daß 
«kht  thun  würde  und  einen  hierüber  schaden  geschieht,  soll  der- 
selbe für  den  schaden  guU  kommen  und  so  offt  er  darüber  an- 
pMaget  wird  dem  Scholtzen  verfallen  sein  10  Oroschen.  17.  Eine 
fwhtfertige  Oräntze  soll  heißen  ein  Graben  einer  halben  ruthen 
Iffeil  und  2  Ellen  tieff,  ein  Zaun  soll  sein  2  Ellen  hoch,  alß  das 
«n  halbjärigs  Kalb  nicht  kann  durchkommen,  dafem  aber  einer 
01  Pferdt  oder  rindt  hetle  und  vor  dem  Zaune  nicht  bleiben 
*olte,  so  soll  ers  zwingen  oder  soll  es  abschaffen.  30  nitten 
soll  ein  Jeder  seine  HoffStädte  dichte  zeunen,  vor  Schwein 
Oenßc  und  Enten.  18.  Niemand  soll  d«i  andern  ohne  Consens 
""d  bewilligung  sein  angenomene  Arbeiter  Ehe  er  sie  ablehnet 
"■d  nicht  mehr  gebrauchet  abspendig  machen  und  auf  einige 
'^t  nehmen,  bey  Straffe  einer  Marg,  und  dafeme  sich  einer 
"^"terstehet  seinen  Nachbahr  seinen  Knächt  oder  Magd  aus- 
^nitetten,  der  soll  verfallen  sein  eine  gutte  Marg  und  gleich 
Ml  den  dienstbothen  seinen  Herren  in  den  Dtnst  folgen  lassen. 
'"■  Da  Jemand  seinen  Nachbaren  vieh  pfendct,  der  soll  es  trencken 
*^«i,  damit  es  nicht  verschmachte  oder  unibkomme,  sonsten  soll 
^  »hn  den  Scliaden  erstadlen,  und  wann  daß  eingetriebene  Vieh 
'"^  recht  gebracht  wird  und  der  Scholtz  es  demselben  ansagen 
"*ß«,  Er  aber  sein  Vieh  im  Gerichte  stehen  ließe,  so  soll  er  die 
frst^  Nacht  vom  Stücke  5  gr.  die  ander  Nacht  1 0  gr.  und  also 


L 


Zum  vierdten,  wenn  gebothen  wird  einen  graben  zu  graben, 
auff  einen    bestimmten   tag   fertig  zu   sein,   wer  aber  das  seine 
nicht  gegraben  hat,  vonn  einer  Ruthe  vier  pfennig  vnd  gleichwol^ 
hernachmats  fertig  zu  inachen.  fl 

Zum  fünfften,  welcher  Mist  ausffiret,  ehe  das  er  ausgegeben  H 
wird,  die  pus  fünffzchn  Schilling. 

Zum  sechsten,  welcher  pflüget  oder  Mist  streuet  vber  die 
mas,  vonn  der  ruthe  vier  pfennig. 

Zum  siebenten,  wo  einer  würde  erfunden,  der  einem  andern     j 
einen  Zaun  durchgehauen   oder  gebrochen  hat  vnnd  er  darüber 
bezichtiget  wurde,   die  bus  zehen  Schilling  vnnd  sol  denn  Zaun 
über  das  wider  machen. 

Zum  achten,  wenn  ein  feld  verbothen  wird  vnd  einer  vber 
das  pferde  hineinbringt,  die  bus  funff  schiUing. 

Zum  neunten,  wenn  ein  pferd  das  über  drey  Jahr  sdiU 
oder  beist  oder  schedlich  ist  und  verbothen  wird  in  die  Joch« 
zu  treibenn  vnnd  wo  es  vber  das  in  der  Joche  befunden  wörde, 
funff  Schilling  bus  so  offt  das  geschieht.  J 

Zum  Zenten,  wo  jemands  befunden  wurde,  der  einem  andern" 
zu  schaden  fert  es  sey  in  getreide  oder  wiesen,  die  bus  acht- 
halbenn  Schilling. 

Zum  elften,  wenn  der  gemeine  bulle  oder  Biehr  auff  den 
abent  Jemand  in  sein  Hoff  gienge  und  wurde  widenimb  aus- 
geholt  [?]  vnd  solches  gesehen  würde,  des  bus   fünft  Schilling. 

Zum  zwelfflen,  ein  jeder  soll  seine  Schweine  zu  mittag  vnd 
ander  Zeit  einthun,  das  sie  nicht  jemand  zu  schaden  gehen,  wo 
sie  aber  auff  dem  anger  gefunden  werden,  die  bus  vom  schwein 
vier  Pfenninge. 

Zum  dreyzehnden,  es  so!  auch  ein  jeder  sein  Aas  es  sei 
klein  oder  gros  nicht  auff  dem  anger  liegen  lassen,  sonndemn 
sol  es  vor  das  dorff  aus  dem  wege  bringen,  bei  der  bus 
funffzehen  Schilling. 

Zum  vierzehnden,  wenn  jemand  die  Joch  huet  und  bringe 
die  pferd  nicht  heim  zu  rechter  Zeit  vnnd  geschehe  darüber 
jemand  weiter  schade,  der  soll  den  schaden  auffrichtcn,  nach 
erkentnus. 

Zum  funffzenden,  wenn  die  gemeine  bei  einander  istj  es 


Die  Nadibftrsduften  in  d«n  Posener  Hauländereien.  igs 


sei  zum  scholzen  oder  anderswo  vnd  sunderlich  wa  sie  Rügen, 
vnnd  wurde  alßo  einer  befunden,  der  einen  andern  mit  schelt- 
worten  verunglimpfft  oder  aus  frevel  liegenn  hies,  der  bus  acht- 
halben Schilling  so  offt  das  geschieht. 

Zum  sechszehnden,  wen  die  gemeine  gehet  zu  besichtigen 
brücken  Hirtenheußer  Zeunn  vnnd  so  einer  aus  der  gemeine 
befunden  würde,  der  nicht  mitgienge,  der  bus  zwey  Schilling  so 
offt  das  geschihl.  Dergleichen  auch  wen  die  gemeine  an  bnickcn 
steigenn  vnd  wegen  oder  an  andern  nottürftigcn  dingen  des 
dorffs  belangende  arbeilen  vnd  bessern  vnd  Jemand  befunden 
würde  der  aussenbleibe  vnd  nicht  hülffe,  fünff  Schilling  so 
offtmals  es  geschielit 

Zum  siebenzehnlen,  wes  viehe  es  seie  Schwein  pferd  gense 
oder  kühe  gesehen  oder  befunden  wird  das  es  zu  schaden  gehe, 
vom  haupt  vier  pfennige  so  offt  als  geruget  wird,  und  welcher 
on  notiich  \Tsach  nicht  zur  Rüge  kompl  sondern  bleibe  darvon, 
so  offt  als  geschieht  ein  Schilling. 

Zum  achtzehnden,  welcher  nicht  zum  scholtz  gehet^  wenn 
er  bloß  one  redlich  vrsach,  die  bus  achthalben  Schilling. 

Zum  neunzenden,  wenns  sich  begebe  das  man  einen  dieb 
oder  sonst  einen  vbeltctcr  sol  suchen  vnnd  nachrennen,  so  sollen 
diejhcnigen  so  ausgesandt  worden  zu  suchen,  eine  tagreis  nach- 
völgcn  vnd  so  es  geschieht  das  etliche  auff  die  spor  kommen 
vnd  einen  tag  zween  oder  drey  weiter  nachvolgen,  sol  in  die 
Zerunge  widerumb  von  der  dorffschaft  auffgericht  werden. 

Zum  zwanzigsten,  welcher  mit  einer  gewesen  [Lücke  oder 
verschrieben?)  den  tag  ausbieibe,  wenn  man  gras  oder  geü-eidc 
haut,  ein  halb  mark  bus,  vnd  so  jemand  zu  langsam  komme,  so 
viel  Schwaden  er  versäumt  hat,  von  einem  jeden  Schwaden  ein 
Schilling,  vnd  wenn  Jemand  zu  langsam  kome,  wen  man  heu 
wende,  vom  Schwaden  vier  pfennig,  vnnd  so  Jemand  aussenbleibe, 
wenn  man  getreide  binde  oder  heu  zusammen  bringe,  zehcn  Schillinge. 
Zum  letzten,  wenn  die  vorleiiihe  bestimmen  einen  gewissen 
tag,  daran  ein  jeglicher  das  hirtenlon  soll  aufliegen,  vnd  welcher 
sein  hirtenlon  auf  bestimmten  tage  nicht  aufflege,  der  bus  ffinff 
Schillinge  so  oft  das  geschieht.  Auch  so  der  schütze'  die  vor- 
leuLhc  oder  sonst  Jemand   vmbschickt    auszupfenden    vrmd    die 


wciber    diescibtgcn    vbel    abfangen,    sollen    sie  der   Herrschaft 
dreißig  elen  Leiniuoch  geben. 

Derweil  dann  solche  Wilkür  des  obgemeldlen  dorffs  Marienfeld 
der  Billikcit  nit  zuvorgcgcn,  sondern  gemeiner  Dorffschafft  zu 
frommen  und  besten  auffgericht  auch  vor  [!]  alters  hero  also  gehallen 
worden,  so  haben  wir  Inen  solche  Ire  zimbliche  Bitte  auch  nicht 
abschlagen  wollen,  beuilligen  und  beliben  auch  bestetigen  demnach 
hiemit  vnnd  in  crafft  das  [!]  unseres  Brieffs  obgemelten  unsern 
vnderthanen  den  einwonem  des  dorffs  Marienfeld  solche  Ire 
willkör  in  allen  punkten  vnd  artikuln,  wie  die  hiemit  verlihen 
verfaßt  sein;  doch  sol  die  verfalene  bus  von  allen  oben  ge- 
schriebenen punkten  mit  wissen  und  willen  der  herrscliaffl  zu 
des  dorffs  nutz  und  besten  angeleggt  vnd  gewendet  werden.  Zu 
Urkund  mit  unserm  anhangenden  Insigel  besigelt  vnd  geben  zu 
Köntgsbei^.  ^ 

Gleiches  falls  in  aller  gestalt   form   und   massen  wie  oben 
begriffen   hat  die  dorffschafl  Grunhain,  auch   im   Holländischen, 
gelegen,  besletigung  angezeigter  willkür  verlanget. 

4. 

Ordnung  der  Flemings-Societät  zu  Bitterfeld.    1587. 
Stadtarchiv  Bittcrfeld. 

Gesetzbuch  der  Flemings  -  Societät. 
Von  Hermann  Berthold,  Burger- 
meisler  zu  ßilterfeld  u.  Vorsitzender 
der  Flcmings-Sodclät.    17  76. 


Nach  Borchgrave:  Hislon 
des  colonies  beiges  qui  s'^- 
blircnt  en  AUcmagnc  pendant 
Ic  Xll'fmf  sifrrlc.  Memoires 
couronncs  de  VAcadimie  de 
Belgique.  4".  Tome  52.  186S|j 
p.  362.    Doc.  XXII.  i|| 


Was    die   Flemiger    unter  sich   zu   richten    n.   wie  sie  sich  vor- 
halten sollen;  ist  vormals  nach  Ausweisung  der  Registraturen  auch 
also  verhalten  wordenj   1587. 

1.  Anfaenglich    haben  sie   unter    sich   zu   richten   gcmeintf 
Schelteswort,  wenn  einer  dem  andern  zu  nahe  hauet  pflüget  und 
ungehorsam  blich    were,    Er    erfordert,    aussen   bleibet    vnd   dem 
Andern  das  Seine  wcgffihret. 

2.  So  soll  auch   in  diesen  und  andern  Dingen  keiner  ou 


TOrwJsscn  vor  anderer  Obrigkeit  lauffen  bey  poen  zwanzig  Groschen, 
das  findet  man  ein  Exempel  anno  1549  bei  Zeiten  Moritz  Poydas 
lind  Thomas  Zanders  gewesenen  Plemigsherren. 

3.  Es  soll  keiner  in  der  Gemeine  sein  Holz  verkauffen,  er 
sei  dann  ein  Flcmiger,  In  Betracht  dass  der  sein  Hoiz  ausführet, 
Frembder,  darumb  in  andere  Gerichte  zu  belangen  oder  zu 
cljgen  sich   beschwerlich   fürfallen  wolle,  bey  poen  3  groschen. 

4.  So  auch  einer  sein  Privat  Stück  will  lassen  abhauen,  soll 
er  seine  beide  Nachbahrn  darzu  fordern  vnd  aEies  richtig  ab- 
schalmen  oder  abzeichnen  bey  nechst  gesester  poen. 

5.  So  auch  einer  dem  andern  wurde  abpflügen,  soll  er 
entlich  bey  dem  Flemigs  Herrn  geclagt  werden;  so  er  aber 
vor  Ihnen  nit  mit  koendle  Vertrags  werden,  niocgen  sie  alsdann 
vor  anderer  Obrigkeit  klagen  bey  Straff  JO  Groschen. 

6.  So  ein  neuer  Fleniiger  einkoembt,  der  soll  sich  bey  den 
Rcmigs  Herren  angeben  und  umb  die  Gebühr  in  der  Matricul 
oder  Register  der  Pleniiger  sich  einschreiben  lassen  bey  poen 
20  Groschen. 

7.  Wenn  die  Flemiger  beisammen  und  wird  Jemand  ohne 
gentigsahme  Ihnen  darzu  gegebene  Urrsache  Hadern  und  Zwic- 
tncbt  anrichten  oder  mit  Schmehworten  umb  sich  werfen,  der 
soll  ein  Viertel  Bier  zur  Straff  verfallen  seyn. 

8.  Die  Loss-Wiesen  sollen  alle  Jahr  denen  Inhaberen  aufs 
Miie  wieder  zugesaget  werden,  oder  wer  das  verwehrt,  soll  seiner 

^Wean  verlustigt  werden. 

9.  Die  Grenzen  soll  ufs  Laengstc  alle  drey  Jahr  uff  das 
nnie  wieder  besichtiget  werden,  und  wer  darzu  bescheiden  und 
wsscnbleibt  bey  poen  20  groschen. 

5. 

Vereinigung  der  Nachbarschaft  zu  Rüdesheim 

in  der  Kellergasse.    1607. 

uAus  einer  allen  Handschrift"  in; 
Joh,  Peter  Schimk,  BeytrSge  zur 
Mainzer  Geschichte  IH,  243—246. 

Im  Jahre    1607    haben   sich   die   Nachbarn    in   der  neuen 

KeHcrgasse,  so  zu  dem  Kcllcrbom  gehören,  vereinigt,  ihren  nach- 


barlichen  Bombrief  zu  erneuern,  und  wie  sich  auch  ein  jeder 
Nachbar  gegen  jeden  Nachbarn  verhalten  und  der  Nachbarschaft 
zu  Lieb  und  zu  Leyd  seyn  soll,  was  Nachbarn  zuständig  ist,  wie  folgt: 

Zum  Ersten,  soll  ein  jeder  Nachbar  dem  andern  mit  Ehr- 
erbietung begegnen,  es  seye  zu  Wasser  oder  zu  Land,  in  Schwach- 
heiten,  wie   es  sich   nachbarlicher  Weiß   zutragt,   einander  bey-^| 
springen,  dazu  auch  keinem  etwas  Uibels  nachreden.  ^ 

Zum  Andern,  wo  es  Sache  würde,  daß  ein  Altes  stürbe, 
oder  sich  eine  Ilauptleiche  in  der  Nachbarschaft  ergebe,  so  soll 
ein  jeder  Nachbar  gebührlicher  Weise  sich  dazu  machen  und 
dieselbe  helffen  zur  Erde  bestatten,  auch  keine  Entschuldigung 
suchen,  es  seye  dann  Leibsschwachheit  oder  unseres  gnädigsten 
Herrn  Dienste  halber,  bey  Straffe  eines  halben  viertel  Weines.*) 

Zum  Dritten,  haben  sich  die  Nachbarn  vereinigt,  wenn  ein 
Kind   eines  Nachbarn  in  Schwachheit  verschieden  wäre,   so  soll 
sich  ein  jeder  Nachbar  geschickt  machen,   dasselbe  zur   Erden 
helfen  zu  bestatten,  ohne  einige  Entschuldigung,  bey  Straffe  eineya 
Maaß  Wein  der  Nachbarschaft.  ^B 

Zum  Vierten,  ist  es  auch  in  jeder  Nachbarschaft  das  alle 
Herkommen  und  Gebrauch,  daß  man  die  Born  zu  fegen  pfleget, 
auch  zween  Mann  aus  der  Nadibarschaft  alle  Jahr  erwählet  und 
zu  Bornmeister  machet  Dieselben  sollen  darauf  sehen,  wo 
etwan  Schaden  oder  Irthums  seye  oder  geschehen  würde,  das- 
selbige  alsobald  anzeigen  und  handhaben,  und  wo  das  nicht 
geschehen  wördCj  so  sollen  diese  Bornmeister,  wann  es  also  befunden 
wird,  der  Nachbarschaft  ein  halb  Viertel  Wein  zur  Straffe  geben. 

Zum  Fünften,  ist  es  auch  ein  altes  Herkommen  und 
Gebrauch,  in  jeder  Nachbarschaft  die  Born  zu  fegen,  welches 
auch  unter  uns  geschehen  soll.  Aber  zuvor  sollen  die  Bronnen- 
meister sich  besprechen  und  es  der  ganzen  Nachbarschaft  abends 
anzeigen,  damit  ein  jeder  Nachbar  des  andern  morgens  friihe  um 
7  Uhr  sich  bey  dem  Born  einfinden  lasse,  und  den  Irthum 
oder  Anschlag  anhöre,  und  also  nachbarlich  sich  erzeige.  Wo 
nicht  also,  und  einer  unter  den  Nachbarn  nicht  Gehorsam  leisten 
würde,  und  dächte  vielleicht,  es  habe  keine  Noth,  und  will  seinem^ 

:    2     VlMÜ. 


Nutten  anderswo  nachgehen,  so  soll  derselbe  Nachbar  der  ganzen 
Nachbarschaft  in  die  Straffe  eines  halben  Viertels  Wein  verfallen  seyn. 

Zum  Sechsten,  auch  soll  ein  jeder  Nachbar  persöhnlich  zu- 
g^n  seyn,  und  nicht  durch  sein  Oesind  und  Weib  ausrichten 
lassen,  es  seye  dann  ein  Leibsnoth  oder  sonst  tüchtige  Ursache 
nicht  zu  erscheinen.  Wo  alwr  nicht,  so  soll  derselbe  der  Nach- 
barschaft mit  drey  Maaß  Wein  zur  Straffe  verfallen  seyn. 

Zum  Siebenten,  ein  jeder  Nachbar,  ehe  und  bevor  er  ver- 
rosd,  soll  sich  selbst  bey  den  Nachbarn  anzeigen  und  ansagen 
seine  Nolh  und  Ursach,  und  dann  mit  Erlaubniß  der  Nachbarn 
verreisen,  unter  Straff  eines  halben  Viertels  Wein. 

Zum  Letzten,  ist  es  auch  ein  altes  Herkommen  und  Gebrauch, 
daß  die  gantze  Nachbarschaft  einem  Nachbarn  sein  Kreuz  helfe 
beklagen,  es  wäre  denn  in  Hauplschwachheiten  oder  sonst  mit 
Kindersterben,  und  trinken  eine  Maaß  Wein  mit  denselben  zu 
Trost,  auch  bis  daß  die  Nachbarn  zusammengehen  im  Bomfegen 
ip  eines  Nachbarn  Haus,  und  sich  nachbarlicher  Weise  fröhlich 
machen. 

So  weiß  auch  ein  Jeder,  daß  dieß  das  Gebot  der  Nach- 
tuisiiaft  isl,  wo  sich  ein  Nachbar  unter  den  Nachbarn  unnütz 
machen  würde,  und  einen  Zank  oder  Streit  anfinge,  so  soll  dcr- 
sdbige  Nachbar  in  Straff  der  gantzen  Nachbarschaft  verfallen 
sejn,  und  alles  bezahlen,  was  dann  die  ganze  Nachbarschaft 
denselben  Tag  verzehren  wird.  Wo  nicht  also,  so  soU  er  es  mit 
Recht  bey  dem  Herrn  Schullheisen  ausmachen,  und  dannoch  den 
Nachbarn  in  Straf  verfallen  bleiben. 


6. 

Ordnung  der  Nachbarschaft  in  der  oberen  Wiesengasse  in 
Hennannstadt  in  Siebenbürgen.    1563. 

Nach  Ouslav  Seivert,  Die 
Stadt  Henimniistadt.  1859. 
S.  51  Ann). 

Ordnungk  der  Ehrligen  Nachbarsch  äfft  auf  der  oberster 
Wisen  die  von  unsem  Altuettern  gehalten  seini  worden  u.  durch 
ven*'iliigung  der  E.  N.  so)  von  uns  auch  solchs  gehalten  werden, 
*^cr  solches  wbcrtretten  wird!,   soll  gestrafft  werden  wie  volget. 


1.  Wehn  einer  nicht  czwr    leichen  koniptt,  vcrfell  4    *• 

2.  Wehn   einer   nicht  czum   Schradt   kompt,   verfeit    ^    2. 

3.  Wer  den  Romp,  das  Virthell  oder  Schrodtseil  wber  nacht 
daheim  behelt.  verfeit  4   2. 

4.  So  einem  die  bach  czu  fegen  gebotten  wirdt  vnd  kimpU 
nicht,  verfeit  ^  4. 

5.  So   einer    den    andern    im   czom   liegen   strofft,   verfett  , 
ohn  alle  gnad  ^    10.  flM 

6.  So  zw  einem  Nachbar  die  Kepp  brentt,  verfelt  ohn 
alle  gnad  fl.  1. 

7.  So  einer  das  gantze  Jahr  wber  nicht  einmal  bei  die 
Nachbar  geht,  so!  ein  Nachbarschafft  schwldig  sein.  mM 

8.  So  bei  einem  Nachbar  Kersels')  auff  der  gassen  funden 
wird,  verfelt  ohn  alle  gnad   ^    10. 

9.  So  einer  mit  dem  andren  hadert  oder  czankt,  der  soll 
werden  geslroffet  nach  erkenntnis  der  Nachbarschafft. 

10.  Wen  der  Nachbarhan  frid  gebeidt,  so  offt  einer  das 
wbertritt  onnd  nicht  friden  helt,  so  offt  das  geschieht,  soll  ver- 
fallen sein  4  2-  4|l 

lt.  Wo  es  sach  wehre  das  die  Nachbarscliaft  an  dnem 
wehre  czu  hallen  vnd  lest  die  fürwber  gchn  ohn  wissen  vnd 
willen  der  Ehrligen  Nachbarschafft,  der  verfelt  ohn  alle  gnad  ^  10. 

12.  So  der  Nachbarhan  atißschtckt  das  Kachbarezeichen 
vnnd  dasselbicii  bei  ienianden  ferdret  wirdt,  vnd  nicht  also  an- 
gesagt wirdt  wie  der  Nachbarhan  befholen  halt,  der  verfelt  ^  10. 

13.  Bei  welchem  das  Nachbarczeichen  wbemacht  verhalten 
windtp  der  verfehlt  ohn  alle  gnadt  ^  10.  ^4 

14.  Welcher  Nachbar  das  geldt,  welches  die  Nachbarschaffl^ 
das  gantzc  Jahr  wber  gesamlet  haben,  am  Eschlag')  wil   hilffen 
vertrincken,   der  sal,  also  offt  er  einen  timganck  daheim  bliben 
ist,  erlegen,  was  ein  achtel  wein  gelten  wirdt 

15.  Wo  das  einer  mit  der  Faust  in  einem  czom  auf  den 
Tisch  schlegtt,  verfelt  -^10.  ! 

16.  Welcher  wber  einen  schlechten  heiter  spilt  oder  wedten 
wird,  verfelt  h|  10. 


17.  Welcher  Nachbar  die  Nachtshwdt  beriren  wird,  der  so! 
sidi  vor  9  auff  der  gassen  finden  lassen,  wo  ehr  aber  verseimlich 
wehr  vnd  sich  nach  der  czeit  finden  lest,  sol  gestrafft  werden 
omb  4  10. 

18.  Darzu  sollen  sie  auch  von  der  hwdt  In  keinem  haws 
Ihrtten  halten,  welcher  das  thwt  vnd  wbcrthritt,  der  vcrfell  /^  10. 

19.  Welcher  Nachbar  die  hwdt  nicht  fort  sagt  ondt  seinent 
halben  bleibt  anstehen,  also  oft  das  geschieht,  verfeit  derselbige  ^  1 0. 

20.  So  einem  Nachbar  ein  stroff  auffgelagt  wirdt,  der  sali 
sie  auff  das  nechst,  so  er  bei  der  Nachbarschaf fl  kimpt,  erlegen 
wnd  richten,  wo  er  sich  aber  widersetczt,  sollen  die  H.  Nachbarn 
srine  2  ^  in  wider  geben  vnd  heym  schicken.  So  aber  einen 
Nichbar  belanget,  der  nicht  bei  die  Nachbar  gehen  will  und 
seine  Sachen  richten,  den  selbigen  sal  die  Nachbargerechtigkeil 
abgeschlagen  werden,   so  lang  biß  er  seine  Sachen  wider  richtet. 

21.  So  einer  ein  Haus  in  der  Ehr.  Nachbarschaft  kaufft, 
oder  durch  einen  Wechsel  bekomen  wirdl,  demselben  Sol  es  von 
der  Ehrliger  Nachbarschafft  das  hauß  eingeseliget  werden. 

22.  So  ein  Nachbar  mitl  einem  Ampt  begäbet  wirdt,  vnd 
vendicrtt,  sol  gleichesfals  von  der  Nachbarschafft  eingeseliget  werden. 

23.  Wo  es  sach  wehr  das  einer  alhie  in  der  Nachbar- 
scliafft  eine  Behawsung  wberkwem  cinsweder  durch  kauff  Sterbfall 
oder  Wechsel,  derselbige  sol  geben,  der  weil  er  an  der  Nadibar- 
schaffi  kleinodt  theil  haben  will,   ^  16. 

24.  So.  irchen  Stadtreiter  oder  Trabant  in  der  Eh.  Nachbar- 
scbfft  wonhafftig  ist,  so  sol  er  für  die  Hwtten  der  Nachbarschafft, 
das  er  diescEbigen  nicht  thuen  mecht,  der  sol  der  Nachbarschafft 
«ftegen  ^  60.  So  er  aber  am  Eschtag  mit  seinen  Nachbarn 
das  gelt  will  hilffen  verczeren,  so  soll  er  der  ehrligen  Nachbar- 
sctufft  erlegen  fl.  i. 

25.  Mit  ver\nlligung  der  ehrligen  Nachbarschafft  soltt 
keiMr  fray  sein  wber  den  andern  einen  wein  czeigcr  czw  machen, 
ehe  den  8  tagen,  bin  in  das  4.  Hawß,  wber  die  gaß  aber  soll  es 
fray  sein,  welcher  das  wbertretten  wird,  ferfeltohn  allegenad  ^  25. 


jm 


Tschausch   Hedajets  Aufenthalt  in  Wien 

(1565). 


Von  ALFRED  SITTE. 


4 


Die  regsten  diplomatischen  Beziehungen  mit  auswärtigen 
jMächten  hal  Österreich  im  16.  Jahrhundert  mit  der  ottomanischen 
Pforte  gehabt. 

Dem  System  ständiger  Gesandtschaften,  das  sich  gerade  am 
türkischen  Hofe  baäd  nach  Eroberung  Konstantinopels  (1453) 
ausgebildet  hat,  schloß  sich  Österreich  um  die  Mitte  des  16.  Jahr- 
hunderts an.  Die  Generaibcnennung  für  diese  Gesandten  ist 
»Orator*  gewesen.  Der  Sultan  gewährte  zwar  den  Gesandten 
aller  Staaten  Zugang,  er  selbst  schickte  aber  nur  in  dringenden 
Fällen  Bolen  ab,  deren  technische  Bezeichnung  Tschiaus,  Tschau;^— 
Tschausch  war.')  ^| 

Im  Okzident  werden  diese  Boten  der  Pforte  schlechtweg 
«türkische  Bottschaften"  genannt,  das  Gesandtschaflswesen  ist  eben 
noch  in  der  Entwicklung,  das  Wort  Botschafter  hal  noch  kcine_ 
feste  Bedeutung  gehabt. 

Über  eine  dieser  türkischer   Botschaften,   welche   wie   alle" 
sonstigen   von   der   Hofkammer   quartier-   und    kostfrei   gehalten 
wurden,')  haben  sich  einige  Rechnungen    erhallen,    die    kultur- 
geschichtlich   wert    sind,    veröffentlicht    zu    werden.      Um    die 


■)  Vel.  0-  Kniaskt,  Die  Entwickriunc  der  slSndigoi  Diplomatie  in  StJUitt>  und 
■odxIwiBcnschthliehe  Fonchiinem,  hrsg.  van  Ouit»  Schnmlter,  V.  M.  {Lelpzis  ms), 
S.  IBS,  lernet  Qennoala»,  De  ]ce«Ii  prindpum,  cd.  Rotnae  lfi2T.  S.  iJO  .chlau»i',  Wlrqiie- 
fOTl,  •Chiaux*  0««. 

«)  S.  aber  eine  uildie  vom  Jihre  1SI7  Im  .MonatibUtt  des  Altcrtumtverdns  zu 
Wien-,  t90T,  S.  M,  eine  vi>ui  Jahre  lb4l  in  dem  Ueiirlubaten  für  den  polit.  Bez.  BnKk  aJL., 
IV/W  vom  7.  Sept.  i«i. 


Wiederholungen  einzelner  Gegenstände,  die  täglich  eingekauft 
wurden,  zu  vermeiden,  sollen  diese  Rechnungen  nur  auszugsweise 
«iedeiiKegeben  werden,  jedoch  so,  daß  alle  Waren  und  Sachen 
einmal  erscheinen. 

Der  unter  Ferdinand  1.  mit  dem  Sultan  geschlossene  Friede 
wir  dem  Ende  zugegangen,  zu  dessen  Erneuerung  nun  Ende  1564 
drei  Gesandte  nach  Konstantinopel  abgefertigt  wurden:  Michael 
Oeraowicz,  Georg  Albani  und  Achaz  Csabi. 

90  000  Dukaten  in  Oold  -  .^die  doppelte  türkische  Ver- 
ehmng"  -  nahmen  sie  mit  und  erlegten  sie  als  Ehrengeschenk, 
60000  #  dem  Sultan  und  3O00O  den  Wesiren. 

Da  auf  die  rriedensbedingiingen  des  Sultans  weder  der 
Botschafter  (Orator)  noch  die  Gesandten  (Albani  starb  im  Januar 
daselbst)  eingehen  konnten,  kehrte  Czernowicz  zurück  -  gleich- 
zeitig mit  dem  ihm  beigegebenen  Tscliausch  Hedajet.')  Anfangs 
des  Monats  April   1565  kamen  we  in  Wien  an.-) 

Auf  die  Nachrichlj  daß  von  den  Törken  l'ankotta  ein- 
goiommen  war,  wurde  Czernowicz  abermals  nach  Konstan- 
tinopel  gesandt,  Hedajettschausch  aber  bis  zu  seiner  Rückkunft 
als  Geisel  zu  Wien  behalten.  Czernowicz  traf  am  28.  Juni  in 
Konstantinopel  ein. 

Der  Tschausch  wurde  inzwischen  bei  dem  Gastgeber  Blasy 
Pugkh  einquartiert.")  Von  »Freytag  den  4  tag  May"  und  5.  Mai 
sind  Rechnungen  vorhanden,*)  was  für  diese  Botschaft  ver- 
uiSgabt  wurde.  Am  4.  /rist  die  Türkisch  Potschafft  Sambt 
derselben  liofgesindt  baide  mall  zu  Wien  gespeißt"  worden. 
Darunter  die  Posten:  »vmb  50  Jung  Dauben  i  per  ii  ^,  vmb 
ain  achtl  saurn  milich  Ram  22  Kr.,  455  Ayr  7  per  1  Kr.,  vmb 
Zell  Khraut")  3  Kr.".  Unter  den  Ausgaben  am  5.  erscheinen 
för  4  ,Hackpreter-  9  Kr. 

*}  J.  V.  Hanmer,  OMCbichte  des  ocmanischcn  Reich».   U.  Aull.   Pnth  1S14.  11,  id;. 

»)  Hiits-,  Hol-  und  Staats -Archiv^  Wien,  Tiitdea,  rase,  lä,  Toitv.  !>,  Joannci 
('rtie*»  dm  Kaiser,  Komoni,  30.  Okt.  1»S-  .Zu  Eincan;  dci  Monab  April  tS65  loini 
fc'ta  Hcrtnte  iiM  ludi  Conslaittinopcl  abgeordnete  Mieiucl  ZemowJi  (vdcha'  umM 
■"^Zvejrcn  scfncn  nltcKuidtcn  dan  Tarst;i!ich«i  Khay««r  ütH  atustendige  EerKelll 
■MB  phai)  vieder  mit  clnetn  torkitcheri  Oeiaiidlcn  immcn«  Hidait  Aga  ta  Wl«n  an.' 

*}  K.  B.  k-Ocneinunies  rinanzarchiv  (M(>tkaninieiarchfv},  Hau-.  ISITI  (1T3):  l*ng\iti 
k**t  dit  a,6.  Camer  um  1J«  n,  ««lehr  er  für  die  .nrpl  allhie  KC«T*lcn  TnrsKiKbe  Boti- 
"rit*  fftr  /rhrtifiE  verausgabte. 

•)  Doftsclbit.   -  AU.  1. 

*)  Saucrkiint. 

Arckhr  für  KulturgcKblchle.    VI.  13 


f 


Am  7,  August  reist  Czemowicz  wieder  von  Konstan- 
tinopel ab,  nachdem  ihm  des  Friedens  halber  ein  Schreiben  des 
Sultans  eingehändigt  wurde,  worin  zugleich  die  Freilassung  des 
Hedajettschausch  begehrt  ward.  (Czernowicz'  Ankunft  in  Wien 
erfolgte  am  22.  August). 

Die  Verhandlungen  wegen  Ausfo]g:ung  dieses  Tschausches 
dauern  noch  bis  November;  man  war  froh,  Ihn  zu  haben,  da 
Achaz  Csabi,  der  Österreichische  Gesandte,  in  Konstantinopel 
zurückbehalten  wurde. 

Erst  am  13.  November  ist  dieser  Tschausch  auf  der  Rück- 
reise nach  Konstantinopel  an  der  türkischen  Grenze  in  Komorn 
eingetroffen.  ^) 

Die  nun  folgenden  Au^benlisten  sind  im  k.  u.  k.  Ge- 
meinsamen Finanzarchiv  {Hofkammerarchiv)  in  Wien.  Auch  in 
der  Hofzahlamtsrechnung  des  Jahres  156S  (HofbibUolhek,  Wien, 
Fol.  165-167)  finden  wir  einen  kurzen  Ausgaben posten  ver- 
zeichnet: Auf  Unterhaltung  der  „weidischen  und  türkischen  Bot- 
schaft 766  fl   14  k  1   ^.  |fl 

1565.  »Monntag  den  23  tag  Jully  Ist  die  Tirckhisch  Potschafft 
Sanibt  derselben  verordenten  Personen  baide  mall  zu  Wienn 
gespeist  worden') 

Vmb  25  V  Rinndtfleisch  p  6  ^ 37  kZ^«) 

Vmb  33  Ä*  Carstraunefleisch*)  per  6   ^     .     .     49  k  2   ^ 

Vmb  Ain  Anntl 7  k 

Vmb  3  Qennskhres") 13k2 

Vmb   150  khreussen") 15  k 

Vmb  12  Plutzer')  Ain  per  t1  ^  ....  33  k 
Vmb  Ain  halbe  Puten  Nagabitzpiem  *)  .  ,  .  45  k 
Vmb  Marilln  vnd  khochpyem*) 21    k 

3  fl  41    k  2   4   ^ 

')  HHStA     Turcira.  F»c.  16.  Conv.  D, 

>)  O.  FA. Wien,  Pxsc  1S5»  (<90),  Akt  r.  der  außen  di«  AnfKttrift  trftet:    .Maiui- 
tig  den  13  Ug  July  lür  die  Tinkiich  PottchaffE  Ao  65.' 
■)  p  =  per,   ^  =  Wien«  Pfennig,  k  e=  Kreuirr. 
«)  Cutraun  —  kutrtrrler  Widder  -   Hammeltklich. 
•>aekifiae. 
^  Orfindllagc- 
i>  Kfirbit.  Melone. 

^  Onrnng  kleiner  Birnen.    Ut.  dirfiber  bei  SchmHler,  U.  Aufl,  1,  int. 
•)  25.  VII:  2  achtH  koch  Picm  ID  kr. 


«Cemest  Coppauner  zum  Fachen 

Junge  Hienner  zum  Rachen    .     . 

Antnn 

Orien  Lemonj' 

N.  M.  (Nachmittag  oder  Nachtmahl?) 
«Qemest  Coppauner  zum  backen     .       2 
Junge  Hienner.     .......       5 

Kreussen  Zum  Sieden 150 

Orien  Lemonj" 1 

25.  Juli: 

2  ..Fliegcnwadl" 8  Kr 

I    Phind   «Rindfaisleii"  ="}  .     .     .     .  3  Kr 

•Sanibstag  den  28  tag  July  Ist  die  Tlrckhisch  Potschafft  Sambt 
derselben  vcrordenten  Personen  baide  mall  Zu  wyenn  ge- 
speist worden*) 

Vmb     22  ff  Rinndlfleisch   I   per  1  4  .     .     .  35  Kr 

Vtnb     32  V  Carstraunefleisch   1  per  6  ^  .     .  48  Kr 

^^h  ISO  Khreussen 15  Kr 

Vtnb     1 1   Plutzer  Ain  per  3  Kr    .     .    .    .  33  Kr 

2  n  09  Kr 


I)  AcnB  -  StKbelbcnr  -  Schmcllrr,  II.  AuH.,  I,  «3       Plnsm  s=  BriRtohl. 
j^  «)  Nich  der  II,  Aufl.  d«  SchnKl] wischen  Wfthwbudic*  11,  1M<  ein  iackihiilicher, 

J^  R»«l,  Slroh,  ninMi)  u.  dgi.  geflochitrfr  Kort).    Dtr  Ztcktr  komm)  am  Böhmen,  dihcr 
ifl  btyriKhen  Wild  vorkam mendc  bchenluftr  .bfinütchf*  2igt^'  für  Böhmf. 
»)  Frtt 
.    .  *l  O.  PAWiai,  Fuc  18  599  (I94|.     Akl  «.    -    Die  An»gmbcn  vnm  3J,  und  J6.JbII 

^*t   I,  9  im  FaJc  1811»  <17J). 


%mt         ^^^     ^^*«* 


Obertng  2  fl  09  Kr 

Vtob  260  Ayr  13  per  2  Kr 40  Kr 

Vnb  Ain  Putrn>)  Kbocbpiera 30  Kr 

Vmb  Ain  scfaoff^  mit  manlln      .....  24  Kr 

Vrab  .Ain  Rdiliu 20  Kr 

Vmb  4  Dauben I4  Kr 

Vmb  12  gemest  CopfNumer  l  per  16  Kr  .    .3  12  Kr 

Vmb  friscbcn  Puier 16  Kr 

Vmb  16  SchofnchasI 20  Kr 

Vmb  Petersyll  Zwtfn  vnd  sallat 10  Kr 

Vmb  Ratlich  v-nd  AgresI 9  Kr 

Umb  Ain  halben  metzcn  semdmetl  ....  22  Kr  2   ,^ 

Disc  Wochen  vmb  7  mas  milidi  1  per  2  Kr  .  14  Kr 

Vmb  7  Mas  siessen  Ram  I  per  4  Kr    .    .    .  28  Kr 

Dtse  Wochen  umb  Zell  vnd   Ruebes  Kfaraut')  10  Kr 

Vmb  6  groß  Pessen 4  Kr  2   ^ 

Von  4  füer  mist  Außm  Hoff  zu  fiem  geben  .  10  Kr 

6  n  53  Kr« 
.Sambstag  den  2S  tag  july.     Z.  F.  M.     (Zum  Frühmahl.)*) 

Oemest  Copauncr  2 

Junge  Hienner  5 

Khreussen  150 

N.  M. 

Gemest  Copauncr  2 

Junge  Hienner  5 

Tauben  4 

Oricn  Lemonj  2 

Vom  24  July  biß  auf  heut  Dato  in  dj  Kuchl  geben 

Ain  Heffen  schmalz       35  Ä' 

Hechten  1 

Hechten  vnd  Pratfisch  Zum  sieden    3  Stuckh 

Pcrchcn  Zum  Sieden')  6* 

I)  MHMulnjtgraB  wn  Böttchrrarbril.    \'s\.  Khon  oben 

«1  OHIB  von  Böltckenrbdt. 

^  '^aartktttn  nnd  Kraut  von  vclfien  Rätwn. 

It  tV  l'A.Wlcn,  Vuc.  IBS99  (i»4).    Akt  4Z. 

•j  rtrchrn  -   fotriltn. 


Für    diese    Botschaft    sind    weiter    und    zwar   durch    den 
gHnen  Monat  August  hindurch  in  Wien  verausgabt  worden: 

1565   »Mitwoch  den  Ersten  lag  Angusty    für  Sachen,  stets  im 
einzelnen    angeführt,    ein    Oesamlbetrag    von    10   Quiden 

23  Kreuzer.  (Akt  33.)')  Dem  schließt  sich  dann  Tag  für 
Tag  ein«  Anzahl  Geflügel  sowie  Fische  an,  die  nicht  in 
Verrechnung  kamen. 

«Pflnnztag    den    2   tag  Augusty«    6  fl  33   Kr,    darunter  »Vmb 

Kriechen*)  vnd  Piem  auf  dj  tafft.-     (Akt  Nr.  32.) 
.Freylag  den  3  tag  Augusty   »S  fl  -iS  Kr. 

»Vmb  6Vt  ft  Wiener  Parmasankhas  per  5  Kr  ■=  32  Kr  2  ,^ 

Vmb  8  schoffkhasi  to  Kr."     (Akt  Nr.  31.) 
•Sambstag  den  4  tag  Augusty-  17  fl  3  Kr  2  >^ 

„Vmb  Maulper  vnd  weixell*)   17  Kr.-     (Akt  30.) 

Va  »Puten  Salzpurger  Piem  28   Kr.'' 
»Suntago  5.  August  4  ft  49  Kr  2  4 

»Vmb  14  Coppaunpeischl   16  Kr. 

Vmb  ain  Khober  Weinper*)  36  Kr." 

Eine  Ente  wurde  um  acht  Kreuzer  angekauft!     (Akt  29.) 
.\tontag  6.  August  3  fl  28  Kr. 

13  Stück  Eier  um  zwei  Kreuzer!     (Akt  28,) 
■  Erichtag  den  7  tag  Augusty  3  fl  SO  Kr. 

.Vmb  6  Pessen  5  Kr."     (Akt  27.) 
•  Mitwoch  den  8  tag  Augusty  6  fl  3  Kr. 

Eine  Taube  4  Kreuzer,  i  Wachtel  4  Kr.     (Akt  26.) 
.Pfinlztag  den  9  tag  Augusty  4  fl  36  Kr  2  ^     (Akt  25) 
.Freytag  den  10  tag  Augusty"   15  fl  21  Kr  2  ^ 

.Vmb  Khnoffloch  vnd  gelb  Rueben  12  Kr." 

6  Eier  ^  1  Kr.,  '/,  Metzen  Semmelmehl  22  Kr  2  4  (Akt  24.) 
.Sambslag  den   1 1  tag  Augusty"  22  fl  f  Kr  2  ^^ 

24  »gemcsl  Kappauner"    I   per  1 7  Kr. 

»Vom  21  July   bis  Auf  dato   genomen  Vmb  9  jk*  All  f  p 

12  kr  =  1  fl  48  Kr. 
Von  3  fuer  mist  Ausm  Hoff  zu  fiern  8  Kr"     (Akt  22.) 

1)  F«C-.  18SW  (190).     AJrt  1-33. 
*)  Kriechen  -  eine  Art  Pflaume. 
f)  wtixcil  -  ritte  Art  uun  Kixschc. 
*)  du  BcbUler  mit  Weintrauben. 


Denselben  Tag  hat  die  irEllena  Rosen pergerin  auB  der 
Neusstat"  (Wr.  Neustadt)  eine  ..Bekhantnus"  über  24  -Gemest 
Coppaun  Ain  per  Sibzehn  Kr"  abgegeben  und  den  Betrag 
Summa  Summarum  6  fl  48  Kr  ausbezahlt  erhalten.  (Akt  23.) 
i^Suntag  den  12  tag  Augusly«  4  0  22  Kr  2  ^ 

1  ^Wachtl"  13  4,  2  Tauben  7  Kr,  1  .Plutzer-  3  Kr. 

.Vmb  2  Dutzel  KhochleffI  7  Kr.  2  ^-     (Akt  21.) 

Montag,  13.  August  3  fl  Sl  Kr  2  ^ 

.Vmb  Ain  halbe  Puten  weinper"  (Akt  20.) 

„Erichtag  den  14  tag  Augusty«  3  fl  8  Kr  2  v^     (Akt  19.) 

»Mitwoch  den  tS  tag  Augusty  5  fl  29  Kr  2  ^ 

1  „WachÜ"    4  Kr,    5  Stück  Eier  =  t  Kr,    1  Taube    3* 

uVmb  Ain  Hassen   10  Kr, 

Vmb  vmurckhen^)  12  Kr."     {Akt  ;8.) 
«Pfinnztag  den  16  tag  Augusty."     9  fl  51  Kr.     (Akt  17.) 
.Freytag  17  Ug  Augusty-   15  fl  29  Kr  2  /^ 

Vb  Schmalz  44  Kr. 

-Vmb  4  ferchen«)  Aine  per  lO  K  =  40  Kr."     (Akt  16.) 
>Sambstag  den   IS  tag  Augusty 

Vmb  8  Vngemest  Coppauner   T  per  9  Kr  —   t  fl  1 2  Kr 

Vmb  4  Gemest  Coppauner  Iper  ISK  —  2fl  12k 

Vmb  340  Ayr  4  per  1  kr  —  1  fl  25  Kr 

Vom  Hauffanckh  zu  kheren  In  der  Khuchl  geben   1  7  kr." 
Gesamtausgabe  diesen  Tag  12  fl  6  Kr  3  4     (^^  ^^) 
»Sunntag  den   19  tag  August)-"   6  fl  30  Kr. 

«Vmb  Ain  muellen*)  sehen  schmolzpiem  30  Kr."  (Akt  14.) 
Montag  20.  August   -    5  fl.  13  Kr.     (Akt  13.) 

1  Gans  9  Kr!    -    1   Ente  7  Kr! 
irErichtag  den  21   tag  Augusty-  —  12  fl.  42  Kr. 

«Vmb  20  Haip[t]l  weis  Krhraut 

Vmb  Ain  Eyssne  schauffl  in  di  Kliuchl  10  Kr.*   (Akt  12.) 


ij  Otirlini. 
■)  Mulde. 


lOdb 


-Mitwoch  den  22  tag  Augiisty 

Vmb  2  wilde  Annlen   l   per  10  kr  —  20  kr 

Vmb  2  %'  Pambulakhertzen  ')  8   Kr." 

S.  S.  6  fl  1 1  Kr  2  4 
fPfinnztag  den  23  lag  Augusty* 

•Vmb  16  Oartenplutzer  i  fl  12  kr. 

Wüdt  Anntn  Zum  Fachen   i   (Stück)" 

1  »WachU-  14  4,  1  junges  Huhn  3  Kr,  1  junge  Taube  3  Kr. 

S.  S.  7  fl.  44  Kr.     (Akt  10.) 
"»"Freitag  den  24  tag  Augusty 

Vmb  4  A'  Rinndtfaisten  per  3  kr  —  1 2  kr 

Dem  Priedrich  Heim  Fischer  Alhie  Laut  Bekhantnus  Zalt 
vmb  8  Hechten  s  per  1 5  kr  vmb  1 0  kharpfen  t  per  7  kr 
vmb  6  Parmb-)  Ain  per  1 5  kr  vmb  9  EschlJng*)  1  per  8  k 
vmb  Ain  Nerffling')  per  22  k  vnd  vmb  Zway  Lebendig 
Alle  per  2  fi  thuet  alles  benendlichen  8  f]  14  kr.  (Hiezu 
als  Akt  9  die  Original-.(Bekhannlnus".) 

Vmb  3  schockh  March  *)  khreussen  per  24  k  1  fl   12  k 

Vmb  Am  großn  Khyrbas  vnd  grien  Zwesgen  6  k 

Vmb  Ain  Dutzet  Leffl  10  Kr." 

S.  S.   1 6  n   1  9  Kr.     (Akt  8.) 
»Sambstag  den  25  tag  Augtisty 

Vmb  4  khietn  sallz  per  18  4  ===  18  k 

Vmb  Oelb  vnd  weis  Rueben  14  k 

Dise  Wochen  vmb  7  Mas  milich  per  2  k  =  1 4  kr  >    '^''"  ^^'■'^^ 

,,,,,.  _.  ,  ,,  >   Ausgabe  komml 

Vmb  7  Mas  siessen  Kam  per  4  k  =  28  K  Umig-Auguairoi.) 

Vmb  100  Gesalzen   Lemony  —  52  k  2  ^ 
Vmb  '/,  waitz  vnd  Prein  den  Hienern  36  K 
Vmb  2  Achtel  Arbas  •)  1 5  K. 
Vmb  2  Puech  schiltl  Papier  1 0  k " 

S.  S  20  fl.  4  Kr. 

.Alln  7.  ein(machen?)      2  Stuck 
Merffling  [!1  z  Prallen     I 


>)  eridlning? 

•)  Pinnb  =  Birbe. 

ij  Flidurtm. 

«)  Vo«  riudc,  Jie  Mtrcb  -  bd  Theben  !■  die  Dniau  miiadend. 

■)  Erb«. 


Hechtl  zum  sieden  3 

Pamib  zum  sieden  5 

Eschling  zum  sieden"      9 

Kreussen  200 

2  BandP)  kleine  Vögel  a  10  Stück 

4  Tauben,  2  Turteltauben,  4  gemästete  Kapaunen 

14  junge  Hühner. 


(Akt  7.) 


»Suntag  den  26  tag  Augusty 
Vmb  Schoffmagl  12  kr 
Vmb  rot  Hoslnus  8  kr 
Turtitaibl  z.  P  -   2  (Stuck)  z.  P.'' 

S.  S.  3  fl  23  Kr.     (Akt 
»Manntag  27  tag  Augusty 

Vra  Ain  Ä*  speckh  vnd  Ain  Oxnzungen  12  k 
Vm  8  wacht!  per  5  k  =  40  k  -  Vmb  34  Dauben  per 
=  I  f]  42  kr.     Vmb  khym  2  kr". 

tfExtraordinarj  Ausgaben." 
.Vmb  19  Stibich  kholl  per  7k-  2  fl  13  k 


Messerion  davon 

Vmb  Ain  Holz  Hackhen 

Vmb  2  Eyssnen  vnd  ain 

vberzinten  Leichter 
Vmb  2  schlesi  vnnd  Nagl 
Vmb  Ain  Pamschaber^) 


4k 

18  k 


3  4 


18  k 

14  k 
Sk 
S.  S.  8  fl  55  Kr  3 
-  Wien" 


4     (Akt  6.) 


.Erichlag  den  28  tag  Augusty 

«Vmb  435  Ayr  5  per  i  k  =   1  H  27  k 
Vmb  Ain  Puten  Öpfl  zum  khochen  —  26  k. 
Vmb  kherschen  vnnd  Agrest  1 1  k 
Vmb  3  V  khlain  olliuj  per  i  5  k  —  45  k." 

S.  S.:  5  fl  18  Kr  2  4 

»29.  tag  Augusty"         «Vmb  30  Ä*  Lemberflcisch  per  2  k  =:  1  fl 
Vmb  4  Lemberkhepf!   khutlfleckh   vnd  schorfiesl    -     18  k 


(Akt 


>)  Ein  Bändel   -  l'antt  -  VfigcL  bnlriil  tau  vier  vom  Jlner  nuanuneDecburKlcnai 
StOckni.    Schrodlcr.  !■,  247. 

*)  nwniKhsb,  Hobd.    Scfamdler,  IT*.  3»>. 


Tschausch  Hedajets  Aufenthalt  in  Wien  (1565).  201 

Vmb  2  Oxnzungen  vnd  3  fieß   -    20  k  2  /^ 

Vmb  8  Zvnlichen  sackhl   zu  der  greißlerey   -   Ain  sackhl 

per  3  k  =  24  k« 

»Vmb  spenat  6  Kr." 

S.  S.  5  n  3  Kr    (Akt  4.) 

«Pfintztag  den  30.  Augusty* 

»Vmb  4  Reisten')  Allten  Zwiffl  per  3  k  =  12  k 

Vmb  16  Pantl  khlain  fegl  per  10  ,^  =  40  kr    -    Vmb 

ain  Schnepfen  12  k 
Vmb  10  W-:htI  Aine  per  18  /^  -  45  k  -  Vmb  17  Gemest 

Coppäuner  per  1 7  k  =  4  fl  49  kr. 
Vmb  Ain  Metzen  semellmell  45  kr   —   Vmb  31  Mas  Essig 

per  5  kr  =  2  fl  35  k 
-   sallat  —  frischen  Putter   - 
Vmb  7  Groß  Heffen«)  per  5  k  -  35  k  -  Vmb  4  S?  khertzen 

1  per  4  kr  ^  1 6  kr 
Vmb  Ain  Tackhen=>)  5  k.- 

S.  S.  13  fl  9  Kr.     (Akt  3.) 
■  testen  tag  Augusty 

»vmb  weinper  vnd  Pfersich  50  kr.  - 
Tauben    -    Pantl    khlain  fegl   Z.  P.  6  (Stuck)   Groß  Feg! 
z.  P.  4.  —  Karpfen  4  -  Hechtl  kharpfen  vnd  Parmb  zum 
sieden  5  stuckh." 

S.  S.:  4fl  34  Kr  24   (Akt  2). 

In  diesem  Monat  gingen  für  diese  türkische  Botschaft 
auf  n  Kuchl  vnderhaltung  laut  der  Ordenlichen  tag  Zetl " 
282  fl  19  Kr  auf. 


>)  Rdttcn,  ein  Oebfinde,  ein  BOschd. 
«)  Töpfe. 
^  Decke. 


Ein  fürstliches  Menü  von  1730. 

Von  HANS  BESCHORNER. 


Juni  1730  veranstaltete  der  durch  seine  Pninkliebe  bekannte 
Kurfürst  von  Sachsen  und  König  von  Polen,  August  der  Starke, 
über  seine  gesarate  Armee  eine  ziemlich  vier  Wochen  dauernde 
Truppenschau,  die  weit  über  die  Grenzen  Sachsens  hinaus  Auf- 
sehen erregte:  das  in  Wort  und  Schrift  seinerzeit  viel  gepriesene 
Campement  von  Radewitz  oder,  wie  es  gewöhnlich  genannt  wird, 
das  Lustlager  von  Zeithain. 

Ist  auch  die  Auffassung,  daß  die  ganze  Veranstaltung  nur 
ein  großer  Firlefanz,  eine  endlose  Reihe  prunkvoller  F^cste  und 
Schaustellungen  gewesen  sei,  kaum  richtig,  wie  in  mehreren  Auf- 
sätzen des  Neuen  Archivs  für  Sächsische  Geschichte')  ausführlich 
darzulegen  versucht  worden  ist,  so  kann  doch  auch  auf  der 
anderen  Seite  nicht  geleugnet  werden,  daß  bei  den  Festlichkeiten, 
die  zur  Unterhaltung  der  massenhaft  herbeigeeilten  Gäste  fürst- 
licher und  nicht  fürstlicher  Herkunft  notwendig  waren,  ein  Luxus 
aufgeboten  wurde,  wie  er  wohl  seinesgleichen  suchen  kann.  In 
den  Bauten  und  ihrer  inneren  Einrichtung,  in  der  Kleidung  und 
allen  sonstigen  Äußerlichkeiten  kam  die  ganze  Lebensfreudigkeit 
der  anmutigen  Übergangszeit  vom  Baroko  zum  Rokoko  zum 
Ausdruck,  wie  R.  Frhr,  v.  Mansberg  in  seinem  ausführlichen 
»Rückblick  auf  die  Tage  vom  31- Mai  bis  28.  Juni  1730"*)  an- 
ziehend geschildert  hat. 


4 


i>  Bd.  XXVII  (1906),  t03~lSl:  .Bochrdbungn  and  Wtdiiche  Dantcllancm  des 
Zcitbilnn-  Ue^t»  von   MVt-  und  XXVIII  (I907t,  50-tu  und  lW-352:   .Du 
Lager  von  1730-  (mit  einer  Kirtc), 

1)  Wii»cnKhiflllchc  Bdlugc  d«r  Lcipiiger  Zcitun2,  UBS,  Nr.  4t~5S. 


iQncm  oei       i 
Zeitiuiiai^H 


Ein  fflrsdiches  Menü  von  1730. 


203 


SelbsUTrsiändlich  spielte  bei  den  Festen  auch  die  leibliche 
Verpflegung  eine  große  Rolle.     Auch  in  den  Tafelgenüssen  ent- 
wickelte  man  damals  geradezu   eine  Virtuosität,   die  von  keiner 
anderen  Zeit  überboten  worden  sein  dürfte,  selbst  nicht  von  der 
des  Wiener  Kongresses,  die  in  kulinarischer  Hinsicht  immer  mit 
an   erster  Stelle  genannt   wird.     Tagtäglich   bewirtete  August  der 
Starke  zweimal  seine  zahlreichen  Gäste  hoher  und  höchster  Ab- 
kunft, u.  a.  auch  König  Friedrich  Wilhelm  I.  von  Preußen  und 
seinen  Sohn  Fritz  (Friedrich  den  Großen),  mittags  und  abends, 
und   zwar  mittags   meist  an   zwölf  Tafeln.     Diese  zwölf  Tafeln, 
die  königliche,  kronprinzliche,  prinzliche,   preußische,  polnische, 
Fremden-,  Marschalls-,  Offiziers-,  Volontär-^  Diener-^  Towarschen-^) 
und    Damentafel,   waren  in  dem  großen,  aus  türkischen  Stoffen 
prächtig  aufgebauten   Speisezelte  und  einigen   Nachbarzelten  des 
Hauptquartiers  aufgeschlagen  und  in  erlesener  Weise  gedeckt,  die 
drei  ersten  mit  goldenem  Geschirr,  die  vier  nächsten  mit  silbernem 
und   die   übrigen  mit  zinnernem.     Näheres   hierüber  findet  man 
in  den  oben  erwähnten  Aufsätzen  des  Neuen  Archivs,  wo  auch 
der  Maßnahmen  gedacht  ist,  die  getroffen  waren,  um  die  Hof- 
küche  mit  allen  nötigen  Lebensmitteln  und  Leckerbissen  zu  ver- 
sehen.   Welche  ungeheueren  Anforderungen  an  die  Hofverwaltung 
gestelh  wurden,  ersieht  man  aus  dem  Mittags-  und  Abendspeise- 
zettel vom  4.  Juni,  der  sich  in  den  Akten  des  Dresdner  Ober- 
hofmarsch allamtsarchivs   erhalten    hat    und   der   hier   als    kultur- 
historisch wertvolles  Dokument  vollständig  abgedruckt  wird.     Er 
bietet  entschieden    eine    beachtenswerte   Ergänzung  zu    Brillat- 
Savarins  berühmter   ..Physiologie  du   goüt«    (Paris  1825)   und 
ni  den    »Historischen    Küchenzetteln",   die   E.  v.  Marlortie   in 
seinem  Buche  «Das  Menü-  (Hannover  1885)  S.  191  ff.  mitteill.  Zu 
beachten  ist,  daß  am  4.  Juni,  einem  Sonntage,  keine  besondere  Fest- 
lichkeit im  Radewitzer  Hoflager  stattfand,  daß  es  vielmehr  so,  wie  an 
diesem  Tage,  auch  sonst  zugegangen  sein  mag,  wahrend  bei  außer- 
ervöhnlichen  Anlässen  wahrscheinlich  noch  üppiger  gelebt  wurde. 
Die   Erklärung  der   Einzelheiten   nachstehender  Speisefolge 
muß  Sachverständigen    oder    besonderen    Feinschmeckern    über- 
lassen bleiben,  da  der  Verfasser  dieser  Zeilen  nicht  die  nötigen 

»)  Towarziwen  oder  Towinchoi  hicB  in  Polen  die  vomehnw  «hwere  Kavallerie. 


204 


Hans  Bescfaomer. 


D  D 


Kenntntsse  besitzt  und  von  älterer  Literatur  außer  Zedlers   um 
die  Mitte  des  18.  Jahrhunderts  entstandenem  »Universallexikon" 
nur    pj  Den    geschickten    und 
wohlerfahrenen  Engeländischen 
Koch"  (Leipzig,  August  Martini, 

1 742)  zur  Hand  hat,  ein  Buch,  j , 

daszwar  in  die  Küchcngeheim- 
rissc  der  damaligen  Zeit  recht 

gut   einführt,    aber  doch   bei  ■ , 

vielen  der  damals  im  Zeit- 
hainer  Lager  gebotenen  Lecker- 
bissen versagt.  i 1 

Zum  allgemeinen  Ver- 
ständnisse sei  hier  noch  be- 
merkt, daß  im  Zeithainer  Lager  i . 

nicht  nach  französischer  Sitte 
die  einzelnen  Gerichte  hinter- 
einander serviert,  sondern  nach   i 1 

englischer  in  drei  Gängen  auf 
die  Tafel  gesetzt  wurden,  und 

daß  jeder  mit  Hilfe  der  zahl-  l 1 

reichen    zu    Gebote    stehen-  | | 

den  Diener  nach  Gefallen  zu- 
langen   konnte.       In    welcher  ]        1 

Weise    der    erste    Gang    auf-    | | 

gesetzt  wurde,  veranschaulicht 
nebenstehende,  den  Akten  ent- 
nommene, verkleinerte  Zeich 
nung.     War  der  erste  Gang 
abgegessen,  so  wurde  der  fol-  1        | 

gende  in  ähnlicher  Weise  auf-  \ | 

getragen.    Besonders  kunstvoll 

war  der  süße  Gang  hergerichtet,  P      | 

der  an  dritter  Stelle  kam,  nach-  ! I 

dem  das  Tischtuch  gewechselt 
worden  war. 

Zufolge  dem  hier  bis  auf 


ent-    r—\ 
;ich-    I J 


Ein  fürstliches  Menü  von  1730. 


205 


tinige  kleine  Änderungen  buclistabengetreu  mitgeteillen  Speise- 
zettel, der  bemerkenswerterweise  meist  gut  Deutsch  abgefaßt  ist, 
atzten  sich  die  einzelnen  Gänge  aus  folgenden  Gerichten  zusammen: 


Auf  Sr.  Königl.  Majt.  Tafel  Nr.  1  zum  l.  Gang 

(10  Mittel-,  10  kleine  Schüsseln,  18  Assietten,  4  Küchenteller) 

111.2;  Suppen  von  jungen   Hünem,  8,  farcirt,  mit  fr[ischen} 
Gurcken,  Stauden-Sallath  u.  Porlulack,  mit  Ju  von  Kalbfleisch. 

3u.  4:  Suppen  von  jungen,  zahmen  F.nten,  4,  mit  Linssen. 

5u.  6:  Engl.  Rinderbrathen,  56  'ft,  en  ballon,')  garnirl  mit  Ma- 
rinade') von  jungen  Hünern,  12. 

7u.  8:  RindsschwantzstückeUr  SO  ff,  naturel[s],  mit  Sauce  hachi;e 
von  dörren  Trüffeln  u.  Pfcffer-Gurcken.') 

9  M.  10:  Zwey  ganze  fr.  Laclisse,  1 5  fi,  glassirtj  gespickt  mit  Speck, 
garnirl  mit  kl.  Pastetgen  von  jungen  Cappaunen,  2,  u.  Krebssen, 
3  Schock. 
11  u.  12:  Geräucherte  zahme  Schincken,  22  ff,  ä  la  cr^pinc.'J  mit 

Siuce  von  Karpffen,  2  ff,  u.  Champagne- Wein. 
'3u.t4:  Schöpss-Keulenj  18  ff,   farcirt  mit  zahmem  Schweine- 
fleisch, 4  ff,  u.  Nierenslolln  ä  la  braise/}   mit  Ragout  von 
arviol.«) 

'S  u.  16:  Pasteten  ä  I'angloise  von  Rindfleisch,  16  ffj  u.  Haasen,  2, 
mit  Blut  u.  Sauce  hachee  von  Trüffeln  u,  fr.  Champignons. 

'J  u.  18:  Pastelen  von  Schöpsskeulen,  20  ff,  mit  Ragout  von  frischen 
Champignons  u.  Essence  von  Schincken. 

'5  u.  20;  Fr.  Lachss,  3  ff,  u.  dergl.  abgehoben  mit  grünen  Schodcn 
i  rangtoise,  mit  Butter. 


•>  Kkips  von  RitiiJcfbnilen. 

^  .Mvliude  heißen  die  franiöiiKhcn  Köche  eine  SoOc  von  «tlerhand  guten  Oe- 
■wö.'   ZctUcr  XIX,  5p-  1S3B. 

t  Soße  von  lein  gchacklcn  TrüKelii  und  Pfe(fcri£U(ken. 

')  Unter  Krepine  versieht  man  im  alltjflneiiten  eine  Franzc  mit  tan^^  Fäden. 
^|*TifcB  venclii«deiK-ii  Zuberdlungsutm  dw  .Schlnck«  nder  Schunkei"  Kibt  Zedier  XXXIV. 
V  11»,  die  i  la  i:tipine  nicht  an.  Et  kommen  ^tef  anch  Dodi  CicT  mit  Brot  k  la 
°*pWn)T, 

M  Zedier  I,  Sp.  «99:  ,A  U  braise,  dieses  iit  eine  besondere  An,  die  Speisen  za 
**^,  tmd  wird  Judi  sork  ein  gedlmpfte*  Euen  |t«nennel.  Die  Zubcteilune  desaelben 
JJrtiiliii  in  einen]  tnecnuchlen  und  mit  tineni  DccVel  verkleibten  TapK,  so  unten  in 
™ta  Atche  «tehrl  und  oLini  mll  |[lu)iciid(.-n  Kuhlen  bcschüHrl  «ifd.  K»  wird  aber  diese* 
"■i  von  Cipaniken,  Hflnem,  Taubeu  und  dergleichen  gemacht." 

*i  bhucnlmlil. 


21  u.  22:  Junge   Hühner,    8,    mit  Steinkrauth,')    grin«[s].*)    in 

Pappicr. 
23  u.  24:  Kalbslcnden,  i6  f^,  mit  Petersilie  gespickt  u.  gebraten, 

mit  Stauden-Sallath. 
25  u.  26:  Junge  Hühner,  8,  farcirt  mit  Kalbfleisch,  3  Ä*,  zahmem 

Schweinefleisch,  & '^\   u.  Rindsmarcks,  gekocht,  mit  Ragout 

von  Spargel  ä  l'angloise. 
27  u.  28:  Junge  Cappauner,  S,  mit  grflnen  Stachelbeeren. 
29  u.  30:  Junge  Tauben,   12,  gespickt  mit  Schincken  u.   Speck. 

ä  la  braise,  mit  Trüffeln, 
31  u.  32:  Junge  zahme  Enten,  10,  farcirt  mit  Lebcm,  k  la  broche,*) 

mit  frischen  Gurcken. 
33  u.  34:  Poularden,  8,  mit  Essence  u.  Ragout  von  Schincken. 
3S  u.  36:  Rindsealdaunen,  S  ^\  en  pouppiettes,*)  fardrt  mit  Cap- 

paunen,  2,  u.  Sauce  hach^e,  pannirt  mit  Parmesankäse. 
37  u.  38:  Zahme  Schweinscottletten.  20  Ä",  grill6[s].  mit  warmer 

Ramolade. 
39  u.  40:  Cappauner,  3,  gebraten  en  fillet,  mit  grossen  Nudeln 

ä  la  creme,  mit  frischer  Butter. 
41  u.  42:  Gebackene  Reisskuchen  mit  Krebssen,  l^/i  Schock. 


Zum  andern  Gang 
(10  Mittel-,  10  kleine  Schüsseln,   18  Assietten,   4  KüchentelJcr) : 

1  u.  2:  Galla[n]tines^)  von  Rinds-,  36  ff,  u.  zahmen  Schweine 
köpfen,  28  ä',  frischem  Schweinefleisch,  6  ff,  ger.  Rindszungen, 
mit  ger.  Rindszungen,  8,  garnirt 


I 


1 


>]  Winitikrcsse.  rinc  t>eBondcTc  Art  Brunn cnkreuc,  die  ladi  als  Salat  mbcnitet  vird. 

<}  Auf  dem  Roitt  gebralen. 

*)  Ain  SpjeQe  grbrjlm. 

•)  Zrdlti  XXVlll,  Sp.  I93J:  .Poupidtc  itt  eific  «ui  Kalbfleisch  zue«rldilcte  Speise, 
welche  il«r  Kiicli  aul  loigmde  Ait  zubereitet:  Es  Verden  netnlich  aus  einer  magern  Kalbs- 
keule »chmatc  Striein«i  Clei*ch  grM-Jinitleti,  welrhe  maa  alidenn  mil  dem  Messef  fdtt  mfitbe 
klopfet,  und  cbenlallt  derglrichcn  rißnnc  Scbcüxn  Spceäi  gochnitten,  daiüher  man  ilas  vricb- 
gcktoplte  KilbfleiKh  Iciitt,  dieses  mil  OewGirtz  und  Saltic.  wie  aiich  klein  gehackter  Peter- 
silie und  klein  gnctiniDenen  harten  tr^rdoilcm  bcttreuel  und  solches  flbereinander  zusanmen 
lollet,  an  kleine  Spiesgen  stecket,  und  sotchei  Pleiech  also  am  Feuer  gar  brüL  B«y  dem 
Aniichten  wird  entweder  CiInMiensafl  darüber  gednicket,  oder  eine  absanderlicbe  Sose  dar- 
zu  bereite«  " 

^)    L'nler  Qalinlina  vertlehl  man  titi  kalt«  Oerlchl  aus  Schelbrn  leinen  PlriwIlC 
nvncnllich  ücflügcls,  die  sehiditwttse  durch  eine  Uallerl«  rnttcinandcr  rcrbanden  sind. 


3  u.  4:  Abgehoben  Indianische  Stücken*)  k  1a  dauby,')  gamirt 

mit  Mortadelli. 
5  u.  6:  Kalte  Pasteten  von    zahmen  Gänsen,   4,   en  gallantine, 

mit  geräucherten  Rindszungen,  4. 
7  u.  8:  Gebarkene  Mandelkuchen,  garnirt  mit  Tortlettgen*)  von 

Pislalien-Creme. 

9  n.  10:  Tortlen,   dressirt   mit  Teig   von   Mandeln,    mit   Creme 
von    Pistalien    gamirt,    mit    Tortlletgen    von    eingemachten 
Kirschen. 
11  u.  12:  Gebratene   kleine   Frischlinge,   20  ^,   Wildskalbskeule, 

5  Ä*,  junge  Rehe,  3  tf,  u.  junge  Tauben,  6. 
13  u.  14:  Gebraten(e]  junge  Cappauner,  8,  u.  junge  HOner,  S. 
15  u.  t6:  Gebraten[eJ  alle  Cappauner,  6. 
17  u.  18:  Gebralen[esl  Lamm,  1,  u.  junge  zahme  Enten,  3. 
19  u.  20:  Gebralcn[esl  Wildskalb,   10  Ä",  u.  Frischlinge,  6  Ä*,  ge- 

bralen[e]  Phaasane,  2,  u.  Rebhühner,  4. 
21  u.  22:  Gebackene  Creme  von  eingemachten  Orangenschaalen 

u.  Citronat. 
23u.  24:  Gebackene  Spritzkuchen  aussm  Schmalz. 
25  u.  26:  Compote  von  Appelsienen  mit  Gelee  von  Aepffeln. 
27  c.  28:  Arlschocken  mit  weiser  Sauce. 
29  u.  30:  Profitrolcs*)    mit    Ragout    von   Kälbermilch,    Krebsen, 

2  Schock,  Spargel  u.  Trüffeln, 
i'  U.32:  Spargell  mit  Öhl. 

Wu.34:  Spargel]  mit  weiser  Sauce  u.  Eyerdottern. 
55U.36:  Kalbsohren  en  fillet,  weiss. 
3'U.  38:  Brodt,  farcirt  mit  Crfmc  von  Ptslatien,  grilt^. 
Wu.4ö:  Eyerkuchen  roull^[s],  glassirt  mit  Parmcsankässe. 
*'u.  42:  Hyer  mit  Brodt  ä  la  crepine. 

Sallath  von  frischen  Gurcken  u.  Stauden- Sallath. 


„  t  TniAihn.  .ionn  xuch  Oilccatischcs.  indliniichei,  Türcklidwi  oder  Wclxhes 
"wn  manni-  iltüla  XLV.  Sp.  uss;. 

1  Zedier  [.  Sp.  <(00:  -A  U  daobe  isl  dn  mit  Wein,  elwa*  wfnie  W«mt,  Eaüie 
™  IMiHr  Wüftzc  (Ingwer.  Ptrtkt.  Mu^kJtrn- Blüten,  Nttkcn,  l.ocbcYFbliitcm,  Kosinxriti, 
™*dichrtl«B  US*.)  abETknchtn  Esiai  uiiJ  «ird  von  K&Ib%keulLTi,  I ürcktschem  Hihnrn, 
""■Ott,  OSnm,  Fnttti.  Spanfnckdn  und  d^rglriiChtn  gonachl.* 

^  ZnllcT  Xtl,  Sp,  tOO:  •TarlvklEm  und  ktdnr  Torlrn,  velctir  in  klrlncn  PutelcR» 
""'^B,  von  Tci([  n«d  dner  Föilc  bereiW.  grbwkcn  werdwi.* 

*)  Zedier  XXIX,  Sp.  T7S:  .Profilcrols  sind  kleine  Klfisn- von  Kalbndtch  and  Eycrn. 
•^  H»«  Meftl  In  Batter.* 


Vor  Thro  König!.  Majt.  a  parte  12  Assietten:  ^^ 

Rindsschwantzstück,  9  'tt,  ä  l'angloise  mit  Petersiliensauce  u. 
jungen  gelben  Rieben,  weiss,  mit  frisdier  Butter.  i 

2.  Schincken,  6  h\  mit  grünen  Bohnen.  ^| 

5.  Junge  Hüncr,  3,  farcirt  mit  grossen  Krebssen,  1  Schock. 

4.  Tortte  mit  Fillet  von  Poularden,  3,  mit  Champagne- Wein  u. 

fr.  Champignons. 

5.  Schöpss-Cottletten,  S'/j  ff,  mit  Sauce  vor  Vert-JuJ) 

6.  Grosse  Klösser  von  Semmel   u.  Speck  mit  Fillet  von  Indis^ 

nischem  Stück,   1. 

7.  Gebraten(en]  jungen  Cappaun,  1,  u.  Poularden,  2, 
Z.  Gebraten[en]  Wildskalbsrücken,  4  V,  u.  Tauben,  2. 
9.  Artschocken  mit  Eyss. 

10.  Spargell  mit  Öhl. 

1 1 .  Eyerkuchen  mit  Parmesankäss. 

12.  Semmeln,  gefüllt  mit  Crfime  von  Pistatien. 

Sallath  von  frischen  Ourcken. 


A 


Auf  eine  Tafel  Nr.  2  [zum  l.  Gang] 
(6  grosse,  8  Mittel-,  10  kleine  Schüsseln,  16  Assietten) 
1  u.  2:  Suppen  von  Tauben,  S,  mit  Kalbsju  u.  Schoden. 
3  U.  4:  Suppe  von  Cappauner,  2,  mit  Oräupgen. 
5  u.  6:  Englische  Rinderbrathen,  55  ff,  mit  Ju  u.  Soya.-) 
7  u.  8:  Kalbskeulen,  19  >?,  marinirl,  ä  la  broche,  mit  Ju. 
9  u.  10:  Lammj  1,  ä  la  broche  mit  Stau  den -Sallath. 
11:  Pastete  von  Phaasanen^  4,  mit  Sauce  ä  l'espagnole. 


L}  Vcrjus  ist  die  franiöfiiche  Bnekhnurg  für  dm  S*ft  aut  unretftn  Trauben. 
2cdlrf  I,  Sp.  SIS,  ugt  u.  a.  damlKr:  .AgmU,  Vinuni  de  Agrcstx,  OmphaK,  Omphadiun, 
M\A  acrtba,  iTaiiliÖsisch  Venu»,  Tculsch  Agint,  umeilf«,  lifrL«  Tiautien-SalfL  l«l  rin 
Safft,  tcIcIkii  man  aus  den  crüncn,  uitnlffcn  u,  saurm  Ttaubni  macht,  nadimals  durcJt- 
seilet  uDd  In  FiSIrin  oder  Boatrtllen  thut,  dieselben  wol  nispündri  und  vervahrrl;  und 
«rnn  er  lange  daiirtn  und  nicht  kahnig  vi^rden  toLI,  ein  veni|[  Baum-  oder  Mandd-Ocl 
darüber  gießet ...  Er  djrnet  in  An  Kürhm  anstatt  dn  Essigs  an  die  Spcitcn,  viid  aodi 
unter  den  Wdn  pgosscti  und  in  hltrigcn  Kranckhcilm  ah  eine  Atixeoey  gcbnitidit  -  .  . 
Ferner  werden  auch  Aare«  genennet  ciiigeinachlc  Weinbeeren,  ^reiche,  »rnn  sie  nodi  hart 
sind,  von  dm  Stengeln  fein  gemadi  ahgcrif^n.  rein  gewaschen,  wieder  .ibcetrocltnct.  in 
«inen  Maen  MaTm  tcethan,  mit  abgesottenen  Ewig  übergosMn  und  beschwer«  werden.  Sie 
sind  anitalt  der  Oliven  zu  gebrauehcn.  Nuch  heiClrl  man  Agml  den  Safft  von  unrciflcii 
Traoben,  wenn  er  mit  Zucicer  und  dem  Oclhen  von  Cittoncn  au  einem  Syrup  gcutlai  wird. 
Dioer,  unter  friKhca  Waiier  eerilhrel,  lit  ein  guter  Lab-  und  Kübllniiek  bey  gioSen  Uunt 
ttnd  In  liitiigen  Kruicklieitni.* 

*1  Eine  atu  Sojabohnen  berdiete.  pikante  brainc  Sofie,  dir  in  Japan,  Chiiu  owl 
Oitindien  sehr  beliebt  ist  und  von  don  in  deii  Handel  ijebracht  wird. 


12:  Pastete  von  Ind.  Stücken,  2,  mit  Triiffeln. 

13  u.  14:  Cappauner,  4,  farcirt,  mit  Orangen -Sauce. 

15  u.  16:  Kleine  junge  Hüncr,  20,  gekocht,  mit  Spinnalh. 

i7  u.  18:  Junge  Taul)«n,  20,  mit  Petersilie,  gekocht 

19  u.  20:  Kalbslenden,  i5  V,  gesp.  ii.  glassirt,  mit  Spinnath. 

21  u.  22:  Schöpsskeulen,  1 6  it,  ä  la  braise,  mit  Ragout  von  dürren 

Trüffeln. 
23  u.  24:  Hechte,  8  'tt,  en  fricandeau,  mit  Spargell. 
25  u.  26:  Schöpss-Bottcn,')  4,  naturell. 
27  u.  28:  Schöpss-Füsse,  farcirt,  mit  Parmesan kässe. 
29  u.  30:  Frische  Rindszungen,  4,  mit  Mandeln  u-  grossen  Rosinen. 
31  u.  32:  Brodt  von  Kalbfleisch,  18  ih',  mit  Spargell. 
33  u.  34:  Indianische  Stücken,  2,  mit  Sauce  Robert  von  Senff  u. 

Zwiebeln.') 
35  u.  36:  Geräucherten  zahmen  Bauchspeck,  67i  'tt,  mit  Stauden- 

Sallatb. 
37  u.  38:  Lamms-tendron,')  1,  mit  Sauerrampff  u.  Eyerdottem. 
39  u.  40:  Zahme  Qänsse,  2,  ä  la  broche,  mit  Aepffelmiiss. 

Zum  andern   Gang 
(2  grosse,  8  Mittel-,  6  kleine  Schüsseln,  16  Assletten) 

1:  Qebralhen[en]  Wildsrücken,  11  %',  Reherücken  u. -keule,  8  S". 

2:  Qebrathene  Wildskeulen,  20  ^. 

3  u.  4:  Oebrathen|esl   Lamm,  1,  junge  Cappauner,  4,  u.  junge 
Hüner,  6. 

5  u.  6:  Gebrathen[e]  Indian.  Stücken,  4,  u.  junge  Tauben,  12. 

7:  Gebackenen  Hefenkuchen   mit   grossen  u.  kleinen   Rosienen, 
gamirt  mit  Maultaschen  von  Mandeln  u.  Pisquit. 

8:  Gebackenen  Kuchen  von  Pistatien  u.  Pisquit,  gamirt  mit  ge- 

backenen  Mandelschmorren. 
9:  Gebackene  Torlte   von   eingemachten   Kißchen,   gamirt   mit 
gebackenen  Aepffeln  aussm  Schmalz. 

10:  Tortte  von  gelben  Appricosen,  gamirt  mit  gebackenen  Schnee- 
ballen aussm  Schmalz. 

t)  ScMpibuttai  wird  In  dnigen  Oegmden  Drubdiland»  der  Maecn  mit  den  ftbrlgen 
Ei^imiikn  änta  Sdwpte*  geniitni;  v£l.  u.  a.  Giiinin.  Dculichci  WÖrtrrbnch  IX,  tSTi. 

>)  Zedl«  XXXII,  Sp.77:  .Robfitfi-Hriihe.  Sau«  i  Roberl.  ifl  bcy  d«n  Köchen  eine 
Mtt,  «ticlie  HU  Senr,  Stlt2,  Weinnui^,  Picitc-r  itnd  geschnittenen  Zwiebeln  beliebt.  Sie 
NikicaNtiBcnvon  Robert,  einem  berühmten  K<Kheliey  r'ruici«coI  ,  Könige  Jn  Franckreicb.' 

•>  Tendron«  hdßen  in  d«t  KochViuui  die  8n«<lcnonjel  von  Kalb  tirnd:  Lamm 

Ancblv  IUI  KuUurgnclilcbte.    VI. 


4 
* 


11  u.  12:  Spargel  mit  weiser  Sauce. 

13  u.  14:  Spargel  mit  Öhl. 

15  u.  16:  Oeräucherte  Rindsziingen,  6. 

17  u.  18:  Geräucherte  zahme  Gänsse,  2,  garnirt  mit  Methwurst, 

19  u.  20:  Geräucherte  zähme  Schincken,  27  S". 

21  u.  22:  Abgehoben[es]  ger.  Hamburger  Rindfleisch,  geschnitten. 

23  u.  24:  Frischen  Lachss.  7  ^\  blau  gesotten,  gamirt  mit  Krebssen. 

t  Schock. 
25  u.  26:  Krebsse,  2  Schock,  k  la  polonoise. 
27  u.  28:  Rindsgaumen,  glassirt. 
29  u.  30:  Stauden-Sallath. 
31  u.  32:  Sallath  von  frischen  Ourcken. 

Auf  eine  Tafel  Nr.  3  zum  l.  Oang 

(ß  Mittel-,  12  kleine  Schüsseln,  12  Assietten,  4  Küchenteller) 

1:  Suppe  von  Cappaun,  i,  alte[r]  Henne,  i,  u.  Rindfleisch,  8  ^, 
en  roso!,')  mit  Cracauer  Grütze. 

2:  Suppe  von  Schöpssen fleisch,  S  Ä*,  mit  kleinen  Zwiebeln. 

3:  Suppe  von  jungen  Hünern,  5,  mit  Gräubgen. 

4:  Suppe  sant^')  von  Kalbsknoclien^  5  %\  mit  Kalbsj'u. 

5:  Rinder brathen,  30  &,  ä  la  polonoise,  mit  Zwiebeln. 

6:  Rindsbrust,  20  V,  mit  Sauce  hach^  von  gedörten  Trüffeln, 
frischen  Champignons  u,  sauren  Gurcken. 

7  u.  8:  Zahme  Gänsse,  4,  k  la  broche,  mit  Sauerkrauth,  gamirt 
mit  Bratwürsten^  6.  ^d 

9  u.  10:  Schöpsskeulen,  18  S',  ä  la  SL  Menhout  in   Backofen, 
mit  Salpiquon  *)  von  Schincken. 
11  u.  12:  Cappauner,  4,   ä  la  braise,    mit  Eyern   u.  Otronen  k 

l'angloise. 
13  u.  14:  Pasteten  von  Haasen,  4,   mit  Sauce  hachee  u.  Cham- 
pagne-Wein, 


>|  Zedier  XXXlIj  Sp.  t03l :  .Rouol  Itt  eiKcntIkh  eine  Knfft-Suppe  vo»  Rind-,  Kai 
und  HünerCldich.- 

1)  Soupe  cn  unt^  vohl  loviel  vie  Kralltuppe.   gute  BouJIlQn&uppe.    Zedier  tum 
Sic  Hoter  den  Bind  XLI,  Sp    110-361,  genannten  68  Suppen  nichl  mit  aal. 

*)  Salpicon  M  ein  RAeoul  lus  fldicta,  Fisch,  Zunge,  Pilicn  u&w.  mm  Ffillen  <nm 
Putden  u.  d|[t. 


d 


15  u.  16:  Pasteten  von  Cappauner,  4,  mit  Essence  von  Schincken 
mit  Bourgogne-Wcin. 

17  u.  18:  Junge  Enten,  to,  ä  la  breche,  mit  grünen  Stachelbeeren 
in  Zucker  gesotten. 

19  u.  20:  Lamsbrüste,  1,  farcirt  u.  gespickt  mit  Speck,  mit  Ragout 
von  Stauden-Sallath. 

21  u.  22:  Junge  Cai^uner,  10,  ä  la  polonoise  farcirt,  mit  Ju  u. 
frischer  Butter. 

23  u.  24:  Zahme  Schweinscottletten.  11  fi*^  ä  la  broche,  mit  Sauce 
Robert  von  Senff  u.  Zwiebeln. 

25  u.  26:  Junge  Tauben,  14,  en  cormpote,^)  mit  Spargel,  Kälber- 
milch u.  Krebsscn,  2  Schock. 

27  u,  28:  Kalbs-tendron,  9  ff,  mit  dörren  Trüffeln  u.  Champagne- 
Wein. 

29  u.  30:  Klösser  von  Kalbfleisch,  9  ff,  mit  Spargel,  gamirt  mit 
KalbscottleMen,  10  ff. 

31  u.  32:  Spinnath  gekocht,  gamirt  mit  geräucherten  Rindszungen,  4. 

33  u.  34:  Junge  Hüner,  4,  ä  la  Tartare,')  mit  Ju. 

35  u.  36;  Kleine  Boucons*)  mit  Farce  von  Kalbfleisch,  6  ff. 

Zum  andern  Gang 

(4  Mittel-,  12  kleine  Schüsseln,  12  Assietten,  4  Küchenteller) 

t  u.  2:  Tortten   croquanl(s]  *)    mit  Johannesbeer- Oel^e,    gamirt 
mit  gebackenen  Englischen  Schnitt[en], 

3  u.  4:  Kuchen  von  Pistatien  u.  Bisquit,  gtasirt  mit  bundem  Streu- 
zucker, garnirt  mit  Beigneis  von  Aepffeln ')  u.  Mandel  späh  nen. 

5  u.  6:  A  la  Dauby  von   Indianischen   Stücken,   2,   gamirt  mit 
geräucherten  Rindszungen,  S. 

7  u.  8:  Spahnferckel,  2,  en  gelie,  mit  grossen  Rosienen,  gamirt 

mit  Serbellatwurst,  2  ff. 
9  u.  10:  Gebratene  2  Rehekeulen,  8  ff,  u.  junge  zahme  Enten,  8. 

I)  Ea  £tbl  nlcbl  nui  .eingrinachle  Frücbtr-,  wiidnn  auch  Taubon.  die  In  ]as  oder 
inunlc  Bonillon  rineclrgl  wtrdai,  nachdem  tic  jjnpickt  und  Erbrüten  Tcrdcn  und, 

'^  KriBl  vicIleicTil  so  viel  wie:  niil  Sauce  Urtire  (Eiw-StiiFsoBc) 

^  Bottcon  cigenllidn  tin  vtrgiU^ttr  Bis:*m  od«-  Tiank,  bin  nrtnihir  ein  Putdcben. 

t  Tarle  croquJnt,  Cioqiunl-Tark,  Krachtoite  nennt  nun  titte  bcsondrrr  Art  «chari 
f^Kkown  Kadiens,  drt  beim  Cskti  mit  h&rbaron  Oeriusrhp  Tcrbrichl  {Krichscbukerm, 

t  Afilribcicnets  sind  Apfeltchnittcn,  in  Teig  gehüllt  and  in  Frtt  odrr  Bottcr  gcbadicn. 

U* 


11  u.  t2:  Oebraten[el  junge  Cappauner,  8,  u.  junge  Hüner, 

13  u.  14:  Oebraten[c]  alte  Cappauner,  6. 

15  u.  16:  Gebraten[es]   Lamm,   1,  u.  junge  Tauberf,   12. 

17  u.  18:  Spargel  mit  Öhl. 

19  u.  20:  Spargel  mit  der  weisen  Sauce. 

21  u.  22:  Gcl^e  h  la  royale  von  Rheinwein. 

23  u.  24:  BIanc-mange{r]  *)  von  Mandeln, garnirt  mit Oranataepffeln. 

25  u.  26:  Gänssekteint  schwartz  mit  Blut. 

27  u.  28:  Artizschocken  mit  weiser  Sauce. 

29  u.  30:  Stauden-Sallath. 

31  u.  32:  Sallalh  von  Serdellen  u.  grossen  Oliven. 

Auf  eine  Tafel  Nr.  4  (nur  ein  Gang,  bestehend  aus 
6  Mittel-,  24  kleinen  Schüsseln,    12  Assietten,  4  Küchentellcm) : 

1  u.  2:  Rtndsbrüste»  38  'h',  ä  l'angloise,  mit  Wurtzelwerck. 

3  u.  4:  Zwey  halbe  Schöpsse,  30  Ä',  gespickt  mit  grosem  Speck, 

ä  la  broche,  mit  Stauden -Sallath. 
5  u.  6 :  Kalbsbrüste,  1 5  ft*,  roul]ce[s]  mit  Krebsscn,  2  Schock,  u. 

Kälbermilchen. 
7  u.  8:  Suppen  von  jungen  Tauben,  8,  farcirt  mit  frischen  Ourcken. 
9  u.  10:  Suppen  von  Cappaunen,  2,  mit  grüner  Purree  u.  Par- 
mesan käss. 
11  u.  12:  Zahme  Gänsse,  4,  en  gallantine  ä  la  dauby,  mit  Spargell. 
13  u.  14:  Cappauner,  4,  gekocht  ä  l'angloise,  mit  Spinnath,  gamirl 

mit  geräuchertem  Bäuchspeck,  8  tt.  ^M 

15  u.  16:  Abgeboben[en]  zahmen  Schincken  ä  la  braise,  mit  Sauc^^ 

k  l'espagnole. 
17  u.  18:  Lammfleisch,  t,  k  la  broche,  mit  Ragout  von  frischen 

Ourcken. 
19  u.  20:  Gänssekteint  en  fricass^e. 
21  u.  22:  Gebraten[es]  Lamm,  1,  u.  junge  Tauben,  12. 
23  u.  24:  Oebratenle]  junge  zahme  Gänsse,  4,  u.  junge  Enten,  4. 
25  u.  26:  Gebralen(e]  junge  Cappauner,  8,  u.  junge  Hüner,  4. 
27  u.  28:  Gebratcn[en]  Thannhirsch rücken,  6  ^,  Reherücken,  4 
u.  Hirschkeul- Lenden,  20  Ä*. 


I 

4. 

1 


>)  Zedier  IV.  Sp.  li,   gibt  zvd  Rnteple  für  die  Zubectilung  dirm  Blinc-tnanc«-, 
■«incr  vmiuckcrtcn  MindH-Mikh,   mit  Stfll  au&  Opaunm,  Kilber-l'iillen  utv.  und  Mlkli 


35 
37 
39 
41 
43 


29    ü.  30:  Spargel  mit  weiser  Sauce. 

31    lt.  32:  Junge  Hüner,  12,  ä  la  polonoise,  mit  geriebener  Semmel, 
Wein,  Citronen,  Serdellen  ii.  frischer  Butter. 
«j.  34:  Junge  Tauben,  16,  en  compot[e],  weiss,  mit  Kälbermilch 

u.  Spargell, 
u.  36:  Pastelen  mit  Hachy  von  Kalbfleisch,  to  Ä*. 
Xi.  38:  Melonen  mitRagoul  von  jungen Capjiaunen,  5, u. Trüffeln. 
u.  40:  Creme  ä  l'angloise  von  Bisquit  u.  Orangen-Schaalen. 
u.  42:  Tortten  von  eingemachten  Johannesbeeren, 
u.  44:  Eyerkuchen  mit  Serdellen  u.  Parmesankäss. 
*5  u.  46:  Kalbslebern  geröst  mit  Speck. 

Sallath  von  Irischen  Ourcken,  grossen  Oliven, 
Rabintzel  u.  Stauden-Sallath. 

Auf  zwey  Tafeln  Nr.  5  u.  6 
(auch   wieder   nur  ein  Gang  mit  mehreren   Einschiebegerichten, 
**cstchend   aus  4  großen,    S   Mittel-,   28   kleinen  Schüsseln   u. 

32  Assietten) 

^    U.2:  Suppen  von  jungen  Cappaunen,  4,  mit  Stauden-Satlath 

u.  Portulack,  mit  Ju  von  Kalbfleisch. 
3    u.  4:  Suppen  von  jungen  Hünern,  8,  mit  Cracauer  Grütze  u. 

Petersilienwurtzeln. 
5    XI.  6:  Suppen  ä  la  reine  von  Cappaunen,  2,  u.  weiser  Coally 

von  Mandeln  u.  alten  Hünem,*)  3. 
'    la.  8:  Suppen  von  Rindsmarcksknochen,  13  ä*,  mit  ju  von  Kalb- 
fleisch en  pisque,*)  mit  dörren  Trüffeln,  Kälbermilch  u.  Cham- 
pignons. 
'   la.  10:  Frisch  Rindfleisch,  54  Ä",  ä  la  braise,   mit  Ragout  von 

frischen  Ourcken. 
^    U.  12:  Geräucherten    zahmen   Schincken,    22  üt,    mit    dörren 

Erbssen,  garnirt  mit  geräuchertem  ßauchspeck,  3  ^'. 
*^  i*.  14:  Schöpsslenden,  16  ff,  ä  la  broche,  gespickt  mit  Peter- 
silie, mit  Sauce  von  Stauden-Sallath. 


oöer 


■)  Cc>ullsbda(nachZ«ll«-VI,  Sp  1476,  .cid  gantz  errkochks  und  durch gMchUgtiM* 


^^-^dBickgnlrdcklcs  Cswn  oder  äa  äMTeb^ratlfitt  SaflE  von  Ka]l>-Flmch,  llünun,  Tauben, 
^***^h«ad  Oortcn-Orridtscn.  fischm  usw  und  rtlichem  Orrürtrr,  «clcbm  nun  nidit  nur 
v^^'^^fftMttn  und  l>oucen  nQalkh  Kcbrucbcn.  sondern  in  tyi  ^utc  Briihcn  davon  itixdKfi 
^'■*".    Folgt  Rczrpl. 

*)  Unber  BIsquc  «ersteht  BUi  cm«  Kraftbrühe  von  KrebMn,  Ocnfigcl  us*. 


15  u.  16:  Rindslenden, l8i?,gespickt,älabroche,mitSerdcIlen-Sauce, 
17  u.  18;  Tortten  von  Kalbfleisch,  12  ff,   cn  friccandeau,   weiss, 

mit  gebrochenem  Spargel]. 
I9u.  20:  Tortten   von   Lammfleisch,  i,  mit  Sauce  k  I'espagnolc 

mit  Champagne- Wein,  ^d 

21  u.  22:  Tortten  von  Cappaunen,  4,  mit  frischen  Champignons 

u.  gedörrten  Trüffeln. 
23  u.  24:  Tortten  von  jungen  Tauben,  20,  mit  Sauce  hach^  von 

dörren  Trfiffeln  u.  frischen  Champignons. 
25  u.  26:  Grosse  Klösser  von  geriebener  Semmel  u.  Speck,  gamirt 

mit  geräucherten  Rindszungen,  4. 
27  u.  28:  Indianische  Stücken,  2,  ä  la  broche,  mit  Sauce  Robert 

von  Senff  u.  Zwiebeln. 
29  u.  30:  Cappauner,  4,  mit  fein  Krauth  u-  JU;  gamirl  mit  Pro- 

[itroles  von  Krebssen,  2  Schock.  ^M 

31-34:  Schöpssfüsse,  farcirt  u.  gebacken  aussm  Schmalz. 
35-38:  Kleine  junge  Hüner,  28,  en  surprice,^)  mit  Bassilicum,') 

aussm  Schmalz  gebacken. 
39,  40:  Engl.  Bouddins,  gekocht,  von  Semmel  u.  Pisquit  mit  gross* 

u.  kleinen  Rosienen,  mit  Weinsauce.  ^m 

41-44:  Kalbsbrüste,  ISA*,  gespickt  mit  Portuladt.  V 

45  —  48:  Zahme  Enten,  16,  farcirt,  ä  la  broche,  mit  Ragout  von 

frischen  Qurcken. 
49  —  52:  Schöppsb rüste,  15  ff,  gril36e[s],  mit  Sauce  pauvre  home') 

von  Ju  u.  Challotten. 
53-56:  Kalbslungen,  4,  mit  Meyeran,  gamirt  mit  dergl.  Lebern 

geröst. 
57-60:  Brathwürstc,  20,  mit  Saucrkrauth. 
61-64:  Junge  Tauben,  28,  en  compote  mit  Kälbcrmilchen  u. 

Spargell. 
65-68:  See-Persche,  12  ff,  mit  zerlassner  Butter, 
69-72:  Karpffen,  12  ff,  ä  la  duve')  mit  Capem. 


icn    u. 

4 


1)  Vahi&chnnlich    HÜhntr    mll    airni    mAelidini    Zutatm,    v!e   wir    mch    voa 
Schnr(2«ln  .mil  Hindrrnlkjra*  und  ahnlichL-m  «prrchcn. 

*J  Itaamcum,    HimÜcti-   oder  Hlmltratit.   dn  bekannt«   KüchcnpirtiT.  du  frii 
anch  virl  iti  Hdlivcckra  vcrwcndo  »Tirdc 

I)  Pk  Sin»  k  puivn  honimc  bnichl  tür  sevälinlidi  at»  kallcm  TatBcr,   SbIx 
und  Zvicbcin. 

^  l«t  «WS  auch  dai  hiulig  vorliammnide  i  la  daubr  {nnrinl? 


rüb«^ 


Zum  Einschieben  (4  Mittel-,  24  kleine  Schüsseln): 
1,  2:  A  la  Dauby  von  Indian.  Stücken,  4,  gamirt  mit  geräucherten 

Rindszungen,  12. 
3,  4:  Geräucherte  zahme  Gänsse,  2,   gamirt  mit  Se^bellat^^'u^st, 

5  —  8:  Gebackene  Torttcn  von  Citroncn,  gamirt  mit  Torttletgen 

von  eingemachten  Johann esbeereti. 
9—  12:  Gebackene  Kuchen  von  Pisquit  mit  Zimmet,  gamirt  mit 
gebackenen  Manilelmuscheln. 
13-  16:  Oebraten[e]  Indian.  Stücken,  8,  u.  junge  Tauber,  24. 
17-20:  Gebratene  Kalbskeulen,  40  iv\ 
21  —  24:  Gebratene  zahme  Gänsse,  8. 
25  —  28:  Gebratene  Lämmer,  2,  u.  junge  Hüner,  24. 
Sallath  von  grossen  Oliven,  Kräuther-Sallath, 
Serdellen-,  Asia-,*)  Frischen-Ourcken-  u.  StaudenSallath. 

Auf  eine  Tafe!  Nr.  7,  erster  Gang 
(2  grosse,  4  Mittel-,  1 4  kleine  Schüsseln,  1 2  Assietten,  4  Küchenteller) 

1:  Suppe  en  rosol  von  Rindfleisch,  5  tf,  u.  alter  Herne,  1,  mit 

Cappaun,  t,  u.  Cracauer  Grütze. 
2:  Suppe  von  Schöpssschlegel,  S  ff,  mit  kleinen  Zwiebeln  u.  Ju 

von  Kalbfleisch,  5  Ä'. 
3:  Suppe  von  jungen  Hünern,  5,  mit  Gräupgen. 
4:  Suppe  von  Kalbsknochen,  3  'it,  mit  Ju  en  santf. 
S :  Engl.  Rinderbrathen,  32  V,  mit  Ju  von  Kalbf].,  4  %\  u.  Challotten. 
6:  Fri5ch[esl  Rindfleisch,  26  ft',  mit  Sauce  hach^e  von  Trüffeln. 


')  Zrdlpt  H,    Sp.   IBMf,:   -Aiii,    odn   vidmchr   Advhiir,   Ii«l«ilc1  bcy  dmrn   tn- 

dlancrn  ins|[CTii^n  alltrlcy  tnil  Saltr  und  Ess()[  ping^rpöckcllc  U'iirizHn,  Kriutn  und  PrCrhK, 

mit  Mc«r-rortuI>c,  [ndiinlKhe  Spargtn   und  dcrEleichen.    Dasjenige  iber,  vas  unCrr  dem 

NaliBiai  Asja    insonderheit    ni    uns   hrutign  Tages  gebracht   wird,    hi  nichts  andern  alt 

Tanones,   iit  JtuiKen  SchöSli»^  des  giaften  Zucker- Rnhn^,  velches  von  Cssp.  Baubino 

Arando  arboi  g^nennH  wird,     l>ie»e4  Zuckcr-Roht  stoßet  junge,  J'arte,  doch  niweilcn  vohl 

Kraa  dickr  Schn-nen   hcnnr,  dieselben   grabet  man  tieff  aus  der  ErdeTn   kochet  sie  dn 

«olf  in  VTissei.  V3,  vie  man  mit  Spargen  hier  im  L^uide  thui.     f'emer  Khneidet  man  ue 

1»  rvadt  Scheiben,  bctprengct  selbige  mit  Salti  und  legM  uc  einige  Tage  in  die  Luffl,  Jr* 

dodi  aho,  d^  sie  nicht  gar  zu  irocken  «erden,  darnjich  schütlrt  man  tie  In  Töpife  nnd 

HmgleM  «e  mit  Palm  Wrln-Essig,    »ekhrr  ruvtir  mit  gtoh  ge^loBcrcti  Srnfl-Saamcn  bifi 

■I  die  HHfftc  cifJEckocht  »ordei.    Solche  Töptfe  werden  «ohl  verbunden  und  lun  Oe- 

tiaift  inlgcliobcn,  auch  in  fremde  Orter  versendet,  «ie  denn  einige  davon  auch  lu  uns 

M  HeHaild  fcomNirn.    Man  steSlel   aber  diese  Asja  bey  uns  aul  ah  eine  Rarität  und  is&H 

<''  nn  OcbnIcBS,  als  daau  sie  sich  wegen  Ihm  etwas  scharffen  Oesdnnacks  am  besten 

«Mchif 


7,  8:  Zahme  Oänsse,    2,    mit   Sauerkrauth,   gamirt    mit    Brat- 
würsten, 6. 
9,  10:  Schöpsskeulen,  16  ^,  k  la  SL  Menhout,  mit  Salpiquon 
von  Schincken  u.  Spargell. 

IT,  12:  Pasteten  von  jungen  Haascn,  5,  ä  Tespagnole,  mit  Cham- 
pagnewein. 

13,  14:  Pasteten  von  jungen   Cappaunen,   6,  mit  Essence   von 
Schincken. 

15,  16:  Lammsbrüste,  1,  farcirt,  gespickt  u.  glassirt,  mit  Stauden- 
sallath. 

17,  18:  Cappaimer,  4,  ä  la  braise,  mit  Eyem  u.  Citronen  ä  l'angloise. 

19,  20:  Haascn,  2,  en  jubelotte,')  mit  Bourgogne-Wein. 

21,  22:  Junge  Hüner,  14,  en  compole  mit  Spargell,  Kälbermilch 
u.  Krebssen,  2  Schock. 

23,  24:  Zahme   Schweinslenden,    16  'S,   mit  Sauce   Robert  von 
Senff  u.  Zwiebeln. 

25,  26:  Junge  Tauben,  14,  en  compote  mit  Spargell. 

27,  28:  Kalbstendron,  8  tt,  mit  Champagne- Wein. 

29,  30:  Klösser  von  Kalbfleisch,  SÄ",  gamirt  mit  Kalbscottletten,  5  S". 

31,  32:  Spinnath,  gekocht,  mit  Milchraum,^)  garnirt  mit  geräucherten 
Rindszungen,  4. 

33,  34:  Junge  Cappauner,  8,  grill^e[s]  mit  Vertju. 

35,  36:  Boiicons  von  Kalbfleisch,  4  Ä'. 


Zum  andern  Gang 
(2  Mittel-,  14  kleine  Schüsseln,  12  Assietten,  4   Küchenteller) 

1,  2:  Tortten  croquant[s|  mit  Gel6e  von  Johannesbeeren,  gamirt 

mit  Croqucts  von  eingemachten  Kirschen. 
3,  4:  Kuchen  von  Pistatien,   glassirt,   mit   Pisquits,   gamirt    mit 

gebackenen  Collalzschen  von  Mandeln. '') 
5,  6:  Spalmferckel,  2,  en  gel^e,  gamirt  mit  Serbellatwurst,  2  Ä". 
7,  8:  Kalte  Pasteten  von  Cappaunen^  6,  u.  Rindslendenj  6*/i  Ä*, 

mit  Champagne- Wein. 
9,  10:  Gebraten[e]  junge  Cappaunen,  4,  u.  junge  Hüner,  8. 


I 

i 


t}  Vldkii^t  dne  Art  HucnpfcKcr. 
*t  Rahm,  S^ne. 

^  Mudelkolaudicn,   noch   heute  ein   Duntntlicli   in  Ötkrrcich  bdiebtec   ßutt«r- 
pMck  In  KloBlurm. 


II,  12:  Gcbraten(el  Thannen-Wildskeulen,*)  16  Ä*,   u.   4   kleine 
Frischlinge,   16  h'. 

13,  14:  Gebrateii[es]  Lamm,  i,  u.  junge  Tauben,  12. 

15,  16:  Oebratenlel  Cappauner,  4,  u.  junge  Hüner,  8. 

17,  18:  Spargell  mit  Öhl. 

19,  20:  Spargel  mit  weiser  Sauce. 

21,  22:  Lammsköpffgen  grillee[s]  mit  braurer  Butter. 

23,  24:  Kalbslebern  geröst  mit  Speck. 

25,  26:  Schöpsszungen  ä  la  Mattelotte  ^  mit  Bourgogne-Wein. 

27,  28:  Krebsse,  2  Schock,  ä  rangloise. 

29,  30:  Saliath  von  frischen  Gurcken. 

31,  32:  Sallalh  von  Serdellen. 
I  Die  von  dem  zweiten  Gange  dieser  Tafel  übrig  gebliebenen 

I    Speisen  erhielten  die  Königl.  Poln.  u.  Königl.  Preuss.  Pagen. 

^^^^H  Auf  eine  Täfet  Nr.  8,  erster  Gang 

^^^^r        (8  Mittel-,  6  kleine  Schüsseln,  8  Assietten) 

I,  2:  Suppen  von  jungen  Hünern,  4,  mit  Reiss. 

3,  4:  Suppen  von  jungen  Tauben,  8,  en  bisque,  mit  Kälbermilch, 

Brechspargel  u.  dörren  Trüffeln. 
5,  6:  Croquant-Tortte  von  eingemachten  Kirschen,  gamirt  mit 

Torttletgen  von  eingcm.  Johannesbeeren. 
7,  8:  Kalbskeulen,  21  Ä*,  gespickt  u.  gebraten,  mit  ju  u.  frischer 

Butter. 
9,  10:  Zahme  Seh  wein  sie  nden,  22  ^,  ä  la  broche,  pannirt,  mit 

Sauce  Robert  von  Senff  u.  Zwiebeln. 

II,  12:  Profitroles  mit  Ragout  von  Cappaunen,  4,  u.  Krebssen, 
2  Schock. 

13,  14:  Pasteten  von  jungen  Hünem,  8,  mit  Spargel  ä  la  crSme. 
tS,  16:  Engl.  Pasteten  von  Haasen,  2,  u.  Schöpssenfleisch,  2  ff, 

mit  Bluth. 
II,  18:  Alte  Cappauner,  4,  ä  l'angloise,  farcirt  mit  Lebern  u. 

fein[em]  Krauth,  mit  Essence  von  Schincken. 

■l  DamviLilliinilcH, 

*)  A  1>  maleloif  ri]{cnl1kh  ein  mit  tlncT  schiri m  Soße  bereiteta  FiKhgcHchl,  dtnn 
He*tl  MaklotwOr  ani:eTicli(eie  Speise.  Fdne  MaleloboOc  wird  mit  KcKvtin,  Schinkm- 
«Mihi,  Zwiebeln,  Thymian,  LuTbrcrhlältcrn,  Petnsilie,  Cham pig neos,  NHlien  iiiid  Pfdfcr 
Andkt 


) 


19.  20:  Junge  zahme  Enten,  &,  k  la  braise,  eit  ballon,  mit  jungen 

gelben  Rieben. 
21,  22:  Kalbsbrüste,  tO  'h\  farcirt  u.  gebraten,  mit  Spargell. 


Zum  andern  Gang 
(2  Mittel-,  8  kleine  Schüsseln,  »2  Assietten) 
1,  2:  Gebraten  [ej  junge  Gänsse,  4,  u.  Cappauner,  2. 
3,  4:  Gebraten[e]  Rehekeule  u.  -nicken,  8  W',  Wildskalb,  10  ^, 

junge  Haasen,  l,  u.  abgehoben  [e]  Hirsch keul- Lenden. 
5,  6:  Gebraten[e]  junge  Cappauner,  6,  u.  junge  Hüner,  8. 
7,  8:  Spargel  mit  öhl  u.  mit  weiser  Sauce. 
9:  Kalte  Pasteten  von  Indianischem  Stock,  i. 
10:  Junge  zahme  Gänsse,  2,  ä  la  dauby,  gamirl  mit  geräucherten 

Rindszungen,  2. 
11,  12:  Creme  grillte  von  Pistatien. 
13,  14:  Qellee  von  Orangen. 

15,  16:  Zahme  Schweinsfüsse,  10  fr,  a  la  St  Menhout. 
17,  18:  Kalbsohren  en  fillet. 
19,  20:  Gebackene  Schneeballen  aussm  Schmalz. 
21,  22:  Ragout  von  Trüffeln  in  Öhl. 

Sallalhe  von  Kräuthem, 
Entieffien,  frischen  Gurcken  u.  Rettiessgcn. 

Auf  eine  Officierstafel  Nr.  9 

(wie  auch  bei  den  Tafeln  10-12  nur  ein  Gang,  bestehend  ai 

6  grossen,  4  Mittel-,   1 2  kleinen  Schüsseln  und  1 6  Assietten) 

1,2:  Suppen  von  Schöpssenfieisch,  8  ft,  mit  Linssen. 

3,  4:  Suppen   von   Cappaunen,   2,    mit   Kräiithcrn   u.  Ju   von 

Kalbfleisch. 
5,  6:  Engl.  Rinderbrathcn,  28  tf,  mit  Ju  \i.  abgehoben[em) 

räucherten  Rindfleisch,  mit  Petersilie. 
7,  8:  Abgehoben(e]   halbe  Schöpsse  mit  Ragout  von  Gurcken. 
9:  Indian.  Stück,   1,  mit  Sauce  hachee  von  Trüffeln.  . 

10:  Zahme  Gänsse,  2,  mit  grünen  Stachelberen. 
1 1 :  Geräucherten  zahmen  Schincken,  1 1  V,  garnirt  mit  geräucherten 

Rindszungen,  2. 
12:  Abgehobene  | 1  h  la  dauby  von  Qänssen. 


13;  Gebackene  Tortte  von  Kirschen,  mit  gebackenen  Torttletgen 
von  Johannesbeeren  garnirt. 

14:  Abgehoben [en]  gebackenfen]  engl,  ßoudding,  garnirt  mit 
Schneeballen  aussm  Schmalz  gebacken. 

15:  Kalbskeule,  11  )k',  mit  Stauden-Sallath. 

16:  Lammfleisch,  '/t-  ^''  Frischer-Butter-Sauce. 

17,  IS:  Gebratene  2  Hirschrücken,  24  tf. 

19,  20:  Gebratene  Indian.  Stücken,  4. 

21,  22:  Gebratene  Kalbskeulen,  26  Ä". 

23:  Pastete  von  Rehekeulen,  8  Ä'.  mit  Serdellen -Sauce. 

24:  Pastete  von  jungen  Hünem,  6,  mit  Spargell. 

25,  26;  Kalbfleisch,  6  ff,  mit  kleinen  Rosienen  u.  Capern. 

27,  28:  Schöpsskculen,   16  ff,  mit  Stauden-Sallalh. 

29,  30:  Junge  Hüner,   12,  en  friccass^e  mit  dörren  Trüffeln. 

31,  32:  Junge  Tauben,  16,  mit  Ragout  von  Krebssen,  2  Schock. 

33,  34:  Grosse  Speck  -  Klösser  von  Semmel,  garnirt  mit  ge- 
räuchertem zahmen  Bauchspeck,  9  Ä'. 

35,  36:  Junge  zahme  Enten,  8,  ä  la  braise,  mit  Ragout  von 
grossen  Oliven. 

37,  38:  Kalbsköpffe,  2,  mit  Specksauce. 

Sallath  von  frischen  Gurcken,  Stauden-Sallath  und  grossen  Oliven. 


Auf  eine  Volunteurs-Tafel  Nr.  10 
(4  grosse,  8  Mitlei-,  lO  kleine  Schüsseln,  14  Assietten) 

I,  2;  Suppen  von  Seh öpsscn fleisch,  8  tf,  mit  Ju  u.  Linssen. 

3,  4:  Suppen  von  alten  Hünem,  2,  mit  Kräuthern. 

5.  6:  Gebratene  halbe  Schöpsse,  26  S',  u.  junge  Hüner,  8. 

7,  S:  Gebratene  Spahnferckel,  4. 

9,  10:  Gebratene  zahme  Gänsse,  2,  u.  Indianische  Stücken,  2. 

11,  12:  Frisch[esl  Rindfleisch,  39'*',  mit  Petersilie. 

13,  14:  Lammfleisch,  1,  mit  Frischer- Butter-Sauce. 

15,  16:  Indianische  Stücken,  2,  mit  Sauce  hach^e  von  Trüffeln. 

17,  18:  Junge  zahme  Gänsse,  4,  mit  Stachelbeeren. 

19,  20:  Zahmes  Schweinefleisch,  8  'ft,  mit  dörren  Erfassen. 

21,  22:  Gebackene  Tortte  mit  eingemachten  Stachelbeeren. 

23,  24:  Lammfleisch,  I,  gekocht,  mit  Sauerrampff. 

2S,  26:  Kalbfleisch  mit  Capem  u.  kleinen  Rosienen. 


21,  28:  Junge  Hüner,  12,  k  la  polonoJse  mit  Citronen  u.  frischer 

Butter. 
29,  30:  Alte  zahme  Enten,  4,  k  la  braise,  mit  Oliven. 
31,  32:  SchüpssenfJeisch,  6  9t,  mit  Braunkohl. 
33,  34:  Schöpss-Cottletlen,  11  ff,  mit  brauner  Butter. 
35,  36:  KaIbs[ge|krÖsse,  4,  en  friccass^. 
Sallalh  von  frischen  Ourcken,  Stauden-Sallath  u.  grossen  Oli> 


Die  Gerichte  der 

Dowarschen-TafeM)  Nr.  11 

(4  grosse,  &  Mittel-,  10  kleine  Schüsseln,  14  Assietten) 
waren  fast  die  gleichen,  wie  bei  Tafel  10;  nur  gab  es  als  Gericht 

5,  6:  Gebratene  Indianische  Stücke,  4. 
1,  3:  Gebratene  Lämmer,  2,  u.  junge  Tauben,  8. 
27,  28:  Friccass^  von  jungen  Hünern,  )2,  mit  Spargell. 

35,  36:  Rindskaldaunen,  8  i^,  mit  Meyeran. 

SailatJi  von  Entieffien,  Stauden -Sallalh  u.  frischen  Ourcken. 


Auf  eine  Do mestiquen -Tafel  Nr.  12 
(4  grosse,  8  MIttel-j  10  kleine  Schüsseln,  14  Assietten) 

1,  2:  Suppen  von  Schöpsscnfleisch,  7  'ft,  mit  Linssen. 

3,  4:  Suppen  von  Cappaunen,  2,  mit  Kräutltcrn. 

S,  6:  Gebraten[e]  Wildskeulen,  28  ff. 

7,  8:  Gebratene  Indianische  Stücken,  4,  u.  Junge  Hüncr, 

9,  10:  Gebratene  junge  zahme  Oänsse,  4,  u.  junge  Tauben,  12, 
11,  12:  Abgehoben[es]  Pöckel- Rind  fleisch. 
13:  Abgehobene  Pastete  von  Cappaunen. 
14:  Pastete  von  Lammfleisch,  ^j^,  mit  Spargetl. 
15:  Abgehobene  Schöpsskeule  ä  la  braise. 
16:  Kalbsschlegel,  10  ff,  mit  Ju  u.  frischer  Butter. 
17,  18:  Zahme  Oänsse,  4,  ä  la  breche,  mit  Stachelbeeren. 
19,  20:  Indianische  Stücken,  2,  mit  Sauce  hach^e  von  dörren  Trüffeln.' 
2\,  22:  Frisch[es]   z3hm[es]   Schweinefteisch,    12  h',   mit   dörren 

Erbssen. 
23,  24:  Kalbfleisch,  6  ff,  mit  Capern  u.  kleinen  Rosienen. 

1]  siehe  oben  S.  W,  Ann.  1. 


25,  26:  Tortten  von  eingemachten  Kirschen,  mit  dergleichen  Tortt- 

letgen  gamirt 
27,  23:  Gänssekleint  schwartz. 

Nach  dieser  reichen  Mittagsmahlzeit  gab  es  abends  an 
der  Königlichen  und  an  der  Marschallstafel,  die  allein  gedeckt 
wurden,  verhältnismäßig  einfache  Kost,  nämlich  an  erstercr 

1.  Abgehoben(ej  kalte  Pastete  von  Indianischem  Stück. 

2.  Abgehoben[e$J  ä  la  dauby  von  zahmen  Qänssen  en  gallanline. 
3  u.  4.  Kalbskeulen,  20  'ft,  gespickt  u.  gebraten,  mit  Ju  u.  frischer 

Butler. 
S  u.  6.  Tortten  mit  Cr^mc  von  Pisfatien,  garnirt  mit  Tortttetgen 

von  eingemachten  Kirschen. 
7  u.  8.  Gebackene  fiefenkuchen,  gamirt  mit  Torttlelgen  von  ein- 
gemachten Kirschen. 
9.  Frischen  Lachss,  5  ff,  grill4e  mit  Sauerrampff. 
10.  Lammsköpffgen  gri[16[s]  mit  Citronensafft. 
II  u.  12.  Terrins  mit  jungen  Hünem,  16^  zerschnitten,   mit  ge- 
brochenem Spargel 

13.  Terrine  mit  Suppe  sant6  von  Cappaunen,  2,  mit  ju. 

14.  Terrine  mit  kalter  Schaale  von  Rheinwein  mit  kleinen  Rosienen 

u.  schwartzem  Brodt. 
15  u,  16.  Oebraten[e]  junge  Cappauner,  8,  u.  junge  HÜner,  8. 

1 7.  Gebratenfe]  Reherücken,  4  V,  Rccbhüner,  2,  u.  wille  Tauben,  5. 

18.  Gebraten[e]  zwey  Frischlinge,  8  S",  u.  junge  Haasen,  2. 
19  u.  20.  Rindslenden,   15  Ä",  gebraten  ä  la  polonoise. 

21  u.  22.  Schöppslenden,9ft',ärangloisegebraten,milSlaudensalIath. 
23  u.  24.  junge  Cappauner,  8,  farcirt,  ä  la  bralse,  mit  Zwiebeln. 
25  u.  26.  Junge  zahme  Eulen,  8,  en  gallanline,  k  la   braisc,  mit 

ganzem  Spargell. 
27  u.  28.  Gel^  mit  Appelsienen. 
29  u.  30.  Blanc-mange[r]  von  Mandeln. 
3  t  -34:  Spai^el  mit  Öhl  oder  mit  weiser  Sauce. 
35  u.  36.  Tortien  von  jungen  Tauben,  12,  mit  Krebsscn,  2  Schock, 

ä  la  creme. 
37  u.  38.  Tortten  von  jungen  Haasen  mit  Champagne-Wein. 
Sallath  von  Rettiessgcn,  frischen  Gurcken,  Staudensallath 
u.  grossen  Oliven. 


Bei  der  Marschallstafel  dagegen  gab  es  abends: 

1.  Oebraten[esJ  Lamm,  Vi.  ti.  junge  Hüner,  4. 

2.  Gebratene  junge  Cappauner,  8. 

3.  Oebraten[en|  Reeherücken,  3  ff,  u.  Tauben,  6. 

4.  Gebraten  [en]  Frischling,  4  h;  u.  junge  zabtne  Enten,  4. 

5  u.  6.  Abgehobene  Qallantinc  von  zahmem  Schweins-  u.  Rinds- 
kopff,  auch  Rindszungen,  mit  StaudtlensalatJ. 

7  u.  8.  Tortten  von  eingemachten  Kirschen,  gamirt  mit  dergl. 
Torttletgen. 

9.  Schöpsskeule,  1 1  S",  ä  la  breche,  mit  frischen  Gurcken. 

10.  Kalbskeule,  14  Ir^',  k  la  broche,  mit  Ju. 

11.  Tortte  von  Lammfleisch,  '/«.  ">'*  Spargell. 

12.  Tortte  von  jungen  Hünem,  7,  mit  Krebssen,  1  Schock. 

13.  Abgehoben  [e]  zahme  Enten  mit  Ourcken-Sauce. 

14.  Junge  Hüner,  4,  mit  Sauce  k  t'espagnole. 

15.  Junge  Tauben,  8,  in  Compote  mit  Kälbermilch. 

16.  Zahme  Gauss,  t,  mit  eingemachten  Kirschen. 
17  u.  18.  Abgehoben[e|  Artschocken  mit  Semmelbrühe. 
1 9  u.  20.  Spargel  mit  weiser  Sauce. 

Sallath  von  Gurcken  u.  Staudensallath. 

Rechnet  man  dazu  noch  alle  die  den  aliein  speisenc 
Hofbeamten  und  Bediensteten  gelieferten  Einzelgerichtc,  wie  sie 
im  Neuen  Archiv  für  Sächsische  Geschichte  XXVII  (1907),  S.  209f., 
aufgezählt  sind,  und  das  Fleisch,  das  »zum  Zurichten  der  Speisen*, 
namentlich  zur  Gewinnung  von  Bouillon  und  Soßen  gebraucht 
wurde,  so  ergibt  sich  für  diesen  einen  Juni&onntag  in  der  kur- 
fürstlich-königlichen Hofküche  ein  Verbrauch  von  ungefähr 

1250  ff  Rindfleisch, 

625  ff  Kalbfleisch, 

375  ff  Schöpsenfleisch, 

180  ff  Schweinefleisch  (einschl.  der  Wildschweine), 

40  ff  Nierenstollen, 

60  Rindszungen, 

14  Lämmern, 

4  Spanferkeln, 

170  ff  Schinken, 


1 


Ein  ftlrstliches  Menü  von  1730. 


223 


180 

ff  Speck, 

175 

ff  Wildpret, 

12 

Hasen, 

500 

Hühnern  (einschl.  der  Truthühner), 

6 

Fasanen, 

170 

Kapaunen, 

285 

Tauben, 

90 

Enten, 

65 

Gänsen, 

10 

Rebhühnern, 

25 

Schock  Krebsen, 

30 

ff  Lachs,  32  ff  Hecht,  5 

ff 

Karpfen, 

15 

ff  Mettwurst, 

26 

Bratwürsten. 

Dabei  ist  noch  nicht  mitgerechnet,  was  die  vielen  hohen  Herr- 
schaften und  ihr  Personal  abends  für  sich  in  den  Zelten  ver- 
speisten.  Und  das  mag  auch  noch  ein  ganzer  Posten  gewesen  sein! 

Leider  meldet  das  Aktenstück,  dem  obige  Angaben  über 
die  Speisen  entnommen  sind,  nichts  was  bei  den  beiden  Mahl- 
zeiten am  4.  Juni  getrunken  worden  ist.  Es  wird  wohl  nicht 
weniger  gewesen  sein  als  am  19.  Juni,  wo  im  ganzen,  einschließ- 
lich der  Getränke  für  die  nicht  mit  zur  Tafel  Gezogenen  und 
für  die  Sondert ieferun gen  in  die  Zelte  der  hohen  Gäste,  gebraucht 
wurden : 

849  Flaschen  Tokaier, 
46         B        Champagner, 
2057i     "        Burgunder, 

S         »        Bordeaux  (Pontacq), 
7  n         Ratafia  Romano, ') 

12  Eimer  30  Maß  Rheinwein, 
5      .       7l'/9  Maß  Landwein, 
1^/i  Maß  Kümmelbranntwein, 

0  Zfdler  XXX,  5p  919:  .RatifTa  tst  dnc  Art  von  einem  starckcn  Octrtnckc. 
«cldics  von  gavm  Brannicvein  oder  Acjuavlt.  Zucker  und  einigen  anderen  Dingen,  als 
KirtcbcB,  Jobanniiben-en,  Himbcemi.  Quitten,  Seien,  Penich-.  Aprkown-  und  Kinch- 
kernen,  Wacholder,  Nekkrn,  Oiangcnblülen  un>il  dM^lricbefi  mit  Zu&rtzung  guier  Oevürtar 
bernlet  «ird.*  Des  vnleren  gibt  Zedier  eine  Hethe  vun  Reuptcti  an,  gntoi  tuten  und 
«effien  Ratalla  in  braum. 


224  Hans  Besdiorner. 


2 Vi  Maß  Chemnitzer  Luftwasser/) 
14  Flaschen  Dünnsteiner  Sauerbrunnen, 
28        H        Selzner  Sauerbrunnen, 

9        «        Egerischer  Sauerbrunnen. 

Brauchten  Hofküche  und  Hofkellerei  an  einem  einzigen 
Tage  solche  Massen  von  Speisen  und  Getränken,  so  durfte  man 
sich  nicht  wundem,  wenn  sich  schließlich  nach  Beendigung  der 
Zeithainer  Veranstaltungen  die  Oesamtausgaben  für  erstere  auf 
fast  35  000  Taler,  die  für  letztere  auf  weit  über  10000  Taler 
beliefen ! 


>)  Eher  wohl  ittdi  Irgendein  tplrltiifisea  Tifelgetilnk  als  eine«  der  von  Zedier  II, 
Sp.  1005,  besdirid>enen  ■Lnfft-Wasser*  (Aqnae  uttmuttcae),  die  .denenjenlgen  dienlich, 
vddie  mit  einem  ROdilen  einen  ztben  Schleim  durdi  den  Hn>tcn  ansvCTffen  nnd  dahero 
mit  Kcndicn  nnd  imrtzem  Odem  gepUget  sind,  indem  entweder  die  Ljrmpha  wegen  barter 
Kilte  im  Winter  verderbt  und  so  zihe  und  kld>ricfat  wie  Leim  oder  wegen  des  Alten  nnd 
ans  Mangel  derer  Lebens-Oeister  dicke  worden  ist.> 


Als  in  den  Jahren  1730  und  1731  die  wegen  ihres  Glaubens 
"on   Viktor   Aniadeus  II.,   dem    Könige   von   Sardinien,   hart  be- 
drängten Waldenser  der  Täler  Pragelas,  St.  Martin,   Perosa  und 
Lusema    nach    der   Schweiz    ihre   Zuflucht    genommen    hatten, 
wandten   sich   die   evangelischen  Kantone   dieses  Landes  an  den 
preußischen  König  mit  der  Bitte,  er  möchte  sich  der  flüchtigen 
reFormierten  Glaubensgenossen  irgendwie  annehmen,  da  sie  allein 
nicht    imstande    wären,     ihnen    hinreichende    Hilfe    zu    leisten. 
Friedrich  Wilhelm  1.  beschloß,  einen  Teil  der  verfolgten  Waldenser 
in  sein  Land  zu  ziehen,  um  damit  Litauen,  das  immer  noch  eine 
schwache    Bevölkerung   aufwies,    zn    »repeuplieren".     Deswegen 
bestimmte  er,  daß  der  französische  Oerichtsrat  d'Alen^on')  nach 
der  Schweiz  reisen  sollte^  damit  er  die  dort  befindlichen  Plemon- 
lescn    in  Augenschein  nähme   und    prüfte,   ob   sich   unter   ihnen 
arbeitsame  Ackerslcule  und   tüclilige   Handwerker  befänden,    die 
sich  zur  Ansicdlung  in  Ostpreußen  eigneten.  D'Alcnt^on  reiste  in- 
folgedessen   am    4.  März  1731     von  Berlin    ab    und    kam    am 
21.  März  in  Basel  an.  Diese  Stadt  berührte  er  wiederum  auf  der 
Rückreise  am  10.  November  desselben  Jahres.    In  die  Zwischen- 


■)  Es  Tir  der  Sohn  de  chernntlgeß  r»rbmenttptäwde-ntcn  von  Orange.  Er  -rar 
tta  in  dem  böctiücn  Rcvttionkiieiichl,  du  im  Jahre  17D5  für  die  fruizäolschen  Sachai  unter 
den  Nunc«  •Tribunal  d'Oranse*  nriiiilet  woidea  war  und  dem  lein  Vater  voittuid.  Kr 
g^i&rte  dineai  Qericht  aucli  «piler  an,  aU  n  1716  mit  dem  preuRJKhen  Obcnppcltatloi»- 
fcrickt.  dem  togminnlet)  .ObcrlHbuT^nl-,  vrreiniKT  viirde.  und  hatte  darin  dat Lchnuichlv 
xa  borbdtcn.    VkI.  Munt.  Ocschlchtc  der  fnutzüsltchen  Colonie,  S.  2S,  si,  151. 

Arehiv  «r  Kultur^rKhlchlc.    VI. 


226 


Siegfried  Mairc 


zeit  fällt  sein  Aufenthalt  in  der  Schweiz,  der  sich  hauptsächlich 
auf  Bern  und  mehrere  wichtige  Orte  der  Westschweiz  erstreckte. 
Seine  Reise  war  also  keine  Vergnügungs-,  sondern  eine  Geschäfts- 
reise. Aber  trotzdem  gewährt  sie  uns  die  Möglichkeil,  uns  über 
die  Kosten  zu  unterrichten,  mit  denen  damals  eine  Reise  nach 
der  Schweiz  verknüpft  war,  da  d'Alen^on  verpflichtet  war,  über 
alle  Ausgaben,  die  seine  Fahrt  verursachte,  genau  Buch  zu  führen 
und  Rechenschaft  abzulegen.  Die  Rechnungen  über  die  Kosten 
setner  Reise  sind  uns  erhalten  in  den  Berichten,  die  er  über 
seine  Tätigkeit  in  der  Schweiz  seiner  vorgesetzten  Behörde,  dem 
Qeneraldirektorium,  erstattet  hat.^)  Wir  können  uns  daraus  ein 
ziemlich  deutliches  Bild  von  den  Beförderungskosten  einer 
Schweizerreise,  die  ein  den  besseren  Gesellschaftskreisen  ange- 
höriger  Herr  unternahm,  für  die  damalige  Zeit  machen;  dagegen 
sind  wir  für  die  Verpflegungs-  und  Zehrungskosten  mehr  ai 
Schlußfolgerungen  und  Mutmaßungen  angewiesen. 

Ich  werde  im  folgenden  zunächst  von  den  Transport- 
kosten handeln.  J 

D'Alengon  trat  seine  Abreise  von  Berlin  mit  der  »ordi- 
naircn  Post"  an.  Er  benutzte  diese  für  den  59  Meilen  weiten 
Postweg  bis  Frankfurt  a.  M.,  wo  er  wahrscheinlich  am  12.  März 
anlangte.  Für  diese  Strecke  betrug  das  Postgeld  für  den  Gerichts- 
rat, für  seinen  Diener  und  120  Pfund  Überfracht  39  Taler 
22  Groschen.  Wie  diese  Summe  sich  im  einzelnen  für  die  ver- 
schiedenen Teile  der  Strecke  zusammensetzt,  ergibt  sich  aus  den 
Angaben  über  die  Kosten  der  Rückreise,  auf  der  d'Alen^on  den- 
selben Weg  einschlug.  Der  Fuhrlohn  belief  sich  auf  der  Rück- 
bhrt  für  den  Herrn  und  seinen  Begleiter  auf  9  Reichstaler 
für  den  Weg  von  Frankfurt  bis  Kassel  (18  Meilen).  Die  Post- 
fahrt von  Kassel  bis  Ellrich  kostete  2  Dukaten  species  =  5  Taler 
12  Groschen.  Das  Postgeld  von  Ellrich  bis  Halberstadt  betrug 
3  Taler.  Der  Weg  von  Kassel  bis  Halberstadt  war  ebenso  weit 
wie  der  von  Frankfurt  bis  Kassel.  In  Ellrich  mußten  für  die 
Überfracht  von  Kassel  bis  Hatberstadt  noch  3  Taler  16  Groschen 
entrichtet  werden.     Für  die  Fahrt   von   Halberstadt  endlich 


')  Siehe  Akim  dn  Cchcimrn  Stuturrhlvt  lu   Berlin.    Oeneraldirektoritiin. 
preuBen  und  Lluuen     Mslcrlen  Tit.  XIX,  ScW.  J.  Nr.  3. 


^0 


Die  Kosten  dner  Schweizerreise  im  Jahre  1731. 


227 


Beriiti,   die    23    Meilen    umfaßte,    bezahlte    d'AIengon    1t  Taler 
S  Groschen.     Auf   der   Rückreise    hat    er  also   im    ganzen    nur 
32  Taler   12  Groschen  ausgegeben.     Der  Unterschied  gegen  die 
Hinfahrt  beruht  entweder  auf  der  geringeren  Oberfracht,  da  sein 
Gepäck  zum  Teil  auf  einem  Karren  milgenommer  werden  konnte, 
oder  auf  dem    langsameren  Tempo,    in   dem   die  Rückfahrt  vor 
sich   ging.     D'AIengon   gebrauchte   für  diese   die  Zeit  vom   27. 
November   bis   zum    16.  Dezember.     Er  mußte  zurück  gemäch- 
licher reisen,   weil  er  die  Beförderung  einiger  Schweizerfamilien, 
die  in  Berlin  angesiedelt  werden  sollten,  zu  besorgen  hatte.  Viel- 
leicht hat  er  aus  diesem  Grunde  auf  der  Rückreise  nicht  immer  die 
Post  benutzt,  sondern  mitunter  sich  mit  einer  Mielskulsche  begnügt. 
Von   Frankfurt  a.  M.   bis  Straßburg,    das   von  jener  Stadt 
25    Meilen    entfernt    ist,    fuhren    keine    »ordinairen    Posten" 
mehr.     Infolgedessen  sah   sich   der   französische   üerichtsrat  ge- 
nötigt sicii  eine  Landkutsche  zu  mieten.  Der  Fuhrlohn  für  diese 
betrug  auf  der   genannten  Strecke    1 0  TaEer  8  Groschen.     Erst 
im  20.  März   traf   d'Alenijon    in  Straßburg  ein.     Wenn    er   sich 
auch  einige  Tage   in   Frankfurt  aufgehalten    haben    mag,  so  er- 
scheint die  Zeit,  die  er  bis  zu  seiner  Ankunft  in  Straßburg  ge- 
brauchte, doch  etwas  lang,  was  vielleicht  darauf  zurückzuführen 
ist,  daß  die  billige  Landkutsche  auch  etwas  langsam  fuhr.     Da- 
her benutzte   der  Gerichtsrat,  vermutlich  um   die   verlorene  Zeit 
wieder  einzuholen,   für  die    14  Meilen  lange  Strecke  von  Strafl- 
burg  bis  Basel   die   »reitende  Post",  mit  der  die  Fahrt  aller- 
dings viel  teurer  zu  stehen  kam,  nämlich  auf  5  Spezi  es- Dukaten 
oder  1 3  Taler  i  8  Groschen.     Auf  dem  Rückwege  wählte  er  für 
die  Strecke  von  Basel   bis  Mainz  die  Wasserstraße.     Er  bezahlte 
(b  dem  Schiffer  Lukas  Brendly  für  seine  Beförderung  und  die 
seiner  aus  8  Erwachsenen  und  4  Kindern  bestehenden  Begleitung, 
woiu  noch  das  Gepäck  und  die  Sachen  kamen,  welche  die  Aus- 
wanderer  aus   der  Heimat    mit    sich    führten,    nur    7    Mirlitons 
ä  T^li  Gulden  und  V*  Louisd'or  ä  2Vi  Reichstaler  =  36  Taler 
8  Groschen.     Die  Fahrt  auf  dem  Wasserwege  war  also  billiger 
und  ging  auch  etwas  schneller  von  statten.    Sie  dauerte  vom 
iS.  bis  zum  23.  November.     Ob  allerdings  die  Beförderung  zu 
Wasser  auch  für  einzelne  Personen  billiger  zu  stehen  kam,  mag 

15* 


dahingestellt  bleiben,  wenn  ich  auch  diese  Frage  in  bejahendem 
Sinne  beantworten  möchte  in  Anlietracht  dessen,  daß  der  preußische 
Agent  auch  in  der  Schweiz  einmal  den  Wasscrtt'Cg  vorzog,  wo 
er  vorher  für  dieselbe  Strecke  den  Landweg  gewählt  hatte.         ^| 

Am  At>end  des  2t.  März  kam  er  auf  der  Hinreise  nach  def 
Schweiz  mit  der  «reitenden  Post"  in  Baselan.  Er  befand  sich  nun 
auf  Schweizer  Boden  und  setzte  hier  am  23.  März  seine  Reise  nach 
Bern  fort,  wo  er  am  25.  März  abends  um  8  Uhr  eintraf.  Für  die 
10  Meilen  weite  Fahrt  von  Basel  bis  dahin  bezahlte  er  10  Taler 
1 2  Groschen.  Die  Reise  war  infolge  der  schlechten  Wege  und  wegen 
Schnecwctlers  recht  beschwerlich  undlangwierig gewesen.  D'Alen^on^^ 
Aufenthalt  in  Bern,  wo  er  die  ersten  Vernehmungen  der  Piemon- 
tesen  abzuhalten  und  mancherlei  mit  den  ßerner  Behörden  zu 
erledigen  hatte,  währte  bis  zum  13.  April.  Am  folgenden  Tage 
reiste  er  nach  Neuchätel  weiter  und  langte  am  selben  Tage  dort 
an.  Er  entrichtete  an  Fuhrlohn  für  die  Fahrt  bis  dahin  I  Louis- 
d'or  und  51  Batzen  oder  7  Taler  1  Groschen.  In  Neuchätel 
blieb  er  bis  zum  19.  April;  er  mußte  dort  verschiedene  Ange- 
legenheiten mit  dem  Gouverneur  de  Fromenl  erledigen.  Danach 
trat  er  eine  längere  Reise  nach  dem  Waadtlande,  nach  dem 
Pays  de  Vaud,  an,  in  dem  er  an  mehreren  Orten  die  flöchtigen 
Waldenser  über  ihre  persönlichen  und  wirtschaftlichen  Verhältnisse 
verhören  sowie  über  ihre  Neigung  zur  Übersiedlung  nadt 
Preußen  befragen  sollte.  Sein  Weg  führte  ihn  zunächst  nach 
I^usannc,  dann  nach  Morges,  M'eiter  nach  Rolle,  sodann  nach 
Aubonne,  femer  nach  Bonmont,  Nyon,  Goppel,  Romain uiotier, 
Orbe,  Vverdon,  Milden  (Moudon),  Payerne,  Avenches  und  von 
dort  zurück  nach  Neuchätel,  wo  er  jedenfalls  am  Abend  des 
18.  Mai  wieder  eintraf,  ür  weilte  in  Lausanne  wahrscheinlich 
vom  20.  bis  zum  25.  April,  in  Morges  am  26.,  in  Rolle  am  27., 
in  Aubonne  am*  28.  April.  In  Bonmont  war  er  am  30.  April, 
in  Nyon  am  2.  und  in  Goppel  am  3.  Mai.  Der  Aufenthalt  in 
diesen  Ortschaften  ließ  ihn  also  die  Schönheiten  des  Genfer  Sees, 
an  dessen  Rande  oder  unmittelbarer  Nähe  sie  alle  gelegen  sind, 
in  Ruhe  von  verschiedenen  Punkten  aus  genießen.  Danach  be- 
gab er  sich  nordwärts  in  das  hochgelegene  Innere  des  Waadt- 
landes  und  hielt  sich  nacheinander  auf:  am  S.  Mai  in  Romain' 


Die  Kosten  dner  Schweizerrefse  im  Jahre  IVSI.  229 

moticr,  am  6.  in  Orbe,  am  7.  in  Yverdon,  am  8.  und  9.  in  Milden  und 
am  lO.Mai  in  Payerne.  In  Avenches  mußte  er  längeren  Aufenthalt 
nehmen,  weil  unterdessen  das  Pfingstfest  herangekommen,  während- 
dessen er  nur  ungern  seine  Vernehmungen  unterbrach.  Er  blieb 
dort  vom  tl.  bis  zum  18.  Mai.  Die  Reise  und  der  Aufenthalt 
im  Rays  de  Vaud  währte  also  beinahe  einen  Monat.  D'AIen«;©« 
war  dabei  nicht  bloß  von  seinem  Diener  begleitet,  sondern  auch 
wn  dem  Einnehmer  oder  Empfänger  Dardel  aus  Colombier 
am  Keuenburger  See,  der  ihm  als  Wirtschaftsverständiger  bei 
seinen  Nachfragen  «nd  Untersuchungen  über  die  Verhältnisse  der 
WaMenser  mit  Rat  und  Tat  zur  Seite  stehen  sollte.  Für  diese 
drei  Personen  beliefen  sich  die  Reisekosten  während  des  Monats 
auf  65  Taler  4  Groschen,  worin  auch  die  Verpflegungskosten 
des  Dardel  mit  einbegriffen  waren. 

Die  zweite  Anwesenheit  des  französischen  Gerichlsrates  in 
Ntuchälel  erstreckte  sich  bis  in  die  erste  Woche  des  Monats  Juni. 
Am  6.  Juni  finden  wir  ihn  in  Genf.  Für  die  Reise  dorthin  hatte 
er  an  Fuhrlohn  5  Louisdor  =  25  Taler  ausgegeben.  Dort  ver- 
weüle  er  über  zwei  Monate,  Dieser  längere  Aufenthalt  fand  in 
den  Tagen  vom  22.  bis  zum  25.  Juli  eine  Unterbrechung  durch  eine 
Fahrt  nach  Morges,  das  ö'/a  Meilen  von  Genf  entfernt  ist.  Hier 
luttc  er  eine  Besprechung  mit  dem  Kandidaten  der  Theologie 
Maroger,  zu  der  dieser  aus  dem  nahegelegenen  Lausanne 
herübergekommen  war.  Der  Mietslohn  für  die  zwei  Pferde,  die 
d'Akn(;on  nach  Morges  gefahren  hatten,  betrug  für  den  Tag 
einen  halben  Genfer  Taler,  für  alle  vier  Tage  4  Genfer  Taler 
ä  3t'/,  Batzen  =  5  Taler  6  Groschen.  Dazu  kamen  noch  die 
Kosten  für  das  Futter  und  das  Unterstellen  der  Pferde. 

Am  11.  August  verließ  der  preußische  Kommissar  Genf, 
wo  er  trotz  der  langen  Dauer  seines  Aufentlialts  nur  wenig  aus- 
gerichtet, dafür  aber  vielleicht  gründlich  die  landschaftlichen  Reize 
der  Umgebung  auf  sich  hatte  wirken  lassen,  und  gelangte  über 
Lausanne,  wo  er  zwei  Tage  blieb,  zum  zweiten  Male  nach  Bern. 
Wahrscheinlich  ist  er  dort  am  Abend  des  t4.  August  angekommen. 
Der  Fuhrlohn  von  Genf  nach  Lausanne  und  von  dort  nach  Bern 
bciief  sich  auf  4  Louisd'or  14  Balzen  3  Kreuzer  oder  auf  20  Taler 
14  Groschen  9  Pfennig.     In   Bern   trat  d'Alenijon   noch   einmal 


A 


mit  den  Behörden  des  Kantons  betreffs  der  Anwerbung  von 
Waldensern  für  Preußen  in  Unterhandlungen,  fand  aber  nur  sehr 
geringes  Entgegenkommen.  Deswegen  wandte  er  sich  am  16.  Sep- 
tember von  dort  wiederum  nach  Neuchätel,  wo  er  nun  zum 
dritten  Male  einen  längeren  Aufenthalt  nahm.  Seine  Reise  dort- 
hin erfolgte  am  16.  September;  und  zwar  bis  Murten  zu  Lande 
für  60,  von  da  nach  Neuchätel  zu  Wasser  für  26  Batzen.  Sie 
verursachte  also  eine  Ausgabe  von  3  Talern  16  Groschen  6  Pfennigen, 
eine  Summe,  die  erheblich  niedriger  war  als  die,  die  der  Gerichts- 
rat für  seine  erste  nur  mit  Wagen  ausgeführte  Fahrt  nach  Neu- 
chätel aufgewandt  hatte.  Er  hatte  also  inzwischen  billiger  reisen 
gelernt  und  wußte,  daß  das  Reisen  zu  Wasser  seinen  Geldbeutel 
weniger  In  Anspruch  nahm. 

D'Alcn<,'ons  dritter  Aufenthalt  in  Ncuchälei  währte  nicht 
ganz  zwei  Monate.  Er  suclite  in  dieser  Zeit  hauptsächlich  Seiden- 
handwerker für  die  Übersiedlung  nach  Berlin  zu  gewinnen,  wo- 
mit er  jedoch  auch  nur  geringen  Erfolg  hatte.  Auf  wiederholte, 
schließlich  sehr  energische  Aufforderung  des  Generaldirektoriums 
mußte  er  sich  schließlich  zur  Heimreise  bequemen,  die  am 
7.  November  von  Neuchätel  aus  von  stalten  ging.  Er  ließ  sich 
von  dort  bis  Solothurn  wiederum  zu  Wasser  befördern  und 
mußte  für  diesen  Transport  1  Louisd'or  oder  5  Taler  enlriditen. 
In  Solothurn  nahm  er  einen  zweispännigen  Wagen,  der  ihn  am 
10.  November  bis  Basel  brachte.  Er  hatte  für  seine  Beförderung 
180  Batzen  (25  Batzen  =  i  Keichstaler)  oder  7  Taler  4  Groschen 
6  Pfennig  zu  bezahlen;  dazu  kam  noch  die  Fracht  für  seinen 
Koffer,  die  von  Solothurn  bis  Basel  26  Batzen  oder  t  Taler  und 
1   Groschen  betrug. 

In  Basel  verweilte  der  preußische  Agent  bis  zum  1S.  No- 
vember und  trat  an  diesem  Tage  zusammen  mit  den  angeworbenen 
Seidenfabrikanten  auf  dem  Schiffe  des  Lukas  Brendly  die 
Fahrt  nach  Frankfurt  a.  M.  an.  Ober  die  Kosten  dieser  Fahrt 
sowie  überhaupt  über  die  der  ganzen  weiteren  Rückreise  habe 
ich  schon  oben  bei  Gelegenheit  der  Besprechung  der  Ausgaben 
für  die  Hinfahrt  gehandelt.  Es  scheint  so,  als  ob  d'Alentjon  auf 
der  Rückreise  sein  Gepäck  von  Frankfurt  aus  zusammen  mit  den 
Habseligkeiten  der  Auswanderer  auf  einem  gemieteten  Korbwagen 


^ 


Die  Kosten  riner  Schweizenrise  im  Jahre  1731.  231 


labe  befördern  lassen.    Dadurch  wurden  die  Transportkosten  für 

ihn  und  seinen  Diener  -  sie  benutzten  von  Frankfurt  aus  wieder 

besondere  Mietskutschen  oder  die  Post  —  der  Hinreise  gegenüber 

«was  mäßiger.  Andererseits  war  einmal  doch  wieder  eine  größere 

Aufwendung    nötig,    weil    die    Beförderung    der    schweizerischen 

Handwerker  nicht  allzu  sehr  verzögert  werden  durfte.     Während 

d'cse  am    22.  November  von   Mainz    aus   auf  einem    Marktschiff 

nach  Frankfurt  gebracht  wurden,  eilte  ihnen  der  Oerichtsrat  von 

jener  Stadt  aus  voraus,    um  in  Frankfurt  die  für  ihren  weiteren 

Transport  notwendigen  Vorbereitungen   und  Anstalten  zu  treffen. 

Er  bediente  sich  dazu  von  Qerleson  aus  der  Extrapost,  die  mit 

z*ei  Pferden  bespannt  war  und  ihn  für  den  4'/,  Meilen  weiten 

W^  6  Gulden  36  Kreuzer  oder  4  Taler  9  Groschen  6  Pfennig 

kostete.     Trotz   alledem    mußte    er    sich    in    Frankfurt    bis    zum 

2i.  November  aufhallen.  Auch  sonst  fand  seine  Rückreise  durch 

die  Fürsorge,  die  er  der  Beförderung  der  Seidenfabrikanten  zu- 

wfndcn  mußte,  manche  Verzögerung,  so  daß  sie,  wie  schon  oben 

mitgeteilt  ist,  zwar  weniger  Kosten  verureachte  als  die  Hinreise, 

iber  auch  viel  längere  Zeit  beanspruchte.  Es  ist  hier  immer  nur 

««1  den  Ausgaben  für  den  Transport  die  Rede;  die  Zehrungs- 

kosten  steigerten   sich   selbstverständlich   durch   die  Verzögerung 

der  Röckreise  bedeutend. 

Ich   habe  bisher  immer   nur  von  den  Aufwendungen  ge- 
sprochen, die  d'AIen^on  für  seine  und  seines  Dieners  Beförderung 
w  machen  hatte.  Es  ist  hier  vielleicht  der  Ort,  darauf  hinzuweisen, 
ßtil  welchen    Kosten    das    Reisen    damals   für  Leute    geringeren 
Sludes  verknüpft  war,   in  unserem  Falle  für  die  angeworbenen 
Seidenweber,  die  sich  in  der  Begleitung  des  preußischen  Kommissars 
befanden.     Schon  oben  habe  ich  angegeben,   daß  ihr  Transport 
TU  Schiffe   von   Basel   bis  Mainz  auf   36  Taler  8  Groschen   zu 
stehen  kam.     Sie  führten  selbstverständlich  auch  die  Sachen  bei 
sich,  deren  Mitnahme  aus  der  Heimat  sie  für  unumgänglich  not- 
wendig erachtet  hatten;  außerdem  reiste  mit  ihnen  auch  d'Alenqon 
und  sein  Diener,  wodurch  die  Transportkosten  aber  nur  unerheb- 
hch  erhöht  werden  konnten.  Die  schon  erwähnte  Fahrt  auf  dem 
Marktschiff    von    Mainz    bis    Frankfurt  a.  M.    kostete   2  Gulden 
14  Batzen. 


i 


Von  Frankfurt  aus  legten  die  Handwerker  den  Weg  zu  Fuß 
zurück.  Nur  für  ihre  Kinder  und  Habseligkeiten  wurde  ihnen 
ein  Karrtn  gemietet,  dessen  Mietspreis  bis  Halberetadt  (36  Meilen) 
sich  auf  22  Taler  16  Groschen  belief.  Doch  in  der  Mitte  dieser 
Strecke,  in  Altendorf,  das  von  Halberstadt  noch  18  MeÜen  ent- 
fernt liegt,  stellte  sich  infolge  der  üblen  Wege  und  des  schlechten 
Wetters,  das  eine  Wanderung  zu  Fuß  äußerst  erschwerte,  die 
Notwendigkeit  heraus,  noch  einen  Karren  anzunehmen,  für  den 
8  Taier  8  Groschen  gezahlt  werden  mußten.  Von  Halberstadt 
aus  erhielten  die  Einwanderer  durch  die  königlichen  Ämter  Vor- 
spann gestellt.  Da  hierzu  von  den  Kammern  noch  nicht  überall 
die  erforderlichen  Anweisungen  erlassen  waren,  so  sah  sich 
d*Alen(;on  genötigt,  in  einigen  Ämtern  gewisse  Beträge  vorläufig 
zu  hinterlegen,  woraus  erhellt,  wie  hoch  damals  die  Leistungen 
von  Vorspann  bewertet  wurden.  So  hinterlegte  er  am  1 3.  Dezember 
in  Magdeburg  für  zwei  Wagen  Vorspann,  den  einen  mit  einem, 
den  anderen  niil  zwei  Pferden,  eine  Summe.  Diese  belief  sich 
in  Ziesar  am  \S.  Dezember  für  8  Pferde  Vorspann  bis  Branden- 
burg auf  1  Reichstaler  12  Groschen,  in  Brandenburg  an  dem- 
selben Tage  für  zwei  Vorspannfuhren  bis  Berlin,  von  denen  die 
eine  mit  vier,  die  andere  nur  mit  zwei  Pferden  besjMnnt  war, 
auf  8  Reichstaler. 

Ich  wende  mich  nunmehr  zu  den  Aufwendungen,  die 
d'Alen^on  auf  seiner  Schweizer  reise  für  die  Bezahlung  des 
Nachtquartiers  und  für  die  Bestreitung  der  Ver- 
pflegung gemacht  hat.  Für  diese  sogenannten  »Zehrungs- 
kosten"  erteilen  uns  die  Rechnungen,  die  der  Oerichtsrat  ein- 
gereicht hat,  im  einzelnen  keine  genaue  Auskunft.  Wir  erfahren 
nur  im  allgemeinen,  daß  während  der  Reise  d'Alen^on  selbst 
täglich  die  außerordentlichen  Diäten  von  2  Reichstalem,  seinem 
Bedienten  aber  die  von  12  Groschen  bewilligt  worden  waren. 
Beide   zusammen    haben    für    die   Zeit   vom    4.  März    bis    zum 

14.  Juli  (133  Tage)  310  Taler  8  Groschen  und  für  die  Zwt  vom 

15.  Juli  bis  zum  2V.  September  (77  Tage)  179  Taler  16  Groschen 
bezogen.  Mit  diesen  Summen  scheinen  sie  auch  zu  ihrer  Ver- 
pflegung und  für  ihren  Unterhalt  ausgekommen  zu  sein,  ja,  sie 
haben  sogar  vielleicht  davon  noch  etwas  erübrigt.     Denn  sonst 


M 


'wire  es  nicht  denkbar,  daß  der  Oerichtsrat  in  seiner  letzten 
Rechnung  zwar  darauf  hinweist,  daß  er  die  letzten  Diäten  vom 
iO.  September  bis  zum  16.  Dezember,  dem  Tage  seiner  Ankunft 
in  Berlin,  noch  nicht  erhallen  habe,  andererseits  aber  nicht  um 
ihre  baldige  Auszahlung  ernstlich  bittet.  Es  finden  sich  auch 
sonst  keine  Belege,  weder  eine  Anweisung  noch  eine  Quittung, 
darüber,  daß  ihm  jemals  noch  die  Diäten  der  letzten  zweiund- 
einhalb  Monate  ausgezahlt  worden  wären.  Er  war  ein  Mann 
ohne  Vermögen,  worauf  der  König  bei  seiner  Auswahl  zu  der 
Sendung  nach  der  Schweiz  besonders  aufmerksam  gemacht  wor- 
den wiT,  Schon  aus  diesem  Grunde  hätte  d'Alengon  auf  die 
Diälen  nicht  verzichten  können,  wenn  die  Summen,  die  ihm  bis 
wra  29.  September  gegeben  worden  waren,  nicht  zu  seinem 
ÜRtB-halt  ausgereicht  hätten.  Gerade  eben  deswegen,  weil  er 
mit  diesen  reichlich  ausgekommen  war,  hat  er  es  vielleicht  unler- 
«sscn,  um  die  Anweisung  der  Diäten  för  die  Zeit  vom  30.  Sep- 
tember ab  einzukommen.  Er  wollte  durch  ein  solclics  Gesuch  nicht 
den  Unwillen  des  üeneraldirektoriums  noch  vermehren,  das  es 
ihm  sehr  übel  genommen  halte,  daß  er  seinen  Aufenthalt  in  der 
Schweiz  so  ungebührlich  lange  hingezogen  und  trotz  wiederholter 
Aufforderung  die  Rückreise  nicht  sofort  angetreten  hatte.  Wohl 
um  diesen  Zorn  etwas  zu  beschwichtigen,  leistete  er  auf  die  letzten 
Diälen  Verzicht  und  begnügte  sich  selbst  ebenso  wie  sein  Diener 
niit  den  Geldern,  die  sie  erhalten  hatten,  die  also  auch  hinlänglich 
zur  Bestreitung  ihrer  Aufwendungen  für  Kost  und  Nachtquartier  ge- 
wesen sein  müssen.  Dann  wäre  d'Alen^on  für  seine  Person  den  Tag 
über  mit  l  Taler  und  8  Groschen  statt  mit  2  Talern  ausgekommen. 
Dieses  Ergebnis  unserer  Erwägungen  findet  nun  seine  Be- 
stätigung durch  die  Einzelheiten,  die  d'Aleni;ons  Rechnungen  für 
die  Zehrungskosten  anderer  Personen,  die  er  mitimter  bestreiten 
mußte,  anführen.  Wir  hören  da,  daß  er  den  Kapitän  de  la  Plunie, 
einen  Waldcnser,  der  ihm  bei  dem  Verhöre  seiner  Landsleute  in 
Beni  behilflich  gewesen  war,  zu  Mittag  mit  einer  Mahlzeit  be- 
wirtet hat,  die  7  Groschen  Unkosten  verursachte.  Für  den  Kandidaten 
der  Theologie  Maroger  entrichtete  er  in  Morges  an  Zchrungs- 
kostcn  auf  vier  Tage  50  Batzen  oder  2  Taler.  Danach  kam  dieser, 
der  doch  ungefähr  derselben  Gesellschaftsschicht  wie  der  Kapitän 


234  Siegfried  Miire. 

und  der  Gerichtsrat  angehörte,  täglich  mit  einem  halben  Taler 
für  seine  Verpflegung  aus.  Von  den  Preisen  des  Nachtquartiers 
können  wir  uns  einigermaßen  eine  Vorstellung  machen,  wenn 
wir  erwägen,  daß  d'Alen^n  in  Morges  für  die  Unterteilung  und 
Fütterung  von  zwei  Pferden,  für  sein  Logis  sowie  für  das 
Marogcrs  in  den  vier  Tagen  im  ganzen  3  Taler  1  Groschen 
bezahlen  mußte. 

Für  einfache  Leute  gestalteten  sich  die  Lebensverhältnisse 
etwas  billiger.  Darüber  sind  wir  ziemlich  genau  unterrichtet,  da 
uns  d'AIen<;on  die  Ausgaben  anführt,  die  er  für  die  Verpflegung 
der  Seidenfabrikanten  auf  der  Reise  nach  Berlin  gehabt  hat  Es 
sind  das  also  eigentlich  nicht  Kosten,  die  durch  die  Schweizerreise 
selbst  verursacht  waren;  aber  sie  geben  uns  doch  einen  gewissen 
Aufschluß  darüber,  mit  welchen  Mitteln  damals  Reisende  geringeren 
Standes  Unterhalt  und  Nachtquartier  bestreiten  konnten. 

Der  Sei  den  webergeselle  Pierre  Mathieu  Barricr.  den 
der  preußische  Kommissar  nach  Basel  vorausgesandt  hatte,  damit 
er  dort  Seidenarbeiter  für  die  Auswanderung  nach  Brandenbui^ 
gewönne,  erhielt  für  die  Zeit  vom  4. Oktober  bis  zum  i  S.November, 
in  der  er  anfangs  unterwegs  gewesen  war,  sich  später  aber  meist 
in  Basel  aufgehalten  hatlc,  an  Zehrungskosten  s  Taler  3  Groschen 
3  Pfennige,  so  daß  also  auf  den  Tag  4*/,  Groschen  entfielen. 

Von  Basel  aus  waren  es  folgende  Personen,  für  deren  Ver- 
pflegung d'Alen«;on  zu  sorgen  hatte; 

1.  Der  Seidenfabrikanl  Meister  Daniel  Schweitzer  nebst 
einem  Teil  seiner  Familie,  bestehend  in  vier  Söhnen  von  18,  16, 
8  und  6  und  einer  Tochter  von  9  Jahren;  2.  Jakob  Schweitzer 
nebst  einem  Sohn  von  6  Jahren;  3.  Franz  Ulrich  Koch,  ein 
lediger  Gcselfc  von  24  Jahren;  4.  Pierre  Mathieu  Barrier,  gleich- 
falls ein  lediger  Geselle  von  30  Jahren  und  5.  Hans  George  Tschudi, 
ein  eben  aus  der  Lehre  gekommener  Bursche  von  19  Jahren. 
Es  waren  also  im  ganzen  sieben  erwachsene  Personen  ui 
vier  Kinder. 

För  sie  alle  oder  doch  für  einen  Teil  von  ihnen  bezahlte 
der  Gerichtsral  in  I5asel  an  Provision  auf  dem  Wasser  und  an 
Zehrungskosten  über  Nacht  15  üulden  S4  Kreuzer  =  10  Taler 
14  Groschen    6  Pfennig.      Es  ist   nicht  angegeben,  für  wieviel 


A 


Die  Kosten  einer  Schweizerreise  im  Jahre  1731.  235 


Tage  diese  Bezahlung  galt  Wir  hören  auBerdem,  daß  die  Leute 

sich  5  ü"  K5se,   wofür  sie  9  Batzen  oder  9  Groschen  6  Pfennig, 

und  54  Maß  Wein  ä  5  Kreuzer,  wofür  sie  4  Gulden  19  Kreuzer 

oder  2  Taler  20  Groschen  6  Pfennig  entrichten   mußten,   angc- 

sdöffl    hatten.      Das    zu    dem    Wein     gehörige     Faß     kostete 

)3'/i  Batzen  =  14  Groschen. 

Die  Zehrungskosten  und  sonstigen  Ausgaben  der  Fabrikanten 
auf  ihrer  Fahrt  von  Basel  bis  Frankfurt  a.  M.  beüefen  sich  für 
die  Zeit  vom  1 5.  bis  zum  24.  November,  also  für  neun  Tage, 
auf  ungefähr  66  Gulden  oder  44  Taler,  so  daß  auf  einen  Er- 
wachsenen täglich  etwas  über  13  Groschen  kamen. 

In  Frankfurt  verzehrten  die  Handwerker  vom  24.  bis  zum 
27.  November,  also  in  3  Tagen,  16  Oulden  10  Batzen  oder 
1 1  Taler  2  Groschen  6  Pfennig.  Danach  entfiel  täglich  auf  jede 
erwachsene  Person  der  Betrag  von   10  Groschen. 

Für  die  12  Tage  der  Reise  von  Frankfurt  bis  Halberstadl, 
vom  27.  November  bis  zum  9.  Dezember,  betrugen  die  Zehrungs- 
ItostHi  der  Seidenweber  6  Louisd'or  oder  30  Taler.  Jeder  einzelne 
brauchte  dann  also  für  den  Tag  ungefähr  7  Groschen. 

In  Halbersladt  selbst,  wo  sie  vom  9.  bis  zum  1 2.  Dezember 
venirciiien,  halten  sie  für  ihre  Verpflegung  in  den  drei  Tagen 
eine  Rechnung  von  t2  Taiern,  Der  einzelne  hatte  somit  täglich 
i^ta  9'/«  Groschen  verbraucht 

Für  die  Zeit  vom  12.  bis  zum  17.  Dezember  endlich,  in 
der  die  Seidenarbeiter  den  Weg  bis  nach  Beriin  zurücklegten, 
^nirdcn  ihnen  im  ganzen  1 1  Taler  8  Groschen  vergütet,  so  daß 
auf  den  Erwachsenen  täglich  5  bis  6  Groschen  entfielen. 

Nach  diesen  Preissätzen  können  wir  uns  ungefähr  ein  Bild 
fliachen,  wie  teuer  für  einen  Mann  aus  dem  Volke  damals  eine 
Reise  nach  der  Schweiz  liinsichtlich  der  Zehrungskoslen  zu 
stehen  kam. 

Am  Schlüsse  möchte  ich  meiner  Abhandlung  noch  eine 
Übersicht  über  die  Portokosten  anfügen,  wie  sie  um  das 
Jahr  1731  für  den  Briefverkehr  sowohl  innerhalb  der  Schweiz 
selbst  als  auch  mit  anderen  Ländern  üblich  waren.  Die  Ausgaben 
für  den  schriftlichen  Verkehr  d'Alen^ons  waren  doppeller  Art: 
er  mußte  nicht  nur  Porto   entrichten,  wenn  er  Briefe  absandte, 


sondern  auch,  wenn  er  welche  empfing;  und  zwar  waren  die 
Kosten  in  beiden  hallen  gleich  hoch.  Der  Preis  für  die  Frankiening 
richtete  sich  natürlich  nach  dem  Umfange  und  dem  Gewicht  der 
Schreiben,  die  besteitt  werden  sollten. 

Im    einzelnen    läBl    sich    über   die    Portokosten    folgendes 
feststellen : 

I.  Der  Briefverkehr  innerhalb  der  Schweiz  selbst. 

1.  Während  d'Alengons  Aufenthalts  in  Bern. 
Es  betrug  das  Briefporto  aus  Payerne  nach  Bern 1  Gr. 


I 


■»• 


1  Batz.=:l     M^ 
4  Kr.    =  1     -  CT 

.    .  1  Gr.  6  Pfg. 

.  2  Kr.  =  6    . 
6  Kr.=  t  Gr.  6  Pfj 


^ 


«  »  »   Lausanne  » 

D  j»  rf  Genf         IT       II 

t-      «         ir  w  Bern         ■<  Genf 

„       ..       r  -  .,  Neuchätel  .,  Bern 

q       ir       »  u  .r  Lausanne  »      „ 

WH,.  V  »  Bern         -.   Neuchätel  2  Kr.   ^6 

2.  Während  d'Alenc;ons  Aufenthalls  in  Neuchätel. 
Es  betrug  das  Briefporto  aus  Genf    nach  Neuchätel  6  Kr.  =  T  Gr.  6  Pfg. 

w       »      V  rf  ..  Moudon    »         I,         4  «  ^1    » 

H       w       n  -  n  I^nsannc  *■  »         6   ■>   =1    •>   6    ■ 

3.  Während  d'AIen^n's  Aufenthalts  in  Genf.  wM 
Es  betrug  das  Briefporto  aus  Lausanne  nach  Genf    .     .  i  Qr.  6  Pfg. 

«        jf       -f  ..  t,  Genf  nach  Lausanne    .     .  1    „    6    ■ 

»        „       »  .f  u  Neuchälel  nach  Genf    .     .  I    »    6    « 

i>        i>       u  II  II  "         u        i>  8  Kr.  ^^  2  11 

»        t>       «  »  «   Lausanne    > 1    .. 

»        »       «  »  <.  Genf  nach  Lausanne  .     .  i    »  i 

IL  Der  ßrlefverkehr  mit  dem  Auslande. 

1.  Die   Portokosten    im    Briefwechsel   mit   Prankreich   und 
Piemont  machten  aus  für 

ein  Schreiben  aus  Paris  nach  Genf    .     .  lOsols^SQr.ePfg., 
eincnBriefausSl.Martin  in  Piemont  nach  Genf  7sols=3Gr.6  Pfg. 

2.  Die  Portokosten   für  den   amtlichen  Schriftwechsel    mit 
Deutschland.    Sic  betrugen 

a)  für  die  Bestellung  der  Schreiben  von  und  nach  Frankfurt  a.M.; 
a)  für  die  Schreiben  des  Residenten  Hecht  an  dAlernjon 
nach  Genf 7  Gr. 


Die  Kosten  einer  Schweizerreise  im  Jahre  1731.  237 

nach  Genf 6  Gr.  6  Pfg. 

7,  «         54   Kr.  ==  13     »      6      „ 

n  M  26       r>     =       6       w        6         if 

>     Neuchitel 22     „  =    5    »     6     » 

ß)   für  die  Schreiben  d'Alen<;ons  an  Hecht 

von  Genf 8  Gr. 

•        j>        ...     4  francs  de  Gen^ve  =  1   TIr.  1 9    » 
^    für  die  Bestellung  der  königlichen  Ordres  und  Resolutionen 
"xron  Berlin  an  d'Alengon 

nac*»   Neuchätel 9  Gr. 

34  Kr.  =  8     „     6  Pfg. 

"  n  o2       n       ^=   8        n 

»  •  36»=9„ 

Genf      ....      40  sols  de  Oenfeve=lO     »     6     » 

34       „      »  „       =   8     »     9      » 

11      „ 

80  Kr.  =20    » 

»  42  „    =10    »     5      „ 

*^)  ^^^r  die  Bestellung  der  Berichte  des  Gerichtsrates  nach  Berlin 

^«:>n  Frankfurt  a.  M 2  Batz.=  2  Gr. 

-»     Kehl 36  Kr.    =    9     „ 

••      Basel 4    „ 

'»      Bern 97  Batz.  =  3  Tlr.  22     ., 

*-         »       8  Vü  Batz.  =    8     ., 

^^  1« 21  «     ^=  20     II 

**        ;,       50  Batz.  =  2  Tlr. 

**      Neuchätel 8V9Batz.=    8  « 

9Va      "     =     9  „ 

,       (nurbisFrankfurta.M.)  4  Tlr.    13  ,.      6  Pfg. 

»*  ff  ...  29  Batz.=:    1     „         3  » 

*•■  n  ...     1 3  M      ^^  12     » 

•-  w  .     .     .   16       »    =  15  I. 

»*  .,  .     .     .     7  Va  »     =  7  " 

•'     Genf 11  w  3  I» 

1  Tlr.     2  w"  6  » 

...     Vs  Genfer  Tlr.  =  1 5  „  9  » 

»       n       ...      1         u         I»     ^  1   Tlr.  7  ■  6  w 


D'Alen^ons  Relationen   waren   zum  Teil    sehr   umfangreich 
und  erhöhten  dam  natürlich  auch  das  Porto.*)  ' 

Die  großen  Ausgaben,  die  er  für  seinen  Briefwechsel  ge-" 
habt  hat,  erklären  sich  aus  dem  amilichen  Charakter  seiner  Reise. 
Außerdem  waren  die  Portokosten  für  den  Verkehr  mit  dem 
Auslande  auch  zieniSich  hoch.  Es  gab  eben  damals  noch  keinen 
Weltpostverein,  und  die  Postkarle  war  auch  noch  nicht  erfunden, 
die  d'Alencon  indes  schwerlich  für  seine  Mitteilungen  hätte  be- 
nutzen können.  Doch  war  die  Bestellung  durch  die  Post  immer 
noch  billig,  wenn  man  die  Bezahlung  eines  Läufers  oder  Boten 
für  eilige  Sachen  zum  Vergleiche  heranzieht.  So  erhielt  der  Bote, 
der  dem  preußischen  Agenten  ein  Schreiben  von  Neuchätel  nach 
Avenches  übermittelte,  eine  Gebühr  von  16  Groschen.  Dem 
Läufer^  der  ihm  in  Bern  ein  Schriftstück  aus  der  ferner  Kanzlei 
zustellte,  mußte  er  14  Batzen  oder  13  Groschen  6  Pfennig  für 
seine  Mühewaltung  entrichten.*)  J 

Als    Ergebnis   meiner  Untersuchung   über   die   Kosten   dei^ 
Schweizerreise   des   französischen   Obergerichtsrates  'J   d'Alen^n, 


")  Vrni  don  Umfingr  «ttner  Schrribpn  k«nn  mnn  «ich  «m  chestei  nnm  Betriff 
machen,  wenn  man  die  Sutntnen  in  Betracht  ilehl.  die  er  fdr  Schreibnulerljilicn,  die  aller- 
dinfs  nicht  nur  in  dem  Pipicr  bciOiiden,  venuisabi  hit:  j 

in  Bern 10  Or.  fl 

23  Batz.  =«  31    .  n 

Nendaiel  71,^,    el. 

II     .     «jH 

»•/..=    9 

Qtllt 22 

6 

■ SO  KÜt  de  (jentre  ^    7 

*)  Die  Zustellung  der  von  Berlin  nach  der  Schweiz  gesandlrn  Schreiben    erfoi 
itBfllch  eine  ziemlicb  lan^e  ZHt. 

El  trafen  die  witer  dem  9.  April  datjerten  Reskripte  ein  in  Neuchätel  lun  1A.  Mal, 


6PI» 


2fi. 
.....18.  Mal        .  ■         ->  Oenf 
*       -       ■       ■       ■    ti.  Juni 
■       ■       •       *       ■   ".    ■ 
20.  Juli 

a      .      .      .      .  zs.  Auguit    •  •        .     .  Ncodiftld 

28  Sepleinb. 

.     6.  Oktnher  .  ...  Stiaßburs    . 

Die  Briefe  waren  aJio  im  allsrtneincn  recbt  Ungr  onlcrweg«-  Zum  Tri)  bln£  die« 
damit  mummen,  daß  ilc  den  Adresuicn  nicht  am  BestlrntonnKBorle  antrafen  und  cnt 
lucheeundl  werden  ninßien.  Sicht  man  von  diesen  FilLen  ab.  10  er^Il»  sich  al«  RcccI. 
daS  die  Schreiten  aus  Berlin  dem  Empfinger  In  der  Schweiz  eni  in  zweieinhalb  bit  drei 
Wochen  lugefttetlt  werden  konnten. 

*)  E.r  war  während  dn  Zell  »etnei  AufenDiaJts  in  der  Schwdi  ui  dieser 
befördert  worden. 


t* 

8.  Juni. 
29.      . 

9.  Juli. 

•  .  AsEHSt- 
90  SepEenilKr. 
IT.  Oktober. 
tfi.  Novenber. 


die  folgende  Tour:  Rcriin,  Halberstadt,  Kassel,  Frankfurt  a.  M., 
Straßbur^,  Basel,  Bern,  Ncuchätel,  Genf,  Lausanne,  Bern,  Neu- 
chätcl,  Solothum,  Basel,  Mainz,  Frankfurt,  Kassel,  Hatberstadt, 
Berlin  und  zwei  Abstecher,  einen  längeren  an  den  Genfer  See 
und  in  das  Waadlland,  einen  kürzeren  nach  Lausanne,  aufweist, 
stellt  sich  heraus: 

Die  Ausgaben  für  die  Befördening  zweier  Personen  be- 
trugen im  Jahre  t73t  auf  den  angeführten  Strecken  zusammen- 
g«non)men  ungefähr  245  Taler.  Die  Verpflegungskosten  beliefen 
sidi  auf  etwa  490  Taler.  Die  ganze  Reise,  die  sich  von  Anfang 
Mire  bis  über  die  Mille  des  Monats  Dezember,  also  im  ganzen 
über  9 '/i  Monate  ausdehnte,  kostete  also  mit  Einrechnung  der 
Atögaben,  die  ein  Privatreisender  an  Porto  haben  konnte,  viel- 
tdcfit  750  Taler.  so  daß  auf  eine  Person  375  Taler  entfielen.  Der 
Herr  gab  täglich  für  Kost  und  Nachtquartier  1  Tater  S  Groschen, 
"adi  unserem  heutigen  Oelde  also  4  —  4*/,  Mark,  aus.  während 
der  Diener  nur  5  ^s  -  6  Groschen  oder  70  Pfennig  brauchte, 

Vergleichen  wir  die  angeführten  Beträge    mit  den  heutigen 
VeriiäUnissen,  so  scheinen    die  Porlokosten    im  Bereiche  des  In- 
landes den    gegenwärtigen   zu    entsprechen ;    die  Transportkosten 
digegen    übertreffen    die    jetzigen    scheinbar    um    das   Dopptzlle, 
*älirend    uns  die   Zehrungskosten   gegen   heute   außerordentlich 
gering  vorkommen.     Indes  der  Vergleich,  den  wir  soeben  ange- 
stellt haben,   ist  nur  recht  oberflächlich    und   gibt  uns  von   den 
•atsächlichen  Unterschieden  zwischen  damals  und  jetzt  ein  schiefes 
Bild,    Die  Beträge  der  damaligen  Zeit  haben   eine  ganz  andere 
Bedeutung  als   In    der  Gegenwart.     Der  Taler   von  1731    halle 
ivar  denselben  Silbergehalt  wie  der  heutige,  aber  der  Kaufwert 
Iwider  ist  ein  sehr  verschiedener.    Wenn  wir  uns  eine  Anscliauung 
von  dem  Geldwert  jener  Zeit  verschaffen  wollen,  so  müssen  wir 
i  ß.  beachten,  daß  der  Preis  des  Fleisches  gegen  damals  heule 
um  das  Zehnfache  gestiegen  ist,  und  daß  die  Wertsteigerung  bei 
dem  Getreide   das  Doppelle  beträgt.     Der  Wert  des  Geldes   ist 
seit  damals  also  außerordentlich  gefallen;   wir  gehen  wohl  nicht 
fehl,  wenn  wir  den  Kaufwert  des  Geldes  im  Jahre  1731  auf  das 
Sechsfache  des  gegenwärtigen  veranschlagen. 


I 


240  Siegfried  Maire. 

Dann  ergibt  sich  folgendes  Bild: 

Die  Portokosten  von  damals  betragen  das  Sechs- 
fache von  heute. 

Die  Beförderungskosten  für  zwei  Perwnen  würden 
jetzt  unter  Einrechnung  der  Oepäckfracht  auf  den  von  d'Alengon 
benutzten  Strecken  in  der  zweiten  Wagenklasse  zusammen  etwa 
120  Taler  ausmachen.  Im  Jahre  1731  ist  dafür  scheinbar  das 
Doppelte,  tatsächlich  das  Zwölf  fache  ausgegeben  worden.  Hier 
ist  also  heute  im  Zeitalter  des  Dampfes  eine  Ermäßigung  auf 
ein  Zwölftel  eingetreten. 

In  den  Zchrungskosten  endlich  hat  wohl  keine 
Verschiebung  stattgefunden.  Nehmen  wir  das  Sechsfache  der 
oben  für  d'Alen^on  und  seinen  Begleiter  angeführten  Beträge, 
so  kommt  heute  auf  jenen  für  den  Tag  ungefähr  25,  auf  diesen 
etwa  4  —  4  ^/j  Mark.  Daß  diese  Summen  tatsächlich  in  der  ■ 
Gegenwart  von  Standespersonen  in  besseren  Hotels  gebraucht  j 
werden,  kann  füglich  nicht  bestritten  werden. 


Knrt  Brcysig,  Die  Entstehung  des  Gottesgedankens  und  der  Heil- 
brt»lgcr.    Berlin,  Bondi,  1905.    {XI,  2C2  S.) 

Die  Religion  ist  ein  zu  bedeutsamer  Faktor  im  Geistes-  und  Kultur- 
l«**e^n  der  Menschheit,   als  daß  die  Wissenschaft  es  unterlassen  könnte, 
kinvTier  wieder  nach   ihrem   Grunde,  ihrem   Ursprünge  zu  fragen:  muß 
iiich   die  wichtigste   Frage  dabei   der  Religion  sphilosopliie   vorbehalten 
bleiben,  die  Frage  nach  dem  eigentlichen  Wesen  der  religiösen  Funktionen, 
«ie   sie  neuerdings  R.  Eucken  in  seinem  Werk  uDer  Wahrheitsgehalt  der 
Religion"  (1901)  und  von  ganz  anderen  Voraiisseizungeji  aus  W.  Wundt 
i™  2.  Band  sdncr  Völkerpsychologie  in  Angriff  genommen  haben  -  um 
von    der  Mitarbeit   der  Theologen   wie   Kaftan,   R.  W.  Mayer,   Reischle, 
Tröltsch   zu  schweigen    -  ,  so   wird   doch  aucli  die  Retigionsgeschidtte 
immer  wieder  zu  der  Frage  nach  den  Urformen  der  Religion  gedrängt, 
so  sehr  die  besonnene  Geschichtsforschung  dies  Gebiet  den  Hypothesen- 
freunden  als   ihre  Domäne  überlassen  möchte.     Galt  in  weiten  Kreisen 
b«her  der  Animismus  oder  Seclenkult    als  die  letzterreichbare  Form  der 
Region,  so  hat  im  Zusammenhang  mit  englischen  Anthropologen  wie 
R*  Marelt  kürzlich  K.  Th.  PreuB  (im  Globus  Bd.  86)  eine  praanimis.lische 
Stufe  der   Religion   zu   erschließen   gesucht,   auf  der  eine  rein   stofflich 
gedachte  Zauberkraft  in  Natur  und  Menschen,  in  Stoffen  und  Handtungen 
dÄ  übersinnliche   repräsentierte.     Brcysig   schiebt  nun  zwischen  Animis- 
mus und  Oölterkult  die  Verehrung  der  Heilbringer,  ein  etwas  umfassen- 
euerer  Name  für  das,  was  die  Religionsgeschichte  sonst  Kulturheroa  nennt. 
Oder  richtiger,   neben   der  Oeistervcrehnmg  geht  die  unmittelbar  an 
fetischistisches  anknüpfende  Verehrung  des  meist   halbtierisch  gedachten 
Heilbringers  einher,  in  dessen  Sage  die  Flut  (bald  als  Vorflut,  bald  als 
Sntflui),  die  Bildung  des  Menschen,  die  Her  beischaff  uug  von  Feuer  und 
Üdit  und  sonstigen  Kulturmitteln,  das  feindliche  Brüderpaar,  nicht  zuletzt 
de  Kampf  mit  einem  Ungeheuer  die  Haiiptmomentc  sind.     Frei  aus 
dem  Zusammenfließen  von  Hcilbringerverehrung  und  GcisCerkult  entsteht 
der  Qottesglaube   mit  der  ihm   eigentümlichen   Bestimmtheit  dauernder 
persönlicher  Wirksamkeit   des  Gottes.     Die  Heilbringerverehrung   selbst 

AnUv  fir  KatlnrgetcliichU-.    VI. 


aber  soll  auf  historischen  Erinnerungen  an  dai  beruhen,  was  in  der 
Urzeit  einzelne  Individuen  durch  siegreichen  Kampf  mit  Qbermächtigen 
Tieren  der  Vorwclt,  durch  teilweise  den  Tieren  abgelauschte  BeherTschun}^ 
der  Natiirkräfte  ihren  Stammesgenossen  geleistet  haben.  Das  .Heldische' 
wird  dann  durch  -Aufhöhvmg"  zu  QötiUchem.  Diese  Theorie  tritt  in 
scharfen  Gegensatz  zu  der  jetzt  weit  verbreiteten  Auffassung  der  Mytho- 
logie als  einer  auf  astraler  Symbolik  ruhenden  Dichtung.  Breysig  erkennt 
zvinr  die  astralen  Beziehungen  vieler  Mythen  an,  aber  er  will  sie  als 
nachträglidie  Umdeutungen  der  urzeitlichen  Heilbringersage  \'om  Stand- 
punkt der  Alter tumsslufe  der  Mensdihett  aufgefaßt  wissen. 

Zum  Erweis  dieser  Theorie  ist  die  ganze  Völkerkunde  aufgeboten: 
bei  den  Primitiven  Amerikas  setzt  die  Untersuchung  ein;  Jelch  der  Rabe 
der  Kolumbianer  und  der  große  Mase  der  Algonkin  sollen  den  ursprüng- 
lichen Heilbringertypiis  am  reinsten  zeigen,  der  dann  in  den  Mythen  der 
Azteken,  Maya  und  Ketschua  auf  die  astral  orientierie  Altertumsstufe  des 
(Halb)gottes  erhoben  ist.  Ein  Seitenblick  auf  die  Alchcringawesen  der 
Australier.  Übcrtiere,  die  ihre  Zauberkraft  in  einem  Fetisch  bei  sich 
führen,  will  die  Voßlufe  des  amerikanischen  halbtierischen  Hdlbringers 
aufdecken.  Was  bei  den  Rothäuten  noch  klar  zutage  liegt,  erkennt  dann 
der  geschärfte  Blick  im  2.  und  3.  Teil  auch  bei  Semiten,  Hamiten  und 
Ariern.  Auch  Jahve  ist  ursprünglich  halbtierischer  Hcilbringer,  was  be^ 
sonders  die  (gründlich  miikleutcten)  Jahvcrcdcn  Hiob  40,  41  beweisen^ 
sollen.  Jahve.  der  Oreif.  und  Maiduk,  der  Stier,  treten  neben  Jelch  de^H 
Raben  und  den  großen  Haseu;  dabei  werden  in  jahve  noch  Spuren  der 
L'rzcit  rekognosziert,  während  Marduk  ganz  der  AUertumsslufe  angehören 
soll;  das  Ursemitische  will  Breysig  in  der  Übereinstimmung  des 
israelitischen  mit  den  Masai  erkennen.  Das  Besondere  Jahves  (was  er 
doch  wieder  mit  anderen  teilt)  ist,  daß  er  vom  Heilbringer  xuin  Gott 
aufgerückt  ist,  ohne  den  Umweg  über  die  Identifizierung  mit  einer  Natur- 
kraft, wie  Sonne  oder  Wolkcnhiramel.  Für  die  ethische  Besonderheit  des 
israelitisclien  Gottesglaubens  hat  Breysig  kein  Verständnis.  Die  Stütze, 
die  Breysig  an  Zimmermanns  durchaus  nicht  einwandfreier  FJohimstudi« 
(1900)  sucht,  ist  recht  unsicher  (vgl.  O.  Beer.  Theol.-Lit  Ztg.  1901,  S6tJ 
Die  Messiaserwartung  unter  die  Heilbrlngeridec  zu  stellen,  hat  et 
Berechtigtes,  ist  aber  in  der  neuesten  theologischen  Bearbeitung  (Orcß- 
mann,  Ursprung  der  israclitisdi-jüdisclien  Esdialologie,  1905)  viel  glück- 
licher gefallt.  Die  Parallele  Hcilbringer  (in  Breysigs  Sinn) -Jesus  ist  rem 
äußerlich.  Wir  dürfen  die  Heilb ringerspuren  bei  Ägyptern,  Indem, 
Griechen,  Germanen  übergehen ;  Breysig  selbst  erklärt  die  Induktion  für 
unvollständig,  aber  tragkriftig  genug  für  seine  Theorie,  die  das  Schluß- 
kapitel zu  zusammenfassender  Darstellung  bringt  mit  reichlichen  Ausblicken 
in  hypothetische  Möglichkeiten. 

Die  Opposition  gegen  die  symbolische  Mythendeutung  (als  Reaktion 
gegen  den  Astralfanatismus  einiger  Panbabylo nisten  nur  zu  begreiflich) 


tudi^_ 
56t]fl 


Besprechungen. 


243 


li^  ia  der  Ltift:  um  nur  z«-ei  Beispiele  zu  nennen,  die  Br.  nicht  zu 
iMUNO  scbdnt,  H.  Qelzer  hat  in  einem  sehr  bcachtensverten  Exkurs 
SB»  «Oenesis  der  byzantinischen  Themen vcrfissutig-  (1899)  S.  42-64 
beiODt.  daB  zn  jeder  Zeit  historische  Menschen  heroisiert  vorden  sind  bis 
znrVerEottonK-  Und  Rcndel  Harris  hat  in  der  2.  seiner  Dioscurenstudien 
OIk  Cnit  of  the  heavcniy  tvins,  1906)  den  Ausj^ngspunkt  nicht  mehr 
bei  den  astralen  Zwillingen,  sondern  von  den  Bräuchen  der  Primitiven 
bei  ZTÜlingsgeburtcn  genommen.  Gewiß  liegen  hier  die  Wurzeln  und 
nidrt  in  der  Stembeobachtung. 

Aber  eine  andere  Präge  ist,  ob  sich  von  hier  aus  der  Qottcsglaubc 
ctlüirt.  ob  das  ganze  evolutionistische  Schema,  das  ihn  als  Produkt  von 
Heilbringcrsage  und  Oeisterverehrung  herausrechnet,  berechtigt  bt.  Brcysigs 
Ausführungen  haben  auf  den  ersten  Blick  etwas  Bestechendes.  Man  muß 
sich  aber  gegenwärtig  haiten,  dafJ  solche  Hypothesen  wie  gefärbte  Brillen 
wirken:  wie  Harris  alles  im  Zwillingsliclil,  so  sieht  Breysig  alles  in  Heil- 
briigerfarben.  Daß  vieles  bei  der  Deutung  nicht  stimmt,  daß  eine 
Wenge  Züge  weggeschnitten  werden  müssen,  sieht  er  gar  nicht  oder 
flöctaet  zur  Annahme  von  späteren  Eintragungen.  Die  Kunst  perspek- 
tivischen Sehens  ist  hier  ungemein  entwickelt :  Breysigs  Auge  nimmt  sofort 
eine  ganze  Reihe  von  ümbildungsschichtcu  wahr.  Bedenklich  ist  dabei, 
d>B  die  Queüen  für  viele  der  I^mitiven  sehr  zweifelhaften  Charakters 
iind:  Breysig  selbst  gibt  die  Möglichkeit  christlicho-  Beeinflussung  zu. 
Bedenklicher  noch  scJieint  mir  die  Sicherheit,  mit  welcher  die  Psychologie 
der  Urzettmenschen  hier  gehandhabt  wird.  Am  bedenklichsten  nber  wirkt 
<l»e  rationelle  Hrklärung  mancher  Sageaclementc,  so  vor  allem  des  Dradien- 
kUBpfes  und  der  TiergestaLt  der  Hetlbringer  aus  der  Ausrottung  ante- 
<Nuvianischer  Tiere  durch  den  Urahnen  der  Menschheit,  der  einen  der 
<Bkdtetdendcn  Schrille  vom  Tier  zum  Menschen  getan  hatte!  Es  ist  ein 
Band  von  Feuerbach  und  Häckel,  in  dem  diese  Phantasie  ausklingt! 

Die  Sammlung  aller  Beobachtungen  an  einem  so  reichen  Vergleich5> 
"Hteml  ist  wertvoll  und  dankenswert  Mehr  und  mehr  lernen  wir,  daß 
■'pnds  eine  Erklärung  ausreicht:  die  verschiedenartigsten  Motive  haben 
'ittiiniiKngcwirkt.  Die  letzten  Gründe  aber,  die  Uranßnge  aufdecken  zu 
sollen,  wird  die  ihrer  Schranken  sich  bewußte  Geschichtsforschung  sich 
''rsagca.  Es  wird  da  bei  C.  P.  Tieics  Bestimmung  der  Aufgat>e  bleiben: 
**  religiöse  Entwicklung  zu  verstehen  als  die  Arbeit  des  menschlichen 
^^tea,  welche  für  die  sich  mehr  und  metir  klärende  religiöse  Idee  einen 
CceigiMteB  und  vollkommenen  Ausdruck  zu  finden  strebt.  Dabei  ist  die 
''^Oachbeit  als  von  Natur  religiös  aufgefaßt.  Das  darin  liegende  Problem 
^t  nicht  mehr  der  Religions-  oder  KuUurgcschichte,  sondern  nur  der 
^igions-  und  Völkerpsychologie  zu.  von  Dobschiltz. 


16* 


F.  Otto  Sdirader,   Die  Pragfn  des  Königs  Menandros,   aus  d( 
Päli  zum  ersten  Male  ins  Deutsche  übersetzt     Berlin,  Verlag  von  Raul 
Raatz.  iy07  (III,  XXXV.  172  u    XXVII  S.). 

Jede  neue  Übersetzung  eines  altindischen  Werkes,  ob  es  kanonisch 
oder  nicht  kanonUcti,  in  Sanskrit  oder  Päli  oder  einem  anderen  Dialekt 
geschrieben  ist,  muß  wällkonimen  geheißen  werden.  Indien  ist  noch  so 
reich  an  ungehobencn  Schätzen  und  ungelösten  Rätseln,  daß  vor  allem 
den  Kulturhistorikcrn  an  möglichst  vollständiger  Kenntnis  der  Hinduwelt, 
und  da  nur  Trcnige  jene  Sprache  beherrschen,  an  guten  Übersetzungen 
gelegen  sein  muß.  So  sind  wir  dem  Lotus-Verlag  für  die  Herausgabe  der 
deutschen  Jätakam  dankbar,  und  so  bietet  sich  hier  Anlaß  zu  ähnlicher 
Freude.  Der  spätgriechischc  Menandros,  der  etwa  zur  Zeit  der  Qracchen, 
als  Griechenland  schon  längst  zur  provincia  Achaia  geworden  war.  noch 
das  Qebict  des  Indus  und  Ganges  beherrschte,  zum  Buddhismus  flbertrat 
und  als  Milindra  oder  Milinda  (chinesisch  Mi-Ian),  eine  ähnliche  Ver- 
ehrung genoß  wie  der  große  Schakyanumi  selbst,  erecheint  hier  in  philo- 
sophischen Gesprächen  mit  dem  ehrwürdigen  Buddhisten  Nlgasena.  Der 
Übersetzer  stellt  dem  eigentlichen  Dialog  eine  vorzügliche  Einleitung 
voran,  die  die  unklare  Periode  von  Alexander  bis  zum  letzten  griechischen 
Inderkönig,  Hermaios,  kürzer  und  deutlicher  schildert,  als  es  etwa  bei 
Lassen  oder  Kern  geschieht;  und  dafür  kann  man  nur  dankbar  sein. 
Diese  Einleitung  enthält  aucli  Bemerkenswertes  über  griechisch-indische 
Kulturzusammen hänge.  Daß  die  Fragen  und  Antworten  wirklich  in 
ähnlicher  Weise  stattgefunden  haben,  wie  sie  im  Mflinda-Panha  stehen 
(S.  XX),  wird  man  schwerlich  glauben,  um  so  plausibler  wirkt  das  über 
die  Philosophie  Gesagte.  Nicht  erst  die  Stoa  steht  unter  indischem  Einfluß, 
wie  Dahlniann  in  seiner  pSämkhya-Philosophie*  1902  zeigte,  schon  die 
Vorsckratikcr,  z.  B.  Empedokles  mit  seiner  l^re  vom  Werden  und  Ver- 
gehen eines  Weltsystems,  nicht  des  Weltalls  überhaupt  (S.  16S),  unterlagen 
solchen  Einflüssen  von  Osten  her.  Etwas  weit  freilich  geht  der  Herausgeber 
mit  der  Bemerkung,  die  platonischen  Dialoge  müßten  den  Griechen  im 
Vergleich  mit  den  Gesprächen  des  Buddha  .düettantenhaft  und  salon- 
mfißig"  erschienen  sein.  Ich  dächte,  umgekehrt  aus  der  Nachahmung 
jener  Gespräche  sei  erst  die  griechische  Dialogkunst  entstanden  und  habe 
sich  dann  von  selbst  immer  freier  gestaltet,  während  sie  im  Industal  die 
buddhistische  Starrheit  immer  beibehielt.  Schon  das  hat  man  als  viel  zu 
weit  gehend  abgelehnt,  aber  man  wird  sich  mit  der  Zeit  an  diese  und 
ähnliche  Vorstellungen  doch  einmal  gewöhnen  müssen.  Daß  die  Ge- 
dankengänge des  Herausgebers  sich  Im  Ganzen  auch  in  dieser  Richtung 
beu'egen,  macht  die  Lektüre  seiner  Einleitung  gerade  so  erquicklich. 
Man  bekommt  derartiges  so  selten  zuhören!  -  FQr  die  Textüberlieferung 
statuiert  Schradcr  einen  Stamm  in  buddhistischem  Sanskrit,  von  dem  eine 
Tradition  in  Päii,  eine  andere  chinesische  abzweigt.  Der  Urlext  war 
sanskritisch,  den  geographischen  Verhältnissen  entspiwhend.     In  einem 


A 


Bespredttingen. 

Aaitng  werden  die  duncsischcn  Ausgaben  besondere  besprochen. 
S.  lJI-t72  bieten  Anmerkungen,  die  auch  dem  nicht  Pälrktmdigeii 
User  ein  Verständnis  des  sonst  dunklen  Dialogs  crraöglichen.  Ein 
ausführliches  Register  und  Berichtigungen  scIiEJcßen  den  Band.  Der 
Vtriag  würde  sich  durch  weitere  Herausgabe  indischer  Werke  in  Übei- 
setznng  sehr  verdicnl  machen,  wie  er  es  durch  dieses  Buch  berdb 
geun  hat.  C  Fries. 

K.  BÖckenhoff,  Speisesatzuugen  mosaischer  Art  in  mittelaller  liehen 
Kirchenrechtsquelten  des  Morgen-  und  Abendlandes.  Münster,  1907, 
AKhendorff.    (VII,  128  S.) 

Der  Konflikt  zwischen  der  altlevi tischen  und  im  Grunde  heid- 
H'shen  Furcht  vor  verunreinigender  Nahrung  und  dem  christlichen  Aus- 
spnidi,  nicht,  was  in  den  Mund  eingehe,  verunreinige,  ist  ein  diarakle- 
«dsdier  Speiialfall  für  die  Entwicklung  vom  Alten  Bunde  hinweg. 
Bödtenhoff  zeigt,  wie  verschiedenen  Kirchen,  Seiden,  Kirchenlehrern  bald 
rf«  Verzrhren  von  Blut  oder  Ersticktem  oder  Unreinem  und  bald  wieder 
das  Verbot  solcher  Weise  7.11m  Schibboleth  wird,  bis  zuletzt  wenigstens 
für  die  herrschende  Kirche  alle  Speiseverbole  getilgt  sind.  Dann  wird, 
rKht  charakteristisch,  die  alte  Superstition  ethisch  umgedeutet:  in  eine 
^'irniiBg  vor  gierigem  und  unmäßigem  Fraß.  R.  M.  Meyer. 


Udwif  Pastor,  Geschichte  der  Päpste  seil  dem  Ausgang  des 
Willeblters.  Mit  Benutzung  des  päpstlichen  Qeheim-Archives  und  vieler 
""derer  Archive  bearbeitet.  Vierter  Band.  Geschichte  der  Päpste  im 
ZeiUiler  der  Renaissance  und  der  Qlaubensspaltung  von  der  Wahl  Leos  X. 
bis  inni  Tode  Kleniens'  VII.  (1513-1534).  Abt.  I.  Leo  X.  l.-'4  AufL 
-  Abt.  II.  Adrian  VI.  und  Klemens  VII.  1.-4.  Aufl.  Freiburg  i.  Br., 
Herder,  19ü6/7  (XVIII,  610  S.;  XLVIJI,  800  S.}. 

Die  erste  Abteilung  des  vierten  Bandes  des  bekannten,  verdieitst- 
'>dicD  und  wirklich  wichtigen  Werkes  beschäftigt  sich  mit  einer  Epoche, 
**  kulturell  besonders  bedeutend  ist,  und  über  die  namentlich  in 
binstgeschichtlichcr  Beziehung  schon  außerordentlich  viel  geschrieben 
■st  So  verdient  sie  gerade  vom  kuliurgeschicht liehen  Standpunkt  aus 
^^f  entsprechende  Würdigung.  Dem  Charakter  unserer  Zeitschrift  geniäi3 
'^Klirinke  ich  mich  aber  auch  nur  auf  die  kulturgeschichtlichen  Partien, 
tlie  freilich  einen  wesentlichen  Teil  dieser  Geschichte  der  leoninischen 
Zeil  ausmachen. 

Zu  diesen  kultiirgeschichUichen  Partien  gehören  bereits  aus 
**<"'  eisten  Kapitel  der  Abschnitt  über  die  feierliche  Besitznahme  des 
J-»ierans  (Possesso),  über  den  Festzug  -  .das  glänzendste  Schauspiel, 
*s»n  Rom  seit  der  Kaiserzeit  Zeuge  gewesen  war*  -  und  die  Aus- 
*<h«iläckung  der  Stadt  sowie  der  Ober  die  Obedienzgesandlschaft    des 


246 


Besprechungen. 


Königs  Emaiiuel  von  Portu^l.  Besonderes  AufsHien  erregte  an  d< 
Papst  von  dem  König  geschenkter  weißer  Elefant,  über  den  auch  eine 
nicht  unbedeutende  Literatur  existiert.  Als  er  eingegangen  war,  erhielt 
Raffael  den  Auftrag,  das  Bild  desselben  an  einem  Turm  des  Vatikans 
anzubringen.  Ganz  kulturgesdiiditJich  sind  dann  das  10.  Kapitel :  Leos  X. 
Persönh'chkeit  und  Lebensweise,  seine  Finanzen  und  sein  Hof,  das 
mediceischc  Rom.  und  das  iL:  Leos  X.  Stellung  zu  Literatur,  Wissen- 
schaft imd  Kunst.  In  diesen  Kapiteln  finden  sich  auch  Kabinettstücke 
der  Darstellung,  wie  die  Besdireibttng  des  damaligen  Roms,  insbesondere 
die  seiner  Ruinenwelt,  wie  femer  die  Partien  über  die  .arbeiten  Raffaels  u.  a. 
Für  die  Sittengeschichte  kommt  aulJer  der  offenen  Darlegung  der  Sittcn- 
losigkeit  in  Rom  die  Schilderung  der  leidenschaftlichen  Jagdlicbhabervi 
Leos  sowie  die  seiner  Feste  und  Spiele  in  Betracht,  unter  denen  nament- 
lich eines  ein  bezeichnendes  Licht  auf  »den  unverantwortlichen  Leichtsinn* 
Leos  wirft.  Eingehend  und  höchst  gründlich,  unter  vielfacher  Bereicherung 
der  Wissenschaft,  sind  die  literarischen  Zustände  behandelt,  wobei  das  tite- 
rarische Mizenat  Leos  aber  völlig  zerpflückt  wird.  Mehr  laut  Pastor  von 
dem  künstlerischen  Mäzerat  bestehen,  worauf  sogleich  zurückzukommen 
sein  wird.  Diese  kunslgeschi  dilti  dien  Abschnitte  haben,  wenn  auch  nicht 
alle  Einzelheiten  akzeptiert  werden,  großes  Ijib  seitens  der  Kunsthistoriker 
gefunden  cmd  sind  in  der  Tat,  der  Liebe,  mit  der  sie  geschrieben  sind, 
entsprechend,  sehr  wertvoll. 

Ein  wesentlicher  Zug  der  Darstellung  Pastors  ist,  daÜ  er,  wie  eben 
angedeutet,  die  wissenschaftlichen  und  kflnsüeri sehen  Verdienste  Leos  bei 
weitem  kritischer  ansieht,  als  man  das  bisher  gewöhnt  war,  von  einer 
gleich  zu  erwähnenden  Richtung  abgesehen.  Sein  SchluBurlcil  lautet 
(S.  609):  .Wenngleidi  in  mandien  Punkten  üt>er  den  Mediceerpapst  das 
letzte  Wort  noch  nidit  gesprochen  ist,  so  wird  man  doch  nach  dem 
gegenwärtigen  Stande  der  Forschung  wohl  behaupten  dürfen,  daß  sein 
Pontifikat,  überschwenglich  von  Hunuinistcn  und  Dichtem  gepriesen,  von 
den  Strahlen  der  Kunst  Raffaels  verklärt,  durch  die  schrankenlose  Hingabe 
an  weltliche  Tendenzen  und  an  die  neuen  glänzenden  KuUurformcn  sowie 
durch  das  Zunicktreten  des  Kirchlichen  verhängnisvoll  für  den  pSpstlichen 
Stuhl  geworden  ist,-  Kein  Zweifel,  dali  P.  ein  Recht  hat.  den  l^pst  nach 
den  Anforderungen,  die  an  ihn  etien  als  I'a[wt,  als  Haupt  der  Christen- 
heit, zu  stellen  sind,  zu  beurteilen.  Aber  auch  wenn  man  darüber  hinaus 
sich  auf  den  weltlich-menschlichen  Standpunkt  stellt,  wie  das  ja  die  Zeit- 
genossen taten  vsie  waren',  sagt  Pastor  (S.  &08),  .so  sehr  an  das  Zurück- 
treten der  kirchlichen  Seite  bei  den  Päpsten  der  Renaissancezeit  gewöhnt, 
dall  sie  Leo  X.  nur  als  weltlichen  Fürsten  beurteilten"  ,  so  findet  aucli 
daim  der  Papst  bei  P.  eine  schärfere  Beurteilung  als  früher.  .Auch  wenn', 
ngt  er  (S.  609),  .man  von  einem  umfassenderen  Standpunkte  aits  Leo  X. 
betrachtet  und  seine  kuliurdlen  Verdienste  in  Erwägung  zidit,  so  erkennt 
man  bei  tieferem  Eindringen  doch,  dalt  in  dieser  Beziehung  das  leoninische 


Besprechungen. 


247 


^ulter  nicht,  wie  das  lange  geschehen  i&t,  als  der  Typus  höchster  und 
ungestörter  Blüte  von  Literatur,  Wissenschaft  und  Kunst  betrachtet  verden 
lann.  Immerhin  hat  Leo  X.  sich  auf  diesen  Gebieten  Verdienste  erworben, 
<lje  bei  einem  Gesamturteit  über  ihn  in  Anschlag  gebracht  werden 
Briissen."  Mit  den  letzten  Worten  weist  P.  aber  auch  die  Übertreibungen 
fl'nes  neueren  italienischen  Gelehrten,  GnoUs,  zurück,  der  den  Papst, 
.teicher  dem  schönhcitstrunkcncn  Zeitalter  der  Hochrenaissance  den 
Kamen  verlieh,"  vor  allem  auf  dem  Gebiet  der  Kunst  allzusehr  herabsetzt 
(vgl.  S.  SS5).  Julius  II.  steht  freilich  nach  P.s  Urteil  gerade  in  dieser  Be- 
ziehung viel  höher.  .Das  von  den  Humanisten  als  Ausspcndem  des  Nacti- 
nihms  entworfene  Bild  von  dem  künstlerischen  Mäzenatentum  Leos  X., 
■Rlches  durch  seine  Übertreibung  die  Verdienste  des  gerade  hier  in  einzig- 
artiger Größe  strahlenden  Vorgängers  in  ungebührlicher  Weise  verdunkelte, 
hil  Jahrhunderte  hindurch  die  landläufige  Meinung  bestimmt."  «Die  Glut, 
die  zündet,  die  großen  Gedanken,  das  alles  besaß  Julius  II.  Nicht  bloß 
«Is  Politiker,  auch  als  Kunstmäzen  übertrifft  der  geniale  Roverepapst 
Tcitaus  und  unbedingt  den  klugen  Mediccer.  Diese  Wahrheit  ist  lange 
vtrkannt  worden,  aber  jetzt  siegreich  durdigedrungcn.« 

Man  darf  in  dieser  Stellungnahme  Pastors  wie  in  der  Beurteilung 
Ltos  überhaupt  ohne  Zweifel  einen  Beweis  wissenschaftlicher  Objekliviläl 
sehen ;  ein  weilerer  Beweis  für  diese  ist.  daß  er  die  erwähnten  sittlichen 
Zustände  in  ihrer  ganzen  Grellheit  aufzeigt.  Er  scheut  sich  nun  aber 
HKh  nicht,  die  üefe  Refonnbedürftigkeit  und  Verdorbenheit  der  damaligen 
tOfche,  auch  Deutschlands,  anzuerkennen.  Und  wenn  er  nun  auch  bei 
•Iwi  für  ihn  als  katholischen  Historiker  recht  heiklen,  übrigens  anscheinend 
»isichllich  ausführlich  behandelten  Thema:  Luther  und  die  Reformation 
*<n  diese  seine  Richtung  immerhin  erkennen  läßt,  so  wird  man  doch 
^*  Gründung  seiner  Ausführungen  audi  auf  neueste  protestantische 
rorecher  sowie  die  ruhigen,  vorsichtigen  Urteile  als  wirkliche  Betitigung 
■"Öglichster  Objektivität  ansehen  dürfen.  Die  Anerkennung  Pastors  durch 
•^koff  und  Friedensburg  darf  in  dieser  Beziehung  als  charakteristisch 
hervorgehoben  werden.   - 

Weniger  kommt  für  die  Kulturgeschichte  die  zweite  Abteilung  des 
«'«t«  in  Betracht,  die  im  übrigen  erst  das  Verzeichnis  der  benutzten 
Archive  und  Handschriltensammlimgen,  das  Literalur\'erzeichni5  und  das 
""tister  für  beide  Abteilungen,  femer  auch  einen  Anhang  mit  unge- 
dnickten  Aktenstücken  und  archivalischen  Mitteilungen  bringt.  In  der 
'•^'tcn  Abteilung  handelt  es  sich  nm  das  Pontifikat  ..des  edlen  Adrians  VL, 
^  letzten  Papstes  deutschen  Urspnmgs",  dessen  energische,  den  Römern 
^hsi  unsympathische  Reformtätigkeit  sidi  aber  auf  eine  ^leider  nur  kurze 
''^Kierung"  beschränkte,  und  um  dasjenige  Klemens"  VII.,  das  nach  P. 
•eines  der  unglücklichsten  war.  welche  die  Geschichte  kennt-,  .Die 
Kultürentwicklung  der  Renaissance,  die  unter  Leo  X.  ihren  Höhepunkt 
weichte,  war  für  Adrian  eine  völlig  fremde  Welt,  in  der  er  sich  nicht 


7-urcchtfaTid.  Der  schroffe  Wechsel,  der  mit  ihm  in  Rom  eintrat,  «nirde 
um  so  mehr  empfunden,  als  der  liberale  Mediceer  sich  allen  Tendenzen 
dieser  Kultur  rQckhalttos  hingegeben  halte."  Übrigens  vrerden  die  Urteite 
Pastors  Rbcr  Luther  gelegentlich  schärfer.  Der  Fortgang  der  Reformation 
wird  bei  Klemens  VII.  behandelt.  Bei  der  Würdigung  dieses  Papstes  ist 
dann  auch  ein  kulturgeschichtliches  Kapitel  zu  finden:  seine  Stellung  zu 
Literalitr  und  Kunst.  Den  .^gUtizenden  Vorwurf  (das  Jüngste  Ccridit) 
für  die  Kunst  des  Titanen  (Michelangelo)  eisonnen  zu  haben,  ist  wohl 
das  größte  künstlerische  Verdienst  des  zweiten  Mediceerpapstes«.  h 

Der  Pastorschcn  Arbeit  im  ganzen  muß  endlich  noch  die  umfassende^ 
Beherrschung  des  Materials  und  die  quellenmäßige  Fundierung  nicht 
nur  durch  mögliclist  vollständige  Heranziehung  der  groflcn  in  Betracht 
kommenden  gedruckten  Literatur,  sondern  auch  durch  die  Herbeischaffung 
und  Verwertung  einer  Fülle  neuen  archivalisclien  Stoffes  aus  zahlreidien, 
namentlich  italienischen  Archiven  (in  erster  Linie  dem  päpstlichen  Geheim- 
archiv) und  Ribliolheken,  wodurch  ihm  zum  Teil  wirkliche  Entdeckungen 
gelangen,  nachgerühmt  werden.  Man  kann  ncir  mit  Achtung  von  dem_ 
Werke,  in  dem  Pastor  seine  Ixbensaufgabe  erblickt,  sprechen. 

Qeorg  Steinhausen. 


I 


L   Menke-OlQckert,    Ooethe    als    Ceschichtsphllosopli    und    die 
geschichtsphilosophisctie   Bewegung  seiner   Zeit.     Mit   einer    Einführung 
von  K.  Lamprecht.     (Beiträge  zur  Kultur-  und   Universalgeschichte^.^ 
her.  V.  K.  Lamprecht,  I.)    Leipzig,  Voigtländcr,  1907  (V,  146  S.)  fl 

Die  Untersuchung  könnte  wohl  gründlicher  sein.  Daß  der  Verf. 
fand,  ein  so  geschicktes,  wenn  auch  schiefes  Buch  wie  Ottokar  Lorenz 
Politische  Lehrjahre  Goethes  biete  ihm  wenig  (S.  146),  spricht  nicht 
unbedingt  nur  gegen  Lorenz;  jedenfalls  hätte  es  den  Verf.  nicht  berechtigen 
sollen,  von  aller  neueren  Literatur  abzusehen  und  z.  B.  die  belehrenden 
Studien  zu  Goethes  Weltanschauung  zu  ignorieren ,  die  wir  Steiner, 
Kalischef,  Morris  usw.  verdanken.  Ich  treffe  jetzt  oft  bei  jüngeren  Forschem 
die  Baccataureus-Methode,  er^t  selbst  den  neuen  Tag  heniufffihren  zu 
wollen;  und  wenn  mir  auch  sicher  ein  Buch,  das  lediglich  auf  Quellen- 
studien berühr,  lieber  ist  als  eins,  das  gaiu  aus  abgeleiteten  Quellen 
gespeist  wird,  so  scheint  mir  doch  aitch  die  Vcmachlässigtmg  der  Vor- 
arbeiten ein  methodischer  Fehler. 

Menke-Olückert  kommt  denn  auch  aus  seiner  Lektüre  heraus  zu 
höchst  anfechtbaren  Behauptungen:  Ooethe  habe  sich  Zeit  seines  Lebens 
stolz  als  geborener  Reichsstädter,  als  freier  Frankfurter  Bürger  gefühlt 
(S.  1),  seine  Beliachtung  der  Individuen  habe  sich  durch  die  T)penlehre 
gänzlich  verändert  (S-  SD,  er  habe  -  als  erster  -  die  neuere  Geschichte 
als  ein  LnslAsen  vom  Banne  der  Autorität  aufgefallt  (S.  lOül.  Übrigens 
sind  seine  peremptortsdien  Aussprüche  über  andere  Erscheinungen  oft  aidht 


4 


»ffliger  bedenklich:  die  Römer  seien  das  Lieblingsvolk  der  Aufklärung 
iS.  24),  oder  Herder  sehe  als  Ziel  der  Gescliichte  die  Befreiung  von 
Vonirleileii  an  (S.  25;  «Auch  eine  Philosophie  der  Geschichte",  dies 
(tolUeristische  Denkmal  für  Herders  Entwicklung,  u-ird  gar  nicht 
enrihnt).  Oberflächlich  ist  nach  seinen  eigenen  besseren  Ausführungen 
(S.  4J(  der  Satz,  diK  üoethe  in  dem  -Brief  des  Pastors  zu  •"  ein  ,Auf- 
rringcD  von  Meinungen*  gewünscht  habe  (S.  44);  falsch  die  diircli geführte 
Sclirobung  Cooke  (S.  "3  f.)  fßr  den  Entdecker;  und  so  fehlt  es  nicht  an 
Mieren  Spuren  der  Hast 

Dem  entspricht  denn  eine  etwas  zu  gradlinige  Entu-icktung 
(S.77  f.),  die  übrigens  (S.  60  f.)  den  Begriff  der  Metamorphose  zutreffend 
in  den  Mittelpunkt  stellt  und  auch  den  ■Götz"  [bes.  S.  50)  hübsch  ein- 
zaordnen  versteht.  Wie  kann  man  aber  iS-  47)  sagen,  Goethe  gehe  in 
nndiKdcnen  Punkten  über  Herder  hinaus,  indem  er  beim  Nädisten, 
Wrklidien  bleibe?  wie  kann  man  seine  historische  Anschauung  {S.  55) 
nAtti  die  Mosers  stellen? 

Wir  haben  eine  gute  Auswahl  an  Belegstellen  mehr  in  O.  Har- 
njds  als  in  W.  Bodes  Manier;  der  Versuch  aber,  auf  sie  ein  Denkmal 
<^a  Oeschichtsphilosophen  Goethe  aufzubauen,  kann  nicht  als  gelungen 
hczckbnet  werden.  Richard  M.  Meyer. 

Ahron  Marc»,   Die  moderne  Entwicklungstheorie  in  der  jEldischcn 

^asoischafl.     Hamburg,  Marcus. 

Mitteilungen  über  frühe  Andeutungen  der  Entwicklungsgedanken  bei 
jüdischen  Denkern,  die  wertvoll  wären,  wenn  man  die  Übersetzung  in 
fowimie  Termini  kontrollieren  könnte,  eingebettet  in  h&hntsch -hochmütige 
D«k!araationen  von  unerträglichem  Ton.  R.  M.  Meyer. 


L  Ixnnboff.  Das  ländliche  Gesindewesen  in  der  Kurmark  Branden- 
IJUTg  vom  tö.  bis  IM.  Jahrhundert.  (Untersuchungen  zur  deutschen  Slaals- 
^^  Rechtegesdiichle,  hrg.  von  Qicrkc.  79.  Heft.)  Breslau,  Marcus, 
»^,    (Vlll.  140  S.) 

Die  vorliegende  Arbeit  ist  eine  erschöpfende  Darstellung  der  länd- 
'»dwii  Gesindeverhältnisse  in  der  Kurmark  seit  der  Zeit,  wo  die  Quellen 
'^  öne  solche  Untersuchung  zu  flielien  beginnen,  seit  dem  16.  Jahr- 
'•fodcrt.  Die  Besprechung  endet  mit  dem  Jahre  ISIO,  wo  die  letzte 
0*siiHjeordnung  gegeben  wurde,  die,  der  Zeitrichtung  entsprechend,  die 
^tsst\n  des  Gesindes  sprengte,  welche  in  den  vorangegangenen  Jahr- 
huBdertfn  die  Lage  der  Dienenden  zu  einer  menschenunwürdigen  gemacht 
"tteo.  Die  Darstellung  gründet  sich  auf  eingehende  archivalischc  For- 
^^Bgen  und  verwertet  erschöpfend  die  einschlägige  Literatur,  wobei  der 
Verfasser  auch  manchmal,  m.  E.  mit  Erfolg,  gegen  bisherige  Auffassungen 
«Qkimpft. 


25  0  BtsprechnngCT. 

Die  Arbeit  entrollt  vor  unseren  Augen  auch  ein  Kullurbild.    Wi^Mi 
erkennen  ans  den  im  Laufe  der  rrei  Jahrhundertc  erlassenen  Gesinde—  - 
ordnunK«!  (1620—1810),   wie  sich  die  wirtschafltichen,  sozialen  und  kul — - 
lurellen  VerhSlInisse  auf  dem  Lande  gestattet  haben.   Die  Behandlungswcise.^M 
die  man  dem  Gesinde  glaubte  angedeihen  lassen  zu  können,  sowohl  dem    J 
freien  wie  dem  ZwanKsgcslndc,  die   Bestimmungen  über  die   IcärgHchen  ^ 
Löhne,  die  lange  Dienstzeit,  die  dürftige  Beköstigung,  die  harten  Strafen. 
die  Geringfiiitigkeit  der  Pflidilen  auf  Seilen  der  Herrschaft,  alles  das  gibt 
uns  eine  klare  Vorstellung  von  der  Eigenart  des  sittlichen   Empfindens 
der  damaligen   führenden   Kreise.    Für  ims  moderne  Menschen,  denen 
«die  persönliche  Freilicil  aller  ein  Glaubenssatz"  ist,  muß  das  Bild  ab- 
sloOend  und  häßlich  s^n.    Aber  es  ist  notwendig,  diese  häßliche  Wahr- 
heit recht  genau  ins  Auge  zu  fassen,  um  unsere  Zeil  richtig  würdigen 
zu  können. 

Der  Verfasser  wird  deii  einzelnen  Landesherren,  auch  einem  Friedrich 
dem  Großen,  gerecht:  er  macht  es  verständlich,  w-arum  nicht  früher  der 
Tag  der  Freiheit  anbredten  konnte.  Erst  die  Not  des  Landes  konnte 
Bresche  legen  in  die  Burg  des  Feudalismus.  Nun  erst  wurde  es  jedem 
überlassen,  Verträge  über  dir  Anwendung  seiner  Kräfte  zu  schließen,  so 
vorlcilbafl  er  konnte.  Erst  die  Gesindeordiiung  von  1810  hat  denn  auch 
dem  ländlichen  Gesinde  in  der  Kurmark  der  nötigen  Schutz  des  Ladens, 
der  Gesundheit  und  Sittlichkeit  gebracht. 

Interessant  ist  es,  zu  beobachten,  wie  sich  die  Klagen  über  die  Unbot- 
niäßigkeit  des  Gesindes,  über  seine  Untreue,  Liederlichkeit  und  seine 
Putzsi3cht  durch  die  Jahrhunderte  hinziehen.  Also  nicht  erst  die  Freiheit 
die  Möglichkeil  zur  Verwertung  der  innewohnenden  Arbeitskraft,  hat  di< 
Folgen  gezeitigt.  Manche  zeitgenössischen  Beschwerden  muten  uns  sei 
»modern"  an.  Übrigens  ist  auch  der  stete  Kampf  um  die  Löhne  trol 
bestehender  Lohnlaxe  bemerkenswert.  Die  Leutenot  half  den  Dienend« 
beim  Steigern  ihrer  Ansprüche.  Sie  ist  also  auch  nicht  bloß  eine  modt 
Erscheinung  für  die  Landwirtschaft.  Im  16.  Jahrhundert,  wo  ja  vide  Stldte 
gewaltig  zimahmen .  ertönt  schon  der  Klagenif.  Im  Jahre  1608  wird 
gesagt,  daß  in  wenigen  Jahren  sich  der  Lohn  verdoppelt  habe.  Diescr 
Vorgang  hängt  aber  nicht  etwa  allein  mit  der  soeben  genannten  Ent- 
wicklung der  Städte  zusammen  und  nicht  bloß  mil  einer  vielleicht  inten- 
siveren Bestellung  der  Äcker  und  der  dadurch  gesti^enen  Leulenot, 
sondern  die  ganz  ungewöhnliche  Umbildung  des  damaligen  Wirtschafts- 
lebens ist  schuld,  namentlich  die  gewaltige  Geldentwertung,  wie  sie  seit 
der  Mitte  des  16.  Jahrhunderts  auch  in  Deutschland  Platz  gaffen  hatte^H 
Hand  in  Hand  mit  einer  entsetzlichen  und  immer  sdinellcr  um  sid^H 
greifenden  Mönzverschlechlerung.  Der  Osten  wird  vor  allem  unter  dem 
Hereinbredicn  der  schlechten  polnischen  kidnen  Münze  schwer  glitten 
haben,  deren  unheilvolle  Wirkung  besonders  in  Österreich,  anderervtts 
aber  doch  auch  bis  nadt  Frankfurt  a.  M.  verspürt  worden  ist.    tdi  habe 


Besprechungen. 


251 


diräber  einiges  in  meiner  .Entwicklung  der  direkten  liestcncrung  in  der 
RfidtssUdl  Frankfurt-  ausgcfillul. 

Es  ist  zn  bedauern,  daß  bisher  noch  Untersuchungen  fehlen  über 
die  In  damah'ger  Zeit  zum  Leben  der  märkischen  Dienstboten  unumgänglich 
nötißoi  Dinge  und  über  die  Kosten  dieser  zur  Fristung  des  Lebens  gc- 
bniKhlen  Erfordernisse.  Erst  so  wären  wir  in  der  Lage,  den  Kultur- 
nistand  richtig  zu  erfassen,  erst  so  könnten  wir  auch  die  Wagen  der 
Arbdtnehmer  üb«"  unzureichende  tlnllohnung,  der  Arbeitgeber  über  un- 
effKhtfertigte  Ansprüche  auf  ihre  Sticlihaltigkeil  hin  prüfen.  Man  müßte 
niDi  mindesten  die  Kaufkraft  des  Geldes  in  den  verschiedenen  Zeiten 
•cnnen. 

Der  Verfasser  hat  selbst  die  Notwendigkeit  einer  solchen  LJnler- 
suchung  anerkannt.  Ich  hoffe,  daJi  er  diese  auch  filr  die  Kulturgeschichte 
so  überaus  widitige  Arbeit  in  Angriff  zu  nehmen  entschlossen  ist.  Freilich 
^in  dazu  die  Erschließung  von  fVivatarchiven  erforderlich. 

Friedrich  Bothe. 


J  W.  Hedemann,  Die  Fürsorge  des  Gutsherrn  für  sein  Gesinde, 
fßrandenburgisch-prcultischc  Geschichte.)  ■{Sonderabdruck  aus  der  Fest- 
8>^  für  Felix  Dahn.   l)    IJrtsIau,  Marcus,  1W5.    (53  S.) 

Der  Verfasser  will  zeigen,  wie  die  Fiirsorgepfllchl  des  Gutsherrn 

^*"  sein  Gesinde  unter  schweren  Kämpfen  den  heutigen  Stand  crreicIU 

''*'■    Und  das  ist  ihm  gut  gelungen.    Er  weist  nach,  wie  der  Adel,  durch 

°*  Leiilenol  gezwungen,  den  Dienstzwang  einführte,  wodurch  die  Unter- 

"lenldnder  gebunden  wurden.    Namentlich   das  ostelbische  Gebiet   hat 

^"^  Herrschsucht  des  Adels  sich  2U  harten  Formen  ausbilden  sehen.   Und 

■t***!  hat  der  Staat  selbst  hilfreiche  Hand  leisten  müssen.   In  der  Mark  hatte 

**"  lM5  der  Gedanke  einer  Fürsorge  für  das  Gesinde  niederschlagen  wollen, 

'*'^    bald   trat  eine  heftige  Reaktion  ein.    Bis  zum  Jahre  1755  ist  dann 

von     Fürsnrgepilicht  auf  dem    l^ndc   keine  Spur  mehr.    1718   war  eine 

^"^idung  in  ländliches  und  städtisches  Gesinde  eingetreten.   Für  ersteres 

'^fd«  eine  rechtliche  Fürsorgepflidit  vorerst  noch  nicht  als  notwendig 

''"Munden.   Justus  Moser  läßt  freilich  in  seinen  „Patriotischen  Phantasien» 

*^^   Gedanken  an  eine  geordnete  Invaliden-  und  Altcrsversichening  Spiel- 

*"**,   aber  erst,    als  im   ALK.  die  Auffassung  von  obligatorischen  Ver- 

/*ft^n  zum  Durchbruch  kam,  wurde  auch  die  Gesundheit  als  wichtigstes 

"*     der  arbeilenden    Klasse  erkannt.     Dadurch   erwuchsen  dann  dem 

*^*saw3Tn  Pflichten. 

AUnche  Gedanken  des   BOB.  inbetrcff  der  Fflrsorgcpflicht  gehen 

«Jie  preußische  Kodifikation  aus  den  Jahren  1784,  1794  und  1810  zurück. 

.  Hedemann  weist  zuletzt  auf  die  heulige  Zwiespältigkeit  hin^  die 

'*'-»rch  entstanden  ist,  daß  zwei  große  Gesetzgebungswerke,  das  BOB. 


»nd 


die  Vcrsidierung^esetzc,   mit  der  Oesindeordnung  von    1810   in 


Er  gedenkt  diese  Frage  ander— 


mancher  Hinsicht  in  Konkurrenz  treten 
Wirts  zti  behandeln. 

Die  Ausführungen  sind  klar  und  zcichaen  zu  gleicher  Zeit 
Khauliche  Kultiirbilder.  indem  sie  das  jeweilige  Verhältnis  zwischen  Herr 
und  Diener  scharf  beleuchten.  Die  Fürsorge  [ür  die  dienende  Klasse 
erscheint  als  bedeutende  kulturelle  Errungenschaft  des  letzten  Jahrhunderts, 
die  unserer  Zeit  den  Slcmpcl  aufdrückt 

Friedrich  Bolhe. 


1 


Illustrierte  Geschichte  des  Kunstgewertes,  herausgegeben  in  Ver- 
bindung mit  Wilhelm  liehnckc,  Moritz  Dirgcr,  Ottov.  Falke,  Josef  Folncsics, 
Otto  Kümmel,  Erich  Pemice  und  Georg  Swarzenskl  von  Georg  Lehnen- 
Abt.  1-4  Berlin,  Verlag  von  Martin  Oldcnbourg,  1907.    (592  S.)  ^M 

Wen»  sich  MSnner  wie  der  Greifswalder  Arch3ol<^  Pemtc^^ 
Museumsdirektoren  wie  Swarzenski  und  Otto  v.  Falke  u.  a.  zusammentun, 
um  eine  Geschichte  des  Kunstgewerbes  zu  verfassen,  und  wenn  der 
Oldenbourgschc  Verlag  das  Werk  mit  einer  Ffille  von  Illustrationen  und 
farbigen  Tafeln  feinster  Ausführung  ausstattet,  so  muß  allerdings  etwas 
Tflctitlges  zustande  kommen.  Und  das  ist  auch  der  Fall.  Pemice  streift 
cnt  den  Orient,  weilt  liebevoll  in  Kreta  und  Mykcne  und  gibt  dann  eine 
prftchllge  Entwicklimg  der  altischen  Keramik.  Von  den  schwarzfigurigen 
fuhrt  er  zu  den  strengen  und  entwickelteren  rotfigurigen  Vasen  hinüber, 
I.uphrnnins  wird  zur  lebendigen  Persönlichkeit,  ßrygos,  Duris,  Hieron 
werUei)  uns  vertraut.  Eine  solche  Zusammenfassung  Ist  ungemein  nützlidi 
und  xumal  im  Anschluß  an  die  altkretische  Kunst  äußerst  lehrretcb. 
KrAnig  Irin  die  Rnllc  Joniens  als  kulturs[Kndende  Zentrale  überall  hervor. 
Auch  die  fernerer  Teile,  die  altchristliche  Kunst,  das  Mittelalter  und 
die  KenaJssaticc  haben  in  Swarzcnski  und  v.  Falke  würdige  Bearbeiter 
gefunden.  -  In  diesen  vier  schönen  Heften,  die  bisher  voriiegen  und  die 
ichon  fflit  600  Seilen  umfassen,  zu  blättern  und  die  herrlichen  Parben- 
lafeln  zu  betrachten,  etwa  die  reizende  Tanagraftgur,  die  antiken  Gläser 
de«  lierliner  Kunstgewerbemuseums ,  die  koptischen  Webereien .  den 
deutichcn  Wirkteppich  aus  dem  15.  Jahrhundert,  Andreolis  Majolikaleller 
ui«.,  gehört  zu  den  schönsten  Kunstgenüssen,  f^as  Budi  entspricht 
durchaui  der  Richtung  unserer  Zeit,  die  neben  der  Kunst  dem  verfeinerten 
Kunstgewerbe  einen  so  breiten  Raum  gewährt  Es  Ist  zu  hoffen,  daß 
das  Werk  durch  Erscheinen  der  zweiten  Hälfte  recht  bald  ven-oll- 
ittndigt  wfi-de.  C  Fries. 


Kleine  Mitteilungen  und  Referate. 


Nicht  nur  bei  den  Museologen,  sondern  vor  allem  auch  bei  den 
Knhnrtitstorikem  von  Fach  und  den  Freunden  der  Kulturgeschichte  sollte 
e»  ausgezeichnete  Arbeit  unseres  Mitarbeiten  Otto  Lauffer;  Das 
Historische  Museum,  sein  Wesen  und  Wirken  und  sein  Unter- 
schied von  den  Kunst-  und  Kunstgewerbe-Museen  (Museums- 
foBde,  III,  H.  1)  eingehende  Beachtung  finden  und  nachhaltige  Wirkung 
ausüben.  Das  angeblich  so  große  Interesse  für  die  Kulturgeschichte,  das 
Iwirte  immer  vorausgesetzt  wird,  existiert  ja  nur  in  ganz  geringem  Maße. 
Man  begnügt  sich  damit,  das  Schlagwort  ir  Kult  Urgeschichte"  mö^ichsl 
rft  im  Munde  zu  führen.  Bei  dem  großen  Publikum  vollends  wind  das 
OtTcdevon  Kulturgeschichte  vQUig  zum  leeren  Geschwätz.  Diese  Lage  der 
Dinge  berührt  denn  auch  die  ncucrdingä  entstandenen  oder  entstehenden 
Whirgeschicht liehen  Sammlungen,  Man  kann  freilich  anführen,  dafi  zur 
Emchtung  derwlben  ja  vielfach  öffentliche  und  private  Mittel  hergegeben 
■Wden  und  werden,  aber  es  geschah  und  geschieht  sicherüdi  seilen  der 
Kulturgeschichte  zu  Uebe.  Vielmehr  denkt  man  bei  dem  Begriff  Museum 
iJodi  im  Grunde  immer  an  die  Kunst,  und  Kunst  ist  ja  heule  das  Feld- 
SQdirei  der  »Ocbildelen*.  Die  Regierungen,  die  Städte  haben  jetzt  für 
**«  Ötfenllichcn  Sammlungen  viel  mehr  Geld  als  früher;  man  kann  auch, 
*cnn  die  Mittel  nicht  genügen,  irgendeinem  reichen  Manne  seine  Mäzenaten- 
P^icbt  am  ersten  für  Kunstwerke  klar  machen  und  aus  ihm  ein  tüchtiges 
Stück  Geld  für  Ankäufe  herauslocken.  Wer  unter  den  Museologen  ein 
'Wig  zu  »machen"  versteht,  kann  bei  der  sehr  günstigen  Stimmung 
^tt  vid  erreichen.  Aber  der  Tief  erschauende  merkt  doch  wohl,  daß 
'"  dieser  ganzen  Strömung,  die  im  wesentlichen  kunstgeschi  cht  lieh,  auf  die 
Konst  der  Vergangenheit  gerichtet  ist,  die  aber  auch  zum  Teil  auf  eine 
^stlietisierung  des  LetKus,  auf  mehr  Kunst  im  Gegen wartstcbeu  au^elit, 
'fflniertiin  viel  Oberflächlichkeit,  Hohlheit,  pure  Mode  steckt.  Segens- 
reidic  Folgen  und  Wirkungen  sind  gewiß  auch  zu  bemerken.  Es  ist 
cne  Freude,  zu  beobachten,  wie  in  wirklich  gebildeten  Familien  mit  Eifer 
*^  Kunstinteresse  durch  Anschaffung  guter  Reproduktionen  von  Bildern, 
I^liefs  usw.,  von  Sammelwerken  und  Mappen  gcpflegt,dieKennlnis  auf  diesem 


Gebiet  durch  eigenes  Urteil  gefArdert  wird.  Aber  viele  machen  das  auch 
nur  der  Mode  halber  mit.  und  im  ganzen  halten  wir  trotz  gesunder  inner- 
licher Unterströmungen  diese  Modeströmung  für  genau  so  äußerlich  Tic  die 
ganze  Kuttur  der  Gegenwart  überhaupt,  Aber,  um  auf  die  Lauffenche  Arbeit 
zu  kommen,  in  ihr  handelt  es  sich  eben  n  i  cli  t  um  Kunstmuseen :  im  Gegenteil 
wird  hier  die  An  vendung  der  ästhetischen  und  kunstgeschichtlichen  Betradi- 
tungsweisc,  die  an  den  groflcn  Museen  unbestritten  herrscht,  auf  die  völlig 
andersgearteten  Altertumssammlungen  bekämpft,  und  daher  versteht  man 
nur  zu  wohl,  venn  Lauffer  gleich  zu  Beginn  seine  Arbeit  als  undankbar 
hinstellt  und  meint.  daB  er  ..bei  der  weitaus  größten  Zahl  der  Fach- 
genossen mit  den  folgenden  Auseinandersetzungen  auf  keine  allzu  leb- 
hafte Teilnahme  rechnen  könne-.  -  1-auffer  sucht  zunächst  in  längerer 
Krftrterung  den  B^riff  des  •Historischen  Museums'  zu  bestimmen  und 
«eist  nach,  »-ie  minvcRtändlich  die  Bezeichnung  »kulturgeschichtlich*  bt, 
vcil  jeder  etwas  anderes  danmler  versteht.  Diese,  gerade  die  Leser  unserer 
Zeltschrift  interessierende  Auseinandersetzung  hält  er  für  nötig,  weil 
auch  er  nicht  auf  die  geläufige  Bezeichnung  .Kullurgeschiclite*  \'erzichten 
will  und  kann.  Um  Mißverständnisse  zu  vermeiden,  zieht  er  aber  vor, 
die  Namen  «AUertumssammlung*  oder  .Archäologische  Sammlung'  zu 
verwenden.  Was  Lauffcr  im  Auge  )ul,  zeigen  übrigens  mehrere  im 
Laufe  der  Abhandlung  vorkommende  Wendungen,  wie  wenn  er  z.  B. 
S.  15  davon  spricht,  daO  das  historische  MiLsenm  «eine  Anschauung  von 
den  Lebensgewuhnheiten  der  Vorfahren  geboi"  soll;  wenn  er  S.  2i  die 
Veranschaulichung  der  heimischen  fiu Eieren  Kultur  in  ihren  tj-pischen 
Durchsclmittsformen  als  Ziel  hinstellt  txler  S.  2tt  meint,  .daü  das  hislorisdte 
Museum  mit  seinen  Sainmlungen  wie  mit  seiner  wissenschaftlichen  Arbeit 
lediglich  die  Kenntnis  der  Vorzeit  vertiefen  und  verbreiten  helfen  will-. 
Nach  Besprechung  des  B^iriffs  und  des  Namens  geht  L  des  näheren  auf 
die  wissenschaftlichen  Objekte  des  historischen  Museums,  auf  die  Realien 
ein  und  unlersuchl  sie  zunächst  in  ihrer  Higenschaft  als  ardiäologische 
Quellen,  tntscheidend  für  die  Archäologie  ist  der  Zweck,  der  Gebrauchs- 
zweck der  Realien.  In  dieser  Erörterung  der  wissenschaftlichen  Interessen 
der  Archäologie  findet  sich  mancher  t>eachtcnswerte  Gesichtspunkt,  so 
bezüglich  der  volkskimdljchen  Realien.  Übrigens  hat  Lauffer,  der.  »ie 
die  Leser  unserer  Zeitschrift  wissen,  wiederholt  die  von  ihm  vertretene 
Wissenschaft  als  Altertumskunde  bezeichnet  wissen  wollte,  die  Erfahrung 
gemacht,  daß  auch  dieser  Ausdruck  mißverstanden  ist,  und  mdnt 
•diejenige  wissenschaftliche  Betrachtungsweise,  welche  den  Zweck 
Realien  in  den  Mittelpunkt  ihrer  Forschung  stellt",  »nicht  anders 
aEs  .Arcliäotogie'  benennen"  zu  können.  Jedenfalls  ist  das  -historisch« 
Museum-  für  die  kulturgeschichtliche  Forschung  wie  für  die  Verbreitung 
kulturgeschichtlicher  Kenntnisse  ein  Institut  von  größter  Bedeutung.  Hat 
die  Kulturgeschichte  als  Wichtigstes  die  Erforschung  des  inneren 
Menschen  zum  Ziele,  so  ist  doch  ihr  Arbeitsgebiet  nicht  zum  wen! 


deiü^ 


Kleine  Mitteilungen  und  Referate. 


255 


auch  die  gesamte  äußere  Kultur,  das  äußere  Letien,  die  Lebenshaltung 
der  Vergangenheit,   die  sie  nur    in    Beziehung   zu   ilirem  Träger,   dem 
Menschen,  setztn  muß,  aus  der  sich  im  übrigen  auch  für  die  Erkenntnis 
des  inneren  Lebens  vieles  direkt  ergiebl.    Filr  diese  äußere  Kultur,  die  von 
manchen  sogar  als  hauptsächliches  kulturgeschichtliches  Arbeitsgebiet  an- 
gesehen wurde,  bietet  eben  das  historische  oder,  sagen  irir  ruhig,  das  kultur- 
gesdiichtliche  Museum  die  erwünschte  Sammcl-  und  Vera nschau lieh ungs- 
Stätte.  -  Die  Haiiptabsicht  der  (jufferschen  Arbeit   ist   mm   die  scharfe 
Abgrenzung  der  Aufgaben  und  Ziele  dieses  Museums.    Wir  müssen  für 
alle  Einzelheiten  auf  die  Arbeit  selbst  verweisen  und  heben  nur  folgendes 
hovor.   Aufs  schärfste  betont  Lauffer,  wie  schon  angedeutet,  die  Wesens- 
vOKfaiedenheit  der  historischen  Museen  und  der  Kunstsammlungen,   ins- 
bdCMidere  der  Kunstgewerbemuseen.   Jenen  fehlt  nach  einem  Lichtwark- 
idwn  Ausdruck  »von  Haus  aus  die  Richtung  auf  die  Qualität",  während 
bei  diesen  der  künstlerische  Wert  der  Objekte  entscheidend  ist.     Während 
<hs  historische  Museum  lediglich  die  Vergangenheit  erk«inen  lehren  wiU. 
diacn  diese  der  Erdehung  zum  guten  Geschmack,   sind  also  auch  vom 
Zotjechmack,  ja   vom   persönüclien   Geschmack  des  Leiters  abhängig. 
I*iifcrs  Erörterung  über  das  Grenzgebiet,  wo  sich  die  Interessen  beider 
Anstalten  benihren,  sei  nur  nebenbei  er^'ähnt,  hervorgehoben  aber  nodi 
^v  Unterschied,  daß   nach    Lauffer  eine   Altertumssammlung  sich   auf 
«iacii  eng  umgrenzten  Bezirk  beschränken  muß,  ein  Kunstgewerbemuseum 
«H  seinen  Sammlungen  dagegen  international  ist.    Damit  ist  ein  I'unkt 
Itriihrt,  den   Ijuffcr  schon  vorher  als  für  die  praktische  Ausgestaltung 
<lts  historischen  Museun»  -   er  hat  dat)ei   freilich  nur  die  kleinen  und 
am  Teil  die  mittelgroßen   Museen   im   Atige    —   entscheidend    erörtert 
luL  Es  ist  ihm  ebenso  wie  das  historische  Archiv  der  Träger  der  lokal- 
liistorischcn  Forechung.    Er  verficht  aufs   bestimmteste  und  aus  ver- 
Khiedenen    Gründen    die    «örlliche    Beschränkung    auf   die    heimischen 
Allertflmcr'.      Das   vielfach    notwendige    Kinausgrdfen    über   das   lokale 
Arbeitsgebiet  ist  nur  als  Hilfsmittel  zur  Veranschaulich ung  der  heimischen 
«■ßeren  Kultur  in   ihren  Durchschnittsfortuen  zulässig.    Bezüglich   aller 
»Btffen    Einzelheiten,    der   Erörterung   praktischer   Museumsfragen    vcr- 
«wen  wir  auf  die  Schrift  selbst,   hier  sei  nur  nochmals  festgestellt,  daß 
dieser  Versucli    Lauffers.    ..die    Position    der    historischen   Museen    nach 
•Möglichkeit  zu  bessern-,  imser  volles  Interesse  verdient  und  wir  den  wirk- 
Itefa   nicht    bloß    dem    Namen    nach    kullurgeschichtUchen    Standpunkt 
Uafters  mit  besonderer  Genugtuung  begrüßen.    In  der  Förderung  der 
Ansichten  Lauffers  sehen  wir  eine  eigene  Angetcgenheit.    Möchten  die 
btstoriscben  Museen,  deren  Leiter  nicht  so  als  Kulturhistoriker  von  Fach 
feiten  können  wie  Inuffer,  sich   gleichwohl  dessen  Standpunkt   tu  eigen 
machen.     Wenn  diese  Leiter  steh  in  der  Weise  wissenschaftlich  betätigen, 
wie  CS   Lauffer  im   Schlußkapitel   von    ihnen   verlangt,    so   werden   sie 
Hauplteilnrhmer  an  der  ernsthaften  kulturgeschichtlichen  Arbeit  sein,  die 


wir  seit  langem  als  überaus  notwendig  hingesteEIl  haben.  Denn  nochmi 
sei  hervorgehoben,  die  Gescliichte  der  äußeren  Kultur  ist  durchaus  ein 
vollberechtigter,  integrierender  Teil  der  vissenscliaftlichen  Kulturgeschichte. 
Möclite  daher  auch  ein  enger  Zusammenhang  zwischen  der  Arbeit  der 
historischen  Museen  und  der  kuIturKcschichtlichen  ForechunK  sich  aus- 
bilden. Möge  der  Kulhirhistoriker  nicht  nur  in  der  Bibliothek  und  im 
Archiv,  sondern  auch  im  historisclieii  Mtiseutn  seine  Quellen  finden, 
möge  andererseits  dem  Kulturhistoriker  von  Fach  -  leider  gibt  es  ja 
nur  selir  wenige  -  auch  ein  gewisser  Einfluß  auf  die  historischen  Museen 
zugestanden  werden!  Mö^en  auch  die  Leiter  historischer  Museen  ständig 
den  FortschritlcTi  der  kulturgeschichtlichen  Literatur  folgen  und  mit  ihr 
in  Konnex  bleiben,  wie  das  ja  bei  Lauffer  in  hervorragendem  Maße 
der  Fall  ist! 

Die  vortrerfUcte  Sammlung  des  B.  G.  Teubnerschen  Veriages  in 
Leipzig:  «Aus  Natur  und  Ceisteswelt'  hat  neuerdings  eine  ganze  Reihe 
von  gut  illustrierten  BAndchen  gebracht,  die  insbesondere  die  deuisdtt 
Kultur^schichie  angehen.  Zunächst  sei  auf  das  Bändchen  aus  der  Feder 
des  Herausgebers  unseres  Archiii-s:  Germanische  Kultur  in  der 
Urzeit,  das  bereits  1^05  erschien,  hingewiesen  (75.  Bdchen.).  Durcli- 
aus  auf  die  Quellen  gegründet,  wird  diese  Arbeit  durch  ihre  objektive 
Aufzeigung  der  Unsicherheit  vieler  allgemein  nach  gesprochenen  Annahmen 
über  die  älteste  Epoche  unseres  Volkes  und  die  anschauliche  Darlegung 
des  wirklich  liegröndeten  gerade  für  weite  Kreise,  die  Lehrerwelt  usw. 
besonders  nützlicfi  sein.  Zugidch  bildet  sie  eine  willkommene  Ergänzung 
zu  Steinhausens  großer  »Geschichte  der  deutschen  Kultur".  -  In  Bänd- 
chen tS3  betiandelt  Hans  Hausrath  den  deutschen  Wald.  Er 
will  «einen  Überblick  geben  über  Umfang,  Entstehung,  Bewirtschaftung 
und  Bedeutung  unserer  Wälder",  knüpft  aber  immer  an  die  geschicht- 
liche Entwicklung  an.  Es  kommt  hier  also  nicht  nur  das  «i  rischaft  liehe 
und  das  natunnissenschaftliche,  ferner  nicht  nur  das  ästhetische  Interesse 
in  Frage,  sondern  auch  in  erheblichem  Maße  das  kulturgeschichtliche. 
Die  AusfQhmngen  Sleinhausens  zu  Beginn  des  eben  ernühnten  Bändchens 
Über  die  Bedeutung  des  Waldes  in  gcrmanisdicr  Zeit  finden  bei  Hausrath 
entsprechende  Ergänzimg:  mit  Recht  betont  er,  daß  die  Vorstellung  von 
der  Waldmenge  nicht  übertrieben  werden  darf.  Weiter  geht  er  auf  die 
spätere  Rodungstätigkeit,  an  anderen  Stellen  auf  den  Wechsel  der  Holz- 
arten seit  der  ältesten  Vergangenheit,  auf  die  Entwicklung  der  Waldwirt- 
schaft, auf  diejenige  des  Waldeigcntunis  u,  a.  in  ausführlich  belehrender 
Weise  ein.  ~  Mit  der  Geschichte  des  deutschen  Hauses  beschäftigen  sich 
zwei  Bändchen  der  Sammlung,  das  116.  und  121.:  Das  deutsche  Haus 
und  sein  Hausrat  von  Kudolf  Meringer  und  Kulturgeschichte 
des  deutschen  Bauernhauses  von  Chr.  Ranck,  jene  Arbeit  wissen- 
schaftlicher gefärbt,  eigenartiger  und  weniger  gleichmäßig- systematisch 
ausgeführt  als  diese.    Meringer  betont  die  Schwierigkeiten  sdnes  Themas 


-  »die  Hausfonchung,  das  heißt  das  Studium  des  ^-olkslümlfchen  Hauses, 
de  Bauernhauses,  ist  erst  im  Beginne  ihres  Wirkens-  -,  aber  er  »hatte 
udi  die  ÜbcTKugung,  daß  endlich  einmal  wieder  Einer  den  Mut  haben 
Btee,  eine  Zusammenstellung,  die  vielen  zugänglich  ist,  zu  machen. 
Difl  dibci  vieles  subjektiv  werden  mußte,  war  nicht  zu  umgehen.  Den 
Neuling  wird  das  Büchlein  doch  in  die  Probleme  einführen,  der  Kundige 
oAp  die  Arbeit  als  Diskussionsba»s  annehmen."  In  der  Tat  wird  der 
an  vie  der  andere  das  Büchlein  nur  mit  Gewinn  studieren,  der  letztere 
Mlich  wiederhoh  anderer  Ansicht  sein.  Im  Mittelpunkt  von  Meringers 
Artnt  steht  das  oberdeutsdie  Maus.  Etwas  Nationales  meint  er  damit 
iber  nicht.  «Das  oberdeutsche  Haus  findet  sich  außer  bei  den  Dcutsdien 
iMh  bei  Slaven,  Magyaren  und  auch  -  aber  seltener  -  bei  Romanen. 
Der  Aoseangspunkt  dieser  Hausform,  dieses  Typus,  ist  aber  Oberdeutsch- 
iud  gewesen."  Diesen  Typus  behandelt  er  also  eingehend.  Alle  anderen 
Typen,  das  niedersachsische  und  das  nordische,  das  romanische  Kamin- 
nd  das  osteuropäische  Herdufenhaus  charakterisiert  er  nur  insoweit,  »daß 
it  dch  klar  und  deutlich  vom  oberdeutschen  Haus  und  untereinander 
utrenncn".  Alle  Einzelheiten  tnübsen  hier  beiseite  bleiben,  hingewiesen 
«  nur  bezüglich  der  Verwertung  des  I'lanes  von  St.  Qallen  auf  die 
noioe  Ansicht,  daß  dieser  Plan  einer  nur  idealen,  nie  ausgeführten 
Kkistefanlage  vermutlich  von  Italien  beeinflußt  ist,  sowie  ferner  darauf, 
ilifl  Karts  des  Großen  Undgüterordnung  im  wesentlichen  doch  nur  für 
Wwfranken  heranzuziehen  ist.  Die  späteren  Zeiten  des  deutschen  Hauses 
^  dem  hohen  Mittelalter  sind,  wenn  es  sich  hier  auch  nur  um  das 
volkstQmliche  Haus  handeln  soll,  doch  wohl  allzu  kurz  abgetan.  -  Auch 
fcRancks  Büdilein  gilt  übrigens  die  Bemerkung  bezüglich  des  St.  Oaller 
Plans,  den  man  nur  sehr  bedingt  als  .wenn  auch  nur  ideales  Bild  einer 
|R)6eD  germanischen  Wirtschaftsanlage"  nehmen  kann.  R.  betont  dabei 
itibtt,  vie  der  MOnchsarchitekt  nach  römischem  Vorbild  gearbeitet  habe, 
ta  pnzen  entspricht  Rancks  Arbeit  dem,  was  man  von  einer  gemdn- 
w«ändliclieii  Darstellung  der  Entwicklung  der  deutscheii  Bauernhausform 
"n  Zusammenhang  erwartet,  mehr  als  diejenige  Meringers,  knüpft  dafür 
^Jdn  stärker  an  die  vorhandene  Literatur  und  die  hergebrachte  An- 
sdttuung  au,  bringt  also  weniger  Neues  als  jene.  -  Ein  weiteres, 
'^  ganz  neuerdings  erschienene  192.  Bändchen  der  Sammlung  führt 
^  beiden  eben  genannten  .arbeiten  stofflich  weiter,  Rob.  (Miclkes 
*erl(cben:  Das  deutsche  Dorf.  Man  wird  manche  Einzelheiten  anders 
'tosdien,  andererseits  manclies  ergänzen  können,  insbesondere  eine  stärkere 
Venrertung  der  kulturgeschichtlichen,  der  allcrtums-  und  der  volkskund- 
iJcben  Forschung  -  die  Werke  von  Heyne,  Alw.  Schultz,  Steinhausen, 
E.  H.Meyer  u.a.  hätten  für  die  allgemeinen  wie  die  speziellen  Partien  manches 
Pboten,  Freytag  wird  einmal  (S.  16)  genannt,  übrigens  als  .Freitag"  - 
"winisseu:  aber  im  ganzen  erfüllt  das  Buclt  seinen  Zweck  durchaus  und 
iÄlehrt    in    übeßichtlicher    imd    anregender    Weise    auf   Grund     einer 


AnUv  »r  K>ltnrgncliidi(r.    VI. 


17 


guten  Kennlnis  insbesondere  der  wirtschaftsgescliichüichen  Uteralur  wie 
eigener  Studien  und  Reisebeobachtungen  und  innigen  Vertrautscins  mit 
dem  wirklichen  Leben  des  Dorfes  über  das  höchst  interessante  Oebiet. 
Üie  völlige  l-5sung  seiner  Aufgabe  hält  M.  allerdings  selbst  heute  über- 
haupt noch  nidit  für  möglich.  Natürlich  kann  nur  die  Einzelbehandlun^ 
der  Dörfer  nach  ihren  landschafllichen  Verschiedenheiten  die  richtige 
Anschauung  geben:  ihr  ist  denn  auch  der  Hauptteil  des  Buches  ge«-idinct 
(NicderdcLtsclie,  Mitteldeutsche,  Oberdeutsche  Dörfer);  voran  gehen 
Abschnitte  ober  die  Anfänge  und  die  Geschichte  des  Dorfes,  über  die 
Dorfanlage  und  die  riureinteiluiig,  es  folgen  solche  über  die  Kultur  des 
Dorfes  und  das  Dorf  am  Ende  des  19.  Jahrhunderts.  -  Ein  weiteres 
Bändchen  (4S),  das  bereits  in  2.  Auflage  vorliegt,  leitet  zur  städtischen 
Kultur:  Die  deutschen  Stidte  und  Bürger  im  Mittelalter  von 
H.  Heil.  An  heiklen,  viel  umstrittenen  Fragen  ist  ja  gerade  auf  diesem 
Gebiel  kein  Mangel  Bei  manchen  Punkten  der  Darsleihmg  wird  der 
Fachmann  also  anderer  Meinung  sein.  Es  schadet  übrigens  nichts,  wenn 
auch  das  größere  Publikum,  auf  das  die  Darstellung  berechnet  ist, 
wenigstens  eine  Ahnung  davon  erhält,  welche  Probleme  hier,  welche  dort 
vorliegen  und  wie  verschieden  man  sie  ni  lösen  gesucht  hat.  An  dnigc 
Stellen  ist  derartiges  auch  angedeutet.  Im  ganzen  ist  die  Fülle  des  Stoffe 
knapp  und  klar  und  in  glücklicher  Form  zusammengefaßt.  Auf  dU 
Belebung  durch  diarakieristische  Einzelheiten  ist  dabei  Wert  gelegt.  Die>1 
Illustration  auf  S.  120  ȟrde  besser  durch  eine  getreuere  auf  Qrund  einer 
Photographie  ersetzt.  In  die  Schönheit  der  alten  Städte  will   das 

Werkchcn  von  A.  Erbe.  Historische  Städtebilder  aus  Holland 
und  Niederdeutsch  land  (117.  ßändchcn  der  Sammlung)  einführen. 
.Kaum  ein  Land  bietet  noch  heute  eine  solche  Fülle  eigenartiger  um 
vom  Wechsel  der  Zdt  so  wenig  berührter  Städtebilder  wie  Holland, 
einst  .  .  .  zugleich  für  die  benachbanen  Länder  ein  wichtiger  Kultur 
träger."  »Besonders  mächtig  wurde  diese  von  KoÜland  ausgehende  Kultur- 
Strömung  für  die  Länder  an  der  Nord-  und  Ostsee,  und  die  hier  vor- 
handenen zahlreichen  Baudenkmäier  lassen  noch  heute  die  Spuren  der 
Strömung  deutlich  erkennen.  So  zeigt  sich  in  den  alten  Stadtteilen  vo^H 
Danzig,  Bremen,  Lübeck  und  Hamburg  noch  jetzt  der  einstige  EinfluJ^^ 
Hollands,  und  es  erschien  daher  von  Interesse,  die  alten  Städtebilder 
Hollands  und  dieser  niederdeutschen  Städte  einer  zusammenhängenden 
Betrachtung  zu  unterziehen.-  Das  wohlgelungene  Buch  wird  hoffentlich^ 
vkle  Leser  linden,  das  Verständnis  für  alte  Baudenkmiler  in  weiten 
KreiWfl  fftrdem  und  dadurch  zugleich  das  Interessie  an  ihrer  Fj-haltti 
mehren. 

Die  Walhalla,  Bücherei  für  vaterländische  Geschichte,  Kunst  und 
Kulturgeschichte,  begründet  und  herausgegeben  von  Ulridi  Schmid  (München, 
Ocorg  D.  W.  Callwey,  1907),  bringt  in  ihrem  dritten  Bande  —  die  beiden 
ersten  haben  wir  Bd.  5,  HS  ff.  ausführlich  besprochen  -  mehrere  kultur 


I 


schichllich  interessante  Arbeiten.    Ein  trefflich  gesdiriebener  Beitrag  aus 
tier  Feder  Theodor  Lindners:  Der  Individualismus  in  der  deutschen  Ge- 
ttWdile  eröffnet  den  Band  und  wird  gerade  weitere  Kreise  fesseln.    Er 
aifl,  wie  durch  die  deutsche  Geschichte  der  Individualismus  hindurch- 
eebt  als  die  kitende  Kraft  des  deutschen  Volkes.   Bekanntlich  nennt  frci- 
lid)  Lindner  die  Indogerminen  insgesamt  im  Qegensatz  zu  den  Mongolen 
iodhriduaiisten,  betrachtet  aber  die  Deutsdien  ..als  besonders  klaren  Aus- 
«fnick  der  Umnlage  und  ihren  getreuen  Träger-.  -  Auf  Grund  bekannter 
Wote  erzählt  Theodor  Ebner  in  gemeinverständlicher  Weise  ans  der  Oe« 
Kiiichte  des  deutschen  Handwerks.  -  An  nicht  im  engeren  Sinne  kulturge- 
fchidnlichen  Beiträgen  enthält  der  Band  die  folgenden:  Tannhinser  in 
Sage  und  Dichtung   des  Mittelalters  und  der  neuen  Zeil  von  Wolfgang 
Oolther;    Das   Freisingcr   F*atemoster  und   verwandte  altdeutsche    kirch- 
liche  Literatur    von    Friedrich    von    der   Leyen;    Matthias    Grunewald 
*on  Franz  Bock.    Letztere  beachtenswerte  Arbeit  des  Verfassers  der  ersten, 
htilich  angefochtenen  Grünewaldnionographie  bildet  das  Haiiptstück  des 
Btndes:  ihr  ist  ein  reiches  Abbildungsmatertal  beigegeberi<.    Orünewald 
»irdils  Rembnndts  größter  und  wähl  verwandtester  Vorläufer  und  Prophet 
Wnpstdlt     «Sein  ganz  selbständig  und  organisch  aus  der  nordischen 
SpStgotik   hcrausentwickcltcr  nordi.scticr   Barockstil  bildet  den    bewußten 
"id  entKhiedenen  Gegensatz  zur   italienischen  Renaissance  und  zu  ihrer 
'^chahraung,  dem  niederländisch-deutschen  Italismus  des  1t>.  Jahrhunderts, 
Q**newald   hat  allein  von  allen  ztttgenössisdien  deutschen  Künstlern  die 
^araklerfestigkeit  gehabt,  sich   nicht  an   das   fremde,  sfidliche  Ideal  zu 
*'*»'li(Ten.'  -  Im  übrigen  ist  der  neue  Band  durch  die  Abteilung  der  ,Monu- 
'•'citia  historica*  erweitert  worden.     In  ihr  »sollen  bedeutendere  Quellen 
*Ur deutschen  Geschichte,  Kunst-  und  Kulturgeschichte  zur  Veröffentlichung 
*5**i'men,  die  bis  jetzt  noch  gar  nicht  oder  nur  wenig  bekannt  geworden 
**d  oder  auch   in   einer  unbrauchbaren   oder  sehr  fehlerhaften  Edition 
*^»liegen".    Wir   erwähnen   daraus  das   von  Michael  Hartig   mitgeteilte 
*:5lantcnt  des  Ritters  Alram  von  Rottcm  (1287)  und   das  vom   Heraus- 
geber beigesteuerte  Tagebuch  des  Pfarrers  Michael  Golzmann  {1-180-1 524). 
^^»t  Recht  werden  diese  Aufzeichnungen  als  ein  wesentlicher  Beitrag  zur 
Panischen,  besonders  aber    zur   bayerischen  Kulturgeschichte   bezeichnet. 
r^<  rWalhalla'  ist  weiteren  Kreisen  zu  empfehlen,  verdient  aber  auch  das 
**tertsse  der  Historiker. 

Den   Rang    einer    wichtigen    geschichtlichen    Lokalzeitschrift    bat 

^^  das  Trierische  Archiv,  herausgegeben  von  Kentenich,  Lager  und 

*^*^imer.  von  dem   uns  Heft  9-11  voriiegen,  zu  erobern  gewußt  (Trier, 

»-»ntzsche  Buchhandlung).  Gewiß  überwiegt  das  kirchen  geschieht  liehe  Inier- 

•'S«,  aber  die  Kulturgeschichte  erfährt  ebenfalls  Bereicherung.    Heft  9  ent- 

*»4I(  folgende  Beitrage:  Visitationsregister  des  Archidiakonsjohann  von  Vin- 

slingcn  von  W.  Fabrizius  (das  wichtige  Aktenstück,   das   gleichzeitig  von 

V.  Carri^e  in  der  Sammlung  französischer  DiÖzesanregisler  veröffentlicht 

17* 


wurde  und  das  eine  Aiifzn'chnung  der  Rechte  des  Archidtakons  bei  der 
Kirchenvisitatton  [.Atzung  und  Herberge"  sowie  Abgaben]  enthält,  gewährt 
ein  Kulturbild  für  die  hier  in  Präge  kommenden  Gegenden  an  Mosel  und 
Rhein) ;  Dieerste  tri  dentini  sehe  Visitation  im  Erastifte  Trier  1 5bw  von  F.  H&llen 
{die  Diözcsan Visitation,  die  ein  Mittel  kirchlicher  Kontrolle  und  Refonn 
sein  sollte,  aber  von  den  Bischöfen  mehr  und  mehr  den  Archidiakonen  über- 
lassen wurde,  die  darin  ein  einträgliches  und  nutzbares  Recht  erblickten, 
wurde  vom  Tridentinum  in  ihrem  ursprünglichen  Sinne  wieder  einge- 
schärft und  in  Trier  t>ald  entsprediend  gehandhabt;  die  1569  den  Archi- 
diakonen, Dechanten  und  Harrem  bei  der  Visitation  Dbergetwnen  In- 
struktionen werden  abgedruckt:  die  veröffentlichten  Visitationsprotokolle 
gewähren  einen  Einblick  in  die  Verhältnisse  der  Zeit,  in  die  Patronat9- 
rechte,  in  die  Zersplitterung  der  Zehntberechtigungen  und  die  Natural- 
wirtschaft); Miszellen:  Eine  Charakteristik  Jakobs  von  Eltz  (Brief  Maxi- 
milians II.  an  Pius  V.).  mitgeteilt  von  H.  V.  Sauerland;  Zwei  Briefe  des 
Kurfürsten  Jakob  von  Eltz  an  den  Rektor  des  Jesuitenkollegiums  zu  Trier, 
Hermann  Tyräus.  -  Heft  10  enthält:  Die  Entstehung^eschichte  der  Trierer 
Archidiakorate  von  H.  Basigen ;  Das  Dekanat  Zell  (Mosel)  nach  der  Visitation 
im  J.  1569  von  F.  Hüllen  (ergänzt  die  HöUensche  Veröffentlichung  in 
Heft  9);  Das  Eurcner  Hundeigeding  oder  Hochgericht  von  Stein;  Eine 
Urkunde  des  Domkapitek  in  Trier  vom  Jahre  I28J  von  Lager  (in  welcher 
ein  eigentümlicher,  bei  den  Klerikern  der  Dorakirche  in  Übung  stehender 
Gebrauch  als  Unsitte  und  Mißbrauch  streng  verboten  wird).  —  Heft  1 1  ent- 
hält: Verfall  der  Deutschordensballei  Koblenz  im  IS.Jahrh.  von  Reimer; 
Eine  statistische  Aufnahme  der  volkswirtschaftlichen  Zustände  im  Amte 
Saarburg  vor  und  nach  dem  30j3hriEen  Kriege  von  [jger  (ein  Verzeichnis 
der  Vcrhiste  an  Menschen  und  Vieh,  des  Ausfalles  der  Erträge  von  Wein- 
bergen und  Äckern  sowie  der  während  des  Krieges  bereits  gezahlten  Qeld- 
siimtiien  und  der  nach  demselben  noch  nicht  getilgten  Schulden;  Ein- 
wohnerzahl und  Besitzstand  einer  jeden  Ortschaft  vor  1652  ist  angegeben); 
Die  Entstehimg  der  bürgerlichen  Sflbst Verwaltung  in  Trier  im  Mittelalter 
von  Kentcnich  (eine  selbständige  Bürgergemenide  entstand  in  Trier  1142 
und  zwar  durch  Schwur^-ereinigung  infolge  eines  äußeren  Anstoßes  (Kriegs- 
not);  die  vollberechtigten  Mitglieder  sind  vorzüglich  Schöffen-  und  Mini- 
sterialengcschlechter;  die  neue  Gemeinde  knüpft  lokal  an  den  weiteren  Kreis 
der  allen  hiiitdertschaftlichen  Oerichtsgcmeinde,  nicht  an  die  alte  engere 
Zentgemeindc  Trier  an);  Zur  Geschichte  des  Eranziskanerklosters  in  Witt- 
lich von  Schlager;  Miszellen  von  Krudewig  und  Zimmer  (Urkunden  etc). 
—  Femer  liegt  uns  als  S.  Ergänzungshefl  der  genannten  Zeitschrift  dne 
Arbeit  von  Franz  Hamm  vor:  Hunsrficker  Wirtschaftsleben  in  der 
Feudalzeit;  mittelalterliche  Epoche  der  Markgenossenschaft  Rhaunen  (Die 
Wirtschaflscntwickliintc  der  Markgenossenschaft  Rhaunen,  II)  Die  Arbeit, 
deren  erster  Teil  als  7.  F-rgänzurgsheft  erschienen  ist  und  die  fränkische 
Hundertschaft  und  Markgenossenschaft  auf  dem  Hundertsrück  behandelte, 


Kleine  Mlttrihingi^n  und  Referate. 


beschSftigt  sich  mit  virtschahlichen  und  sozialen  Vertiältnissen  dner 
Markgenossenschaft,  die  typisch  für  den  gesamten  Hunsriick  sind.  Die 
wirtschaftliche  Organisation  des  Hochgerichts  Rhauncn  läßt  der  Verfasser 
aus  den  konkreten  Orundhcdingungen  der  Wirtschaftsentwicklimg  erstehen 
und  gibt  ein  Bild  von  Territorium  und  Natur,  Staatsgewalt  und  kircb- 
lidiem  Einfluss,  der  Bevölkerungsgröße,  der  Unfreiheit  und  den  Lasten. 
Den  Abschluß  dieses  Teiles  bildet  der  Judenschutz.  Dann  folgt  die  Dar- 
stellung der  wirtschaftlichen  Betätigung  in  Landwirtschaft,  Gewerbe  und 
ersten  industriellen  Versuchen.  Endlich  folgen  einige  -kulturelle  Analekten" 
über  Sanitätswesen,  Hexenwahn,  die  Rhauner  Konsistorial Verfügung  von 
1784  und  Schulwesen.  Den  Begriff  Mittelalter  dehnt  der  Verfasser  neuerer 
Erkenntnis  folgend  auf  Crund  wirlschaftsgesch ich tli eher  Momente  bis  zur 
französischen  Rn'olulton  aus.  So  fuhrt  das  Kapitel  über  die  Anßnge  der 
Industrie  an  die  Wiege  der  heutigen  Weitfirma  Stumm.  Im  ganzen  stellt 
sich  die  Arlieit  mehr  als  eine  Gruppierung  im  Wortlaut  abgcdnickter 
archivalischer  Materialien  dar,  die  zum  Teil  recht  vereinzelter  Natur  sind. 
Aus  dem  eigentlichen  Mittelaller  stammen  sie  meist  nicht,  sondern  aus 
dem  16.,  17.  und  vor  allem  18.  Jahrhundert.  -  Erwähnt  sei  noch,  daß  den 
Heften  des  Archivs  ein  Verzeichnis  der  Handschriften  des  Historischen 
Archivs  der  Stadt  Trier  bogenweise  beigefügt  ist. 

Von  den  Neujahrsbtättern  der  Bibliothek  und  des  Archivs 
der  Sladl  Leipzig  {vgl.  über  das  erste  bis  dritte  Heft  Archiv  5,  486ff.) 
isl  als  viertes  Heft  eine  über  das  lokale  Interesse  hinausgehende  Arbeit 
von  Ernst  Kroker:  Beiträge  zur  Geschichte  der  Stadt  Leipzig  im 
Reformalionsz  ei  (alter  (Leipzig,].  B.  Hirschfeld)  erschienen,  «Die  Auf- 
sätze, diein  diesem  Neujahrsheft  vereinigt  sind,  werden  durch  das  gemeinsame 
Band  zusammengehalten,  das  sie  mit  Luther  verknüpft."  Es  sind  die 
folgenden:  Leipziger  Studenten  auf  der  Universität  Wittenberg  im  Re- 
formabonszeitalter;  Doktor  Georg  Curio,  Luthere  Leibarzt;  Heinz  Probst, 
dn  Leipziger  Wucherer  (von  Luther  als  Typus  eines  hartherzigen  Wucherers 
hingestellt);  Doktor  Kaspar  Deichsel,  ein  Leipziger  Gottesgelehrter;  Die 
sächsischen  Bergwerke  und  Leipzig,  Martin  Leubel,  Heinz  Scherl  (die 
beiden  Schwäger  galten  zu  Ihrer  Zeit  als  die  rdchsten  Handelsherren 
Leipzigs);  Georg  von  Weiler  und  Hans  ßreu;  Hicronymus  Walter,  der 
Vorkämpfer  der  Katholiken.  In  dem  ersten  Aufsatz  tritt  Kr  der  Be- 
hauptung, daß  die  Reformation  im  Herzogtum  Sachsen  hauptsäch- 
lich die  niederen  Stände  erfaßt  habe,  entgegen.  In  Leipzig  send  gerade 
die  reichsten  und  angesehensten  Bürger  von  ihr  erfaßt  worden.  Kinder 
der  besten  Familien  waren  es,  die  trotz  dem  Verbote  des  Landeshemt  in 
Wittenberg  studierten.  Alle  Aufsätze  Kr.s  zeichnen  sich  durch  Gründlich- 
keit  und  umsichtige  Heranziehung  alles  einschlägigen  Materials  aus:  sie 
enthalten  auch  viele  kulturgeschichtlich  bemerkenswerten  Einzelheiten. 

Eine  in  den  Mitteilungen  des  Historischen  Vereins  der  Pfalz 
(Heft  29/30)  und  zugleich  als  Mönchener  Dissertation  erschienene  tüchhge 


IVHU 


Arbeit  von  Maximilian  Buchner  behandelt  die  inoeic  weltliche  Re- 
gierung des  Speierer  Bischofs  Mathias  Ramiing  {1464-M7S)  aul 
Grund  reichen  archiv-aüschen  Materials.  Die  Abhandlung  streift,  abge- 
sehen von  ihrem  vempallungsgeschlchttichen  Interesse,  vielfach  die  wirt- 
schaftlichen, sozialen  und  geistigen  Verhältnisse  jener  Zeit. 

Wegen  des  teiluxise  kulturgeschichlliichcn  Milieus  und  einiger  Einad- 
heiten  (Speisezettel,  Alchimistische  Neigungen;  Folter  u.  a.)  Sri  hier  eine 
im  wesentlichen  die  politische  Geschichte  angehende  Arbeit  von  Ever- 
mod  Hager  eni-ähnt,  der  im  vierten  Jahrgang  (S.  161-177)  der  For- 
schungen und  Mitteilungen  zur  Geschichte  Tirols  ein  .hochfürstliches 
Oehei  mnis'ausdem  Beginne  des  drei  fltgjähr  igen  Kr  iegesfdasVer- 
halten  des  Erzherzogs  Leopold  gegen  seinen  Bruder  Ferdinand  II.  am 
Vorabende  der  österreichischen  Ständeerhebung)  behandelt.  Die  derbe, 
witzig  sein  wollende  Art  des  Ausdrucks  in  den  Briefen  Oalenbergs  ist 
fibr^ens  zum  Teil  durchaus  typisch  für  die  Briefe  aus  dem  Anfang  d( 
17.  Jahrhunderts. 

Kurz  angeführt   sei   ein    Artikel  von   A.  Med  in   in   der   Rii 
d'Italia(Qennaia19o7):  L'arle  e  la  vita  Veneziana  ncl  secolo  d'oro. 

Aus  dem  Archivio  storico  Siciliano  (N.  S.  il,  1/2)  erwähnen  wir 
die  Veröffentlichung  von  M.  Natale,  Descrizione  inediladcUaSicilia 
scritia  da  Fra  Giacomo  da  CallanJsetta  nella  fine  del  se- 
colo XVII. 

Kulturgeschichtliches  Interesse  hat  eine  in  der  Westminster  Review 
(Dcc  1907.  Jan.  1908)  erschienene  Studie  von  Ch.  Menmolr,  The  »o* 
cial  condition  of  IKi^  Century  of  Ireland. 

Im  Arthiv  für  slavische  Philologie  (29,  Hcfl  2  3}  b^nnt  A.  Ivi^ 
Beiträge  zur  Kulturgeschichte  des  serbischen  Volkes  zu  vt^j 
öffentlichen.  ^M 

Einen  bemerkenswerten  Beitrag  zur  Schulgeschichte  bildet  d{« 
Publikation  von  E  Bcrtanza  und  G-  D&lla  Santa,  Documenti  per  la  stcnia 
delU  cullura  in  Veneria:  macstri,  saiolc  e  smolari  a  Veneria  fino  al  1500- 
Auf  diese  bezieht  sich  wohl  der  Artikel  von  V.  Rossi,  Maestri  e 
scuole  a  Venezra  verso  la  fine  del  medioevo  (Rendiconti  de) 
Reaie  Istituto  Lombarde  di  scienze  e  lettere.  Serie  II,  XU  1<)- 

FJne  sehr  beachienswerte  Studie  zur  Bildungsgeschichte  unseres 
Volkes  ist  R.  Qalles  in  den  Mitteilungen  der  Gesellschaft  fflr  deutsche 
Erziehungs-  und  Schulgeschidile  (t7,  3,'4)  erschienene  Arbeit:  An  der 
Wiege  des  .Biblischen  Geschichts-Unterrichts"  und  »Luthers 
Passionalbuch*.  Seinen;  melirfacli  erschienenen  *BetbücliIeJn'  hat 
Luther  In  der  Ausgabe  von  1S29  zum  ersten  Male  das  s.  g.  Passiorule 
beigefügt,  das  vor  seinem  Wiederentdecker.  Reu,  fast  völlig  vergessen 
war.  Trotzdem  Luther  von  dem  .alten  Passionalbüdilein'  redet,  erschien 
Luther  ßlschllch  als  Begründer  des  Biblischen  Geschichtsunterrichts 
Sdne  Quelle  war  aber  kein  einzelnes  älteres  BCichleln,  sondern  es  handelt 


Kleine  Mitteilungen  und  Referate.  263 


sich  um  die  ganze  Literaturgattung  der  Passionen,  Passionailen  usw.  Diese 
iroöe  üteraturgnippe ,  die  bisher  höchstens  biblic^raphisch  beachte! 
wnnle,  offenbart  nacli  einer  bestimmten  Seite  hin  das  ßildungsstreben 
von  Generationen.  Galle  »Tist  auf  den  vielseitigen  geschichtlichen,  kunst- 
und  sprachgeschichtlichen  Oevinn  hin,  den  man  aus  der  Untersuchung 
dteHf  Schriften  holen  könnte;  er  iKschrankl  sich  selbst  auf  den  historisdt- 
pida^schen  Gesichtspunkt  und  bringt  l.iithere  «Fassionalc«  in  den 
RTOBcn  Zusammenhang  dieser  Sdiriftengatlung  und  ihrer  Entvicktung. 
-  Für  die  Entstehungsgeschichte  des  Biblischen  Geschichtsunterrichts  sind 
drei  große  Qnippen  wichtig:  die  Biblia  paupcrura,  das  Speciilum  salva- 
lionis  humanae  und  die  manni faltigen  Formen  der  Passionalen  odo* 
Passionen.  Mit  ihnen  beschäftigt  sich  Galle  unter  seinem  Gesichtspunkt 
in  grÜDdlicfaer  und  anregender  Weise,  soweit  das  Material  zurzeit  diese 
Uotoiuchung  zuläßt.  Die  buchmäßige  Ver\-ielfältigungskunst  als  Ver- 
VBdtaulichungsmittel  spielt  dabei  eine  große  Rolle:  zuweilen  aber  macht 
die  bildliche  Darstellung  den  eigentlichen  Inhalt  des  Buches  aus.  Von 
groSem  Einfluß  waren  insbesondere  Cranachs  d.  Alt.  und  Di^rers  Passionen. 
Viele,  ja  die  wesentlichsten  Momente  an  dem  Lutherschen  «Passionale" 
sind  schon  in  dessen  Vorgängern  zu  erkennen.  —  Den  Text  der  .\t>hand- 
lung  ergänzen  die  am  Schlüsse  in  TabelJenform  beigegebene  Bibliographie 
der  Passionsbücher  und  die  Zusammenstellung  der  in  den  bedeutendsten 
Quellen  zu  findenden  Bilder. 

R.  Reuss  beginnt  in  den  Annales  de  Test  et  du  nord  (3,  no.  4) 
Notes  sur  l'instructlon  primaire  en  Alsace  pendant  la  zivo- 
'ulion  auf  Grund  von  Akten  zu  veröffentlichen. 

«Das  deutsche  Lied,  geistlich  und  weltlich  bis  zum 
'8- Jahrhundert"  betitelt  sich  ein  .sehr  wertvoller  Antiquariatekatalog, 
^  Martin  Breslauer  in  Bertin,  Unter  den  IJnden  16,  herausgegeben 
■"^  dessen  kulturgeschichtlichen  Charakter  er  durch  den  Haupttitet: 
•l^okumente  frühen  deutschen  Lebens,  erste  Reihe-  besonders  her- 
vorgehoben hat.  Er  stellt  das  Verzeichnis  der  sehr  bedeutenden  Samm- 
™l!  des  verstorbenen  Hymnologen  und  Bibliophilen  Karl  Hiltz  dar,  zu 
''"  aber  Breslauer  noch  viele  wertvolle  Stücke  hinzugefögt  hat.  Es 
**rden  hier  556  Drucke  nicht  bloß  dem  Titel  nach  aufgeführt,  sondern 
'**'>edem  Titel  orientieren  auch  sachliche  Anmerkungen  über  das  betreffende 
*^  Eine  große  Zahl  Holzschnitte,  Nolenbd spiele  usw.  ist  nadi- 
^Wdet,  gute  Register  und  zwar  Register  der  Liederanfänge,  der 
*Wodien,  der  benutzten  bibliographischen  Literatur  und  Namen-  und 
^**l>register  sind  hinzugefügt.  Von  den  Hauptgnippen  des  Katalogs 
"''»gt  die  erste:  »Vom  Uedersingen  und  Psalmieren"  im  wesentlichen 
**ltrial  {u.  a.  Agenden,  Kirchenordnungen)  für  den  Kampf  um  das 
^•"•S«!  geistlicher  und  weltlicher  Ucder  im  15.  und  16.  Jahrhundert,  um 
^'«  Einfahrung  vor  allem  des  deutschen  Liedes  in  den  Kirchen  dienst. 
m  der  zweiten  Hauptgruppe:  »Einzeldrucke  von  Liedern  und  Liedersamm- 


lungen'  werdfn  viHr  Volks-  und  volkstümlichen  Litder  verzeichnet; 
viel  Wertvolles  findet  stcti  unter  den  angezeigten  veltltchen  wie  geist- 
lichen Liedern.  Besondere  Unterableitungen  bilden  I.uthent  .Liedersainm- 
lungen  und  Psalmen .  die  Liederbücher  der  böhmischen  Brüder,  die 
der  WicderUufcr.  Reformatio tisKcscliichtlich  interessant  ist  die  dritte 
Hauptgruppe,  die  dem  zwischen  Mumer  und  Stietel  in  Liedern  aus- 
gefochtenen  Streit  gewidmet  ist.  So  hat  dieser  Katalog  bleibenden  Wert, 
die  Sammlung  selbst  «4rd  hoffentlich  für  Deutschland  als  Ganzes  erhallen. 

Das  Bulletin  de  la  sodei^  archeologique  de  Tarn-et-Oaronne  (34,  4) 
enthält  einen  kullurgeschichtlich  bemerkenswerten  Aufsatz  von  Taillefer, 
Des  baplimeset  desnoms  donn^s  au  bipt^me  «u  XVII'  siede 
(nach  einem  Register  von  Lauzerte). 

In  den  Berichten  und  Mitteilungen  des  Altertumsvereins  zu  Wien 
(Jg.  1907)    bespricht   Anton   Dachler   die   Ausbildung    der   B 
heizung  bis  ins  Mittelalter. 

A.  Nuglisch  behandelt  in  der  Zeitschrift  für  die  Geschichte  des 
Oberrheins  (N.  F.  22,  3)  das  Geschäftsbuch  des  Konstanzer  Gold- 
schmiedes Steffan  Maignow  (t4S0-1.SOO)  und  gibt  aus  den  Ein- 
trägen ein  Bild  von  dem  Betriebe  eines  verkaufeiideit  Handwerkers  jener 
Zeit,  vielfach  dabei  gegen  Karl  Bücher  polemisierend. 

Ein  aus  der  Zeitschrift  des  Ministeriums  für  Volksaufkläning  vom 
Juli  18K8  entnommener  Aufsatz  von  W.  0.  Wasiliew&ki  über  Kiews 
Handel  mit  Regensburg  in  alter  Zeit  vird  in  deutscher  Über^ 
Setzung  jetzt  in  den  Verhandlungen  des  Historischen  Vereins  von  Ober- 
pfalz und  Regensburg  (37,  183-225)  zugänglich  gemachL 


31 

rl-         I 


Am  die  Leser  unseres  Archivs 

ergeht  die  dringende  Bitte,  das  Fortbestehen  unserer  Zeitschrip^ 
des  einzigen  Zentralorgans  für  die  kuUargescbichtiichen  Bestre- 
baagen,  durch  Gewinnung  neuer  Abonnenten  sichern  zu  helfen. 
Es  gibt  sogar  einige  Universitätsbibliotheken  und  andere  öffentliche 
Bibliotfieken,  die  das  Archiv  noch  nicht  halten. 

In  dem  Bekanntenkreise  unserer  Leser  lassen  sich  gewiß 
Freunde  der  Kulturgeschichte  wie  Historiker  van  Fach 
^K        finden,  die  für  das  Archiv  interessiert  werden  können,  denen 
^^^         vielleicht  bisher  gar  nicht  bekannt  wurde. 
^^1  Die  akademisch  gebildeten  Lehrer  unter  unseren 

^H  werden  ferner  die  Bibliothek  ihrer  Schule,  andere  Leser  etwa 
^^^  den  historischen  Verein,  dem  sie  angehören,  zum  Abonnement 
L  bestimmen  können.     Es  gilt  einer  guten  Sache/ 


I 


Fach 
rnen  e^^m 

Leseri^^ 


REPETITORIUM  DED  DEUTSCHEN  GESCHICHTE. 


I 
I 


S 


I 
§ 


Aas  tincr  Itnprechanj;  der  •Ulittltfr   f.  hAh.  Schulvcscn*   ßber   Ekad  I, 
I.  Aufla]!C: 

.Die  Vafafiser   wolltfli    ein    Buch   schaffen,    das   in  aller  KBrze  den 
frih-.'.t  de«en  winier^ab.  ».is  mau  xum  l)i:>t<>ri«chen  Stoutsexamen    notwendig 
I     n  .  .  .  .   Es  kann  kein  /»eifel  5ein,   daR   das  Bach,   wie  es 
i.iu;ie|>f.  rinc  tiankf^svwrte  Lfintutifi  ist. 

Dera   Studierenden   zur  Wiederholung,  t/t/tr  Lvhrer  nur  Vor- 
berfiiuftg,    dem   Geschichtsfreunde    zur    Belehrung    kann    es    trnrw 

e%%%pfohlen  Verden."  I'iof.  Slra>>hurgcr. 


iVllLlcldllCr.       Dr.  U.Gaede  und  C.  Brinkmann. 

INHALT: 
Vom  Beginn  der  Völkerwanderung  bis  zum  Tode  Maximilians  I, 
Die  Kreuzzöge. 
Zur  Verfassungs-  und  Territorialgeschic bte. 

VcrtaMiina  der  Gimnancii  währercl  und  nach  der  Völkcnaranderans,  -  der 
Alcro'.intjcrreit,  -  der  Karolint:en'-cil.  Lcifcs  barbarum.  Entstehung  und 
EntvicVlnng;  des  I.chnswcscns,  Entstehung  der  HersogtUiiicT.  Kö»tg:bTahlen 
Di3  SUdiei«o»cri  Der  deutsche  Orden  in  PrcuUcn.  FotwicWung  der 
K'hocücr  tJdgciioäsciisctiaflcn.     I'dpitwAlilcn.     Das  MÖnchtnm. 

Tabellen  zar  Entwicklung  der  bedeutendsten  Territorialstaaten. 

Baycm,  Drandcnhurg.  Bur^innd.  Kurpfal/.  LottirinEcn.  Österreich. 
SAL!h.««n.     Schwaben  (Wiirttembcrg,  lladcnt. 

Stanoitafeln. 

Kinilin;;er.  Die  saclisiMrhni  und  salfschcn  HerrMAer  Hoheiistaufen. 
XXXfrfi,     HalHbui'^er,     Luxemburger. 

Synchronistische  Tabelle  der  Kaiser  und  Päpste. 

Sjrndironlstitche  Tabelle  der  deutschen,  französischen  und  englischen  Kfinige. 

Bemerkungen  zu  den  Quellen. 


NEUZEIT. 


Erete   und   zweite   Auflage. 

INHALT: 
Dentsche  Geschichte  von  der  Reformation  bis  zum  Jahre  1871. 
Brandenbun^sch-Preaßische  Geschichte  bis  nr  Enrerbuii£  der  l'reußischen 

Kiiiiietiinin--' 
Brandenbnrgtsch-PreuRiscbe  Verfauungs-  and  Verwaltungsgeschlehte. 
Zur  Geschichte  Krankreichs  —   bnglands  -    der  Niederlande. 
Quellen  und  Darstellungen. 
Chronologische  Tabelle. 


ARCHIV   FÜR  KULTURGESCHICHTE 


VI.  Band. 


Heft  2. 


Inhalt: 


SctI 


Die  Nachbarschaften  in  den  Posen  er  HauUndereien 
nach  ihrem  historischen  Zusainmenhanj;.  Vod 
Bibliothekar  Dr.  F.  G.  Schultheiß  in  Posen i: 

Tscbausch    HedajeU    Aufenthalt    in   Wien,   1SG5.      Von 

Alfred  Sitte  in  Wien 19T" 

£io   fürsllithes  Menü  von   1730.     Von  Arclrivrat  Dr.  Hans 

Btschomer  in  Dresden -^02 

Die   Kosten    einer   Seh wei zerreise   im  Jahre    1731.      Von 

Dr.  Sitgfrifd  Maire  in  Berlin 12%_ 

flesprechungen: 

Bre>'sig,  Die  Entstehung  des  GottesKedankens  und  der  Hcil- 
bringer.  Besprocher  vonUniv.-ProfcssorD.Dr.i'.DöAsirÄ/Jte 
in  Straflbiirg 24{ 

Schrader,  Die  Fragen  des  Königs  Menandros.  Besprochen 
von  Oberlehrer  Dr  C  Fries  in  Berlin 2'l 

Böckenhoff.  Speisesalzungen  mosaischer  Art  in  railtdaltcr- 
lichcn  Kirchvnrcchtsquellen.  Besprochen  von  Universitäts- 
professor Dr.  R.  M.  Mfyer  In  Berlin 2^ 

Pastor,  ütsehichtc  der  Päpste.  IV.  Abt.  l.  2.  Besprochen 
vom  Herausgeber 345 

Mertke- Gluckert,  Goethe  als  Geschieht»- 
philosftph 

Marcus,  Die  moderne  Entwrckhings- 
theorie  in  der  jüdischen  Wissen- 
schaft    ...  'S 

Lcnnhoff,  Das  liniilichr  Ocsindewesen 
in  der  Kurmai  k  Brandenburg  vom 
16.  bis  19  Jahrhundert 

Hedcmann,  Die  Körsoi^e  des  Outshcrrn 
für  sein  Gesinde 

Illustrierte  Geschichte  des  Kunstgewerbes,  hreg.  vnon  O.  Lchnert. 
Besprochen  von  Obcrlriirer  Dr.  C  Fries  in  BefUn      .    . 


Besprochen  von 

Universllitsprof. 

Dr.  R.  M.  Meyrr 

in  Berlin 

Besprochen  von  ^ 

Oberlehrer 
Dr.  Frifdr.  Bothe 
in  Frankfurt  a.  M. 


249 


241 


Kleine  Mitteilungen  und  Referate s< 


Dtuck  VOR  Kaca  Viliich  ib  Cbcmtiilz. 


ARCHIV 


FÜR 


KULTUR- 
GESCHICHTE 

=  e=  =.  =   HERAl.'SOnQEBEN  VON  .=  =,=.=. 

PROF.  DL<  Georg  Stein  hausen 


VI.  BAND 
3.  HEFT. 


BF.RI.1N  ■  ALEXANDER  DUN'CKER  VERLAG  ■  I^OS. 


Das 

„Archiv  für  Kulturgeschichte"" 

erscheint  jährlich  in  vier  Hdten  in  der  Starke  von  je  etwa  s  Bogen  zum 
Preise  von  12  AUrlt.  Die  Hefte  werden  7»  Anfang  jedes  Vicrirli-ihres 
aitsgcfieben. 

Alle  Maniifkriple  und  lediglich  auf  den  Inhalt  der  Zeilschrifi 
bczüghchen  .Mitteilungen  »trdcn  an  den  Heraiisgdicr,  Professor  Dr. 
O.  Stetnhaiisen  in  Cassel,  AnnaslrAlle  16,  erbeten.  Herau^eber 
und  Verlagsbuchhandlung  ersuchen  dringend  daruni,  die  Manuskripte  in 
druckreifem  Zustande  eiii/uliefem,  da  riarhlrägliche  größere  Änderungen 
die  Satzkosten  erhebhch  verteuern,,  und  die  Herren  Autoren  datnil  betaklet 
werden  müßten. 

Alle  geschjtfilichcn  Milteüungen,  vie  Wönschc  bclr.  eine 
grörtere  Zahl  von  Sonderab/ügen,  Anh'flgen  betr.  Honorar  usw., 
sind  nur  an  die  Verlag^liandlung,  Berlin  W.  35,  Lützovstraßc  43, 
zu  richten. 

Beiträge  werden  tnit  20  Mark  für  den  Bogen  honoriert. 

Die  Abrccliuung  erfolgt  halbjährlicli  im  Januar  und  Juli. 

Die  Herren  Mitarbeiler  erhalten  von  ihren  Beiträgen  tO  Sonder- 
abzüge mit  den  Seitenzahlen  der  Zeitschrift  kostenlos.  Eine  größere  An- 
zahl von  Sonderabzügen  kann  nur  nach  rechtzeitiger  Mitteilung  eines 
solchen  Vfunschesan  die  V'crlagshandlung,  Berlin  W.  55,  hergesteDt 
werden.  Diese  werden  mit  I S  Pf,  ffir  den  einzelnen  Druckbogen 
dessen  Teile  berechnet. 


i 


M 


Alexander  Duncker,   Vertagsbuclihandlung,  Berliii  W.  35. 


Die  soziale  ual  pollüsctie 

Bedemiiog  der  ScliolretortD  vod  1900. 

Von  Adolf  Matthias, 
Geh.  Mk.      .75. 


F.lnc  Man,  anwtuuliclir  Ow' 
«tcllunjl  der  EPwhicbtHrhm  Pnl- 
■»■ultluni;    An    ftvttitmUagt    iind| 

K«f»nii     lur    iit    vci urhirdvnr« 
Seiten  itnwn«  Kultudrticas 


y 


\ 


Costa?  FreosseQ  QDd  itss  Sucbeo  der  Zeit. 

7,wci  Vorträge  von   Dr.  Müsebeck. 
Mk.    -.75. 


.Pndlich  einmiLl   kein    tniH- 
iclKi  Krllldn,   keine  kiirzsichti£r| 
Kltirtktautwiri,  auch  kein  kirchctl-^ 
INilillicIu^    Qr.riink  Endlictl' 

einmal    Codanken.      Wntvoll 
iijxt  uch  dleuikunilliclim  Narli-. 


«■ 


Das  mittelallerliche  Gottesgericht  mit  seinem  ganzen  Apparat, 
seinem  komplizierten  Zeremoniell,  seiner  an  Komik  streifenden 
GrandezTa  kennen  wir  alle  vom  Augenschein  aus  Richard  Wagners 
Lohengrin.  Und  manch  einer  wird,  wie  bei  Darstellung  von 
Walhall  oder  der  schönen  poetischen  Hofhaltung  am  Ufer  des 
Rheines  aus  der  Götterdämmerung,  dem  Dichter  für  die  weit- 
reichende Perspektive  in  Urväterzetten  gedankt  haben. 

Mit  dem  Gottesgericht  verhält  es  sich  nun  ganz  eigenartig. 
Das,  was  uns  im  Lohengrin  vorgeführt  wird,  ist  etwa  eine  freie 
Darstellung  der  Sitte,  wie  sie  das  zwölfte  Jahrhundert  und  die  folgen- 
den üblen.    Kein  Riese  wird  aber  anders  geboren  denn  als  Säugling. 
Und  so   ist  denn  der  Zweikampf  in  jenen  Tagen,   bis   zu 
denen  wir  ihn  zu  rück  verfolgen  können,  im  Verhältnis  zu  unserem 
Theaterzweikampf  mit  Orchesterbegleitung  etwas  ungeheuer  Ein- 
faches und   hat  die  Schmucklosigkeit  der  Sitte   und  Anschauung 
«ines  ursprünglichen;  natürlich  handelnden  Volkes,  welche  spätere 
fiffinierl  kultivierte  Zeiten  so  Oberaus  gern   fälschen.     Zeugnis 
ite  prachtvolle  und  dennoch  nur  vergoldete  Walhall. 

'•  Der  Zweikampf  in  dem  Rechtsbuch  der  Burgunden  (502).*} 

Wir  sind  im  fünften  Jahrhundert.  In  die  fruchtbaren  Ge- 
filde Galliens  und  Spaniens,  denen  Rom  seine  Kultur  und  Sprache 
fi*bracht,  fluten  von  allen  Seiten  germarische  Stämme  ein.    Wie 

^  ))  MalerUl  und  Stellennuhvdsc  n  diesem   und  dtn  folgradm  Kipttcln  tn  :  .Zur 

S^IrkUaiiK  des  ({ottagcrichtlichni  Zwdkamplf  in  Pranlcrdcli'  (Zeitschrift  f.  ronun.  PhU. 
■'^CIX.  «Sff.J 

AtcU»  ffii  Knltursnchichle-  Vi.  17 II 


eine  Überschwemmung,  wie  eine  Sintflut  dringen  hier  die  Goten, 
dort  die  Biirgunden,  im  Nordosten  die  Franken  In  das  Innere 
des  Landes,  auf  der  Suche  nach  sonnigen  Sitzen.  Römische  Be- 
satzungen, römische  Feldherrn  werden  geschlagen,  die  Gallier, 
Handwerker  und  Ackerbauer,  Priester  und  Primaten,  sind  macht- 
los. Die  vollkommenste  Barbarei  siegt  mit  der  Waffe  in  der 
Hand  über  ein  friedliches  KuItur^'olk. 

Nun  kommen  die  Jahrhunderte  des  Ausgleichs,  die  Trans- 
plantation germanischen  Blutes  in  romanisches  Geblüt  romanisch- 
christlicher Denkweise,  Sitte,  Sprache  in  germanisches  Kriegsvolk. 
Aber  es  war  ein  langsamer,  widerstrebender  Au^leich.  Die  einen 
verachteten  die  anderen  so  gründlich  wie  möglich:  Die  Germanen 
von  ihrem  Kriegerstandpunkt  die  Handwerk  und  Handel  treiben- 
den Romanen,  die  Romanen  ihrerseits  die  Germanen  als  nicht 
Romani,  a!s  jüngst  erst  getaufte  Christen,  als  rüdes,  als  Säufer, 
als  zügellos  in  allen  Lastern  und  Leidenschaften.  Denn  das 
waren  sie  als  echte  Barbaren. 

Unter  den  Stanimessitten  dieser  Barbaren,  jenen  Sitten,  die 
sie  bereits  aus  den  Wäldern  des  Ostens  mitgebracht,  war  auch 
ein  Zweikampf  zu  gerichtlichem  Zwecke.  Im  ersten  Jahrhundert 
gallischen  Aufenthaltes  finden  wir  hierfür  ein  Zeugnis  bei  den 
Franken,  ein  ebensolches  bei  den  Burgunden,  und  da  nodi 
im  neunten  Jahrhundert  der  Zweikampf  der  Goten  in  Art  und 
Sitte  von  dem  der  übrigen  absticht,  findet  er  doch  zu  Pferde 
statt  ~- ,  so  haben  wir  diese  Sitte  auch  für  die  germanischen  Be> 
wohncr  der  Gascognc  und  der  Pyrenäcnhalbinsel  als  eine  dgen- 
artig  entwickelte  Slammessitte  anzunehmen. 

Die  älteste  gcrmanisclie  Kultur  in  Gallien  gehört  den  Bu 
gunden.  Von  Hunnen  aus  ihren  Sitzen  am  schönen  Rhein  ver- 
drängt (Nibelungensage!),  war  ihr  Eintritt  in  Frankreich  im  vierten 
Jalirhundert  ein  friedlicher.  Gemäß  einer  Übereinkunft  wurden 
ihnen  an  Rhone  und  Saöne  Sitze  eingeräumt,  die  sich  bis  in  die 
heutige  Schweiz  erstreckten.  Noch  trägt  die  Bourgogne  ihren 
Namen.  Sie  romanisiertcn  sich  schnell.  Ihr  erstes,  bald  nach 
der  Einwanderung,  im  Jahre  502  entstandenes  Gesetzbuch  ist  schon 
stark  vom  römischen  Gesetz  beeinflusst,  wie  es  denn  bereits  lateinisch 
niedergeschrieben  ist     Der  Zweikampf  freilich  fehlt  ihnen  nicht 


iie  Partei  de;  _       . 

der  klagenden  Partei  nicht  annehmen  will  und  sich  getraut,  den 
Ankläger  mit  den  Waffen  Lügen  zu  strafen,  der  Ankläger  aber 
auf  seiner  Behauptung  bieibl,  so  soll  die  Erlaubnis  zum  Kampfe 
nklit  verweigert  werden." 

Man  sieht,  daß  der  gerichtliche  Zweikampf  bei  seinem  Ein- 
tritt in  das  römische  Kulturland  nicht  weniger  ungern  aufge- 
nommen wurde  als  die  Gäste,  die  ihn  mitbrachten:  »Die  Er- 
laubnis dazu  soll  nicht  ver>veigert  werden."  Also  halte  es  doch 
woh!  Richter  gegeben,  die  ihn  verweigert  hatten !  Die  Burgunden 
aber  setzen  in  ihrem  ersten  geschriebenen  Gesetze  fest,  daß  er 
nicht  verweigert  werden  solle,  daß  er  ein  Rechtsmittel  bleibe, 
daß  der  Angeklagte,  wenn  er  ein  Mann  im  Sinne  des  kriegerischen 
Volkes  war,  auch  wenn  das  Zeugnisverfahren  gegen  ihn  ent- 
schieden habe,  mit  den  Waffen  noch  für  sein  Recht  eintreten  dürfe. 

»Denn  es  ist  gerecht,"  begründet  das  Gesetz,  »daß,  wer 
behauptet,  die  Walirheil  der  Rechtssache  zweifellos  zu  wissen,  und 
gar  einen  Eid  angeboten  hat,  daß  dieser  auch  mit  den  Waffen 
hierfür  eintrete." 

Das  letztere  ist  offenbar  an  einen  von  der  Unfehlbarkeit 
(dieses  Rechtsganges  wenig  überzeugten  Kläger  gerichtet  und 
scheint  bei  Klagen  von  Romanen  gegen  Germanen  den  letzteren, 
den  Verfassern  der  Gesetze  und  Waffenkundigen,  ein  für  allemal 
das  Obergewicht  zu  sichern.  Aber  dies  nur  nebenbei :  Was  haupt- 
sächlich aus  dem  Wortlaut  hervorgeht,  ist,  daß  dieser  Zweikampf 
aus  dem  Jahre  502  keine  .^Verweisung  der  Parteien  auf  Selbst- 
tiälfe"  ist,  wie  Felix  Dahn  und  noch  1900  Amira  behaupteten, 
sondern,  daß  er  vollgültiges  Rechtsmittel,  ja  sogar  Rechtsmittel 
''öherer  Instanz,  gleichsam  Appellation  des  überführten  An- 
KcWagten  an  ein  höheres  Gericht,  nämlich  die  Waffen,  das  Höchste 
d«s  Kriegers,  ist. 

Und  schon  herrscht  die  Anschauung,  daß,  wer  Recht  hat 
oder  für  das  Recht  eintritt,  auch  siegen  müsse.  Denn  wer 
''feil  ist,  eine  Sache  zu  beschwören,  soll  auch  mit  der  Waffe 
f^i"  sie  eintreten. 

Die  Strafe  des  Besiegten  und  seiner  Partei  besteht  in  Geld- 
^^n.    Wird  der  Ankläger  besiegt,  so  hat  er,  der,  wie  die  Waffen 

17"' 


bewiesen,   einen  Meineid   hatte  schwören  wollen,    die  ungeheure 
Summe  von  300  Solidis  (Goldstücken)  zu  bezahlen. 

II.  Ein  Zweikampf  unter  König  Guntchramn  (590). 

Daß  auch  die  Franken  die  Sitte  eines  gerichtlichen  Zwei- 
kampfes bei  ihrem  Eindringen  mitbrachten,  unterliegt  keinem 
Zweifel.  Sie  haben  diese  Stammessitte  jahrhundertelang  geradezu 
mit  Fanatismus  gehegt,  und  bei  Ausübung  derselben  zeigen  sie 
noch  in  Denkmälern  der  Kärlingschen  Zeit  eine  Grausamkeit, 
eine  Dickkäpfigkeit.  die  eigentlich  eher  zu  Indianern  als  zu  den 
Ausbreitern  des  Christentums  bei  Dänen,  Sachsen  und  Friesen  paßt. 

In  dem  ältesten  Geschichtswerk  über  unsere  fränkischen 
Eroberer,  den  Historien  des  trefflichen  Gregor  von  Tours, 
finden  sich  gerichtliche  Zweikämpfe  an  verschiedenen  Punkten 
einheimischer  Geschichte  eingeflochten;  darunter  ist  einer  ausführ- 
lich beschrieben  und  bietet  uns  somit  ein  charakteristisches  Bei- 
spiel für  den  fränkischen  Kampfe  wie  wir  es  suchen.  J 

Dieser  von  Gregor  im  to.  Kapitel  seines  X.  Buches  da^ 
gestellte  Kampf  fand,  wenn  ich  so  sagen  darf,  unter  den  Auspizien 
des  Königs  Guntchramn  (561  -593)  statte  eines  der  Enkel  des 
bereits  für  die  zweite  Generalion  sagenumwobenen  Clodwig, 
eines  Enkels,  der  von  Großvater  und  Sippe  recht  verschieden 
war:  Guntchramn  war  gütigen  Sinnes,  nicht  sehr  fest  in  seinen 
Entschlüssen,  zu  fruchtlosen  Schimpfereien  geneigt  und  etwas 
schrullig  in  Ausdrucksweise  und  Maßnahmen.  Gregor,  der  ihn 
persönlich  gekannt  und  öfters  getroffen,  schildert  ihn  von  der 
besten  Seite,  und  man  steht  unter  dem  Eindruck,  einen  Menschen 
vor  sich  zu  haben,  der  das  Beste  wollte  und  sich  bereits  mit  dem 
Christentum  und  seinen  Priestern  abfand. 

Den  Zweikampf  freilich  betrachtete  auch  er  und  viele  guten 
Fürsten  nach  ihm  als  notwendig,  wenn  auch  schon  bei  ihm  sich,  wie 
wir  sehen  werdenj  nachträglich  eine  Art  Kalzen)ammer  einstellt,  der 
so  recht  seiner  nichtsehr  bestimmten,  etwas  unsicheren  Art  entspricht 

Es  handelte  sich  im  Jahre  590  in  Chälons  um  einen  Jagd- 
frevel. Der  Königliche  Forstmeister  hatte  einen  Kämmerer  des 
Königs  als  Wilderer  angezeigt,  eine  Klage,  die  schwer  genug  war. 


^ 


Du  fränkische  OoH^reridit 


i*-enn  man  bedenkt,  daß  der  Königliche  Angestelite  die  Gerecht- 
same des  eigenen  Herren  angetastet  hatte.  Kläger  und  Ange- 
klagter wurden  vor  den  König  geführt;  der  angeklagte  Kämmerer, 
er  hieß  Chundo,  leugnete  hartnäckig,  es  war  kein  Licht  in  die 
Sache  zu  bringen,  da  Aussage  gegen  Aussage  stand,  schließlich 
entschloß  sich  Guntchramn  dazu,  die  Waffen  entscheiden  zu 
lassen:  «Er  befahl  den  Zweikampf.« 

Der  Kämmerer  trat  für  seine  Sache  nicht  selbst   ein.     Ob 
er  die  Sechzig  überschritten  hatte,  was  in  späteren  Jahrhunderten 
dazu  berechtigte,  einen  Vertreter  zu  stellen,  ob  er  gegen  den  wohl 
unebenbürtigen  Forstmeister  nicht  selber  einzutreten  brauchte,  - 
gleichviel,   ein  Neffe    hat  die  wenig    beneidenswerte  Pflicht,    die 
Sache  für  ihn  auszumachen.    Ohne  weitere  Förmlichkeiten  betreten 
Neffe  und  Forstmeister  den  Kampfplatz,  der  Jüngling  wirft  zuerst 
mit  dem  Spieß,  durchbohrt  dem  Forstmeister  den  Fuß,  der  Ge- 
troffene   fällt,  der  Jüngling  stürzt  auf  ihn  zu,  um  ihm  mit  dem 
Kurzschwert  den  Garaus  zu   geben,      Der  Getroffene   aber  hat 
seinerseits  sein  Messer  gezogen  und  durchbohrt  den  unvorsichtigen 
Angreifer.    -    Beide  verstarben  alsbald  .... 

Chundo  sieht  den  für  ihn  ungünstigen  Verlauf,  —  woraus 
wir  gleich  entnehmen  wollen,  daß  beiderseits  lötljcher  Anfang 
die  Scbuldfrage  bejahte,  -  will  in  die  nächstliegende  Kirche 
fliehen.  Der  König  befiehlt,  ihm  nachzusetzen,  man  ergreift  ihn, 
bevor  er  die  heilige  Schwelle  erreicht.  Er  wird  gesteinigt.  .  .  . 
Später  bedauerte  Guntchramn,  um  eines  verhältnismäßig 
geringfügigen  Anlasses  willen  einen  brauchbaren  Mann  haben 
hinrichten  zu  lassen.  Und  wir  entnehmen  diesem  Bedauern  die 
zweite  rechtsgeschichtliche  Talsache,  daß,  wenn  einmal  der  Weg 
des  Zweikampfes  beschritten  war,  er  nur  mit  dem  Tode  des 
Schuldigen  enden  durfte. 

Vollends  zeigt  dieser  Kampf  des  Jahres  590,  daß  hier  keine 
Venfc'eisung  der  Parteien  auf  Selbsthilfe  stattfand.  Im  Gegenteil 
ist  hier  der  Kampf  ein  Mittel,  mit  welcliem  der  Gerichtsherr, 
König  Guntchramn,  in  einer  dunkeln  Sache  -  sieht  doch  Aussage 
gegen  Aussage  -  Klarheit  zu  schaffen  versucht,  indem  er  den  Zwei- 
kampf anordnet.  Der  Zweikampf  hat  also  in  diesem  Falle  voll 
beweisende  Kraift  und   ist   im  Beweisgange  ein  Rechtsmittel,  das 


dem  Zeugnisverfahren  ebenbürtig  ist,    wenn  es  audi  nicht,    ^wie 
in  dem  Gesetze   der  Burgunden,  diesem  gar    vorgezogen  wrird. 

III.  Gerichtlicher  Zweikampf  in  einer  Sage  ungefähr  aus  den 

Jahre  650.  ' 

Das  üppige  Wachstum,  die  beinahe  unglaubliche  Fülle  ^^' 
großen  Helden-  und  Königssage,  wie  sie  bei  diesen  in  ei"^'^ 
Kochströmung  befindlichen  germanischen  Völkern  emporscl^o^" 
ist  uns  als  geschichtliche  Überlieferung  in  lateinischer  Form  '" 
den  Chroniken  des  sechsten  und  siebenten  und  der  folgen  «^^"^ 
Jahrhunderte  in  ganz  ansehnlichem  Umfange  gerettet.  Die  Wan*^^^' 
jähre  der  Völker  waren,  was  noch  heute  die  Wanderjahre  für  unö-*^ 
Burschen  sind :  TageunvennengterWeEtfreude  und  blühender  Poe^^^' 

Auch    noch    in    den   Zeiten    ruhiger  Seßhaftigkeit   floß    ^^^ 
poetische  Quell  weiter,  wenn  auch,  der  größeren  Stille  entspreche*^  ' 
in  einfacherem  Stile,  den  nur  die  kriegerische  Expedition  ab  u  '^ 
zu  wieder  zum   iioch  traben  den  Stile    der  Hcldendichlung    führ^^'' 
Sonst  war  es  die  Zeil  der  Fabeln  und  Novellen,   der  Schwan  K^ 
und  Salzkömer,  der  Märchen. 

Auch  weil  im  Süden,  auf  romanischem  Boden  jenseits  Öef^ 
Alpen,  bei  den  Langobarden  blühte  die  Sage.  Ihre  Rosa' 
munde,  die  den  ersten  Gatten  aus  dem  Wege  räumte,  der  sie 
gezwungen,  aus  dem  väterlichen  Schädel  zu  Irinken,  und  von  derti 
zweiten  Gatten  mit  dem  Schwert  genötigt  wurde,  den  Gifttrank 
zu  scliluckcn,  den  sie  ihm  bereitet,  ist  aus  Paulus  Diaeonus* 
Geschichte  der  Langobarden  bekannt. 

Weniger  bekannt  ist  die  Erzählung,  wir  dürfen  beinaht 
sagen ,  das  Märchen  von  der  Königin  Gundoberga,  das 
bereits  im  siebenten  Jahrhundert  einem  fränkischen  Erzähler,  wohl 
dem  jüngsten  Interpolator  der  sog.  Chronik  des  Fredegar  in  die 
Feder  floß.  Gundoberga,  die  Genoveva,  Elsa  des  siebenten  Jahr- 
hunderts wurde  auch  von  schwerer  Anklage  durch  ein  Gottes- 
gericht  gereinigt,  dessen  Form  uns  naturgemäß  interessiert.  ^J 

Die  Langobarden-Königin  Gundoberga  war  eine  schöne  unrf^^ 
in  allen  Dingen  liebenswürdige  Frau,  in  ihrer  Frömmigkeit  eine 
ausgezeichnete   Christin    und   Almosenspenderin.      Und    da    ihre 
Güte  so  überaus  groß  war,  wurde  sie  von  allen  geliebt.  ^h 


,^1 


Im  Paläste  aber  hielt  sich  ein  Langobarde,  namens  Adalulf, 
eifrig  im  Dienste  der  Königin.  Dieser  Mann  nahte  ihr  eines 
Tages,  und  wie  er  in  ilirer  Nähe  stand,  bemerkte  sie,  gütig,  wie 
sie  zu  allen  war,  Adalulf  habe  von  der  Natur  eine  wohlgcbildcte 
Cestalt  erhalten.  Jener  hörte  sein  Lob  und  sagte  zu  Gundobei^a 
insgeheim:  «Meine  Gestalt  hast  du  deines  Lobes  gewürdigt,  be- 
fehle, und  ich  bin  dir  auch  in  deinem  Lager  zu  Diensten." 

Jene  aber  wehrte  ihm  heftig,  voller  Verachtung,  und  spie 
ihm  ins  Oesicht.  -  Wie  nun  Adalulf  sich  also  in  Todesgefahr 
sah,  lief  er  stracks  zu  König  Charoald  imd  bat  ihn,  daß  er  ihm 
heimlich  eröffnen  dürfe,  was  er  auf  dem  Herzen  habe.  Als  der 
König  seiner  Bitte  willfahrte,  sagte  er  ihm:  «Meine  Herrin,  deine 
Königin  Gundobcrga,  hat  vor  drei  Tagen  mit  Herzog  Taso  eine 
heimliche  Unterredung  gehabt,  sie  wollen  dich  vergiften,  dann 
wird  die  Königin  ihren  Buhlen  heiraten  und  auf  denThron  erheben." 

Empört  läßt  Charoald  die  Gattin  ohne  Verhör  in  einen 
Turm  werfen. 

Der  Krankenkönig  Clotar  aber  ließ  fragen:  .»Weshalb  hast 
du  die  Königin  Gundoberga,  die  aus  fränkischem  Oeschlechte  ist, 
gedemütigt  und  verbannt?"  -  Charoald  kündete  ihm,  wes  man 
die  Königin  bezichtigt  hatte.  Einer  der  fränkischen  Gesandten 
aber  antwortete  aus  freien  Stücken:  »Du  könntest  diese  Sache 
von  allem  Tadel  frei  machen.  Laß  jenen  Mann,  der  dir  diese 
Dinge  gesagt  hat,  bewaffnen  und  einen  anderen  von  seilen  der 
Königin  Gundoberga;  auch  dieser,  bewaffnet,  trete  gegen  ihn  auf 
zum  Zweikampf.  Dann  wird  Gottes  Gericht  zeigen,  ob  Gundo- 
berga jener  Schuld  mit  Recht  angeklagt  wurde  oder  mit  Unrecht." 

Das  gefiel  dem  König,  und  er  befahl  den  Zweikampf,  den 
ein  Kämpe  Pitto  gegen  Adalulf  siegreich  ausfocht:  Adalulf  fiel, 
und  Gundoberga  nahm,  vom  schmählichen  Vorwurf  gereinigt, 
den  ihr  gebührenden  Platz  wieder  ein. 

Daß  die  ursprüngliche  Quelle  dieser  Erzählung  eine  lango- 
bardische  Sage  ist,  dafür  spricht  wohl,  daß  wir  sie  in  etwas  ver- 
änderter Form  hei  Paulus  wiederfinden.  Wie  wir  sie  hier  finden, 
wie  sie  der  auslrasische  Chronist,  vielleicht  ein  Metzer  Kind,  er- 
zählt, ist  sie  echt  fränkiscli:  die  Verleumdung  einer  fränkischen 
Prinzessin  im  Auslande  und  ihre  Reinigung;  der  Triumph  einer 


fränkischen  GesandtschafI  an   fremdem  Hofe;   der  Siegeszug 
des  fränkischen  Gottesgerichtes.  ^H 

Denn  das  fränkische  Goticsgcrichl  ist  es  offenbar,  das  de^^ 
Gesandte   den    Langobarden   empfiehlt      Einen   Zweikampf,    den 
der  König  verlangt  und  der  in  einer  Sache  Klarheit  schaffen  soll, 
in  der  Aussage  gegen  Aussage  steht  ^H 

Hier  im  Märchen,  genau  wie  eben    in   der  geschichtJicht^^ 
Erzählung  Gregors  von  Tours.    So  schien  den  Franken  ein  fremder 
König,  ein  fremdes  Volk  sich  vor  ihrem  Gesetze  zu  beugen,  vor 
jenem  Gesetze,   das   sie   um   so  fanatischer  hegten,   je   weniger 
es  von  der  Urbevölkerung  des  eigenen  Sitzes  anerkannt  wurde. 

Da6  die  Romanen  mit  diesem  Danaergeschenk  nicht  sonder- 
lich zufrieden  waren,  dafür  fehlen  aus  dieser  Zeit  noch  direkte 
Beweise.  Aber  es  ist  natürlich,  daß  sie,  als  die  Handeltreibenden, 
die  Besitzenden,  das  Gesetz  oft  genug  zu  ihrem  Schaden  kennen 
lernen  mußten.  Germanische  Edle  und  Krieger  sind  stets  Feinde 
des  Kaufmanns  und  Handarbeilerslandes,  dagegen  ausgesprochene 
Freunde  ihres  Säckels  gewesen.  Wenn  nun  dem  Zeugnisver- 
fahren das  Goltesgericht  vorgezogen  wurde,  so  mußte  ja  in  solchen 
Fällen  der  Handelsmann  oft  genug  den  Kürzeren  ziehen,  selbst 
wenn  er  auch  immer  das  Recht  hatte,  sich  etwa  von  einem  pro- 
fcssionelten  Kämpfer  vertreten  ru  lassen,  wie  es  wohl  damals 
bestand.  Oder  hatte  gar  nur  der  Angeklagte  dieses  Vorrecht?  Der 
Forstmeister  kämpft  selber,  der  Verräter  Adalulf  ebenso. 

Kurz  ein  Privatrecht,  das,  so  unklar  es  im  einzelnen  auch 
sein  mag,  vielleicht  auch  gewesen  sein  magj  -  das  in  erster 
I-inie  auf  physischer  Kraft  mit  Hintansetzung  geschriebenen  oder 
lebenden  Zeugnisses  beruhte,  mußte  den  Geschäften  geradezu 
verderbenbringend  sein. 

Später  mehren  sich  die  Zeugnisse  für  die  UntKhebtheit  der 
Sitte  in  nichtfränkiscbcn  Kreisen.  Aus  den  Tagen  des  sechsten 
und  siebenten  Jahrhunderts  besitzen  wir  nur  eins,  eine  »Novelle" 
zum  saüschen  Oesetze^  in  der  versucht  wird  in  einem  be- 
sonderen Falle,  das  Gottesgericht  aus  seiner  offiziellen  Rolle  zu 
verdrängen  und  zu  einer  Art  privaten  Genugtuung  herabzusetzen  : 
Von  jenem,  der  einem  anderen  einen  Meineid  vor- 
wirft.   Wer  einen  anderen  eines  Meineids  zeiht,  und  er  kann 


Das  fränkische  Gottesgericht. 


273 


ihm  denselben  nachweisen,  so  zahlt  der  Meineidige  15  Solid! ; 
Icuin  der  Meineid  nicht  nachgewiesen  werden,  so  zahlt  der  Kläger 
15  Solidi,  und  nachher  kann  er  kämpfen,  wenn  er  mag. 

Das  wäre  also  jene  Verweisung  auf  Selbsthilfe,   die   Dahn 
juuubm,  aber,  wie  aus  dem  Charakter  als  Novelle  zum  salischen 
Gesetze  hervorgeht,  nicht  der  Urcharakter  des  gerichtlichen  Zwei- 
Itampfes,   sondern   im  Gegenteil  ein   dem  Urcharakter  entgegen- 
gCÄtztcr  Zug,  eine  Reform.     Man  stellte  diese  Novellen  in  Pertz' 
zweitem  Bande  der  Gesetzessammlungen   zu  Chilperichs  Zu- 
fügungen  (561-584).     Und   wenn   ein   Merowinger   einen  An- 
spnicb  darauf  hat,  so  ist  es  sicherlich  der  Bruder  des  Guntchramn 
und  Gemahl  der  bösartigen  Fredegund.     Einer  der  eigenartigsten 
Herrscher   aller  Zeiten,    während    dessen    Regierung    bei  Geburt 
«nes  Sohnes  eine  aligemeine  Amnestie  erlassen  wurde,  der  Ortho- 
graphiereform, eine  Reform  der  Kirche  versuchte,  lateinische  Verse 
verfaßte,   chauvinistisch-fränkisch   gesinnt   war,   seiner  Prachtliebe 
große,  manchmal  übertriebene  Opfer  brachte  und  voller  Schnurren 
and  Spaße  über  Bischöfe  und  Geistliche  war.     Das  hat  ihm  dann 
von    unserem    orthodoxen    Gregor    den    Namen:    Nero    nostri 
temporis   eingebracht,    den    er  zweifellos    nicht   verdiente.      Die 
Neuerung  bezüglich  des  Gottesgerichtes  ist  diesem  Könige  schon 
zuzutrauen.     Freilich  blieb  sie,  wie  so  manches  Gesetz,  auf  dem 
Papiere,  die  Idee  des  Gottesgerichtes  erhielt  sich  nicht  nur,  sondern 
erstarkte  in  reaktionärem  Widerspruch  gegen  Gesetz,  Kirche  und 
Nichtfranken,  und  wir  finden  sie  1 50  Jahre  später,  zur  Zeit  der  Kär- 
linge,  stärker  wie  je,  als  ein  gerichtliches  Beweismittel  ersten  Ranges. 

Eine  Abschweifung. 

Neben  dem  bisher  geschilderten  Brauche,  der  den  Zweikampf 
als  ein  Rechtsmittel  ersten  Ranges  gelten  läßt,  finden  sich  noch 
Spuren  einer  anderen,  unseren  Gewohnheiten  entsprechenden  Form : 
eines  Duells,  in  welchem  eine  der  Parteien  als  Forderer  auf- 
tritt, von  Verhängen  desselben  also  keine  Rede  ist 

Diese  Art  finden  wir  bereits  beim  alten  Gregor  einmal 
beiläufig  erwähnt  In  den  Konflikten  König  Ountchramns  mit 
dem  Prätendenten  Gundovald,  den  sie  mit  Spitznamen  »Balomerc«, 
die  Bläß,  nannten,   spielte    auch   ein  Herzog  Boso  (Guntchramn 

Ardiiy  Hr  Knlturecsdiichle.    VI.  Jg 


Boso  war  s«n  voller  Name)  eine  wenig  ehrenhafte  Rolle.  Er 
soll  es  gewesen  sein,  der  diesen  Gundovatd,  übrigens  einen  gut- 
mütigen lenkbaren  Menschen,  der  in  Konstantinopcl  im  Exil  gelebt 
hatte,  von  dort  nach  Frankreicli  lud,  um  als  Bastard  eines  Mero- 
wingers  aufzutreten  und  Ansprüche  an  die  Krone  zu  stellen. 
Später  gab  er  die  Sache  des  falschen  Prinzen  auf  und  stellte  sich 
auf  Seiten  seiner  Gegner. 

Solches  Verhalten  warf  ihm  einmal  König  Quntchramn 
seiner  etwas  prolixen  Art  vor.  *. Du  Feind  meines  Landes,*  herrschte 
er  ihn  an,  »der  du  seinerzeit  im  Osten  warst,  um  uns  diesen 
Balomere  über  den  Hals  zu  bringen,  ewig  Treuloser,  der  du  nie 
hältst,  was  du  versprichst,''  und  was  es  an  solchen  Worten  noch 
mehr  gibt,  wo  doch  ein  sicheres  Gewahrsam  das  einzige  Mittel 
gewesen  wäre,  den  Mangel  an  Grundsätzen  des  hinterlistige^— 
Herzogs  unschädlich  zu  machen.  ^| 

An  Frechheit  zur  Antwort  fehlte  es  ihm  nicht:  -Du  Herr," 
rief  er,  «sitzest  auf  königlichem  Thronsessel,  und  niemand  u-agt, 
dir  zu  antworten.  Ich  erkläre,  daß  ich  urschuldig  an  dem  bin, 
was  du  mir  vorwirfst!  Aber  wem  ein  Standesgenossc mir  heim- 
lich dies  Verbrechen  in  die  Schuhe  schiebt,  gut,  so  mag  er  vor- 
treten und  sprechen,  dann  bin  ich  bereit,  es  dem  Gerichte  Gottes 
anheimzugeben,  damit  Er  entscheide,  wenn  Er  uns  auf  der  Wahl- 
statt kämpfen  sieht."  ^M 

Ganz  poetisch  ist  diese  Wahlstatt  benannt:  in  unius  cam^^ 
planitie  -    »auf  eines  Feldes  fHäche".     Aber  weder  dem  König 
noch  seinen  Leuten  gefiel  die  dichterische  Redeweise,  es  trat  kdnH 
Kämpe  auf,  der  Körig  schimpfte  weiter  und  holte  sich  von  Boso 
noch  einen  gehörigen  Trumpf,  bei  dem  der  ganze  Hof  auf  dea^ 
Königs  Kosten  in  Lachen  ausbrach.  ^| 

Die  Stelle  laut  uns  also  Zeugen  sein  einer  Herausforderung 
zum  gerichtlichen  Zweikampf  und  gibt  der  Anschauung  unzwei- 
deutig Worte,  daß  in  diesem  Kampfe  Gott  der  Entscheidende 
isL  Leider  —  man  werfe  uns  dies  »leider"  nicht  als  unethisch 
vor  —  folgt  der  Einladung  kein  Austrag,  und  wir  erfahren  ütwr 
die  weitere  Art  dieses  Zweikampfes  nur  eines,  daß  nur 
Standesgenosse  berechtigt  war,  ihn  gegen  seinesgleicl 
au  szuf echten. 


Das  fränkische  GoHesgcricht. 


275 


Dies  gibt  uns  wohl  den  Schiössel  dazu,  warum  in  dem 
Kampfe  der  vorigen  Kapitel  der  Kämmerer  nicht  selber  kämpfte, 
sondern  ein  Neffe  für  ihn  eintrat,  einfach  weil  ein  Forstaufseher 
einem  Königlichen  Kämmerer  nicht  ebenbürtig  sein  mochte. 

« 
Die  Anschauung  aber,  daß  eine  höhere  Macht  im  Kampfe 
entscheide,  ist  allheidnisch  und  findet  -  um  auch  dies  nicht  zu 
OlierKhen  -  nicht  nur  beim  Zweikampf,  sondern  auch  in  der 
Schlacht  ihren  Ausdruck.  Auch  in  der  Schlacht  gehört  der 
Si^der  guten  Sache  und  nicht  der  besseren  Mannschaft,  der 
besseren  Ausrüsttmg.  So  optimistisch  denkt  man  in  Kinderjahren. 
So  ließ  derselbe  Gundovald,  aus  dessen  kurzem  Leben  wir 
vorhin  eine  Szene  zum  Besten  gaben^  seinem  Widersacher  melden : 
.SosprichtQundovald:  Gott  wird  richten,  ob  ich  Clothars  Sohn  bin 
odernicht,  wenn  wir  auf  einer  Wahlstalt  zusammenstoßen  werden." 
Auch  das  christliche  Mittelalter,  die  Kämpfe  gegen  Sachsen, 
Sanzenen,  die  Kreuzzfige  hat  diese  Idee  noch  beherrscht.  «Wir 
haboi  Recht,  die  Heiden  aber  Unrecht",  ist  der  Schlachtruf  des 
Rolandsliedcs,  —  mit  dem  Rufe  „DUus  le  vuelt!"  zogen  Frankcn- 
rilter  nach  dem  Morgenlande  und  begründeten  die  Supertorität 
ihres  Christentums  Ober  .alle  Völker  auf  einer  ihnen  aus  heid- 
nischer Zeit  anliaftcnden  Anschauung. 

Und  hierauf  beruht  schließlich  eine  tetzte,  hier  noch  zu  be- 
sprechende und  merkwürdige,  aus  Märchen  und  Sagen  auch  uns 
nocfa  bekannte  Miscliform  zwischen  Zweikampf  und  Schlacht, 
daß  nämlich  zwei  ausgewählte  Helden  die  Sache  unter  sicti  aus- 
machen, und  dann  die  beiden  Heere  eidlich  an  den  Ausgang  des 
ebenfalls  gottesgerichtlich  gedachten  Kampfes  gebunden  sind. 

Diese  Art  von  Zweikampf  mag  in  der  Poesie  häufiger  ge- 
wesen sein  als  in  der  Praxis;  denn  wo  wir  ihn  treffen,  handelt 
es  sich  um  Dichtungen  oder  um  Stellen,  die  aus  der  Volkssage 
in  die  Chronik  geflossen  sind.  Wie  bei  jenem  hübschen  Kapitel 
des  mcrowingischen  Hislorienbuches,  in  welchem  wir  König 
Ootar  an  der  Weser  stehen  seilen,  dem  Erbfeind,  den  Sachsen, 
gegenüber.  Drüben  tummelt  sich  der  Sachse  Bcrtoald  und  ruft 
über  den  Fluß,  was  denn  im  Frankenlager  los  sei,  daß  die  Freude 
über  den  Strom  hcrüberschalle.     »Held  Clotar  ist  bei  ihnen  an- 


gekommen!"  ruft  der  König,  ohne  sich  zu  erkennen  zu  geben. 
.Was?"  antwortet  der  Sachse,  »Clotar?  der  ist  ja  längst  tot!" 
—  »Tot!?"  ruft  nun  seinerwits  Clotar,  nimmt  den  Helm  ab 
und  läßt  das  lange  weiße  Königshaar  im  Winde  flattern,  ein  Be- 
weis, daß  der  alte  Löwe  noch  lebt.  Da  wirft  ihm  der  Sachse 
über  die  Weser  hinüber  den  Schimpf  zu,  jenen  selben,  den  man 
dem  Gundovald  anhängte:  «Du  Bläß!"  und  entweicht  Clotar 
aber  über  die  Weser  und  ihm  nach.  Bald  hat  er  ihn  erreicht  und 
niedergestoßen.  Sein  Sieg  aber  bestimmte  die  Sachsen  abzuziehen. 
Dieser  Kampf,  der  einer  weitverbreiteten  Sage  des  siebenten 
Jahrhunderts  angehörte,  und  der  noch  im  zwölften  und  dreizehnten 
Jahrhundert  in  der  Volkscrinnerung  lebt,  scheint  für  alle  jene  Kri^e 
vorbildlich  gewesen  zu  sein,  welche  die  Nachfolger  des  tapferen 
Clotar  für  ihr  Volk  durch  einen  Zweikampf  entschieden.  So  kämpft 
in  der  Dichtung  Karl  (Martell)  noch  eigenhändig  gegen  den  Sara- 
zenen Braimant  (Abdcrrahman),  Karl  der  Große  noch  eigenhändig 
gegen  Wittukind  (Sachsenlied)  und  den  Heidenkönig  Baligant  (im 
Holandslied);  der  Kampf  aber  gegen  den  riesigen  Sachsenhäuptling 
Bertharius  oder  Ekrtoaldus,  der  den  ganzen  Sachsenkrieg  entscheidet, 
wird  der  Dichtung  nach  bald  von  dem  Urahn  Karls  des  Großen, 
dem  Arnulfing  Ansigiscl,  bald  von  Ogier  erzählt,  der  als  dänische 
Geisel  am  Hofe  Karls  anfing  und  als  »Pair  de  France-  endigte. 


Und  da  dieses  Kapitel  dazu  bestimmt  scheint,  alles  das  zuU 
zunehmen,  was  seitab  vom  Wege  liegt,  müssen  wir  noch  ein 
kurzes  Streiflicht  auf  ein  Paar  andere  Formen  des  Gottesgerichtes 
werfen,  die  nicht  in  Kampf  bestanden,  sondern  in  allerhand  mehr 
oder  weniger  ingeniösen  flohen  und  für  schwächere  Geschlechter, 
Frauen  und  Geistliche  bestimmt  gewesen  sind. 

Für  letztere  galt  in  erster  Linie  die  Abendmahlsprobe. 
Wer  schuldig  ist,  den  läßt  Gott  sein  heiliges  Abendmahl  nicht 
genießen,  war  die  Anschauung,  und  so  ist  sie  noch  im  13.  Jahr- 
hundert, wo  wir  oft  genug  den  Verräter  versuchen  sehen,  die 
Hostie  hcRinterzuschlucken,  während  ihm  die  Oblate  unvenh'andelt 
im  Gaumen  kleben  bleibt.  Ja,  wir  finden  sogar  die  Anschauung, 
daß  der  Unwürdige  an  ihr  ersticken  müsse; 


Andere  weniger  harmlose  Proben  waren  die  Feuer-  und 

Wasserprobe,  letztere  auf  dem  physiologischen  Grundgedanken 

suf^baut,    daß   das  Wasser,  als    das    reinste   aller  Elemente,    die 

Sdiuld  verabscheut  und  von  sich  gibt,  während  es  die  Unschuld 

in  seinem  Schöße  aufnimmt.      Der  Geprüfte   war   daher   in  der 

unangenehmen  Alternative,  als  Unschuldiger  zu   ertrinken    oder 

dem  Wasser  zu  entrinnen,   um  als  schuldig   bestraft  zu   werden. 

Die  Kreuzesprobe   bestand  darin,  die  Arme  an  einem 

Kreuze  frei  auszustrecken,  ohne  zu  ermüden,  da  den  Unschuldigen 

zu  stützen   die    Engel    Gottes   kamen.      Daneben    finden    sich 

allerband  andere  Proben,  sich  von  einem  Turm  herabstürzen  zu 

lassen  u.  dergl.  m. 

Die  Frage,  ob  diese  «Ordale"  unabhängig  vom  gerichtlichen 
■Zweikampf  entstanden,  gallisch  oder  gar  altchristlich  sind,  scheint 
unlösbar.  Eine  Ansicht  darf  man  gleichwohl  äußern:  daß  das 
sechste  Jahrhundert  die  Anschauung  vom  Gottesgerichte  aus  der 
Heidnischen  ßelrachtungsweise  übernahm,  sich  zurechtlegte  und 
«iif  weniger  kriegerische  Gebiete  fibertrug.  Damit  gelangt  man 
zu  einheitlicher  Quelle,  wonach  unser  monistisches  Be- 
dürfnis ja  immer  strebt    Zu  dieser  Quelle  kehren  wir  nun  zurück. 

Hsnderlffinfztg  Jahre   später.  —  Spaltung  des  Gottesgerichtes 
in  leichte  und  schwere  Form. 

Es  ist  nicht  Bequemlichkeit,  die  uns  veranlaßt,  150  Jahre 
*uf  einmal  zu  überspringen,  sondern  die  Ungunst  der  Zeiten. 
t^  letzte  Jahrhundert  merovingischer  Herrschaft  ist  eine  Zeit 
'rosllosen  Verfalls,  und  das  einzige  Erfreuliche  ist,  wie  neben  dem 
absterbenden  Hause  die  neue  austrasische  Macht  heranwächst. 
*^ie  Fortsetzer  des  Fredegar,  ein  paar  Kärlingische  Annalen,  das  un- 
S^ähr  sind  unsere  recht  mageren  Geschichtsquellen  aus  jener  Zeit, 
^ie  um  kaum  sehr  zuverlässige  Kloster  berichte  bereichert  werden, 
^'Oin  ein  Fürst  oder  König  sich  den  Ruf  der  Heiligkeit  erwarb, 
^e  Dagobert,  ,Je  bon  rot  Dagobert",  wie  Arnulf,  der 
^rahn  des  großen  Karl. 

Mit  Karl  dem  Großen  treten  wir  für  Gesetzgebung,  Staat, 
'^»rche.  Schule,  für  das  Gesamtgebiet  des  staatlichen  und  wirt- 
^^aftlichen  Lebens  in   eine   neue  Periode:    der  Zusammenhang 


mit  dem  Alten  wird  gesucht  durch  Sammlung  der  Carmina 
regam,  der  L^ngobardensagcn  und  -gcschichte,  durch  Obemahme 
der  Kaiserkrone.  Neue  Wege  sicliern  die  Urlingische  Schule, 
die  Einführung  der  Silberwährung  g^en  die  plumpe,  den  Klein- 
handel hemmende  Goldwährung  des  ändert  r^me;  überall  Fort- 
schritt, hoher  praktischer  Sinn,  lebensvolle  Bewegung. 

Nur  die  Justiz  bleibt  auf  dem  alten  Flecke.  Ja,  rätselhaft 
genug  bei  des  Fürsten  sonst  gezeigter  Einsicht,  aber  ein  untrüg- 
liches Zeichen,  daß  eine  Reaktion  hier  eine  retrograde  Bewegung 
veranlaßt  haf,  —  das  Gottesgericht  herrscht  strenger  denn  je,  ist 
auf  dem  Wege  sich  zu  verschärfen,  an  Boden  zu  gewinnen,  grau- 
samer noch  zu  werden. 

Bei  den  Nichtfranken  mag  der  Unglaube  bez.  des  Gottes- 
gerichts, die  Antipathie  gegen  diese  fränkische  Sitte  stärker  gewesen 
sein  als  zuvor,  in  welcher  Form  es  auch  auftrat.  Jedenfalls  sah 
sich  Karl  in  einem  Kapitular  vom  Jahre  810  genötigt,  den  ge- 
schwundenen Glauben  durcli  ein  Edikt  wieder  aufzufrischen,  das 
den  lapidar-militänschen  Stil  des  Kaisers  zeigt,  wenn  er  einen 
Widerspruch  in  Glaubenssachen  zu  brechen  halte.  „Ut  omnis 
homo",  befiehlt  er,  „iaäicium  dei  avdat  absque  aUa  dubitaäone" 
—  Daß  ein  jeder  an  das  Gericht  Gottes  glaube  ohne  irgend- 
einen Zweifel. 

Erscheint    der    Befehlende    hier    schrecklicher    oder    mehr 
grottesk?    Ich  vermag  es  nicht  zu  sagen.     Wenn  man  die  Frage 
prinzipiell  anschaut,  das  letztere;  wenn  man  die  Jahrhunderte  über- 
sieht, in  der  die  kärlingische  Form  des  Gottesgerichtes  sich  er- 
hielt, das  erstere. 

Diese  Form  aber  scheidet  von  nun  ab  zwischen  Anklsge 
auf  irgendein  Vergehen   und  Anklage  auf  Hochver- 
raL      Während    für    dieses  Verbrechen    die   alte  Art   des  Zwei- 
kampfs  mit  tötlichen  Waffen  übrig  blieb,    kam   für    die  Summe 
der  übrigen    strafbaren    Handlungen    ein  gemildertes   Verfahren 
auf,  der  Kampf  mit  Stock  und  Schild. 

Noch  kann  der  Kampf  als  ein  Entscheidungsmittel  In  U**'; 
lösbarer  Frage  von  dem  Gerichtsherm  befohlen  werden.  5*^ 
heißt  es  in  einem  Kapitular  des  Jahres  825:  »Wenn  in  irgeO*'' 
einem  Streitfalle    dem  Gesetze  nach  ein  Zweikampf  verhän 


Das  fränkische  Gottesgericht 


279 


vuj^t,   so  sollen  die  Parteien    mit  Stock  und   Schild   kämpfen, 
außer  bei  Hochverrat,  wie  schon  vorher  bestimmt." 

Dieser  Stockkampf  Mvird   jedem   anderen  Verfahren   bereits 
vorgezogen.      Bei  Viehdiebslahl  hat  der  bestohtene  Kläger  sogar 
das  Recht,  das  Zeugnis  von   zwölf  Entlastungszeugen   zurückzu- 
weisen   und    an    ein    Gottesgericht   zu    appellieren    (Anno    803). 
Spielt  auch  der  Viehdiebstahl,  wie  seinerzeit  in  der  UnicUj 
so  heute  in  Westafrika  eine  hervorragende  Rolle,  die  ihn  zu  einem 
Hauptverbrechen   stempelt,    so   ist  die  Zurückweisung  von  zwölf 
Entlastungszeugen  dennoch  elwas  höchst  Auffallendes,  ja  Empören- 
des und  fordert  zum  Vergleiche  mit  dem  burgundischen  Gesetz 
ton   502   heraus,    wo  Zeugen   des  Anklägers    zurückgewiesen 
werden  unter  ähnlichen  Umständen.     Und  da   man   geneigt   Ist, 
einem   Gesetz,   das  sich  auf  Seite  des  Angeklagten   stellt,   mehr 
Humanität  zuzusprechen  als  einem  solchen,  das  ihn  der  Möglich- 
keit einer  Entlastung  durch  Zeugen  beraubt,  so  muß  man  sagen, 
fUß  hier  eine  bedauernswert  retrograde  Entwicklung  stattgefunden 
hat,   in  einem  Maße,   wie  sie  sich   wohl  selten  beobachten  läßt. 
Daß  der  Kampf  gemildert  wurde,  halten  wir,  wie  wir  schon  ein- 
fnal  zu   sagen  Gelegenheit  hatten,    neben   der  Verschärfung  der 
Orausamkett  in  der  prinzipiellen  Verwendung  des  Kampfes  gerade- 
zu für  pervers. 

Aber  diese  Verschärfung  der  Grausamkeit  geht  noch  weiter: 
^'icht  genug  damit,  daü  Kläger  und  Angeklagter  einem  der 
Gerechtigkeit,  vor  allem  dem  Gerechtigkeitssinn  der  Bevölkerung 
"'cht  entsprechenden  Gerichtsverfahren  unterworfen  werden,  aucli 
<Jie  Zeugen  »erden  nun  bald  darauf  mit  in  das  Verfahren  und 
*iie  Strafe  hineingezogen. 

Das  kam  aber  so.  Bisher  halte  dem  Gottesgericht,  wie 
*ohI  dem  gerichllichcn  Verfahren  überhaupt,  das  sakrale  Ele- 
nden t  gänzlich  gefehlt.  Chundo  und  sein  Gegner,  Adalulf  und 
"*tto  fochten  ohne  Segen,  ohne  pricsterliche  Anteilnahme.  Kein 
''^under,  wenn  da  naturgemäß  der  Widersprudi  der  Kirche 
E^gen  solch  unchristliche  Sitte  wach  sein  mußte  und  in  einzelnen 
Fällen  auch  gebucht  ist. 

Stieß  aber  die   katholische  Kirche   in  ihren  Reformen  auf 
unoberwindlichen  Widerstand,  so   hatte  sie   das  Verfahren  angc- 


nommen,  die  bekämpfte  Sitte  sich  selber  einzuverleiben  und  auT 
diese  Weise  unschädlich  zu  machen.  So  hat  sie  die  früher  so 
ingrimmig  bekämpften  Neu  Jahrsbescherungen  und  Mummereten 
an  kirchliche  Feste:  Weihnachten  und  Karneval  geknüpft,  hat 
verbotenen  Liedern  und  Tanzweisen  kirchlichen  Text  unterlegt, 
so  daß  >Schifferlied'  einmal  seine  ursprüngliche  Bedeutung  hat, 
ein  andermal  ein  geistliches  Lied  bezeichnet,  —  daß  eine  Heilige 
die  lustigen  Tanzlieder  der  Bevölkerung  für  fromme  Gesänge 
hält,  und  ebenso  hat  sie  auch  beim  Gottesgericht,  nicht  zu  seinem 
Vorteil,  ihren  Platz  in  Anspruch  genommen. 

Zunächst  beim  Eide  allein,  der  zu  einer  kirchlichen  Handlung 
wird,  später  dehnte  sie  ihren  Einfluß  auch  auf  den  Kampf  aus. 

Dieser  Eid,  auf  die  Hostie  geschworen,  hat  nun  eine 
ganz  neue  Kraft  Er  ruft  die  Hilfe  der  christlichen  Gottheit  an, 
die,  der  Vorstellung  nach,  eine  ihr  zugefügte  Beleidigung  zu 
rächen  bereit  sein  wird.  Und  zwar  unmittelbar  nach  dem 
Meineide  zu  rächen. 

Und  hiennil  kommen  wir  auf  das  seinerzeit  Geäußerte  zurück. 
Neben  dem  Gottesgericht  bestanden  als  Formen  kirchlicher  und 
bürgerlicher  Justiz  andere  Ehrlichkeilsproben;  die  Abendmahls- 
probe, die  Feuerprobe,  die  Wasserprobe  u.  a.  m.,  zum  Teil  altüber- 
kommene germanische  Bräuche,  die  wir  noch  im  späteren  Mittel- 
alter in  Geltung  finden.  Der  Sinn  der  Abendmahlspro t>e  war 
nun  der:  daß  der  Meineidige  an  der  Hostie  ersticken  müsse. 
Und  deswegen  soll  auch  der  Angeklagte,  der  bereit  ist,  seine  Un- 
schuld auf  dem  Altar  zu  beschwören,  wenn  einer  der  Ankläger 
bereit  ist,  gegen  ihn  zu  kämpfen,  die  Hand  vom  Altar  zurück- 
ziehen und  sich  waffnen ;  einfach  weil  bei  ausgesprochenem 
Meineid  seine  Hand  verdorrt  wäre,  oder  sonst  ihn  die  himmlische 
Strafe  getroffen  und  den  Zweikampf  vereitelt  halte.  (AnnoS04  —  1 3). 

Aber  das  Ekstreben,  den  Gottesgerichtlichen  Charakter  des 
Kampfes  evident  zu  machen,  mußte  dazu  führen,  die  kirchliche 
Handlung  nicht  zu  unterdrücken,  die  Anschauung  insofern  zu 
verschieben,  als  Gott  niclit  beim  Abendmahl  selber  eingreift, 
sondern  sich  eines  Kämpfers  bedient,  um  den  Beleidiger  der 
Hostie  zu  bestrafen,  und  hiermit  ist  auf  das  deutlichste  der  Weg 
zum  Gottesgericht   des  späteren  Mittelalters  vorgezeichnet.      Wj 


Di£  fränkische  OoHcsgtridit. 


aber   hierbei    als   eine    Entwicklung    in    maiam   partem    oder 
eher  in   pessimam  partem.   sich    beigesellte,   war,    daß    ja    nun 
auch  die  Zeugen  der  besiegten  Partei  meineidig  wurden  und  nun 
cbenUls    in    eine    korporeüe  Strafe    mit    hineingezogen    werden 
mußten.   Während  diese  Zeugen  nach  dem  Gesetze  von  816  die 
durch   den    Meineid    verfallene    rechte    Hand    noch    durch   eine 
Buße  retten  können,  trifft  nach  späterer  Anschauung  den  mein- 
eidigen Zeugen   gleiche  Strafe  wie   den  Verbrecher,  unter  Um- 
ständen Todesstrafe. 


Wie  aber  wurde  es  bei  Hochverrat  gehalten,  wie  enl- 
'wickelte  sich  dort  die  Sitte? 

■  Wenn  in  irgendeinem  Streitfalle  dem  Gesetze  nach  ein 
Zweikampf  verhängt  wurde,  so  sollen  die  Parteien  mit  Stock  und 
Schild  kämpfen,  außer  bei  Hochverrat" 

Durch    dieses    Gesetz   des  Jahres    825,    welches    nur    ein 
Bieres  bestätigte,  wissen  wir,  daß  im  Falle  von  Hochverrat  nicht 
niit  Stock  und  Schild  gekämpft  wurde;  wie  aber  gekämpft  wurde, 
*3as  zu  wissen,  würden  wir  die  Kapitularien  vergebens  befragen. 
Wir  haben  eben   hier  den  Fall,   daß   eine   bestimmte  Form    der 
i^stiz,  ein  Untersuchungs-  oder  Strafverfahren,   das  nur  bei   ge- 
wissen Klassen   eintreten  konnte,  nidit  gebucht  ist.      Hochverrat 
konnte  füglich  nur  in  fränkischen  Kreisen  staltfinden  und  in  denen, 
''ie  ihnen  nahe  standen.      Diese  aber  kannten  ihren  Ehrenkodex 
'Uch  ungebucht,  ebenso  wie  auch   heute  dem  bürgerlichen  Ge- 
setzbuch   Bestimmungen    über   Ehrensachen    in    Universilät,   Be- 
aoitenschaft  und  Heer  fehlen. 

So  wären  wir  denn  auf  Hypothesen  angewiesen,  wenn  nicht 
**'*  Dichtung  uns  mit  zwei  grandiosen  Scenen  aus  der  Kärlinger- 
^t  die  Lücke  ausfüllte:  Die  eine  stellt  einen  Zweikampf  wegen 
Hochverrats  unter  Karl  dem  Großen,  die  andere  einen 
****chen  unter  seinem  Sohne  Ludwig  dem  Frommen  dar.  Wir 
^''^d  hier  genötigt,  die  Chronologie  umzudrehen  und  mit  letzterem 
^  beginnen,  weil  jener,  als  innerhalb  eines  Volksepos  stehend, 
i^*igere  Elemente  in  sich  aufgenommen  hat  und  danach  eher  die 


form  des  ausgehenden  als  des  anhebenden  neunten  Jahrhunderts 
darstellt. 

Im  Januar  des  Jahres  820  err^e  ein  Vorfall  die  Gemüter 
der  Franken,  der  ihnen  als  ein  Eingriff  in  ihre  Sitten,  gtetch- 
sam  wie  eine  Störung  der  WeUordnung  vorkam.  In  der  Kaiser* 
pfalz  war  es,  in  A^hen.  Dort  war  der  Markgraf  von  Barcelona. 
Bera.  ein  Qote,  den  seine  Stammc^enossen  schon  Ungst  des 
Betrugs  und  des  Hochverrats  ziehen,  angeklagt  worden  und  hatte 
dann  mit  dem  Ankläger  sich  in  einen  gotlesgerichtüchen  Kampf 
eingelassen.  Er  wurde  besiegt.  Der  Kaiser  aber  schonte  ihn, 
obgleich  er  als  Kapita  (Verbrecher  hätte  hingerichtet  werden  müssen. 
So  erzählt  Einhard. 

Ausführlich  hat  unsErmoldus  Nigellus,  Priester,  Krieger 
und  Poet  in  einer  Person,  kurz  ein  echter  Franke,  diese  Szene 
Überliefert  Ermoldus  Nigellus  war  bei  Ludwig  dem  Frommen 
in  Ungnade.  Nicht  mit  Unrecht;  hatte  er  doch  mit  dem  eigenen 
Sohne  des  Kaisers,  mit  Pippin,  sich  gegen  diesen  zu  erheben  ge- 
wagt. Nun  wollte  er  solche  Schuld  durch  eine  Reihe  von 
lateinischen  Versen  wieder  gut  machen  und  schrieb  sein  ausge- 
dehntes Carmen  de  Hludovico,  sein  Ludwigslied,  das  ihm  und 
pippin  wieder  zur  kaiserlichen  Onade  verhelfen  sollte. 

Gegen  Ende  des  .5.  Buches  kommt  er  auf  jene  Szene  in 
Aachen  und  hebt  an,  um  die  Lücke  in  den  Gesetzbüchern  aus- 
zufüllen,   den    fränkischen  Brauch    bei    Hochverrat    darzustellen. 

Altehrwürdige  Sitte    bestand   von   jeher    bei    den    Franken 
und  besteht;  so  lange  sie  bestehen  wird,   wird  Ehre   und  Ruh 
dem  Stamm  gehören:  daß,  wer  die  ewige  Treue  dem  Könige  z 
halten  sidi  weigert,   auf  welche  Art  dies  auch  geschehe,    -    daß 
wer    gegen    den  König    oder    die   Krone    oder    die    königlicher 
Prinzen  etwas  zu  sagen  wagt,  was  von  der  schuldigen  Treue  ab 
weicht,    -    wenn  ein  Standesgenosse  auftritt,   ihn   dessen  zu    be- 
zichtigen, er  mit  diesem  in  blutigem  Kampfe  sich  messen  müsse 
vor  Königen  und  Franken  und  den  Ältesten.     Verabscheut  wird 
nämlich    von   den   Franken    dies  Verbrechen.      Detestatur   enim 
Francia  hocce  nefas. 

Wir   sind    auf   dem  Königsfcige   zu  Aachen.      König    un 
Franken  sind  versammelt.     Der  Oote  Sanilo  tritt  auf  und  ver 


Das  fränkische  Gottesgericht. 


283 


Icl^gt  Bcra  auf  Hochverrat.  Bera  leugnet.  Beide  bestehen  auf 
i  y»  Ten  Aussagen  und  verlangen,  daß  die  Waffen  entscheiden  sollen. 
■p-<3aesar!*  ruft  Bera,  ».um  der  Frömmigkeit  willen  bitte  ich  dich, 
d^kß  ich  den  Vorwurf  mit  den  Waffen  Lügen  strafen  darf,  bitte 
i<rSi  dich,  daß  wir  den  Zweikampf  nach  gotischer  Sitte  zu 
F*fferde  ausfechten  können,  ich  für  meine  Person  mit  meinen 
eigenen  Waffen." 

EJer  Kaiser  stellt  diese  Sache  den  Franken  anheim  mit  formel- 
ts^fter  Wendung: 

.rDie  Franken  haben   in  dieser  Sache  zu  entscheiden.    So 
ist  CS  Recht  und  Gesetz,  und  so  will  ich,  daß  es  geschehe." 

Die  Franken  aber  geben  in  allhergebrachler  Weise  ihre 
Zustimmung.     Die  Waffen  werden  bereitet 

Aber  nicht  ohne  Grund  heißen  sie  den  Kaiser  den  Frommen. 
Er  sucht  einzugreifen,  sucht  das  blutigen  Ausgang  heischende 
schwere  Gottesgericht  aufzuhalten,  zu  vermeiden:  ..Besser  ist  es," 
kündet  er,  -meinen  vernünftigen  Worten  zu  glauben  als  den 
Kämpfen  des  pestschwangeren  Mars  zu  folgen."  Seine  Franken 
ab>€r:  »Den  Kampf,  wir  wollen  den  Kampf!" 

Als  Ludwig  sah,  daß  sein  gütliches  Zureden,  sein  Versprechen, 
demjenigen,  der  seine  Schuld  erkläre,  zu  verzeihen,  ohne  Erfolg 
blieb,  eröffnete  er  den  Prozeß  mit  der  Formel:  „Das  fränkische 
Recht  nehme  seinen  Verlauf,"  und  verließ  die  Parteien.  Heimlich 
at>€r  ließ  er  ein  paar  kräftige  Jünglinge  von  setner  Leibgarde 
zurück,  die  wenigstens  den  tödlichen  Ausgang  des  Kampfes  ver- 
eiteln sollten. 

Die  anderen  ziehen  zum  Gerichtsplatz.  Ein  Hain,  von 
Vögeln  und  jagdbarem  Getier  bewohnt  Jagdgründe  des  Königs. 
E>n  Elach  durchquert  ihn  plätschernd.  In  seiner  Mitte  ein  Raum 
von  Marmorbänken  und  Steinmauern  umgeben- 

Zitternd   betreten    Sanilo    und    Bera    die    Kampfslätle,    die 

^hilde  auf  dem  Rücken,  die  Lanzen  in  der  Hand.    Hinter  ihnen 

des  Königs  Jünglinge.    Nun  erscheint  Gundold,  der  Wächter  des 

*^nes.     Er  befiehlt,  die  Totenbahre  herbeizuschaffen,  die  unweit 

*^von  unter  einem  Dache  aufbewahrt  wird;  sie  ist  das  Zeichen 

des  schweren  gottesgerichtlichen  Kampfes,  dem  einer  erliegen  muß. 

Man  wartet  noch  auf  das  kaiserliche  Zeichen  von  der  Burg 


her,    Harn  wird  «o«  SOler  gevariB^  Aa  ZvokampF  zu  Pferd« 
dca  Fnaken  cia  ■acewaftaia-  ft^fc!.  mmM  seiiiai  Anfangs 

Die  KInpfcr  «crta  Ar  Ubo^  lietaa  die  Dokhe,  bc< 
dräogen  sicii  io  utNflKrtoH  l&Mpir  Bxik  Qmr  Stnmnessitte;  Ben 
zmM  des  kfiracren;  er  pbl  dcM  Pfarde  die  Sporen.  Sanilo  ihm 
nath,  scfattgf  ifaa  mit  dea  ScfcwertE  vom  Pfcide  herunter,  jener 
gesteht  »cfareieod  seine  Sdmld,  —  di  grctien  des  Königs  Knaben 
ein  und  entziehen  den  müden  Ben  der  Rache  seroes  Oegneis. 

Die  Franken  sind  über  den  Eiaptf  spncfa)o&.  Kopfscböttelnd 
trägt  Qundold  seine  Totenbahre  —!*•— *p*  zn  ftrem  Schutidach 
2urfick,   und   man  venlcht,  daß  ihm  dies  noch  nie  passiert  sei. 

Crmoldus  aber   nimint  die  Oekgcnbeic  wahr,   die  Milde 
des  Kaisers,  die  der  Hodivenller  Bcra  fCKOssen  hatte,  audi  für, 
ftch  und  den  Prinzen  Pippin  zu  besnspmcfaeo: 

O  pietas  inraensa  nirais!  pecoinina  laxat, 

Cedit  opes,  vttara  cedit  habere  reis. 
Haec  eadem  fHctas,  posco  atque  reposoo  fiddis^ 

Memet,  I^ppino  reddet  opima  pio. 

Dieser  spannende,  ausführlich  geschilderte  Kampf  zeif 
nun  die  Entwicklung,  die  der  Kampf  mit  scharfen  Waffen  seiL^ 
den  iltcsten  Tagen,  in  denen  wir  ihn  fanden,  durchgemacht  hal^| 
Die  Verfügung,  ob  gekämpft  werden  soll  oder  nicht,  liegt  nicht 
mehr  im  Ermessen  des  Gerichtsherm.  wie  im  sechsten  und 
siebenten  Jahrhundert:  die  Parteien  fordern  den  Kampf  und  wissen 
ihn  gegen  Ludwigs  Willen  durchzusetzen.  Aber  wie  in  jenem 
Kampfe  des  Jahres  590,  der  in  Chälons  vor  König  Ountchramn 
sUittfand,  schließt  der  einmal  eingeschlagene  Weg  des  Zwei- 
kampfes eine  milde  Bestrafung  aus  und  fordert  blutigen  Ausgang. 

Augenscheinlich  isl  natürlich  die  Entwicklung  des  Decorums, 
das  so  feierlich  mit  vorgeschriebenen  Formeln  und  langsamem, 
würdigem  Gange  ei nhcrsch reitet,  wie  eine  studentische  Mensur 
noch  heule.  Für  den  Kampf  isl  ein  besonderer  Platz  in  de^| 
Nähe  der  Pfalz  da:  von  Marmorbänken  eingeschlossen,  die  für  die 
Zeugen  bestimmt  sind.  In  seiner  Nähe  ist  ein  Schutzdach,  in 
welchem  die  zu  dem  Kampfe  benötigte  Totenbahre  steht  Alles 
Zeichen  dafür,  daß  diese  Art  Duell  bei  den  Franken  oder  besser 
am  frankisdicn  Hofe  nicht  zu  den  Seltenheiten  gehörte. 


Das  fränldsche  Oottesgericht 


285 


Sehr  charakteristisch  ist  das  Symbol  des  Kampfes  bis  zur 
Unfähigkeit:  Die  Totenbahre.  Ein  Cegenstand,  der  im  Decorum 
zuni  Unentbehrlichen  gehörte,  da  er  unfern  des  Kampfplatzes 
seinen  Aufbewahrungsort  hatte.  Ein  Symbol,  das  außerdem  ge- 
eignet ist,  den  Eindruck  des  Ernstes  bei  Zuschauem  und  Kämp- 
fenden hervorzumfen.  So  hal  sich  der  Brauch  oder  die  Er- 
innerung an  den  Brauch  noch  bis  in  das  ausgehende  zwölfte  Jahr- 
hundert erhalten.  In  dem  epischen  Romane  von  Gaydon  läßt 
Karl  der  Große  ebenfalls  eine  Bahre  auf  den  Plan  bringen: 
-  Eine  große  Bahre  ließ  der  König  herbeischaffen,  die  bedeutet 
Stolz  und  Kühnheil  und  ernstes,  großes  und  grausames  Gericht" 

Was  wir  hier  über  den  schweren  Zweikampf  aus  Ermoldus' 
Dichtung  schlössen,  das  bestätigt  uns  ein  weilerer  poetischer 
Z>veikampf,  dessen  Überlieferung  zwar  erst  aus  dem  elften,  zwölften 
Mhrhundert  stammt,  dessen  Ritual  im  allgemeinen  aber  mit  jenem 
des  neunten  Jahrhunderts  noch  trefflich  übereinstimmt  Diesmal 
handelt  es  sich  um  die  Schilderung  in  einem  volkstümlichen 
'Jedichte,  eine  Schilderung  von  hoher  poetischer  Schönheit  in  der 
Volkssprache,  um  die  »Bestrafung  Ganelons"  im  RolandsUede. 

Dem  Hochverrat  Ganelons  sind  Roland  und  seine  Pers,  seine 
Stand e^enossen,  zum  Opfer  gefallen.  Ganelon  ist  gebunden 
forden  und  wird  nun  in  den  Schlußpartien  der  Dichtung  dem 
Qerichte  überliefert  Wir  sind  in  Aachen,  wie  bei  dem  Gericht 
ober  Bera.  Das  Lied  hebt  an,  als  ob  ein  ganz  neuer  Teil  be- 
sinne, als  ob  (und  das  nimmt  man  wohl  allgemein  an)  hier 
^«ic  selbständige,  der  Sprache  nach  sehr  alte  Dichtung  dem 
'artigen  Rolandslicde  angeheftet  worden  wäre: 

Es  ist  geschrieben  in  der  Geschichte  unserer  Altvordern» 
^aß  Karl  seine  Leute  aus  allen  Ländern  zusammen  berief.  Ver- 
^arijTnclt  sind  sie  zu  Aachen.     Ganelons  Gericht  beginnt. 

.Ihr  Herren,"  sagt  Karl  der  König,  «richtet  mir  über 
Ganelon.     Er   hat  mir  die  zwölf  Pers  um  Judaslohn  verraten.* 

Sagt  Ganelon:  »Ich  leugne  es  nicht  Roland  hat  mich  um 
Geld  und  Gut  betrogen.  Darum  sucht'  ich  seinen  Tod  und  seine 
^ot  Hochverrat  geb'  ich  nicht  zu!"  -  Antworten  die  franken: 
•Darüber  werden  wir  zu  Gericht  sitzen.* 

Wie  ein  Recke  stand  Ganelon  vor  dem  König,  dreißig  von 


seiner  Sippe  um  ihn  hemm.  Unter  ihnen  Piaabel,  ein  großer 
Kämpe,  wenn  es  galt,  seine  Freunde  zu  verteidigen.  Der  über- 
nimmt Ganelorts  Sacht 

Zum  Gericht  treten  sie  zusammen,  die  Bayern  und  Sachsen, 
die  von  Poitou,  die  Normannen  und  Franken,  mäuschenstill  ver- 
btltcn  sich  die  von  der  Auvergne  aus  Angst  vor  Pinabel.  Da 
sagte  der  eine  zu  dem  anderen:  *Ach  vzs\  Lassen  wir  ab  vom 
Geri<^le,  bitten  wir  den  König,  daß  er  Ganelon  frei  spreche, 
Roland  ist  tot,  den  kriegen  wir  doch  nicht  wieder."  —  Nur 
Tierri,  der  Bruder  Herrn  Gottfrieds,  hat  den  Mut  aufzutreten. 

Sdion  wollte  Karl  verzagen  und  dachte,  keiner  würde  für 
die  Anklage  der  Krone  mit  den  Waffen  eintreten,  da  trat  vor 
ihn  Tierri  aus  Anjou,  ein  hagerer,  geschmeidiger  Jüngling 
mit  schwarzem  Haar  und  gebräuntem  Gesicht,  nicht  zu  groß, 
nicht  zu  klein  von  Wuchs:  >Was  auch  Roland  dem  Gancloir, 
tat,-  ruft  er,  .dennoch  durfte  der  die  Treue  gegen  euch  nicht 
brechen.  Er  hat  Hochverrat  b^angen.  Ich  verurteile  ihn  zum 
Tode  durch  den  Strang.  Wer  für  ihn  eintreten  mag  mit  den 
Waffen,  der  trete  vor!- 

Da  trat  Pinabel  vor:  «Ich  strafe  dich  Lügen!*  und  er 
reichte  dem  König  seinen  Handscliuh  als  I^and,  und  et>enso  tat 
Tierri.     Die  dreißig  Verwandten  stellten  sich  als  Geiseln. 

Vier  Bänke  wurden  auf  den  Platz  getragen,  dort  saßen  die, 
welche  kämpfen  sollten,  dort  wurden  sie  durch  das  Mall  der 
anderen  zum  Kampfe  bestimmt  und  forderten  ihre  Waffen.  Schon 
sind  sie  zum  Kampfe  bereit,  haben  gebeichtet  und  sind  ab- 
solviert, haben  in  den  Munstern  ihr  Gcldopfcr  dargebracht  und 
sind  vor  Karl  zurückgekehrt,  rüsten  sich  nun  und  besteigen 
ihre  Pferde.    Gott  weiß  wohl,  wie  das  endigen  soll. 

Unterhalb  Aachens  ist  das  Gefilde  breit,  dort  reiten  die  Kämpfer 
aufeinander  los,  dort  zersplittern  ihre  Schilde,  dort  werden  beide 
aus  dem  Sattel  gehoben.  Nun  dringen  sie  mit  den  Schwertern 
aufeinander  ein,  gewaltig  sind  die  Hiebe,  mit  denen  sie  sich  die 
Helme  s|ialten  wollen.  .Herrgott,"  ruft  Karl,  .erleuchte  das  Recht!« 

Pinabel  holt  aus  und  schlägt  Tierri  auf  den  Helm,  daß 
die  Funken  sprühen.  Der  Helm  gibt  nach,  die  Schwertspitze 
zerreißt  Tierri  die  Wange. 


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4 

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Das  fränkische  Oottesgeridit. 


287 


Wütend  holt  Tierri  aus,  zerschmettert  Pinabels  Helm  und 
Schädel.  Rufen  die  Franken:  nQolt  hat  gerichtet."  Da  trat  Karl 
selber  auf  Tierri  zu  und  wischte  ihm  mit  seinem  kostlKircn  Pelze 
den  Schweiß  aus  der  Stirn. 

Nun   ging  es   nach   Aachen   zurück.     »Was  soU   mit  den 
Oeiseln   geschehen?"    frug  Karl    —  Antworteten    die    Franken: 
■Sie  haben   ihr  Leben  verwirkt."      Da  wurden  alle  dreißig  auf- 
gchingt     Wer  Verrat  ausübt,  bringt  sich  und   andere  in  Elend. 
Dann  v.'andlen  sich  die  anderen,  die  Bayern  und  Alemannen, 
die  aus  Poitou,  der  Bretagne,  Normandie  Ganelon  zu.  AHe  aber  über- 
trumpften die  Franken  mit  der  Forderung,  Qanelon  müsse  eines 
pcinvollen  Todes  sterben.  Da  ließ  man  ihn  an  vier  Pferde  binden  und 
zerreißen.  Wer  andere  verrät,  solle  dessen  sich  nicht  rühmen  dürfen. 
Damit  schließt  die  Szene,  die  in  ihrem  einfachen,  lapidaren 
Gang  von  einem  gewaltigen  Eindruck  ist  und  uns  in  das  Gemüt 
dieser  Franken    schauen    läßt    wie   kaum   ein    anderes   Ereignis, 
kaum  eine   andere   Dichtung.     Wir  hatten   wohl    recht,    diesem 
Gericht  aus  dem  Kolandslied  eine  frühere,  weit  frühere  Entstehung 
^zusichern,  als  die  Überlieferung  besteht.   Noch  ist  das  schwere 
Gottesgericht  im  Falle  von  Hochverrat  keine  allgemeine  franzö- 
sische Sitte.    Noch   sind   es  die   Franken  allein,  die  ihr  vor 
•llem  anhängen,  vrährend  die  anderen  Stämme  murren  und  einen 
'riedlichen  Ausgang  wünschen.    «Gottesgericht  oder  nicht,  Roland 
^egen  wir  darum  doch  nicht  wieder!"    Am  feigsten  sind  die  von 
^crAuvcrgne;  sie  erheben  ihre  Stimmen  am  lautesten  hierbei.  — 
t^ie  Franken  ihrerseits  treten  wieder  vor  allen  anderen  hervor,  als 
^^t  schuldig  befundene  Verräter  bestraft   werden   soll.     Sie  ver- 
*^flgcn,  daß  er  eine  besonders  grausame  Todesstrafe  erleide. 

Es  unterliegt  keinem  Zweifel,  daß  dieser  Widerspruch  der 
Stämme  gegen  das  Gottesgericht  seiner  Entstehung  nach  noch  ins 
"Neunte  Jahrhundert  gehört.  Das  war  die  Zeit,  in  der  Ermoldus 
^*n  Zweikampf  als  spezielle  fränkische  Stammessitte  pries,  in  der  Karl 
^^r  Große  den  Glauben  an  das  Gottesgericht  durch  einen  Befehl 
^*4rkte.  Der  geschilderte  Kampf  ist  ein  kulturhistorisches  Dokument 
^On  wunderbarer  Treue. 

Im  Decorum  ist  die  Ähnlichkeit  mit  dem  von  Ermoldus  ge- 
schilderten Kampfe  von  S20  frappant  Zunächst,  daß  der  Kampf  aus 


4 


Leo  Jordan. 

denselben  Gründen  stattfindet  Ermoldus  sagte,  bei  Verrat  oder 
Verleumdung  gegen  den  König  und  seine  Sippe  kämpfen  Kläger 
und  Angeklagte  vor  dem  versammelten  Hofe.  So  lautet  die  An- 
klage Karls:  «An  meinem  Hause  hat  er  Verrat  geübL*  —  Der 
Ort  des  Königsgericfatcs  hier  wie  dort  ist  Aachen.  Daß  bei  Ludu-ig 
des  frommen  Gericht  ein  Ankläger  auftritt,  der  die  Sache  verficht, 
im  Rolandslied  aber  die  Krone  die  Anklage  führt  und  eine  Zdl- 
luig  keinen  Vertreter  findet,  das  ist  kein  Unterschied,  der  in  ver* 
sdüedeacr  Form  des  Gotte^erichtes  liegt,  sondern  das  hat  im 
jeweiligen  Falle  seine  Ureachen. 

Dazu,  daß  im  Rolandslied  die  Krone  an&iglich  keinen  V 
treter  finden  kann,  fmdet  ^ch  ein  paralleles  Beispiel  aus  der  Zdt 
Ludwigs  des  Frommen.  In  dessen  von  Theganus  geschriebener 
Biographie  wird  erzählt,  wie  Judith,  die  Gattin  dieses,  in  seinen 
Familienverhältnissen  so  unglücklichen  Herrschers,  im  Jahre  83t 
unter  der  Anklage  auf  Ehebruch  mit  einem  Herzog  Bernhard 
sland.  Und  wie  eben  jener  Beralurd  sich  vor  dem  Königsgericht 
von  jedem  Verdachte  gereinigt  hätte,  >da  niemand  gefunden  wurdr, 
der  bereit  gewesen  wäre,  die  Anklage  mit  den  Waffen  in  d 
Hand  zu  vertreten.*    — 

Daß  im  Rolandslicdc  die  Totenbahre  fehlt,  mag  an  der  Kürze 
der  Schilderung  liegen.  Dagegen  sind  die  vier  abschließenden 
Bänke  vorhanden  und  auch  —  was  in  keinem  jüngeren  Gedichte 
zu  finden  ist  -  ein  Zuruf  der  Stande^ienossen  vor  dem  Kampfe, 
derdiesen  legalisiert.  Ermoldus  nennt  diesen  das /WÄ^'um/vnnconuR, 
und  genau  so  heißt  es  im  Roland:  «Das  ,mall'  hat  Über  sie  statt- 
gefunden durch  das  ju^mtni,  den  Schiedsspruch  der  .hinderen'.' 
Entsprechend  wird  in  einigen  jüngeren  Gedichten  das  Gottesgericht 
champ  malli  genannt  ^H 

Freilich  zeigt  der  Kampf  gegen  Pinabel  auch  Unlerscfiie^! 
von  demjenigen  gegen  Bera,  und  diese  Unterschiede  waren  es,  die 
uns  veranlaßten,  die  Zeitfolge  der  beiden  Zweikämpfe  umzudrehen, 
und  den,  der  unter  Ludwig  dem  Frommen  stattfand,  voranzunehmen. 

Diese  Unterschiede  im  Rolandsliede  aber,  welche  einer 
jüngeren  Entwicklung  angehören,  wollen  wir  nun  besprechen. 


Das  fränkische  Oottcsgericht. 


289 


Vom  neunten  bis  ins  zwölfte  Jahrhundert. 

Wir  müssen  auf  das  zurückgreifen,  was  wir  bei  Besprechung 

<ies  Goltc^crichtes    in    der    niederen   Justiz,    zum    Stockkampfe 

äußerten.    Als  die  Kirche  im  Kampfe  gegen  das  Oottesgcricht  an 

Boden  verlor,  statt  ilin  zu  gewinnen,  verfuhr  sie  nach  ihrem  gc- 

"Wöhnlichcn  System  und  sicherte  sich  innerhalb  seiner  Formen  einen 

J^alz.    Der  gerichtliche  Eid  wurde  zu  einem  kirchlichen  Eid,  den 

Ixide  Parteien  leisten  mußten,  Golt  hatte  dann  einen  Anlaß,  den 

Beleidiger  der  Hostie  im  QoUesgericht  zu  bestrafen. 

Diese  Verquickung  der  kirchlichen  Handlung  mit  dem  alt- 
Yieidnischen  Brauch  hat  dazu  geführt,  auch  die  Zeugen  der  be- 
siegten Partei  zur  Strafe  mit  heranzuziehen,  da  sie  ja  mit  ihrem 
VMeincid  ebenfalls  die  Hostie  beschimpft  hatten,  und  wir  haben 
Itieraus  gefolgert,  daß  hier  der  Grund  für  die  spätere  Anschauung 
liege,  daß  falsche  Zeugen  und  Schuldige  gleichmäßig  hart  zu 
s. trafen  seien. 

Während  nun  der  Kampf  Pinabel -Tierri  auf  der  einen  Seite 
<iie  ältere  Gestalt  zeigt,  ist  es  überraschend,  wie  wir  bereits  in 
ÄVim  diese  jüngeren  Anhängsel  geeint  finden.  Die  kirchliche 
i~landlung  ist  beschrieben;  die  Kämpfer  beichten,  kommunizieren 
^ind  opfern,  und  der  Angeklagte  gibt  dreißig  seiner  Sippe  als 
Zeugen  hin,  die  nach  vollzogener  Überführung  sämtlich  gehängt 
"^Verden.  Trocken  und  ungerührt  motiviert  die  Dichtung:  »Wer 
Verrat  Übt,  tötet  sich  und  andere." 

Nun  weiß  man  ja,  daß  eine  volkstümliche  Dichtung,  die 
iahrhundertelang  von  Professionssängern  dem  Publikum  vorge- 
traj[cn  wird,  sich  nicht  gleich  bleibt.  Schon  aus  Qeschäftsgründen 
ist  der  Rhapsode  gezwungen,  den  Sitten  seiner  Zeit  Rechnung 
^y  tragen,  sein  Gedicht  gleichsam  zu  modernisieren.  Auch  das 
Kolandslied  enthält  ganze  f^artien,  die  der  Sprache  nach  als  weit 
jünger  als  der  Kern  sich  ausweisen.  Wie  ist  es  nun  mit  der 
Inrchlichen  Handlung;  ist  auch  sie  jüngeren  Datums?  Hat  man 
s«  eingeflickt,  als  sie  im  Laufe  der  Jahrhunderte  innerhalb  des 
Gottesgerichtes  Bürgerrecht  erworben,  oder  gehörte  sie  von  vorn- 
•»cron  zur  Dichtung? 

Auffallend  ist  schon,   daß    im  Roland   sich   zwei   getrennte 
Handlungen    vor    dem    Kampfe    finden:    Das    Mall,    die    Lc- 

Aidiiv  tür  Kiillurgacbicbic.    VI.  19 


galisierung  des  Kampfes  aus  älterer  Zeit;  das  Sakrament»  die 
Legalisierung  aus  jüngerer  Zeit.  Da  nun  diese  beiden  Zeremonien 
sich  abgelöst  haben,  ist  eine  Zeit  denkbar,  in  der  beide  neben- 
einander bestanden;  der  Kampf  im  RolandsHed  wäre  also  eis 
Denkmal  der  Obergangszeit.     Das  ist  durchaus  möglich. 

Dem  widerspricht  aber  der  eigentümliche  Gang  der  Handlung. 
Schon  sind  die  vier  abschließenden  Bänke  gestellt,  die  die  Kämpfer 
doch  nicht  mehr  verlassen  sollen,  schon  ist  das  Mall  vollendet, 
schon  haben  sie  nach  Waffen  verlangt  Da,  als  ob  sie« 
vergessen  hätten,  schreiten  sie  zur  kirchlichen  Handlung,  bringen 
ihr  Opfer  im  Münster  dar  und  kehren  (es  ist  ausdrücklich  gesagi) 
vor  den  König  zurück.     Und  nun  legen  sie  die  Waffen  an. 

Das  ist  offenbar  ein  Gang  der  Handlung,  der  einem  prakttsdi 
üblichen  Verfahren  nicht  entspricht  Die  kirchliche  Handlung 
schiebt  sich  mitten  in  die  Rüstung  ein  und  zerstört  den  Sym- 
bolismus der  vier  schließenden  Bänke  in  geradezu  plumper  Weise. 

Die  Erklärung  scheint  geboten,  daß  diese  kirchliche  Handlung 
wirklich  hier  eingeschoben  sein  muß,  daß  ein  Vortragender,  im 
Bestreben,  seinem  Publikum  das  Gottesgericht  so  zu  schildern,  uic 
es  zu  seinen  Zeiten  stattfand,  sie  einfügen  wollte,  jedoch  den  Plati, 
wo  sie  hingehörte,  nicht  fand^  —  an  dieser  Stelle  stand  ja  noch 
das  alle,  längst  vergessene  Mall.  Wo  ihm  die  Reime  am  leich- 
testen schienen,  flickte  er  sie  ein.  Diese  kirchliche  Handlung  im 
Rolandslied  ist  also  keineswegs  ein  Zeichen  dafür,  daß  die  ganze 
Szene  jüngeren  Ursprungs  ist  als  die  Zeit,  in  die  sie  historiscf* 
gehört.  Sie  ist  nur  ein  Beispiel,  daß  an  volkstümlichen  Dich—' 
tungen  Zeit,  Wechsel  in  Sitten  und  Anschauungen  nicht  spurio^^ 
vorübergehen  können,  und  daß  die  plumpe  Hand  des  Diaskeu— — 
asten  die  feinen  Fäden  alter  Arbeit  stets  zu  stören  bereit  ist^^ 
wenn  ihm  eine  Modernisierung  geboten  scheint 

Wie  steht  es  nun  aber  mit  den  dreißig  Geiseln  ?  Mit  ihren^* 
grausamen,  uns  unverdient  scheinenden  Tode  durch  Henkershand  P""^ 
Wir  machten  diese  Handlung  von  der  kirchlichen  abhängig,  sie^^ 
habe  sich  erst  entwickelt,  als  Beichte  und  Abendmahl  die  Rollc^^ 
des  Mails  übernommen.  Folglich  muß  sie,  da  im  RolandsliecV— 
das  Mall  noch  die  Legalisierung  bildet,  auch  hier  zu  jüngerer»— 
gehören,   -    wenn  unsere  Angaben  richtig  sind. 


Das  fränkische  Oottesgericht. 


291 


Und  es    hat  auch  allen  Anschein,  als  ob  das  Stellen  der 

Geiseln    nicht    so   all   ist   wie  die   übrigen   Teile   vom   Kampfe 

Pinabel -Tierri.  Während  nämlich  im  Laufe  desselben  der  Herrscher 

Teist  mil   dem  allen   fränkischen,   in   seiner  romanischen   Form 

indogermanischen  Namen  «König*  —  rei  bezeichnet  wird,  wird 

Pr  an  einigen  verdächtigen  Stellen  und  speziell   bei  der  Qeiscl- 

stcJlung  und   der   Pfandreichung   (3846,    3852)    Kaiser    -    em- 

/>€rtn  genannt.     Und  dieser  römische  Titel  war  doch  sicher  für 

Uie  Franken  ein  gelehrter,  weniger  gebräuchlicher.     Ein  sicheres 

j\rgument  können  wir  hier  nicht  anführen.     Weder  das  Stellen 

noch  die  Bestrafung  der  Geiseln  unterbricht  Zusammengehöriges, 

^A^e  CS  das  Sakrament  tat,  wir  können  also  nur  schließen,  daß 

aus  inneren  Gründen  diese  beiden  nur  angedeuteten  Handlungen 

Unecht  sind.    Hielte  man  sie  für  echt,  so  bildeten  sie  das  einzige, 

"^Arorin  der  Kampf  im  Roland  nicht  mit  auffallender  Treue  zu  dem 

"Von  Emioldus  Nigellus  geschilderten  Gedichte  stimmt,  und  schon 

clies  wäre  ein  Grund,  die  Geiselsteüung  als  verdächtig  den  ältesten 

S<:hichten  des  Rolandsliedcs  abzusprechen. 


Der  Zweikampf  im  zwölften  *)  und  in  den  folgenden  Jahr- 
hunderten. 

Die   Entwicklung,    die  am   Zweikampf    seit    dem    sechsten 

J^Jirhundert  von  uns  beobachtet  wurde,  hatte  mehr  die  juristische 

S^ite   betroffen.      Da    waren    die   Befugnisse    der   Gerichtsherren 

'^«rschoben  worden.    -    Der  ursprünglich  aulokratisch  schaltende 

■Herrscher  im  Königsgericht  war  durch  Gesetze  gebunden  worden, 

*lie  Autokratie  war   in  eine  Aristokratie  übergegangen:   Karl   der 

Ciroße,  Ludwig  der  Fromme  waren  darauf  angewiesen,  zu  Vi-arten, 

daß  einer  ihrer  Mannen   für  die  Sache  der  Krone  eintrete;  das 

ttne  Atal  suchte  Ludwig  vergebens  nach  einem  Kämpen,  der  den 

ßuhlen  seiner  Gattin  bestrafe,  das  andere  Mal  suchte  er  ebenso 

^rgtblich  einen  ihm  unliebsamen  Zweikampf  zu  vereiteln. 

Es  war  ein   Gesetz,   das  wir  seiner  Unzulänglichkeit  und 


')  PSr  dm  Zwrikwnpf  im  /«öIHfn  JiltiJ' hundert  ist  die  Arbett  von  Pfefler:  Die 
'oa^Hlni  des  KOUOECiifhtHchm  Zvdltampfii  in  <>iluhii(l  für  rant.  Phil.,  IX,  1 
"Tiak   fticct    di«  ipilere    Entwidtlune    bcli»ndcllc   Vorbcrg;     Der   Zwdktmpl   in 


Grausamkeit  halber  nicht  achten  können,  aber  als  Gesetz  herrscfate 
es,  herrschte  sogar  über  Könige  und  Kaiser.  ^H 

Im  Decorum  war  vom  einfachen,  schmucklosen  Kampfe  Sb^ 
sechsten  Jahrhunderts  eine  Wandlung  vorgegangen:  das  Mall,  die 
Totenbahre,  die  vier  abschließenden  Bänke  gaben  dem  Ganzen 
einen  ernsten,  feierlichen  Charakter,  im  Laufe  der  späteren  Jahr- 
hunderte, wohl  des  zehnten  und  elften  Jahrhunderts,  trat  die  Kircbe 
In  ihre  Rechte,  das  Mall  wurde  durch  das  Sakrament  verdrängt 
Die  weitere  Entwicklung  steht  im  wesentlichen  unter  de« 
Zeichen  der  Form,  des  äußeren  Decorums.  Wie  immer,  wenn 
ein  fester  Inhalt  in  Kunst  oder  Sitte  gefunden  ist,  findet  sidi 
auch  hier  das  Schwelgen  in  den  ursprünglich  einfachen,  u-ürdigeii 
Formen,  das  Überladen  mit  diesen,  das  barocke  Kleben  am  Detail, 
unter  welchem  die  Hauptaktion  untergeht 

Der  Zweikampf  des  zwölften  und  der  folgenden  Jahrhunderte, 
wie  er  in  den  Heldengedichten  so  oft  beschrieben  wird  und  wie 
er  in  freier  Inlerpretierung  auch  im  Lohengrin  szenisch  dargcslriÜ 
wird,  besteht  aus  einer  komplizierten  Summe  von  ritualem  and 
hörischem  Zeremoniell,  die  in  ihrer  Gesamtheit  kaum  mehr  über* 
sichtlich  zu  nennen  ist.  Es  entspricht  dieser  Zweikampf  bis  auf 
wenige  Ausnahmen  natürlich  nicht  dem  Stockkampf  der  niederen 
Justiz,  sondern  dem  hochnotpeinlichen  Gericht  im  Falle  von 
Hochverrat 

Die  Richter,  ein  Fürst  und  seine  Barone,  sind  versamniell 
Die  Parteien  treten  vor  sie,  wie  in  aller  Zeil,  und  bringen  An- 
klage und  Verteidigung  vor.  Hierbei  war  der  einmal  gebrachte 
Wortlaut  bindend,  und  wir  haben  mehrere  Beispiele  dafür,  diß 
ein  irrtümlicher  oder  doppeldeutiger  Ausdruck,  so  wie  er  vo« 
den  Richtern  verstanden,  rechtskräftig  war  und  nicht  mehr  zurödt* 
genommen  werden  konnte. 

Nun  erklärte  entweder  der  Kläger  sich  bereit,  für  seine  An- 
klage mit  den  Waffen  einzutreten,  oder  aber  der  Angeklagte  kam 
ihm  zuvor  mit  dem  Wunsche,  seine  Unschuld  durch  ein  Gottes* 
gericht  zu  erweisen. 

In  einigen  wenigen  Fällen  muü  einer  der  beiden  zur  -Satis- 
faktion* gezwungen  werden,  auch  der  Fall  findet  sich,  <Uß 
die  Schuld  des  Angeklagten  so  evident  ist,   daß  das  Gericht  die 


A 


EntscheiduHj^  durch  die  Waffen  dem  Schuldigen  versagt.  So 
heißt  es  im  Balduin  von  Sebourg,  einem  Rilterromane :  «In  einer 
bewiesenen  Sache^  in  der  man  Augenzeugen  beibringen  kann, 
hab'  ich  mein  Lebtag  noch  keinen  Zweikampf  bestimmen  sehen." 
Jedenfalls  eine  Entmcklung  des  Zeugnisverfahrens,  in  welcher 
ein  entschiedener  Fortscliritt  gegen  das  noch  zur  Kärlingerzeit 
übliche  Gesetz  zu  sehen  ist 

Während  nun  im  Kampfe  vom  Jahre  590,  wie  im  Rolands- 
licde,  der  Angeklagte  ohne  weiteres  durch  einen  Verwandten  ver- 
treten wurde,  haben  sich  woh!  mit  steigender  Gesittung  und  ab- 
nehmendem Gewichte  des  FamiEienbandes  bei  dieser  Stellvertretung 
Schwierigkeilen  eingestellt,  und  es  können  nunmehr  nur  noch  ver- 
treten werden:  Regierende,  Greise,  Kranke,  Mönche  und  endlich 
Frauen.  Letzteres  ist  ja  bekanntlich  im  Schwanenrilter  und  dem- 
zufolge im  Lohengrin  der  Fall.  Auch  die  Frist,  die  Elsa  zur 
Herbeischaffung  eines  Vertreters  gestellt  wird,  scheint  üblich  und 
schwankt  zwischen  14  Tagen  und  einem  MonaL 

Der  Gerichtshof  hatte  nun  im  allgemeinen  lediglich  die 
Befugnis,  zu  der  Forderung  Ja  und  Amen  zu  sagen.  Dann, 
gleichsam  um  die  Parteien  vom  Ernste  der  Situation  zu  Über- 
zeugen, wurde  verk£3ndet,  welche  Strafe  den  Besiegten  treffen 
würde.  In  einigen  Fällen  ruft  einer  der  Kämpfer:  »Ich  will  ge- 
hängt werden,  wenn  mich  mein  Gegner  besiegt  [■  —  die  auf 
diese  Weise  gewählte  Strafe  ist  ebenfalls  bindend  und  zwar  für 
beide  Teile. 

Nun  geben  die  Parteien,  um  die  Sache  »fest"  zu  machen, 
dem  Oenchlsherrn  ein  Pfand,  meist,  wie  schon  im  Rolandslied, 
einen  Handschuh.  Jünger  ist  der  Gebrauch,  den  wir  auch  heute 
aus  Romanen  noch  kennen,  dem  Gegner  den  Handschuh  hinzu- 
werfen, und  aus  diesem  Pfandüiusch  zviischen  Gegnern  mag  sich 
dann   das  heute  übliche  Tauschen  der  Karten  entwickelt  haben. 

Nun  folgt  das  Stellen  von  Geiseln,  dessen  Innehalten  nach 
dem  Schwanken  der  Quellen  offenbar  im  Belieben  des  Gerichts- 
herrn stand.  Der  Qerichtshcrr  hatte  woh!  hierin  in  der  Praxis 
ein  Mittel,  einen  solchen  Zweikampf  nach  Belieben  unmöglich  zu 
machen,  indem  er  Geiseln  verlangte.  Ursprünglich  scheint  man 
hierzu    nur    Familienmitglieder   angenommen    zu    haben,    später 


waren  auch  die  Standesgenossen,  die   »Collegen»   des  Kämpfa5 
willkommen.     Geistliche  wurden  auch  hier  nicht  zugelassen.  i 

Diese  Geiseln  werden  oft  schon  während  des  Kampfes  in 
Gewahrsam  genommen.  Erechien  ihr  Kämpfer  schuldig,  so  hatte 
der  Gerichtsherr  über  ihre  Strafe  zu  entscheiden.  Bald  müssen 
sie,  wie  im  Roland,  den  Tod  erleiden,  bald  können  sie  sich,  wie 
in  jenem  kärlingschen  Kapitular,  loskaufen.  In  der  praktischen 
Justiz  ist  das  Stellen  von  Geiseln,  wie  ihre  Strafe,  naturgemäß 
allmählich  verkümmert,  und  schon  in  dem  Coütumier  des  Herrn 
von  Deaumanoir  finden  sich  (im  1 3.  Jahrhundert)  nur  noch  Reste 
davon,  Einigemal  wird  übrigens  in  der  Dichtung  von  Geiseln 
Abstand  genommen,  dafür  werden  aber  die  Parteien  festgesetzt 
So  gerade  im  Schwancnritter,  wo  der  Held  selber  ihn  und  seinen 
Gegner  in  Gewahrsam  zu  nehmen  bittet,  um  ein  Entweichen  , 
zu  verhindern. 

Den  Anfordenmgen  der  Bühne  gemäß  findet  in  der  Oper 
das  Gottesgericht  unmittelbar  nach  der  Forderung  statt  Auch 
die  älteste,  einfachste  Form,  wie  wir  sie  noch  im  neunten  Jahr- 
hundert und  im  Rolandsliede  finden,  hatte  diesen  Gang. 

Hier  hat  das  Eingreifen  der  kirchlichen  Handlung  eine 
Komplizierung  bewirkt.  Das  Gericht  findet  erst  am  nächsten 
Moi^en  statt,  nach  der  Messe,  nüchtern,  wie  zu  einer  kirch* 
liehen  Handlung. 

Die  Nacht  brachten  die  Kämpferwachend,  von  ihren  Freunden 
begleitet,  in  der  Kirche  zu.  Dann  folgt  Messe,  meist  auch  Beichte 
und  Opfer,  wie  im  Rolandsliede,  -  die  Stunde  des  Kampfes  ist 
gekommen.  Wie  auch  heute  bei  schweren  Mensuren,  wird  oft 
ein  Sühneversuch  zu  Anfang  vorgenommen.  War  dieser  abge- 
schlagen ,  so  kamen  die  Schwüre  der  beiden  Parteien  an  die 
Reihe.  Jeder  mußte  seine  Aussagen  noch  einmal  beschwören, 
ja  dieser  Schwur  wird  allmählich  detailliert  und  zerfällt  in 
mehrere,  wie  sich  überhaupt  das  Bestreben  zeigt,  diesem  Teile 
möglichstes  Gewicht  zu  geben,  um  an  das  Gewissen  des  Schul-  , 
digen  zu  appellieren,  so  lange  es  noch  Zeit  ist  ^M 

Dieser  Schwur  wird  meist  noch  nicht  auf  dem  eigentlichen 
Kampfplatz  geleistet.  Die  Formel  war  vorgeschrieben.  Geist- 
lichkeit   und   Sakramente    spielten    eine    stehende   Rolle.      Dana 


folgte  der  Bann  an  die  Zuschauer,  dessen  Tenor  wir  aus 
der  Oper  kennen.  Eine  Übertretung  des  Bannes  wurde  mit 
harten  Strafen  belegt. 

Nun  wurde  der  Kampfplatz  abgeschritten.     Meistens  ist  er 
viaeckig  abgeteilt,   die  ursprünglich  abschließenden   Etänke  sind 
durch   Holzschranken   oder  Stricke   ersetzt,   oft  existiert  die  ab- 
schließende  Linie   nur   in    der  Idee.     Einzelne   Gedichte   kennen 
einen    Platz,    der   nur   für   gottesgerichtliche    Zwecke    gebraucht 
■wurde,  der  also  schon  vorbereitet  war.     Eine  Sitte,  die  wir  für 
cias  kärlingische    Aachen    ebenfalls    nachgewiesen    haben.      Den 
Kampfplatz  umgeben  die  Zuschauer,  für  die  wohl  auch  Tribünen 
«nichtet  werden,  und  in  engerem  Kreise  die  Kampfwärter.    Diese 
AATärter  schützen  den  Platz  vor  dem  Publikum,  führen  die  Parteien 
Hinein,  den  Forderer  an  der  Spitze,  verteilen  Licht  und  Schalten 
^eicbmäßig  und  fungieren  auch  während  des  Kampfes  als  Un- 
X>arteiiscbe  und  Sekundanten.^) 

Über  die  Bewaffnung  haben  wir  im  Laufe  unseres  Aufsatzes 

^<hon  öfter  gehandelt.    Üblich  waren  hier  zwei  formen,   in  der 

Tiiedcren  Justiz  der  Kampf  mit  Stock  und  Schild,  in  Hochvenats- 

^iigclegenheiten   der   Kampf  mit  scharfen   Waffen.     Letzterer  ist 

^  den  die  Romane   und  Heldengedichte  des  Mittelalters  wider- 

s»{»^ln.     Ihre  einzige  Abweichung  von  der  Sitte  besteht  darin, 

dafl  sie  ihre  Parteien  immer  hoch  zu  Roß  kämpfen  lassen,  doch 

^bcn  wir  ja  erfahren,  daß  ein  solcher  Kampf,  wenn  auch  selten, 

doch   nicht    unerhört    war    und    in    Sftdwestf rankreich   zur  Zeit 

Ludwigs  des  Frommen  die  übliche  Form  bildete.   Ein  Stockkampf 

st  übrigens   auch   in   der   Poesie   dargestellt  und  zwar  im   alt- 

''«izösischen  Reineckc  Fuclis. 

Auch  über  die  Strafe  des  Schuldigen,  über  die  Strafe  der 
Geiseln  ist  bereits  das  Entscheidende  gesagt  worden. 

Vom  zwölften  Jahrhundert  bis  auf  den  heutigen  Tag. 
Nachdem  die  Kirche  einen  aussichtslosen  Kampf  gegen  die 
vid  zu  fest  eingewurzelte  Sitte  aufgegeben,  halte  sie  sich  inner- 


>)  In  einigen  vtniKcn  Dichlun£en  lindct  der  Kampf  noch  auf  dner  In»!  lUtt 
t^kieilkd,  Oiran  van  Virtiiie),  und  «  mag  die*  die  EHnnening  in  dnciltere,  bddnitdie 
^■UBtti,  «Ic  lie  In  der  nonlischni  Kultui  im  .tlDlmKuig"  oodi  gevihn  iiL 


dcM  OottQScnst 
«ar  das  KönigtoaL 
SAtm 


gnrafll  und  liiBe  dss  Sakrament  ;^| 
der  Handhmg.  Von  nun  .^ 
KT  Gegner,  ein  Gegner,  dessen  .^ 
FUc  totzjebeii  mochte,  ■ —  rfii    ~ti 


zum 
Rolc 

I  aJEKD 


gcpen  das  Gotlesgerichfci 
Mennrn^cr,  der   in   seinen  Zu — 
Recht  dco  Zweikampf  aus  seiner  gcricfat- 
iMd   ZB   daer  dos    Gutdünken    der 
auf  Dewwsgaiig  und  Strafe  folgenden 
einen  Merowinger,  in  dem  »ir  vielleichf 
den  deumügen,  kiiüatlieu  Cfailpendi  zn  sehen  hatten,  den  Gattea 
der  bösen  FiideguBd. 

Der  scb«-3diltdie  Cane  der  Judilfa,  Lodwig  der  Fromme, 
war  der  zveiK.     Hier  war  wirkbdi  ein  kultiviertes,  dem  Waffen- 
klang abholdes  Gemüt  bestrebt,  der  grausamen  Sitte  Abbruch  zu 
tun,  wenn  er  audj  vergebens  versachlc,  den   fränkischen   Eigen- 
mOen  zu  brechen.    Wie  er  es  mit  dem  Gottcsgmcfat  machte,  so 
versuchte   es    Ludwig   auch    mit   anderen    fränkisch -heidm'schen 
BifludKn,  verbrannte  im  frommen   Übereifer  die  alten   Königs- 
liedcr,  die  sein  Vater  hatte  sammeln  lassen,  stellte  den  national- 
heidnischen   diristliche  Ideale   en^cgen.     Die  Folge  davon  w^-f 
das  Lügrnfcld  von  Straßburg,  auf  welchem   die  eigenen  Söhn^ 
von  dem  Vater  abfielen  und  der  verlassene  Kaiser  zu  den  letzter«  « 
die  ihm  treu  zu  bleiben  suchten,  sagte:  »Gehl  zu  meinen  SühneC* 
über.     Keiner  soll  meinethalben  auch  nur  ein  Glied  verlieren.'*^ 


lidi^B 


Aber  das  Königtum  erstarkte  in  Frankreich.   Es  nahm  nk 
nur  den  Kampf  gegen  die  Feudalmacht  auf,  wie  sein  Nachbar 
Staat  Deutschland,   es   führte  ihn  auch  siegreich  durch.     Hierbcr-^^' 
fiel   mit  anderen    Einrichtungen   der  feudalen   Gesellschaft  aud"""*^ 
das    Gottesgericht,     wenigstens    als    ein    im    Genchtsgang    ül 
lieh  es  Beweismittel. 

Einschränkungen,  Verbote  hat  es  in  den   folgenden  Jahr- 
hunderten zahllose  gegeben.   Ludwig  VII.  verbot  den  Zwcikampl 


"n  Jahre  1186,   wenn   es  sich   um  eine  Schuld  unter  fünf  Sous 
(nominell  etwa  100  M.)  handle. 

Ludwig  IX.,  der  Heilige,  verbot  ihn  1260  vollständig, 
ohne  noch  die  »Rclchsbarone"  mit  einzuschließen.  Das  Verbot 
bat  aber  kaum  weitere  Tragkraft  gehabt  ats  jenes  vermutlich  von 
Chilperich  edierte  oder  als  die  Eingriffe  Ludwig  des  Frommen. 
Philippe  le  Bei  muß  1296  und  1303  ein  neues,  auf  be- 
stimmte Zeit  gegebenes  Verbot  erlassen.  Er  schließt  den  Zweikampf 
in  Zivilsachen  für  immer  aus  im  Jahre  1306  und  muß  seine 
Edikte  I314  emcuemj  mit  Androhung  von  Todesstrafe  und 
Konfiskation  der  Güter  gegen  die  Übertreter. 

Und  nun  findet  ganz  allmählich  der  Übergang  vom  Gerichts- 
kampf  zum  Duell  der  feudalen  Kreise  stau.     Dem  Königtum  ist 
es  gelungen,  den  Kampf  aus  der  Gerichtsbarkeit  herauszudrängen, 
der  Kampf  verliert  deshalb  für  die   breiten  Schichten  der  Be- 
völkerung seine  Wichtigkeit,  die  er  Im  12.  und    13.  Jahrhundert 
hauptsächlich  hatte;  dagegen  bleibt  er,  in  veränderter  Gestalt,  bei 
denjenigen,  die  ihn  in  Frankreich  eingeführt,  bei  dem  Kriegsadel. 
Statt   der  Begriffe  von   Recht   und   Unrecht  stellt  sich  die 
Ehrenfrage  ein,  deren  Flecken  der  Zweikampf  reinzuwaschen  be- 
stimmt ist,  wie  er  vordem  Licht  in  die  dunkelsten  Fragen  brachte. 
Alte  naive  Anschauungen  von  aller  Kultur  unberührter  Barbaren 
^'erden  gehalten,  umgemodelt,  und  der  rohen,  physischen  Kraft,  dem 
persönlichen  Mute  wird  der  Platz  angewiesen,  der  ihm  bei  einem 
Kriegervolke  zukam,   bei   einer  kultivierten  Nation   dagegen   be- 
r^chügtc  Zweifel    gegen    die  angemaßte  Höhe   der  Kultur  auf- 
•tommen  läßt. 

Von   dem    Decorum   des  Gottesgerichtes   wird    mancherlei 
"b^mommen  und  findet  sich  wohl  auch  noch  heute:  Vorausgehende 
Ehrengerichte,  Kampfzeugen,  formelhafter,  nie  zu  einem  Ergebnis 
f'Jhrcnder  Versöhnungsversuch.    Im  allgemeinen  ist  übrigens  hier 
^*n  Abnehmen  des  Decoruras  zu   konstatieren,  Indem   mit  Aus- 
scheiden aus  der  Justiz  auch  die  Kirche  den  Rücken  kehrte,  und 
damit  Messe,    Nachtwache,    Eid   auf    dem    Kampfplatz    fortfielen. 
formell    fand   also,    nachdem   der   Zweikampf  gegenüber   seiner 
^gentümlichen    Allgemeingüttigkeit   wieder    auf   jene  Kreise   be- 
schränkt war,   die   ihn  ursprünglich  eingeführt  hatten,   eine  Ver- 


29S  Leo  jocdUL 

cinfichnng  sott,  die  ihn  dem  Modus  der  illestcn  Zeiten  wieder 

fluflDCS  OKACDbCSL 

Aadi  die  Waffen  vedtselten,  dem  frinldscben  Spieße,  dem 
mittda}terticben  Luigsdiwert  folgte  der  elegante  Stoßdegen.  Die 
Schußwaffen  Icamen  auf  und  bürgerten  sidi  auch  hier  ein.  Ein 
fester,  zum  Teil  ungescfariäiener  Codex  ordnet,  wie  seinerzeit. 
Befugnisse  der  Parteien,  der  Sekundanten  und  das  Decorum. 


Mit  dem  Emporsteigen  des  Bürgertums,  mit  der  Ausfüllung 
der  Kluft  zwischen  dem  Kriegerstand  und  den  übrigen  Ständen, 
wie  es  einem  Volke  en(^»-icht,  dessen  Kulturbewegung  endlich 
die  Ordnung  des  Urvolkes  zu  überwinden  strebt,  hat  sich  aber 
eine  weitere  eigenartige  Entwicklung  vollzogen.  Das  Bürgertum 
hatte,  einmal  auf  höherem  finanziellen  und  gesellschaftlichen  Niveau 
angelangt,  nichts  eiliger  zu  tun  als  sich  feudale  Sitten  und  darunter 
auch  das  Duell  anzueignen,  und  so  wuchs  die  Anhängerschaft 
des  alten  gottesgerichtlichen  Zweikampfs  mit  der  letzten  sozialen 
Bewegung,  genau  wie  vor  nun  reichlich  1000  Jahren. 

Soll  man  es  als  ein  erfreuliches  Zeichen  achten  oder  als 
eine  unerfreuliche  retrograde  Entwicklung?  Wir  wollen  nicht 
philiströs  sein.  Die  Lust,  Streitigkeiten  physisch  auszutragen,  eignet 
der  Jugend,  —  wenn  sie  gesund  und  nicht  nur  den  Jahren  nach 
jung  ist.  Wenn  einmal  die  Jugend  des  Volkes  vorbei  ist,  hat  es 
in  der  Geschichte  bis  jetzt  immer  nur  Verfall  gegeben. 

Freilich  stehen  auch  Duell  und  Verfall  zusammen,  wenigstens] 
in  Spanien  und  Süditalien,  wo  die  Stiletikämpfe  mit  genau  inne- 
gehaltenem  Ritual,   mit   Sekundanten    und    allem    dazu    Nötigen 
gerade  in  den  untersten  Volksschichten  üblich  sind. 

Kurzum:  allgemein  gültige  moralische  Werte  lassen  sich'' 
auch  hier  nicht  abstrahieren,  und  es  ist  auch  gut  so,  denn  was 
wäre  diese  Welt  ohne  ihre  Farben,  ihre  Buntheit,  die  unendliche 
Verschiedenheit  ihrer  Anschauungen? 


Christian  Adolph  v.  Anackers  Beschreibung 
seiner  Reise  von  Lissabon  nach  Wien  (I733). 

Mitgeteilt  von  TH.  RENAUDJ) 


Reiß- Beschreibung 

Von  mir 

Chrislian  Adolph  v.  Anacker, 

Riltcm  des  heil.  Jacobi, 

verrichtet  anno  [t]733  den 

2len  Juli)  aus  Lißabon 

In  Portugal  bis 
Wienn  in  OesterReich, 
ftllwo  ich  den  2S  tcn  Septemb. 
anni  ejusdcm  glückl. 
arriviret  bin. 
Nachdem   mich  Meine   Frau   Mutter,   thcils  um  meine  ge- 
'^"«ihcit  beßer  zu   Conserviren    (indem    ich   in    Lißabon   schier 
«»ntitiuirlich  Krankh  wäre,   und  mir  der  Lufft  Keines  wegs  con- 
*'icircn  wolte),  theils  auch   um   meine   mir  nothige  Studia  pro- 
*l^»ren  zu  Können,  wiederum  von   dannen  in  Teutschland!  zu 
*'*den  sich  resolviret,  so  fände  sich  eben  ein  gewisser  Barfüsser- 
^^"^eliter,  mit  Nahmen  P.  Joannis  v.  HI.  Kreutz.  der  auch  aus 
Portügatl  in  seine  Provinz  reisete.    Diesem  Übergabe  mich  meine 
"■   AAutter,   um  über  mich  währender  Reiß  Sorg  zu  tragen.     Es 
"•"Ste  aber   dieser  GeislI:   mit   mir  etl:  Monath  warten,   bis  der 
"*""    Von  Sr:  May:  dem  König  von  Portugall  allgdigst:  resolvirte 


1,  *)  Vgl.  dl«  Vcr/tfentifchuns  der  Beschreibung  d«T  Rdie  von  VIch  nach  Lisntxn 

*'™)  In  dieser  ZdtKhrift.  V,  Z*  lt. 


Ritter-orden  Sli;  Jacobi  Majoris  de  Spatlia*)  ertheilet  und  cor»  *>«- 
fcrirel  worden,  welches  dann  anfangs  Junij  {Il753  würkl:  erfolge*^^^-^'» 
worauf  wiir  bald  nach  genommenen  untcrthänigsten  urtaub-audk.  Ä— J^- 
enzien  Von  beede  König):  May:  nebst  meiner  Danksagung  Vor  di  «  fc^'* 
Höchste  gnadt  des  mir  ertheilten  ordens  die  Reise 

den  2ten  Julij  1733  angetretten,  nachdem  wiir  vorhero  di*5  fc=l^< 
uns  gnädigst  anvertrauten  Praesenten  Vor  Sc  Mays:  die  R^ierend»  fc>  *di 
Kayserin  Elisabetha  Christina')  (so  in  einen  Kistel  bestanden«-« -^acn 
worinnen  ein  ganzer  auf  einer  Indianischen  grossen  Tatzen  stehende:  -^  K« 
aufsatz  vor  the^,  caff^  und  chocoUte  wäre,  wovon  alle  stuckh,  sf>-^  9 
gar  die  giesKandel  und  Lavor  von  puren  Mecrmuscheln  waren«"* '^■rt 
ohne  das  eine  Hand  was  daran  gemeistert  hatte,  außer  denen  pi»««^^'' 
d'i^taux  oder  untersatzicn,  daß  sie  stehen  Kunten,  welche  vor«  *^^>  <* 
Goldt  waren)  dann  Vor  die  Verwiltible  Kayserin  Amalia  WII-  •  ■'^ 
helmina'}  eine  in  einen  schmahlen,  aber  langen  Verschlag  ein- «"*  ■" 
gepackte  Indianische  Von  puren  Helfenbeln  geflochtene  Decken«'»"^' 
wie  man  sie  sonst  Von  stroh  in  Portugall  sichct,  und  auf  ein^  r^o 
allarstaffel  die  länge  und  breite  hatte,  wie  dann  auch  Vor«  *-**'_ 
Sc  Dchll:  die  ürzherzogin  Maria  Magdalena*)  ein  Kistel  mi»  *  *^' 
Indianischen  raritäten,  Porcellaici  und  Medicinen  nebst  denen  handt-— * 
Briefen  überkommen  hatten,  so  mußte  ich  mich  obbemeldteten 
21en  Julij  abends  gegen  5  uhr  mit  Harten  Thränen  Von  meiner 
Fr:  Mutler  beurlauben,  welche  mir  dann  ihren  Mütlerl:  Seegen 
erlhcilet.  Und  da  ich  eben  forlhgchen  wolte,  erwiese  mir  der 
änderte  Königl:  Prinz  Don  Carlos  die  Hohe  gnadl  und  luße 
mich  noch  einniahl  zu  sich  ruffen,  wo  ich  ihnie  zum  änderten 
mahl  die  Handt  geküsset  und  Urlaub  genommen.  Ich  wurde  auf 
einer  Königl:  Jagd  an  Borlh  unsers  schieffs  (so  bereits  zu  Belem,») 
eine  stundt  Von  dem  Königl:  Pallast  Vor  ancker  läge)  geführe!, 
und  mich  nebst  den  mit  mir  reisenden  P:  loannem  begleiteten 
der  Königl:  Damen-beichtvatter  P:  LeopoldtES  Wezinger  (so  eben 
mit  mir  nach  Porlugall  gereiset)  imd  H.  Haßlinger,  Königl:  Hof- 
Apolheker.     Als  wiir  am  Bordt  gekommen,  wäre  weder  Capitain 

■}  Ordnn  de  Säo  Thisca  da  Cspad«;  tiiat  Gnit;  Rtlter:  der  unUnlc  Qrad 
{Sanl)>f[nlircui  In  Lorbnrkninz;  darüber  ein  Emaitband  mit  dm  Worten:  Sdendn,  Ictras, 
arm.)    Ftpxdi;  Dr^rn. 

>}  Eli».  Chritllnc'  von  BTauitselivde-Bhnkmburic,  Ocmahlln  Karls  VI. 

■)  WIlbclmliK  Amalle  von  ßraunMÜiTde-Lüiieburc,  Witve  dn  17tt  gest  Jascplis  I. 

<)  Maris  Maedjüena  Jotqiha,  t  ^'*3.  Schwcttcr  Karlt  VI. 

^  Jctit  (Kit  IBS5]  VocstMll  van  Liuabon. 


R 


noch  SteuerMann   am  Bordt     Der   P:  Wezingcr,    weil  es  schon 
Späth  wäre,  beurlaubte  sich,  gab  mir  seinen  Priesterl:  Seegen  und 
retournirte  nach  Hof,   um  meiner  Vr.  Mutter  mein  glückl:  em- 
barquement  und  schicffstoginmg  zu  hinterbringen.     Da  ich  aber 
von   Hof  abgefahren,   muste   ich  eben   in  der  Königl:  Jagd   bey 
meiner   Fr  Mutter  Fenster  vorbeyfahren,   allwo  sie  mir,  so  lang 
es  möglich  wäre,   rachgesehen,   bey   welcher  der  Königin  beicht- 
Valter  P:  Carolus  Gallenfell   wäre,  um  sie  zu  trösten.    Abends 
kamen  an  das  schiff  2  mir  und  den   P:  loanni  bekannte  Patres 
Carmeliter,  als  P:  Leopold  und  P:  Stephan,  nebst  2  Königl:  Wald- 
homisCen  an  unsern  Borth.     Diese   blieben  bey  uns  bis  halber 
9  Uhr  und  beurlaubten  sich  dann  von  uns.     Nach  diesen  käme 
der  ober-lnspecktor  (so  auf  Portiigesisch  heißet  quardamor')  mit 
5  andern  von  der  Justiz  am  Borth.     Sie  fragten  mich  und  den 
Pater,  ob  diese  Bagage  unser  wäre,  auf  welche  sie  wiesen.   Wiir 
sagten:  ja.     Da  sie  aber  es  [!j  sehen  wolten,  zeigten  wiir  ihnen 
gleich  das  überkommene  despaci  oder  FrcyPalct,  womit  sie  zu- 
frieden gestehet  waren.    Sie  warteten   immer  auf  den  Capiiain, 
und  einer  von   ihnen  stunde  auf  der  gallerie  gleichsam  auf  der 
Wacht     Als  der  Capitain   um  Halber  12  uhr  Nachts  auf  einen 
kleinen  Fahrzeug  betrunken    und  Schlafendt  anlangte,    ruffe  der 
auf  der  huth  stehende  die  andern,  und  sie  sprangen  samentlich 
auf  ein  (!]  schiff,  und  einer  hatte  gleich  das  geldt,  so  er  bey  sich 
von  Kauffteuthen  hatte,  bey  600  f!.,  um  das  schiff  zu  verpflegen. 
Der  Capitain  wolte  gegen   den    quardamor  den   Degen  ziehen; 
allein  sie  nahmen  ihme  selben  weg  samt  dem  stockh  und  wolten 
ihn  in  tronco  oder  arrest  führen.     Der  Capitain  schrie  um  uns, 
und  wiir  stiegen  auch  in  das  schieff  hinunter.   Wiir  musten  sehr 
lang  bitten,  bis  wiir  sie  dahin  brachten,  daß  sie  ihn  nicht  forth- 
fOhrten;   ja  sie  sagten  zu   mir  und   den  P:  loannes,  wiir  sollen 
auf  den   Borth  steigen,   oder  sie  führen   uns  auch  forth.     Wiir 
explicirten   aber  unsern  standt,   daß  wiir  Von   Hof  wären;   so 
wurden  sie  höfflicher.     Der  Capitain  redete  mit  den  P;  loannes 
und   mir  lateinisch,    ich   mit  den  P:   leutsch   und   mit  der  Justiz 
das  Portugesische  wenige,  so  ich  gekönnt   Mithin  halte  man  ein 
Viertl  stund  nothwendig,  bis  frag  und  antworth  an  seinen  Mann 

>}  OBiixUinor  du  ilfindcgas  =  Obcfiollinipelctor. 


^ 


gekommen.  Wiir  sagten  ihnen,  daß  dieses  bey  den  Capitain  ge- 
fundene Geld  demselben  nöthig  scye  zur  Verpflegung  des  Schiffes,  *^si 
daß  er  nicht  gesinnet,  geld  aus  den  landt  zu  führen.  Man  «~*J 
Venerire  ihren  caractcre,  man  wisse  aber  auch,  daß  der  Refehl  Sk4 
des  Königs  seye,  nur  die  großen  Summen,  womit  dem  Und  S=»i 
schaden  geschiehet,  so  es  weggeführet  wird,  nicht  aber  die  nöthige  "^"C 
Reißgelder  denen  in  proctnctu  *)  abreisenden  wegzunehmen.  Wo-  — * 
fern  sie  also  dieses  ledige  reißgeld  nicht  rcstituiren  wolten,  so  ^^ 
könnte  das  Schiff  nicht  auslauffen;  mithin  mOste  der  last  oder  ~v 
die  ladung  des  Schiffes  (so  in  Zucker,  Pomeranzen  und  lemonen')  ■^ 
bestehet)  im  Hafen  Verderben,  und  wofern  wiir  morgen  in  Hafen  ** 

liegen  bleiben  müsten,  so  würde  ich  und  der  Pater  nach  Hof 
fahren  und  die  sach  bey  Hohem  orth  anbringen,  als  altwo  man 
sicherlich  glaubet,  daß  wiir  mit  der  Huth  in  See  gehen  werden. 
Endlich  giengen  wiir  alle  in  das  Schiff,  allwo  in  der  Cajute  ihnen 
wein   und   Schuncken   gegeben   wurde,    und   endlich   hat  unsere  ^ 

bitte,  und  vielleicht  der  wein,  so  viel  effeduiret,  daß  der  quardamor 
jenen  (so  das  geldt  hatte)  befahle,  es  völlig  dem  Capitain  zu  rc- 
stituiren, sagte  aber,  daß  er  wieder  seine  Pflicht  handle;  aber  in 
regard  unser,  weil  wir  Von  Hof,  thuc  er  es.  In  Wahrheit:  er 
hätte  es  also  desto  weniger  thun  sollen.  Allein  es  kann  seyn, 
daß  es  gar  fiEoux  waren.  Sie  sagten  immer,  wir  solten  doch 
einmahl  Schlaffen  gehen,  dann  es  schon  3  uhr  in  der  Frühe 
wäre.  AlEein  wiir  traueten  ihnen  nicht  und  sagten,  es  gezieme 
sich  nicht,  vor  Frerabden  leuten  schlaffen  zu  gehen.  Da  sie 
dieses  hörten,  sagten  sie,  sie  woUen  uns  nicht  hintern,  und  giengen 
auf  die  gallerie,  um  auf  den  Steuermann  zu  warten.  Der  Capitain 
gäbe  das  geld  dem  P:  loannes,  weilen  wür  ein  FreyPalet  ttattenr 
und  sie  bisweilen  zu  6  mahl  visitiren.  Wiir  aber  giengen  um 
4  uhr  auf  ein  paar  Stundt  schlaffen. 

Den  .^ten  Julij  kamen  um  6  uhr  unterschiedl:  leuthe  am 
Borth,  unter  andern  der  Hamburg:  consul  H:  Stöckeier  mit 
seinen  2  Söhnen,  so  mir  und  den  P:  loannes  eine  Kiste  Pome- 
ranzen und  Lemonen  geschencket,  auch  einen  addreß-Brief  nebst 
3  schachteln  an  seinen   Schwager,   H:  Ramin    in   Hamburg, 


<)  ScbOB  liu  Rriwfcurt,  d.  h.  eben  im  Begriff,  abzurciica. 
^  Limotw  {Sauen  ilrone). 


■ 


S^gebcn.     Gegen    7    uhr    käme   der   P;  Wezingcr,    Fn  Andreas, 
H:    Baltauff  und  Herr  Haßlinger,   welche  mir  noch  einen  grüß 
und   einige  Sachen  von  meiner  Frau  Mutter  mitgebracht    Sobald 
die  Justiz  sähe,  daß  leuthe  Von  Hof  an  Borth  kommen,  so  fuhren 
sie  ab.     H:  von  Stöckeier  gicngc  auch  wieder  an  das  land  und, 
indeme  wiir  Vor  Mittag  den  Ancker   zu  Heben  nicht  geglaubet, 
so  wolle  ich  durchaus  noch  ein  mahl  an  das  Landl  fahren,  um 
rneine    Frau  Mutter  zu   sehen.     Allein   der  P:  Wezinger  wieder- 
r^athete  es,   und   unterdeßen  wurde  der  Ancker  würckl:  gehoben. 
Der  P:  Wezinger  mit  denen  übrigen  Herrn  fuhren  mit  uns  bis 
w«ith  außer  S:  Julian,')  so  schon  im  See  ist.   Zu  S:  Julian  musten 
Wi'iir  auf  den  Capitain  warten,  welcher  allda  im  Castel  wäre  wegen 
den  Paß  und  um  das  Schiff  frcy  zu  machen,  daß  es  auslauffen 
dörfte.      Er    käme   aber    bald,    und    endlich    sagte    er    zu    dem 
P:    Wezinger    und    übrigen   Hhhn.:     »Meine    Herren,    der    nicht 
mit  nach  Hamburg  reiset,  der  hat  höchste  Zeit,  sich  zu  beurlauben!" 
Sie  thaten  es,    und  da  sie   eben    in   die  Königl:  Jagd  gestiegen, 
*came  erst  der  Steuermann  am   Borth,  welches  Von   darum   ge- 
schehen,  weilen   er  bis  40  Stuckgold  (1  ä  12  fl)  bey  sich  halte, 
Und    damit  er    kein  solche  Comoedie  anfange,   wie  der  Capitain, 
^o  sein  Vatter  wäre.    Der  P:  Wezinger  mit  denen  übrigen  fuhren 
■b  und  sagten,  daß  sie  nach  Hof  gleich  gehen  werden,  meiner 
^rau  Mutter  zu  berichten,  daß  sie  mich  würckl.  im  See  veriaßen. 
^iir  löseten  ihnen  zu  ehren  Sluckh,  und  nach  einer  ViertI  stundt 
Beschahe  ein  nemliches,  um  uns  von  den  Hafen  zu  beurlauben. — 
Heuihe  Hatten  wiir  Stareken  Nord-Wind.    Unser  Mitlagmahl 
^are  ein  Stockfisch,  in  waßer  gekochet    Der  erste  Bißen,  so  ich 
*^,   muste  wieder  Heraus.     Dieses  wäre  aber  noch  keine  schiff- 
^'^nkheit,  sondern  der  Stockfisch  wäre  nicht  wohl  gekochet,  weß- 
^^g«n  ich  und  der  P:  loannes  uns  jeden   ein  paar  Ayer  (deren 
'^^bst  andern  Viciualien  50  mir   meine  Frau  Mutler   mitgegeben) 
l^^^hmen].     Nach  dem  Tisch   fienge  der  P:  loannes  an,  sich  zu 
"•^chen;    ich     muste    auch   vor   übligkeit   das   Deth    Hüten    bis 
*   Uhr.   Nach  de me  stunde  ich  auf,  giengc  auf  die  Gallerie,  allwo 
Ich    schon  nichts  als  Himmel   und  Waßer  sähe.     Der  Pater  aber 


■)  Feste  Slo  Jtillüa  vor  der  Ta)oinandun(r. 


blieb«  den  ganzen  Tag  liegen.  Gegen  7  uhr  erhöbe  sich  ein 
Starckcr  Wind,  so  daß  der  Capitain  die  segel  einnehmen  lüße. 
Sdber  schaiiete  auch  mit  einem  gewißen  Instrument  in  das 
Waßer  und  Himmel  und  sagte:  i»Wiir  seynd  schon  20  Meyllen 
im  See!"  -  Die  Heuthige  nacht  hindurch  wäre  auch  das  Meer 
sehr  ungestüm. 

Zu  Wissen,  daß  unser  schiff  geheißen  L'avanture  oder  das 
schicksaE,  der  Capitain  aber  Samuel  Schtötter.  Selber  wäre 
ein  Hamburger,  das  Schiff  aber  ein  Englisch  Kauffardey  Schiff. 
Wiir  gaben  jeder  60  fl.  bis  Hamburg  mit  Kost  und  allen.  Allein 
der  Capitain  wäre  schlecht,  besonders  mit  frischen  waßer,  versehen, 
worüber  wiir  sehr  malcontenls  waren. 

Den  4t£n  djto  continuirte  der  gestrige  Windt.  Heuthe  halte 
ich  guten  appelit  bey  dem  Eöen.  Nach  Tisch  gienge  ich  mit 
denen  Paßagiers  (deren  unser  6  waren)  außer  den  P:  loanncs, 
so  beständig  läge,  auf  die  gallerie,  spielele  allda  mit  einem  in 
Damcnbrct,  die  andern  aber  divertirten  sich  und  uns  mit  der 
Music.  Der  wind  wäre  immer  Von  Norden  und  uns  eben  deß- 
wegcn  nicht  zum  favorabScstcn.  Heutlie  wurde  sogar  der  Capitain 
Krankh  und  alle  andere  bis  auf  mich.  Zu  deme  so  Hatten  wir 
Faules  Waßer,  gesalzen  und  stinckendes  Fleisch,  dann  ein  Vor 
wurmen  lebendiges  brodt,  über  welches  alle  Passagiers  gemurret, 
indeme  dieses  lauter  altes,  schon  nach  Lißabon  gebrachtes 
Proviant  wäre. 

Den  5^  dito  continuirte  der  Wind  Von  Norden.  Ich 
fienge  an,  im  gesicht  mich  völlig  zu  schählen,  welches  die  ursach 
wäre,  weil  ich  beständig  auf  der  gallerie  dem  scbarffcn  Meerlufft 
exponiret  wäre.  Man  ralhete  mir,  in  die  Cajute  zu  gehen;  allan 
ich  woltc  lieber  dieses  als  das  brechen  leiden,  welches  mir  gleich 
gekommen,  so  ich  nicht  im  lufft  wäre.  Nachmittag  wurde  der 
wind  zum  Süden  Von  Mittag.  Wiir  wandten  also  das  schiff 
gegen  abendt  und  sezten  unsem  weeg  fort    Deßgleichen  auch    d 

den    6l^    dito    geschehen,    allwo  dieser  Süd-wind    immer 
continuiret.     Der   P:   loannes   stunde    heuthe   das  erstemahl  auf 
und  gienge  auf  die  gaUerie,  mir  aber  spanncte  heuthe  das  gesicht    | 
wie  eine  trummel.     Es   ist   mir  auch  die  Nasen  aufgesprungen, 
woraus  Materi    geloffen    und    mir  Viel    schmerzen   Verursachet. 


Ä 


Christian  Adolph  v.  AMckersBschrributig  s«InnR«I»vonIJssabon.    305 

Wiir  hatten  heuthe  schon  keinen  thce,  weilen  das  waßer  schon 
stinckcte.  Ein  jeder  Vertraute  dem  Capitain  ein  paar  worth,  daß 
er  Zeit  genug  gehabt  hätte,  sich  zu  proviantiren ;  allein  es 
wäre  zu  spath! 

Den  7^  dito  käme  der  Wind  wieder  Von  Norden.  Nach 
Tisch  sahen  wir  ein  Schiff  von  weithen,  so  immer  mit  halben 
wind  von  uns  gienge.  Der  Capitain  sagte:  «Weil  du  Von  uns 
gehest,  wollen  wiir  zu  dir  gehen!"  Ließe  unser  schiff  rechter 
Hand  Vor  den  Wind  wenden  und  grad  auf  das  andere  los  gehen. 
Als  wiir  es  in  der  Nähe  hatten,  schrie  unser  Capitain  auf  das 
andere  mit  den  Redthom :  «Outen  Ti^,  Freyndt!  Was  vor 
Nation  seydt  ihr?«  Allein  man  sähe  niemand!,  und  es  ant- 
worthete  auch  niemandt,  so  daß  wiir  geglaubet,  es  seye  eine 
Finte  eines  Saleers, ')  welche  offters  nicht  anworthen,  um  das 
schiff  näher  hinzu  zu  locken,  auf  welches  sie  sodann  eine  ganze 
läge  losgehen  laßen.  Der  Capitain  ließe  auch  würkl:  anfangen, 
die  Stucke  zu  laden,  und  bey  conlinuirlichen  Zunähern  fragte  der 
Capitain  noch  ein  mahl,  worauf  das  schiff  geantworthet,  daß  es 
eine  Molländische  Heute  scye,  so  von  Setubal  •)  nach  Amsterdam 
gehet  und  schon  M  tag  im  See  ist,  aber  ohne  zu  wissen  wo, 
welches  ein  Zeichen  gewesen,  daß  es  mit  einem  verdorbenen 
Compaß  oder  ohnerfahrenen  seeMann  Versehen  gewesen.  Es 
unterredete  sich  mit  uns,  daß  es  bey  uns  bis  in  die  Nordt-See 
bleiben  wolle.  Unser  capitain  acccptirte  es,  vermahnte  aber  den 
capitain,  ins  künfftige  mehr  Sorge  seines  Schiffes  zu  tragen. 

Den  8tM  dilo  continuirte  der  gestrige  Nord-wind.  Die 
holländische  Fleule  folgele  uns  nach.  Mein  gesicht  wäre  so  in- 
flaramiret,  daß  ich  gezwungen  wäre,  auch  wieder  meinen  willen 
in  der  cajüle  zu  bleiben. 

Den  9ien  käme  der  wind  wieder  von  abendt,  weßwegen 
wiir  wieder  uns  zu  unsem  schaden  wenden  musten. 

Den  10^  Juli]  den  halben  Tag  wäre  noch  Sudwind,  wie 
gestern,  wendete  sich  aber  immer  gegen  westen,  bis  er  endl: 
Völlig  in    Westen   wäre.      Abends   um    7  uhr  sahen   wir  einen 


')  Sslefa  (Sla),   marokkinitchc  Staril  int  itlantitchm  Ouan, 

*)  Setubal,  porluslctiKhc  Hafcnitidl  in  der  Provinz  EsrmrndTini ,  Plnitc:  »er. 
aJtot,  an  idiwero,  drcimuUsM  Liilschlft  (Irtni.  (lütc,  tum  Fortsctutfen  von  Ldxna- 
Uiittrin  und  Munition). 

AfchiT  für  KDiluTKCKhIcbte-   VI,  20 


Salecr,  als  vor  welches  es  alle  auf  den  schiff  gehalten,  indeme 
es  uns  verfolget. 

Den  Uten  ejusdem  hatten  wiir  immer  west-wind.  Die 
holländische  Fleute  sagte  zu  uns,  es  glaube,  daß  das  schiff  ein 
Saleer  scyc,  welches  aber  20  Meylen  hinter  uns  wäre,  aber,  wie 
wiir  gemcrckel,  die  segel  starck  ausgestecket. 

Den  I2t£n  hujus  wäre  der  Pater  wie  gestern  Kranich,  idi 
aber  Vormittag  auf  der  gallcrie  und  zwar  mit  abgelaßenen  huth 
wegen  der  Sonnen.  Allein  da  ich  eben  in  besten  betrachten 
wäre,  wie  die  Pleute  einige  Segel  ausspannete,  nähme  der  Wind 
meinen  Bordirten  huth  und  warffe  ihn  ins  meer,  welchen  ich 
auch  zu  einem  angedencken  denen  wellen  schencken  muste.  Nach- 
mittag Verlohren  wir  die  Fleute  aus  dem  gesiebt,  dem  vermeinten 
Saleer  aber  waren  wiir  enfloffen,  weil  unser  schiff  ein  guter 
leuffer  wäre. 

Den  Uten  dito  hatten  wür  guten  wind,  machten  in  Tag 
und  nacht  SO  teutsche  Meylen.  Abends  aber  wurde  er  wieder 
contraire,  welches  er  nicht  nur 

den  1 4^  dito  verbliebe,  sondern  immer  vehementer  wurde, 
so  daß  wiir  bis  zu  der  holländ:  Fleute,  so  wiir  vorgestern  ver- 
lohren, zurückgetrieben  worden. 

Den  iSten  dito  wäre  dieser  wind  immer  noch  zu  unsem 
schaden.   Der  Pater  wäre  Krankh,  ich  aber  gesundt,  welches  eben 

den  t6ien  passirte,  wie  auch  die  holländt  Fleute  beständig 
im  unsem  gesicht  wäre. 

Den  iTten  wäre  der  alte  contraire  wind.  Wiir  verlohren 
wieder  die  holländ:  Fleute,  und  zu  Mitt^  paßirten  wiir  bcy 
Capo  finis  terrae  vorbey,  wohin  wiir  schon  8  Tag  zubringen, 
da  man  sonst  diesen  weeg  in  24  stund  verrichtet. 

Den  taten  dito,  wie  auch 

den  I9t^  ejusdem  wäre  der  alte  contraire  wind.  Heuthe 
halte  ich  durch  ein  stoß  des  schiffes  einen  harten  fall  über  den 
sitz  gelhan,  wo  ich  mir  die  Nasen  bald  eingeschlagen  hätte,  wo- 
fern ich  mich  nicht  erhalten  wurde  haben. 

Den  20tm,  2lten  und  22t^  julij  wäre  immer,  leyder  Gott, 
der  fatale  Nordwind,  der  Pater  beständig  Kranckh,  ich  aber 
außer   dem   gesicht  wohl   auf.     Ich  wäre  schon  gewöhnt,    fre>', 


— ^Tistian  Adolph  v.  Anacker^  Beschreibung  sefner  Reise  von  Lissabon.    307 

^^tigeachtet  des  statten  bewegen  des  Schiffes,  auf  der  gallerie  auf 
Und  ab  zu  spazieren,  hatte  auch  bey  wendung  des  Schiffs  ein 
^nd  andern  Kleinen  strickh  gezogen,  als  welche  alle  auf  den 
Schreyer  des  capitains  gezogen  werden  müßen.  Ich  hatte  auch 
bey  gelinderen  wetter  offt  zu  einer  halben  stund  das  steuerRuder 
so  accurat,  als  ein  Matrose  nimmermehr,  nach  dem  Compaß  re- 
gieret und  dcßwcgen  von  dem  Capitatn  gelobet  worden,  indeme 
ich  eine  Neigung  zu  dieser  See-wissenschafft  gezeiget  habe. 

Den  23t£2  *äre  des  Morgens  Calmo.  *)  Nach  dem  Tisch 
käme  ein  matter  wind,  um  6  uhr  abends  aber  ein  stärkerer  aus 
Süden,  so  uns  fortgetrieben.  Heute  wurde  der  Cajutejung,  weil 
<r  Zucker  von  der  ladung  gestohlen  und  geeßen,  am  großen 
Mast  angebunden  und  auf  den  bloßen  Rucken  mit  den  anckertau 
gezüchttget,  indeme  zu  wißen,  daß  auf  einen  schiff  die  discipHne 
so  scharff,  als  bey  einer  arm^e  im  Keldt  isL 

Den  24^  Julij  käme  um  4  uhr  frühe  ein  guter  wind,  der 
aber  so  vehement  wäre,  daß  wiir  die  segel  einnehmen  müßen. 
Endlich  käme  ein  starker  platz-Regen,  welcher,  so  wür  die  seegel 
»licht  ehender  eingezogen  hätten,  selbe  vielleicht  so  beschwehret 
hätte,  daß  die  Mast  in  zwey  würden  gegangen  seyn.  Witr  musten 
sehr  lachen,  indeme  der  Koch,  als  er  eben  die  Zinnschüßel  mit 
*^en  Raiß  und  Henne  angerichter  [!]  auf  den  Borth  stellele,  von 
*ndem  Matrosen  einen  strickh  ziehn  zu  helffen  beruften  wurde, 
^nter  welcher  Zeit  eine  welle  den  schiff  ein  harten  stoß  gäbe, 
^velchcr  die  schüßel  mit  Raiß  und  Henne  über  den  Borth  ins 
Ä^eer  promovirte,  allwo  wiir  die  henne  herumschwimmen  sahen. 
^^Ir  musten  also  mit  Käß,    Brodt  und  Puderg  Vorlieb  nehmen. 

Den  25^  dito  Continuirte  der  alte  Wind,  Heuthe  wolte 
^er  P:  loarnes  ein  gesottenes  Ay  Haben,  dann  meine  Frau 
Mutter  mir  50  mitgegeben.  Allein  der  Capitain  sagte,  es  seyen 
Schon  alle  zum  Pudeng  gebraucht  worden,  worüber  wür  unwillig 
forden,  indeme  er  die  Kost  uns  zu  geben  schuldig  und,  was  wiir 
**tra  mithatten,  ihme  gar  nichts  angienge.  Ich  hatte  von  Selber 
*iich  schuncken,  Thee,  Chocolade  und  ctl:  glässer  mit  eingesottenen 
Mandeln,  abends  ein   MandelMilch  zu  machen.     Die  schuncken 


>|  PortuginiKh  =  ftill,  nnbcwicKt  (calma:  Winditlll?). 

20' 


Tb.  Rcnaud. 

genoßen  wiir  zwar;  Thee  und  chocolade  ließ  sich  conservim, 
wiewohlen  wiir  aus  Mangel  guten  lA-aßers  nichts  daVon  nefan»! 
kunten;  die  Mandeln  aber  fiengen  an  zu  scfaimpeln,  weßwegcn 
ich  mich  gezwungen  fände,  sie  mit  leffeln  zu  eBen.  War  hfitlen 
auch  von  denen  Lemonen,  so  uns  H:  Consul  Von  Stöckcrer 
praesentiret,  uns  Lemonade  machen  Können;  allein  eben  das 
waBer,  so  man  in  speißen  kaum  genießen  kunte,  verbothe  es, 
und,  um  sie  doch  einiger  maßen  zu  genießen,  haben  wiir  sie 
zum  Kochen  gegeben,  die  Pomeranzen  aber  geeßen.  Wegen  dm 
Wasser  ist  es  so  weith  gekommen,  daß  man  in  der  frühe  staa 
Thee  oder  was  andern  Rosc^lio/)  unter  tags  aber  Bier  odrr 
Wein  und  diesen  letztern  auch  purer,  um  ihn  nicht  zu  verderben, 
hat  trincken  müßen.  Ich  meines  onhs,  so  mich  untertags  g^ 
dürstet,  hielte  es  mit  denen  Pomeranzen. 

Den  26ten  hatten  wir  Calmo  und  machten  den  ganzen  Tif 
kern  Engl:  Meyl.  Der  Pater  wäre  Kranckh,  ich,  Gott  lob,  aber 
gesundt,  welches  ich  seithero  wäre,  als  ich  ein  klein  GUscl 
Meerwaßer  getruncken,  so  mir  ein  Matroße  gegeben  und  den 
ersten  Tag  unserer  Reise  naclimittag  geschehen  wäre,  nachdeme 
ich  selben  tag  etwas  übel  mich  befände.  WoVon  zu  wißen,  dafl^ 
wann  es  einem  bleibet  und  nicht  aufstoßet,  derselbe  die  ganze 
weldt  auf  dem  Meer  ausreißen  darfl  So  es  heraus  will,  so 
trinket  man  ein  glÄsel  Rosoglio  darauf.  Bleibet  es,  so  ist  es 
guth;  reißet  es  aber  alles  heraus,  so  ist  es  ein  Zeichen,  daß 
selber  auf  dem  Meer  nicht  gesundt  seyn  wird  und  auf  dem  Meer 
zu  reisen  sich  hüthen  muß.  Icli  hab  eines  getruncken,  wiewohlen 
mit  keinem  gusto;  es  bliebe  mir,  und  hatte  keinen  Rosoglio  nöthig; 
bin  auch,  Gott  lob,  immer  gesundt  gewesen. 

Den  27te^  dito  wäre  das  Meer  sehr  ungestim,  der  Wind, 
so  Conlraire  wäre,  sehr  starck,  so  daß  wiir  mehr  zuruckh  als 
vor  uns  gefahren. 

Den  28ten  war  Calmo,  wie  dann  auch 

den  29^  Vormittag;  nach  Tisch  kam  zwar  ein  favorabler 
wind,  aber  sehr  schwach. 

Den  30ten  hujus  wäre  der  gestrige  wind,  aber  etwas  sörckerT 


1)  VkL.  Hinreist  unter  dem  9.  Min  >.  a.O.  S.  »,  Aom.  !. 


^nstfan  Adolph  v.  Anacken  Beschreibung  seiner  Reise  von  Lissabon.     3( 


*^nle  aber  um  10  uhr  wieder  sehr  schwach.  Wiir  hatten  allzeit 
ein  stuckh  Fleisch  ä  tS  -  20  Pfd:  in  das  wasser  gehencket,  damit 
es  erfrischet  und  von  den  Salz  ausgewäßert  wurde;  dann  wiir 
alles  fleisch  eingesalzen  hatten^  von  welchen  wiir  bis  dato  ob- 
Scrvirct,  daß  es  immer  weniger  wäre,  so  man  es  aus  dem  Meer 
gezogen.  Heuthe  aber  observirten  die  Matrosen,  daß  ein  großer 
Fisch  darnach  gienge  und  immer  davon  fräße.  Sie  nahmen  den 
grOsten  Angel,  so  man  halte,  steckten  ein  zienil:  stuckh  Fleisch 
daran  und  iQßen  ihn  an  einen  dickhen  slrickh  ins  meer.  Der 
Fisch  schluckete  das  Fleisch  mitsamt  den  Angel.  In  heraufziehen 
hat  entweder  der  Fisch  den  strickh  abgebißen,  oder  die  schwehre 
ihn  abgerißen,  worauf  der  Fisch  todter  untergegangen.  Der 
Opitain  hat  ihn  nicht  genennet,  aber  so  viel  gesagt,  daß  wir 
2  tag  daran  zu  eßen  hätten  gehabt,  der  schweiff  aber  nichts  nutz 
seye,  in  welchem  er  auch  seine  slärckhe  [habe],  so  daß  er  auch 
die  Deckhe  damit  einschlagen  könne. 

Den  31^  Julij  hatten  wiir  gestrigen  favorablen  windj  und 
tiadi  tisch  ersahen  wiir  den  Engl:  Canal  zu  unsem  Trost. 

Den  l^en  Aug:  wäre  der  wind   so  favorable   als  jemahls. 
In  der  Frühe  sahen  wiir  3  schiff,   worunter  eines  ein  Franzos, 
«ias  andere  die  holländ:  Fleuti^,  das  3i^  ein  kleine  schiuppe ')  Von 
2  Masten,  so  aus  neu  Engelland-)  gar  käme.    Wiir  verwunderten 
uns  Aber   dieses  schiff,   indeme  es  auf  eine  so  große  Reiß  nur 
«  Malrosen,    i   Capitain,    i    SteuerMann   und    i   Jung  hatte.     Es 
■^rarcke  der  Capitain,  so  ein  lustiger  Mann  wäre,  unser  gesundheit 
in  Brandtwein  und  zeigte  uns  in  der  Höhe  ein  schaidt^)  stock- 
•"isch  und  sagte:   .Dieses  ist  schon  6  wochen    mein  Rindtflcisch 
*-ind  schunckcn!"      Unser  Capitain    stiege  immer  auf  die   Mast, 
■■-»m  Land  zu  sehen,  indeme  wiir  bereits  in  eben  jenen  gradt,  als 
<J CT  Canal    lieget,   gefahren,   nemlJch  den   49.  grad,  51   Minuten. 
Endl:  sähe  er  gegen  12  uhr  Mittags  das  land  Engellandt.    So- 
bald er  es   sähe,    schrie  er:    .jLand!"    mit  gröster   Freydl.      Es 
■«^urde  sodann  die  Haupiflagge  außgeslecket,  alle  stuckh  abgelöset 


■)  SchaUppe,    nlolcrdmt&ch :   Scblupe. 

S  NaienEUnil:  Oeumtnaine  liir  dtic  Reibe  noTtUmerikiniKher  Stuten,  hier 
*^l  ÜBlich  —  Nordamtriki. 

"i  Chinkleriniichc  StÜckbcicichnmig  lür  StockfiKhe.  Die  Doriehe  (gedflrrt: 
^■ockRidtt)  «cnJen  bii  so  kg  tchwcr. 


und,  so 

Tisch  var  Calmo. 

Den  2t^  dito  sahen  wür  einen  Thum  in  Canal,  so  ein 
Zeichen,  daß  man  allda  außweichen  müße,  weilen  steln-Klippen 
da  scynd.  Um  10  uhr  wäre  calmo;  um  halber  Ein  uhr  w« 
starcker  und  auch  favorabler  wind,  so  gedauert  bis 

den  3!?5  dito  um  8  uhr,  wo  wieder  calmo  wäre.  WHr 
fuhren  doch  immer  mit  der  Fluth.  Nach  tisch  tuße  des  Capibins 
sein  söhn,  so  Steuermann  wäre,  die  schlupp  aussetzen  und  führe 
an  ein  schiff,  so  von  Franckreich  nach  London  gefahren,  von 
weldiem  er  24  ft:  Fleisch  gegen  8  fk>uteillen  wein  gekauM 
Sodann  führe  er  an  ein  anderes  schiff,  von  welchen  er  Butler, 
Thee  und  rauchtobac  gekaufet.  Um  6  uhr  abends  kam  ein 
favorabler  windj  wo  wür  eben  die  Mille  des  canals  absolviret 
Wir  hohleten  2  Engl:  schiffe  ein,  deren  eines  aus  Schmimi*) 
und  das  andere  aus  Sardinien  gekommen.  Sie  berichteten  ui», 
daß  die  Saleer  jezt  auch  mit  denen  Engelländem  Krieg  fübren 
und  deren  schiff,  wo  sie  selbe  antreffen,  attaquiren,  so  uns  kein 
Freydt  wäre. 

Den  4tCT  Aug:,  wie  dann  auch 

den  5*^  dito  wäre  immer  V'origer  favorabler  wind.  GcgW 
7  uhr  abends  paßirten  wür  das  Castel  Dover,  allwo  wir  einen 
Pilot  nahmen,  weilen  am  Ende  des  Canals  sehr  Viel  Klippen  seyri     ' 

Den  6|«2  kunten  wÜr  wegen  stille  des  Meers  aus  den  Onal     | 
nicht  fahren,    weßwegen   wür  den   ancker   vor  der   Engl:  Stsrfl    ' 
Dael')  gcworffen.    Wür  fuhren  alle  auf  des  Loths  Fahrzeug  ans 
Land  und  giengen  in  die  Stadt,  wo  wür  in  ein  Gaslhauß  [. .  X 
wo  der  erste  der  Barbierer  wäre,  so  jene,  die  es  nölhig  hatte*^' 
barbierte.     Dann  käme  der  Koch,  so  uns  um  die  speisen  frag^*' 
welche  wiir  haben  wolten;  dann  der  Kellner,  was  Vor  wein  ui**^ 
Bier  uns  beliebte;  dann  entt:  auch  der  Zuckerbacher,  so  uns  Ir^ 
fragte,  was  Vor  Confecl  wiir  verlangten.    WÜr  lebten  wohl,  ab^ 
auch  theuer.     Hier   und    in   ganz   Engelland    ist  die  Modi,  d^^ 
beederley   geschlecht,  so  sie  zusammen  kommen,   bey   Empfar»  -i 
und  urlaubnehmen  einander  küßen.   So  tragen  auch  alle  Diens  '^ 


»I  Smyma,  'J  Dtal. 


^  i  .  _'ll ' 


istian  Adolph  v.  Anackcrs  Beschreibung  seiner  Reise  von  Lissabon.     3  i  1 

tk«thcn    weiße   Schöpft)    mit    fliegenden   Baladjnen')    wie  auch 
kleine  Raif-Röckh  und  weißen  oberRockh   und   Lcibel  wie  auch 
"Weiße  strumpf,  und  die  Färb  ist  an  ihnen  auch  sehr  weiß.     So 
Kommen  sie  wie  Geister  heraus,  und  in  diesem  aufzug  tragen  sie 
•auch  waßer.   Sic  scynd  meistens  rothköpfig.    Der  Capitain  trancke 
txy  tisch  seine  Portion,  so  daß  er  nicht  stehen  kunte.    Der  Wind 
Wurde  eben  favorable;  so  fragten  wiir  Paßagiers  ihn,  ob  es  rieht 
l>eßer  wäre  gewesen,  so  wür  jetzt  am  Borth  wären,  allein  er  sagte: 
«»Wür    werden    schon    noch    dahin    kommen!"     Und   weil   wiir 
sahen,   daß  mit  einem  betrunkenen  Schiffer  nicht  zu  fahren,  so 
gaben  wiir  ihme  zu  verstehen,  er  solte  sich  ausschlafen,  wÜr  wollen 
spazieren  gehen  und  abends  an  Borth  fahren.   Wiir  glaubten,  er 
werde  es  Ihun,  und  gicngen  mit  unsern  HaußPatron  und  einem 
andern    Kaufmann,  mit  Nahmen  Capitain   Mucker,  in  einen  an- 
nehral:  garten  spazieren,  wo  wiir  unterschied!:  wein,  hier,  brodt 
und    Fleischaufgeschniltenes,   guten    Engl:  Butter   und^  deme  es 
beliebte,  auch  Rauch-tobac  hatten  und  uns  bis  etwa  7  uhr  diver- 
tirtcn    und    nach    hauß   giengen    in   Mcynung,    unsern    Capitain 
nüchter  zu    finden.     Allein   au  contraire,  er  wäre   noch  voller, 
weil  er  bey  unser  abwesenheit  immer  Puntsch  getrunkhen!     Er 
säße  auf  einem   stuhl  schlafender  zum  hinunterfallen,   wie  dann 
sein  Hulh  und  Stockh  auf  der  Erde  läge)    Und  zu  allem  Über- 
fluß hatte  er  noch  vor  seiner  [!]  auf  dem  Tisch  eine  volle  schaajen 
£ngl:  Puntsch  und  eine  Bouteille  Rosoglio,  um  allenfalls  bey  der 
erwachung  gleich  was  an  der  Hand  zu  Haben!    Wie  wiir  dieses 
sahen,  allarmirten  wiir  ihn,  und  er  rumpelte  auf,  commandirte 
die  Segel  und  Matrosen,  als  wie  im  schiff,  worüber  wir  zu  unsern 
Verdruß  lachen    musten;   blieben  auch  wegen  seiner  am   Land, 
lußen  ihn   ins  Beth  promoviren.    Wiir  übrigen  aber  divertirten 
Uns   bey  einem  compendiosen    nachtmahl    bis   nach   mittemacht, 
Wo  wiir  zu  Beth   giengen   und    noch   in    der  Finster  über  des 
Capilains  Commando  gelachetj  indeme  einer  unter  uns  6  PaJ3agiers 
(dann  so  viel  waren  unser)  aus  Sachsen   ihn   immer  agirte  und 
auch  sonst  eines  lustigen  Einfalls  warcj  daß  wÜr  wenig  geschlaffen. 

■)  Schuftf,  &stcrrnchi»cii  tinc  gehcflrte  Frauen 2 iintiinhiubc.  Orimm,  D.  Wb.  IX,  1S31. 

1)  PaUtin,  Paladin,  dne  Atta  lUlspclic  ihnlidie,  vom  htTEbhingcnde  Halt. 
t>ekl6dnag  lus  lutem  Sloff.  Orimm  VU,  ttii.  Dloe  leichten  Qevrt«  mOucn  luch  dem 
t^gai  Tott  doch  wohl  hinten  m  der  Haubr  befestigt  srvcsen  sdn.  Hiernach  l>l  uidl 
i"  dct  BcÄhfdbung  dtr  Hinrei«  a.  a.  0.  S.  40.  Anm,  J  rkhllj  in  stellen. 


>0 

I 


Den  7|en  Aug:  beurlaubten  wür  uns  von  diesem  orth  und 
Kauffmann  und  nahmen  einen  Pilot  bis  Hamburg.  Der  Capitain 
kauffte  hier  1 20  üi"  Fleisch,  3  tf  thee,  20  ff  butter  und  2  Klaffter 
Holz.     Um  1t  uhr  hoben  wür  den  ancker  und  reißcten  forth. 

Den  8^  dieses  kamen  wür  in  die  Nordt-See.  Um  1 0  uhr 
morgens  wäre  der  wind  contrair,  wie  der  Capltain  sagte;  fuhren 
also  wieder  nach  Dael  zunick.  Um  4  uhr  wäre  der  wind  so 
wüttend,  daß  wür  die  obere  Mast  abnehmen  musten. 

Den  9teTi  Alorgens  gienge  der  SteucrMann,  des  Capitainj 
Sohn,  mit  den  Pilot  ans  land,  um  waßer  zu  kauften.  Um  halber' 
10  uhr  Morgens  giengen  wir  zum  2tOT  niahl  in  die  Nordt-See. 
Die  ursach  dieses  hin-  und  wiederfahren  wäre,  weil  der  Capitain 
immer  an  land  wäre,  mithin  der  steuerMann  nicht  dörffte  Von 
Borth  fahren,  seine  liebste,  so  hier  zu  Dael  wäre,  zu  besuchen. 
Dann  auf  der  Reiß  Capitain  oder  Steuer-Mann  immer  einer  an(H 
Borth  seyn  muß,  und  Von  Land  hiße  den  Capitain  der  Rausch 
nicht!  Nachdeme  wÜr  drungen  auch  darauf,  um  weiter  zu  fahren, 
so  ersinnte  er  die  Maliz')  und  sagte,  der  wind  seye  contraire: 
»wir  müssen  zurück  nach  Dael!"  ^| 

Den   tO^  und    llten   dito   continuirte   der  alte   favorable^ 
wind,    und  es   begegneten    uns  diese   2   tage   Viele  schiffe   von 
unlerschiedl;  Nationen.  ^| 

Den  I2l£2  Aug:  nachts  wäre  ein  slarcker  stürm;  alle  4  winJ^ 
wcheten  sehr  starckh,  und  wür  wurden  völlig  Segellos.  Die  strickh 
giengen  entzwey,  und  die  Malrosen  wurden  schier  zu  schwach, 
die  Segel  zu  bändigen.  Eine  wälle  schlüge  hinein  und  3  einen 
strickh  ziehende  Matrosen  nieder,  wie  die  Mehl-Säckh!  Endt: 
gienge  auch  der  Misan-Mast-)  in  stücken;  der  v.ind  broche  ihn 
ab  just  bey  der  Rundelen, ")  und  also  flöhe  raast,  Segel,  strickh 
und  alles  forlh!  Die  strickh,  so  fest  noch  waren,  wurden  ge- 
schwind loßgemacht  und  abgehacket,  und  alles  riße  der  wind  ins 
Meer!  Das  steuerRuder  musten  3  M.  regieren,  und  hatten  diese 
zu  thun  damit!     Es  wäre  jeden   bang  dabey,  auch  so  gar  d< 


1)  raallcF. 

^  Wohl  der  Beuninaft,  bd  Orrinuftern  der  hintere  Mart, 

')  Randiditc?  Vcurtchhiiig  nin  M«t  ziir  Dcrntiiping  der  Srgel.  {Rundd  uu 
mlit.  rondeUnm.)  Rundht>1i:  im  Sctiilfsbau  ([cmeine  BcKichnunK  tdr  alle  Tilzenlärmiscn 
Hötier,  die  zur  fühniag  der  Segd  und  d«  Takelvcrki  dienen.    (Orimni.) 


1 


CHiristian  Adol;^  v.  Anackers  Beschrdbuitgseiner  Retsevon  Lissabon.     315 

i 

IC^pitain.    Jeder  nach  seiner  Religion  machte  sein  andacht,  und 

l>«fohlen   uns  dem    barmherzigen   Gott.     Das   Krachen,   wie  der 

^las(  zu  trümmer  gienge,   und   der   stoß,  so  das   Schiff  darbey 

bekamme,  machte  uns  so  zusammenrumpeln,  daß  wiir  geglaubet, 

das  schiff  gehe  Voneinander  und   gehe   zu  gnindt.     ßey  anfang 

dieses  sturms   hatte  der  Capitain   die  Matrosen    mit  aller  guthe 

zum  arbeithen  und  auf  die  Mast  zu  steigen  beorderet;  allein  es 

'wolte  keiner  recht  anbeißen.     Endlich   fienge  er  auf  Engl:  an, 

Himmel,  Erde,  Engel,   Deuffel   und  alle  Elemente  zusammen  zu 

nehmen  und  so  zu  schelten,  daH  es  ein  graus  anzuhören  wäre. 

Allein  es  gäbe  aus:  die  Matrosen  stiegen  hinauf  wie  die  Kazen, 

und  in    einer  geschwind Igkeit   [waren]    alle   Segel    eingebunden. 

Zu  allem   glückh   wäre  auf  der  Misan-Mast  noch  kein  Matros; 

sonst  hätte  er  in  das  schiff  fallen  und  arm  und  bein  brechen 

oder  ins  meer  fallen  und   ersauffen   müßen.    Als  die  segel  und 

|tüs]  steuerRuder  einmaht  eingebunden  wäre,  und  der  wind  sich 

nicht  so  aufhalten   kunte,  wäre  das  gröste  vorbey,   wiewohl  wiir 

Ridit  hintern   kunten,   daß    mit   uns  die  wellen  wie   mit  einem 

Balle  gespiehlet.    Das  Meer  wäre  schwarz,  und  mit  einem  worth: 

wir  lehmeten  betten !     Die  wind    legten  sichj    haben  aber  eben 

ober   unser   ein    enlsezliches    Donnerwetter    zusammengetrieben, 

daß  wiir    alle  augenbÜckh   geforchtet,    der   Donner  schlage   im 

Khiff  ein,  oder  der  Blitz  zünde  einen  strickh  an,  weil  alles  auf 

dem  schiff  in  Bech  getuncket  ist,  wie  es  dann  Vor  unsem  äugen 

i^rs  in   das  Meer  eingeschlagen.    Da  es  gar  nicht  aufhören 

*olie,  sagte  der  P:  Carmeliter  zu  mir,   Ich  solte  zu  Ehren  unser 

lieben  h'rauen  von  H;  Scapulir')   was  betten.     Er  thate  es  eben, 

dinn  wiir  2  allein   catholisch    waren.     Er  luße  an   einem    Band 

•J«  hl.  Scapulir   ins  meer,    und    gar   bald   hat  der  stürm,   das 

Wütten  des  Meers  und   häufige  PlatzRegen  aufgeliöret,   so  daß 

billige  einander  angeschauet,  andere  aber  und  auch  der  Capitain, 

so  rcformirter   Religion    wäre,    glaubten,    es   seye    eine    Hexerei. 

Wiir  sagten,    es  seye,    was  es  wolle,   kein  Hexerei   seye  es  nicht 

Der  Capitain  sagte  spöttisch:    «Ich  habe  gar  wohl  gesehen,  daß 

sie  das  heih  Scapulier  ins  meer  hinunter  gelaßen !"    Wiir  mercketen 

I)  Dn  bnonc  (oder  schwarze]  Scapulier  der  Brudcndiaft  U.  L.  Fr«  vom  Berge 
CviMl  (Omeliter-Scapuli»).    Vgl.  du  Kiretienlexlkon  von  Wetzer  u.  Weite. 


314 


Th.  Renaud. 


es,  und  damit  nicht  gar  ein  Religionsdisput  herausgekommen, 
sagten  wiir:  >Wiir  wollen  von  diesem  nicht  reden,  sondern  jed- 
weder Gott  dancken,  daß  er  uns  erhalten,  dann  dieser  uns  alleia 
geholffen.  Übrigens  bleiben  wiir  die  alten  guten  freyndt!*  ^ 
s^en  eben  dieses.  Wiir  hatten  sanfften  wind,  so  doch  mdir 
vor  Calmo  zu  halten  wäre,  wo  unsere  Matrosen  Zeit  hatten, 
in  Sturm  Verlezte  slrickh  und  Segel  auszubeßem. 

Den  I3t^  Morgens  um  8  uhr  sahen  wiir  eine  Insul,  mit 
nahmen  zwar  heilig  land,*)  in  der  that  aber  Deuffelsland,  dann 
lauter  Hexenleulh  allda  wohnen.  Sic  seynd  Pilots,  so  die  schiffe 
in  die  Elbe  führen  und,  so  man  ihnen  nicht  gtebt,  was  sie  b^ 
gehren,  so  offt  in  mehr  dann  100  fl.  bestehet,  da  machen  sie 
gleich  Donnerwetter  oder  machen  sonst  einen  schaden  im  schiS. 
Wiir  haben  doch  keinen  genommen,  weil  wir  den  alten  Voo 
Dael  noch  hatten,  fuhren  aber  weith  um,  damit  sie  uns  nicht  so 
gleich  absorbirten,  sind  auch  glückl:  ihnen  entgangen.  Nachraittig 
kamen  wiir  in  die  Elbe  um  3  uhr.  Wir  abandonnirten  den 
loths  von  Dael  und  nahmen  einen  neuen,  welches  letztere  ein 
Muß  ist.     Wir  anckerten  vor  Cogshagen.-) 

Den  1 4tCT  Aug:  hoben  wir  vor  Cogshagen  den  ancker  und 
fuhren  zwischen  schönen  gebäuden,  Waldungen  und  Feldern  «d 
der  Elbe  forth,  aber  ganz  langsam  wegen  der  Sandbänckh,  wfc 
dann  ein  Malrose  außer  dem  Borth  immer  das  bley  geworffCB 
und  geschrien,  wie  tief  das  waßer  scye.  Dieses  bley,  einen  Kegd 
gleich,  hat  unten  eine  cavität,  in  welcher  fette  oder  Inschlit  isi, 
an  welche  sich  die  steinerl  oder  Sand  des  grunds  anhencktt, 
und  man  siehet,  was  vor  grundt  seye;  am  strickh  aber  ist  jede 
Klaffler  mit  einem  Knopf  gemercket.  Heuthe  abends  blieben  wiir 
liegen  zu  Stade,  wo  die  Engl:  Maulh  ist  Der  steuerMann  fuhfc 
an  das  bnd,  um  das  schiff  franco  zu  machen.  Er  schickte  di^ 
Bott  aber  wieder  zurück  und  luße  sagen,  daß  das  schiff  schOO 
franco  seye  gemacht,  er  aber  am  Land  weiters  nach  Hamburg 
gehe.  Hier  lieget  auch  Statt  einer  Vestung  ein  Kricgs-schlff  Vor 
Ancker;  zu  diesem  schickten  wiir  um  die  Erlaubnus,  den  ancker 
zu  heben.  Es  wurde  erlaubet,  und  wiir  fuhren  bis  Vor  tief- 
Mühlen,")  wo  wiir  vor  ancker  übernachtet 

i>  Hcl|oliRd.         1}  Cnxhifcn.         *)  Nram&hlen. 


M 


Den  15|£5  Aug:  hoben  wir  Morgens  um  7  uhr  den  ancker. 
Wiir  hatten  langsamen,  doch  favorablen  wind ;  wür  warffen  die 
bothen  aus  urd  ladeten  die  slückhe.  Endl:  kamen  wiir  um  8  uhr 
Vor  Hamburg  an.  Wiir  warffen  den  Ancker  und  löseten  die 
stuckh  und,  gleichwie  allezeit  das  schiff  Vor  Ancker  sich  wieder 
die  Fluth  wenden  muß,  so  hatte  ich  noch  zu  guter  lezl  bey 
Wendung  des  schiffes  das  sleuerRuder  regieret.  Wiir  stiegen  Von 
Borth  in  die  Both  und  fuhren  an  das  land  in  des  Capitains 
behausung,  wo  seine  Frau  uns  einen  Thec  gäbe.  Wiir  schicketen 
unterdessen  den  Von  dem  Hamburg:  Consul  M^  Stöckeier 
an  seinen  Schwager  H"  Rani  in  bekommenen  avis-Brief  an  den 
lezteren,  so  uns  gleich  durch  seinen  Bedienten  abhohlen  luße 
und  uns  mit  besonderer  arth  aufgenommen,  sich  auch  ausgebetten, 
bei  ihme  zu  wohnen,  so  wiir  auch  gethan.  Diesen  Nachmittag 
gienge  ich  zu  H:  v.  Klevecker,  so  Syndicus  zu  Hamburg  und 
guter  Bekannter  meines  Seel;  Vatters  wäre,  mit  den  von  meiner 
Frau  Mutter  mitbekommenen  Brief.  Wiir  kunten  nicht  gleich 
vorkommen,  dann  er  Frembde  leuthe  bey  Sich  Hatte,  ich  mich 
i  auch  nur  als  einen  Frembden  anmelden  laßen.  Nachdeme  es 
aber  zu  lange  gedauret,  schickte  ich  den  Brief  hinein,  luße  meinen 
Nahmen  melden  und  sagen,  daß  ich  ein  anders  mahl  komnien 
werde,  wann  selber  mehr  Zeit  Haben  solle.  So  bald  er  meinen 
lähmen  gehöret,  stunde  er  alsobald  vom  Tisch,  wo  er  noch  mit 
seinen  gasten  geseflen,  auf,  gienge  mir  entgegen  und  empfinge 
wich  mit  besonderer  distinction,  daß  er  dieses  nicht  gehoffel, 
mich  zu  Hamburg  zu  sehen ;  machte  auch  viel  expressionen  derer 
Ehren,  so  er  Von  meinen  Vattcr  Seel:  in  Wienn  empfangen 
hätte.  Er  prcscntirlc  uns  ein  glafi  Burgunder  und  anderes 
Confed,  lüde  uns  auf  den  19.  auf  Mittag  ein,  offerierte  mir 
seine  Freyndtschaft  und  luße  uns  endl:  mit  einen  Wagen  nach 
Hauß  bedienen.   - 

Den  I6t^  giengen  wiir  Vormittag,  die  Stadt  und  Wercker 
«lerselben  zu  sehen.  Nach  lisch  Ihate  mir  H:  v.  KIcvecker  die 
Ehre  und  besuchte  mich  in  meinem  logement  bei  M^  Ramin. 
tr  offerirte  sich,  mich  in  ein  und  andern  garten  zu  führen,  und 
ßWchwie  ich  dieses  offertum  mit  Verbunde[n|sten  danckh  acceptirle, 
^  stiegen    wiir  in  seinen  Wagen,   und  wiir  sahen  unterschiedl: 


Th.  Renaud. 


I 


gärten,  welche  mit  den  schönsten  alleen,  statuen,  parterre,')  Wasster- 
Künsten  und  Cascaden  gezieret,  so  daß  des  Menschen  Aug  niczHt 
nur  erquicket,  sondern  auch  über  der  Menschen  Kunst  la  »i*^ 
Fleiß  in  Verwunderung  gesetzet  wurde.  Als  es  abend  wur<J^ 
fuhren  wiir  zuruckh,  und  er  sezte  mich,  nachdem  ich  mich  ^^ot 
die  erwiesenen  Ehren  bedancket,  in  meinem  Quartier  ab.   — 

Den    l7tM  Aug:   giengen  wiir  auf  den  ganzen  tag  zu  cS  ^"^ 
H;  Ackefj   einen  Kauffmann  in  seinen  garten,  wohin  wiir  c^^^H 
H:  Ramin  eingeladet  worden,  und  sehr  lustig  bey  einer  starct^»* 
Compagnie  waren. 

Den  18^  dito  Frühe  verrichteten  wiir  unser  andacht  b^ -^^ 
den    R.   P:  Jesuiten    zu    AI  ton  au.     Es    seyndt   ihrer    5,    a    '^'' 

P:  Peter,  P:  Helfer,  so  oberer  ist  dazumahl  gewesen,  P:  Limbei "^^ 

P:  Lenzen    und    P:  Roilen.     Diese,   um  vor   den    Lutherane       *^ 
sicher  zu  seyn,  haben  die  Protection  des  hiesig  Kays:  Residenter^^"' 
H:  V.  Kurzrockh.     Sie  gehen  auch  alle  weldtHch.    Nachmitt^^^^ 
seynd   wiir  mit    H:  Ramtn   in    gärten   gefahren,    wo   wÜr,    w — ^Ih 
neulich,  viele  raritäten  gesehen.  ^| 

Den    19^^  schickte    H:  von  Klevecker    seinen  Wagei 
um  bey   ihm  zu  speysen,  so  auch  geschehen.     Es  speysete  au( 
allda    Ein    gewißer    H:  v.  Anckermann,  so  gesagt,    daß 
meinen  seel:  Vatter  wohl  gekennet  habe.    Nach  Tisch  führte  ui 
M'  Klevecker  in  eines  seiniger  Bekannten  Hauß,   um  eine  luthc 
rische    Leiche  eines   reichen    Kauffmanns  zu   sehen.     In  dieser*""*^ 
Haus  waren  die  Zimmer  kostbar  meubliret,  alles  von  gold,  so 
gar  die  Sesseln  mit    goldsluckh    überzohen  und  reich  geslicket^" 
Man  offerirte   uns  hier  Früchlen   und  wein.     Endl:  fuhren   wiir*- 
noch   einmahl   zu   M*^  Klevecker,  wo  wiir   bis  abend   geblieben^ 
allwo  wiir  uns  vor  die  Ehren  bedancket  und   in  seinem  Wagen: 
nach  Haus  gefahren.     Er  wäre  sehr  Curios,  zu  wißen,   wer  der' 
P;  loannes,  so  immer  weldÜ:  gegangen,  doch  seye;  allein,  wie- 
wohl er  die  dißcours  hin  und  her  gerichtet,  kunte  [er]  doch  nicht 
darauf  kommen,   wiewohl  er  es  bey  sich  mag  gemerckt  haben. 

Den  20tm  fuhren  wir  auf  der  Alster  in  einem  lust-Sdiiff 
spazieren.    Dieses  waßer  oder  Fluß  ist  sehr  angenehm,   wo  be- 

1}  Oartenbole. 


ständig  leuthe  einander  begegnen  mit  Music  und  andern  lustigen 
^Ilompagnien.  H:  Ramin  sagte  uns,  daß  Viete  heyrathcn  diesem 
^^vaßer  zu  danken,  weilen,  wann  sonst  keine  gelegenheit  Vorhanden, 
X>ekannt  zu  werden,  so  werden  sie  auf  diesen  waßer  bekannt,  und 
^ehet  es  zu  in  spazierenfahre n^  wie  zu  Venedig.  Man  nehmet 
^uch  Eßwaaren  und  Wein  zum  Jausen')  ins  schiff  und  bisweilen 
^uch  Karten  zum  spielen.  Heuthe  haben  wiir  mit  dem  Magde- 
Kjurger  bothen  bis  Leipzig  contrahiret,  welcher  von  uns  be- 
BKOmmet  27  fl.  ohne  Kost.  Er  wird  den  23»-  dieses  erst  weggehen, 
cuthe  haben  wiir  unser  Portugesisches  geld  auswechselen  laßen 
jnd  den   I2|en  f].  fahren  lassen  müßen. 

Den   21ten  Aug:  seynd  wiir  mit  H:  v.  Klevecker  um  die 

5tadt  und  auf  den  wällen  spazieren  gefahren,  welche  efncm  garten 

bleichen,  indeme  bäum  und  andere  in  denen  gärten  sich  befind- 

ichc  gewächs  allda  stehen.     Wo  wiir  gefahren,    präsentirte  dem 

V.  Klevecker  (weil   er  Syndicus  wäre)  die  schildtwacht  nebst 

er  ganzen  Wacht  das  gewehr. 

Den   22[eii  dito   hatten   wiir   in   der    Frühe   unser   Bagage 

icder  eingebacket.  Wiir  giengen  sodann,  uns  bcy  H:  v.  Klevecker 

beurlauben.   Er  wolle  mich  nicht  fortlaßen,  und  solle  ich  zum 

eztenmahl   bey   ihme  speysen.     Weil  ich  aber  bey   den   R.  P: 

esuiten  schon  eingeladen  wäre,  so  bedanckte  mich  so  wohl  vor 

icsc  als  viele  andern  empfangenen    Ehren.     Er  luße  mich   mit 

inem    wagen    dahin    bedienen,    und    nachdeme    wiir   uns   bey 

iesen  PP:  auch  beurlaubet,  giengen  wür  bey  zeilen  nach  Hauß, 

m  morgigen  tags  desto  ehender  uns  reisefertig  zu  machen.   Ich 

hricbe  noch  ein  mahl  an   meine   Fr:  Mutter,  in   fall  der  erste 

rief,  so  ich  bey  der  ankunfft  in  Hamburg  geschrieben,  in  Lißabon 

■atcht  angekommen  wäre,   worinnen   ihr  geschrieben,  daß  durch 

»öttl:  Onadt  das  Meer  glückl:   paßiret.     Abends  thate  H:  Ramirt 

mm  noch  die  lezte  Ehre  an   mit  einem  tradament.     Wiir  hatten 

Jim,  uns  zu  sagen,  was  wiir  Vor  die  gemachte  Jncommoditätea 

huldig;    allein  er  wolte  hierVon    nichts  wißen,    und  mus  ich 

^Tty  bekennen,  daß  ich  in  Hamburg  mehr  Ehren,  als  ich  gehoffet,, 

empfangen  und  diese  Von  Icuthcn,  denen  ich  ein  Ehr  entgegen 


>)  Jjasen  {Sttor.]  =  dM  Nachmiltaciimbii  nehncn,  vcipem,  ftUf  dem  SlavlKhoi;. 
■^»eniKh  :  lushiiu  inilU£«Mcn  (Lex«). 


^ 


zu  weisen  vielleicht  niemahls  gelegenheit  haben  werde,  welche  mir 
doch  wünschete.  Unsere  Bagage  gicnge  heuthe  schon  auf  der 
Elbe  fort  bis  Winsen,')  allwo  die  wägen  stehen,  weilen  kein 
Fuhrmann  auf  den  Land  nach  Hamburg  völlig  fahret,  um  die 
übergroße  iMauthen  zu  crspahren. 

X  Den    23ten  Aug:    giengen    wiir   in   aller  Frühe,    uns  bey 

H:  Ramin  noch  ein  mahl  zu  bedancken,  welcher  uns  noch  ein 
Frühestuckb  gäbe  und  mit  uns  an  die  Elbe  führe,  um  uns  allda 
sehen  auf  den  waßer  forthfahren.  Wiir  musten  aber  bis  12  uhr 
auf  die  Fluth  warten,  allwo  wiir  auf  einem  schiff,  so  in  Hamburg 
ein    Milg-Eger-)    heißet,     abfuhren.      Wiir    hatten  Calmo    und 

i.     kamen  erst  um  6  uhr  abends  zu  Winsen  an. 

Den  24^  muslen  wir  den  ganzen  tag  warten  auf  die 
Bagage,  so  erst  uni  12  uhr  anlangte,  allwo  sie  erst  nachmittag 
hat  aufgebacket  werden  müBen ;  dann  unser  Fuhrmann  3  Gülher- 
wägen  hatte.  Wiir  fragten  um  unsern  wagen,  so  ^^iese  er  uns 
einen  solchen  gütherwagen!  Als  wiir  ihn  verwiesen,  daß  dieses 
der  Contract  nicht  wäre,  so  sagte  er,  er  habe  keinen  andern! 
So    musten  wiir   uns   bequemen^    fuhren    also  um   6  uhr  forth 

I.      abends  und  in  Ludorff*)  bey  einem  guten  Würthshauß  abstiegen. 
Den   25t£n  dito  stiegen  wiir  mit  den  Tag  in  die  wägen 

rg.  und  kamen  bei  üblen  weeg  nach  Lüneburg,  so  ein  schöne, 
mit  einem  festen  Schloß  Versehene  Stadt  ist;  auch  ein  gutes 
wörthshaus  fanden    [wir  dort].     Nachmittag   hatten   wiir  schöne 

td.    Zeit  und  weeg  und  übernachteten  zu  Minebillel.*} 

Den  26t£n  dito  sezten  wür  unser  Reise  forth  bey  Heitern 
Tag  und  mittagmahlten  zu  Ilsen.')  Nachmittag  hatten  wiir  sehr 
sandigen  weeg  und  Vielen  Regen;  kamen  doch  endl:  abends  zu 

I       Wiern*)  in  einem  paßablen  Würthshauß  an. 

Den  27|^  hatten  wiir  Vormittag  Vielen  Sandt,  aber  einen 

g.  schönen  Tag;  mittags  Kamen  wiir  in  den  neuen  Krug.  Nach- 
mittag fuhren  wiir  in  beständigen  Sandt  [und]  übernachteten  in 

I.      einem  elenden  Würthshauß  zu  Tibern.") 

Den  28tcn  dito  hatten  wiir  so  wohl  guten  Weeg  als  einen 


')  WinKH.    Htij.-Bt);,   Läncburg. 

*}  Milchn-cr  (Ev«t,  kidne  ZmmiKcr  für  Kflrten-  und  PlufiKhi (fahrt). 
dorf.         *}  Blerenbattel.        >)  UH2«ii.        «]  Witrni. 
1)  Dcf  Ort  iil  »cliwer  zu  bnüinnien. 


>)Ufa- 


schönen    Tag.     Mittags   langten   [wir]    an    zu    Enforn')    und      Enfora. 
abends,  nachdem  wÜr  sehr  grundlose  weege  hatten  paßirel,    zu 
Colpes,')  allwo  wür  ein  wohl  eingerichtetes  Würthshauß  fanden      Coipet. 
und  wohl  lebten.  ■! 

Den  29lCT  dito  hatten  wür  Z\^'ar  einen  schönen  Tag,  wurden 
aber  sehr  gebeitelL     Mittags  stiegen  wür  in  den   burgerl:  Krug Burscri:  Kmg. 
ab.    Nach  Tisch  hatten  wür  einen  berg  von  2Vt  Meilen  zu  be- 
steigen, welchen  wür  sehr  Langsam  mit  Vorspann  paßiret   Abends  ^|| 
waren  wür  in   Sa  m  seh  wein*),  einem  Zwar  schlechten,   doch  siniidiwA.' 
aber  mit  einem  raisonnablen  würthshauß  Versehenen  Dorff. 

Den  30|gn  dito  stiegen  wür  sehr  frühe  in  die  wägen^  damit  ^| 

wür  auf  Mittag  nach  Magdeburg  kamen,  so  auch  geschehen.  Migdebörf. 
Allhier  verbüeben  wür  auch  Nachts,  dann  der  Both  hier  zu  thun 
und  an  wägen  was  zu  repariren  hatte.  Wür  sahen  immer  die 
Preyß:  Soldaten  mit  Krügen  gehen,  welche  entweder  aus  dem 
unsem  würthshauß  gegenüber  gewesenen  Keller  Bier  oder  Butter- 
Milch  gehohlet  Die  Stadt  ist  wohl  fortificiret,  hat  einen  3  fachen 
graben  mit  flüssenden  Waßer  und  allenthalben  guthe  Mauern. 
Nachmittag  kamen  wür  in  dasige  Thoni-Kirchcn  des  heil:  Norberti, 
so  Vorhero  denen  Cath:  zugehöret,  aber  ihnen  von  denen  luth: 
weggenommen  worden.  Es  waren  noch  Kelch  und  alle  Meß- 
gewandter Vorhandlen  in  der  Sacristey,  so  sie  aufheben  und 
denen  Frembden  zeigen.  Sie  wurden  uns  auch  gewiesen,  wür 
aber  sahen  sie  mit  wehmüth:  Herzen  an.  In  dieser  Kirch  ist 
auch  ein  artige  Kanzel,  so  eine  große  thür  formiret,  und  auf 
einen  stoß,  den  man  gegen  die  Kirchen  [!)  Von  inwendig  thut, 
fallet  die  Canzel  herauß:  die  thür  ist  sodann  das  loch,  wo  der 
Prediger  auf  die  Canzel  steiget. 

Den   31^  Aug:    fuhren   wür    bei   schöner   Morgen-Röthe 
aus  Magdeburg   und   hatten   bis  Salsen')  schönen  weeg,   wo      suko. 
wür  das  Mtttagmahl  eingenommen.     Nach  Tisch  wäre  eben  der 
Tag   favorable,    der   Weeg    steinig    bis   nach    0  e  r  v  i  z,  *)    wo     omix. 
wür  geschlaffen. 

Den  l|«n  Scptembris  fuhren   wür  bey   trüben  weiter  und 
paflablen  weeg  bis  Byscke/)   wo  wür  paßable  gelebet.     Nach      Byine. 

>)  Der  Ort  lit  ichver  lu  bestimmen.         *)  Sanuvegcn.         *)  OroBuIw.  ' 

•)  OrnriU  (OobiU}  in  Anhxtl. 

*)  Päslgk?  (prtnB.  £nkUvc  in  Anhiüt). 


320  Th.  Renand- 

Tisch  continuirten  wiir  unser  March-route   und  übernachtete»!  in 
der  teutschen  Blum,')  wo  wiir  guth  bewürthet  worden. 

Den    2ten    jbns   hatten   wiir   sehr  Vielen   Sandt,    daß      die 
Pferdte  zu  thun   hatten,  die  Wägen  heraus  zu  bringen.     Mitlap 

«Ml      spciöetcn  wiir  zu   Crivon,*)    abends   aber   arrivirten   wiia'  i" 

ffii-      Leipzig,  wo  wiir  auch  den 

5tcn  dito  geblieben.   Wiir  zahlten  hier  unsem  1andkut&<=htr 
aus  und  Contrahirten  mit  einem  neuen  um    18  fl.   bis  Cac^a" 
in  Böhmen.     Dieses  war  ein  saubere  ganz  gedeckte  chaise     ™'' 
3  pferdten,   und  wäre  dieses  ein   eigen  vor  uns  aufgenomir»  *<*         ^ 
gelegenheiL     Wür  wurden   hier  visitiret.    besahen    den    Mar"***«      '  ^ 
Rathhauß,  einige  Kirchen,  die  Vestungs-wercker  und  einige  IC^"*' 
mannsladen,  wo  wiir  ein  und  anders  gekaufet.    Der  P:  Carmel  ■  *^'^' 
so  mit  mir  gereisef,   giengc  immer  weidlich.     Bey  unsem  O^^^' 
Patron    erfuhren    wiir,    daß   wiir    bey    unsem    ab^ren    uns^*^ 
nahmen  und  condition   melden  müßen.     Wiir  sagten,   man  s^*^* 
es  wohl   im    Paß,   wer  wür  seyen;   der   Gast-würth   aber  sa^^ 
ganz  frey  zu  den   P:  Canneliter:    »Es  brauchet  nicht  Viel;      ^* 
sagen  nur,   sie  seyen   ein  P:  Carmeliter,   so  in   seine  Provi  'T 
reiset!"     Wiir  stuzten    über   diese  Rede  und  kunten   uns  ni^^ 
einbilden,  wie  er  es  erfahren,  außer  etwa  Von  den  landtkutscher, 
es  Vielleicht  in  Hamburg  von  den  Capitain  erfahren  haben  mi 
Den   4ten    7  bris  fuhren   wir   mit   den   neuen  landtkutsch 

iHü.      aus  Leipzig  und  Miltagmahleten  zu  Cetlitz,*)   wo  wiir  gen 
vor    uns     fanden.      Nach    tisch     fuhren     wiir     bey     variabi 

luig.      wetter  bis  Phulg.  *)  ^ 

Den  S|£n  7bris  continuirten  wiir  mit  den  Tag  unsem  weeg^^^ 
weichen  der  Kutscher  aber  nicht  wohl  gcwust   Mittags  speißete^  ^ 

miti.     wiir  zu  Kemnitz.*)     Nach  tische  weil  der  wörth  gesaget,   da^^"^!! 
unsere  axen   zu    breith   wären,    wolten   wiir  mit  einem   and 
Kutscher    contrahiren    und    unsem    alten   ein   aequivalent   geben^ 
welcher    eben    zufrieden    gewesen   wäre,   weil   er  seinen   wagen 
nicht  miniren  laßen  wolte  und  bekennen  muste,  daß  derselbe  [!1 
den  weeg  nicht  wüste.     Allein   die   hiesigen   Kutscher   begehrten 
so  Viel,   daß   es   nicht  zu  sagen!    Ja^    da  sie   nichts  nachlaßen 


1 

I 


■)  Wo  gelten? 

^  GreppiR  (RMUcb  von  Bitterfcld)?        i)  Zedtilu.        •)  Pcniff?        s)  ChcnniU. 


1 


[ChrisHan  Adolph  v.  Anackers  Beschreibung  seiner  Reise  von  Lissabon.    32 1 

wollen,   resotvirten  wür  uns,   unsern  alten   ihnen  zum  Tniz  zu 

behalten.     Da  wür  in  unsern  wagen  gestiegen,  sagte  einer  von 

'.denen   frembden   Kutschern:    «Fahre  nur  forth;    Du   solst  nicht 

weith  kommen!"     Und  in  der  thal,  er  hat  es  entweder  gehcxct 

oder  Vorgesaget,  indeme  wür  bis  8  uhr  nachts  in  lauter  wälder 

gefahren,  auch   nicht  ein  mahl    einen  Weeg  hatten,   sondern  in 

lauter    Oraß    über    Hügel    und    graben    und   Stauden    gefahren! 

Wiir  erzümeten  uns  über  den  Kutscher,  daß  er  ein  fuhr  nehme, 

wo  er    den   weeg   nicht  wiße;    er   aber    bathe   um   Vergebung. 

End!:  kamen  wiir  aus  den  wald   zu  einem  elenden  BauemHauß, 

wo  wiir  einen   Mann    aufnahmen    zum   wegweisen.     Dieser  alte 

sezte  sich    hinten  auf  die   Bagage  und  schliefe!     Der  Kutscher 

fragte  ihn  et):  mahl,  ob  er  recht  fahre,  so  antworthcte  dieser  im 

schlaff:  Ja!     Wiir  kamen  endl:  zu  einem  See.    Als  der  Kutscher 

dieses  sähe,  hielte  er  und  gäbe  den  alten  etl:  ermahnungen  mit 

der  Peitschen,  allwo  er  erwachet  und  auf  unsern  befehl  voraus- 

^hen  muste.    Er  ginge  aber  so  weith  von  wagen,  daß  man  ihn 

^ar   nicht   sähe,   und   wÜr  fuhren    über  graben,   berg,   thal   und 

.acker    immer    in    keiner   Glaß !  *)     Wür  stiegen  also  selbst  aus 

und   giengen    mit  dem   alten,   damit   wiir   ihn   in   äugen  hatten. 

^jir  sahen  Von  weilhen  ein  liecht;  so  sagten  wiir:  »Da  ist  ein 

orth;  dort  wollen  wiir  bleiben,  es  seye,  wie  ihm  wolle!"     Wiir 

.^engen  alle  mit  dem  alten  und  fanden  einen  weeg;   kamen  zu 

^nem  thal,  wo  wiir  hinunter  musten.     Die   Räder  wurden  ge- 

■^perret;  allein  der  berg  wäre  so  gäh,  daß  die  Pferdt  von  wagen 

:xiied ergestoßen   wurden   und   der   Kutscher  Von  wageo   zu  den 

Ä'ferdten   floh!     Als  wür  in  Thal   [waren],   wurde  der  Kutscher 

:^omig  über  die  Pferde  und  sprengete  mit  ihnen,   was  er  kunte, 

Mdis  an  einen  hohen  berg.     Wür  sahen  zwar  Tritt  Von  Vieh  und 

^euihen,  aber  keine  Wagengeleiß!    Auf  diesem  berg  waren  über- 

.'erg    bäum    geleget    wie    staffeln.     Wür   erschracken    darüber, 

Igten  aber:   »Wiir  müßen  hinauf!",  weil  an  diesem  berg  oben 

das  ortfa  wäre,  so  wür  sahen^  und  es  schon  10  uhr  in  der  Nacht 

^^^arc!     Der  alte  wüste  auch  keinen  weeg!    So  muste  er  auf  das 

N/orderc  Pferdl  aufsitzen,  damit  er  und  der  Kutscher  sie  zugleich 

>)  la  keinein  Olris  (=  Wagtniirar};    tiernjcüi  t:it  alkrdlngi   .keine  Vigengeleta* 
AnhiT  rfir  Koltiirgwchichte.    VI, 


anstrengefe;  wiir  aber  giengen  immer.  Des  allen  Pferdl  aber 
zohe  so,  daß  es  bcede  sträng  abrcißctc  und  der  alte  den  ganzen 
berg  hinaufgerilten,  wobey  er  geschrien;  »Es  gehet  )a  ganz  leicht!- 
Der  Kutscher  schrie:  -Halt",  der  alte  aber  wieder:  .Ich  kann  nicht 
halten;  denn  es  gehet  schon!"  —  worüber  wiir  bey  unscrm 
Verdruß  lachen  musten.  Der  alte  machte  das  Pferdt  wieder  an 
wagen;  aber  es  wolte  nicht  ziehen.  Bis  halben  berg  ging  es 
endlich;  aber  der  wagen  wurde  rücltwerths  lauffcndt  und  schleppte 
alle  Pferdt  bis  in  thal  mit  sich !  Endl:  wäre  kein  mittel,  wiir 
giengen  selbst  den  berg  hinauf  in  das  orlh  und  höhlten  Icuthe, 
um  uns  zu  helffen.  Sie  kamen  bey  20  mit  llechtcm  und  halffen 
den  wagen  hinauf,  wo  wiir  gleich  ins  würthshauß  gefahren  um 
1 1  uhr  Nachts.  Wiir  haben  diesen  leuthen  allen  guthes  Trinck- 
geldf  gegeben.     Sie  verwunderten  sich  sehr,  daß  wiir  da  in  das 

'  orth  gekommen,  indeme  sie  sagten,  daß  bey  menschens  gedencken 

da  niemand  gerilter,  Viel  weniger  gefahren,  weil  dieses  der  Kühe- 
Wceg  seye!  Wiir  kündigten  unsern  Kutscher  an,  daß  wiir 
morgen  bis  Cadan*)  ein  ander  gelegenheit  nehmen  werden  und 
selbe  ihn  abziehen  werden.  Weil  er  uns  aber  um  Verzeihung 
gebctten  und  seine  Pferdt  vorgeschutzet,  als  welche  auch  wie 
abgestochene  Böckh  mit  Verkehrten  äugen  und  völlig  geschundten 
im  stall  lagen,  auch  Viel  riemenwerck  zerriRen  worden,  so  gaben 
wiir  ihn  den  Völlig  conlrahirten  lohn,  sagten  ihm  aber,  künfflig 
kein  Fuhr  anzunehmen,  ohne  den  weeg  zu  wißen.   Wir  schliefen 

schobau.     an  diesem  Orth,  so  Schobau')  gehießen.  ■Ü^H 

Den    6^    nahmen    wiir    des    Würth    seinen    wagen    iS^^ 
2  Stareken  schimmeln,  und  an  unsem  wagen  nahmen  wir  Vor- 
spann, weil  wiir  einen  berg  zu  paßiren  hatten.  Mittags  speißetcn 

Rofanitz.  wir  zu  Robnitz.")  Nach  tisch  fuhren  wiir  bis  Marinberg.^) 
so  das  lezte  Orth  in  Sachsen  wäre.  Wiir  zeigten  unsem  Paß 
und  trancken  das  lezte  mahl  ein  Bier  in  Sachsen.  Wiir  fuhren 
über  die  brücken,  so  waren  wiir  schon  in  Bö  heim  und  in 
Cath:  flrthcm,  wo  uns  die  leuthe  schon  mit:  Gelobt  sey 
Jesus  Christus  begrüßet,  welches  uns  recht  erfreuet  Nachts^ 
bMiubcrs.  blieben  wir  zu  Sebastianberg.*)  ^m 

Den  7tcn  visllirte  uns  die  Mauth  sehr  scharff,  wolte  so  gar 

')  Kudtn.        *)  Zscbopau.         *)  Zöbliu  ?        *)  Marienben:         *)  Stbistfanfbcrs. 


di^  König):  Praesenten  eröffnen!    Endl:  gaben  sie  uns  ein  Baletl 

l>is  Prag  mit,  daß  es  urvisitiret  seye.     Wiir  fuhren  sodann  bis 

dladan,*)   wo  der   P:  Carmeütcr  gebohren  wäre.     Wiir  fuhren      Ctd« 

in     das  P:  Minor! tenCloster,  wo   der  P:  loannes  einen  Brüdern 

hatte,   so  aber  nicht  zu  Hauß  wäre.     Hier  blieben  wür  bis  den 

1  5tm.      Wiir    wohnten    in    MinoritenKCoster,    und    der    dasige 

F*:     Guardian  erwiese    uns   alle   Ehren,    wie  auch   H:   Otto,   ein 

Vetter  von  P:  loannes.     Wiir  fuhren   auf  das   CarmeliterOuth 

I—ibetitz,')   wo  wiir  ein  paar  mahl  allzeit  2  tag  geblieben  und 

der  P;  Provinzial  von  denen  Carmelilem  wäre,  so  den  P:  loannes 

t>efohlen,    nach  Wienner:  Neustadt    als  SubPrior    zu    reisen. 

Ich  führe   mit  dem  P:  Provindal  derer  Carmelitern  einmahl  mit 

&    Pferdten;   denn  dieses   eine  große  herrschaft  ist,  welche  nebst 

>^och   einer  dem  miraculosen  JesuKindl,   das  die  Carmeliter  in 

^^^rag  haben,  Von  einer  Gräfin  in  Testament  Verschaffet  worden, 

'-»nd  sie  allso  jenes  halten:  qm'  servit  altari,  vivat  ex  altari.   Diese 

^^«Tschaft   hat   ein    schönes  schloß,    Viele  unlerlhanen   und  ein 

*~^arTer  mit  Caplan,  wo  die  Carmeliter  das  Jus  praesenlandi  haben. 

*^^^r  Pfarrer    ist    ein  Petriner,*)     Dieser  hat  uns  auch  ein  mahl 

"actiret,  wie  dann  auch  der  Infulirte*)  Decanus  Von  Cadan,  der 

I  seiner  PfarrKirchen   ein  unverwesenes  Kind  hat,   das  ein  Jud 

"mordet   hatte.     Als  wiir   uns  hier  wieder  Von   allen,    so   uns 

Iren    erwiesen,    beurlaubet,    nahmen    wiir   Von    der    gedachten 

fcrrschaft    Libetitz    Von    denen    unterthanen    ein    Caleß  *)    mit 

^      Pferdten     vor     uns    und    einen    Bagage-wagen    mit    andern 

^     Pferdten.     Althier   hatte  auch   der   P:  Carmeliter  seine  weldl: 

*^leyder  ausgezogen  und  sein  geisti:  ordensKleydt  wieder  angeleget. 

Den    I5j£n    7bris   fuhren    wiir    erstbedachter    maßen    aus 

^^adan,  speißeten  in  den  schloß  Libetitz  und  continuirten  unser     Ubeu 

^eiß  bis  Petiz,*)  wo  wir  geschlaffen.  pnt; 

Den  1 6_ten  fuhren  wiir  bey  schönem  wetter  bis  Hoblenz,')     Hobit 

'^o  wiir  gespeißet.     Wür  hätten   zwar   nach   Prag   auf    Mittag 

kommen   können;   weil   aber  die   Carmeliter  schon    würden   ab- 

ßespciflet  haben,    so  blieben  wiir  zu   Hoblenz   und   kamen  um 


■)  Vgl.  S.  m,  A.  1 .         1  LibodU  {Llb«dice}. 

i  Prtnji  Fourleri  Sliflcr  dn-  CciigrrsallDn  U.  L.  fr.  und  Rclonnitor  der  repilieilen 
Ckofherroi,    t    UMO,     SeUz   artptodim    1730.     (Wdicr    und    Welle.) 

•)  Infvl:  BJKhoftniGizc;  infulirl:  In  biKhÖfllchnn  Ruifc.  *)  K>l«Khc.  *>  Pe- 
*"titi}         7)  Hobichowiu? 

2\* 


tng,  3  ubr  in  Prsg  an.  Wiewohl  die  Maulb  in  Prag  sehr  scharff, 
so  fuhren  wiir  doch  vorbey,  und  da  der  Bagagewagen  an- 
gehalten wurde,  so  zeigten  wiir  den  Paß;  so  führe  er  auch  frey 
fortb.  Wiir  wohnten  bey  denen  Carmelltem  und  besahen,  was 
merclcwürdig,  verrichteten  unser  andacht  bey  dem  JesuKindl  (so 
eben  kurz  vorhero  bestohlen  worden,  aber  alles  wieder  bekommen 
hat),  dann  auch  bey  den  hl:  grab  des  beil:  loannis  Nepomuceni, 
aUwo  uns  alle  heil:  Reliquien,  heil:  leiber  und  die  heil:  Zung  zu 
küßen  gegeben  worden,  welche  ich  auch  eine  Zeit  mit  meinen 
unwürdigen  äugen  betrachten  dörffte.  Wiir  machten  auch  ein 
KirchCahrt  nach  Alt-Bunzlau  zu  dem  alldasigcn  gnadenBild 
und  besahen  übrigens  alles,  was  in  Prag  sehenswürdig  wäre,  den 
Ratschin,  einige  Kirchen  und  bey  denen  Carm eliterinnen  die  schon 
70  Jahre  todte,  doch  ohnverwesene  Stiffterin  Mariam  Eiectam  in 
einem  Seßel  sitzender.  Diese  Klosterfrauen  gaben  mir  sehr  Viel 
geisti:  geschancknüße.  Sie  sahen  mich,  aber  ich  sie  nicht,  weilen 
doppelte  enge  gatter  waren,  und  der  orth,  wo  sie  waren,  ganz 
dunckel  wäre.  Wiir  nahmen  von  Prag  bis  Wienn  ein  cugene 
gelcgcnheit  mit  3  Pferdten  ä  13  Thahler. 

I>en   22^   7hris   reiseten  wiir  von  Prag  nachmittag  ua<%~ 

opiiB      kamen  bei  guten  wetter  zu  Opaln*)  an. 

(Am  Rand:J    Den   23^   Mittags  zu  Colin,«)    nachts  z^^^ 
Jencos")  bey  guten  weeg. 

Den  24^  fuhren  wiir  bey  bald  üblen,  bald  beßem  weej^'^ 

i3chbrodt  bis  Teutschbrodt,  wo  wiir  gcspeißeL     Nachts  kamen  wiir  be^^^V 

isUa.       elenden  weeg  sehr  Späth  zu   [glau  an.     Die  thöre  waren  schov:  ^^ 
zu,  wurden  aber  auf  unser  Klopfen  eröffnet.    Hier  ist  die  ganzi 
Stadt  voll  Tuchmacher,  welche  weith  und  breith  verschicket  werden 

Wetu.  Den  25ten  fuhren  wür  bey  guten  wetter  bis  Geleta u,*^"^*"^' 

wo  wiir  Mittags  wohl  gelebeL     Nachts  arrivirten  wiir  bey  übleif*^*'* 

uidunii.    weeg  zu  Lauschantl,')  wo  wiir  paliable  lebten. 

Den  261^  7hris  sezten  wiir  unser  [Reise]  bey  schon  kühlen*"*"" 
morgen    in    unsem   wagen    forth    und    kamen   auf   Mittag   nach*"*^ 

^ym.  Znaym,  wo  ein  schloß  und  jesuilerCollegium  ist,  auch  in  einer 
angenehmen  Weingegend  und  anhöhe  lieget   Abends  blieben  wiir 


■  I 


>>  Aawtl.       ^  Noikolln.       ■}  JcnUun  (JenlcoT).       <>  Schdlctu.        1  Cli««]biiu.' 


zu   Born,*)    einem   zwar  schlechten   Dorff,   aber  wo  wiir  ein       Bom. 
gutes  würthshauß  fanden. 

Den  27^  7bris  haUen  wir  des  morgens  nebel,  nach  deme 
einen  schönen  tag,  speißeten  zu  Stockerau  und  blieben  nachts     stockenu 
zu  LangenEnzerstorff, ')   wo  wiir  überall   gulh  lebten;   lußenLuiKEroentoi 
auch  uns  nichts  abgehen,  weil  die  reiße  zu  ende  gienge. 

Den  28j£n  fuhren  wiJr  nach  genommenen  Friihstuckh  nach 
Wienn.  Auf  den  Tabor  bekamen  wiir  ein  zettel  auf  die  Haupt-  wienn. 
Mauth.  Der  P:  loannes  aber,  als  wiir  in  der  Leopoldtstadt  beym 
Carmeliter-Closter  vorbeyfuhren,  Inße  halten  und  luße  sein  Bagage, 
wo  er  ein  und  anderes  Mauthbares  hatte,  ins  Goster  tragen. 
Wiir  fuhren  in  die  Mauth,  wurden  visitiret,  allwo  ich  den  lezten 
Verdruß  hatte.  Dann  die  Maultner  mir  die  Königl:  Praesenter, 
welche  ich  nicht  eröffnen  noch  visitiren  laJkn  wolle,  nicht  ex- 
tradirtcR,  sondern  sagten:  »so  es  nach  hoff  gehöret,  wird  es  schon 
abgehohlet  werden."  Ich  muste  mich  befriedigen  und  führe  zu 
meinen  brüdern,  welche  ich,  Oott  lob,  alle  gesundS  angetroffen. 
Womit  also  meine  Reise  geendet  und  davor  den  gütigen  Gott 
schuldigsten  Dankh  sage. 


i>  HolUbninn  ? 

*)  Ung-Cni^»doif  (vgl.  Hinrrite  ».a.  O-  S.  3S). 


über  Philipp  von  Stosch,  den  Begründer  der  großen 
OVBDincnsammlung,  die  den  Grundstein  des  Berliner  Gemmen- 
labilKtts  bildet,  hat  C  Justi  wertvolle  Beiträge  sowohl  in  seinem 
Aufsatz  in  der  Zeitschr.  f.  bild.  Kunst,  1872,  S.  293-333,  als 
in  seiner  Sonderschrift:  Antiquarische  Briefe  des  Barons  Philipp 
von  Stosch,  Marburg  1871,  gegeben.  Es  heißt  dort  S  4: 
■  Eine  Sammlung  seiner  Briefe  würde  ein  deutliches  Bild  geben 
von  der  Stellung,  die  unser  Landsmann  über  ein  Menschenalter 
Ung  in  der  italienischen  Gelehrtenrepubtik  einnahm,  einer  Stellung, 
wie  sie  kaum  wieder  ein  Deutscher  nach  ihm  dort  erlangt  hat 
Die&c  Briefe  sind  aber  äußerst  selten,  und  die  folgenden  achtzehn 
äind.  vorläufig  die  einzigen,  die  es  mir  gelungen  ist,  in  zahl- 
leichen  öffentlichen  und  privaten  Bibliotheken  meist  Italiens  auf- 
lüdihien;  es  sind,  soviel  ich  weiß,  die  ersten,  welche  von  ihm 
puhUzicrt  werden."  Dieser  Anregung  folgend,  habe  ich  eine 
K<.;he  von  Briefen,  die  Ph.  v.  Stosch  an  Matt  Egizio  in  Neajjel 
^^-icht^t  hat  und  die  in  der  dortigen  Biblioteca  Nazionale  unter 
J«i  Summer  XIII  C  93  aufbewahrt  werden  (ich  verdanke  ihre 
einer  freundlichen  Hinweisung  von  C. Justi),  abgeschrieben 
•iie  jetzt  im  folgenden  mit,   in  der  Überzeugung,   daß 

■     okfentlichung   für  die  AUeriumswissenschaft   von   erheb- 

<  >itcil  ist')    Der  Kürze  halber  lasse  ich  die  sich  ständig 

v:.^yv!vseÄUe  Überschrift  und  den  gleichlautenden  Schluß  fort 


I 


?Ä\' 


■^•t  \it\i  noch   Hnlsr  stuIctt  Briefe  von  Stosch  bd   Fr.  Ldtscboh.   Die 

.1  MRik-Tutchcf.  Lcipii]{.  ieS6.  und  tintr  In  den  Onterr.  Jihretheftca, 

^  >-«i^  VtM  >■  Schneidet  vctäftcnilichl  worden. 


Briefe  von  Philipp  \*on  Stosch  an  Matt  Egizio  in  Neapel.     327 

Pehter   gegen    die   Regeln    der   französischen   oder  italienischen 

Sprache   habe    ich   nicht   verbessert,    nur    in   einigen    Fällen    in 

F*arenthese  die  richtige  Lesart  zugesetzt,  um  Mißverständnisse  zu 

vermeiden.    —    Der  Empfänger   der  Briefe,   Matteo  Egizio,   war 

*ni    23.  Januar  t674  in  Neapel  geboren.    Nachdem  er  auf  dem 

Gebiete  der  Medizin  und  Jura  reiche  Kenntnisse  erworben  hatte, 

wurde  er  zum  Vertreter  der  Principi  Borghese   und  später  zum 

Sekretär  der  Stadt  Neapel  ernannt.     Wegen  seiner  bedeutenden 

antiquarischen    Kenntnisse   beauftragte   ihn    Kaiser    Kari  VI.,    die 

Wiener  Bronzetafel  mit  dem  Senatus  consuUum  de  BacchanaSibus 

herauszugeben    (SenatusconsuUi    de  Bacchanatibus,    sive   aeneae 

vetustae  tabulae  Musaei  Caesarei  Vindobonensis  explicatio.    Neap. 

1*?29,  fol.).    1735  wurde  er  als  Oesandtschaftssekretär  nach  Paris 

geschickt,   wo  er  auch   beim  König  Ludwig  XV.  großen  Beifall 

fand.     Nach  seiner  Rückkehr  von  dort,  1745,  wurde  er  in  Neapel 

zum  Bibliothekar  ernannt  und  erhielt  den  Grafentitel;  doch  starb 

er  noch  in  demselben  Jahre,  71  Jahre  alt. 


(.    Rom,  13.  Juli  1715. 

Si  je  n'etais  pas  eniierement  convaincu  de  Votre  amitie 
envcrs  moy,  je  Vous  denianderais  milles  excuses  de  mon  silence. 
Mais  je  s^ay  que  Votre  affection  donc  Vous  m'aves  donn^  de 
marques  si  essentielles  n'est  pas  capable  de  prendre  en  mauvaise 
part  une  fautc  causee  par  mon  trop  grand  attachemenl  aux 
BiblioUiequcs  et  Antiquitcs  de  Rome.  Sans  parier  des  Modernes, 
quj  ne  laissent  pas  d'occuper  encor  quelque  partie  de  la  vie  d'un 
jeunc  homme  comme  mois.  J'ay  entendu  avec  le  demier  de- 
plaisir  la  maladie  de  Votre  compagnon  et  mon  eher  amis  le 
Sig-  Marco.')  Mais  j'espere  que  le  Bon  dieu  (übergeschrieben 
Messer  Domencdio)  et  Saint  Bocace')  duquel  ils  s'est  si  bien 
meritc  l'auront  lire  d'affaire,  pour  le  mettre  en  etat  de  faire  une 
nouvelte  edition  des  oevres  de  Bernia'''J  teltement  desiree  par  les 


>)  Marra  Mondo;  tkI.  S.  334  f.  Ml. 

*)  Natürlich  lil  Bocncdn,  dcrVrrfaucf  d«  Decamnon«,  gemeint,  der  hier  (dierz- 
faaflervriie  tum  RmriK  cJtin  Heiligen  erhoben  wird. 

»)  Franc  Bcmi,  irrb,  Erecn  Ende  dn  t!  Jahrhnndrrt»  in  C««fl  lamporwchio  in 
Tofcana.  ging,  I9  Jahre  alt.  nach  Rom,  «d  er  darcta  leinen  Vcmndtcn,  Card.  Bcmardo 
DovitJ.  feninni  fiiblena.  Bef&rderurg  au  dnden  hoffie  Doch  darin  uh  er  »cti  geläusdil. 
Dascgen  find  er  Unterstüuung  bei  Papsl  Clement  VII ,   untrr  dem  er  Zengc  vum  Sacco 


f    1 


s^vants  dcbauches  et  aulres  bons  cretiens  qui  aiment  a  antidper 
dans  cetle  \ie  une  prisc  partie  des  incffabics  plaisirs  de  l'autre. 
Je  Vous  prie  de  le  conforter  de  ma  pari  Le  tems  ne  me  layant 
pas  voulu  permettre  de  Vous  tenir  toutes  mcs  promesses,  je 
commence  a  en  tenir  une  partie  en  Vous  envoyant  une  liste  des 
ouvragcs  d'un  de  Vos  Napolitains  Philosophes  nommi  Oiordano 
Bruno  Nolano, ')  autant  que  j'ay  pu  voir  et  observer  moi  meme 
dans  les  Bibliotheques.  Le  grand  Philosophe  st  heretique  quil  a 
et^  juge  de  l'eglise  n'a  pas  laiss^  de  servir  fort  utilement  a  plu- 
sieurs  Philosophes  Modernes,  Qui  a  cause  de  la  grandc  raret^ 
de  ses  ecrils  et  a  cause  de  leur  obscurlt^  en  plusieurs  endroits 
ne  se  sont  pas  fait  grand  scrupules,  de  piller  ses  pensees  et  de 
tes  publier  pour  les  leurs,  sans  faire  aucune  justice  et  mention 
de  leur  Auteur. 

Je  Vous  prie,  Monsieur,  de  faire  mes  excuses  aupres  Mon- 
sieur Valetta')  de  ce  que  je  ne  lui  ai  point  encor  lenu  ma  pro- 
messe. Nos  postes  en  Allemagne  sont  extremement  mal  reglees 
et  je  ne  s^ais  par  quelle  misfortune  je  n'ay  point  encor  eu  de 
reponscs  sur  aucuune  de  mes  lettres  ecriles  en  differcntcs  Aca- 
deniies  de  l'Allemagne.  J'espere  pourtant  qu'a  la  fin  ils  arriveront 
touts  a  la  fois.  Si  Votre  tems  le  permet  un  jour,  je  Vous  con- 
jure  Monsieur  de  ir'envoyer  copie  des  Inscriptions  Modernes 
que  Vous  aves  falls  autrefois  en  differentes  occasions,  entrc  autres 
Celle  sur  la  maison  de  Campagne  du  Prince  d'Elbccuf  et  sur  la 
Statue  autrefois  de  feu  Philipe  5.*)     Votre  style  Lapidaire  peut 


4 


4 
4 


dl  Rom  vordc  Spitcr  fing  er  nach  Flomtz,  vo  rr  d<p  Stelle  einet  Cuonic»  an  der 
Cathfdrale  «liiril.  Er  starb  1S36,  «ic  n  tcheinl,  djirch  Oif(,  nirliilnn  rr  wh  gfciurrt 
halft,  im  Auftimct  d«  Duca  Alnutidro  dm  Cardiaal  Hippolyl  von  Mcdid  au  dem  Vcs« 
ru  ilumen.  Er  l*t  der  Schöpfer  de*  )>ur1esiim  Sttli.  der  nach  Ihm  Stilo  licmnco  genunt 
vurde.  Sdn  Hauptwerk  Ist  der  Orlando  Enainoralo,  ciie  Umarbeiliuig  njich  dem  Vetke 
des  Bolaido;  »eine  Pücsie  burie«cbe  sind  in  AmiCerdam  '770  nach£e<dtiicki :  lion  sind 
S.  XIV  auch  andere  Aat^abni  aufji^Ähll, 

>)  OIntd.  Rntna,  gfh.  um  1S*£  in  Mola;  vgl.  »eine  Lebensbochrcibanc  rpo  D.  Bcnl, 
itM.  tfi  England  inr  er  von  iS6J-ts8S;  et  war  ein  grofler  Verehrer  der  Königin  ElUabeib 
und  ituuJ  nil  Phil.  Sidney  und  anderen  hervorragenden  Männriti  in  regem  Verkehr.  Seme 
Werke  waren  (ehr  leiten.  Und  jetxt  aber  wirdcrholl  neu  heraus^cgrbni.  Bei  dner  Reite 
nach  Venedig  wurde  er  von  dm  Huchern  der  lnc]uliUioii  gefargrn  grrnmmen,  1S93  nftch 
Rom  gebricht  und  dort  aul  dem  Campo  de'  Fiori  am  f7.  Fcbruai  HM  verbrannt. 

»)  Vgl.  Zeitschr.  f-b.K.,  1813,  S.  J«.  Act  Brief  )  gehl  hervor,  da«  nicht  FniK.  V.. 
sondern  Nie  Xav.V  gemeint  i»l,  der  einen  reten  Brlcfwccfase)  mit  Oclchnen  miietlilclt  und 
i;i7  itorb.  Dero  »efceint  «Hetding»  ru  widenprechcn.  daß  ihn  Siowb  Im  4.  Briefe  (ITM) 
noch  gräSen  Ilßi    Vgl.  auch  Brief  9,  S.  3-40.    Dai  wird  der  aodcrc  V.  tein. 

■)  Vgl  Egizio,  op.  voEg.  C  Ikt.  S.  234,  141,  US,  3M. 


I 


servir  du  modelle  a  tous  ceux  qui  sc  melcnl  de  faire  d'Inscrip- 
Cons.  Je  passe  ici  asses  agreablement  nion  temps  avec  mes  amis 
ft  les  Votres  dans  la  ferme  esperance  de  retoumer  une  Autre 
m  i  Naples  pour  Vous  von  avant  de  quitter  t'ltalie.  Je  suis 
nkm  (1.  ä  cc  lemps)  tout  seiil,  mon  amis  et  compagnon  Ic  Baron 
de  Smeltau  *)  etant  parti  pour  s'en  relourner  chez  sois.  Je  restc 
«ncor  icy  jusque  dans  Ihyver.  Je  serais  toujours  fort  aisc  de 
recevoir  de  vos  nouvelles  et  Vos  lettres  viendront  toujours  entre 
;;JBes  mains  sous  I'adresse  del  Sig.  Julie  Cesare  Quarrantotti 
Binquer  a  Rome.  je  Vous  prie  de  m'ecrire  en  Italien  et  de 
(aire  mes  compUnienls  a  tous  mes  amis  de  Naples. 

2.    Rom,   10.  Aug.  1715. 

Vous  n'aves  pas  besoin  d'aucun  autre  raison  a  m'induire 
a  travaitler  pour  Vous  que  de  nie  prier  per  sanctum  nomen 
amidtiae.  Car  sans  cela  une  armee  de  raisons  armfe  de  tous  les 
armes  de  la  librarie  et  armoirie  du  Vatican  me  feront  remouer 
ni  bras  ni  gambcs,  tant  les  terribles  chaleurs  de  la  Zona  torrida 
de  Rome  m'ont  rendu  paresseux.  je  crie  souvenl  avec  un  des 
soldats  de  Caton  dans  le  temps  que  leur  Oeneral  phllosophe  les 
allait  cmbourber  dans  lc[s]  sables  chaudes  de  Libie: 

Accipe  poenas  /  tu  quisquis  superum  mortalia  nostra  perosus 
Hinc  torrente  plaga,  dubiis  hinc  Syrtibus  orbem 
Abrumpens,  medio  posuisti  limite  sortes') 

d  avec  tout  cela  il  ne  devient  pas  un  brain  plus  frais  et  il  faut 
que  je  lave  mes  peches  dans  ce  four  sanctifie  de  Rome.  Si 
j'escfaappe  sain  et  sauf,  on  ajoutera  mon  nom  a  celui  de  ces  trois 
saints  juifs  qui  aUait  [!|  al  fresco  dans  les  fournaux  de  Babel  sans 
se  blcsser  seulement  un  seul  poil  de  leur  barbe. 

J'espere  de  n'avoir  pas  besoin  de  vos  termes  de  Puzzoli, 
on  tfste  Cicerone  Puteolano  Caton  sanait  la  veröle  quil  avait 
recu  de  la  fille  de  l'empereur  Neron.*)     L'air  sanctifie  que  je 


»J  Vjl.  2«itschr.  t.  b.  K-,  IIJJ.  S.  296. 

^  Lucan.  IX,  SS9~S6t.  St.  zillrrl  mit  dem  Ocdichtnii;  ttalt  morUlU  I.  commercta, 
«klt  sofUs  I.  noTtct. 

■>  Der  Sinn  dlncr  Worte  IM  nidit  klar.  Wahrtchcinlkti  bc2ichen  str  sich  kul  efnt 
Enttlutg.  dt«  «intr  der  Ouid«  von  futcoli  (Cinronc  PulraUnu]  drm  l'hil  vnn  Slotch 
and  MJimti  rreiinilc  Egizio  bd  dnem  Kirnieinuunrri  Bnurh  vnn  l'titrunli  vor^ngcn  hstte. 
Ich  vcrdaabc  lüew  DrutunjE  E.  Strinmryrr.  VkI.  nnch  Dr.  von  Notlhalfl  In  der  Denn&lol. 
Zctncfar.,  1907,  Bd.  u,  S.  62::  Beitr.  iiir  LcEcnde  von  der  Altciloinuyphllii. 


ropiK  iqr  sotto  monle  Cav-aDo,  oa  je  logc  me  prcservera  de 
lont  ce  qui  poil  infeder  moa  corps  d  bcm  me.  Je  crois  mhne 
quc  cet  air  spirüiiel  v'a  dcia  kflenest  cmbrnne.  que  je  peme 
non  plus  lux  Modernes  qo'aax  imiücacs  de  rEmpeicur  de  k 
Urne.  Si  jivais  desacin  d'cKpofter  qudqae  iiuiilmirlise  coiitoe> 
bände  avec  moi,  je  riendriis  ditz  vous  a  Niples  prendre  Is 
cbofics  dans  lenr  orighies»  cocnme  un  de  mes  amts  francois  t 
soü  retoar  de  Malle  a  Eiit  qnj  es  a  pns  avec  hii  uae  ample 
proviiioa  d'eniditioa  NapoUtaiae  mez  pour  en  communiquer  a 
tottte  la  Dstion  Fmiootse.  Je  crois  n  picd  de  la  lettre  lout  tit 
que  Vous  me  dites  del  Sig.  Marco,  je  sqiy  bten,  que  son  humev 
scrieu  est  incapable  de  penser  a  Boccacio  et  a  ces  autrcs  s^- 
vant  debaucbes.  Profetises  lui  de  ma  part.  je  Vous  prie,  qoe 
je  prevois  dans  l'csprit  que  lui  sen  un  jour  un  pilastre  de 
Vordre  Coriathien  de  notre  sainte  mere  I'^lise,  si  continua  a 
applicarsi  a  cose  serie  et  spirituale. 

Touts  tes  cevres  Italiens  de  Votre  NapoUtain  que  je  vous 
ay  envoye  dernierement  sont  assurement  de  lui.*)  J'ay  hi  la  plus 
grande  partic  et  j'ay  parcumi  le  reste  et  j'ay  trouv*  une  grande 
egalite  du  style  et  des  pensees,  qui  ne  pcut  etre  de  personne 
que  de  lui.  Ces  livres  ne  sont  pas  imprim^  par  les  livrains 
pour  gagner,  mais  tous  a  la  depense  de  ta  Reine  Elisabeth  ä 
rttait  le  Chev-allicr  Philipp  Sidney  qui  a  cc  qu'on  sqai  de  bonncs 
memoires  a  eu  le  soin.^  Celui  qui  est  dedie  a  ce  chc\-all(ff 
est  extremement  rare  a  cause  qu'on  n'a  imprime  que  to  exem* 
plaircs.  Les  autres  le  sont  a  proportion,  mais  comme  üs  n'iga- 
lise  [!]  point  a  la  beaute  du  premier,  ils  ne  sont  pas  tant  recfaerches. 
Le  style  en  est  fort  romantesque  et  il  semble  quil  a  affect^  ex* 
pres,  pour  draper  de  ccrtaines  veritcs  aux  yeux  populaires.  üs 
ne  contienncnt  rien  directement  contre  la  religion  Romaine,  mais 
certains  esprits  malitleux  s'imaginent  de  tirer  des  consequcncci, 
qui  peutclre  ne  sont  jamais  tombes  dans  fesprit  de  l'auteur. 

je  ne  suis  pas  pour\'u  ni  des  livres  ny  de  rien  pour  vous 
ecrire  comme  il  faut  Ics  observalions  promises  sur  les  prenoms, 
autant  que  je  me  souviens  pourtant  de  certain,  je  Vous  Ic  coni- 


>)  Voa  O.  Bnmo.         ■>  Vsl.  obea  S.  )2I,  Anm. 


Briefe  von  Philipp  von  Stosch  an  Matt.  Egizio  in  Neapel. 

munique  de  tout  mon  oEur.  Avant  de  parier  de  ceux  du  Siede 
de  Constantine,  II  faut  qiie  je  vous  dise  certaines  decouvertes 
quc  nous  avons  faits  par  l'inspection  des  medaüles.  1 .  la  con- 
jedure  de  Harduin')  que  Magnia  Urbica  n'est  pas  femtne  de 
Maxcntius  mais  de  l'empereur  Canis  est  tres  bien  fondee  sur 
Fexperience  de  ceux  qui  se  sont  donnes  la  pelne  de  confronter 
les  Medaüles  et  les  marques  des  Monetaires  etc.*)  2.  que  les 
Medailles  avec  rinscriplion:  IMP.C.LAELIANVS.AVG.  ne  sont 
point  de  Pomp.  Aelianus  le  tyran  mais  de  celui  que  les  auteure 
nomment  communement  LOLIANVS  qui  tua  les  Postumes  comme 
on  voit  tres  clairement  par  la  fabrique  des  Medailles  semblancs 
[L  semblables)  a  ceux  de  Postume.  3.  que  Nigrintanus  a  vecu 
öiviron  Ic  temps  de  Carus  l'empereur  et  qui  n'a  pas  ete  fils  du 
tyran  Alexander  d'Afrique.  4.  le  prenom  du  Tyran  Julianus  qui 
a  vecu  du  temps  de  Probus  est:  M  .  AVR .  IVLIANVS.  Marcus 
Aarelius  Julianus.  5.  le  nom  de  Djocletien  est:  Cajus  Valerius 
Aurelius  Diocletianus .  lovius  Augustus.  6.  le  nom  de  Maximien 
Km  compagnon  dans  I'empire :  Marcus  AVRclius  .  VALerius 
MAXIMIANVS.  Herculius  .Augustus.  7.  le  nom  de  lautre  Maxl- 
raianus:    GALerius  VALerius   MAXIMIANVS  .  NOBilis   CAEsar. 

8.  Celui  de  Maximin:    CALerius  VALerius  MAXIMINVS .  AVO. 

9.  de  Severus:  FL.Valerius  SEVERVS  nob.  CAES.  et  AVO. 
IB.  de  Maxentius:  Marcus  AVRelius  VALerius  MAXENTIVS  AVO. 
il.son  fils:  M  .  AVR.VAL.  ROMVLVS.  NVBIS.CONSerl!]  sive 
FlUVS.*)  12.  Crispus:  FUvius  IVüus  CRISPVS  .  nob  .  Caes. 
12.[!]  le  t)*ran  du  tems  des  Constanlins:  Marcus  Martinianus,  un 
«ilnc  Cajus  lulius  Valens  in  Africa  (de  qui  pourtant  je  n'ay  ja- 
"wis  vu  de  medailles).  13.  Nom  de  Constantius  Chlorus  est: 
fUvius  VALerius  CONSTANTIVS .  AVO.  1 4.  k  nom  des  Licinii 
tstduPere:  VALerius  LICINIANVS  .  LICINIVS,  du  fils:  FLavius 
Claudius  LICINIVS  .  NOB  .  CAES.  Tous  deux  cognominati  lOVII 
daos  quelque  Medaille.  15.  le  nom  de  Constantin  le  grand  est: 
FUvius .  VALerius .  CONSTANTINVS  .  MAXIMVS.    1 6.  de  Con- 


>>  In.  Harduirii  Nummi  onHqul  popahjiam  rt  uibjam  lllu^lntl,  Parlslii,  t6S4,  4. 
L        VfLCBhcB  DwcT.VI,  405.    Magnia  Urbici  itt  Frau  d«  Cirini». 

»)  StoKh  hat  nach  der  Bfogr.  Univcn,  {Michandli.  Bd.  40.  5-  I8S,  in  Hornw  17« 
*ta  dlcR  Mdnzoi  !ix  seiner:  nLcllcra  sapra  una  mcdij[tia  nuovamcntc  KOpcrb  dl  Carino 
^^ftnion  e  Magnia  Urbica  Auguita  lua  cQniarte-  auslührlich  gchandelL 

S  VjL  Cohen  Oe»cr,  VII,  ibj,  Anm. 


slanün  le  jcune:  FL.CLAVDIVS  CONSTANTINVS.IVNIOR,  d 
fils  de Constanlin  le  grand Constonlius:  FL.  IVLius  CONSTANTIV: 
pemommc  dans  unc  medaillc  d'or  du  cabinet  du  Princc  Chigi 
MAXIMVS  .  AVgustus.  1 7.  Ic  second  Hls  de  Constantius  Chloni 
ex  Theodora  genitus  frere  de  Constantin  le  Grand  s'appellait 
FL  .  CUudius  VALerius  CONSTANTINVS  NOB  .  CAES.,  dan 
les  medailles  il  s'appelle  seulement  VALerius  Constantius  .  nob 
Caesar,  ei  ils  sont  tres  difficiles  a  connoitre  de  Celles  de  soi 
prere  (I.  p4re)  qui  a  le  memc  prenom.  Celle  de  petit  bronz 
avec:  Providentia  aux  adifican^)  dedde  la  question  et  fait  daire 
ment  voir  par  la  gründe  difference  des  visages  et  de  la  fabriqu 
quelle  apparlient  indubitableraent  a  frere  et  non  au  pere  d 
Constantin  le  grand. 

18.  les  fils  de  ce  Constantius  frere  de  Constantin  poiler 
touls  le  nom  de  FI  .  Q  .  comme  par  exemple:  FL .  CL  .  CON 
STANTIVS  IVN  .  Nob  .  CAES  .  communement  appelle  par  le 
auteurs  Oalius  .  NB  il  faul  observer  qui  ne  se  truve  point  de 
medailles  veritables  avec  le  surnom  Gallas  mais  toutes  sont  ave 
le  prenom  FL.CLaudius  ou  seulement  avec  le  surnom  de  IVNioi 
18.[!]  son  pere:  FL.CLaudius  IVLIANVS  AVG  .  qui  est  connusu 
le  nom  de  AposUU.  19.  et  Fl  .  CL  .  HANNIBALIANVS  RE?< 
20.  Dalmalius  s'appelle  seulement  FL.  DELMATIVS.NOB.CAES 
Voila  ce  qui  me  tombe  pour  astems  (1.  ä  ce  temps)  dans  l'espril 
Si  je  nay  pas  le  tems  pour  cette  fois  de  les  mettre  dans  leui 
ordre  come  il  faut^  je  le  ferois  une  autre  fois,  ayant  desseln  lÜ 
Vous  envoyer  un  jour  des  preuves  de  toute  cc  quc  je  Vous  di^ 
astems  (1.  ä  ce  temps)  par  les  Medailles  d'un  chacun,  en  attenden 
Vous  pouves  vous  en  servir  pour  astems  (1.  ä  ce  lemps),  elf  1' 
prlncipal  que  sont  les  prenoms  sont  tres  surement  ainsi  qu 
Vous  les  trouveres  dans  cette  lettre. 

3.     Rom,  14.  Sept.  1715. 

II  y  a  deja  quelques  semenes  que  je  Vous  ay  envoy£  su 
vant  vos  ordres   les  prenoms  de  la  famille  de  Conslantine, 
jusque  astemps  (I.  ä  ce  temps)  je  nay  recu  encor  aucun  avts, 
la  lettre  est  venue  entre  Vos  mains,  ou  non.    Elle  estait  adress 

>)  Nach  CobM  Dmct.  VII.  383  Uutri  dir  Aulschfifl:  ProvJdcnlia«  Anu-  «*«  Ca 
oder  Cae&s  ;  wu  du  iu£Kclile  V'QtI  btdctil^,  Ist  nicbl  zu  creniniJrn. 


\ 


a  Don  Nicola  Valletta.*)  Sil  y  a  queique  chose  dedans,  ou  je 
ne  me  suis  pas  bien  explique,  je  Vous  prie,  Monsieur,  de  me 
le  dire  et  je  corrigerai  la  faute  volontier.  Je  travaiile  avec  beau- 
coup  d'application  a  mon  livre  Intitule:  De  antiquis  Gemmarum 
Scalptoribus  ^)  ou  je  donnerai  les  estampes  de  toute  [!]  les  gemmes 
avec  les  noms  de  leur  niaitre  ramasse  de  touts  les  Cabinets 
d'Europe.  Je  ne  le  fais  pas  imprimer  ici,  a  cause  que  je  ne 
trouve  personne  qui  m'en  puisse  faire  les  estampes  aussi  bien 
que  dehors.  Je  me  contenterai  a  porler  en  Hollande  avec  moy 
Ics  dcsseins  justcs  et  l'ouvrage  fini  pour  la  presse.  Je  Vous  prie 
Instamment  de  me  daigner  d'une  reponse,  etant  avec  beaucoup 
d'estime  et  de  passion.  ... 

P.  S.  Vous  n'avcs  qu'adresser  mes  lettres  directement  par 
la  posle  Sans  autre  adresse. 

4.    Rom,  17.  Juni  1722. 

Ho  difterito  a  rispondere  a]  Gentilissimo  foglio  di  VSl."" 
in  data  del  27  di  marzo  sperando  di  potere  riverire  in  persona 
in  Napoli  li  miet  Amici  et  Padroni  Antichi,  fra  H  quali  do  il 
primo  tuogo  a  V.  S.  II*™.  Ma  non  havendo  potuto  rimpire  il 
mio  desiderio,  mi  sono  contentato  a  far  Vi  assicurare  delli  miei 
ossequii  et  stima  che  ho  del  Vostro  merito. 

Trovera  qui  giunta  una  pasta  del  ßachanale  del  Re  di 
Francia,  che  ho  fatto  venire  a  posla  di  Parigi,  non  avendo  tro- 
vato  ne  miei  vajaä  (regali  [?j)  che  la  sola  copia,  che  mi  serve 
per  il  studio  delle  mie  pastc  Antiche  et  moderne,  de  quale  ho 
radunato  una  quanlita  prodigiosa,  comme  anche  di  pietre  intagliate 
bellissime. 

La  mia  Opera  dette  gemme  sopra  U  quale  se  Uggono  li  noml 
^  Ariefid  Antichi  si  intaglia  in  Romc  del  Picart  a  AmsterdamOi 
che  mi  scrive  che  sono  gia  finiti  d'intagliare  vinte  (I.  venli)  dessegni. 


t>  V^.  S.  ]:a,  Anm.  1. 

*i  Phil,  de  Stmch,    Ckcmmae  antii^tiatr    rirlila«,    idlplonim  nomlnlbus    [cistgnlUe. 

Ad  lp»ai  ecinmu  ta\  «tnin  ectypn»  drlinnl^ir  et  wri  inriwc  per  B.  Ptcirl.     P«  pranipuis 

europae  mittrit  ielejit  el  CDimncnariii  illastrivit  Ph.  de  SloKh     tUIli«  rwJdldlt  H.  P. 

Je  Liakn.    ArnttenUm,   1734,  s.    Der  zweite  Band,   ni  dem  ct*cti  der  BLosr.  unlvenelle. 

^.  40,  S  :S3,  die  Tafeln  ton  Y.  Adim  Sdircidurd  in  Nürnberg  gettochca  vuen,  t«l 

«ohl  nie  lertij  geworden. 


V.  S.  U:""  mi  fara  un  favore  singoUre  di  mandarmi  peiv^ 
occasione  qualche  Catalogo  stampato  di  libri  nuovi,  che  sc 
vano  in  Napoli,  pur  chto  possi  farli  venire  per  la  mia  librarif 
che  e  devcntato  numerosa  doppo  la  mia  partenza  d'Italia.  Spero^^ 
che  mi  riescera  di  venire  a  Napoli  avanti  di  ripassar  li  monti.    ^M 

Mons.  Hay  Dilettante  di  Cose  rare  et  pittore  mio  amic 
avra  l'honore  di  darli  questa  leltera.     Ci  venira  altro  Cavallierc 
a  Napoli,   che  rni  e  moUo  amico,   che  si  chiania  Mons.  Castre^ 
Secrctario  del  Mr.  Davenant   Inviato  d'Engilterra,   che   sta   per 
viaggio  per  venire  col  nuovo  Viccre  il  Cardinale  dl  Althan. ')     E 
literato  e  merita  ogni  distlnzione  detto  Sig'*  Caslres  di  V.S.  ll"* 
c  di  emditi  Napolltani. 

Non  mi  e  reuscito  sin  adesso  di  vedere  Vostra  opera  Chi 
nologica,  che  mi  dicono  essere  uscito,')  habbia  la  bonta  di  dirmt 
dove  sono  reslati  li  manoscritti  del  Abbate  Paccichelli  Napoletano, 
et  se  si  trovano  essemplari  a  Napoli  delli  Viaggi  del  detto  Abbate 
PaccUhelU. «) 

Favorisca  di    dirmi   se  de   due   libri   seguenti  sono 
altri  tomi: 

Discor&i  delle  fami^ie  nobili  del  Regno  di  Napoli  del 
Sig."  Carlo  de  LelHs,  parte  prima.  Napoli  1654.*)  Caroli  de 
Raho  Peplus  Neapolitanus,  pari,  prima.     Napoli   1710.*) 

Di  questi   libri   non   ho  altro  che  i  primi  tomi,  et  de5i< 
rerei   molto  di  averne   li   altri,   se  si   Irovassero. 

11  Sig."  Hay  rilorna  a  Roma  fra  i  5  giorni,  cosi  V.  S.  II:' 
li  puol  dare  11  catalogi  desiderati  da  me  de  libri  nuovi.    La  sup- 
plico  di  salutare  il  Sig"  Don  Paolo  Doria,  il  Sig^^  Valetta,  et  il 
Sig"  Marco  Mondo  et  altri  amid  e  padroni. 


11"*^ 

iroj 

rmi 

mo, 

tbbate 

del 
de 

idefl 


4 


l>  Onil  Mich,  Frdr.  Althxnn,  ^b.  iCSI,  pM.  MU,  BiKhor  von  Waitrn  in  L'ncmni. 
VDrde  am  29.  Nov.  i7l!^  zDin  Kardinal  «nannt.  var  von  Aug.  W20  tns  Jnni  1T12  kalser- 
Ikhrr  Bolichdier  in  Korn  und  fine  dann  als  Vl^eki'inis  [bis  \JZi)  oadi  Neapel  v|;l.  Noack, 
DcütKh«  Lcbrn  in  Rom,  S   32. 

<}  Mcntnrialr  chronologico  drll'  ittoria  crcIniatHca  tradoHo  d^I  Ftwictjc  di 
O.  Marcetio  con  1i  wric  d^ll  Impcratori  Romani  dlsicsa  da  Mattco  Ceirio.  Na]>oli,  tlij,  fol. 

s)  M^mork  de'  Vtaae'  per  TEuropa  ChrlMLana  «ritte  Jl  Diviml  in  ocmloa  de'  watA 
Kinlftcri  ditL'Abaic  Olo.  OitiUu  Padchctli.    Napoli,  16S5, 12.    3  Bde. 

*)  Ein  »weiter  Band  erichien  1663.  foL,  ein  drUter  i67i. 

*)  IVplufi  Nrapclitanu«  Caioll  M.  de  Raho  Clerfc!  rcfnlarit.    patridai  lllnttreaquc 
fuiHiai  coniineii».     Pan  prima.    Suuoi  <ulque  decut  posterius  rependit.     Tac  *. 
Ncipoli,  MDCCX.    BiM.  Naiion.  Nea|>ol.  ii  D  S3.    4«. 


Briefe  von  Philipp  von  Slosch  an  Mzü.  Egizio  in  Ncapd. 


5.     Rom,  26.  Sept.  1722. 

Oben  am  Rande:  Miro,  che  il  povero  nostro  Sig:  Marco 
MtKido  maritasi:    jam  porrigit  ora  capcstro.') 

II  Sig"  de  Egmond   m'  ha  reso  il   gentilissimo    foglio  di 

V.  S.  !■"  insieme  col  übro,  del  quale  la  ringraaio  ei  dcl  onore 

che  mi   ha    voisuio   {=  voluto)  fare.      Mi  dispiace  solo  di  non 

es&ere  in   stato  di   poterli   mandare   una  pasta  del  Bachanale  del 

He  una  pasta  piu  perfetta  di  quella  che  li  mandai,   non  haven- 

^c  megliori,  quelle  chio  portai  di  Francia  essendo  tutte  spente 

nmi  sono.    Se  mai  mi  casca.  in  mano  una  che  sia  meglioi^^  Vi 

la  faro  tenere  senza  fallo. 

Le  opere  del  Abbate  Paccichelli  sono  poco  stimate  anche 
b  noi.  Ma  come  contengono  moUe  cose  di  Germania  scriUe 
ron  motte  liberta,  et  Anecdoti  di  diverse  case  grarde,  questo  fa 
cbc  desidereret  aveme  un  exsemplare  delli  suoi  viaggi,  et  se 
trovar  si  potessero  li  suoi  Mss,,  li  pagarei  volontier!  un  buon 
prezzo  per  haverle. 

Nel  libro  di  ChronoJogia  ^)  manca  il  foglio.  L21  et  quello 
di  L  62  sc  trova  duplicato.  Se  V.  S.  11.""'  me  ne  voicsse  favo- 
rire  per  la  posta  indrittura  me  ne  farebbe  grandissimo  favore. 

Spcro  sempre  avanii  il  mio  ritomo  in  Oennania  potere 
venire  a  Napoli  per  qualche  settimane.  II  desJderio  di  rivedere 
V.  S.  11.*"  sara  il  piu  forte  stimolo  per  farnii  fare  quel  viaggio. 
Se  V.  S.  II:"*  iticontra  un  essemplare  compito  di  tutti  i  tre  vo- 
lumi  del  Carlo  de  Leilis  delle  faniiglie  nobiEi  di  Napoli,  li  com- 
praro  volontieri,  et  rendero  al  Istesso  Procaccio  che  mi  lo  portera 
il  denaro  che  V.  S.  11.""  ne  potrebbe  avere  sborsato.  Sto  allo- 
gizto:  Strada  Roseila  a  canto  Strada  nuova.'^) 

Havrci  grand  guslo  di  havcrc  il  Catalogo  delle  cose  di 
Näpoll  et  Sicilia,  che  non  si  trovano  in  quella  raccolla  che  in 
Hollande  se  sta  stampando.  Mi  servira  anche  per  venir  in  conni- 
zione  di  molti  autorij  che  non  sono  passati  li  monti,  per  poterle 
CDmprare  menlre  che  sto  in  Italia,  per  uso  mio  et  ornamento 
della  mia  libraria. 


(|  Jim.  VII,  41:  ttulU  maritaU  }tin  portiets  tria  captilro. 
^  S  o.  S.  334,  A.  3. 

^  Über  udcTC  WohnuDgcn  des  Ph   v   St  tiriic  Noack,   DmUches  Leben  in  Ron, 
£  «.  53). 


Rom,  3t.  Okt  1722. 

II  gentilissimo  foglio  di  V.  S.  I.  in  data  del  17  dl  Ollobfc 
mi  fu  reso  questa  mattina.  Mi  rall^ra  infini tarnen te  ia  nuon 
che  V.  S  I*^  mi  manda  di  havere  Irovato  il  Lclüs  cot  supple- 
inenlo  dcl  Domenico  di  Conforto  per  un  cossi  mediocrc  prezM. 
Pagaro  al  istesso  Procaccio*)  il  quaic  mi  portera  li  iibri  il  valscnte 
(=s  valore)  di  essi.  Se  questa  lettera  arriva  alle  sue  mani  avanti 
che  li  allri  sono  parüti  di  Napoli,  prego  di  agiungere  ristoriche 
Memorie  dell  Antica  Citta  d'Atma  di  Bonaventura  Tauleri  stam- 
pala  in  Napoli  per  Michele  Lulgt  Muzio  1702,  in  4:'°-) 

it:  se  se  trova  in  Napoli  (unten:  mi  par  che  s  chianl 
Prospedus  Siciliae)  una  certa  descrizione  dclle  cilta  di  SiciBi 
slampati  pochi  anm'  sono  in  due  volumi  in  4  a  Palermo  ptf 
ordine  Alfabetico, ") 

it:  la  nuova  edizione  della  Syracusa  llustrata  del  Bonannl^ 

Se  V.  S.  I:""  ci  vuol  giungere  li  catalogi  slampati  ou  noi 
di  principali  übrari  loro  ou  di  allrc  cose  principalmenle  riguir- 
dante  Thistona  di  Napoli  et  di  Sicilia  et  di  citta  particolarr. 
ritorie  (1.  Istorie)  dclle  case  illustre  di  detti  regni,  di  huomiffl 
Eruditi,  et  altre  cose  che  riguardano  la  Qeografia  di  quetli  RcgiJ, 
et  piante  di  Citta,  Chiese,  Carle  parlicolare  et  stampe  apröSO 
cose  anltche  et  riguardcvole  che  sc  trovano  in  detti  Regni,  dM 
non  se  trovano  nella  Hacolta  dcl  Blau  che  va  sotto  il  nome  dd 
Thealrum  Italiae.'^)     Subito  che  appresso  poco  posso  preved«n 


')  Procacd  heißen  nadi  radcbdll.  Viagsi,  X.  1,  die  Vasen,  ^e  da  Ro»  ■ 
Firenxe  con  ottlini  lixluinenti  a.  pittio  di  x\le  tcudi  IruporUiio  in  ctn>tue  eionuHfl^ 
tnode  f  Porulieri'.  Jcdcnfalh  vurdc  dinribc  Hrzrichnting  auch  für  die  na  Rofl  >^ 
Neapel  fihrendeii  Waen  uigevcndel. 

*)  B.  Ttulerl  Memorie  iatoriche  dell'  uitJca  dtU  d'  AHtia  divitv  In  cinqK  lA'*- 
Napoll,  1702,  4. 

*>  U  SIcilU  In  praspelUva.  Parle  prLma.  cM  II  MoDKJbdIo,  c  (11  altri  MmG' 
Cavcmr,  Pramonlorll,  Sitl,  Porti,  Senl,  Oolti,  Fiumi  e  TorrniU  della  Sldlla  apMli  <■ 
vtduta  da  un  religioso  della  CampacnU  di  Oesii.  DedicaU  all'  lIlutUiMinio  Senlo  ft"* 
mltano.  In  Palennu  MtX:ClX  Nella  Stamparia  dl  FuBcescoClch*.  in  *■  ~  ParU  «ccn*: 
Le  Cht*.  CertelU.  Terre  e  liioghi  enttmti  in  Sidlia.  la  TopogralU  Ultorale.  li  Scs|U. 
Itole,  e  Penliolc  intomo  ad  cisa.    In  Pilcnao  .M.DCC  IX. 

f)  Delle  uitidie  Slracnse.  VoL  I.  che  conticTic  i  dne  Iibri  della  S.  flllBln»  * 
O.  Bonanni  e  Colonna  duca  dl  Monulbano  Vol.  II,  che  contlcnc  (11  tcrinort  ukrion* 
Bonanoi.    Palenno,  1717,  :. 

*)  DiM  ist  wohl  dn  Tdl  de*  Qmd  AUat  de  J.  Blean.  ou  CoanoKraphie  BlaK'»f- 
Ainsletdam,  1661.  Von  diesecii  Werke  befindet  lidl  eUl  Exemplar  nil  3C1  Oriifinal.irichiiii'^t^ 
iu  «6  Binden  in  der  Wim»  Hofbibliatliek,  vgl  Jg.  Fi.  Edler  von  Mowt,  Oesdi.  d   ^  ^ 


Hotbibliocbck  lU  Wien,  U'ien.  1S3!,  B,  S.  i*\-   Man  IcAnnle  Kcndst  tein,  aniuoctiinni. 


AI» 


a  quanto  montarebbe  la  spesa  di  quelle  cose  che  mi  potrebbero 
bisognare,  havro  cura  di  mandarli  un  credito  bastantc  a  qualche 
d'uno  dt  mercanli  di  Napoli,  Alfino,  che  V.  S.  I).""  non  habbia 
Vincommodo  di  sborsare  li  denari  requisiti. 

Quando  tomai  la  prima  votta  d'  Italia  trascurai  di  pigliare 
molle  cose,  credendo  di  trovarle  fuori.  Ma  mi  sono  pentilo  poi 
trorandomi  ingannato  nellc  mie  sperance. 

Ho  trovato  qui  et  comprato  la  bibliotheca  Napoletana  del 
To[^i  due  parte  in  un  vol.  in  fol.  slamp.  tutte  due  1678.') 
Dsidererei  iiiolto  di  sapere^  sc  ci  fusse  vcrso  di  trovare  a  Napoli 
i!  supplemento  di  detta  bibliotheca  che  mi  dicono  essere  slato 
slampato  separatamente  di  quelle  due  parti.  *)  Reslero  ancor  a 
Rome  grand  parte  del  Anno  venture,  et  se  in  questi  parti  occorre 
qualche  cosa  sia  libri  o  qualunque  cosa  che  vada  a  genio  di 
V.  S.  II:"*  la  suppiico  di  Onorarmi  di  suot  commandi  II  quati 
saranno  csscguiti  da  me  con  ogni  possibile  puntualita  et  prestezza. 

Mn  di  Egmond  non  mi  ha  mostrato  il  Catalogo  dt  übri 
nuovamente  stampati  in  Sictlia  et  Napoli  del  quäle  V.  S.  II."^"  fa 
raenzione. 

t.    Rom,  20.  März  1723. 

Mi  trovo  onorato  duna  sua  gentil.*"'  lettera  in  data  del  13. 
<id  Corrente  ntese.  SuppUco  a  V.  S.  Ill*"*  di  non  essere  tanlo 
scnipuloso  nel  comprar  li  libri  speciflcati  nella  Hsta,  che  li  ho 
raandato,  perche  sempre  seranno  a  meglior  mercato,  che  detti 
^ri  sono  in  Roma.     La  suppiico  a  non  lasciar  scappare  li  an- 


t 


pnditvullt,  diui);  duldimde  Excai'pltt  zu  dem  tpaßen  Ecosraphlsclien  AiTpartl  celiArt 
tat  SbMch  in  Kom  zusammcnbiachtc  und  der  1*69  in  Mamhuig  um  tZSOO  Uulden  für 
'kbiKftlctK  Hofbiblloihek  ansekauli  wurde  J3.M  Folloblnücj,  aber  dies  itt  nlclit  ri^ntlg; 
^  MSi»  6a  Dlcaa  ist  aut  drr  Bibliulhck  ün  Prinjcn  Eugen  von  SivDycn  in  die  Hof' 
^*HIoAiHt  Ütxtgrgingcn.  Aber  virildchl  hai  SCosch  ebenso  wie  die  labula  P(!Utingrriana 
'^dn  BUwKben  A!t»  »n  den  Prinzen  Kii)^  verluufl  Dvß  er  ihn  tiewuen  hat,  jfctil 
"UHKRai  Brkk  dcntlkh  hervor.  Ober  Blav  oder  BImii  Tel.  noch  Ba\Tdrt,  I.even  vin 
B(h,  UiRcht,  ^e^7^.  für  dlne  und  viele  andern  UlcrjiriKhen  Nachveisunecn  bin  leb 
«>  A.  Qoldminn,  Aitbivir  der  Wiener  Universilät,  zu  grotiem  Danke  vcqif lichtet. 

t)  N.  Toppi.  Blbliotea  Napolelani,  et  apparato  t  gll  jiuomini  itliulrl  in  Icttcre  dl 
■i' C  4el  regnu,  dclle  famislle,  lerrej  elllä,  e  Tegioni,  clie  sono  nella  Rlnso  irgna.  Dalle 
Imoncint  per  tull»  l'a.  I67S.     Parte  I,  II.     Napoli.  ifilE,  3. 

t  L.  NIcodemD,  Addliioni  copiote  alli  Biblialeca  NjipoklAna  dl  N.  Tgppl. 
Hm.  1683.  i. 

Ar^v  Kr  KulnirscMhichte.    VI.  22 


luli  di  Aquila*)  ne  li  ra^uagli  di  Av-eUino^  ne  li  altri  XI  tonii 
in  quarto,  die  li  sono  stati  presentati  di  libri  della  tista.  Perche 
non  essendo  sicuro  io,  quanto  lempo  ho  da  lampar  in  isto  mundo, 
ne  quanto  ho  da  fernurmi  in  Italic,  voglio  cavanni  quella  vog^ 
di  far  una  raccolta  di  storici  Italiani,  e  sc  il  mio  Padrone  vuol 
chic  ripassi  IJ  alpi,  bisogna  ben,  che  mi  pagi  egualmente  li  nnd 
gusli  literarii,  per  parvenire  alÜ  suoi  fmi  Polilid,  per  i  qtuli  Uli 
ha  mandato  qui.  Li  denari  sempre  si  trovano,  ma  non  saapn 
li  libri  buoni  come  I'esperienza  mi  mostro,  quando  io  in  OlUsda 
volse  {>=  volli)  comprar  libri  Italiani. 

II  Sign.  Mercurio  vi  dara  ad  ogni  Votra  (I.  Vostra)  requi- 
sizionc  li  denari  che  ü  domandarete,  et  basta  mandarii  doppo  Ü 
libri  a  Casa,  havra  cura  lui  di  mandarmeli,  senza  il  minimo  io- 
commodo  di  V.  S.  111.*". 

Se  la  nuova  Edizione  del  Sulmonle*)  Isloria  di  Napoli 
colla  conlinuazione  si  trova  in  Napoli  per  meno  del  valsente  di 
Ire  scudi  Romani,  prego  a  V.  S.  in""  di  mandarmila. 

L'lstoria  di  Ancona  del  Sarracini  ho  gia  trov-ato  qui*) 
L'lstoria  Civile  del  Regno  di  Napoli  dal  Awocato  Pletro 
Giannone*)  mi  fara  piacerc  et  pr^o  a  V.  S.  Ill""  di  mandarmil* 
per  il  prezzo  d'una  doppia,  la  quäle  colli  altri  denari  spesi  poW 
pigliare  del  Sig*^  Mercurio,  il  di  cui  fratello  che  e  amico  mio  ^ 
State  da  me  pagato  delli  altri  denari  il  istesso  giomo,  che  w 
hebbe  la  nuova  et  ricevuta  di  V.  S.  111"'. 

Di  lulte  le  produttioni  di  Cervelli  Italiani  nissune  convengo^^ 
pio  col  mio  genio,  che  fanno  quelle  de  Vostri  Eniditi  Napoliw**' 
sia  in  Istoria  sia  Philosophia  sia  literatura,  et  Cesare*)  non  pote^"* 
scielgere    meglio    che   il   Philosopho   Ricchardi    per   suo   Bib^^^ 
thccario  in  Vienna.")    Che  mi  conferma  il  buon  gusto  di  S-   "■ 


t)  B.  antra,  Annali  dclla  cini  dcirA-  oon  I' Moria  dH  soo  txmpo.   Rom.  1*^V^ 

>)  Sc.  delJa  Boni,  RaggvtgW  delU  dtU  d'A.  ikIU  quili  «i  ik  aoliiia  d'ilcanf  tf**^ 
lüofhi  dfglj  Iqilnl  «c     Toni,  '656,  *. 

^  A.O.  Suinmonlr.  Hftliiria  della  cittk  e  regna  di  N   Tomol-IV.  Nipoli.l6'^'  ' 

<)  U.  Satadnl,  Nullzie  hUtorfchcr  dclU  cittl  d'A.  ccc.    Romt.  I67s,  a. 

»)  P.  Oiannone,  Stoili  CIrilc  del  Rcgno  dl  Napoli.     Nap..  I«3,  •. 

•)  Kalsn  Kirl  VI.,  bd  drm  StoKh  gricgmtlicti  Kincr  DurchrMK  dnrdl  Viea  ^^ 
pitt  AufiiiUiine  ^rtunüen  hatte. 

1)  Vgl,  Edl.  von  Mo»H,  Qe»ch.  d,  K.  K.  HofWWiotlirh.  S  109:  .Nach  Ocntilt?'*! 
In  Jahre  UM  erfolgten  Auftritt  ani  der  Hoftlbliottwlc  warf  der  Monarch  teiti  Auge  *" 
Milien  Kelehrtni  LeJbnm  Plui  NIcolau)  von  Qutill,  um   ihn  d^ewm  Inttiintc  vonuäettf^' 


Briefe  von  Philipp  von  Stosch  an  Malt.  Egizio  in  Neapel.     339 

Imp.  in  genere  di  literatura^  del  quäle  mentre  chto  fui  a  Vienna 
parlare  con  S.  M.  Imp.  ne  scnti  di  sua  bocca  propria  di  senti- 
menti  di  Erudizione  pocho  commune  a  Principi  di  quel  sublime 
rango.  11  Purpora  vi  portera  ]i  miei  saluti,  Vollesse  Iddio,  che 
potessi  trovar  la  strada  a  porlarviU  in  persona  propria.  FraCanto 
colli  communi  amici  beveremo  alla  Votra  salute  et  a  quelLa  di 
tutti  li  literali  uoniint  di  NapoH,  comme  facessimo  alla  Tavola 
del  Principe  Tassii  Jnsieme  col  Purpora  che  ve  ne  rendra  distinto 
raguaglio.  Mi  ricommando  alta  Vostra  amicizia  et  espetto  libri, 
lasciandovi  absolutamenle  arbitro  de  prezzi,  scnza  che  mal  hab- 
biate  bisogno  di  diniandar  a  questo  riguardo  il  mio  parere  basta 
che  li  libri  della  Usta  si  trovino. 

S.     Rom,  26.  Mai  1723. 

II  Signor  Daniel  Meichelius  di  Wirtemberga,  huomo  literato 

e  cognito  fra  Eruditi  j^tr  diverse  sue  opere  edite   (fra  altro  del 

llbro    intit:    Introdiictio    ad    historiam   literariam   de   Bibliothecis 

ParisiensibuSj    stanipato  in  Londra  1720,  et  d'un  altro  intit:   de 

Moderatione  Theologica,    starnpato    a    Leyden    [oder   Londra?]), 

molto  approbato  da  Uuomini  di  buon  gusto,')  parte  per  Napoli  e 

desidera  di  connoscere  V.  S.  III.  et  li  allri  huomini  literati  della  vostra 

Patria.     La  supplico  di  onorarlo  della  sua  Amicizia  et  di  farlo 

connoscere  al  Sig:    Don  Paolo  Doria  e  al    Sig."*  Valetta  e  altri 

literati  del  paese.      Essendo  persona  che  merita  d'esserc  distinta 

de'  Altri  viaggjatori.     Non  ho  ricevuto   risposta  alla  niie   leiten» 

ultima  che  vi  scrissi,  nclla  quäle  vi  pregai  di  mandarmi  Tlstoria 

civile    del    Regno    di    Napoli.     In    caso  che   Thavete    comprate, 


Da  er  aber  trieht  atle  trine  Tdt  dtmMlben  wfdmni  konnlc,  lolltp  Ihm  noch  dn  anderrr  duu 
(ceieiKtn-  Muin  in  der  Pciwn  dei  D.  Alexander  Rlccardi,  kiii.  Ratet  und  Fiskalen  bei 
«lern  Coturju  de  FjpiÜa,  xn  die  Seite  uiE»'''*"  »erdim.*  Von  den  luiitfrlichen  Dckreteo, 
■womit  Oardll  und  Ricnnli  la  Pnirrklen  der  MuFbUtliotkek  in  eWcheni  RanKe  ernannt 
nrdcn,  ht  dat  entere.  In  deutscher  Sprache,  vom  e.,  das  lettlcrc.  in  lat.  Sprache,  vom 
31.  Mal  Mzy.  Plui  NlcoUus  Qaiclli  «ir  I670  lu  B^lofni  B^boren  als  der  Sohn  ein« 
^»erähiBten  Arztes,  den  ixopold  1  gegen  das  linde  Jet  I7.  Jaliihundcrts  alt  idnen  Lcibant 
nsch  Wien  berirt.  Plus  begleitete  den  Kalbet  auf  seinen  Reisen,  wurde  1712  Rat  und  erster 
l^barzl  Karls  VI.  Alexander  Rlccartli,  Dr.  jur.,  war  in  Ntspet  geboren;  von  seinem 
früheren  I.ebcn  wclil  man  irkhts;  er  hftt  um  die  Hofblbliolhek  sich  große  Verdtcnitc  er- 
-woebcn.  Bei  sclDcni  tri6  eriolücnden  Tode  wurde  seine  Privaibibllothch  (Cir  die  kalscrlkhe 
Biblkitbek  angekaufl  und  mit  ihr  vcrelnigrt.  Qarelll  im  als  Prllektam  2).  Juli  i7ii  gestorben 
I)  Daniel  Miidicl,  vgl.  Zrdle«  Unlvcnallen.,  Bd.  XEX.  17J9,  Sp.  528;  dort  wird" 
■acut  Werk  de  Bibl.  Paris.  Leipzig,  \T1\,  a,  angeliibil,  das  andeie  oben  gcninnte  Werk 
aüxr  nkhl  erwlhnt. 


potete  darla  con  ogni  sicurezza  al  Cavalliere  che  vi  preseni^ 
questa  letlera  senza  pcnsare  a  altro.  Vi  rcndera  subito  li  dcnin 
spcsi  per  isto  libro.  Vi  supplico  di  favorirmi  de  altri  libri  de 
quali  vi  mandat  la  nota.  Et  il  Sig"  Mercurio  non  manchera  di 
pagarvi  luiti  quelli  denari  che  avrete  bisogno  per  quel  Rne.  Per 
riguardo  alli  prezzi  mi  rimetto  a  let,  et  tutto  quello  che  Ur 
sera  bcn  fatto. 

(Darin  li^  ein  Zettel:)  manquent  pages  265,  266,  271,  272, 
al  libro  delte  nienioria(l)e  chronologico,  Supplemento  al  Toppio 
Bibl.  Neapel. 

9.  Rom,  27.  April   !725. 

II  Baron  di  SchÖnberg  Sassone  avra  1'  honore  di  presentan 
a  V.  S.  III.""  questa  lettera.  Egli  e  un  soggetto  di  vaglia  et  i» 
tende  e  connosce  i  buoni  libri.  Mi  farete  un  favore  particolaie 
di  farlo  connosccre  a  Ictterati  Neapolilani  et  in  parlicolare  il 
Sig"  Valetta  nostro  commune  amico.  Ho  scmpre  speralo  di 
venire  in  persona  in  Napoli  per  rinovare  l'antiche  amicizie.  lAi 
sino  che  non  saranno  finitc  le  incombenzc,  che  mi  lengono  qui 
incatcnato,  non  potro  godere  della  felicita  da  me  tanlo  bramati 
Fra  tanto  mi  raccomando  al  sovcnire  de  buoni  e  dotti  Napolibiii 
quanio  io  mi  ricordo  di  loro.     State  sono  ... 

10.  Rom,  30.  Jan.  1727. 

Mi  trovo  onoralo  duna  lettera  di  V.  5.  I.  in  data  dtl 
2J.  di  Gennaro  c  poche  di  innanzi  mi  fu  dato  il  libro  del  Leilis 
in  4  volumi  in  fol.  ben  condizionalo.  Col  primo  forasticro  dx 
di  qua  partira  per  Napoli  mandaro  a  V.  S.  I.  il  sborso  ddia 
doppja  di  Spagna  et  havra  la  bonta  di  mandarmi  per  loccasicxie 
stessa  il  appcndicc  o  secondo  tomo  della  Bibliotheca  Neapolitar». '1 
II  foglio  mandatomi  di  V.  S.  I.  per  rendere  compito  il  Memoriale 
Cronologico  non  e  quello  che  mancha  al  mio  Essemplarc  al 
quäle  mancano  Ic  pagine  265  et  266,  et  271  et  272,  come  ha^ii 
vcdulo  per  la  lettera  chio  11  scrissi  per  questo  fine.  Non  lidarti 
quel  incomniodo  di  domandarli  detti  fogli,  se  qui  in  Roma  ^ 
Irovasse  essemplare,  per  farle  copiare  ou  per  comprarlo.    Cer- 

>)  S.  oben  s.  W,  1. 


cbaro  U  Angeloni ')  et  spero  di  Irovarlo.  Maper  ü  Spanheniio') 
bisogna  che  V.  S.  I.  habbia  la  bonla  di  espettare  sino  che  ritorni 
ultra  montes,  perche  non  ci  e  essemplare  in  Roma  a  trovare  a 
qualunque  prezzo  che  si  sia,  et  1'  istessa  penuria  e  de  Mezzobarbi,  *) 
che  non  si  trovano  piu  a  fatto  se  non  per  grand  fortuna. 

Le  gemme  del  Augustini  colla  agiunta  del  Maffei  *) 
si  vendono  dal  Rossi  scudi  Dodici  in  quattro  votumi,  come 
V.  S.  I.  potra  vedere  per  il  catalogo  del  Rossi  stampato  colJi 
prezzi,  delli  quali  non  ci  e  modo  di  levar  niente.  Sto  espettando 
con  ansicta  il  catatogo  di  scultori  Italiani,  che  V.  S.  I.™"  mi  fa 
sperare,  non  dubitando  che  sera  perfetto  e  che  mi  dara  grand 
lume  per  raccolgerc  It  libri.  Un  libraro  di  Gianda*)  stampa  un 
Dittionario  Historico  contenenle  le  vite  et  scripta  di  tutti  Autori 
Viventi  et  morti  col  Catalogo  essato  (f.  esatto)  delle  loro  opere 
I  colli  anni  che  sono  stati  stampati  et  il  formato.  Se  V.  S.  I.  mi 
volesse  favorire  della  sua  vita  cot  catalogo  delle  sue  opere,  come 
anche  queTla  del  Doria  mi  farebbe  favore,  comme  anche  di  altri 
literati  Neapolttani,  che  tutti  faro  inserere  in  detto  libro. 


II.     Rom,  15.  Juli  1730. 

Ho  ricevuto  il  gentil:™^  foglio  di  V.  S.  ni*"  in  data  del  8. 
di  Luglio,  e  vi  ringrazio  molto  del  Scarabeo,  et  non  mancaro  di 
mandarvi  colla  prima  occaslone  d'un  foresliere  che  va  a  NapoH 
le  Vostre  due  Pietre  et  le  proinesse  Pasie.  II  scarabeo  col  quäle 
e  stgillata  la  vostra  leltera  e  di  cattava  (l  cattiva)  fabrica  c  ne 
trovansi  qui  una  grand  quantita  di  simili  cose  mal  fatle.  Delli 
•veri  scarabei  Egyzzii  compreso  il  vostro  ne  ho  adesso  sei  con 


>)  Pr.  AnE^Ionl,  HiilnHa  di  Temi  Ho<n4,  \6*6,  *.  Oder:  Lj  Kl^lnria  Aagntta  iti 
OIuUo  Cnarc  fino  i  CotUntlno  il  Mignu  lllustriu  con  li  verltii  dcllc  antkhc  maUgltc. 
XComa.  1641,  1. 

■>  Ei.  SpuihcmiL  Dliscrcitlona  de  pncMintli  et  iifu  namlimatuin  anäquorum. 
Kd.  novi.    2  vol.    Amtindim.  i7i7,  2. 

■>  fr  Ant.  Mnubirbi,  Amiqu.  Mulland.  1670-1705.  Vgl.  Blocnphle  unU 
'^«ndle.  Pari*.  ISM.    Kr  lehne  in  Bmcia,  Paiiju  Turin  und  Paris 

*)  Wahriclieinlich  U1  e«indnt :  Oonine  antictie  fjfurale  ättt  in  luce  da  Dom-  de 
%,OUJ  catlr  spfMiiionl  di  P.  A.  Miff«.  Pule  ]~1V.  Roma.  1707-1709,  4.  Dai  Wnk  da 
9_  ACMtlnl,  Lc  scmmr  anllche  fifimie,  Homa.  iM6,  4.  hat  nut  I  Bde. 

*}  SIHIeichl  handell  m  lieh  um  Ctuuffeple,  NLmveait  Uictlannairc  Usl.  et  crit. 
1T«-tTB0.     4  vu).  in  fol. 


veri  caratteri  hieroKlyfici  tati,  che  sulle  AgulIieV  se  trovano  scolpite, 
una  altera  20  ho  di  sculptura  Oreca,  quellt  con  scultura  gottc^ 
che  niente  significa,  ne  ho  solsmente  preso  un  poco  non  sapcndo 
che  uso  fame. 

II  Fagel  mi  scrivc,  che  ha  dato  ordine  di  comprare  i! 
Hesychto')  che  fra  pocho  sc  vendra  in  une  aucüone  alla  Haye,  e 
che  il  Crusü  Homerus  Hebraizans")  !o  fa  cerchare,  e  Vi  mandan 
l'uno  c  l'altro;  H  place  molto  il  Vosiro  libro,  e  lo  sa 
leggendo  adesso. 

Li  literati  devrebbero  far  festa  al  nuovo  Papa,  *)  che  e  stKo 
in  tulto  il  tempo  del  suo  Cardinalato  grand  Protetlore  di  litenü 
et  grand  dilettante  di  Libri.  Lul  e  molto  mio  Amico  Antico, 
ho  sicuro  che  non  ha  ancora  il  Vostro  libro.  ^)  Se  li  lo  mandatt, 
non  sara  mal  impiegato  certo,  et  chi  a  nome  vosiro  li  lo  pn- 
scnlera,  parlera  come  deve  a  favore  Vosiro. 

12.     Rom,  7.  August  1730. 

Profito  de  I'occasionc  della  partcnza  per  Napoli  de  Mylord 
Boyne  et  Mons.  Walpole^  per  mandarli  qualche  paste,  e  nel  istesso 
tempo  li  rimando  adietro  le  due  pietre  Intagliate  sue,  ringrazian- 
dola  del  Scarabeo  Egizio,  che  si  e  compiaciuto  di  donarml  A 
misiira,  che  altri  soggctti  occorreranno  per  fame  le  paste,  nor 
mancharo  di  ricordarmi  di  Ici,  per  mostrarmi  grato  2ll> 
sua  gentilezzä. 

Recommend6  a  Mr.  Allen 

Consul  de  la  Grande 

Bretagne 

avec  un  paquet 


13.     Ohne  Datum, 

Ho  ricevuto  la  stimatissima  lettera  di  V.  S.  111""  del  29.  di 
Agosto  e  godo  molto,  che  fra  le  paste  se  ne  siano  State  qualcfc* 


I)  AguglU  =  Natld,  vDl)»tttnilJc4icr  Autdruck  (fit  Obrliik. 

>]  Et  iU  JedenfalU  die  cd.  Hackiuia  Ktmnnl  (l.ugilufil  Bu.,  tMS). 

t)''OfdftQot  tßgnü>t  ilvr  HisturI«  Hebt  am  mm  ab  Homwo  Hcbttida  vw^^ 
MC  »enlentü»  Mn*«ip»  inOdyssad  ItUde  ncpoiila  illurtiataqu«  studio  ain«  opcn  Oo»'* 
Crotsi    Tomuft  I     Dotdnci  apud  TTieodoram  Oorit.    M.D.C.CIV.  a. 

<)  Cltma«  XII.  (Lorenio  CortinÜ,  Kit  UM. 

e>  Manhaei  AeffnJtÜ  Scialas connilti  de  BacchimlibT« expltolio.  In:  PülaüT*»- 


^ 


Briefe  von  Philipp  von  Slosch  an  Matt.  Egizic  in  Neapel. 


d'une  al  suo  genio.  Noi  altri  non  facciamo  polire  le  paste, 
1.  per  non  levar  niente  del  piano  di  sopra,  et  2.  perche  cossi 
rozze  si  tirano  con  maggior  facititä  in  zolfo,  come  resperienza 
l'ha  mostrato.  Se  pol  lei  ne  vnol  farne  legar  qualche  d'una,  li 
stessi  orefici,  che  legano  le  pietre,  Connoscono  Ü  arrotafori  di 
^mme  et  ne  hanno  bisogtio  ogni  giürno.  Bisogna  avisare  pero 
di  non  far  polire  la  superfide,  perche  le  pietre  perdono  molto 
quando  il  contorno  delle  figure  e  guastato. 

Sto  sempre  aspellando  qualche  nuova  aüomo  11  consaputo 
vaso  di  Granito,  de!  quäle  havrel  caro  di  haver  un  buon  dessegno 
colle  misure  del  altezza  misurate  a  palmo  Romano,  et  il  prezzo 
per  quanto  aede,  che  si  possa  havere  apresso  poco.  Connosco 
diversi  amici,  che  piglieranno  volontieri  Tincombenza  di  pre- 
sentar  al  Papa  il  Vostro  libro  sopra  11  Bacchanali,  che  certamente 
vi  serviranno  con  ogni  sincerita  possibile  per  i  Vosiri  Interessi. 
It  Fagel  ha  trovato  il  Homerus  Hebraizans  e  spera  di  havere  anche 
il  Hesychio,  che  mi  mandera  con  alth  Ubri  novi  a  mc  indirizzati. 

H.    Rom,  30.  Sept.  1730. 

Ho  ricevuto  la  lettera  di  V.  S.  WV^'-  in  data  del  23.  di 
Settembre  nel  fare  arrotare  le  paste,  non  bisogna  farle  toccarc 
aila  superFizie  di  sopra,  altrimenti  corrono  risico  di  guastarsi  Ij 
contomi  delli  ritratti  overo  figure.  lo  per  il  mio  studio  non 
lacdo  mai  arrotare  nlssuna  in  altra  forma,  che  li  I'ho  mandate, 
perche  con  maggior  facilita  se  ne  cavano  li  zolfi  o  cuntrapasle 
(^uando  non  sono  tanto  liscie.  Faccia  almeno  di  avere  del  Inglese 
<]i  Napoli  li  zolfi  delle  sue  phncipale  pietre  intagliate.  Lei  puol 
impegnarsi  di  volerli  rendere  per  ogni  zolfo  che  mi  manda  due 
Bltri,  di  quelli,  que  manchano  a  iui. 

lo  ho  parecchie  volle  scritio  a  un  Vostro  Antiquario  Napo- 
'itano  chiamato  il  Sig.  Alfani  detto  il  Pettoriello,  mi  ha  promesso 
*!'  procurarmi  una  Gemma  d'una  Syrenc  (mezzo  Gallo  mezza 
donna)  sonando  la  Lyra,  e  diversi  di  quelli  huomini  lllustri 
Napoliiani,    e.  g.    lovianus   Pontanus,*)    Diomede   Caraffa')  etc., 

'<  Oiov.  Pontsttn.  geb.  1426,  gcs'l.  lu  Neapel  i^OJ,  bckanni  alt  Dichter,  OnchlchU- 
'(^^"tibn  und  SuaUmuin  Er  war  S«kmiT  d«  Könlfi  Ferdinand  I.  und  Lehrer  von 
^ontll.  A.  Annand,  Lei  mMiilteun  Italient,  II,  3D,  lO  kennt  von  ihn  drei  Medaillen. 
"V''  0.  Roui,  II  Quatirocimto,  Mailand,  \ZW,  Kap.  9. 

^  &.  S.  344,  Anm.  3- 


et  qualched'uno  de  Re  Arragonesi,  che  non  ho  nella  mia  raceolta, 
le  quali  medagüa  c  gemma  li  havrei  pagato  a  prezzo  raggio* 
nevolc  NU  non  trovn,  die  in  veruna  cosa  mi  tiene  parola,  ne 
respondc  alle  lettere.  ^1 

II  Fagel  finalmente  in  data  de]  8.  Settembre  mi  scrive  ta^^ 
vere  trovato  per  voi  Ü  Hesychio,  che  manda  a  me  indrizzato  in. 
sieme  col  Homerus  Hebraizans  et  altri  libri  per  la  mia  raccolta. 
Non  occorrc,  che  lei  si  scommodi  in  verun  conto  per  conto  de) 
Fagel,  il  quäle  sino  adesso  e  piu  debitore  di  lei  che  non  lei  di 
lui.  Lui  interamente  si  e  buttato  alle  medaille  moderne,  et  a  tine 
dt  far  in  quel  genere  una  raccolta  singulare  mi  regalo  a  me 
tutte  le  sue  medaille  anüche  di  Oro  Argenlo  e  metallo,  che 
sono  stato  la  base  del  mio  studio,  che  poi  nelli  viaggi  ho  acae- 
sduto.  Se  mai  lei  trova  chi  vuoglia  (corr.  aus  vuole)  a  Na* 
poli  disfarsi  della  sua  raccolta  di  medaille  delle  citta  di  Qrezia, 
basla  che  mi  mandi  una  lista  esatta,  et  li  faro  vendere  con 
grand  vantaggio  o  barattare  contra  libri  stampati  in  Gianda  a 
sciellta  sua,  perche  se  sono  oltra  li  monti  delli  grandissimi  di- 
Icttanli  di  medaiglie  Qreque,  piu  assai,  che  non  si  trovano  in 
Roma,  principalmente,  quando  sono  lisibile  e  ben  conser\'ate. 
Prego  che  V.  S.  III."'  mi  voglia  conservare  la  sua  Amicizia,  c 
di  essere  persuaso  che  sono  con  motto  ossequio  ... 


15. 


)veniore      II 


Rom,  16.  Dezemb.  1730. 

Ho  ricevuto  il  gent""  foglio  di  V.  S.  lll«  del  4.  di  No^ 
e  pocho  doppo  il  Pettorietlo  Alfani   mi  ha  mandato  una  lettera 
con  certe  medaglie  di  Homini  lllustri,  fra  altri  un  Joviano  Ponlano. 
le  quali  io  li  ho  falto  pagare  subito.   Quella  di  Andrea  CaraffaM 
l'ho,  raa  cerco  una  di  Diomcde,  che  ho  veduto  nel  studio  ^ 
Fagel.     Av.:   Diomcdcs   Caraffa   Comes  Catalunie   exempl:   fi*^ 
Rev.:  erga  suuni  Regem  et  Patriam.*)   Faccio  desegnare  per  f^^" 
poi    stampare    le    medaglie    de  huomini    lllustri,    che   precedc:^'^^ 
l'anno  1500.     FontaninI   e  il  Valesio  lavorano  di  concerto  c^^' 


1)  Andrea  Csnrfa  w»r  Onf  von  Suita  Seven  UM;   «m  I5U-13U  wu  «r  V"^ 

UMc  Ton  Nnpri.     Vgl.  A,  Armand,  Lo  mM.,  11,  ID8,  II  und  DI,   t»7,  c.  ^ 

>>  Dfomcde  Cantta  »m  Neapel  «ai  Im  DIenMe  de«  Känlic«  Alfona  V.  von  Angoc^^^ 

und  Ferdinitld  t  ,  tuMc  i*6S  zum  Orafrn  ron  Mataloni  und  UU  von  CorrrtU  cnuW^^S 
Aol  der  Medaille  sieht:  D>'oincdcs  .  Carrafa  .  Comes  .  MaUluni  .  ctempl  fid.  lal  p.  (^^"^ 
«rjEa  .  suuED  .  regem  .  et  pauiam  -  (initacto.    Vsl.  Annand.  Ici  mid.  Itil.  lU.  1'^ 


Briefe  von  Philipp  von  Stoacfa  an  Matt  Egizio  in  Neapel.      345 

me  per  spiegarle.  Sc  a  lei  occorronc  qualche  d'uno,  prego  di 
darmene  parte,  per  tanto  maggiormente  llluslrar  quel  libro.  Mi 
vicn  detto,  che  Don  Marco  Mundo  sta  scrivendo  sopra  una  pietra 
Anticha  d'un  bachanale,  havrei  gusto  di  sapere  quale  sia  preci- 
samente  detta  pietra,  per  giudicare  della  sua  Antichitä  avanti,  che 
quel  galanthuomo  sprega  il  suo  tcmpo  per  essa.  Mi  dicono  che 
aparteneva  al  Principe  Lichtenstein,  hora  non  mi  ricordo,  che 
lui  habbia  altra  bacchanale  se  non  una  copia  dt  quello  del  Re 
di  Francia  che  11  fu  quJ  regalato  (mi  pare)  del  Cardinale  Albani. 
Nel  vedere  rimpronta  mi  sara  facile  di  conoscerta. 

Li  Vostri  libri  sono  per  ViaggtOj  e  subito  che  arriveranno 
vi  sarano  transmessi.  5e  mai  capita  quella  medaglia  grande 
d'Argento  battuto  in  Syracusa,  che  pesa  quattro  tetradrachmi, 
havrei  Caro  di  haverla-  D'una  banda  si  vede  la  testa  di  Cerere, 
de  l'altra  un  carro  ttrato  di  Cavalli.  *)  Pagaro  volentleri  il 
prezzo  di  essa. 

Rispondo  con  questo  ordinario  alta  lettera  del  Atfani. 


16.     Rom,  13.  Jan.  1731. 

Le  cachel  de  cette  lettre  est  le  Mercure  grave  par  Dioscuride 
*»i  Comalline.     II  aparlient  au  Fagel.  •) 

Ho  ricevuto  con  grande  soddlsfaztone  il  genL"^**  foglio  di 
^- S.  I™.  11  dissegno  del  Vaso  ho  considerato  bene,  e  vorrei 
"Volontier!  averlo  se  per  un  prezzo  discreto  se  potesse  comprare. 
Vi  prego,  Caro  Amico,  di  fare  il  possibile  di  conchiuder  iJ  ne- 
S^Dzio  col  meglior  mio  vantaggio.  Scrivo  con  questo  ordinario 
^*  console  Britannico  Mr.  Allen  di  darvi  a  ognt  vostra  requisizione 
^t  ordine  li  denari  che  !i  chiederete  sino  atla  somma  di  70  Ducati 
^oneta  Napolitana.  Vi  prego  di  fare  il  possibile  di  averlo  per 
*^eno  se  si  puol,  ma  in  caso  dt  non,  pagateli  11  70  Ducati,  sup- 
P<>wndo,  che  sia  intero  e  conservato  bene.  Se  vi  accordate  col 
poKessorc  intorno  il  vaso^  prego  di  consignarlo  al  detto  Signor 
^nsole  Alien,    il  quale  havra  cura  di  mandarmilo  secondo  l'in- 


>}  Jcdcnfilli  l*t  die  tjctcinntc  DekarfTachmr  von  S  gcmrint. 

•)  Du  Siegel  i«  lusgwctinitlCT     »'■hfKhrinlich   die  bd    t-'urlvingler,  Oemmen, 
T.  «,  10  ibgeblldcU  Oemine,    Difl  diese  im  B«ltr  dct  F«jcl  wir,  IjI  «ti. 


dirizzo  che  H  mando.  Ho  scritto  al  Sibell,  di  lasciar  il  libro  a 
Casa  vostra,  credo  che  l'havra  fatto  a  qucst  ora. 

Ho  comprato  un  libro  molto  singolare  mai  da  me  vcdutc 
ahrove.  11  tilolo  e:  Rcgis  Ferdinand!  (Neapoli*:)  et  AHoniir 
q>istoIae  et  orationes  utriusque  mililiae,  in  8.  Cie  d'entro  mollt 
Vettere  del  Panormilano,  dei  Pontano  e  de!  dctlo  Re  Fernando  ( 
stampato:  VICE  AEQVENSIS  apud  losephum  Cachium  1586 
Ho  acquistato  anche  Antonii  Bononiae  Panormilani  Orationes  t 
Epistolae  et  Carmina,  Venetiis,  1554,  4*°.  Cerco  adesso  Fran- 
cisci  Phllelphi  epistolae  in  un  folio  grande,^)  e  non  li  posso  tro- 
varc  in  Roma.  Questi  Epistolographi  del  15.  secolo  mi  servonc 
molto  per  spiegar  le  medaglie  dei  huomirii  illiistri  di  quelli  tcmpi 
che  faccio  dessegnare  per  stamparli  poi  doppo.  Gia  a  quest  ors 
sono  fatti  80  dessegnt.  Spero  che  col  ajuto  di  Fontanini  et  Valesio*] 
sarano  da  noi  spiegata  la  maggior  parte. 

P.  S.  Ho  trovalo  un  Grulero,  dove  l'lndice  parota  a  Parob 
c  stato  confrontato  col  libro  e  corrello.  lo  sto  adesso  confron- 
tando  col  mio  della  nuova  Edizione  e  mi  serve  molto  per  corri- 
gerlo  e  accrescerlo.  Les  Hvres  ne  sont  pas  encore  arrives. 
J'agreerai  le  billet  de  change. 

17.     Florenz,  5.  Juni  1731. ■) 

Mandai  il  raese  passalo  al  Sig:'*  Console  Allen  li  due  libr 
mandalili  del  Fagel :  11  HesychJo,  et  il  Homenis  Hebraizans.  Ii 
caso,  che  non  li  habbia  per  anche  conscgnati  a  V.  S.  111:'°',  la  prege 
di  mandare  a  Casa  sua  per  essi.  II  Sig'^  Console  Skinner  d 
üvomo  prese  I'  incombenza  di  mandarli  a  Napoli,  dove  sarannt 
a  questora  sicuramente  arrivati.  Sto  anchora  qui  in  Firenze,  in 
certo  si  devro  ritomar  a  Roma  o  andare  Ultra  montes.  Del  ultim< 


1^)  ^irtolac  Fracitcl  PtiUelli  o  oriciiiuio  txrinpliB:i  Irauuuinpiae.  Ptiotn  AaMi 
M.  D.  VI  in  4  0. 

■)  Beidr  haben  aurh  husI  Ph.  v.  St.  bei  tdnm  antiquariKhcti  Unlcnachnnca 
echolfra;  nimcntllch  voll  dcrTot  der  OemmatCidatae  «uf  Vilciiuj  rurüclcgthcn.  der  dn 
unütx-rrlnd  liehe  Abßcignng  hane,  mit  teincm  Namen  in  die  Öffenil  ichkeil  zu  treien.  t(1 
Coii  vat  Onobon.  tat.  1113,  «o  Ghez2L  lu  einer  Zeichnunj;  von  Slotch  htnzui^eKhriebcfi 
hat:  Barone  SCoic.  che  pubblfc^  un  Llbio  ili  Ucmm«  col  nomc  dcirinUglUtorc,  a  enl  bn 
Ir  tpifgailuni  1'  Ab.  Valnlo. 

»)  Phil.  V.  Stotrh  halle  Fnde  Febtuai  Uli  Rom  vrrlassn  und  ddi  nach  FIoRV 
begeben,  inlolge  an  auf  ihn  etmachtcn  AttoiUtes.  Vgl,  C  Juti,  Antiqn.  Briefe  de 
Cb,  Y.  SiMch,  Marb,  i»7i,  S.  i*.    Zdttcbr.  f.  b.  K-,  t8;2.  S.  3)J. 


havrei  piii  gusto,  perche  sarei  in  stato  di  meglio  servir  li  miei 
amici,  esscndo  in  Gianda  o  Engilterra^  che  in  questi  paesi.  Vi 
prcgo  di  rispondermi  una  parola  intorno  ]i  mentovati  libri,  in- 
dirizzando  le  mie  Icttere  al  SJg:"  Colman  Residente  Britannico 
in  Firenze. 

18.     Florenz,  26.  Dec  17J1. 

■  Sento  con  singolare  contento,  che  li  libri  sono  alla  fine 
pcr\'enuti  alH  suoi  mani.  lo  li  consegnai  nel  Aprile  in  mano  al 
Console  Britannico  Skinner,  per  mandarli  a  Napoli  al  Sig'^  Allen, 
et  lui  mai  potette  rinvenir  sopra  quäl  nave  li  aveva  caricati. 
^b  Si  V.  S.  lU*"*  ne  vuol  ringraziare  il  Sig.  Fagel,  lei  puol 
TIfettere  sopra  AI  lllustrissimo  Signore  Padrcne  Mio  Colendissimo 
il  Signor  Francesco  Fagel  Segretario  di  Loro  Alte  Potcnze  H  Stati 
Generali  delle  Provinzie  Unile  alla  ^iaya  in  Hollanda.  In  caso 
che  lei  non  si  vuol  dare  questo  incommodo,  suppHrö  io  per  lei.^) 
^g_     Non  connosco  Mr.  Smith  se  non  per  Reputazlone. 


19.     Florenz,  24.  Okt.   1732. 

II  Signor  Scliaw  Inglese  dara  qucsta  lettera  a  V.  S.  III."" 
insieme  con  sei  esseniplari  d'un  ritratto,  che  Un  Intagliatore  dl 
Norimberga^)  ha  fatto  della  mta  figura,  lei  H  dara  alli  miei 
Amici  e  conservera  uno  per  se.  Questo  Sig:"'  Schaw*)  *  un  grand 
literato,  che  ha  visto  Oran  parte  del  Africa  e  stato  in  Egitto  e 
adesso  vuol  vedere  I'ltaliaj  lei  havra  un  piacere  grande  de  trale- 
nersi  seco  sopra  quelle  a  noi  pocho  meno  che  ignote  conlrade 
et  paesE,  che  sono  sCati  visitati  da  molli  mercanti,  nia  di  pochis- 
simi  titcrali  della  sfcra  del  Signor  Schaw,  il  quäle  ha  lutta  l'in- 
lelligenza  neccssaria  per  far  delle  osservazioni  utili  al  mondo 
literario.    Supplico  a  V.  S.  III.""  di  farli  conoscere  li  literati  Na- 


>)  Eei'zio  hit  an  Ptsctl  einen  lil.  Brief  ceundt,  der  In  den  oputc.  rolgiri  Ut, 
S-  331  abgedruckt  m.    Der  Brief  isl  datiert  von  Pari«,  pr.  ■cü.  April.  1T16, 

fljcdenfalli  O.  .Marl.  Preißler,  »gl.  Fr.  Ldttchuh,  Die  PtmlHe  tVdBIer  ond  Mark. 
TuKhcf,  ttiptig,  il«6.  Dei  KupFcrslich  trägt  die  UnlerMtifitt:  Imaüo  .  Philippl  ■  de  . 
StOKh  •  //  l'ib.  Banmit  Herum  .  anti  /,'  quoium  «tuUio«!  .  //  ab  .  Edmunde  .  Bouctiardan  . 
Oallo  .  //  e  .  marmore  .  cxsculpta  .  Romae  M.  VrC  XXVtl  .  ',  Joli.  Jmi.  Pwifiler  del  . 
Röttue  .  0.  -Marl.  PrdBler  k.  Norirab.  Stosch  hil  einen  Mantel  auf  der  I.  Scbnller,  dn 
«lurdi  eine  Agraffe  muinmengehallcn  vird,  die  mit  einer  EuLc  veriicn  itt. 

*}  Schav  itt  nach  der  Diographte  UniverKlIe  (Paris,  it**t  royasrar  en  Afriqae  etc. 

i«n-iTsi. 


poliUni,  et  li  assJcuro,  che  tutli  li  favori,  che  si  compiacera  di 
farli,  saranno  da  me  tenuti  come  fatti  alla  mU  propria  persona. 

20.     Florenz,  30.  Dez,  1732. 

Ho  ricevuto  il  Genlil;"«»  foglio  di  V.  S.  1!1:™  in  data  del 
5.  X^",  et  molto  la  Ringrazto  delli  favori  fatli  al  Sig"  Schaw. 
11  quäle  e  huomo  di  un  merito  distinto.  Mi  dispiace,  che  sia 
State  in  Napoli  in  un  lempo,  che  li  tremuoti  hanno  mostrato 
detta  citta  nella  piu  svantagiosa  situazione  che  vedere  si  possa. 
Godo  molto  di  senlire  il  comminciamento  d'una  Accademia  di 
scienze  in  Napoli  fertile  di  Ingegno  in  tulte  le  arti  liberali  e 
scienze.  Se  volete  trovare  un  fondo  per  dctta  Accademia,  bisogna, 
che  dechiarale  il  Cav.  Garelli')  per  capo  di  essa  e  Cesare  per 
Protetlore  Honoraho  et  vedrete,  si  bastera  t'  annuo  al  Garelli  a 
trovare  un  fondo  per  il  mantenimento  di  essa.  Quando  havro 
tenipo  di  rivedere  le  mie  medaglie  Antiche  (Ic  quäle  stanno  in- 
cartate  senza  ordine),  vedro  se  ci  sara  iina  di  Postumo  duplicata, 
per  potervela  mandare,  perche  da  noi  solo  sono  rare  in  gran- 
bronzo  e  Oro  et  in  piccolo  metallo  si  trovano  in  quantita  et  ml 
ricordo  di  averne  una  volta  contprato  a  Nimwegen  nel  paese  di 
Ocldra  500  d'un  istesso  Cugno  (=  conio)  PAX"AVG*  le  quaü 
disCruggevano  di  quanto  il  argomento  di  quelli,  che  non  credono 
che  due  medaglie  Antiche  si  trovano  de1  istesso  cugno.  Se  questi 
Anliquarii  havessero  veduti  fare  le  monete  oggidi,  havrebbero 
facilmentc  o&scrvato  che  con  un  solo  Ponzone  di  Relievo  in 
Acciajo  si  possono  cugnare  millc  cugni,  et  col  ponzone  d'una 
figura  mille  cugni  di  rovescio.  Le  lettere  poi  a  ogni  cugno  li 
antichi  li  facevano  a  mano,  !i  nostraü  con  altri  ponzoni,  di  la 
viene,  che  una  volta  comparando  con  qualche  d'uno  de'  miei 
Amici  in  un  banco  in  Amsterdam  millc  diffcrenti  scudi  di  Luigi  XIV, 
trovassimo  solo  pochissimi  diffcrenti  per  la  testa  et  veruno  simile 
lettera  per  lettera  a  l'altra.  Questo  capiranno  piü  la  gente  del 
mestiere  di  fare  monete  che  li  Anliquarii.  Lei  se  lo  facci 
spiegare  di  uno  di  loro. 


4 
^ 


<)  Vgl.  S.  338,  Anm.  7. 


I 


Ernst  Bernhein,  Das  akademische  Studium  der  Oeschichtsvissen- 
sduFt  Mit  Beispielen  von  Anfängerßbungen  und  einem  Studienplan. 
2.  enreiterle  Auflage  der  Schrift  »Entwurf  eines  Stiidienplans"  usw. 
Greifswald,  Jiil.  Abel.  1907.    (83  S.) 

Mit  den  Gedanken  und  Plänen  Bernheims  kann  man  sich  Im  ganzen 
durchaus  einverstanden  erklären,  vor  allem  mit  der  beabsichtigten  Zurück- 
drängung -der  Herrschaft  des  rezeptiven  Systems",  d.  h.  des  -erdrückenden 
Übcrge«'ichts  der  Vorlesungen",  zugunsten  der  wirklichen  Unterrichts- 
charakter tragenden  Seminarübnngcn  von  den  ersten  Semestern  an.  Was 
hat  es  denn  z.  B.  für  einen  Zweck,  etwa  denselben  Stoff  in  wöchentlich 
vierstündigen  Vorlesungen  vortragen  oder  ablesen  zu  hören,  über  den  der 
betr.  Dozent  ein  Buch  geschrieben  hat,  wie  das  häufig  vorkommt?  An- 
gebracht sind  nur  einführende  Orientieningsvorlesungcn.  wie  B.  völlig 
richtig  fordert.  Die  Bedeutung  der  in  den  Vordergrund  zu  stellenden  allseitig 
bildenden  Seminarübungen  behandelt  B.  in  dieser  Auflage  seiner  Schrift 
näher,  gibt  ferner  lehrreiche  praktische  Beispiele  von  Anfängerübungen 
sowie  einen  genauen  Studienplan.  Er  sucht  aber  in  dieser  neuen  Auflage 
auch  den  Gefahren  einer  Überfüllung  der  Seminare,  die  gerade  infolge  der 
Erkenntnis  ihrer  Bedeutung  eintritt,  durch  den  Vor^hlag  zu  begegnen, 
schriftliche  Arbeiten  in  den  Seminarstunden  selbst  im  unmittelbaren  Ver- 
folg der  Gesamtuntersuchung  anfertigen  zu  lassen,  für  die  er  ebenfalls 
«in  praktisches  Beispiel  (Nr.  4]  bringt.  Im  ganzen  sieht  man  aus  der  an 
sich  durchaus  zu  begrüßenden  Schrift  freilich  aufs  neue,  eine  wie  geringe 
Rolle  die  Kulturgcschiclilc  in  dem  Gedankenkreise  unserer  Universitäts- 
historiker spielt,  trotzdem  gerade  U.  eine  freundliche  Stellung  derselben 
gegenüber  einninnul.  Die  Ausbildung  als  Ktilturhistoriker  würde  doch 
eine  ganz  andere  Anlage  der  Übungen  mit  ganz  anderen  Stoffkreisen  er- 
fordern, als  sie  die  Beispiele  Bemheims  vorführen.  Wenigstens  müssen 
auEler  oder  nach  diesen,  jedem  Historiker  dienlichen  Übungen  in  dem  Um- 
gehen mit  den  Quellen,  Kritik  usw.  spezielle  kulturgeschichtliche  Übungen  in 
ausgedehntem  Maße  stattfinden,  die  natürlich  nurein  Kulturhisloriker  anlegen 
und  leiten  kann,  nicht  der  politische.  Bemheim  ignoriert  ja  die  Kultur- 
geschichte keineswegs.     Bei  den   Übungen  im   historischen   Lchrvonrag 


findet  sich  z.  B.  als  tchte  Aufgabe  Behandlung  der  Kullurverbältnisse 
unter  Kar!  dem  Grollen.  Das  Kapitel  ^Vorlesungen  über  die  historischen 
Hauptstotfe-  beginnt:  »Die  historische  Bildung  umfaßt  poUtische  Geschichte 
und  Kulturgeschichte".  Aber  diese  Erkenntnis  tritt  doch  in  dem  eigent- 
lich praktischen  Teil  der  Schrift  kaum  hcr\'or.  Vielleicht  fügt  B.  in  einer 
dritten  Auflage  das  Beispiel  einer  speztfbch  kulturgeschichtlichen  Übung 
hinzu.  Bei  der  Eigenart  der  Probleme,  zuweilen  auch  der  Quellen  -  ich 
erinnere  z.  B.  an  die  bildlichen  Quellen  -  ist  eine  solche  gar  nicht  SO 
einfach,  vk  man  denken  kAnnle.  Georg  Slelnhausen. 


Crmt  Schaunkell .  Geschichte  der  deutschen  Kulturgeschichrs- 
schrcibung  von  der  Mitlc  des  1S.  Jahrhunderts  bis  zur  Romantik  im  Zu- 
sammenhang mit  der  allgemeinen  geistigen  Entwicklung  dargestellt.  (Prd*- 
schrificn,  gekrönt  und  herausgegeben  von  der  Fürsilidi  Jablonowskischen 
Gesellschaft  zu  Leipzig.    XXXIX.)    Leipzig,  B.  Q.  Teubner,  1905.    (330  S.]r| 

Das  Preisausschreiben  ist  auf  Anregung  Lamprechts  ergangen.    Der 
Verfasser  der  Preisschrift  steht  auch  auf  dem  Boden  der  Anschauungen  Lani- 
prechts.    Leider  hat  sich  herausgestellt,  daB  das  Buch  in  seinem  ersten 
Teil  gerade  an  den  besten  Stellen  ein  Plagiat  aus  Arbeiten  von  Dilthey] 
und  Goldstein  ist,  wie  K.  Nobl  in  den  Forscliungen  zur  brandenburgischea] 
und  preußischen  Geschichte,  ^%  2SS  -  9J  nachgewiesen  hat.    Ein  weit« 
Eingehen  auf  das  Buch   erübrigt  sich   daher.    Man   hat  aber  mit  R< 
hervorgehoben,    daß    die    ZiisammeTistelhmg    interessanter    Außeningenj 
älterer  Autoren  immerhin  ihren  Nutzen  hat.     Übrigens  haben  in  neuere 
Zeit    noch    ganz  andere   Leute   als   Herr    Schaumkell    nidil   allzu  vid'j 
Respekt  vor  fremdem  literarischen  Out  entwickelt.   Einem  weiteren,  in  die 
Beziehung  noch  nicht  erkannten,  sehr  kritischen  Herrn  in  einem  bcreitaj 
älteren  Werk  hier  und  da  ein  »Vergessen»  des  Setzens  von  Anffihrunj 
zeichen   nachzuweisen ,  mag  passender  Gelegenheit  vorbehalten  biril 
Die  JablonowskJsche  Gesellschaft   selbst   hat  nachtraglich  eine  Erklärui 
gegen  den  Verfasser  veröffentlicht,  in  der  sie.  abgesehen  von  dem  oben  be^ 
rührten  Punkt,  dem  Verfasser  weiter  vorwirft,  daß  er  die  von  ihr  verlangten 
Ändeningen   resp.  Umarbeitungen  nicht  vorgenommen  habe  (vgl.  Lilter., 
Zenlralblatl,  1907,  Nr.  24).    Das  hätte  doch  aber  bei  der  Drucklegung  ge-J 
merk!   werden   können  oder  vielmehr  vorher,   als  die  Arbeit  .in  druci 
fertigem  Zustande"  wieder  eingereicht  wurde  (vgl.  Vorbemerkung  hinli 
dem  Titel).  Georg  Steinhausen. 


WeKffesehichte.     Unter  Mitarbeit   von  Th.   Achelis.  Geor«   AdU 
u.  s.  w.  herausgegeben  von  Hani  P.  HcInolL    Bd.  9.    Nachträge.    Quelle 
künde.  Genen Iregister.   Von  AlexanderTille,  Richard  Mayr,  Viktor 
Hantzsch,   Thomas   Achelis,   Hans   F.   Helmolt   und    Friedrich] 


b. 


f^ichlcT.    Mil  2  Karten  und  2  schvarzen  Beilagen. 
äihHopaphisches  Institut.  1907.     (VIII,  h77  S.) 

Die  einzelnen  Bände  des  umfassenden  Unternehmens  sind  hier  je- 
*"eib  nach  ihrem  Erscheinen  gewürdigt  worden;  bei  dem  zuletzt  heraus- 
S^ltßmmenen  6.  Band,  mit  dessen  Erscheinen  das  Werk  eigentlich  abge- 
schlossen war.  bin  ich  noch  einmal  auf  das  Qesamtwerk  eingegangen 
(vgl.  Archiv,  S,  377  f.)  und  muß  auf  die  dort  geniaciilen  Bemerkungen 
»'erwtisen.  Ober  den  vorliegenden  Ergänzungsband  will  ich  daher  nur 
Iciirz  referieren.  Zunächst  bringt  er  zwei  Nachträge,  die  freilich  eine  auch 
*onst  hervorgetretene  Zerstückelung  des  Ganzen  noch  vermehren:  Tille 
^ührt  seine  sehr  mäßige  Darstellung  der  Engli:>chen  Ge$chichte  (Bd.  t>) 
t>is  zur  Gegenwart  (-Großbritannien  und  Irland  seil  dem  Tode  Georgs  lll.")^ 
UTid  Rieh.  Mayr  schließt  seine  ge$chickt  zusammenfassenden,  von  eminenter 
&«Iesenheit  zeugenden  Ausführungen  über  BWesleuropas  Wissenschaft, 
Kunst  und  Bitdungswesen  vom  16.  Jahrhundert  bis  zur  Gegenwart"  (Bd.  s) 
(nitdrei  Kapiteln  über  .die  bildenden  Künste^  »die  Naturwissenschaften" 
Und  »die  Geisteswissenschaften-  im  19.  Jahrhundert  ab. 

Weiter  enthält  der  Band  einen  sehr  lesenswerten,  gerade  für  uns 
0«ulschc  interessanten  Beilrag  von  Viktor  Hantzsch  über  »die  deutsche 
Auswanderung"  und  eine  nicht  gerade  bedeutende  Darbietung  von  Thomas 
A.c)ielis:  •Methodologischer  Rückblick  .luf  die  Ergebnisse  der  ,Wett- 
fe-schichte'",  worin  das  von  Melmolt  zar  Begriindung  und  Verteidigung 
der  Anlage  der  i.WeIlgeschichte"  OcsaR;tc  mehr  oder  weniger  umschrieben 
»'irxl  und  die  Ergebnisse  des  Gesamtwerkes  zusammengefaßt  werden.  Die 
**a.nn  anschließende  Skizze. modemer  Geschichtswissenschaft":  »Zur  Psycho- 
loge der  Weltgeschichte-  ist  ohne  besonderen  Wert. 

Sehr  willkommen  werden  dem  Leser  endlich  die  «Quellenkunde",  d.  h. 
cäfa  ziemlich  ausführliches,  freilich  sehr  »mgleiches  Literaturverzeichnis, 
u  tici  das  natürlich  durchaus  notwendige  Gencralregister  sein. 

Im  ganzen  möchte  ich  trotz  mancher  von  mir  früher  gemachten 
^»^wlnde  das  von  den  meisten  Mitarbeitern  Geleistete  nochmals  besonders 
^■^^ikennen  und  dem  Werk  weiteren  Erfolg  wünschen. 

Georg  Steinhausen. 


Pustel  deCoutanges,  Der  antike  Staat,  Studie  über  Kultus,  Recht  und 
^^nrichlungcn  Griechenlands  und  Roms-  Autorisierte  Übersetzung  von 
**»  ul  Weiß,  mit  einem  Begteilwort  von  Heinrich  Schenkt.  Berlin  und 
Leipzig,  Dr.  Walter  Rothschild,  19U7.  (476  S.) 

Das  berühmte  Werk  Pustel  deCoulanges'  »La  cit6  antique"  erscheint 

^*er  in  deutschem  Gewände.     Der  Übersetzung  an  sich  wird  der  Qrarer 

Philologe  Heinrich  Schenkl  gerecht,  er  urteilt  auch  über  das  Buch  selbst. 

»ind  seiner  Autorität  lauscht  man  mit  Vergnügen,  wenn  er  zum  Beispiel 


dfin  Fnnzosen  unntreichende  Qudtenfichtung  vorwirft,  um  dann  wieder 
seine  ßlinzcridcn  Vorzöge  hcr%'orzu heben.  Der  Stiatsorganisinus  des  ge- 
samten Altertums  wird  in  dem  Werk  vor  uns  aufgebaut.  Die  Familie,  in 
deren  ältester  Form  die  Religion  als  bildendes  Prinzip  vorherrschte,  widst 
sich  zum  Staalsverband  aus.  Das  Familienrecht  ist  Gegenstand  dnKcfacBder 
Erörterungen,  wobei  Pustel  für  seine  Zeit  Aufkrordentlichs  leistete.  Gegen- 
värlig  ist  der  Blick  geschärft  und  erweitert,  man  hat  auf  Crund  der  ver- 
gleichenden Rechtswissenschaft  sowie  neuer  Funde  das  Wesen  der  Rechts- 
historie  liefer  und  intensiver  zu  durchdrin^n  gelernt.  Funde,  wie  das  Recht 
von  Oortyn,  die  ägyptischen  Rechtsurkunden,  der  Codex  Hammunbi  und 
andere  haben  die  einst  bdcimpften  Wortführer  der  Recbtsvergieichung, 
Köhler,  Post,  Leist,  Meili  und  andere,  glänzend  gerechtfertigt,  und  mit  Be- 
rücksichtigung dieser  Forschungen  müßten  die  betreffenden  Abschnitte  des 
Bttdics  eigentlich  umgeschrieben  werden.  Für  griechisch-römische  Fngen 
aber  haben  sie  noch  jetzt  Oettung,  wenn  der  Herausgeber  auch  davon 
absah,  die  neueste  Uteralur  heranzuziehen  und  zu  verzeichnen,  was  ei'gent- 
lieh  zu  bedauern  ist  (ebenso  wie  das  Fehlen  eines  Index).  Der  Staat  wird 
dann  untersucht  und  eindringlich  dargelegt  vie  jedes  Organ  dieser  Körper- 
schaft von  starrem  Ritualismus  dicht  umsponnen,  das  Ganze  mit  ponli- 
fikalen  und  hierarischen  Elementen  durchsetzt  und  durchwuchert  ist  Die 
Magistraturen, die  Gesetzgebung,  Bündnisse,  Stadt- und  Koloniengründungen 
zahlen  dem  Kultus  ihren  sehr  ansehnlichen  Tribut,  so  daß  die  gesamte 
Denkweise  der  Menge  von  sakralen  Ideen  erfüllt  ist.  Eine  Wendung  der 
Dinge  tritt  erst  durch  das  ein,  was  Fustel  die  Revolutionen  nennt,  und 
unter  denen  er  die  allmählichen,  zum  Teil  auch  ge<9(-altsamen  Abändeningen 
der  Staatsverfassungen,  den  Übergang  vom  Königtum  zur  Aristokratie,  von 
dieser  zur  Tyrannis  und  dann  zur  Demokratie  verstanden  wissen  will.  Das 
sind  reiche,  xhüne  Kapitel,  voll  von  Anregung  und  belehrenden  Aufschlüssen. 
Zuletzt  findet  das  Verschwinden  der  Munizipal  Wirtschaft  eine  kundige  Dar- 
stellung. Neue  Glaubenslehren  treten  in  den  Vordcrgnmd,  die  Philo- 
sophie beeinflußt  das  politische  Denken,  äußere  Umwälzungen  wie  durch 
die  Übermacht  Roms,  die  nicht  nur  Hellas  bewältigt,  bedingen  ganz  neue 
Zustände,  bis  d^nn  mit  dem  Christentum  das  Mittelalter  seine  ersten  Boten 
ins  klassische  Altertum  entsendet  und  abermals  ganz  neue  Grundlagen  und 
Lebensbedingungen  ankündigt.  Das  Werk  bedarf  keiner  Empfehlung,  durch 
das  deutsche  Gewand  wird  es  noch  weitere  Verbreitung  und  neue  Freunde 
gewinnen.  In  Einzelheilen  freilich  dürfte  das  Urteil  bisweilen  abweichen, 
so  wenn  es  S.  188  heißt:  »Der  Kalender  war  weder  durch  den  Lauf  des 
Mondes  noch  durcli  den  sichtbaren  Ijuf  der  Sonne  bestimmt;  er  warnur 
durcli  die  Gesetze  der  Religion  bestimmt,  diese  geheimnisvollen  Gesetze, 
die  die  fViesler  allein  kannten".  Eben  diese  geheimnisvollen  Gesetze 
benthten  aber  auf  nichts  anderem  als  auf  genauester  Beobachtung  der 
Himmclsvorf^änge,  wie  ja  das  ganze  Kultwescn  von  Bczieliungen  zum  ge- 
stirnten Himmel  und  zum  Sonnen-  und  Mondjahr  durchsetzt  ist,  nicht  nur 


c 


b«  den  Griechen,  sondern  auch  bei  allen  altorientalischen  Völkern.  Das 
isl  aber  eine  der  Erkenntnisse,  zu  denen  man  erst  neuerdings  vorgedrungen 
ist  und  deren  BerücksichUgung  durch  den  Herau^eber  dem  Buche  zum 
Vorteil  gereicht  hätte.  C.  Fries. 

Arno  Neomann,  Jesus,  wer  er  geschichtlich  war.  (Neue  Pfade  zum 
alten  Qott.  4.)    Freihurg,  Waetzel,  1904.    (206  S.) 

Unter  den  zahllosen  Versuchen,  das  Lebensbild  Jesu  nachzuzeichnen, 
nimmt  dieses  Heft  einer  vom  überal-lheologischen  Standpunkt  aus 
geschaffenen  Serie  apologetischer  Schriften  durch  klare  Anschaulichkeit, 
edle,  volkstümliche  Sprache  und  «'arme  Begeisterung  für  die  Sache  einen 
ehrenvollen  Platz  ein.  Nach  der  Vorfrage:  hat  Jesus  überhaupt  gelebt?  be- 
handelt derVerfasser  in  drei  ungleichen  Teilen,  die  sich  etwa  wie  5  zu  S  zu  4 
verhallen,  den  Lcbeiismorgen.  das  Tagewerk,  den  jähen  Abend.  Schon  die 
Disposition  zeigt  die  geschickte  Art  zu  formulieren;  sie  charakterisiert  zu- 
gleich die  Betrachtungsweise:  es  ist  die  durch  Keim  inaugurierte,  die  auf 
breitem  zeitgeschichtlichen  Unterbau  Jesu  Erscheinung  zu  verstehen  sucht 
(daher  die  Ausführlichkeit  des  I.Teils).  Aufgewachsen  im  Kreise  der  Stillen 
im  Lande,  tritt  er  zunächst  auf  als  ein  an  den  Prophetismus  anknfipfender 
Reformer  des  Judentums  im  sittlich-religiösen  Sinne,  der  dann  erst  im  Lauf 
seines  Wirkens  den  Gedanken  entwickelt  er  sei  der  Messias,  berufen,  das 
Oottesreich  in  einem  höheren,  unpolitischen  Sinne  herzustellen,  und  der 
beim  Scheitern  dieser  Erwartung  mit  dem  Todesgcdanken  die  Wiederkunfls- 
faoffnung  aufnimmt.  Diesjesiisbild  mag  viele  moderne  Menschen  anziehen, 
manche  befriedigen,  Daß  es  (auch  wisscnschaftlicii)  nicht  das  einzig  mög- 
liche ist,  hat  die  neuere  Forschung  gezeigt,  die  das  religiöse  Moment,  die 
Oottesbotschaft,  das  SeJbstbcwußlseiii  Jesu  wieder  viel  stärker  in  den  Vor- 
dergrund schiebt,  das  Außerordentliche  an  ihm  und  seinem  Leben  mit 
Nachdruck  betont.  Ob  es  überhaupt  möglich  ist,  «Jesus,  wer  er  geschicht- 
lich v&t'  zutreffend  zu  zeichnen,  und  ob  das  geschichtliche  Jesusbild,  so 
gewiß  es  die  theologische  Forschung  zur  kritischen  Norm  der  Gedanken 
über  Jesus  braucht,  geeignet  ist,  »apologetisch"  zu  wirken,  das  sind  Fragen, 
welche  die  Theologie  eben  lebhaft  beschäftigen  und  wohl  wert  sind,  daß 
auch  vreitere  Kreise  ihnen  ihr  Interesse  zuwenden. 

von  DobschOtz. 


Theodor  Undner,  Weltgeschichte  seit  der  Völkerwanderung.  Bd.  >. 
Dit  Kämpfe  um  die  Reformation.  Der  Übergang  In  die  heutige  Zeit. 
Stuttgart  und  Berlin,  J.  G.  Cottasche  Buclihandlung  Nachfolger,  1S07. 
(Xn.  518  S.) 

Die  bisher  erschienenen  Bände  des  tüchtigen  und  anregenden 
Werkes  habe  ich  ausführlich  im  4.  Bande  unseres  .\rchivs,  S.  S-t?-  360, 
besprochen  und  die  allgemeine  Bedeutung  desselben,  das  ich  gerade  für 

Archiv  für  KnlRitscschicfatc    VI.  23 


J 


vcil«re  Kreise  zur  Einfährung  in  die  weltgeschichtlichen  Zusammenhänge 
für  sehr  KcciKnet  halte,  gevürdigt.    An  dieser  Stelle  interessiert  uns 
allem  dzs  VerhSItnis  des  Werkes  zur  Kulturgeschichte.    Was  ich  in  ]'< 
Besprechung  hervorgehoben  habe,  daß  nämlich  Lindner  in  dieser  Berteht 
eine  Mi  fielst  eil  tmg  einnehme,  daß  sich  Öfter  nur  ein  Nebeneinander  von 
polUiscber  und  Kulturgeschichte  finde,  dal]  in  der  Zumessung  des  Raumes 
jene  dieser  gegenüber  ein  bedeutendes  Übergewicht  habe,  daß  aber  immer* 
hin  die  kuLturgeschiditlichen  Abschnitte  um  ihrer  selbst  willen  und  mit 
IJebe  geschrieben  seien,  trifft  im  ganzen  auch  für  den  vorliegenden  Band 
zu.    Das  bloße  Nebeneinander  von  politischer  und  Kulturgeschichte  ist 
indessen   mit  Glück    in  den  Abschnitten:   Frankreich  unter  Franz  I.   und 
Heinrich  11.,    Hngland    bis  zur  Durchführung  der  Reformation,    Spani< 
politischer  Niedergang,  literarische  und  künstlerische  Höhe,  Das  Aufsteij 
Hnglands,  Die  Blüte  Hollands  u.  a.  vermieden.   Auch  dn  anderer,  für 
kulturgeschichtlichen  Teile  von  mir  hervorgehobener  Punkt,  die  Bevorzugui 
der  geistigen  und  künstlaisciien  Kultur  und  das  völlige  Zurücktreten 
hluslichen    und    gesellschaftlichen    l^bcns    und    der    Volkssitten    söt 
innerhalb  der  wirtschaftlichen  Kultur  die  geringe  Berücksichtigung 
Gewerbe  und  Landwirtschaft  gegenüber  dem  Handel  ist  nicht   mehr 
gleichem   MaSie   zu   beanstanden.    Die  sittlichen   Zustände,  die  Lebei 
führung,  die  gewerblichen,  auch  die  landwirtscliaftliclicn  VerhSttnisse  sir 
verschiedentlich  berührt,  freilich  noch  nicht  ausgiebig  genug  behanddl 
im  Verhältnis  zu  jenen  anderen  Gebieten,  die  ja  allerdings  gerade  für 
diese  Zeit   ~    man  denke  an   Italien,  Spanien   und  Hotland   -    eine  b^^ 
sondere  Berücksichtigung  verlangen.  ^H 

Zur  Charakterisierung  des  Bandes  seien  noch  Lindners  Einlcitungs- 
wortc  hierher  gesetzt:  »Dieser  fünfte  Band  bringt  einen  Abschluß  und 
einen  Ausgang  in  der  Entwicklung.  Unter  ungeheuren  Kämpfen  zer- 
sprang für  die  Dauer  die  bisherige  Einheit  der  abendländischen  Welt- 
gruppe, und  zugleich  bereitete  sich  eine  neue  inhaltsreichere  Gemeinsamkeil 
vor.  Jene  Kämpfe  waren  sowohl  politischer  wie  geistiger  Art  und  hingen 

so  eng  untereinander  zusammen,  daß  dieser  Band  nicht  wie  die  früheren 

in  Bücher  zu  teilen  war;  er  bildet  ein  Buch  für  sich.    Deimoch  gestalletea^| 
sich  die  Vorgänge  in   den  Ländern  so  eigenartig,  daß  jedes  für  sich  b€^^ 
handelt  werden  mußte,  um  zu  zeigen,  welchen  Anteil  es  damals  an  dem 
allgemeiuen  Gange  nahm,  und  wie  es  zugleich  für  die  Zukunft  seine  äußere 
und  innere  Geschichte  gestaltete.    Bei  allem  Streit  gingen  durch  die  Zeit 
auch  allgemeine  Züge  hindurch,  und  die  Linien  trafen  sich  in  einem  ge- 
meinsamen Schnittpunkl,  so  daß  der  Schluß  der  trzählung  mit  Cesar 
ergebnissen  abrechnen  kann.«     Dieses  Scblußkapitel:  «Der  Übergang 
unsere  Zeit-,   in   dem  Lindner   «die  Ergebnisse  dieses  Bandes  einheilli< 
zusammenfaßt  mit  einem  Ausblick  auf  den  weiteren  Gang  der  Dinge", 
ist  das  beste  des  Bandes  und  wirklich  ein  weltgeschichtliches  Kapitel 
Weltgeschichte  natürlich  in  dem  damals  möglichen  Umfang  genomrac 


ini^_ 
ilidi^ 


Aber  ich  mödit«  die  Frage  aufwcrfeii,  ob  die  hier  darKclegtcn  weltge- 
schichtliche n  Qesichlspunkte  nicht  tetlveise  dach  auch  für  die  Einteilung 
und  Bewältigung  des  in  diesem  Bande  dargelegten  Gesamtätoffes  überhaupt 
hätten  maßgebend  sein  können.  Das  Nebeneinander  der  Geschichte 
einzelner  VöLker  und  Staaten  atich  in  den  früheren  Bänden  finden  sich 
übrigens  derartige  Kapitel  -  ist  trotz  gelegentlichevi  Eingehens  auf  den 
allgemeinen  Uang  der  Dinge  in  einer  Weltgeschichte  nur  selir  bedingungs- 
weise am  Platze.  Wie  eine  Volksgeschichic  neben  den  sozialen  auch  die 
lokalen  Verschiedenheiten  ständig  betonen  und  in  ein  Verhältnis  zur  Qe- 
samtenlvicklung  setzen,  aber  dodi  niemals  die  verschiedenen  territoriaten 
oder  lokalen  Entwicklungen  als  solche  darstellen  soll,  so  muß  auch  eine 
weltgeschichtliche  Darstellung  sich  gegen  die  einzelnen  Völker  verhalten. 
Bei  ihr  handelt  es  sich  immer  um  Völkergruppen,  um  deren  Mit-,  üegen- 
und  Auseinander  in  politischer,  um  die  bei  ihnen  zutage  tretenden  Qe- 
samtstrümungen  in  kultureller  Beziehung.  Dabei  kann  sehr  wohl  der 
Entwicklung  eines  einzelnen  Volkes,  soweit  sie  für  den  Zusammenhang 
interessant  ist.  nachgegangen  werden,  sei  es,  daß  die  die  ganze  Völker- 
gruppc  beeinflussende  Kulturstromung  hei  ihm  entsteht,  daß  es  überhaupt 
eine  führende  Rolle  innehat,  sei  es,  daß  diese  Strömung  von  einem  Volk 
modÜiziert  wird,  sei  es.  daß  ein  Volk  dieser  Strömung  widersteht  und 
seine  vielleicht  später  maßgebende  gegensätzliche  Kultur  bewahrt  oder 
entwickelt.    Mach  den  allgemeinen  Gesichtspunkten  aber  muß  sich  Aus* 

wähl  und  Einteilung  des  Stoffes  richten. 

Georg  Steinhausen. 

Die  Regel  des  heiligen  Benedlctus  erklärt  in  ihrem  geschichtlichen 
Zusammenhang  und  mit  besonderer  Rücksicht  auf  das  geistliche  Leben. 
Freiburg  I.  Hr.,  Herder,  1907.    (XV,  55+  S.) 

Der  Titel  des  anonym  erschienenen  Werkes  ■-  es  Ist  die  Ober^tzung 
eines  französischen  aus  dem  Jahre  1901  -  bereitet  dem  Leser  zunächst 
eine  Enttäuschung:  er  wird  glauben,  eine  Biographie  des  heiligen  Benedikt, 
eine  Analyse  der  Kontroversen  über  den  Text  der  Regel  und  seine  Geschichte, 
«ine  Darlegung  des  Inhalts  der  Regel  nach  seinen  literarischen  und  theo- 
logischen, rechtlichen  und  wirtschaftstheoretischen  Voraussetzungen  zu  fin- 
den. Der  Autor  aber  hat  sich  ein  anderes  Ziel  gesteckt.  Er  übersetzt  die 
Regel  und  fügt  zum  Wortlaut  eines  jeden  Kapitels  Betrachlungen  über- 
wiegend erbaulicher  oder  paränetischer  Natur.  Durchdrungen  von  monasti- 
«cher  Weltanschauung  will  er  Fingerzeige  geben  für  die  innerliche  Aneig- 
nung des  Regelinhalts  durch  den  Angehörigen  des  Ordens;  die  Worte  des 
Heiligen  sind  ihm  Stütze  und  Stab  für  sein  Denken  und  Fühlen,  neben 
ihnen  die  Lehre  der  Kirehe,  «die  sich  so  wenig  ändert  wie  Qoit«  (S.  II). 
Nicht  diese  Seite  des  Buches  gilt  es  hier  zu  würdigen,  sondern  die  Kette 
historisch-antiquarischer  Exegesen  zum  Regellexte.  Erklärungen  dieser  Art, 
\on  einem  Ordensmann  gegeben,  werden  stets  willkommen  sein,  und  gern 

2S* 


i 


bekennen  vir,  sus  den  Darlegungen  mancherlei  gelernt  zu  haben,  namrnt- 
Hdi  aus  denen  über  die  gottesdienstlichen  Verrichtungen  in  einem  Benedik- 
tinerkloster,  die  sich  an  die  Kapitel  S  bis  IS  der  Regel  anschließen  (S.  ^9S  H.]. 
Weniger  befriedigen  die  Bemerkungen  über  die  Verfassungsgrundsätze  der 
Regel  (z.  B.  zu  Kapitel  64.  S.  4b9fr)  oder  gar  über  ihre  wirtschaftstheo- 
retischen Voraussetzungen  {vgl.  z.  B.  zu  Kapitel  57,  S.  3^  ff.):  gende  hier 
bitte  das  FYoblem  weit  tiefer  erfafit  und  klarer  entwickelt  «erden  können 
An  fleriBiger  Umschau  in  der  älteren  Literatur,  sei  es  der  Kirchenväter,  sei 
es  der  Kammenl.itnren  wie  z.  B.  Mart^e,  fehlt  es  nicht,  aber  man  vermißt 
eine  Auseinandersetzung  z.  B.  mit  O.  Qrützmachcr  (Die  Bedeutung  Benedikts 
von  Nursia  und  seiner  Regel  in  der  Geschichte  des  MAnchtums.  EJerlin  1 S93) 
oder  mit  E.  Spreitzen hofer  (Die  historischen  Voraussetzungen  der  Regd 
des  heiligen  Benedikt  von  Nursia,  Wien  1S95);  vgl.  jetzt  auch  H.  Graß- 
hoff,  Ijngobardisch- fränkisches  Klostem-esen  in  Italien,  GAltingen  I907. 
Alles  in  allem  gehört  das  Buch  mehr  zu  den  erbaulichen  und  entzieht  sich 
deshalb  einer  eingehenden  Würdigung  in  dieser  Zeitschrift.  Nur  soviel 
sei  gesagt:  aus  jeder  Seile  spricht  ein  ernster  und  doch  wohlwoltender 
Sinn,  ein  felsenfester  Glaube  an  den  Beruf  des  Ordensstandes,  der  auch 
dem  Achtung  abnötigt,  der  ihm  fernsteht.  -  Die  Cbersetzung  liest  sich 
leicht,  sieht  man  von  einigen  (*ro\incialisnicn  ab.  Warum  aber  legte  sie 
für  den  Text  der  Regel  ihre  Ohertragung  ins  Französische  zugrunde,  zu- 
mal die  Begrfindung  S.  VI  doch  nicht  ausreicht?  Eigenartig  freilich  ist 
die  Bemerkung  des  Verfassers  (S.  VII),  daB  fQr  zahlreiche  Ordcnsfnuen 
-  denn  auch  für  sie  ist  das  Btich  bestimmt  -  die  lateinische  Sprache  der 
Kommentare  ein  Hindernis  des  Verständnisses  bilde;  da  waren  die  Kloster- 
Schwestern  der  Hrotsvit  doch  gelehrter  als  ihre  Nachfolgerinnen  in  der 
Gegenwart.  Albert  Werminghoff. 


Hilarin  felder,  O.  Cap.,  Geschichte  der  wissenschaftlichen  Studien 
im  Franziskanerorden  bis  um  die  Mitte  des  li.  Jahrhunderts.  Freiburg  i.  Br, 
Hcrdcrschc  VcTlagshEndlung,  1904.     (XI,  5S7  S.) 

Dies  Buch  führt  in  eine  der  in tcressan testen  Epochen  der  Kultur- 
und  Gelehrten geschichtc,  die  Zeit,  da  durch  Wiederentdeckung  des  Ari- 
stoteles ein  gewaltiger  Umschwung  auf  dem  Gebiete  der  Wissenschaften  er- 
folgt, da  Theologie  und  Philosophie  in  den  mächtigen  Systemen  der  Scho- 
lastik zusammengefaßt  werden,  da  steh  als  Mittel  hierfür  die  großen  Univer- 
sitäten in  neuer  Form  hentusgestallcn.  Es  ist  der  Beginn  einer  von  der 
ersten  Hälfte  des  sog.  Mittelalters  ebenso  scharf  wie  von  der  neueren  Zeil 
geschiedenen  Periode.  Auch  in  Dichtung  und  Musik  beginnt  eine  neue 
Ära.  Dali  die  Betielordcn  hierbei  in  hen-orragendcr  Weise  beteiligt  waren, 
ist  bekannt.  Der  Verfasser  stellt  in  einer  sorgfältigen,  quellenmäßig  belegten, 
an  vielen  Punkten  Neues  bietenden  Monographie  den  Anteil  der  Franzis- 
kaner daran  dar.    Die  Beschränkung  auf  die  Zeit  bis  rund  1250  ist  gerecht- 


fertigt  durch  die  Erwägung,  daß  eine  Forlsetzung  in  diesem  Stile,  so 
ititcressant  gerade  die  näclislfolRcndc  Zeit  mit  dein  Höbepurkt  der  Schola- 
Mik  seiti  müßte,  eine  ungeheuere  Arbeitsleistung  und  auch  einen   sehr 
umfangreichen  Raum  erfordern  würde.    Die  Anfänge  sind  ja  überall  das 
^X''  ichttgstc  und  Interessanteste.  Die  Uranfänge  freilich  sind  auch  dasSchwie- 
'^KSte,  oft  der  wissenschaftlichen  Forschung  geradezu  unzitgänglich.   Der 
ciicsen  gewidmete  er^te  Teil  wäre  im  Interesse  der  wissenschaftlichen  Hat- 
t«-t  rg  des  Buches  besser  fortgeblieben  oder  zur  Einleitung  reduziert  worden. 
^r  ist   aus  der  persönlichen  Stellung  des  Verfassers  zur  Sache  heraus  zu 
^«tntehen.  Ihm  sind  die  intensiven  wissenschaftlichen  Studien  und  die  glän- 
^^rden  Erfolge  der  Franziskaner  auf  diesem  Gebiete  eines  der  schönsten 
^*ahmcsblätier  in  der  Geschichte  seines  Ordens.    Unbeteiligte  Forscher  wie 
'^-  Müller,  Sabatier.  Üegler  haben  darin  sozusagen  einen  Abfall  desselben 
^c>n  seiner  ursprünglichen  Idee,  einen  Beweis  der  Verweltlichung  gesehen, 
So  ist  es  dem  Verfasser  Bedürfnis,  sie  als  völlig  legitim,  in  der  Idee  an- 
Ä'C'ltgt  und  vom  Stifter  des  Ordens,  wo  nicht  geradezu  gewollt,  so  doch 
*-n  erkannt  zu  erweisen.   Das  gelingt  nicht.   Das  Material  ist  zu  gering,  der 
Verfasser  arbeitel  hier  mehr  deduktiv  als  induktiv,   er  bringt  schon   rein 
iix  ßcrlich  ein  Vielerlei  bei,  in  dem  sich  das  Thema  fast  verliert.    Eine  Anzahl 
t>«r];laubigter  Äußerungen  des  heiligen  Franz  muß  er.  so  gut  es  geht,  bei 
^^ite  schieben,  andere  stark  für  seinen  Zweck  pressen.    An  dem  Beitritt 
cJ^'»   llterati    z.    B.    schätzt    Franz   docli    sicher    nur  das   Beispiel    der 
^1  «^miliatio  ("0,  2).    Des  Heiligen  intuitive  Ootteserkenutnis  wird  hier  zur 
»  ^X^bsenschaff  gestanpelt.   Finessen  der  späteren  Zeit  wie  der  Unterechied 
t^srischen  Exhorte   und  Predigt  werden   in  die  Uranfänge  zurückgetragen. 
•  F^ranz  verfügte  persönlich  über  ein  reiches  theologisches  Wissen"  -  als 
*t>  er  nicht  auch  in  dieser  Hinsicht  die  Armut  geliebt  hätte!    Daß  er  ein 
^**T.  zerschneidet,  damit  jeder  der  Bruder  ein  Blalt  zu  lesen  habe,  zeugt 
oicrhi  gerade  von  wissenschaftlichem  Sinn.    Bonaventura  ist  hier  für  den 
^"«^■ifasscr  der  richtige  Interpret  des  heiligen  Franz,  den  Berichten  anderer 
C»«rwährsmänncr  tritt  er  oft  mit  cßtaunlicher  Skepsis  gegenüber.   Und  doch 
^""Icfnnt  er  selbst  in  den  späteren  Teilen  viel  unumwundener  an,  daß  die 
^r^irilualcn  in  vielen  Stücken  die  echte  Tradition  vertraten,  datl  starke  Um- 
randungen staltfanden.  Oberhaupt  ist  es  erfreulich,  zu  sehen,  wieder  Verfasser, 
^'^»n  man  die  Begeisterung  für  die  Sache  seines  Ordens  auf  Schritt  und 
T'ritt  anmerkt,  von  der  neueren  sowohl  dominikanischen  (Denifle)  als  akatho- 
'•St:hen  Forschung  gelernt  hat.    Einzelne  unnötig  scharfe  Ablehnungen, 
**<?sondcrä  der  Thesen  Sabalieis,  die  mit  ihrer  Übertreibung  Ja  freilich  den 
^iderepruch  herausfordern,  ändern  daran  nichts,  auch  nicht  die  Art,  wie 
**catholisclie  Autoritäten  oft  mit  einem  -selbst",  -sogar"  zitiert  werden,  ein 
^"villkürhchcs  Zeugnis  nicht  völliger  Unbcfaiigenheil  bei  dein  Verfasser. 
Ganz  anders  festen  Grund  und  Boden  bekommen  Autor  und  Leser 
onter  die  Füße  bei  den  beiden  anderen  üjuptabschnitten,  die  Felder  Fortent- 
*«cldung  und  Aushau  überschrieben    hat.    Jener  bietet  eine  tiisloiisctie 


iW 


Boprcdi  nnKcn. 


Darsldluns  d*r  grundlegenden  Studienentwicklung  in  den  jähren  1219  b« 
1250.  Hier  erkennt  der  Verfi5ser  an,  d«ß  es  vor  »!lcm  die  Kurie  war,  di« 
in  klarer  CrWenntnis  dieses  wichtigen  HilfMnitlels  den  Orden  rur  Aufnahme 
der  Studien,  zur  Betdligung  an  dem  Gelehrtenleben  der  UniversitÄtcn  ver- 
anlaßt hat.  tiingehrnd  schildert  er  dann  die  Geschichte  der  Minorilen- 
schulcn  an  den  drei  Hauptuniver^ititen  Bologna,  Paris  und  Oxford.  Diesem 
Teil  bietet  vielfach  interessante  Details,  auch  in  Ergänzung  zu  Denifler* 
Geschichte  der  mittelalterlichen  Unix-ersititen,  Rashdalls  ParallelwerV.  da^ 
besonders  für  Oxford  wichtig  ist,  scheint  dem  sonst  in  der  neueren  Literatrs-  "* 
sehr  bewanderten  Verfasser  entgangen  zu  sein.  Er  legt  Wert  auf  den  Nach»  " 
web,  daß  auch  die  Minoriten.  wie  die  Dominikaner,  in  Paris  sehr  bald  iwe_-i' 
Schulen  besaßen,  eine  durch  den  Beitritt  des  Magisters  Alexander  von  Hj 
die  andere  dadurch,  daß  für  Johannes  de  Rtipella  ein  neuer  Lehrstuhl 
schaffen  wurde;  femer  daß  fr.  Bartholomaeus  Angiicus,  der  Verfasser  de.  t 
bekannten  Summa  de  propriclatibus.  einer  der  wichtigsten  En^yklopädrste-^^ 
des  Mittelalters,  nicht  identisch  ist  mit  Barth,  de  Olaunvilla  im  14.  jabc:  - 
hundert,  sondern  bereits  dieser  Krfihzeit  angehArt;  endlich  daß  neben  dr  — "f 
cursorisdien  Lektüre  der  Bibel  auch  eine  solche  der  Sentenzen  stattfaiic^Ä 
Eigentümlich  berührt  die  nicht  Ranz  widerspnichsfrric  Beurteilung  des  Rc — "^ 
ger  Bacon :  als  Gegner  der  Pariser  erfährt  er  zum  Teil  scharfen  Tadel,  a^Ms 
große  Leuchte  des  Ordens  in  Oxford  wird  er  dann  gebührend  verberriich  ^ 
Es  hingt  dies  zusammen  mit  dem  das  Ganze  durchziehenden,  etwas  zu  sdi^^^ 
apologetisch-pan^yrischen  Tone  der  Arbeit.  Daß  auch  das  Hnmoristischs=:=^< 
nicht  ganz  fehle,  dafür  hat  .der  Schalk-  Galtmbene,  dieser  vagabondietend^^* 
Scholar  und  Allerweltschronist,  gesorgt. 

Der  dritte  Teil  schildert  endlich  in  mehr  systematischer  Ordnung:  i 
die  innere  Gliederung  und  Gestaltung  des  Unterrichtswesens  bei  der"  '^ 
Franziskanern,  die  verschiedenen  Anen  von  Schulen,  die  Stellung  von  Lel^*^^ 
rem  und  Schölern  und  unter  dem  Titel  .das  Schulprogramm*  die  einzdne^cr^^ 
Lehrfächer.  Gerade  dieser  Tel!  erscheint  als  der  beste  uikI  wertvollste, 
mal  dadurch,  daß  der  Verfasser  sich  bemüht,  durch  wiederholte  Rückblick* 
auf  die  (rühmittelalter liehe  Entvickluiig  das  eigenartig  Neue  dieser  sdi 
r^ode  deutlich  vor  Augen  treten  i^i  lassen.  So  schildert  er  gut  die  Krisis 
die  der  Einbruch  der  heidnischen  Philosophie  (Aristoteles  mit  Averror^=^=^ 
und  A\-icenna)  in  die  bislang  hauptsächlich  patrislische,  d.  h.  augustinisch--^*" 
platonische  Theologie  hervorbrachte,  dann  wieder  den  Gegensalz  rwischcr'  -*" 
den  dialektischen  Parisem  und  den  empiristisdien  Oxfordem.  Den  tiefster^  ^"J 
Qmnd  für  die  Schwierigkeiten,  die  hier  entstanden,  aber  hat  er  doch  nicht 
sehen  können:  er  liegt  im  Wesen  der  mittelalterlichen  Theologie,  der  eir 
klarer  Einblick  in  das  Verhältnis  von  Glauben  und  Wissen,  Wahrheit  um 
EoRchung,  Methode  und  Resultat  fehlt;  ihr  wird  alles  sofort  zur  auc — -"^ 
toritas,  und  nun  gilt  es  den  Wettstreit  und  Widerstreit  dieser  verschieden- —  * 
artigen  Autoritäten  zu  entscheiden,  eine  unmögliche  Aufgabe,  die  schließlich*''^ 
mit  dem  sacrifidum  inlellcclus  auf  dereinen,  mit  dem  ungläubigen  Ratio "^ 


Tialismus  (libre  pens^)  auf  der  anderen  Seite  endigl.  wo  nicht  eine  völlig 
ridi«  Erfassung  des  Wesens  der  Religion  und  Theologie  über  jenen  Qegcn- 
satac  hinausgehoben  hat. 

Einige  Wiederholungen  hätten  sich  wohl  vermeiden  lassen;  besonders 
konnte  das  Ausdnicken  der  gleichen  Belegstellen  durch  Verreise  gespjirt 
■'»^«rden.  Übrigens  ist  deren  Beigabe  besonders  dankenswert,  da  nicht  jeder 
Ijeaer  gleich  alle  diese  Quellen  zur  Hand  hat  und  es  oft  eru-ünscht  ist,  zu 
^^fssen,  wie  die  von  dem  Verfasser  zuweilen  in  höchst  modernem  Deutsch 
■^nedergegebeiien  Ausführungen  sich  im  Originallatein  machen.  Irreführend 
>st  der  durch  das  ganze  Buch  tiindurchgehende  Gebrauch  von  Trecento 
für  das  13.  Jahrhundert.  von  Dobschütz. 

E.  Troeltsdi.  Die  Bedeutung  des  Protestantismus  für  die  Entstehung 
<Scr  modernen  Welt.    MÖnchen-Berlin,  Oldenbourg,  1906.    (66  S.) 

Es  wird  vielen  Lcscm  willkommen  «in,  dafl  Troeltschs  eindrucl»- 
voller  Vortrag  auf  der  Stuttgarter  Historiker-Versammlung,  der  in  der 
Historischen  Zeitschrift  enschien,  auch  in  einem  Sonderdruck  zuKäuglich 
>st.  Mit  des  Verfassers  Ausfühnmgen  über  «protestantisches  Christenlum 
Und  Kirche  in  der  Neuzeit"  in  Kultur  der  Gegenwart,  I,  4  sicli  vielfach  be- 
rührend nnd  sie  ergänzend,  sucht  dieser  Vortrag  eine  der  größten  Icullur- 
E^schichllichen  Fragen  in  ein  völlig  neues  Licht  zu  rücken.  Troeltsch  geht 
■*us  von  der;  weseiillichen  Charakterzügen  der  modernen  Welt,  um  dann 
das  Wesen  des  Protestantismus  zu  erfassen;  hierbei  findet  er,  daß  man  einen 

»Scharfen  Unterschied  machen  muß  zwischen  All-  und  Neuprolestantismus: 
^ie  Rrformalion  lebte  in  mittelalterlichen  Problem  Stellungen,  die  sie  nur 
•*«u  beantwortete  So  blieb  es  bei  einer  wesentlich  kirchlichen  Kultur.  Die 
^"KCntlich  vorwärlstreibenden  Kräfte  sind  im  Humaru'smus  und  im  Täufcr- 
^uiTi  zu  suchen:  hier  werden  Kulturgüter  um  ihrer  selbst  willen  erstrebt. 
^^  der  Aufklärung  gewinnen  diese  Strömungen  den  Sieg  über  das  protestan- 
tische Kirchentum :  so  entsteht  der  Neu  Protestantismus,  und  von  da  an  datiert 
^'^  die  neue  Zeit,  die  moderne  Welt.  Dabei  hat  der  Calvinismus  mit 
Seiner  großen  organisatorischen  Kraft  noch  mehr  für  diese  Eiit«icklimg 
S*leis«et  als  das  ideal istischi',  von  Troeltsch  mcrkwfirdig  passiv  aufgefaßte 
*-^thertum.  Eine  positive  Bedeutung  hat  nach  Tr.  daher  nur,  daß  der 
Protestantismus  die  Kraft  der  kirchlichen  Kultur  bricht,  wodurch  die  natflr- 
"f*»en  Grundlagen  Familie,  Gesellschaft  und  Staat  zur  Geltung  kommen, 
Wirtschaft  und  Bildung,  Wlasenschaft  und  Kunst  sich  entfalten  können, 
•^b^i  der  AltproieslanlHnu»  doch  «-ieder  vielfach  hemmend  wirkt.  Uiv 
""ttelbarc  Bedeutung  luit  der  Protestantismus  nur  auf  seinem  eigenen 
*^Pbiet,  dem  religiösen,  und  dies  wesentlich  dadurch,  daß  man  über  der 
'^^»^n  Antwort  die  alte  Fragestellung  vergaß,  der  reue  Weg  wichtiger  wurde 
•^  aas  Ziel. 

Man  hat  gegen  diese  gewiß  sehr  tiefgründige  und  eindrucksvolle 
'^^^'»stniktion  eingewandt,  daß  dabei  Luthers  Persönlichkeit  mit  ihren  re- 


formalorischen  Ideen  2U  sehr  hinter  ücm  AUprotcstantlsmus  mit  der  Sdiola 
sHk  seiner  Theologen  zurücktrete:  was  Troeltsdi  S.  22  über  Staat  und  Kirche 
ausführt,  trifft  niif  Luther  nm  wenigsten  zu;  S.  60  redet  er  selbst  von  Luthers 
lebendiger  Bibelauffassung,  Indem  Tr.  immer  von  Altprotestantismus  statt 
von  der  Reformation  redet,  setzt  er  eine  Auswirkung  an  die  Stelle  der 
wirksamen  Kraft,  von  der  es  durchaus  fraglich  ist,  ob  sie  die  genuine 
Auswirkung  sei.  Die  Qcschichle  kennt  genug  der  Rlle,  wo  bahnbrechende 
Anstöße  erst  nach  Jahrhunderten  sich  ausgewirkt  haben:  es  hat  bis  in  die 
karolingischc  Zeit  gcdauwt,  ehe  Hieronymus"  Bibel  sich  gegen  die  Misch- 
formen mit  ah  lateinischen  Texten  durchgesetzt  hat  Was  Tr.  S.  26  im 
Ansctiluß  an  Max  Weba  -inner^telltichc  Askese"  nennt,  ist  doch  einfach 
evangelische  Frömmigkeit,  ohne  die  der  Pmlestantismus  aufhören  würde, 
Christentum  zu  sein.  DaO  die  Wurzeln  der  modernen  Kultur  nicht  in 
<ler  Reformation  liegenj  ist  klar;  aber  die  Bedeutung  der  letzteren  für  erstere 
ist  nicht  nur  jene  negative:  Raum  schaffen  durch  Zertrümmerung  des  Alten, 
sondern  positiv.  Sie  hat  es  ermöglicht,  daß  die  autonome  Kultur  nicht  in 
Gegensatz  zur  christlichen  Religion  trat  (wie  in  den  meisten  katholischen 
Landern),  sondern  dieser  ihr  Recht  ließ,  ja  sie  als  die  treibende  Seele  in  ihrem 
Organismus  anerkannte.  Nicht  für  das  Kulturproblem  an  sidi,  wohl  aber 
für  die  Frage  nach  Religion  und  Kultur  ist  Luthers  religiöses  D'ldinis 
entscheidend.  von  Dobschütz. 


R.  Oa]le,  Konrad  Bitschins  Pädagogik.  Das  vierte  Buch  desi 
enzyklopädischen  Werkes:  .De  vita  conjugali."  Nach  der  lateinischen, 
Handschrift  zum  erstenmal  herausgegeben,  mit  deutscher  Übersetzung,,, 
historisch -literarischer  Einleitung,  sowie  mit  Erklärungen  und  Annier-j 
kungen  versehen.    Gotha,  E  P.  Thienemann,  1905.    {LXl,  216  S.) 

Bitschins  Pädagogik,  ein  Abschnitt  seines  großen  enzyklopädischen 
Werkes  Aber  die  Ehe,  ist  als  die  älteste  systematische  Darstellung  dieses 
Wissensgebietes  in  Deutschland  anzusehen.  Sie  verdient  wohl  wegen 
dieses  Umstandes  allein  schon  eine  besondere  Beachtung.  Einen  Abdruck 
halte  der  Entdecker  der  Schrift,  HIpler,  bereits  im  Jahre  1892  in  Aussicht 
gestcDl.  Aber  erst  jetzt,  8  Jahre  nach  dem  Tode  Hiplers,  hat  sich  eins 
neuer  Herausgeber  für  die  Pädagogik  des  alten  Kulmer  Stadtschrei  bei»  ^ 
gefunden.  Für  sich  betrachtet,  ist  Bitschins  Pädagogik  allerdings  nicht 
von  besonderem  Gehalt;  sie  ist  kein  bedeutendes  Geistesprodukt.  Sie 
handelt  zwar,  indem  sie  das  Erziehungswerk  von  der  Geburt  des  Kindes 
an  sowohl  bei  Knaben  wie  bei  Mädchen  verfolgt,  von  allen  möglichen 
Dingen,  aber  eigenes  Denken  ist  dem  Verfasser  bei  diesen  Ausführungen 
kaum  nachzurühmen,  er  schwört  in  echt  mitlelalterlicher  Weise  überall  auf 
seine  Auloritäien,  und  ein  Problem  ist  für  ihn  stets  geiöst,  wenn  er  eine  passende 
DclegsteLle  dazu  in  der  Bibel  »der  in  den  alten  Philosophen  gefunden  hat 
Auch  einen  groHcn  Leserkreis  scheint  Bitschins  Werk  nicht  gehabt  zu  haben, 


IUI  zu  iiaocn,  v 


BttpracbanKoi. 


wenigstens  sind  weitere  Absctiriftsn  desselben  nicht  bekannt  geworden. 
Trotzallcdcm  ist  das  Werk  ab  Zeugnis  mitteklterlichcr  Denkweise  von 
hervorragender  Bedeutung,  und  dem  Heraii^geber  gebührt  Dank  für  seine 
mühevolle  Arbeit  des  Abdntcks,  der  Übersetzung  und  der  sclir  sorgfältigen 
Kommentierung  und  Einleitung.  Bitschin  ist  auch  als  Verfasser  ver- 
schiedener Bücher  zur  Kulmer  Stadtgeschichte  und  als  Fortselzer  der 
Chronik  des  Pcler  von  Dusburg  bekannt-  Sein  Leben  fällt  in  die  ersten 
sieben  Jahrzehnte  des  15.  Jahrhunderts,  die  Abfassung  seines  Hauptwerks 
in  das  Jahr  T432. 

G.  Kühfeldt. 

Max  Konmerich,  Die  frühmittelalterliche  Porträt malerri  in  Deutsch- 
land bis  zur  Mitte  dt-s  13.  Jahrhunderts.  München,  Georg  D.  W.  Call- 
wey,  1907.    {\'il,  167  S.) 

Der  Gegenstand  dieses  Buches  ist  ebenso  von  kulturgeschichtlichem 
vie  von  kunstgcschiditllchem  Interesse.  Denn  aus  der  Porträtfähigkeit  einer 
Zeil  ergicbt  sich  ein  ganz  bestimmtcrMalistab  für  ihren  Wirklichkeitssinn  und 
die  künstlerische  Bewältigung  der  Natur,  d.  h.  für  ihre  kulturelle,  ihre  seelische 
Enlvicklungshuhe.  Für  das  frühe  deutsche  Millelalter  hat  man  die  Por* 
Trälfähigkeit  bisher  teils  nicht  genügend  erkannt,  teils  überhaupt  geleugnet 
Kemmericb  hat  mit  dem  vorliegenden  Buch  diese  Fähigkeit  des  frühen 
Mittelalters  nachgewiesen.  Es  hat  zunächst  die  Absicht  der  porträtähnlichen 
Wiedergabe  besessen.  Mit  A.  Lehmann  unterscheidet  K-  scharf  zwischen 
Porträts,  bei  denen  eine  bestimmte  Person  ähnlich  dargestellt  werden 
sollte,  und  Bildnissen,  bei  denen  dem  Künstler  diese  Atislcht  fehlte;  erst 
mit  Ausscheidung  der  Phantasiebildnisse  -  nach  der  Phantasie  zu  bilden 
(vgl.  z.  B.  die  Münzen],  fand  das  MitteEalter  nicht  nur  für  längst  ver- 
stoiixne  Persönlichkeiten  statthaft,  sondern  auch  für  lebende,  wenn  der 
Künstler  von  ihnen  räumlich  entfernt  war  —  kommt  man  der  Sache  näher. 
Das  frühe  Mittelalter  hat  aber  auch  PortrSts  schaffen  können.  K.  kri- 
tisjert  da  zunächst  die  Berechtigung  der  Fragestellung,  von  wann  die 
Porträt^ igkeit  datiere.  Denn  die  Ähnlichkeit  ist  etwas  Relatives.  Es  muß 
gefragt  werden,  welche  Teile  einer  bestimmten  Person  wurden  ähnlich 
dargestellt?  Es  kommt  auf  die  Zahl  und  die  Wichtigkeit  der  wiedergegebenen 
Merkmale  an.  Für  die  zur  Rede  stehenden  Jahrhunderte  folgen  sich  die 
individuell  beobachteten  Porträt merkmale  nach  K-  etwa  so:  >fZuerst  wird 
die  Elarttrachl  berücksichtigt,  sodann  die  Frisur  bzw.  Tonsur,  dann  die 
Form  des  Gesichtes,  dann  die  der  Nase,  hierauf  Modellierungen  des  Ge- 
sichtes, also  Grübchen,  Backenknochen,  scharfe  Fatlerir  Absatz  der  Nase 
von  der  Stirn  usw.  Etwa  gleichzeitig  interessiert  man  sich  für  die  Haar- 
und  Bartfarbe  |d.  h.  bezüglich  der  augenfälligsten  Unterschiede).  Dauernd 
nicht  individueller  Beobachtung  unterworfen  bleiben:  Mund,  Ohren,  Augen 
und  Augenbrauen,  die  sämilich  nach  dem  konventionellen  Stil  der  Schule 
oder  des  Künstlers  behandelt  wurden,  Fleischfarbe,  Körperbau,  Hände  und 


Füße,  Augenfailx  (von  einem  einzigen  Beispiel  abgesehen)  und  fdnerc  Nu- 
ancen der  Haarfarbe  •  »RegelmäRig  und  individuell  berüclcsJcbtJgt  sind 
bei  den  guten  Porträts  der  ganzen  Periode  Kleidung  und  Attribute.* 
Hiernach  i«t  auch  bei  den  besien  Portrits  eine  Verwechselung  mit  anderen 
ihnen  ähnlichen  nicht  völlig  ausgeschlossen.  .Wohl  aber  genägen  die 
besten  Leistungen  voll  kommen,  um  bei  einem  numerisch  so  kleinen  Stande, 
Tie  dem  der  Kaiser  und  Könige  oder  hoher  Würdenträger  oder  den  Abtai 
desselben  Klosters  den  Dargestellten  zu  idcntifizicrrn.*  Die  Zahl  der 
individuellen  Merkmale  wird  übrigens  -desto  geringer  sein,  je  schwieriger 
die  Technik  ist".  In  der  Plastik  also  größer  sein.  Die  Methode  Kemme- 
richs  ist  die  zuerst  von  Giemen  befolgte,  nun  aber  systematisch  angewandte 
der  Verglcicbung  alles  erhaltenen  zeitgenössischen  Materials,  insbesondere 
alLer  erhaltenen  zeitgenössischen  Darstellungen  derselben  Persönlichkeit 
Aus  den  Resultaien  K  s  ergiebt  sich  übrigens,  was  K-  noch  ausführlich  dar- 
legt, daß  die  Lamprechlsche  Anschauung  von  der  ■typischen*'  Entwicklungs- 
stufe des  »StandesportTäts-  -  wenn  K.  (S.  5)  von  .seinem  hochvcrehrttn 
Lehrer"  L  spricht,  so  paßt  diese  Devotion  der  Doktorschriften  nidit  in 
dieses  Buch  -  .grundfalsch*  ist.  Hiernach  ist  die  sonstige  Theorie  Lam- 
prechts von  dem  typischen  Kulturzeitalter  auch  mit  zu  bewerten.  Ob  die 
gesamten  Aufstellungen  Kemmerichs  sich  halten  lassen,  wird  die  Beteiligung 
anderer  Forscher  an  der  Lösung  der  erörterten  Probleme  ergeben:  jeden- 
falls ist  hier  eine  Grundlage  geschaffen,  auf  der  es  weiter  zu  arbeiten  gilt. 
Daß  z.  B.  zur  Feststellung  des  Primitiven  in  der  deutschen  Kunst  eine 
Berücksichtigung  der  antiken  und  der  orientalischen  Porträtkunst  erforder- 
lich «t,  daß  sich  Fäden  von  der  spät- hellenistischen  (byzantinischen)  Kunst 
zu  dem  »Höhepunkt  frühmittelalterlicher  Purtratmalerri"  zur  Zeit  Karls 
des  Kahlen  (nach  J.  S.  dem  Ende  einer  langen  Tradition)  wie  zu  der  Otto- 
nisch-Heinridschcn  Blütezeit  derselben  ziehen  lassen,  hat  J.  S(trzygowski?) 
im  .Litt  Zentralbl.*  (1907,  Nr.  33)  ausgesprochen.  K.  ist  aber  für  die 
karolingische  Porträ (maierei  selbst  bereits  auf  diese  f'rage  eingegangen  und 
behauptet,  daß  bei  den  Porträts  der  zweifellos  undeutschen  Hofkunst  sich 
doch  germanischer  Wirklichkeitssinn  zeige.  -  Besonderes  Gewicht  bat 
K.  in  seinem  verdienstlichen  Buch  auf  die  Beschaffung  guten  Abbitdungs- 
materials  gelegt.  Die  Mehrzahl  der  Miniaturen  ist  min  erstenmal  oder 
doch  «zum  erstenmal  gut*  reproduziert. 

Georg  Steinhiutcn. 


Otto  Piper,  Burgenkunde.  Bauwesen  und  Geschichte  der  Burgen 
zunächst  innerhalb  des  deutschen  Sprachgebietes.  In  2.  Auflage  neu  aus- 
gearbeitet.    München   und  Leipzig,  R,  Piper  &  Co.,  190S.    (XI,  755  S.) 

Pipers  Burgenkunde  ist  ohne  Zweifel  als  das  grundlegende  Werk 
über  diesen,  schon  von  so  vielen  in  größeren  oder  kleineren  Teilen  be- 
handelten Stoff  zu  bezeichnen.  In  der  ersten  AufInge  sah  der  Verfasser  es 
als  eine  seiner  Hauptaufgaben   an,   das  Unhaltbare  \-ieIer  bisher  angc- 


nominenen  und  traditionell  fortgepflanzten   Anschauungen   überzeugend 
Tnchziivdsen,  und  so  nahm  dort  die  Polctnik  einen  betrichtlichen  Raum 
«m.     In  der  vorliegenden  Autlage  i^l  die  Widerlegung  anderer  bedeutend 
zurückgetreten,  wenn  man  auch   -   übrigens  ohne  damit  einen  Tadel  aus- 
sprechen zu  wollen  -  sagen  muß,  daß  noch  immer  reichlich  viel  Kritik  in 
(Jen  Anmerkungen  geijbt  wird;  der  Verfasser  sucht  jetzt  im  wesentlichen  nur 
.dai  seiner  Ansicht  nach  Richtige  vorzutragen".     Dafür  hat  er  nun  aber 
sein  Ruch  sowohl  bezüglich  neuen  Materials  wie  bezüglich  der  Beseitigung 
von  Mängeln  nach  der  (örtlichen  und  nach  der  illustrativen  Seite  hin  der- 
artig  erweitert  und  umgearbeitet,  daß  er  in  einer  der  ersten  Hälfte  vor- 
Cseälen  Vorbemerkung  es  als  ein  fast  ganz  neues  Buch  bezeichnen  konnte, 
•mit  welchem  verglichen  das  der  ersten  Auflage  als  ein  wenig  brauchbares 
ai  bcjeichnen  sein  mag",    fnsbesondere  ist  die  Heranziehung  der  öster- 
ftidiischen  Burgen,  deren  Einzelerforschung  er  sich  ja  inzwischen  zuge- 
■^ndi  hat,  hervorzuheben.    Immerhin  ist  die  Anlage  des  Ganzen  dieselbe 
gtblieben.    Die  von  einigen  »als  nicht  glücklich"  hingestellte  .Anordnung 
•n  Einteilung,  Zusammenstellung  und  Reihenfolge  der  verschiedenen  be- 
bandcltcn  Einzelheiten'  hat  der  Verfasser  Htiolz  guten  Vt'illens"  nicht  ver- 
bessern ngsfähig  gefunden,  scheint  aber  selbst  diesen  Einwand   doch  als 
bertchtigt  zu  empfinden,  da  er  -den  etwaigen  Mangel  durch  eine  wesent- 
liche Vervollständigung  des  Sachregisters  zu  einem  tunlichst  wenig  fühl- 
baren- hat  machen  wollen.     In  der  Tat  scheint  mir  hier  der  Hauptanlaß 
ÄU  Einwänden  zu   liegen.     Ich   meine  damit  freilich  weniger  eine  Ver- 
besserung der  äuficrcn  Anordnung,   wie   man  z.  B.  sich  das  14.  Kapitel 
an  anderer  Stelle  denken  könnte,  snndem  die  Ändening  der  Gesamtkom- 
pOBtion   In   innerer  Beziehung.    Ich   habe  zunächst  dasselbe  empfunden 
*ie  ein  anderer  Kritiker:  mir  fehlt  zu  sehr  die  systematische  Aufzeigimg 
<1ct  Oesamtentwicklung  in  den  efnatw3er  folgenden  Etappen,  die  zusammen- 
laasende  Charaktcrisiening  der  Perioden,    deren  der  Verfasser  I,  25  drei 
Untenscbeidet,  eine  stärkere  Wahrung  der  großen  kulturgeschichtlichen  Zu- 
^mmcnhängc.    Aber  es  läßt  sich  zugunsten   Pipers   anführen,  daß  zu 
einer  zuverlässigen  historischen  Darlegung  in  diesem  Sinne  die  Forechung 
Schon  wegen  der  außerordentlichen  Unsicherheit,  oft  auch  der  direkten 
^nniögtichkcit,  die  Erbauungszeit  einer  Burg  festzustellen  (vgl.  hierüber 
**iper,  I,  23f ),  nur  unter  gröfllen  Schwierigkeiten  imstande  sein  könnte. 
C>iizu   kommt  das  außerordentlich  mannigfaltige  Bild,  das   der  deutsche 
Burgenbau  socohl  nach  Umfang  und  Einteilung  der  Anlage  wie  nach  der 
Ausgestaltung   der  einzelnen    Bauwerke   bietet.     Eine   Systematik  könnte 
hi«r  vielfach  sehr  von  Übel  sein;  gegenüber  den  vMlig  individuellen,  durch 
lokale  und  sonstige   Bedingungen    beeinflußten,   unendlich    variierenden 
Einicllösungcn    der  Aufgabe   ist  eine  Verallgemeinerung  nur  bei  allcr- 
firööier  Vorsicht  möglich,  vielfach  überhaupt  ausgeschlossen.    Man  kann 
Auch  darauf  hinweisen,  daß  der  Verfasser  jeweils  bei  den  Einzelheiten  nadi 
^Möglichkeit  die  EnUHcklung,  den  Wandel  der  Formen  aufgezeigt  habe, 


3 


und  daB  der  Aufbau  des  Ganzen  nach  den  vom  Verfasser  aufgestellten 
großen  Perioden  die  Gefahr  häufiger  Wiederholung  und  ewiger  VcnrciÄ 
auf  bereits  früher  Gesagtes  in  sich  schlielie.  Trotz  alledem  Hegt  hier  m.  E. 
die  Möglichkeit  einer  Verbesserung  vor,  und  der  Verfasser  sollte  diese  Mög- 
lichkeit für  eine  spätere  Auflage  immerhin  cnrägrn.  Auf  S.  5^9  seints 
Werkes  sagt  der  Verfaseer  selbst  folgendes:  «Ober  die  erste  Entwicklung 
unserer  gemauerten  Burgen  ist  im  2.  bis  4.  Kapitel  (hier  also  doch  zu- 
sammenfassend') gehandelt  worden.  Außerdem  wurden  bei  Besprechung 
der  einzelnen  Durgteile  auch  die  Änderungen  berücksichtigt,  die  bezüglich 
ihrer  bis  zum  Ausgange  des  Mittdalters  sich  zeigen,  vielfach  freilich  nur 
mit  Unrecht  behaupte!  worden  sind.  Es  wird  hieraus  ein  Gesamtbild  der 
alLmÜhlichen  Entwicklung  unserer  Burgen,  mit  anderen  Worten  —  unter 
vorsichtiger  Berücksichtigung  auch  der  Mauerteclinik  (Kapitel  2,  Teil  2  und 
Kapitel  4)  und  der  Stein mctzzcichen  (Kapitel  5)  -  die  Gesamtheit  der 
Merkmale  sich  ergeben,  «xlche  mit  mehr  otler  weniger  Sicherheit  einen 
Schluß  auf  die  Bauzeit  unserer  Burgreste  zulassen-  usv.  usw.  Ein 
solches  Gesamtbild  könnte  man  sich  eben  breit  ausgeführt  und  mit  voller 
Berücksichtigung  aller  tatsächlichen  Differenzierungen  und  Abweichungen 
als  Grundlage  des  Ganzen  denken :  dabei  müßten  aber  die  großen  ge- 
schichtlichen Zusammenhänge,  die  kiiUur-  und  kunstgeschichllichen 
Strömungen  wie  die  «-irtscha fluchen  Zustände  berücksichtigt  werden. 
Auch  den  Rcwilt  schwierig  aufzudeckenden  Zusammenhängen  mit  den 
nichtdeutschen  Burgen  könnte  nachgespürt  werden.  Ich  verstehe  z.  B. 
nicht,  wie  P.  französische  Einflüsse  von  vornherein  ablehnen  kann.  Pipers 
Salz:  .Während  der  ganzen  ßurgenbauzett  waren  bekanntlich  im  Vei^leicfa 
mit  Italien  unsere  Beziehungen  mit  [!]  f'rankreich  verschwindend  geringe» 
ist  unbedingt  falsch  (vgl.  dazu  meine  Geschichte  der  deutschen  Kultur, 
Kapitel  V).  Frankreich  beeinflußte  Deutschland  doch  nicht  nur  auf  dem 
Gebiet  der  gesellschaftlichen  Mode  (Piper  a.  a.  O.:  -.Man  darf  auch  nicht 
etwa  ohne  weiteres  annehmen,  daß  Frankreich  auch  schon  in  bezug  auf 
den  Burgcnbau  das  für  uns  maßgebende  Land  der  Mode  gewesen  sei*), 
sondern  auf  den  verschiedensten  Gebieten.  Die  Scholastik  wie  die  Gotik 
sind  Französischen  Ursprungs. 

Der  Schwerpunkt  des  Werkes  liegt  also  in  den  Einzelheiten,  deren 
FQlle  überrascht:  auf  ünmd  eigener  Anschauung  und  umfassendster  Be- 
herrschung des  Materials  erhalten  wir  %'o:i  ihnen  so  zuverlässige  Kunde, 
wie  sie  bisher  kein  ühnliches  Werk  geboten  hat.  Daß  man  gleichwohl 
nicht  immer  den  Ansichten  Pipers  beistimmen,  manchen  Urteilen  gegen- 
über nicht  die  Kritik  außer  Acht  lassen  kann,  daß  der  eine  jenes,  der 
andere  dieses  vermißt  -  ein  Kritiker  hat  z.  B.  die  hau  technischen  Aus- 
führungen noch  niclit  ausgedehnt  genug  gefunden  -,  ist  in  keiner  Weise 
ausschlaggebend.  Auch  ein  Mangel  m  bezug  auf  die  -Wallburgen-,  für 
die  Piper  den  neueren  F^orschungcn  doch  nicht  genügend  gerecht  wird 
—  Piper  ist   darüber   und   über  die  damit  im  Zusammenhang  stehende 


Frage,  «vann  und  wo  und  ans  welchen  Vorstufen  die  niitleUlterliche  Herren- 
bürg  sich  tntwickelt  hat",  mit  Schuchardt  in  Fehde  geraten  -,  darf  uns 
die  VcrdienstlichkeJt  des  Ganzen  nicht  verkennen  lassen.  Übrigens  bedarf 
e&  bei  Hiper  in  dieser  Beziehung  nur  eines  Weitergehens  auf  dem  bereits 
im  3.  Kapitel:  Entwicldurg  der  Burgen  aus  alleiiiheiraischen  Befestigungen 
betretenen  Wege  und  einer  Revision  seiner  Anschauungen  über  diese 
letzteren. 

Höchst  verdienstlich  ist  das  von  Piper  als  zweiter  Teil  beigefügte 
Burgen lexikon,  d.  h.  ein  beschreibendes  Verzeichnis  der  noch  in  erwähnens- 
werten Resten  vorhandenen  Bauten.  Die  einzelnen  Artikel  enthalten  eine 
atigemeine  Charakterisierung  des  Baiiwirrlces,  die  Argabe  der  Lage,  Be- 
schreibung der  enrShtienswerten  vorhandenen  Bauten,  Verweise  auf  die 
Seiten,  wo  die  Burg  im  ersten  Teil  behandelt  ist,  eine  Geschichte  der  Burg 
und  Literaturangaben,  alles  in  gedrängter  Kürze  und  mit  ausgiebiger  Ver- 
wertung von  Abkürzungen.  Die  die  Abkürzung  bezeichnenden  Punkte 
wiren  aber  besser  nicht  fortgefallen,  auch  wenn  sie  z.T.  mit  den  Schluß- 
punklen  kollidieren. 

Noch  seien  bei  den  Abbildungen  die  verdienstlichen  Grundrisse 
hervorgehoben,  und  endlich  sei  auf  den  Schlußabschnitt  über  Erhaltung 
und  Wiederherstellung  der  Burgen,  insbes.  auf  die  Bekämpfung  der  Art, 
wie  die  Hohkönigsburg  wiederhergestellt  worden  ist.  hingewiesen,  dank- 
bare Anerkennung  der  Qesamtldstuiig  aber  noch  einmal  wiederholt 

Georg  Steinhausen. 


E.  Frhr.  v.  Künfiberg,  Ober  die  Strafe  des  Stcinlragens.  (A.  u.  d.  T.: 
Untersuchungen  zur  deutschen  Staats-  und  Rechtegeschichte,  herausg.  voit 
O.  Gicrkc.    Heft  91.)    Breslau,  M.  &  H.  Marcus,  1907.    (65  S.) 

Der  Gegenstand  der  von  ausgedehnter  Bclesenheit  zeugenden  Arbeil 
Ist  eine  miltcIaUertiche  Strafe  für  zanksüchtige  h'rauen,  deren  Verbreitungs- 
gebiet wie  Ursprung  umsichtig  untersucht  werden.  Belegt  zumeist  in 
ländlichen  Rechtsqucllcn  Nicdcröstcrrciclis  (vgE.  den  Anhang  mit  Quellen- 
Stellen  S. -tSlf.),  stellt  sie  sich  gleich  dem  Tragen  von  Hunden.  Sällein  und 
Pflugrädern  dar  als  eine  Abspaltung  luid  Abschwächung  der  Strafknecht- 
schaft^  derart  dali  der  bei  ihr  verwendete  Stein  -  die  Liste  seiner  Bezeich- 
nungen, wie  z.  B.  Bagstein,  wird  auch  den  Philologen  interessieren  - 
ursprünglich  ein  HandmOhlstein  als  das  Zeichen  weiblicher  Arbeit  war. 
Wohl  nicht  mehr  benutzen  konnte  der  Verlasser  die  Belege,  die  J.  Huizinga 
aus  west friesischen  Rechtsqucllen  in  der  Zeitsdirift  Oud  Holland,  1907, 
3.  Afd-,  XXV"^  jaarg.  in  seinem  Aufsatz  über  einen  westfriesischen  Roland 
(S.  10  des  Sonderabzugs)  angemerkt  hat. 

Albert  Wcrminghoff. 


«i 


■ri  oae'llflpER. 

die  V<M«acUckte  ukI  te-  Votarf  des 

denbnrKÜsdie  Huts  imd  da*  betächtbcfae  Aatefl, 
es  oieHS  ErapMKB  {onot  he^ 

Rieflic»oii«ilegfn  Mhni«fnhBa»<le«niiiBhtKBHiiin»MMi  ingg^ 
lOB  die  Kamtnii  na  dem  f  itiiiiii^eiL  nid  -vcrfc  Rrinm  n  ^b'^^^,^ 
«cnrotMiiidicaL    Dia  «v  BOtweadifi^  vcfl  ^  SdbaOMcnpliie  Po^Srta. 
mit  dem  Jahre  1606,  gerade  in  dem  Momeole,  «o  der  Veriaaao'  ^'^'^S^^^jAt 
In  den  amilichen  Dienst  seines  engeren  Vaterlandes  eintritt,  also  die  0^^ml, 
thcti  bedeutsamste  Periode  seines  Letieti»  eigenüicb  eist  bq^nt,  ^>bt0^^\^ 
und  wal    weiter  die    Handschrift  eine  durch  nachträ^icfae  Wegnal^^     ^ 
mehrerer  Blitter    entstandene,  nidit   unbedeutende  Lücke  aufweist,  -^ 

den  verhängnisvollen  Feldzug  der  deutschen  Hilfearmec  für  Navam        ^^i&t- 
Jahre  1587,  an  dem  Dohna  in  henorrasender  Weise  beteiligt  war,  umf^^^^^i^si 
Trotzdem,  oder  vielleicht  gerade  weil  in  der  Sdbsibiographie  Dobnas  sei"*-  ^^  die 
nicht  der  politisch  wichtigste  Abschnitt  seines  Lebens,  sondern  mehr  (^  du 


»^ 


Vorbereitung  dazu  geschildert  ist,  steht  dine  Biographie  für  uns.  für  c^ 
hier  die  rtin  politische  Seile  in  dem  l^ben  dieses  Mannes  erst  in  zvci9  ^^ 
Reihe  kommt,  im  Mittelpunkt  des  Interesses.  Wir  gewinnen  aus  ihr  ein^*^ 
ungemein  lebendigen  Einblick  in  das  Leben  und  Traben  eines  adllgt^^^c 
Diplomaten  des  ausgehenden  16.  und  des  beginnenden  17.  Jahrhundcn'''*^^Lti 
mitidncn  Intriguen  und  Winkelzügen,  dem  besdiwcrlichen.  fast  ununtet»'^^ 
brochenen  Reisen  und  den  Kabalen  an  den  Höfen.  Der  Beruf  eines  solche»^^^ 
Diplomaten  war  keineswegs  ein  domen!oser  und  noch  weniger  offenbai-^^Tg 
ein  elntrftgticher,  wenn  der  Diplomat  sich  wie  Dohna  nur  von  sachlicher'*'^:^ 
und  nie  von  pcrsAnlichen  Interessen  dabei  teilen  ließ.  Wenigstens  schein* 


lemf  ^^B 


>ohBa  in  kur pfälzischen  Diensten  viel  von  dein  eigenen  Vermögen  zuge» 
ttzl  zu  haben  und  befand  ^di  nicht  selten  in  drückender  Qeldnot.  Was 
moßlpreiiflischcn  Edelmann  in  die  kurpfälzischen  Dienste  gezogen  hatte, 
■ar  seine  lebendige,  persönlich  erworbene  und  in  Genf  in  jungen  Jahren 
efwtigte  retormierte  Qlaubensiibeneiigung,  die  ihn  antrieb,  sein  persön- 
chcs  Können  für  die  Verteidigung  der  evangelischen  Lehre  gegen  den 
Kpismus  einzusetzen.  Mit  dieser  religiösen  Initiative,  wie  sie  ja  bekanntlich 
ai  Caivinisrnus  allgemein  viel  stärker  als  das  Lutlicrium  beherticlite, 
?rband  sich  in  dem  Burggrafen  ein  starkes  nationalprenliisches  Kühlen, 
ks  ihn  schon  früh  und  in  ganz  ardcretn  Maße  als  die  meisten  seiner  ost- 
■«ußischen  Standes-  und  Zeitgenossen,  von  deren  Uitherisclier  Masse  ihn 
Ich  seine  kalvinisttsche  Konfession  scharf  sonderte,  in  einen  bewußten 
ttionalen  Gegensatz  zu  dem  Polenlum  brachte,  dem  der  osCpreußische 
de]  damals  zumeist  aus  politischen  und  Standesinteressen  zuneigte.  An 
ilturgeschichllich  interessanten  Einzelzügert,  so  für  das  Leben  an  den 
Öfen,  das  übliche  übermäßige  Trinken,  den  Ton,  in  dem  der  Purst  mit 
inen  Hofleuten  verkehrte  u.  a.  m.,  ist  die  Biographie  sehr  reich.  Den 
n  versehentlich  bei  einem  FuJltumier  über  die  Finger  schlagenden  Dohna 
galiert  dafür  Johann  Casimir  z.  B.  mit  den  Worten:  »Ihr  polnischer  Ochs!" 
Manches  in  dieser  Hinsicht  Wertvolle  bergen  auch  die  angefügten  Akten- 
Bcke  zur  brandcnburgi sehen  Sukzession  in  Preui3en.  Ich  mochte  dafür 
B.  auf  die  charakteristische  Schilderung  Dohnas  von  der  lockeren  Hof* 
iltung  Johann  Sigismunds  in  Preußen  in  der  an  letzter  Stelle  mitgeteilten 
eokschrift  Dohnas  über  sdne  Amtsniederlegung  veru'cisen.  Für  die  sorg- 
ttige  und  umsichtige  Form,  in  der  der  Herausgeber  diese  politisch  wie 
tlturhistorisch  ungemein  werivolle  Quellü,  die  in  der  Mcmoircnliteratur 
rerZett  eine  hervorragende  Stelle  einnimmt,  tkr  Allgemeinheit  zugänglich 
nucht  hat,  gebührt  ihm  uneingeschränkte  Anerkennung. 

W.  Bruchmüllcr. 

Emanod    FriedH,    Bämdütsch    als  Spiegel    bcrnisclien   Volkstums. 
L  2.     Orindelwald.     Mit   197  Illustrationen   und  17  Farbendrucken  usw. 
trausgegeben  mit  Unterstützung  der  Regiening  des  Kantons  Berns.   Bern, 
Francke  (vorm.  Schraid  fii  Francke),  190S.    (XVI,  6^5  S.) 

Über  Wesen  und  Eigenart  des  durch  den  vorliegenden  Band  fort- 
srtrten  Werkes,  die  charakteristische  Verbindung  von  Volks-  und  Sprach- 
tide,  die  jedesmalige  Beschränkung  auf  ein  eng  begrenztes  Forschung^ebiet 
i»ie  die  minutlAse  Heranziehung  aller  irgendwie  in  Betracht  kommenden 
nzdheiten,  ist  in  der  Besprechung  des  ersten  Bandes  (vgl.  Archiv  4,111  ff.), 
tr  die  Ocmcindc  Lülzclftüh  behandelte,  das  Nähere  Ef'sagt  worden.  Wir 
halten  auf  Onind  alles  aus  der  Mundart  irgendwie  Erschlicllbaren,  aber 
ich  unter  Heranziehung  der  Realien  die  denkbar  genaueste  Enquete 
ber  das  Leben  und  Denken  einer  bestimmten  Gemeinde,  unter  Ausschluß 
l^CT  Verallgemeinerung.   Um  die  Zuverlässigkeit  zu  steigern,  hat  der  Ver- 


k 


368 


Besprechungen. 


fasser  wieder  in  dem  gewählten  Ort  längere  Zeit  (drei  Jahre)  gelebt,  utab- 
lässig  mit  der  Bevölkerung  verkehrt  und  sich  genaueste  Kenntnis  der 
Mundart,  in  der  sich  öbrigens  wieder  Besonderheiten  der  einzelnen  Ge- 
meindeabschnitte erkennen  lassen,  erworben.  Sprach-  und  sachkundige 
Helfer,  insbesondere  Lehrer,  konnte  der  Verfasser  wieder  zur  Mitarbeit 
heranziehen,  so  daß  es  möglich  «-ar,  ein  völlig  zuverläs»gcs  Material  vor- 
zulegen. -Wenn  der  Leser  gleichwohl  Lücken  empfindet,-  heiBt  es  in 
Vorwort  der  Kommission,  «so  sei  er  daran  erinnert,  daQ  eine  erschöpfende 
Darstellung  des  unerschöpflichen  Reichtums,  sei  es  des  I^bens,  sei  es  der 
Sprache,  nicht  im  Plane  dieses  Werkes  liegt,  und  daß  femer  maocfae 
Lebensgcbiele,  die  sachlich  anziehend  i>ind  und  vielversprechend  scheintn 
(wie  z.  B.  Älplcrfeste,  Schwingen,  Volksgesang,  Schulgeschichte),  spradilich 
eine  dürftige  Ausbeute  liefern.  Das  heute  wirklich  Volkstümliche  an  und 
in  Qrindelwald  ist  der  harte  und  ernste,  freilich  nicht  an  der  Straße  skh 
abspielende  Existenzkampf  mit  der  sb^engcn  und  rauhen  Gebirgsnatur. 
Darum  bilden,  wie  im  Leben  so  auch  in  diesem  Spiegelbilde  desselben, 
die  Land-  und  Alpwirtschafl  als  eiserner  ßesLind  bernischer  Kultur  das 
Fundament  und  den  Grundstock  des  ganzen  Gebäudes,  an  dem  sich  die 
kleinem  Lebensausschnitte  und  -bilder  nur  wie  Zieraten  an  Zimmer-  und 
Oiebelbalken  ausnehmen." 

Der  Band  enthalt  folgende  Abschnitte;  Aus  Grindetwalds  Bergvcll 
Des  Wassers  üestaltcn  und  Gewalten;  Oas  Lulimcer;  Grindelvalds  Himmd 
Wetter  und  Klima;  Alpenwald  und  Alpenpark;  Aus  dem  Wildtierleben 
Batlernbotanik;  Das  Gehege;  Das  Familiengut  im  Tal  und  Vorbcrg;  Ds 
Gemeingut  der  Alp;  Das  Ovictil;  Milchwirtschaft;  G'hälter;  Haus  und 
Häuslichkeit;  Verkehr;  Eigen,  Eigentum.  Eigenlumszeidien;  PhantosK. 
Märchen,  Sage,  Geschichte;  Die  Kirche  und  die  Welt. 

Bereits  beim  ersten  Bande  habe  ich  die  Mühseligkeit  der  Lektüre, 
die  durch  den  Mangel  einer  Erklärung  dialektischer  Ausdrücke  noch  ver- 
mehrt wird,  hervorgehoben,  ebenso,  dart  der  Wert  des  Ganzen  in  der  er- 
giebigen Materialsamnilung  liege,  nicht  in  der  wissenschaftlichen  Verar- 
beitung. Beide  Punkte  werden  für  jenen  ersten  Band  neben  anderen  unter 
Betonung  des  Dilettantenhims  des  Verfassers  jetzt  in  einer  Besprechung 
einer  Emmcnthalcrin,  der  Doktorin  Hedwig  Haldimann,  in  den  Hessischen 
Blättern  fflr  Volkskunde  (Bd.  7,  H.  ^),  auf  die  ich  noch  besonders  ver- 
weisen möchte,  näher  beleuchtet,  übrigens  unter  voller  Anerkennung  der 
Verdiensllichkeit  des  Ganzen. 

Die  gerade  im  vorliegenden  Bande  behandelte  Örllichkeit  könnte 
dazu  beitragen,  daß  derselbe  nicht  nur  von  volkskundlich  interessierten 
Kreisen  und  nicht  nur  von  Schweizern,  sondern  auch  von  allen  um  Land 
und  Leute  sicli  kümmernden  Gebildeten  unter  den  Bemer  Oberland- 
Reisenden  zur  Hand  genommen  wird,  wenn  die  Lektüre  weniger  schwierig 
wäre.  Georg  Steinhausen. 


Mathlen  Schwann,  Geschichte  der  KcMner  Handelskamma'.  Bd.  I. 
Köln,  Pau!  Ncubncr,  T906.    (XV,  ^73  S.) 

•  Deutschland",  sagt  der  Verfasser  (S.  22^  f.)  in  Anknüpfung  an  ein 
Wort  Treitschkes  über  die  Aufgaben  des  aufsteigenden  19,  Jahrhunderts, 
•hatte  die  Arbeit  wieder  aufzunehmen,  die  es  vor  E«ci  und  einem  halben 
Jahrhundert  hatte  lieRcn  lassen  müssen.  Aber  niiltler«-eile  war  für  Europa 
ein  neues  Zeitalter  kühner  und  kühnster  Ideengestaltung  -  das  achtzehnte 
Jahrhundert  -  emporgestiegen,  deren  Bcvältigung  Deutschland  nicrst  auf 
d«i  Gebieten  der  Kunst  und  Literatur  versuchte,  deren  lebendige  Ausge- 
staltung aber  vor  der  schweren  Arbeit  des  19.  Jahrhunderts  zurücktreten 
mußte.  Der  Betrachtung  eines  Teiles  dieser  ungemein  schweren  Arbeit, 
die  vor  allem  auf  den  Schultern  des  deutschen  BCirgertums  lastete,  und 
die  die  Grundlage  bildete  zu  jener  deutschen  Zukunft,  die  heute  zum  Teil 

unser  wohlerworbenes  Besitztum  geworden  ist,  ist  diese  Arbeil  gewidmet 

Im  ganzen  ruht  auf  dieser  Darstellung  naturgemäß  die  schwerere  Luft  der 
Werfcslatt.  der  Fabrik,  des  Handelsbureaus,  aus  denen  erst  jene  glänzenden 
Werke  hervorgingen,  die  heute  so  oft  an  leuchtenden  Sommerabenden  das 
Auge  des  Rheinbesuchers  erfreuen." 

Mit  Recht  erinnert  der  Verfasser  im  Vorwort  daran,  daß  wir  über 
die  so  wichtige  Geschichte  des  deutschen  Bürgertums  In  Wirtschaft  lieber 
Beziehung  seit  dem  17.  Jahrhundert  noch  recht  wenig  wissen.  Der 
glänzenden  literarischen  Entwicklung  des  deutschen  Bürgertums  im  18.  Jahr- 
hundert lag  doch  zugrunde  und  ging  voraus  eine  bisher  nicht  genügend  er- 
kannte »wirtscliaflliche  und  soziaie  Entwicklung,  die  tief  in  die  Vei^angen- 
heit  hineinreichte,  die  aber  ebenso  bereits  über  die  erste  Zeit  der  literarischen, 
wissenschafllichen  und  künstlerischen  Ausstrahlungen  hinaus  nach  neuen 
Zielen  zu  suchen  begann*.  Zu  der  nettesten  Geschichte  des  Bürgertums 
gibt  auch  das  vorliegende  Buch  einiges  Maleri.il,  wenn  die  Arbeit  auch 
natürlidi  nicht  aus  dieser  allgemeinen  Absicht  entsprungen  ist.  Die  Auf- 
gabe war  aber  immerhin,  -aus  dem  vielseitigen  Aktenmaterial  heraus  ein 
Ergänzungsbild  zu  schaffen,  das  den  fast  schon  vergessenen  oder  doch 
hSchstens  noch  in  einigen  Familientraditionen  nachklingenden  Lebens- 
r^ungen  des  Kölner  Bürgertums  gerecht  wurde*. 

Jedenfalls  sind  Arbeiten,  wie  die  vorliegende,  schon  wegen  der  In- 
angriffnahme dieses  Gebietes  verdienstlich:  eine  Fülle  neuen  Materials  wird 
in  dem  Werke  Schwanns  erschlossen,  und  eben  dies  urkundliche  Material 
bedingt  zunächst  seinen  Wert.  Die  Natur  einer  Handelskammer  braclite 
es  mit  sich,  daß  die  Darstellung  mehrtach  über  das  bloß  Kölnische  hinaus- 
geht, andererseits  wurde  durch  breitere  Behandlung  der  Einzelzweigc  des 
Handels  und  der  gewerblichen  Tätigkeit  die  Geschichte  der  Handels- 
kammer zu  einer  «Oeschichte  des  kölnischen  Wirtschaftslebens  wenigstens 
in  ihren  Grundlinien".  Sehr  richtig  ist  der  Standpunkt  des  Verfassers, 
daß  die  Darstellung  nicht  der  üblichen  scharfen  Abgrenzung  der  einander 
folgenden  wirtschaftlichen  Theorien,  sondern  der  wirklichen  historischen 


Archiv  fdr  KutUirgocbtcbte. 


24 


Enivricktung,  die  immer   eine  durchaus  Rcmischte  Praxis, 
Cbergangsformcn  aufweist,  Rcchnurg  zn  tragen  hat. 

Der  Verfasser,  der  sich  bewälirteii  Beirats  zu  erfreuen  hatte,  vt 
stetit  es  in  seinem  gründlichen,  anerkcnnensverteii  Buch,  uns  ein  klares 
und  lebendiges  Bild  von  der  Entwicklung  zn  zeichnen.  Nach  einer  Ein- 
leitung, die  die  Zeit  vor  der  franzüstschen  Okkupation,  den  Einzug  der 
Franzosen  und  die  allgemeine  Lage  des  Ki'ilner  Handels  schildert,  t^ehandelt 
er  die  Geschiclite  unserer  Handciskainnier,  deren  Begründung  in  die  be- 
wegte Zeit  der  französischen  Revolution  fällt,  in  iolgenden  Abschnitten: 
Erste  Versuche;  Der  Kampf  um  die  Freiheit  des  Handels;  Die  politischen 
Verschiebungen  am  Rlicin  und  ihre  Einwirkungen  auf  das  rheinische 
\C'irlsch.ifI sieben ;  Die  erste  Zeit  unter  prcullischer  Herrschaft.  Die  ersten 
Jahrzehnte  des  Bestehens  der  Kammer  standen  unter  dem  Zeichen  ständigen 
Wechsels  und  nicht  völlig  sicherer  und  klarer  Stellung;  dazu  kam  die  anfäng- 
liche Antipathie  der  Kölner  Kaufmannschaft.  Aber  die  Kammer  fiberwand 
alle  Schwierigkeiten,  nicht  zum  wenigsten  durch  die  Energie  der  Per- 
sönlichkeit Eriedr.  Karl  Heimanns,  und  leistete  -eine  Unsumme  von  Arbeit 
für  Köln":  „keiner  Anregung,  keiner  Errungenschaft  jener  gewaltig  be- 
wegten Zeiten  blieb  sie  fremd  und  fem."  Eine  ganze  Reihe  positiver 
Leistungen  auf  dem  Gebiet  der  Fördenmg  des  Handels  und  des  Verkehrs-^ 
insbesondere  der  Schiffahrt  wird  erkennbar,  dazu  blicken  wir  in  di^H 
tägliche  Kleinarbeit,  sehen  aber  auch  eine  ■.stets  frische,  oftmals  begeisterte 
Erfassung  der  Zukunft".  »Die  besten  Fähigkeilen,  die  man  in  fran;ösi scher 
Schule  entwickelt  hatte,*  verwendete  man  dann  gegen  die  Bc\'ormundungs- 
sucht  der  preußisdien  Bureaukratie.  »Aus  der  bewegten  Zeit,  in  der  alle 
Gebundenheiten  sich  lösten,  war  man  in  eine  neue  Zeil  hcrübergclrctcn. 
Erst  jetzt  aber  bricht  die  Periode  der  großen  sozialen,  wirtschaftlichen, 
politischen  Neuformationen  an.'  Georg  Steinhausen. 


Kleine  Mitteilungen  und  Referate. 


In  der  Allgemeinen  deutschen  BioKrapliie,  53,362-383,  findet  sich 
eine  vortreffliche,  liebevoll  eingehende  Biographie  Wilhelm  Heinrich  Riehls 
von  H.  Simonsfeld,  der  nach  dem  Tode  Riehls  bereits  eine  Rede  auf 
ihn   in  der  bayerischen  Akademie  der  Wissenschaften  gehalten  und   ihn 
dabei  als  Kuiturhtsforiker   gewürdigt    hat   (vgl.  Zeitschrift  für   Kultur- 
geschichte, 6,  36y).   S.  hat  durdiaus  redil,  wenn  er  Riehl  utinen  der  besten 
Kenner  und  Schildcrer  des  deutschen  Volkstums,  einen  unserer  hervor- 
ngendsten  Kuhurhistoriker'  nennt.     Daß  bereits  1859  eine  ordentlidie 
^ofessur  für  Kulturgeschichte  (und  Statistik)  Riehl  veriiehen  wurde,  sei 
Wer  abermals  mit  der  resignierten  Feststellung  hervorgehoben,  vie  wenig 
«dieses  Beispiel  bis  heute  Nachfolge  gefunden  h,it.   -   Bei  dieser  Oelegen- 
''eitmng  noch  auf  einen  anregenden  Aufsatz  von  R.  A.  Fritzsctic  In  den 
'hessischen  Blättern  für  Volkskunde  (Bd.  7,  H.  1):  Justus  Moser  und 
Wilhelm  Heinrich  Riehl,  Gedanken  über  Volkskunde,  hingewiesen 
«■«rrdcn. 

Aus  dem  Anzeiger  der  Akademie  der  Wissenschaften  in  Krakau, 
'^ilol.  u.  hist-philos.  Klasse  (1907,  5),  erwähnen  wir  die  Abhandlung 
*'*^n  E  Majewski,  Statique  et  dynamiquc  de  la  civilisalion;  re- 
*^erches  des  lois.  qui  prfeidenl  au  diplacement  des  foyers  de  civilisation 
^  ä  la  malurit^  des  socieles  pour  la  civilisalion. 

Ed.  Meyer  betont  in  seiner  Abhandlung  ober  die  Anfänge  des 
Staates  und  sein  Verhältnis  zu  den  Geschlechlsverbänden  und 
^«m  Volkstum  (Silzungsberichle  d.  k.  preuß.  Akad.  d.  Wiss-,  Phil.- 
^W.  Klasse,  6.  Jutii  1907)  den  Herdendiarakter  der  Menschen  gegenüber 
d«r  naturrechtlichen  Annahme  von  isolierten  Menschen  am  Anfang  der 
Entwicklung;  teste,  geordnete  Verbände  hätten  von  Anfang  an  bestanden, 
^  Staat  sei  nicht  aus  den  Gcschlech  tsver  banden  herzuleiten. 

Eine  interessante  Zusammenfassung  bieten  Friedr.  Delitzschs 
Artikel  über  die  Kultur  Altbabylonicus  in  der  Deutschen  Revue  (1908, 
April)  und  in  Harpers  Magazine  (1907,  Dezember)  (Civilization  of 
Ancient  Babylon). 


24' 


372 


Kleine  Mitteilungen  und  Referate. 


Ober  den  Ursprung  der  optischen  Kultur  hindeln  F.  Hora- 
mel  in  einem  Beitrag  zum  Mcmnon,  Zeitschrift  f.  d.  Kunst-  und  Kultur- 
gesdi.  d.  alten  Orients  (I,  i):  Zum  babylonischen  Ursprung  der 
ägyptischen  Kultur  (I.  Das  Sonnenschiff,  2.  Die  acht  Begleiter  des 
Sonnengottes)  und  Navjlle  im  Journal  of  the  Royal  Anthropologie^ 
Institute  of  Great  Britain  and  Ireland  (1907,  Jan./Juni):  The  Origi'n  of 
Egyptian  Ci vilization. 

Einen  Beitrag  zur  Geschichte  griechischen  Lebens  bietet  die  Ab- 
handlung Gisela  M.  A.  Richters  im  American  Journal  of  Archxok^ 
(11,  A):  Three  Vases  in  the  Metropolitan  Museum,  illustrstinK 
Women's  life  in  Athens. 

LudvigWflllcers  Aufsatz  in  den  FYeiißischen  Jahrbüchern  (IM.  130, 
H.  2):  Das  Lob  der  guten  alten  Zeit  ergäRzI  die  beicannte  Zu^mmcn- 
Stellung  H.  Delbriicks,  nach  der  sich  diese  Lobredner  zu  allen  Zeiten 
finden,  für  die  dort  rieht  beröcicsichtigte  römische  Literatur,  die  solche 
Lobsprüche  in  betraclnl icher  Zahl  aufveist. 

Die  Proceedings  of  Ihe  British  Academy  for  the  promotion  of 
hislorical  etc.  studies  (Vol.  II,  1905/6)  enlhatten  eine  Arbeil  von  F.  j. 
Haverfield,  The  romanization  of  Roman  Britain.  Aus  der  vie 
immer  reichen  Literatur  über  die  Reste  und  Spuren  römischer  Kultur  in 
Deutschland  seien  genannt:  aus  den  Bonner  Jahrbüchern  (H.  114/5,344-7») 
die  Arbeit  von  J-  Poppelreuter,  Die  römischen  Gräber  Kölns:  atB 
den  Annalcn  des  Vereins  f.  nassautsche  Altertumskunde  (36,  Mi-Sl)  di« 
von  R.Bodewig,  Römische  Gehöfte  zwischen  Limes  und  Rhein 
(besonders  eine  römische  Villa  bei  Bogel};  aus  dem  Korrespondenzblatt 
des  Gesamtvereins  {}g.  55.  Nr.  2)  der  Vortrag  Segers,  Spuren  der 
römischen  Kultur  in  Schlesien;  aus  Nr.  S/6  derselben  Zettschrift 
derjenige  Dragendorffs,  Römisch-germanische  Forschung  in 
Nord  Westdeutschland;  aus  Nr.  12  derjenige  von  Schliz.  Be- 
ziehungen römischer  Bauanlagen  zu  bestehenden  prähisto- 
rischen Verhältnissen. 

Einen  beachtenswerten  stadtgeschichtlichen  Beitrag  bietet  A  Dg. 
Melninghaus  in  seiner  kleinen  Schrift:  Burg  und  Stadt  Dortmund 
(Dortmund,  C.  L  Krüger,  19ü7).  Er  widerlegt  die  bis  vor  kurzem  herr- 
schende Annahme,  .daß  schon  um  1100  die  alten  Stadtwätle  mit  ihren 
Mauern  Dorlniunds  Befestigung  ausgemacht  hätten,  und  der  Königshof 
schon  damals  außerhalb  der  so  ummauerten  Stadt  gelegen  habe*.  Die 
allerdings  vorhandene  Befestigimg  des  älteren  Dortmunds  «-ar  die  Bur^g  D., 
über  die  M,  das  yeschichlliche  Material  kurz  zusammenstellt.  Sie  verlor 
durch  die  Entwicklung  des  «Reichsdorfs"  D.  zur  Stadt  und  deren  Um- 
mauerung  an  Bedeutung.  Letztere  setzt  M.  kurz  vor  1240,  vas  er  des 
niheren  ru  erweisen  sucht. 

An  sonstigen  Beiträgen  zur  lokalen  Kulturgeschiclite  Deutschlands 
seien  verzeichnet:  H.  Matzat^  Weilburg  vor  1000  Jahren  (Annalen 


des  Vereins  f.  nassauische  Altertumsk.,  36,  15-44);  L  Oölting,  Hil- 
desheim  zur  Zeit  der  Hanse  (Hans.  Oeschichtsblätter,  10,  291-304); 
Zimmer,  Das  Leben  auf  der  Neuerburß  bei  Bitburg  im 
16.  Jahrhundert  (Trierer  Chronik,  N.  F,  3,  73/5);  M.  Follz.  Dan- 
ziger  Stadthaushalt  am  Ende  des  16.  Jahrhunderts  (Zeitschr.  d. 
Westpreuß.  Qeschichtsver.,  49,  13I/1S4);  Martensen,  Kultur-  u. 
Sittenzustände  in  Angela  z.  Zt.  des  dreißigjähr.  Krieges  {Die  Heimat, 
Monatsschrift,  IS.  Jg.,  Nr.  2-5);  J.  Maenß,  Majideburgs  virtschaft- 
Hche  Verhältnisse  z.  Z.  des  7j.  Krieges  (Geschichisbll.  f.  Magde- 
burg, 41,  iO*ifM). 

Ein  Kuliurbild  von  Basel  im  15.  u.  16.  Jahrhundert  bietet  im 
Basler  Jahrbuch  für  190S  A.  Burckhardt-Finsler  auf  Grund  einer  Zu- 
sammen Stellung  der  Schilderungen  des  Acncas  Sylvius,  A.  Qataris,  F.  Fabris 
Hartman  Schedels  usw. 

Beachtung  verdient  die  in  den  Verstagen  der  vlaamsche  Academte 
(1907,  6;7,  433-91)  erschienene  Abhandlung  J.  W.  Mullers:  Cornelis 
Everaert's  Speien  als  Spiegel  der  inaatschappelijke  toestanden 
zijns  tijds. 

W.  Ravesteijns  Aufsatz  in  der  Neuen  Zeit  (1908, 1.  Nr.  20  u.  22): 
Die  Ökonomische  und  soziale  Entwicklung  von  Amsterdam  im 
16.  nnd  im  ersten  Viertel  des  17.  Jahrhunderts  gibt  das  Haupt- 
sächlichste aus  des  Verfassers  Buch :  Ondereoekingen  over  de  economi&che 
en  sociale  Onlwikkeling  van  Amsterdam  gedureiide  de  16.  en  hei  eerste 
kirart  d.  17.  eeuv. 

Eine  bereits  im  Archivio  della  societä  romana  di  slorra  patria  von 
1881  veröffentlichte  Beschreibung  Roms  von  nso  behandelt  H.P- Hörne  in 
der  Revue  archtetogique  (1907,  mai/jiiin]:  Une  description  de  Rome 
en  1450. 

Eine  -villkommene  Zusammenfassung  bieten  M.  v.  Brandts  Auf- 
sitze In  der  Intemalionalen  Wochenschrift  (Jg.  2,  Nr.  19^21)  über  die 
Grundlagen  der  chinesischen  Kultur. 

A.Vierkandl  untersucht  im  Globus  (Bd. 92.  Nr. 2^4)  die  Anfinge 
der  Religion  und  der  Zauberei  und  möchte  die  Existenz  eines  prä- 
animistischen  Zeitalters  als  hinreichend  wahrscheinlich  erweisen,  jedenfalls 
aber  als  gewiß,  .daß  in  den  Anfängen  der  Religion  ein  etwaiger  Seclen- 
und  Geisterglaube  ohne  jeden  Zusammenhang  mit  der  Praxis  des  religiösen 
Lebens  gewesen  und  dal!  diese  letztere  lediglich  in  der  Zauberei  bestanden 
hat'.  Jedenfalls  könne  als  sicher  gellen,  »daß  die  Religion  von  Haus 
ans  kein  einheitliches  Gebilde  ist,  sondern  zwei  gelrenntc  Wurzeln  besitzt, 
nämlich  die  Zauberei  und  den  Geislerglauben,  mag  nun  die  letztere  sich 
ebenso  früh  wie  die  erstcre  oder  erat  später  entwickelt  haben-. 

Zur  Geschichte  des  Aber-  und  Zauberglaubens  erwähnen  wir  noch 
folgende  kleinere  Beiträge:  A.Vierling,  Unvertilgbarer  Volksglaube 
und    Aberglaube  nach   dem  ältesten   bayerischen   Volksrecht 


374 


Kldne  Mittciloiigen  und  Refcntc 


(Obstayv.  Arehir,  52,  U.  147-72);  P-  Pradel,  Alte  und  neue 
Zauberbrauche  (Mitteilungen  der  schlesbchen  Oesdlsdi.  f.  Vollakunde. 
H.  17  S);  J.  Klapper.  Das  Gebet  im  Zauberglaaben  des  Mittel- 
alters (ebenda);  G.  Liebe,  Waffeobeschvörnng  (Zeitacfanft  t  histor 
Waffenininde,  Bd.  4,  H.  S);  E.  Bühler,  Bcilr.  zum  Aberglauben 
der  evasg.  Masureo  ia  hitbcr.  Zeiten  (Mitteilungen  d.  LiL  Oesdbduft 
Masovia.  n.72/7). 

Pur  die  Qesdiidite  des  HexengUuben^  sind  neue  Bdtrigc  meist  dbt 
dann  interesnot.  venn  sie  ins  Mittelalter  zurückgehen:  so  vetsen  vir  ai:f 
denjenigen  Reymonds  im  Schwaier.  Archiv  f.  Volkskunde  (Jg.  12.  H-i) 
hin:  La  sorcellcrte  au  pays  de  Vaud  au  XVe  siede. 

Im  HistorisAcn  Jahrbuch  (Bd.  28,  Heft  4)  beantwortet  N.  Paulus 
die  Pr^e:  .Ist  die  Kölner  Approbation  des  Hcxenhammers  eine 
Pilschung?"  gegen  Hansen,  dem  sich  auch  Pastor  rückhaltlos  an- 
gcKhlcMten  bat,  mit  Nein.  Die  \-on  Hansen  angefühnen,  doch  sehr  schver- 
wiegenden  Gründe  sucht  er  möglichst  zu  entkräften  und  bdont  rach 
einige  Umstände,  die  gi^en  eine  Fälschung  sprechen.  -  In  cSendben 
Zeitschrift  (Bd.  29,  Heft  1)  polemisierl  Paulus  in  einem  Au^tz  &ber 
die  Rolle  der  Prau  in  der  Geschichte  des  Hexenwahns  gegen 
Riczler  und  Hansen,  die  für  die  Zuspitzung  des  Hexenwahns  auf  da 
weibliche  Geschlecht  die  mittelalterlichen  Theologen,  insbesondere  (so 
Hansen)  die  Vertasser  des  Hexenbaramers,  vennnronlich  gemacht  bibcn. 
Paulus  untersucht  nun  zunächst,  wie  man  in  der  vorchristlichen  Zeit,  dann, 
wie  man  im  Miltelalter,  und  drittens,  wie  man  nach  dem  Erscheinen  des 
Hcxenhammers  im  16.  und  17.  Jahrhundert  über  die  größere  Beteiligung 
der  Frauen  am  Hecentreiben  gedacht  hat,  und  kommt  zu  dem  Schlüsse. 
daß  es  sich  um  eine  allgemein  verbTcitetc  \'orsteUung  handle,  deren  Ent- 
stehen den  mittelalterlichen  Mönchen  nicht  zur  Last  gelegt  werden  könne. 
.Damit  soll  nicht  geleugnet  werden,  daß  die  mittelalterlichen  Tlieologen 
zur  Befestigung  der  altüberlieferten  Anschauung  beigetragen  haben.  Aber 
dasselbe  gilt  auch  von  all  den  protestantischen  Theologen  und  l.aien,  die 
in  vorstdiendem  Aufsatz  aufgeführt  worden  sind.-  -  Zu  beiden  Aufsätzen 
nimmt  nun  J.  Hansen  in  der  Westdeutschen  Zeitschrift  für  Geschichte 
und  Kunst  (Bd.  26,  372  -  404)  das  Wort  Seine  auch  wegen  der  noch- 
maligen Zusammenfasstmg  seiner  früheren  Resultate  wertvolle  Abhandlung 
(Der  Hexenhammer,  seine  Bedeutung  und  die  gefälschte 
Kölner  Approbation  v.J.  1487)  beschäftigt  sich  zunächst  mit  dem 
2»eitgenannten  Paulusschen  Artikel  wegen  der  Wichtigkeit  der  darin 
behandelten  Frage,  zeigt,  wie  sehr  dessen  mit  Selbstverständlichkeiten 
operierende  Ausführungen  den  Kern  der  Sache  unberührt  lassen,  ins- 
•besondere  kein  Wort  von  der  entscheidenden  Umwandlung  des  Hexen- 
^^^PiHs  im  15.  Jahrhundert  mitteilen.  Ebenso  meint  er  bezüglich  der 
^■wsuchien  Entkräftung  des  Nachweises  jener  Fälschung,  daß  Paulus  die 
ganze  PaUe  aulälliger  Umstände,  die  die  erste  Herau^abe  des  Malle 


und  den  treten  Dntctc  der  KALnpr  Approbation  begleiten,  nicht  erwähnt 
habe.  Wie  H.  die  Paulussclicn  Einwände  im  einzelnen  widerlegt,  muß  in 
der  Schrift  selbst  nachgelesen  werden.  —  Paulus  hat  übrigens  das 
Thema  vom  Hexenwahn  audi  noch  in  einem  Aufsalz  in  den  Historisch- 
politischen  Blättern  (Bd.  141,  24I-54)  unter  dem  Titel:  Rom  und  die 
Blütezeit  der  Hexenprozesse  behandelt,  in  dem  er  bei  der  römischen 
Inquisition  nicht  eine  so  scharfe  Anschauung  findet  wie  bei  den  deutschen 
Hexenriditem. 

Über  Hexenprozesse  berichten  ferner  Kuni:  v.  Kauffungen, 
Hexenprozesse  in  Mühlhausen  1. Thür. (Mühthäuser  Qeschichtsblätler, 
Jg.  8);  Chr.  Waas,  Ein  HexenprozeO  aus  >der  guten,  alten 
Zeit"  (betr.  den  Prozeß  der  Barbara  Wendel  in  Friedberg,  1663)  (Prcuß. 
Jahrbücher,  Bd.  132,  H.  i);  K.  Knaflitsch,  Prozeli  gegen  die  Wahr- 
sagerin Justina  Fleischer.  Beilr.  z.  Oesch.  d.  Hexenprozesse  in 
Österr.-Schlesien  (Zeitschrift  f.  Gesch.  etc.  Osten*. -Schlesiens,  i,  67/74); 
Erich  Hörn,  Der  letzte  große  Hexenbrand  in  Deutschland 
(Quellen  u.  Forsch,  z.  deutsch.,  insbes.  hühcnzollemschcn  Geschichte, 
Jg.  S.  Halbbd,  I). 

M.  Höfler  setzt  seine  an  dieser  Stelle  bereits  mehrfach  erwähnten 
Studien  über  die  Qebildbrote  in  einem  Beitrag  zu  der  Zeitschrift  für 
Österreichische  Volkskunde  (l3,ö5-96)  (Allerseelengebäcke,  vergleich. 
Studie  der  Oebildbrote  zur  Zeil  des  Allerscelcntages)  fort. 

Als  anregende  Beiträge  zur  Geislesgeschidite  lassen  sich  zwei  kleine, 
innerlich  zusammenhängende  Arbeiten  von  Franz  Strunz  bezeichnen. 
In  der  Chemiker-Zeitung  (1907.  Nr.  10)  handelt  er  Über  die  Vor- 
geschichte der  Lehre  von  den  Elementen  und  zeigt,  daß  die  Ge- 
schichte der  Elementen  lehre  in  fern  zurückliegende  Zeiträume  des  antiken 
Orients  weit  vor  Empedakles  und  der  vorsolcra tischen  Naturphilosophie 
führt.  Die  Lehre  von  den  vier  Elementen  ist  siderischen  Ursprungs  und 
aus  der  Beobachtung  des  Stenienhimmeis  hervorgeganifen.  Mit  dem 
Problem  von  den  letzten  Körperbesiand teilen  ist  dann  die  ganze  vor- 
sokratische  Naturphilosophie  mehr  oder  weniger  verknüpft.  Empedokles 
fand  die  .ScLbsländtgkeit'  der  Elemente  .und  ihr  Wesen  als  Material  der 
Kräfte",  seine  Doktrin  hat  später  Aristoteles  in  eine  neue  Beleuchtung  ge- 
rückt. -  Chemisches  bei  Piaton  nennt  sicli  der  weitere  Beitrag  zu 
derselben  Zeitschrift  (1907,  Nr.  84).  der  zunächst  die  von  diesem  Philo- 
sophen im  Timaeos  niedergelegten  naturpliilosophisclien  Gedanken  und 
seine  Lehre  von  den  Elementen  beleuchtet. 

Mit  einem  in  unserem  Archiv  (ä,  66  -86)  erschienenen  Aufsatz:  »Zur 
Geschichte  der  Liebe  als  Krankheit-  von  Hjalmar  Crohns  hängt  eine 
in  der  C^versigt  af  Finska  Vetenskaps-Societelens  Förhandlingar  (49,1906/7, 
Nr.  14)  veröffentlichte  Arbeit  desselben  Verfassers:  Ein  mittelalterlicher 
Prediger  über  Liebe  und  Liebeswahn  zusammen.  Es  handelt  sich 
um  die  in  einem  verbreiteten  Handbuch  für  Seelsorger:  Praeceptorium 


I 


dtvinae  legis  nicdergeiestm,  aus  allen  möglichen  Quellen  stommenden 
moralphitosophischen  AusfOhningra  des  Gntlschalk  Hollen,  eine«  hödtsl 
angesehenen  westfälischen  Prctli^'ere,  über  den  Liebeswahn.  H-  bandelt  in 
klügelnder  Weise  hauptsächlich  nach  Bemardus  de  Gordonio  eing^rtHf 

^  über  den  Ursprung  und  die  Ursachen  der  .Krankheit",  über  ihre  Symptome 
und  Kennzeichen,  über  die  Gdahr  und  Vervirrung,  die  sie  mit  sich  bringt, 
und  über  ihre  Behandlung. 

Aus  den  Neuen  Jahrbüchern  f.  d.klass.  Altertum,  Gesch.  usr.  (Jg.  t1, 
H.  3)  vereeichncn  wir  die  Arbeit  von  Fritz  Schemmel,  Die  Hoch- 
schule von  Konstantinopel  int  4.  Jahrhundert  p.  Chr.  n. 

L  P.  Andersons  Beitrag  zum  Pcdagogical  Seminary  (1907,  June): 
A  study  of  medivval  schools  and  schoot  work  enthält  auch  eine 
Bibliographie. 

Wir  notieren  kurz  fojgende  weitere  schulgeschichtliche  Arbeiten: 
R.  Sfahlecker,  Beitrige  zur  Gesch.  d.  höher.  Schulwesens  in 
Tübingen  (Tübinger  Blätter.  1906,  18-29);  Btdder,  Beitrige  z.  e. 
Gesch.  des  westpreußischen  Schulwesens  in  polnischer  Zelt, 
ca.  1572  - 1 772  (Zeitschrift  des  Wcslpreuß.  Geschichtsvereins,  49,  273  -  349); 
W.  Toischer,  Lateinschule  und  Gymnasium  in  Saaz  in  sieben 
Jahrhunderten  ihres  Bestehens  (Deutsche  Arbeit,  7,  3);  Di« 
Dorner  Schulordnung  |t7S2],  [mitgeteilt]  von  Julius  Honkc 
(Deutsche  Blätter  f.  crneh.  Unterricht,  Jg.  35,  Nr.  29). 

Als  Beilage  zu  dem  Programm  des  Wöhicr-Rcalgymiusiums  zu 
Frankfurt  a.  .M.  (Ostcm  1905}  vwfiffentlicht  Otto  Liermann  eitwii 
■  Beitrag  zur  Geschichte  des  Bildungswesens  im  Großherzogtum  Frankfurt* 
unter  dem  Titel:  Das  Lyccum  Carolinum.  Die  kurzlebige  Anstalt 
ist  nach  ihrem  Schöpfer  Carl  von  Dalberg  benannt,  ihre  auf  Grund 
der  im  Stadtarchiv  aufbewahrten  Akten  hier  gegebene  Geschichte  macht 
uns  mit  .bemerkenswerten  Person tichkeiten  und  Zuständen-  bekannt.  Dk 
kulturgeschichtlich  belangreiche  Abhandlung  gliedert  sich  in  die  Abschnille: 
Carl  Theodor  von  Dalberg;  Kurator,  Leiter  (-Rat  Schlosser-i  und  l^ir- 
kfirper  des  Lyceums  (u.a.  der  Historiker  Schlosser);  Studicnplan,  Süßeres 
und  inneres  Leben  des  Lyceums  bis  zu  seiner  Auflösung.  Hat  die  Arbeit 
einerseits  ein  großes  schul  geschieht!  ich  es  Interesse,  ist  sie  sogar  .lehrreich 
für  Fragen  des  höheren  Unterrichts  und  der  Hochschulpädagogik,  welche 
die  Gegenwart  bewegen",  so  führt  sie  andererseits  doch  auch  in  jene 
geistig  und  kulturell  hochstehende  Zeit  ein,  als  de«n  echtes  Kind  der 
humane,  reformfreundliche,  aber  »in  der  politischen  Geschichte  verfemlf 
Dalberg  erscheint. 

An  universitätsgeschichtlichen  Zeitschriftenaufsätzen  Hegen  vor: 
Q.  Bauch,  Schlesien  und  die  Universität  Krakau  im  IS.  u. 
16.  Jahrhundert  (Zeitschr.  d.  Vereins  f.  d.  Gesch.  Schlesiens,  41. 
99-180);  Paul  Drews,  Das  Eindringen  der  Aufklärung  in  d. 
Universität  Gießen  (Preuß. Jahrbücher,  Bd.  130,  H.  1);  O.Heincinann, 


^ 


KWne  Mltteihmgcn  und  Rcftrate.  ~     377 


Studentische  Verbindun(ren  in  Gretfswald  bis  zur  Mitte  des 
*  ^.  Jahrhunderts  (Baltische  Studien^  N.  F.  10.  b7-117)  -  wir  kommen 
*t«f  diesen,  zugleich  in  der  Festschrift  zum  Grcifswaldcr  Jubiläum  er- 
sofcienenen  Aufsatz  bei  flesprechung  derselben  noch  zurück  — ;  Lady 
^»Jerton,  Oxford  Universily  Life  in  the  XVn»i  Century  (The 
^>I«uonal  Review,  Nr.  298). 

Eine  kurz  zusammenfassende  Darlegung  des  Wissenswerten  über 
^»«babylonischen  Tonbricft  nach  ihrer  äußeren  Erscheinungsform  und 
*^»ter  inneren  Beschaffenheit  gibt  Ed.  K5nig»  Aufsatz  in  Über  Land  und 
■^■1««r  (Jg.  5(1,  Nr.  2ü):  Der  Brief  bei  den  Babyloniern. 

Viel  höher  steht  der  Essai  Otto  Seecks  über  den  antiken 
B  rief  in  der  Deutschen  Rundschau  (Jg.  34,  H.  t),  der  das  Thema,  so 
S~ut  es  der  Raum  erlaubt,  nach  der  Äußeren,  stilistischen  und  literarischen 
Seite  möglichst  erschöpft.  Die  Menschen  selbst  werden  allerdings  uns 
^i»«tl  weniger  nahe  gebracht,  als  es  in  Steinhaiisens  Geschichte  des  deutschen 
Briefes  seinerzeit  für  den  deutschen  Menschen  geschehen  ist.  Dieses  Werk 
H3,t(e  auch  mannigfache  Parallelen  zu  der  antiken  Entwicklung  geboten 
Cz-  b.  bezüglich  der  anfänglichen  Auffassung  des  Briefes  als  Boten,  be- 
EQ^lich  des  zeitweise  gezierten,  schwillst  igen  Stils  usw.). 

In  den  Modem  Language  Notes  (1907,  Dezember)  findet  sich  ein 
Beitrag  von  R.  L  Hawkins,  A  Letter  from  one  maiden  of  the 
F^«naissance  to  another,  in  The  English  Historical  Review  (1907, 
Oö.)  ein  solcher  von  P.  S.  Allen,  Some  Letters  of  Masters  and 
Scrholars,  tSOO  -  15J0. 

Über  englische  Verfasser  und  Verleger  um  .Iboo  -  die  englischen 
V^^hiltnisseslnd  von  den  deutschen  sehr  verschieden  -  handelt  Ph.  Scavin 
'^r\  The  Library  (t90h,  October)  (Writcrs  and  the  Publishing  Trade, 
c»-  itioo).  -  Aus  derselbe«  Zeilschrift  (lyo;,  Januar)  notieren  wir  einen 
•^»Jfsatz  desselben  Vcrfas-siers ;  The  l.iveiihood  of  the  professional 
^Ä"' Titer  circa  1600. 

Aus  The  Ninelccnth  Century  (Nr.  369,  1907,  Nov.)  verzeichnen 
*''r  den  Artikel  von  J.  B.  Williams,  The  early  history  of  London 
^^  vertising. 

Auch  für  die  eigentliche  Kulturgcschiclile  kommt  ein  in  der  Mün- 

<^hener  Wochenschrift  -Frühling'  (190S,  H.  11,'12)  veröffentlichter  Aufsatz 

^l  Max  Kcmmcrich   über  Entwicklungsstufen  der  deutschen 

"^örträtmalerei  in  Betracht  {vgl.  Übrigens  oben  S.  361f,).     K.  behandelt 

"    das  Porträt  im  frühen  Millelalter,   das  eine  allerdings  unvollständige 

**1r.itfähigfceit   besaß,   aber  zu   wenig   Interesse  an   der   Persönlichkeit 

j^*'p.    2.   das  P.  der   Gotik,    in   welcher  Zeit   das   Höchste   an   genauer 

*^er^be  der  Formen  und  der  Lokalfarbi*  geleistet  und  die  authentische 

'^'viduelle  körperliche  Erscheinung  in   ii.ilurwahrstcr  Weise  festgehalten 

..  ''•■fi(._  5,  das  P.  seit  Renibratidt  -  jetzt  wird  die  frühere  physische  Ähn- 

^^'teit  zu  einer  tieferen  psychischen  gesteigert,  die  Klarheit  der  Formen 


und  die  Riditigkdl  der  Lokalfarbe  vcrdcn  abgelöst  durch  ein  Streben  nidl 
luturvahrer  Veranschaulichung  der  Licht-  und  Schalten  Wirkung  - ,  4,  du 
P.  des  Impressionismus,  der  denkbar  ungünsligbten.  formauflösendcD,  die 
Lokalfarbc  negierenden  Art  der  Porträt  maierei.  Dem  Veriasser  kam  a 
darAUt  an,  die  großen  Richtungslinien  zu  zeigen,  nach  denen  die  Kunst 
der  ^Tfschiedenen  Epochen  die  Individualität  zu  meistern  suchte.  -  Sencf 
im  29.  Rande  des  Kepertoriums  für  Kunst<rissenschaft  (S-  SS2-5:)  e^ 
schienenen  Zusammenstellung  malerischer  Porträts  aus  dem  frühen  deutsdwi 
Mittelalter  Unt  K-  im  neuesten  Heft  des  31.  Bandes  (S.  120-131)  diten 
Nachtrag  (und  Derichligimgen)  fotgen^  nicht  sowohl  Im  kunsthistoriscben 
als  im  Interesse  der  Historiker.  Er  dehnt  dabei  die  Zei^renzc  um  ein 
halbes  Jahrhundert  »eiter  aus,  also  bis  1500.  -  In  dem  Neuen  .\rdOT 
der  Gesellschaft  für  allere  deutsche  Geschieh tskumle  (Bd.  33,  H.  2)  sodaan 
gibt  Kemmerich  unter  dem  Titel  die  Porträts  deutscher  Kaiser  und 
Könige  bis  auf  Rudolf  von  Habsburg  eine  sehr  bcachtens»erte; 
von  A.  Wertiiinghoff  angeregte  und  unterstützte  Sammlung  des  riradill* 
gigen  künstlerischen  und  literarischen  Materials.  Da  ihr  Zwedt  ans- 
schlieOlich  der  ist,  festzustellen,  wie  die  Herrscher  wirklidt  aussahen,  so 
berücksichtigt  die  Sammlung  in  erster  Linie  Porträts,  »Bildnisse*  aber, 
d.  h.  Phantasiegebilde,  nur  da,  wo  eine  kritische  Sichtung  durch  Vergleidi 
mit  anderen  Bildern  oder  auf  Gnmd  literarischer  Belege  oder  der  Feststellung 
des  Orts,  v-o  das  Bild  entstand,  nach  nicht  vorgenommen  verden  konnte 
—  Wir  weisen  bei  dieser  Gelegenheit  noch  auf  die  im  Anzeiger  de 
Germanischen  Nalionalmuscums  (Jg.  1907,  H.  1,C;  3/4)  erschienenen  Auf* 
Sätze  von  O.  von  Bczold,  Beiträge  zur  Qeschichtedes  Bildnisses. 
hin.  Der  neueste  Beitr.^g:  Bildnis«  d«  frühen  .Mittelalters  bcrücksichligt 
nach  kurzer  Behandlung  der  MünzbiJder,  die  keinen  großen  Bildnisrnt 
haben,  vor  allem  die  Siegelbilder  der  Könige  und  Kaiser,  welche  Qudle 
nach  kunstgeächichthdtcr  Richtung  noch  wenig  ausgebeutet  ist  Sicbnuchcn 
nicht  als  besonders  ahnliche  Bildnisse  zu  gelten,  aber  sie  getwn  darüber 
Aufschluß,  welche  Anforderungen  an  die  Ähnlichkeil  man  zu  verschiedenm 
Zeiten  stellte. 

In  der  Zeitschrift  des  Vereins  für  Volkskunde  (1908,  H.  t)  beginnt 
O.  Lauffcr  wieder  dncn  Bericht  über  Neue  Forschungen  über  die 
äulleren  Denkmäler  der  deutschen  Volkskunde  und  bespridit 
zunächst  einige  den  Hausbau  behandelnde  Werke.  Dem  Texiband  da 
jetzt  vollendeten  großen  Werkes:  Das  Bauernhaus  im  Deutschen  Reiche 
widmet  er  sehr  anerkennende  Worte,  nimmt  aber  gegenüber  der  «historisdi- 
geographischen  Einleitung",  die  von  Dietrich  Schäfer  stammt,  eine  slartt 
ablehnende  Haltung  ein  und  meint,  daß  dieselbe  von  einem  Qdehrtcn 
gcsdirieben  sei.  der  überhaupt  nicht  dos  leiseste  persönliche  Verhältnis 
zur  Bauernhausforschung  habe.  Seh.  hat  demgegenüber  im  nächsten  Heft 
(S.  23b  f.)  erklärt,  daß  er  seinem  Auftrag  gemäß  nichts  gewollt  habe  als 
eine  Darlegung  der  geschichtlichen  Hergänge  und  der  geographischen  Ver* 


Kleine  Mitteilungen  und  I^erate. 


^Unisse,  deren  Kenntnis  als  Cnindlage  zu  dienen  habe  ffir  die  Beurteilung 
bäuerlicher  Verhälluisse. 

V.  Qabotto  bringt  seine  im  Archivio  storico  per  la  Sicilia  oiientile 
(Bd.  3;  4,  i-i)  veröffen  (lichte  inleressanle  Inventarpublikation  (Inventari 
niessinesi  inediti  del  Qualtroci^nto)  zum  Abschluß. 

Nachrichten  über  Einrichtung  kleinerer  Bürgerhäuser  sind  verhällnis- 
näßig  selten.  Adalb.  Sikora  macht  uns  in  der  Zeitschrift  des  Vereins 
für  Voikskiindc  (Jg.  17,  H  4)  mit  einem  Innsbnicker  Hausinventar 
t-  d.  J.  4626  bekannt.  Es  handelt  sich  tlm  das  Inventar  eines  Siechen- 
liauses,  von  dem  S.  einen  Teil  veröffentlicht.  »Inleressanl  vor  allem  sind  die 
Einrieb lungsgegenstände  in  der  Wohnung  des  Siech envaters,  namentlich 
die  Art  der  Betten  und  die  verschiedenen  Küchen-,  Speise-  und  Trink- 
geschirrc." 

Hausinschriften  im  oberen  Sundgau  teilt  F.  Walter  in  der 
Alemannia  (N.  V.  8,  4)  mit. 

In  Heft  85  der  Annalen  des  Historischen  Vereins  für  den  Nieder- 

fhein  findet  sich  eine  ganz  vortreffliche  Studie  zur  Wirtschafts-  und  Vtr- 

fassungsgeschichte  von  Aloys  Schulte:  Vom  Orutbiere.    Es  handelt 

sich  um  das  mittelalterliche  Bier  Nordwestdcutschlands,  überhaupt  des 

Nordseegebieles,  in  dem  wahrscheinlich  das  alte  niedergermanische  Bier  zu 

erkennen  ist.    Schulte  weist  zunächst  vor  allem  auf  Qrund  der  Weseler 

Rechnungen  die  später  vom  Hopfen  vertriebenen  Bestandteile  desselben  nach. 

die  zugleich  zur  Würze  und  zur  Erhaltung  dienten  (Oagdkraut,  Porsch. 

v'elcher  Name  vielleicht  aber  ebenfalls  für  Gagelkraut  angewandt  wurde, 

rtarz  u.  a.).    Er  geht  auf  den  eigenartigen  Namen  der  Qrut  ein,  auf  das 

Alter  und  die  Verbreitung  dieses  Bieres  sowie  auf  das  Qrutrecht.  das  sich 

31    die  sonstigen   mittelalterlichen   Bannrechte  anreiht  und   besonders  an 

Jen  Landesherren   des  Spätmittelalters   haftete.     Die  Städte  gewannen  in 

<i'csem  Rechte  eine  ausgezeichnete  Eitmahmequcllc,  die  z,  T.  das  städtische 

^ben  in  erster  Linie  nährte.    Endlich  besiegte  dann  der  Hopfen  die  Qrut, 

w*a  seit  Beginn  des  14.  Jahrhunderts  drang  er   in  das  Qrutbiergebiet 

^n.    Nun  erklärt  sich  auch  die  ungeheure  Ausfuhr  von  Bicrcti  aus  dem 

östlich    von    Bremen    beginnenden    Hansagebict.      Dafi    das    hansische 

Hopfen-,   nicht  aber  das  Grutbicr  zum  Versand   geeignet   war,  erklärt 

die  Biervormundschaft  der  Hanse  im  Nordseegebiet.    .In  dem  Bezirke  des 

Grutbicres  bezog  man  zuerst  das  fremde  Hopfenbier,  dann  ahmte  man 

^  nach,  und  die  Städte  besteuerten   nun  dieses  neue  Bier  durch  eine 

Hopfenakzise.   Solange  es  ging,  hielten  die  Städte  an  dem  alten,  für  ihre 

Finanzen  so  wertvollen  Getränke  fest."     »Am  längsten  wogte  der  Kampf 

'"  f^gland.*     Schulte  bezeichnet  seine  Studien  selbst  noch  als  unvoll- 

nändig:    sie    werden    aber    jedenfalls    eine  gute  Grundlage    für   alle 

■«»leren  bilden 

Zur  Geschichte  der  sozialen  wie  der  kulturellen  Verltälinisse  trägt 
I     '*'■  Aufsatz  von  H.  Schneegans  m  der  Deutschen  Rundschau  (JK-  5^. 


H.  10)  Ober  d«n  .Frauenslreit*  in  der  französischen  Rentia* 
sanceliteratur  wescniticb  bei.  Seh.  brhandelt,  namrnlHch  Im  Anschloß 
an  die  Arbeiten  d«  französischen  Gelehrten  Abel  Lcfranc,  eine  Periode 
aus  der  französischen  Utcraiur,  die  gerade  för  die  Entvicklung  des  Fraucn- 
einflusscs  von  gröHter  Bedeutung  gewesen  ist.  Die  Stellung  der  Frauen 
in  der  damaligen  Zdl  ist  von  grüBter  Wichtigkeit  für  die  Ejitvicklun( 
von  Kultur  und  Literatur. 

Zur  Geschichte  der  Hochzeitsbräuche  sden  folgende  Arbeilen  notiert: 
A.  Bröcltner,  Athenische  Hochzeitsgeschenke  (Mitteilungen  d« 
Itaiserl.dlsch.archaeolog.lnsliluts,  Athen.  Abt., 32,1):  Kunz  v.Kauffungcn. 
Mühlhäuser  Hochzeits-  und  Kindtaufordnungen  <Mfihlhäuser 
Geschichtsblätter.  Jg.  8);  O.  F.  A.  Strecker,  Hochzeitsgebräuche  i 
d.  Parochie  Fritzow,  Synode  Cammin,  um  d.  J.  1750  (Monatsblitter 
d.  Oescilsch.  f.  pomm.  Gesch.,  1906,  98/112,  14250);  T.  Qebhardt, 
Eine  Bauernhochzeit  1.  d.  Brieger  Gegend  vor  5o  Jahren  (Mit* 
teilungen  d.  schles.  Ocsellsch.  f.  Volkskunde,  H.  17/8). 

Georg  Bu  H  orientiert  in  Velhagen  &  Klasings  Monatsheften  (Jg.  3?. 
Bd.  I,  561-73)  unter  Hinzufügung  von  Illustrationen,  namentlich  auch 
nach  Stücken  des  Germanischen  Museums,  Ober  die  Puppe  in  der 
Kulturgeschichte. 

Mit  dem  Ballspiel  beschäftigt  sich  auf  Grund  griechischer  und 
römischer  Quell enslellen  W.  B.  Mc  Daniels  in  den  Tntnsacttons  and 
Proccedings  of  the  American  Philological  Association  (Vol.  37). 

Spiele  und  Feste  betreffen  weiter  folgende  Zeitschriftenbcttrtge: 
O.  v.Delten,  Ober  Schwcrltänze  im  nordwestlichen  Deutsch- 
land (Zeitschr.  f  vaterl.  G.  Westfalens,  W,  II);  J.  Kcmp,  Zur  Gesch.  der 
Kölner  Fast  nach  t(2citschr.d.Vereins  f.  rhein.u.westf.Volksk-,  3,241-272); 
C  V.  Bardeleben,  Festlichkeiten  am  Brandenburg.  Hofe  z.  Z- 
ri.  Kurfürsten  Joachim  II.  in  Berlin  (Mitteilungen  des  Vereins  f  Gesch. 
Berlins,  1907,  Nr.  A  f.);  Paul  Rachel,  Eine  höfische  Festordnuog 
aus  Kurf.  Augusts  Tagen  (Dresdner  Gcschiclitsbl alter,  Jg.  16,  Nr.l); 
O.  Richter,  Dresdner  Vogelschießen  1660  (Dresdner  Geschichts- 
blätter,  Jg.  16, 135- 132);  EVial,  Les  r^jouissances  publiques  k 
Lyon  [XVI'  — XVlIle  s.)  (Revue  d'histoire  de  Lyon,  t.  6,  4). 

In  den  Monatsheften  für  Rheinische  Kirchengeschichte  (Jg.  2,  H.  1) 
finden  sich  zwei  kleine  kulturgeschichtliche  Mitteilungen.  Aus  der  einen 
ergibt  sich,  daß  man  der  nach  der  Stiftung  der  Bergischen  Provinzial- 
Synode  i.  J.  1589  alsbald  sich  zeigenden  Neigung,  das  gemeinsame  Sy* 
nodal  essen  etwas  reichlicher  auszugestalten,  mit  kalvinistischer  Strenge 
entgegentrat,,  aus  der  zweiten,  daß  die  Bergische  Proviiuialsynode  die 
Kurpfuscherei    mit  abergläubischen  Mitteln    nachdrücklich   bekimpfte. 

Im  S.  Jahrgang  der  Mühlhiiuser  Qeschichlsblätter  veröfrentlicht 
Kunz  V.  Kauffungen  Beiträge  zur  Geschichte  der  Sittlichkeit 
in  M.  im  Zeitalter  reichsstädtischer  Freiheit. 


Ebenda  werden  Mühlhäuser  Verordnungen  aus  dem  17.  u. 
IS.  Jahrhundert  betr.  die  Polizeistunde  in  den  Wirtshäusern  und 
Schankwirtschaften  mitgeteilt. 

Das  •Polizey-Reglement  für  die  Stadt  Cflslrin-  von  1740 
bringen  die  Schriften  des  Vereins  f.  d.  Gesch.  der  Neumark  (H.  19). 

In  der  Zeitschrift  für  die  gesamte  Strafrechtsvissensch^ft  {26,  1) 
veröffentlicht  K.  Rosenfeld  einen  Beitrag  zur  Qcschichte  der  äl- 
testen Ztichtttüuser. 

Den  Standesverhältnissen  in  den  Klöstern  hat  man  neuerdings  wesent' 
Uch  unter  dem  Einflufl  von  Aloys  Schulte  größere  Aufmerksamkeit  zuge- 
vandt.  Dieser  hat  unter  den  adligen  Klöstern  sog.  »frei herrliche*  nach- 
gewiesen, d.  h.  sotche,  die  sich  nur  aus  Personen  des  Fürsten-  und  freien 
Adelsstandes  zusammensetzten.  Die  Auffassung  des  Begriff:»  nobilis  ist  dabei 
allerdings  wesentlich.  Einer  seiner  Schüler,  Georg  Fink,  hat  jetzt  die 
Standes  Verhältnisse  inFratienklöstcrn  und  Stiftern  der  DiÖcese 
Münster  und  Stift  Herford  (Inaug.-Diss.,  Bonn,  I9a")  in  anerken- 
nenswerter Weise  behandelt  und  alles  einschlägige  Material  zusammen- 
gebracht und  geprüft.  Unter  den  Fraticnklöstem  des  Münstcriandes  ist 
keines,  das  wirklich  ein  freiherrliches  genannt  werden  könnte,  »keines,  das 
auch  nur  im  H.Jahrhundert  noch  einen  freiherrlichen  Konvent  aufzuweisen 
hätte".  Indessen  begegnen  je  früher  desto  mehr  freiadelige  Kanonissen. 
und  die  Äbtissinnen  sind  bis  in  gaiir  junge  Zeiten  freiadelig.  F.  hat  vor 
allem  die  Klöster  (übrigens  gerade  die  ältesten)  behandett,  in  deren  Besitz 
Dienstnunnschaft  war.  -Den  Typus  der  westfälischen  Klöster  mit  Dienst- 
ritterscfuft  und  freiherrlichcr  Spitze  bietet  das  Reichskloster  Herford."  Dieses 
behandelt  F.  deshalb  vor  den  münstcrländischcn  Klöstern  (Vredcn,  Freckcn- 
horst, Borghorst,  Nottuln, Metelen,  Überwasser-Miinster.  St.  Egidien-Münster). 

Zur  lokalen  Wirtschaftsgeschichte  trägt  auüer  einigen  bereits  oben 
<S.  S73)  genannten  Arbeiten  fiir  Magdeburg.  fJanzig  ii.  a.  die  auf  Akten 
der  Archive  des  Dep.  Lot  beruhende  Abhandlung  von  B.  Paumts,  La  vie 
economique  dans  l'^lection  de  Cahors  i  la  veille  de  17S9  {Com- 
missdon  des  documcnts  relatifs  ä  b  vie  Economique  de  ta  Revolution, 
Bulletin,  19»&.  4)  bei. 

Für  die  Geschichte  der  l^ndwirtichaft  kommt  der  rasch  zusammen- 
fassende Überblick  von  E.  Escarra,  Esquisse  de  Thlstoirc  icono- 
mique  de  L'agriculture  autunoise  in  den  M^oires  de  la  soci^^ 
eduenne  (34]  in  Betracht. 

G.  Richter  erörtert  in  den  Fuldaer  Geschichtsblättem  (3, 97/1 10  usw.) 
die  Lage  der  Landbevölkerung  in  den  fürstlich  futdtschen 
Ämtern  am  Ende  des  is.  Jahrliuriderls. 

Den  Nürnberger  Reichswatd,  seine  Bodenbeschaffenheit  und 
seine  Bewirtschaftung  vom  U.  bis  zum  ib.  Jahrhundert  behandelt  Johannes 
Mfiller  in  einem  Vortrag,  der  in  den  Verhandlungen  des  XVI.  Deut- 
schen Oeographcntages  abgedruckt  ist.    Der  Nürnberger  war  von  allen 


Kleine  Mitteilungen  und  Refente. 


4 


Reicbsfonicn  sovohl  nach  sdnon  Umfing  wie  nach  seinen  Enrignii 
ener  der  bfdeutcndslen  M.  verbreitet  sich  zunächst  über  Umfang  und 
geognostisdic  Verhältnisse  desselben,  sodann  und  hauplsäcblicfa  über  scftte 
Vervaltung  und  Bevirtsduftung  vom  1 3.  bis  zum  16.  Jahrhundert 
0-  unter  der  unmittdbaren  Herrschafl  der  Reichsgcvalt  (U.  o.  M.Jahr- 
hundert), 2.  unter  reichsstädtischer  Verrollung  vom  Ende  des  14.  bis  zum 
Anfang  des  16,  Jahrhunderts)  Die  er^te  Periode  ist  durch  übemiiSige 
Ausbeutung  des  Waldes  sowohl  durch  Haupt-  «ne  durch  Nebennutmngen 
charakterisiert  Die  Bewirtschaftung  war  im  Spfltmittelalter  von  den  aller- 
primitivsten  Gesetzen  ausgegangen,  aber  im  Laufe  von  mehr  als  zwei 
Jahrhunderten  zu  einem  im  ganzen  praktischen  System  gekommen.  .Als 
durch  den  Rat  von  Nürnberg  die  er^te  neuzeitliche  Watdordnung  (vom 
Jahre  1S16)  gegeben  wand,  war  der  Nürnberger  Reichswald  eine  Hauptquelle 
des  Wohlstandes  der  StadI".  Venn  aber  durch  die  neue  Waldordnung 
■der  bbber  üblichen  planlosen  Plinler-  und  Plackwirtschalt,  die  schließlich 
zur  völligen  Devastienmg  des  Reichswaldes  führen  mußte,«  einigermaßen 
Einlult  get^n  wurde,  so  machten  andere  Umstände,  insbesondere  der  in 
der  Neuzeit  wachsende  Einfluß  der  Fürsten gcwati,  die  guten  Folgen  grftSten* 
teils  bald  illusorisch.  Die  von  M.  genauer  dargelegte  Organisation  der 
Forstbehörden  im  13.  und  M.  Jahrhundert  ftndertc  sich  unter  rvichfr- 
städtischer  Verwaltung  nur  wenig. 

Über  den  früheren  Weinbau  im  golhaischen  Land  be- 
richtet Luise  Gerbing  in  der  Zeitschrift:  Aus  den  coburg-gothai sehen 
Landen  (Heft  S). 

J.  Steenstrup  handelt  in  der  Historisk  Tidsskrift  (7.  R.,  Bd.  6) 
über  die  Geschichte  der  Fischerbevölkerung  in  den  nördlichen 
Ländern.  Der  Fischfang  am  Meere  wird  anfangs  von  jedermann  aus- 
geübt Berufsfischer  gibt  es  im  Mittelalter  nur  an  den  Biniicnscen:  an  der 
Küste  finden  sich  Fischerdörfer  erst  seit  dem  16.  Jahrhundert 

K.  Richter  bringt  in  den  Schriften  des  Vereins  f.  Ocsch.  d. 
Neumark  (H.  19)  Fischereigeschichtliches  aus  dem  Nieder- 
Oderbruch. 

O.  Schmidt  veröffentlicht  in  den  Mitteilungen  des  Vereins  f.  Ocsdi. 
d.  Deutschen  i.  Böhmen  (Jg.  4&,  Nr.  2)  eine  .Kundschaft"  Qras- 
lilzer  Bergleute  vom  J.  I6b0,  gefunden  in  Mies. 

W.  Beick  verteidigt  in  einem  Artikel  über  die  Erfinder  der 
Eisentechnik  (Zeitschr.  f.  Ethnologie,  Jg.  40,  H.  1)  seine  hier  (Archiv, 
6,127)  bereits  ausführlich  erwähnten  Anschauungen  gegen  eine  Reihe  von 
Einwänden  und  meint.  ..an  der  These:  .als  die  Erfinder  der  StahlfabrikalJon 
haben  die  PhiHstcr-Pliönizier  zu  gelten'  dürfte  jetzt  kaum  mehr  zu  rütldn 
sein".  Dazu  ist  noch  die  Diskussion  (mit  Bcrtholet)  in  der  gleichen 
Zdlschnfi  (Heft  2,  24i/5i  u.  272, b)  zu  vergleichen. 

Kurz  weisen  wir  auf  die  Abhandlung  von  A.  Lang,  Early  nses 
of  bronze  and  iron  in  The  Classical  Review  (Vol.  22,  No.  2)  hin. 


A 


Kleine  MiKeilungen  urd  Referate. 


383 


Zur  Gewerbsgttchichte  notieren  wir  folgende  Zeitschriflenaufsätze: 

°-  Hüser,   Aus  dem   Zunftleben  (Zeitschr.   des  Vereins  f.  rhein.  u. 
•esifil.  Volkskunde.    4,   241-67);    M.  Stahlmann,    Beiträge   zur 
Ocsch.   der  Oewerbc   in  Braunschweig  b.  z.   Ende  d.  t4.  Jahr* 
'lunderts  {Zeilschrift  des   Harzvcrcins,  Jg.  40,    H.  2);   H.  Hauser,   Les 
compagnonnages  d'arts  et  mfticrs  ä  Dijon  aux  XVII«  et  XVIlJf 
**eclcs   (Re\'ue   bourguignonnt,    1907,   4);    Kunz  v.  Kaiiffungen,   Ur- 
*<undliche  Beiträge  zur  Gesch.  der  MTihlhäuser  Grob-,  Huf- 
lind  Nagelschmiede  (Mühlhäuser  QeschicbtsbIL,  Jg.  8);   K.  Knebel, 
I^ie  Frelberger  Kupferschmiede,  7.  Beitrag  zur  Kenntnis  des  älteren 
Handwerks  in  Sachsen  (Mitteilungen  vom  Freiberger  Altertumsverein.  H.4J); 
E>erse!be,   Die  Zarworchten,    Pialtncr   oder   Panzcrmachcr.    8.  Bei- 
♦>^g  usw.  (ebenda);  Zun  ftsal  zun  gen  der  Goldschmiede,  Schlosser  usw. 
>n  OMmachau  a.  d.  J.  1654  (Oberechles.  Heimat,  i,13S-32);  H.  Ankert, 
t>ie    Statuten    der    Leilmeritzer    Maurerzunft    (MilteiUingen   des 
V^«reins  f.  Gesch.  d.  Dcutsclien   i.  Böhmen,  Jg.  46,  Nr.  J);    Derselbe, 
I^ic  Statuten  der  Leilmeritzer  Zimmerlentezunft  (ebenda.  Nr.  3); 
^-  de  France,  La  confr^rie  des  tisserands  ä  Montauban  (depuis 
■•^OS)  (Bulletin  de  la  social  areh^ol.  de  Tam-ct-Qarornc,  t.  34,  n<»  3). 

Verspätet  zeigen  wir  eine  im  9.  Heft  der  Mitteilungen  des  Vereins 

***r  Ocschichle  von  Annaberg  und  Umgegend  (1905)  erschienene,  sehr 

"iteressantc  Studie  von  L.  Bartsch  über  die  Annaberger  Borten- 

*  ^hotten   (zugleich  unlcr  Bezugnahme  auf  das  Auftreten  von  Schotten 

anderwärts  in    Deutschland)  an.      Schottische  Händler  im  eigentlichen 

^""tic  und  zwar  solche,  die  sich  am  deutschen  Binnenhandel   beiciligcn, 

"^ten   uns  in   Deutschland    im   15.,  1t>.   urd   17.  Jahrhundert   entgegen, 

•'ifangs  als  Hausierer,  und  dies  in  dem  .NAaße,  daß  Schotte  und  fremd- 

*'*itlischer  (nieder! an discher,  savoyischer  usw.)  Hausierer  gleichbedeutend 

^^r,   schon  seit  dem   16.  Jahrhundert  aber  auch   als  größere  Kaufleute. 

.;^-*    auf  archivalischcm  Material   beruhende  Arbeit  ergänzt  das  Buch  von> 

i^-    A.  Fischer,  The  Scots  in  Oennany,  das  die  schottischen  Händler  in 

^^*^  und  Westpreußen,  in  Polen  und  Brandenburg  behandelt,  für  Sachsen 

z.  T.  für  Süddeutschland,  vor  allem   aber  eben  für  die   Bergstadl 

''nabcrg,  die  durch  das  Eindringen  der  Fremden  übertreibenden  Ein- 

-     '^hnern  zeitweise  ^ein  Scholtenland'  zu  werden   drohte.    Die  Fremden 

-?^l«tc  dorthin  die  aufblühende  Industrie  der  gewirkten  und  geklöppelten 

^'^*»'en  (Borten)  und  der  Handel  mit  ihnen.  Von  den  Bortenhändlerinnen 

^'''K  denn  auch  die  erste  Opposition  gegen  die  Schotten  aus:  aber  auch 

j.     *^ere  Kreise,  ja  die  Einwohnerscluft  überhaupt,  wurden  von  einer  ticft-n 

"*ieigung  gegen  die  Fremden  beherrscht;  man  bekämpfte  sie  heftig  und 

^^6*e  ihnen  Übles,   besonders  betrügerische  Neigungen,  nach.     Aber  der 

^^ädigcnde  Einfluß  wird  durch   den  Nutzen,  den  sie  gebracht  haben, 

"^fwogen.    Die  Erzeugnisse  der  ober erzgebirgi sehen  Textilindustrie  sind 

***"ch  die  Schölten  erst  verbreitet  worden,  diese  aber  waren  die  Lehrmeister 


ffir  die  erzgebirgischen  Hausierer  vic  nicht  minder  für  die  Großkaufleuir. 
in  welche  sich  die  ßergheiren  zu  Sl.  Annaberg  mit  der  Zeil  vemndeltn 
Übrigens  suchten  die  Schotten  auch,  zumal  die  länger  ansissigen.  ia 
Bärgerrecht  zu  erlangen:  diese  teilweise  erfolgreichen  Bemühungen  «rrdcn 
für  Annatierg  von  D.  nAher  geschildert. 

Die  von  J.  Krypjokevyi  in  den  Zapyski  der  Sevienla-Gese'J- 
schaft  {Ud.  65)  veröffcntliclucn  Materialien  zur  Geschichte  des 
Lembcrger  Mandels  beruhen  auf  dem  GesctiaJisbuch  der  mit  Tuch- 
waren  handelnden  Lembcrger  Kanfleute  Melchior  Scholz  Wolfowicy  und 
Paul  Boina  (l(>Otf-l6U4). 

Von  weiteren  Beiträgen  zur  Handclsgeschiclite  seien  verzeichnet: 
O,  Liebe,  Ein  kursäclis.  Bericht  Über  die  Leipziger  Herren- 
messe, 16»7  (Gesell ichiäblätter  f.  Magdeburg,  1907,  2);  H.  Pilgram, 
Geschichte  des  Mühlhäuser  Wollmarktes  <MähIhäuser  Ot- 
Schichtsblätter,  Jg.  8);  F.  Hauptmann,  Ein  italienisches  Handels- 
haus in  Bonn  {Rheinische  Geschichlsblälter,  Jg.  S). 

Eine  außerordentlich  gründliche  und  durch  die  FQIl«  der  Einzel- 
heiten wertvolle  Arbeil  beginnt  Friedrich  Rauers  in  den  Deutschen 
Geographischen  Blättern  {Bd.  30,  H.  2/3;  31,  H.  1)  über  den  bremi- 
schen Binnenverkehr  In  der  Zeit  des  großen  Frachtfuhr- 
werks  erscheinen  zu  lassen.  Zurächst  werden  Handel,  Straßen,  Achs- 
verkehr  und  Binnenschiffahrt  behandelt.  Den  Einfluß  eines  großen 
Handelsplatzes  auf  sein  Hinterland  und  seines  Hinterlandes  auf  ihn  ge- 
nauer festzulegen,  das  läßt  sich  für  Bremen  «für  die  jüngstvergangene  Zeil, 
da  die  aLten  Verkehrsmittel  in  ihrer  höclisten  Ausbildung  einen  bereits 
modern  werJenden  Verkehr  intensiver  Kultur  bewältigten  und  gleichzeitig 
die  modernen  Verkelirsmittel  sich  ausbildeten,  für  die  Zeit  des  großen 
Frach tf Uhrwerks  der  Chausseen",  insbesondere  auf  Grund  der  Abgrenzung 
der  Bezirke  der  amtliclicn  Bremer  Fraclilmiiklcr,  der  Giilerbcstedcr,  unJ 
ihrer  seit  1S25  unregelmäßig,  seit  1835  systematisch  abgestattettn  Berichte 
ermöglichen.  Allerdings  nur  für  die  bremische  Ausfuhr  zur  Fuhre,  also 
den  Import  ins  Binnenland.  Aber  dieser  war  für  diese  Zeit  für  Bremen 
eben  weitaus  die  Hauptsache.  Die  mit  einer  Fülle  sonstigen  Material* 
belegten  Cinzelausführunt^cn  des  Verfassers  können  hier  nicht  näher  skizziert 
werden:  der  äußeren  Festlegung  der  Ergebnisse  und  der  Veranschaulichung 
dient  eine  wertvolle  Karte,  in  die  z.  B.  die  Fuhrmannsorte  auf  Grund 
umfassender  Forschungen  eingetragen  sind. 

Im  Ardiiv  für  Post  und  Tetegraphie  (1907,  Nr.  H)  behanddl 
H.  Herzog  die  deutschen  Lehensposten  des  17.  bis  19.  Jahr- 
hunderts. Außer  den  wichtigsten,  denen  des  Hauses  Thurn  und  Taxis, 
gab  CS  solche  auch  in  Österreich,  Bayern,  Hannover,  Braunschwctg  und 
Sachsen;  auch  Preußen  hat  zu  Anfang  des  ts.  Jahrhunderts  ein  Lehens- 
postwesen gehabt. 


REPETITORIUN  DER  DEUTSCHEN  GESCHICHTE 


Aus  einer  Besprechung  der  -Blittcr  f.  hdh.  SchulTeun"   über  Quid  I, 
t.  AofTice: 

.Die  Vfffas&er  votiten  ein  Buch  schiffen,  das  in  aller  KOtze  den 
Inhalt  dessen  wiedergah,  w.is  itian  zum  historischen  Suit^KHüien  notvendtg 
bnuvhl  ....  K&  kann  kein  Zweifel  sein,  ä»i>  Jas  Buch,  «ie  ei 
vorIi<'2t    rinc  Hiiuk^itsivi'rtf  Leistttug  ist. 

Dem  Studierenden  zur  Wiederholung;,  dem  Lehrer  Bur  Vor- 
bereituHg ,  dem  Qeschichtsfrcunde  zur  Belehrung  k.inn  rs  warm 
etnpfahlett  werdni  -  Piüf,  Slrassbiitger, 


i| 


A  Ä  J Ai^;.  1  r\  I  ^r\-^       Vfi^\%x  »eröesserte  und  vurmehrie  Auflag«. 

Dr.  U.  Gaede  und  C.  Brinkmann. 

INHALT: 

Von  Beginn  der  VSIkerwanderung  bis  zum  Tod«  MaxImitUns  1. 

Die  Krcnzzüge. 

Zur  Verfassungs-  und  Territorialgeschichte. 

Vcrfa-sjuiiK  der  ücrmaiini  trährnKl  und  nach  der  VölIverTandernng.  -  der 
McTovinycr/eit,  -  der  KaroUnEcrartt.  Vf^f^  birbarunini.  Bntstchunt;  und 
tntTifcklunu  des  Ijchns-orcscns.  Enlstphimg  der  Her^oa[tüinei .  Küiiiji&vahlcn. 
Das  Slädtcwesc«.  Der  deutsche  Oitlen  in  Preußen.  EnlricWung  der 
jchwei/er  Ddgnuj^sriiMrhaft,      r'.ii>f.t<*.ih!fiL      Das  MütRhliiin. 

TabellH  zur  Entwicklung  der  bedeutendsten  Territorialstaaten. 

Bayern.  Bnildaiburg.  Bui-gund,  Ktirpfalz.  Lüthnngcii.  Österreich, 
Sjchsen.     Schwaben  OX'örtlcinlJcrjj.   Baden). 

Stammtafeln. 

KjroUn^r.  Die  sächsischen  und  falisch^n  Herruihcr.  Hohensliufea. 
Wolfen.      Hab^tiur^cr.      l.Lixcmbiinrcr. 

Synchronistische  Tabelle  der  Kaiser  und  PSfKte. 

Synchronistische  Tabelle  der  deutschen,  französischen  und  englischen  Künijje. 

Bemerkungen  zu  den  Quellen. 


i 


NEUZEIT. 


Erste  und   zweite  Auflage.' 

INHALT; 
Deutsche  Geschichte  von  der  Reformation  bis  zum  Jahre  1871. 
Brandenburgisch-Prcu Bische  Geschichte  lits  xtir  Cnrcrbnng  der  I'rcuBischen 

Köni;.'iVr..iii':. 

Brandenburifisch-Preußische  Verfassungs-  und  Vcrwaltungsgeschichte. 
Zur  Geschichte  Frankrcidis  -   Englands       der  Nlederlasde. 
Quellen  und  Darstellungen. 
Cbroaologrsche  Tabelle. 


'^^-^'- 


ARCHIV   FÜR  KULTUROESCHICHTl 

VI.  Band.  Heft  3. 


Sc«f 


Inhalt: 

Das  fränkisch«  Qottesgcrichl.  Von  PrivaldozenT  Dr.  f.fofaräa» 

in  Mündien   .        .,.-,;.»,-'.  .    .    -    26S 

Christian  Adolph  v.  Anack«rs  Beschreibung  =k.:.^i  ReUc 
von  Lissabon  n^ch  Wien  (17H).  .Mtigetdlt  von  Geh.  Re< 
gieniHRsrat  Th-  RmoHd  in  Straßbut^  i.  E.   ....... 

Briefe  von  Philipp  von  Siosch  an  M.iH  f:gizio  in  NeapeT 
Mrtfieleitt  von  Prof,  Dr.  Rieh.  &igetmatin  in  Rom 

iJesprechiingen: 

Bembrim.   Das  ■iadcinisclic  fttmlnim  dn-  Oc- 

5cbtchtswissensch.ift  Besprochen 

Schaumkcll,  Oescltichte  oi-i  ucuiicticii  ivuitur-  \rtm 

geschicbisschrcibiing      .    .     , Herausgeber  il 

Wdlgwchichte    Hrsg.  von  H.F  HdmoK    Bd.  9  »i 

Fti5ltl  de  Coulange^.  Der  antike  Staat     Aiitün<^.  Oberselziing 
von  P.  Weiss.  Bcsproclien  von  OberlclircT  Dr.  CFries,  in  Berlin 

Neiimann.  Jesus,  »er  er  geschichtlich  »an     Besprochen  voa 
Univ.-Profcssor  D.  Dr.  Ernst  v.  Dobsfhötz  in  Stralibitrg  i.  E. 

t.indner,  VX'eJigeschichte  seil  der  Völkenranderung.   Bd.  5.   Be- 
sprochen vom  Herausgeber .    .    J 

Die  Regel  des  hl.  Benedicts    Besprochen  von  Univ.-Prof«ssor 
Dr.  Atbcrt  Wermin^jf  in  Königsberg  i.  Pr.  .     .    .    .    .   J; 


Besprochen  von 
l-niv -Professof      *' 
D    Dr.  E.  V.  Dch- 
schäix  in  Stntlburg 


Felder.  Geschichle  der  visscnschaftlicheii 
Sliidicn  im  Fran/iskanerorden  .     .     . 

Troeltvh.  Die  ßedeulong  des  Proleilau- 
ti*-mtis  für  die  Entstehung  der  mo- 
dernen Wdt i.  E. 

Galle,  Konrad  BitschinsRtdagogik.  Besprochen  von  Bibtiothdjr 
Dr   G.  Kohfftdt  in  Rostock   ... 

Keninierich,  Die  frühmitteUltcrlidic  Por    • 

irälmalerc.  in  DentschUnd  ....  Besprochen  vo.« 

Piper,  Biirgenkunde.    S.AuIl I         "'""^g-^t^f 

Frh.  V.  KünÜberg,  Über  die  Strale  des  Sleintragcns.  Bfr 
sprechen  v-nn  L'niv  -Professor  Dr.  A.  Werniin^off  in 
König%be»g  i.  Pr ,     , . 

Krotlmann,  Die  Selbstbiographie  des  Bi:rgErafcn  Fabian  lu 
Dohna.    Besprochen  von  Or.  W.  BntchmüUfr  in  I  ^  n/^.' 

Friedli.  Birndölsch  a\»  Spiegel  bemischcn  \ 

Volkstums.     Bd.  1:  OnndelT^ld. .    .  !     Besprochen  votn 

Schwann,  Qeschichic  der  KWncT  Handels-  j        Herausgeber 

kammcr.      Bd.  1 | 

)ileinr\\;tt.,{uQgeu  undRcUiate  -    - 


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ARCHIV 

FÜR 

KU  LTU  R- 

OESCHICHTE 

=  =  =.  c=.  HtRAUSQEGEBEN  VON  =»  =  c=i  = 

PROF.  D5  Georg  Steinhausen 


4 


VI.  BAND 
4.  HEFT. 


BERLIN     ALEXANDER  DUNCKER  VERLAG  •  1908. 


J 


Das 

„Archiv  für  Kulturgeschichte" 

erschcitit  jährlich  in  vier  Heften  in  der  Stärke  von  je  etwa  i  Bogen  7iim 
Preist"  von  12  Mark.  Die  Hefte  «cnlcn  zu  Anlang  jedes  Vieneljahirs 
angegeben. 

Alle  Manuskripte  und  iMiglJch  anf  den  Inhal!  der  Zeitschrift 
bczORlichen  Mittei1unj{eii  werden  an  den  HerauSKcber ,  Professor  Dr. 
O.  Stein  ha  tisen  in  Casse!,  Annaslnße  16,  erbeten.  Herausgeber 
und  Verlagsbuchhandlung  ersuchen  dnngend  darum,  die  Manuskripte  in 
druckreifem  Zustande  einzuHefcm,  da  nachträgliche  größere  Änderungen 
die  Salzkosten  erUebh'ch  verteuern,  und  die  Herren  Autoren  damit  betastet 
werden  mußten. 

Alle  ycschäftltclien  Mitteilungen,  wie  Wünsche  betr.  eine 
größere  Zahl  von  Sonderabzügen,  Anfragen  betr.  Honomr  usw., 
sind  nur  An  die  Verlagshandlung,  Berlin  W.  57,  Uitzowstnißc  44, 
zu  richten. 

Beiträge  werden  mit  20  Mark  fOr  den  Bogen  honoriert 
Die  Abrechnung  erfolgt  lialbjährlich  im  Januar  und  Juli. 

Die  Herren  Mitarbeiter  erhalten  von  ihren  Beiträgen  TO  Sonde^ 
abzßge  mit  den  Seitenzahlen  der  Zeitschrift  kostenlos.  Kine  größere  An- 
zahl von  Sonderabzügen  kann  nur  nach  rechtzeitiger  Mitteilung  eines 
solchen  Wunsches  an  die  Verlagsliandlung,  BerlinW.57,  hergestellt 
werden.  Diese  werden  mit  1 5  Pf.  ffir  den  einzelnen  Druckbogen  oder 
dessen  Teile  berechnet. 


Alexander  Duncker,  Verlagsbuchhandlang.  Berli 


in  W.  57.  j 


Difi  soziale  und  poiJtlscli« 

BedeutQDg  der  Scliulretorni  roa  1900. 

Von  Adolf  Malthias. 

Oh.  Üb.-Rrg.-Kal  utiiI  vorU .  Rjl  im  KulluiiMinittcHtim. 

Geh.  Mk.  -.75. 


I^lnc  klarr.  ansduulidir  [)«t- 
ucllunij  <Jcr  Kncliichtlir)*m  Fat- 
«icklUfiK  (In  Rrfnrmfragp  iiud 
iloi  veHtnixm(<<7i  Bcdmtun{  der 
Hcfcrni  h'ir  die  verschiciloaoi 
Sehen  viitcm  Knllurlcb««. 


GqsUv  FreDSsen  uod  das  SuciieD  der  Zeil. 

Zwei  Voiiräge  von  Dr.  Müsebeck. 
Mk.    -.7  5. 


■  frndlicli  dtimal    kein    krili-i 
Khn  Kritleln.  fc«inc  kur/stchÜee  ' 
Mdnkbabcrd,  auch  knn  kiixhm- 
pij'iiiuKn    Gujnk  Endlich 

ttiitmal  Gedanken.  U'erivoll 
iind  auch  die  arknndltclieti  Nscti- 
w«i«.*  .ChrilU.  Wrtt.« 


Quellen  zur  Amberger  Hochzeit  von  1474 


Herausgegeben  von 
MAXIMILIAN  BUCHNER. 


Großen,  bedeutenden  Festlichkeiten  verdanken  wir  nicht 
zuletzt  unser  Wissen  von  dem  kulturelten  Leben  vergangener 
Tage.  Ganz  natürlich!  Während  man  über  das  Treiben  des 
Alltags  nur  Aufzeichnungen  machte,  soweit  sie  von  Interesse 
und  Bedeutung  eben  für  jene  Tage  waren,  mußten  die  näheren 
Umstände  von  großen  Feierlichkeiten,  gleichviel  ob  diese  ernsten 
oder  heiteren  Charakters  waren,  schon  um  ihrer  selbst  willen 
denkwürdig,  mußten  wert  erscheinen,  daß  man  Aufzeichnungen 
Ober  sie  machte,  um  sich  dann  an  der  Hand  derselben  auch  in 
späterer  Zeit  noch  dieser  Begebenheiten  und  all  des  einzelnen, 
das  mit  ihnen  zusammenhing,  erinnern  zu  können.  Wenn  wir 
also  einerseits  genaue  Beschreibungen  von  Festlichkeiten  der 
Vergangenheit  der  bewußten  Absicht  verdanken,  die  Erinnerung 
daran  wach  zu  erhalten,  so  waren  es  andererseits  die  Vorbereitungen, 
welche  solch  große  Feste  nötig  machtenj  die  nicht  minder  dazu 
beitrugen,  daß  unsere  Kenntnis  von  jenen  feierlichen  Begebenheiten 
und  all  dem,  das  an  sie  geknüpft  war,  oft  gut  bestellt  ist. 

Bekannt  ist  die  Aufzeichnung,  die  sich  ein  bayrischer 
Edelmann,  Thomas  Jud  von  Bruckberg,  bei  dem  Klosterschreiber 
von  Seligenthal,  Hans  Seybold  mit  Namen,  über  das  glänzende 
Hochzeitsfest  herstellen  ließ,  das  1475  in  der  bayrischen  Herzogs- 
Stadt  Landshut  gefeiert  wurde').  Der  Edelmann  mag  an  der 
allerdings  sehr  trockenen  Beschreibung  seine  Freude  gehabt  und 


I)  S.  (ticzIcT.  Oradi.  Baycciu  III,  *41. 
Archiv  fflr  KullurgnchldiCc.    VI. 


25 


386 


Mudnilian  Budiner. 


gern  an  die  Pracht  sich  auch  erinnert  haben*),  die  sich  damals 
dem  Auge  dargeboten,  nicht  minder  wohl  an  die  trefflichen 
und  besonders  an  Zahl  überreichen  Gerichte,  mit  denen  der 
herzogliche  Gastgeber  auch  für  die  Atzung  des  Leibes  seiner 
Gäste  gesorgt  hatte.  Dank  diesem  Berichte')  und  der  etwas 
lebhafteren  Beschreibung'),  die  ein  Augenzeuge*)  über  jene 
Festlichkeiten  gemacht  hat.  sowie  der  offiziellen,  wenn  nun 
so  sagen  darf,  Aufzeichnungen  darüber^)  können  wir  uns 
ein  anschauliches  Bild  von  dem  Leben  und  Treiben  machen, 
das  Landshut  damals  gesehen-  So  kommt  es,  daß  zu  den 
bekanntesten  Ereignissen  der  bayrischen  Geschichte  heute  geunB 
auch  die  Landshuter  Hochzeit  von  1475  gehört,  deren  sich 
nunmehr  auch  die  Dichtung  bemächtigt  hat,  um  dieses  Pest 
voll  Glanz  und  Pracht  alljährlich  mehrmals  zu  neuem  Leben 
zu  erwecken  und  in  plastischem   Bild  darzustellen. 

Von  einem  anderen  Feste  aber,  das  als  Vorläufer,  ja 
teilweise  wohl  auch  als  Vorbild  der  Landshuter  Hochzeit  be- 
zeichnet werden  kann,  ist  bis  heute  fast  nichts  bekannt:  von  der 
Hochzeitsfeier,  die  ein  Jahr  vor  dem  Landshuter  Fest  in  Amberg 
gefeiert  wurde.  Wie  dort  in  Landshut  der  Sohn  des  nieder- 
bayrischen  Herzogs  Ludwig  des  Reichen  einer  polnischen  Prinzessin 
die  Hand  zum  Ehebundc  reichte,  so  ward  hier  in  Amberg  die 
TociUer  des  reichen  Landshuters,  Margarethe,  zum  Altar  geleitet 
um  dem  kurpfäJzischen  Thronfolger  Philipp,  nachmals  d^i 
Aufrichtige  zubenannt,  angetraut  zu  werden.  ^M 

Wohl  war  die  Zahl  der  Gäste,  die  auf  der  Landshuter 
Hochzeit  anwesend  war,  wohl  daher  auch  die  Menge  der  Speisen, 
die  dort  konstimierl  wurde,  noch  bedeutend  größer  als  auf  der 
Amberger  Hochzeit     Darauf  kommt  es  für  den  Kulturhistoriker 

1}  D«ß  er  pcrwnlich  u  der  Hochrtit  tdlnahm,  erhellt  am  L-  Westcnricdcr,  Bcytrlgit 
z.  valeri.  Hlrtorle  II,  tüs. 

>>  Hng.  von  Westenriedcr  t..  m.  O.  S.  lOSff 

•)  Hnt-  von  J.  J.  MÜlIcT,  SUali-CabinH  H,  Jen»  ITM,  S.  311«. 

•}  Nach  Rfezlcr  a.  a.  0.  «otil  dn  Angclidrign'  des  Oefolses  des  BraadaiLmtf 
MuVgnfen  Albrecht  Achill. 

1)  Über  die  hindKhrifllichni  Quellen  tut  Ludshnter  Hochieil  s.  RIetler,  OesA 
Bayeni«  III,  lil,  Anni,  i:  hiczu  isi  zu  bcmrtkcn.  ilafl  Original-AnfieichnuRgen  über  dir 
KMlen  der  Hix-liiHI  Akt  :1SI  b  de»  K.  B.  Geh.  llaus^Archivi  zu  München  enihili,  die 
(edoch  nichts  Neue«  i»  bieten  ceheinen.  —  Meinem  verehrten  frennde.  Hetm  ArcUtnt 
Dr.  Joseph  Wels  kI  auch  ui  dieser  Stelle  mHn  hcrrlidistcr  Dank  autge«pnKhen  firdii 
freundLkhe  Eatgeseskommeii,  du  er  niir  bd  der  Hcrtnseabe  der  folgenden  Quellen  bodtbe 


nicht  so  sehr  an.  Das  ganze  Bild  von  fürstlicher  Macht  und 
höfischem  Olanz  aber,  die  ganze  überschäumende  Lebenslust, 
die  großenteils  jene  Zeit  beseelte,  da  sich,  wie  man  sagte*), 
»die  Menschheit  gleichsam  mit  vermehrten  Organen  den  Genüssen 
aller  Lebensfreuden  hingab",  kommen  auch  in  dem  farben- 
prächtigen Gemälde  der  Amberger  Hochzeit  trefflich  zum  Ausdnick. 
Was  den  Kulturhistonker  noch  besonders  an  diesem  Bilde 
interessieren  mag,  sind  Erscheinungen,  die  man  bei  jener 
Amberger  Hochzeit  wahrnehmen  konnte  und  die  man  damals 
als  neu  empfinden  mußte.  Gerade  bei  Hochzeiten  und  derartigen 
Festlichkeiten  suchte  man  natürlich  etwas  Neues,  noch  nicht 
Gesehenes  zu  bringen;  daher  ist  es  leicht  erklärlich,  wenn  man 
bei  ihnen  zuerst  das  Aufkommen  fremder  Trachten,  die  Ein- 
führung neuer  Tänze,  das  Erscheinen  verbesserter  und  ver- 
vollkommneter Musikinstnimente  beobachten  kann,  wie  wir 
solches  auch  bei  unserer  Amberger  Hochzeit  bemerken  dürften*). 

Ich  gedenke  an  anderer  Stelle')  die  Bedeutung  zu  würdigen, 
wekhe  der  Ehe,  die  in  den.  Februartagen  des  Jahres  1474  in 
Amberg  geschlossen  wurde,  in  politischer  Hinsicht  zukommt, 
öicht  minder  das  Interesse,  das  die  Feier  jener  Amberger  Hochzeil 
"^  kulturhistorischer  Beziehung  beanspruchen  darf.  Hier  mögen 
<^»e  Quellen,  die  zur  Darstellung  gerade  dieser  letzteren  Seite 
^'icnen,  selbst  sprechen. 

Die  erste  dieser  Quellen  ist  eine  in  Akt  238t  b*)  des 
^-  B.  Geh.  Haus-Archivs  zu  München  befindliche  Hochzeits- 
*^'"tJnung.  Sie  zerfällt  in  eine  Reihe  von  einzelnen  »Ordnungen", 
^on  denen  sich  die  eine  mit  dem  persönlichen  Dienst  beschäftigt, 
^^r  den  fürstlichen  Gästen  während  der  Festtage  beigegeben 
^^rden  sollte,  eine  andere  mit  den  Vorkehrungen,  welche  der 
•^at  der  Feststadt  Amberg  zu  treffen  hatte,  eine  dritte  mit  den 
^Urüstungen,   die  im  kurfürstlichen  Schlosse  zu  bewerkstelligen 


t}  Rlcctcf  I.  a.  O.  S.  904. 
(]  S.  uaten  S.  *r£. 

)}  Unirr  drai  Titel:  >Dic  AmbcrKtr  Hochxdf,  wahnchelnllcti  1.  d.  l'onchungcn 
QBdi.  Bayerns  i'resp.  i.  Oherhsyr.  AirhivJ  od  i.  d  ZdtschriU  f.  d.  Ocsch  d.  Obcrrhdiu. 
<}  Pol.  Hb  ir. :  die  Blatter  i7a  |f.  bilden  das  Original  der  OcsamtordiiunB.  vie 
■^  -vom  Vinum  von  Aniberg  (*.  u.  S.  389)  an  dt-n  HeidelberEer  Hol  lur  OrguUditunc 
^'^»iiOl  wrdc;  die  einiclnen  OrdriunKcn  wurden  nAtüdich  in  Absthrllleri  dm  I^rsonoi 
^^p.  Bfhünlm,  lur  die  sie  Iwiltmmt  vorai,  im  PfleKcnt  der  uberpQlriKhen  Ämter,  dnn 
^^^dttxt  von  AmbcTg  utf.,  ttiKCttellt 

25  • 


388  Maxlmflfan  Budiner 


i 


waren ,    mit    Maßnahmen    für    die    Küche ,    den    Keller,    den 
Marstall  usf. 

Von  wem  ist  nun  diese  Hochzeitsordnung  verfaßt?  Die 
Erörterung  dieser  Frage  gestaltet  sich  schwieriger,  als  man  .■-■ 
annehmen  machte.  Träte  man  theoretisch,  wenn  man  so  sagen  wm 
darf,  an  ihre  Untersuchung  heran,  so  wäre  man  wohl  geneigt  ,"*" 
die  Abfassung  dieser  Ordnung  dem  Hofmeister,  in  dessen  M~m 
Ressort  vor  allem  doch  das  Arrangement  von  Festlichkeiten  «"^ 
gehörte,  vieHeicht  auch  einem  anderen  der  kurfürstlichen  Hof-  — ^ 
beamten,  jedenfalls  aber  einem  Mitglied  der  Heidelberger ""»" — 
Zentral  Verwaltung  zuzuschreiben.  Und  doch  ist  dem  nicht  so.  _  ^^ 
Daß  die  Hoch  Zeitsordnung  nicht  vom  Hofmeister  oder  Marschall  C  Äl 
herrührt,  geht  schon  aus  einer  Stelle  hervor,  wo  es  heißt:  =  ^ 
«in  zit  davon  zu  reden,  were  der  furslen  essen  fza/tragtn  .  . 
geordent  werde,  das  befilh  ich  hofmeislem  und  marschalk« '). 

Wer  ist  nun  unter  dem  „ich"  zu  verstehen?  Vielleicht:*"*^ 
der  kurfürstliche  Kanzler,  der  damals  der  Speirer  Bischof^* *= 
Mathias  Ramung')  war?  Auch  das  nicht.  Dagegen  spricht  schon  mt^* 
das  Vorkommen  des  Ausdrucks  .^mein  Herr  Bischof  von  Speier«'),  ^  ^ 
womit  natßrlich  Bischof  Mathias  Ramung  gemeint  ist.  Man  ä"*- 
könnte  wohl  auch  daran  denken,  daß  Kurfürst  Friedrich  selbst  'S'-^ 
der  Verfasser  dieser  Hochzeitsordnung  ist,  also  daß  er  unter  ^ä- 
dem  »ich"  zu  verstehen  ist  Mit  dieser  Annahme  würde  jedoch  ^^ 
nicht  übereinstimmen,  daß  Kurfürst  Friedrich  sowohl  wie  auch  *^ 
sein  Neffe  in  dieser  Ordnung  stets  mit  ».mein  gnädiger  Herr"  ^£ 
bezeichnet  wird*).  ^| 

Einen   Schluß   auf  die   Abfassung   der   Hochzeitsordnung  '^ 

können  wir  aus  verschiedenen  vorkommenden  Ausdrücken  ziehen,  ^ 

so,  wenn  es  heißt,  es  solle  das  Gewürz  «von  Heidelberg  hirauf"^)  ^ 

gebracht  oder  es  sollen   t5  Köche  «vom  Rine  hirauf  geschickt  ^ 

und  uß  disem  lande  fünf  darzu  gegeben  werden"").   —    Das  "^ 

zeigt,    daß    die    Hochzeilsordnung   nicht    in    der    kurfürstlichen  ^m 


I]  S.  vnien  S.  408. 

i>  Über  idne  gdMlIdic  Vcrwkltuii(  vil.  Ronllns.  Ocsch.  d  BEich.  voi  Speier  II. 
143  K.;  ikbtf  »ine  iim«re  vclilicbe  ßfgierung  \g).  memt  Dluertition  (190;),  a«cb  in  den 
Mineilung«!  d.  hitt.  Vcr.  d.  i*1t\i,  Mch  I9;10;  über  itint  iulkfc  Rcgicning  vgl.  nriM 
L  il.  ZdUchrilC  f.  Oeach.  d.  Obmhdni  (I909)  «rsrtidncnclr  Abhandlnng. 

■)  S.  nnteo  S,  i97.        *)  5  unten  S.  *96,        »)  S,  iintcn  S  «07.        t  S.  WttCfl  S.  4«. 


a 


Quellen  zur  Amberger  Hochzeit  von  1474. 


3S9 


Residenz  zu  Heidelberg  und  nicht  in  der  RheinpFalz  abgefaßt 
'St,  sondern  im  .oberen  Lande",  in  der  Oberpfalz.  Da  in  der 
Hoch  Zeilsordnung  dem  kurfürstlichen  Rentmeister,  dem  Land- 
schreiber und  dem  Kästner  zu  Amberg  Vorschriften  erteilt 
Werden,  so  kann  sie  natürlich  nicht  von  einem  dieser  Amtsleute 
herrühren,  sondern  muß  von  einem  diesen  übergeordneten 
Beamten  verfaßt  sein,  also  jedenfalls  vom  Viztum  von  Amberg, 
der  damals  Konrad  von  Helmstädt  war').  Es  ist  ja  auch  leicht 
erklärlich,  wenn  ihm  es  zufiel,  die  Vorbereitungen  zu  dem 
großen  bevorstehenden  Feste  zu  veranlassen,  da  ihm  die 
örtlichen  Verhältnisse  der  Feststadl  natürlich  viel  vertrauter  sein 
konnten  als  einem  Mitglied  der  Zentralverwattung  im  fernen 
Heidelberg.  Die  Ordnung  der  Verhältnisse  aber,  die  allzusehr 
»n  ein  dem  Viztum  femliegendes  Ressort  einschlugen,  wie  die 
Ordnung  für  die  Aufwärter  bei  der  Tafel,  wobei  natürlich  die 
Unter  dem  Hofmeister  stehenden  Hofbeamten  vor  allem  in 
Betracht  kamen,  wurde  vom  Amberger  Viztum  der  betreffenden 
Hofcharge,  dem  Hofmeister  oder  Marschall,  überlassen,  wie  dies 
die  oben  angeführte  Stelle  zeigt. 

Jedenfalls  als  die  Frucht  dieses  dem  Hofmeister  und 
Marschall  gegebenen  Auftrags  müssen  wir  die  »Ordnung,  wie 
^'1  jeglicher  auf  der  Hochzeit  warten  soll"  ansehen,  die  nicht 
*ij  den  allgemeinen  Hochzeilsordnungen,  von  denen  im  Vor- 
stehenden die  Rede  war,  gehört;  sie  soll  an  dieser  Stelle 
Sl^ichfalls  veröffentlicht  werden.  Eine  Abschrift  von  ihr  befindet 
^'ch  in  einem  aus  24  kleinen  Oklavblättem  (aus  Papier)  be- 
drohenden Heftchen,  das  dem  Akt  959  des  K.  B.  Geh.  Haus- 
^»■chivs  beiliegl').  Den  sonstigen  Inhalt  dieses  Heftchens  bilden 
^<:hriftstücke,  die  ebenfalls  auf  die  Amberger  Hochzeit  bezug 
l^^ben,  und  auf  die  noch  zurückzukommen  sein  wird.  -  Betreffs 
J^rier  »Ordnung"  muß  hier  bemerkt  werden,  daß  man  Bedenken 
*>"agen  könnte,  sie  auf  unsere  Amberger  Hochzeit  zu  beziehen, 
^id    daß    man    vielleicht    annehmen    möchte,    sie    gehöre    zur 


')  5.  «ntfn  5.  418. 

*1  Dct  UmsdiUi;  drs  HcTlchcni  bnirhl  an*  clnrni  Pcrjpimentblltt.  d«  mU  Hner 
v**wn.  wniertcn,  cwt  dem  I3.  Jahrhundert  »ugehfircndni  Schrift  beichrlebieii  IiL  -  Die 
^'^•dirlh  [it  *on  derselben  Hud,  von  der  tuch  der  flbrlse  Inhilt  des  Hehchcni  itt- 


Landshuter  Hochzeit  von  1475,  da  an  mehreren  Stellen  in 
unserer  „Ordnung"  von  Landshut,  an  keiner  aber  von  Amberg 
die  Rede  ist').  Doch  widerspräche  dieser  Annahme  schon 
allein  die  Tatsache,  daß  die  in  dieser  Ordnung  zur  Dienst- 
leistung Befohlenen")  nicht  den»  niederbayrischen,  sondern  dem 
pfälzischen  Adel  angehören,  was  natürlich  nicht  der  Fall  wäre, 
wenn  sich  die  »Ordnung"  wirklich  auf  die  Landshuter  Hochzeit 
bezöge.  Jene  Stellen,  in  denen  von  Landshut  die  Rede  ist,  ^nd 
also  jedenfalls  dadurch  zu  erklären,  daß  sie  sich  auf  die  Ejn- 
holung  der  Braut  in  der  niederbayrischen  Herzogsstadt  beziehen"). 

Die  Abfassung  dieser  Ordnung  ist  vielleicht  dem  kur- 
pfälzischen Kanzler  zuzuschreiben;  denn  wenn  ihr  Inhalt  auch 
vor  allem  durch  den  Hofmeister  und  Marschall  bestimmt  wurde, 
so  kann  die  Abfassung  selbst  diesen  Beamten  nicht  zugeschrieben 
werden,  da  in  der  Ordnung  auch  sie  Weisungen  erhalten. 
Auch  vom  Kurfürsten  rührt  sie  nicht  unmittelbar  her;  denn 
auch  in  ihr  wird  von  ihm  als  von  «meinem  gnädigen  Herrn"*) 
gesprochen.  Gleichwohl  aber  scheint  er  insofern  rege  an  der 
Abfassung  beteiligt  zu  sein,  als  die  Herren,  die  als  «Essenträger", 
«Weinschenken",  »Vorgänger"  usf.  bei  der  Hochzeit  fungieren 
solllenj  von  ihm  bestimmt  worden  sein  dürften.  Darauf  deutet 
nämlich  eine  Stelle  in  dem  sogleich  noch  zu  cns'ähnenden 
Bericht  des  kurfürstlichen  Kanzlers  über  die  Hochzeil  hin,  wo 
es  heißt,  daß  ,.vor  dem  essen  gingen",  die  der  Kurfürst  hiezu 
beschieden  habe.  ^ä 

Dem  Kanzler  fiel  die  Überwachung  und  Leitung  d« 
ganzen  Festes  zu,  da  der  Kurfürst  nicht  persönlich  demselben 
beiwohnen  konnte;  in  dem  Bericht,  den  Ramung  Ober  den 
bisherigen  Verlauf  der  Festlichkeiten  am  23.  Februar  1474*)  an 
Kurfürst  Friedrich  schrieb,  kommt  dies  auch  zum  Ausdruck, 
wenn  er  hier  seinem  kurfürstlichen  Herrn  mitteilt,  daß  er  bei 
seiner  Ankunft  in  Amberg  alles  in  bester  Ordnung  vorgefunden 


>]  S.  unten  S.  414. 

»i  So    Wolf  ging   von    Panberg,    Scintitkei   von    Schaunbcrg,    Hans    K 
Wlllielir  LitheiKcktT. 

*J  Über  die  ClnholüTts  der  Braut  tlche  in  meiner  oben  S.  ?S7,  Anm.  3  tltli 
Abband  I11112. 

*i  S.  uDlen  S.  413. 

*>  Dlxr  die  Dalicning  vgl.  meine  Abhandliiti£  über  die  AsiberBcr  Kochaelt 


&bu7 


Quellen  zur  Ambeiger  Hochzeit  von  1474.  39t 


habe,  daß  die  Gemächer  geziert  gewesen  seien  u.  dgl.,  so  daß 
man  keine  Klagen  habe  hören  können.  Eine  Abschrift  dieses, 
so  viel  ich  sehe,  unbekannten')  Berichtes  Ramtings  ist  uns  in 
dem  schon  erwähnten  Heftchen  erhallen.  Diese  Abschrift  ent- 
hält wohl  manche  Korruptelen;  aus  melireren  Stellen-)  müssen 
wir  schließen,  daß  sie  (oder  schon  der  Origirialbrief)  nach  einem 
Diktat  hergestellt  wurde.  Durch  diese  Annahme  erklären  sich 
nämlich  Korruptelen,  die  jedenfalls  aus  falschem  Verstehen  des 
Wortes  seitens  des  Schreibenden  entstanden  sind.  Vielleicht 
hat  diese  Fehler  schon  der  uns  unbekannte  Originalbrief  auf- 
gewiesen; wir  möchten  dies  sogar  als  wahrscheinlich  an- 
nehmen, da  ja  Bischof  Mathias  den  Bericht  nicht  eigenhändig 
geschrieben,  sondern  ihn  vielmehr  seinem  Schreiber  diktiert 
haben  dürfte. 

Ramungs    Brief   diente,    wie   aus    dessen    Schluß    deutlich 

genug   hervorgeht"),   dem   Zwecke,    Kurfürst   Friedrich   ein   Bild 

von  der  Hochzeilsfeierlichkeit  zu  geben,   »als  ob  er  selbst  dabei 

gewesen".    Dank  der  frischen,  lebensvollen  Art  des  kurpfäizischen 

Kanzlers  ist  ihm  dies  auch  recht  gut  gelungen.     Einen  Nieder- 

^hlag  des  ganzen  frohen  Treibens,  das  sich  in  Ambergs  Mauern 

'f*    jenen  Februartagen   des  Jahres    1474   abgespielt,   dürfen   wir 

^aher  in  unserem  Berichte  sehen.    Aufs  vorteilhafteste  sticht  er 

^ori    der  so  dürren  Beschreibung    ab,    welche  der  Seligenthaler 

'^losterschreiber    auf    Bestellung    von    der    Landshuter    Hochzeit 

E^macht   hat.     Abgesehen  von   dem  jedenfalls  sehr  erheblichen 

unterschied,    der    die    Verfasser    der    beiden    Darstellungen    in 

S^isliger     Hinsicht     voneinander     trennte*),     können     wir    dies 

^*^Hon    hierdurch    leicht,  erklären,  daß   der   Seligenthaler  Klostcr- 

^Hreiber  erst  mehrere  Jahre  nach  dem   Feste,  das  er  vielleicht 

Ks^r    nicht    miterlebte,    sondern     nur    auf    Grund    von    kalten 

^^tizlislischen    Aufzeichnungen    gekannt    haben    wird^    seine   Be- 

_  >}  Zilien  Ut  du  Heftchen.   In  dem  die  Abuhd.fl  lieh   befind«,   von  Pr.   Roth, 

\^*«U  Ebran  v.  Wildenberg«  Chronilk,  i.  d.  Qucllni  und  Erörtrrungtti   i    bayriichen  u. 
^*»»tKhe«  Oeach.  N.  F.  ]i,  S.  IX.  Anm.  1. 

))  So,  wenn  es  bdßl:  .ulfni  »icb-  ttati  .uff  den  Hid)-. 

■1  S.  uirtoi  5.  4». 
I  '}  Über  die  goKigt  Bedeutung  Ramungs  vi[l.  meine  deninlchit  In  den  Nddclberger 

l^'^vHcbem  ersehcincndc  Abhandlung:    Die  Stellun£  des  Malbiu  Ranung  tarn  gciiügen 
■-***«  leinet  Zeil. 


zu   «ner 
uimucii  in  den 


Bcfidils  md  der  gcnmricii 

HcAcsm  sodi  on  von  dcradben 

der  anf  der  AiBberger  Hochzeit 

der  Teflnehwcr  aa   den    OesriksslBciKn, 

^^  (jsluL  AubncBBBSS  nennt  uns  etvi 

snd  luiBHK^  OnfcH  und  HcfFcn, 

ftrv    Dmen,    (Sc    in    Anibef]^ 

Em  kurzes  VermclinTS  der  TeOnehnier 

u   der  ABbo^cr  Hockzcit  ist  ms  tttA   ist   der   speuiscnen 

fiberfiefeft;    dodh    f^***f    SKh    in    denselben    die 

bei    den    FunocUBOleB   und    Onicn    ang^ebcn, 


igesMart 


Ovovk*) 

Hmen    nur 

«ihnnd  von  den  RHleni  nod  Edlen  nur  die  Zahl,  ia  der  sie 
anwesend  «area,  ftbuliüm  ist  —  Ancfa  nnsere  AufzlhluBg 
darf  auf  Vollittndielceil  1«nen  Ansprwck  cihebcu;  un  SdiloB 
derselben  wird  vielmeiir  aasdräddicfa  beinerfct*X  dafi  das  Gefolge 
der  Bischöfe  \-on  Eidisädt,  Regcnsbnc  nnd  Merseburg,  des 
Grafen  von  Henneberg  nnd  sonstiger  Herren  nicht  aufgeführt 
sei').  Eine  Verglexfaung  der  beiden  Verzeicfanisse  zeigt,  daß 
säe  in  etncm  gewissen  Zusammenhing  stehen,  ohne  daß  nun 
aber  *vQa  einer  l^hhinjijtfil  des  einen  Veczeidmisses  vom 
mdcnsi  spRcben  kOonle*^ 

Die  große  Zahl  \-on  Angehörigen  zum  Teil  sehr  vornehmer 
Adelsgcsdilechtcr,  die  in  unserem  Verzeidints  aufgeführt  werden. 
badet  einmal   eine  sdiStzenswcne  Pun^rube  für  die  Geschichte 


crtMer  m     , 


1)  DiC  er  Ar  WiMNiawm.  mbo  ios  .griwlrt-  Übe,  act  da-  Vc 
SdlU  te  OvMdH«  hd  WiihwUilii  m.  m.  O.  S.  m ;  rf^.  ibm  S.  m.  Amil 

^  Bd  Mo«;  Qwdhffl— g  d.  badMck.  I  wit^nfc    I.  st«. 

^  S.  nfea  S.  4ML 

ItOKBOtm,  «cfcteakU  ta  Oefnlae  cten  FirA>  W  der  Hodndt 
■Adan  te  wmarat  Vpwictafa  «Ic  la  der  Spdr.  Chraifk  ibcrtaipl   ald« 
ddHIcinNte. 

^  Ejok  Abkingiiiinl  der  Aapbcn  u  der  Spdr.  Otnmik  •mm  ■■«»■  Yniihlidi 
W  tAom  dafadb  Mcki  — «Mthamt  «dl  la  telilBVB  dfe  Veno«  bd  ■e^tna  Hom 
«dd*  Wnrfhhrt  dMl,  bd  dcaei  bi  der  Spdr.  Ohroalk  dte  VniMwii  w^nailiui  itai. 
5^  «dB  S  414.  Aan-  K:  ia  der  Spdr.  aaaaik  iR  anfaMlfenRte  Mit  da  MtdHb  voa 
Mcratbarf  der  roa  Wlnbars  tmBat  (f.  vdae  At^Mdlaag  tter  die  Kmbtrtf  HdAhH 
«.  a.  O.);  die  Laadpafm  voa  Uuchanbns  dad  la  dB  Speii.  C^raaik 
« LiSCBiCHDCff*  DfSndnKl- 


Quellen  zur  Amberger  Hodizdt  von  1474. 


393 


dieser  Geschlechter;  schon  deshalb  kam  es  bei  der  Herausgabe 
des  Verzeichnisses  darauf  an ,  die  Namen  dieser  Familien  wie 
auch  die  Namen  des  einzelnen  Gliedes  derselben*)  mit  möglichster 
Sorgfalt  festzustellen.  Der  Herausgeber  suchte  daher  -  eine 
freilich  sehr  mühevolle  Aufgabe  -  die  aufgezählten  Persönlich- 
keiten auch  in  anderen  Quellen  nachzuweisen,  um  so  deren 
Namen  zu  sichern;  zugleich  aber  dürfte  hierdurch  der  Famiüen- 
geschichtschreibung  eine  wenn  auch  nur  schwache  Handhabe  zu 
weiterer  Forschung  geboten  sein.  Freilich  konnte  aus  dem  oft 
häufigen  Vorkommen  einzelner  Persönlichkeiten  in  Urkunden 
jener  Zeit  oder  aus  ihrem  Auftreten  bei  anderen  festlichen 
Anlässen  nur  auf  die  eine  oder  andere  Stelle  hingewiesen 
werden  -). 

Die  Zusammenstellung  der  mit  einzelnen  Fürstlichkeiten 
auf  der  Amberger  Hochzeit  Erschienenen  darf  aber  neben  dem 
familiengeschichtlichen  noch  ein  weiteres,  allgemeineres  Interesse 
beanspruchen.  Es  lag  in  der  Natur  der  Sache,  daß  die 
Fürstlichkeiten   bei  dem   Feste  sich  vor  allem   von  den   hervor- 


')  So  war  z.  B.,  wenn  vor  t-iavm  Pamilimnamm  J-J  Vonumcn  standm,  öflns 
ni  cnbcbeldrn,  oh  diese  Vonmnicii  inchicTcOHedeT  der  bctrcff^Mlen  Familie  rq?rl»cnt(crten 
oder  nnr  Hn«,  d»  melmrc  Vornamen  hatK- 

*)  Va  wunJrn  alt»  be\  drn  in  unurTcni  Ver»richris  auf  gefühlten  I'etwJnlidikritm, 
«cnn  dcrrn  Anvescnhdt  i.  B,  bei  d«  LwidsJiuter  Hochzeit,  bei  der  berähmlm  Trierer 
ZnninmeDkiiTift  tob  i4?3  oder  bei  anderen  OcleKcnhtilen  bekinnl  iit.  nIcM  auf  all  die* 
hiniteTicicn.  sondcni  meist  nur  eine  oder  die  tndcrc  Qcl(£tnhcit  ausseviblt  und  im  Qbriceo 
der  SpeilallonchuRS  es  flberlauen,  dem  lonilijcni  Vorkonuncn  der  betreffenden  PmCnlicbkril, 
uich  in  dm  (juclim,  dir  in  den  Annierliun{rn  zilirrt  sind,  ti  ach  zugehen.  För  unsere 
Aufgabe  var  n  «obl  genug,  TcnlgMens  durch  ei  ne  Stelle  du  Vorkomtnen  Jener  Pendnllcb- 
keites  lu  belegen 

Die  hierbei  benüliten,  In  den  Anmerkungen  (tften  lillertcn  Quellen  tind  dudbil 
'm  folfender  Weite  gekflnc 

Bachnunn,  Denluhc  ReIchs.gcKli.  im  ZdUller  Frifdrichi  MI.  und  Max  I.  ^ 
Bichmanti,  Bd.  1,  II  [Ldpilg  i$84,  1^94).  -  Ponte»  rerum  AuiUJacBrum.  [[.Abteilung, 
Bd.  4>.  14.  4«  =  Pont,  rcr  Auitr.,  Bd.  43,  44,  46  -  F&nteobcrgischet  Urltundenbadt, 
kng.  von  Rirzln-Bium^nn  \\\  (ISTB]  =  Pflrstenb.  U.  B.  -  Kituller  v.  Knobtocb, 
Oberr*eln.  OrtchIrthiCTbiidi,  Bd.  I  (18«»  ff,  =  Kindler,  -  König  von  KÖnigilhal. 
Nadilese  i.  d.  RHchigcichichTcn  (Prtnkfuna.  M.  t7S9),  Bd.  II  =  Kfinig.  -  O.).  Kremcr, 
OCKh.  Priedrichi  I  v,  d.  Pdli  (Mannheim  MU]  =  Kreiacr.  -  G.J.  Kruner,  Urkunden 
X.  OciCh.  Friedrichs  I,  v.  d,  Pf^lz  iMannhnm  t7A6)  =  Krcincr  Urh.  -  Mooumenla 
Bolca  ed.  Acadcmu  wienl.  botca  =  M.  fi.  -  F.  J.  Monr.  Qucilcnumnilung  d,  badlKhen 
Landea^acb,,  Bd,  r  (1841)  =  Mone.  -  RIczIct,  Ocwh-  Bayern*.  Bd.  111  (i88»)  - 
Rlcsler.  -  Quellen  u.  EcArterunefn  i.  biyrischen  u-  deutschen  Qe^ch   (.Mvinchen  iU2t.> 

—  Quellen  u.  f^r,  -  SUlin.  W'irtembrfg  Oesch,,  Bd.  lü  |ili56)  =  Släün,  ^  Ver- 
banUunem  d.  hltt.  Vcreini  f.  Oberpfali  u.  Regeniburg  =  Verh.  d,  hitl.  V.  f.  0,.pt.  ~ 
Chroniken  d,  deutwhen  Städle,  Bd.  II  (Ixlp/ig  IB&4)  ^  51.  Chron.,  Bd.  II.  -  v.  Wctth, 
Lchcnbacher  d.  Kurtürftcn  Prlcdrich  I.  u.  Ludvig  V.,  FesOcbrift  (Karlinihe  n%t>)  ^  Weecb. 

-  TatcBrieder.  Be)-trlge  i.  nKrl.  Hiitorle.  Bd.  II  (München  1789)  ^  Weitencicdcr. 


sse^^ 


ragendsten  Angehörigen  ihres  Hofstaates  begleiten  ließen.  Wi 
erhalten  daher  in  unserem  Verzeichnis  schätzenswerte  Aufschlü 
über  die  Zusammensetzung  des  pfäUischcn,  sächsischen,  bayrischen, 
österreichischen,  württeni bergischen  und  bischöflich-augsburgischen 
Hofstaates.  Auch  von  diesem  Gesichtspunkte  aus  dürfte  es 
nicht  ganz  wertlos  erscheinen,  wenn  in  den  Anmerkungen  auf 
das  Vorkommen  jener  Hofleute  an  anderen  Stellen  hinge%h'iesen  | 
ist.  -  Wie  die  in  jenem  Verzeichnis  genannten  Hofleute,  so 
suchte  der  Herausgeber  auch  die  in  der  erwähnten  Hochzeits- 
ordnung vorkommenden  Persönlichkeiten,  meist  pfälzische  Be- 
amte, in  anderen  Quellen  nachzuweisen.  Eine  genaue  Forschung 
nach  den  verschiedenen  Stellungen,  welche  jene  Beamten  im 
kurpßlzischen  Behördenorganismus  zu  dieser  und  zu  jener  Zeit 
bekleideten,  würde  uns  ja  recht  interessante  Kunde  von  dem 
Avancement  bieten,  das  die  damalige  Beamtenschaft  hatte. 
Natürlich  konnte  auch  dies  hier  gleichsam  nur  angedeutet 
werden. 

In    jenem   Verzeichnis    der  Teilnehmer  an   der  Amberger      I 
Hochzeit  findet   sich   eine   Reihe  von   Namen,  deren   Träger  in 
der  politischen  und  Kultur-Geschichte  eine  beachtenswerte  Stelle 
einnehmen,    so   der  Vater,    Bruder   und   Oheim   des  berühmten 
Wormscr    Bischofs   und    Humanisten  Johann    von   Dalberg,    dc^H 
durch   seine  abenteuerlichen  Reisen  bekannte  Jörg  von  Ehingen^^^ 
der  bayrische  Chronist  Veit  Ebran  von  Wildenberg,  Niklas,  der 
letzte  Sprosse  des  berühmten  Geschlechtes  der  Abensberger  und      1 
noch    manch    anderer.      Auch    diese   Tatsache   Meß    die  genaue, 
wenn     auch     mit     manchen     Schwierigkeiten     verbundene     Art 
wünschenswert    erscheinen,    in    der    dieses    Verzeichnis    heraus- 
gegeben ist. 

Bei   der  Gestaltung  des  Textes  glaubte  der  Herausgc 
sich   meist  an  die  von   Weizsäcker*)  zusammengestellten  Regel 
halten   zu    müssen.     Bei   offenkundigen    Korruptelen   der   Hand- 
schrift wurde  die  vermutlich  richtige  Lesart  in  den  Text  eingesetzt 
und  die  falsche  in  den  Anmerkungen  angegeben.    Um  den  Text 
versländlicher  zu    machen,   wurden  Worte  oder  Silben,  die   na 

>}  Dcutiche  RedHtacuktcn  unter  Woiicl  (II6T),  S-  LXIXfl, 


1 

:eln" 


unserem  Empfinden  unbedingt  hinein  gehören,  (oft  freilich  ent- 
gegen dem  damaligen  Sprachgebrauch  D.  Red.)  in  //  und  in 
Kürei\*schrifl  eingesetzt.  --  Dies  möge  als  Einleitung  zum  Ver- 
ständnis der  Quellen  selbst  und  zur  Rechtfertigung  der  Art 
ihrer  Herausgabe  dienen. 

A. 
Ordnung  der  hochzit  pfalzgraff  Philips  zu  Amberg').  foi.  171 

Dise  nachgeschriben  artickeln,   so   den   amptleuten   im 

lant  zu  Beieren   und  iglichen   insondcrhait  verzeichent 

geben  und  bevolhen  worden  sein. 

Item:  es  soll  ein  iglicher  uff  seinen  fursten,  dem  er  zu- 
geben ist,  warten  und  furderlich  daran  sein,  nach  herberg  und 
stallung  uff  sovil  personc  und  pferd,  [■wie]  der  furste  mit  im 
bringen  wirdet,  lugen,  und  insonderhait  daran  sein,  das  bett- 
Sev*ant,  auch  heu  und  streue  nach  notturft  vorhanden  sei;  dabei 
•*Uch  uffsehen  zu  haben,  [daz]  iglichem  fürsten  sein')  gemach 
Uff  das  ziriichist  zugericht  werde,  die")  auch  mit  holZj  wasser 
**nd  anderem  darzu  gehörende  zu  versehen,  und  vorab,  das  vor 
^ins  iglichen  fürsten  hoffe,  wo  es  im  hoffe  nit  gesein  mage, 
^'n  kuchen  zugericht  f werde],  darinn  dem  hoffgesind  desselben 
^Urslen  gekochet  und  usliverung  getan  werde;  und  ob  [an] 
*^Uchengeschirr  gebrechen  sein  wurde,  in  zeit  viets  anzukcren, 
'l^s  zu  bestellen. 

Item:  es  sol  derselbig  cdclmann  mit  seinen  knechten  und 
*»*dern,  [die]  er  zu  im  nymnibt,  daran  sein,  so  der  fürst,  dem 
^*"  zugeordent,  gein  Amberg  komen  wirdet,  demselben  und 
^^inen  dienern  die  herberg  und  stallung  weisen  und  forderlich 
^ndeVhelfcn. 

Item:  es  sol  derselbig  edelmann  auch  daran  sein  und 
^^  jeder  zeit  mit  des  fürsten  kuchenmeister  und  schenken 
•^Omen  und  kuchenspeis,  wein-  und  protHverung  enphahen  und  loi.  i?h 
^^  yder  zeit  meidung  Ihun*),  uff  wievil  persone,  auch  uffsehen 
"^^ben*),  ob  gebrechen  sein  wurde  an  speis  oder  getränkt, 
c**jnj  dasselbig  denjhennen,  di  usliverung  lund,  zu  verkünden; 


)|  S.  oben  S.  SSTff.        <)  Tnl:  «dnra.       >)  NInlIcti;  die  Oemlcher.       •)  Tr«: 
**im.  q  Texl  r  ru  haben. 


396 


Maximilian  Büchner. 


und  er  sol  sich  auch  mit  zwaien  wagen  versehen,  di  stets  zu 
der  liverung  wartend. 

M  li».      Dise  nachgeschribcn  sind  beschaiden,  iglicher  uff  seinen 
fürsten,  dem   er  zugeben  ist,  fzaj  warten   und  zu  lup 
[nach]    inhalt    der    vorgeschriben  arlickel,    die    \x[erj 
iglichem  verzeichent  geben  sein. 

Uff    meinen    gnedigen    herm    pfalzgraven  *)     und    sein* 
gnaden  sone*),  herzog  Fhilipsen:  Haninann  Bair*). 

Uff  meinen  gnedigen  heim  herzog  Ludwigen*)  und 
seiner  gnaden  sone,  herzog  Jörgen*):  Herr  Erhart*)  von  Roren- 
stat'),  pfleger  zu  Waldeck'). 

Uff  herzog  Ernsten,  kurfürslen,  und  herzog  Albrechten,  ge- 
bruder,  von  Sachsen*):  Pauls  von  Streitperg"),  pleger  zu  Vilßeck"). 

Uff  herzog  Ölten'*)  und  herzog  Albrechten,  seinen  bruder, 
thumbbrobst  etz."},  auch  herzog  Cristoffen  von  Bciren**):  Hai^ 
Pfreimbter^*),  pfleger  zum  Qraffenwerde**). 

Uff  mein  gncdige  trauen  von  Osterreich*'):  Hans  Slamere^ 
torffer"),  pfleger  zu  Rüden'»). 

>)  Friedrich  der  Si^sr.,  d«r  «eil  m«?  di«  AdmlnJstnllon.  seit  14S3  »ber  die 
Regierung  der  Pfalz  tl*  Kuriünt  ffihrlc;  vgl-  Kniner  S.  Tff. 

>]  Bei  der  Regiemncnibefiulime  von  145Z  bitte  Friedrich  seinen  Neffen  Pliilii)ii< 
den  Sctin  LuilvifEi  IV.  (des  SanftmQtljcni),  rftTrogterf,  ihn  all  seinen  Sohn  ansaiORimts: 
s.  Kremrr,  5   «3  ff. 

>]  Hurlmatin  Beyer  at»  Boppard;  ihm  itiitentand«n  die  •RdDwtgen*  In  Fr 
Heer.    Quellen  n.  Er.  tll.  127;  er  »ir  Burjp-af  zu  Starckenberg.    Weech  8. 

•)  Ludwig  d.  Reiche  von  Niedcxbaycrn  (H10-H79). 

•)  0<«iTg  Id.  R,}  rnn  Nlederbay«m  (MTSr-lWl).  ")  Text:  Erhal. 

7]  Vgl.  rotit.  Tiet.  Aiistr.  -ti,  S.  u;  Quellen  b.  Er.  II,  311;  ebedetn  scheint  Eilutt 
».  Rorm^tatt  die  StHle  eines  I*ftcgPT»  In  Hilpelbtcfn  eingmommen  ni  haben;  s.  Verh,  < 
hisl.  V,  \.  O.-Pr   XX.  \%\  IBS.  *2S,  Anm. 

fl)  Otitkh  V.  Kcmnat  i.  d.  Oberpfilz:  vgl.  Bivarit  il  (IM!),  S.  430;  Qbrr  das  Ami 
det  PnegtTi  vgl.  Riezler  6s]. 

■}  Die  beiden  Orfinder  dn-  nach  ihnen  benaenteii  Liolen  des  slch^ischen  TprOa- 
hatues;  Ecnil  und  Albtrcht  varrn  Brildrr  der  niederbayrischra  Heizogin  Anulix  dti 
Mutter  der  Braut;  vgl,  Büchner.  Z.  Biographie  d.  Stammvaler*  d,  sichs.  Kdiiigshanw)  m 
Neuen  Archiv  f.  »Ichs.  Oesch   XXIX  (im>. 

M>  Vgl.  St.  Chron.  II,  «l.  437;  1471  noch  Pfleger  in  Waldecii.  Weecta  11;  »gl 
Quellen  u.  Er.  [I,  311,  32);  III,  «2. 

ii>  Nfiidlich  V  Amhcrg:  vgl.  Bavarfi  r,  n.  O.  ")  Otto  II.  von  Halz-Moshack 

W)  Albrecht  v.  Moibadi,  Dompropst,  später  Biichof  von  StmaburB;  ^  Hintlt 
Oenealogle  d   HaiiK^  Wjttelsbach  I33. 

!■>  [>er  berühmte  Tumierheld  auf  der  LandUiuter  Hochzeit:   s.    Riezln-.   S.  «ö^R 

">  Vgl.  Quellen  u.  Er.  Ili,  2«;  Westenriedcr  I7J;  Verh.  d.  Iifst.  V.  (,  Q.l 
XXXIII,  IT. 

1*)  CrafeoriihT,  nOrdlich  v.  Arabetf;  vgl.  Bararta  a.a.O. 

">  Mcchihild.  SchwTjtcr  Friedrichid. SiegrotidTanic  Philipps,  war  In  3.  Ehemlt&»' 

bcnog  Albrecbt VI  (t<*6}]  v  Üiteireich.  Iirudcr  Kaiser  friedrtchi  III..  vermählt;  %  Stilm«n 

'S)  Vgl.  TÄ'rttenrieder  17S;  M.  B.  XXIV,  Mi.  Sl.  Chron.  II.  178. 

ti^  Rieden  b.  Amberg;  vgl.  Bairaria  44S. 


'riaiiU^ 


Uff   mein   gnedige   frauen    von   Wirttenberg*); 
*on  Frewdenberg-),  pfieger  zu  Helffenberg^). 

Uff   meinen   herrn    graffe   Eberharten   von   Wirttenber^*); 
'^^brccht  von  Freudcnberg'^). 

Uff  herzog  Albrechten  von  Beiren*):   Fridrich  Böllinger'). 

Uff  meinen  herrn  den  bischove  zu  Augspurg*):  Hans  Swabe*).      ta\.  i8t> 

Uff    meinen     herrn    bischove    zu    Regenspurg**):     Claus 
f*frcimder"). 

Uff  meinen  herrn  bischove  zu  Eystet"):  Erhart  Staynlinger^'). 

Uff     meinen     herrn     bischove     zu     Spcyr  '*) :     Wilhelm 
Li'bennecker'*). 

Uff   meinen   herrn   bischove  von   Wertzburg"):    Eberhart 
Mistelbeck  der  jungerr'*). 

Dem    ratt    der    statt    zu    Nurinberg:     Linhart    Bürener, 
unngellder"). 

Nota:   Cristoff  Scharffcnbcrgcr'")  sol  auf  di  frauen,  di  im     foi.  i9t. 
'and  zu  Beiren,  auch  vom  Rine  geladen  [sind]  und  die  zit  gein 
«^mberg    kernen    werden,    warten    und    uffsehen    haben,    wie 


1)  Mirtpretbe,  Tochter  Amadnis'  VI!!,  v.  Savoyen  (als  Qcgcnpapst  Felii  V.),   in 
^  Ehe  vennihU  mit  KurfüTit  Lud«l£  It].  (tj.  QüiigHiJ  v.  d.   Pfalt,   Muttn   ['hllipps,  in 
^.  BieraitUtrkhV,.  d.  VWgelieblCTiv.WOntembwg-StuHgan,  vcroühlt;  HäuUca.i.O.S.31. 
*i  Vgl.  Verh.  d  hisl.  V.  f.  O.-Pf.  XX,  132. 
■)  Südwalltcli  V.  AmiMvg. 

*|  Der  Sohn  dcsOrafrti  LudviK  ■'  ^  WfirtlcmbeiK-UTach  und  der  oben  (S.  39&,  Anm.  tT> 
Ecnannieii  MechBiild  (ans  dtrcn  i.  Ehe);  s.  Stalin  «i  «.  Häutle  «.  a,  0.29;  vgl,  mriiim 
^cntidchit  enchcinendcn  Beitrig;  Z.  Biogr.  Ebcfhirds  I.  Ban  I.  d.  Wörttcmb.  Virrtel- 
«•»rtsheften. 

»)  1471  etuhcint  w  als  Landrichirr  in  Annbecg;  W«ch  9;  vielleicht  ist  er  auch 
■**t  dem  in  Hctrog  AlbTechfs  IV.  v.  Bayern- München  Diensten  stehenden  PJlecer 
*^bTOht  V.  rreudcnbers  {s.  Verh.  d.  hlit.  V.  (.  O.-PF.  XXtV,  HO,  S79)  idealisch;  vgl. 
^'   Oiion.  II,  »3!. 

•J  Albrecht  IV.,  d.  Weise.  i«J-i50fl, 
»>  Vgl.  Vffh.  d-  hisl.  V.  f.  0.-P[.  XVIII.  J3T, 
■]  Johann  v.  Werdcnberg.    Oaens,  Senn  epiKoponim  158. 
■)  Hana  Schwab  ni  Outcnalre  (?),     Weech  II. 

W)  Heinrich  IV.  v.  Absbcrg;  s.  Janner,  ae«h-  d.  BiKh  v,  Regcnibarg  llt.  Sljff 
n>  VbI.  Veih.  d.  hist.  V.  f.  O.-Pf   XVil,  368;  Weiienrieder  175. 
^^^B  U)  Wilhelm  V    Reichenau.    Oams  a.  >.  O.  IT*. 

^^H  ">  V£l    M.  B.  XXV.  8^ 

^^^H  x>  .Mathiai  KamtinK;  t.  oben  S.  38B,  Anm.  3. 

^^H  11}  Vgl.  Weitenrleder  \T,\  M.  B.  XXIV,  37S.  736. 

^^V  >^  Rudolf  V.  ScheerenberK.    Qanis  a.  a.  O.  S.  IIS. 

^^T  tt)  Vgl.  M.  B.  XXVI,  SU;   XVI,  S31;   d«  illetc  MJstelbecli  ist  *ohI   der,  welch« 

•*    «ItB  M.B.  XXXI.  para  II,  p    !88  <i    290  luflriH, 
I       ^^         »)  D,  i.  Sleuererhcber ;  vgl.  E,  Rosentbal.  Ocsch.  d.  OerlchUverfaiiung  u  Bchörden- 
^'ttuitatkni  Bayern«  I  (1t»>,  S.  393. 

_  »1  Er  wurde  nach  der   Vermihluns   PhLlLppa  und   MargareUiens   mit  dem  Amt 

^*>«* Pruenhofmeistcn und  IOiinnierTnd»ter»brtraBl;  >.  Bwhncr,  Anbergcr  Hochiell a.a.O. 


3#S 


Maximilian  Büchner. 


fol.  »a. 


dieselben  mit  herberg  und  stallung  undergebracht  werden.  & 
so!  auch  der  benannt  Cristoff  doran  sein  und  denselben  frauen 
ein  Stuben  nechste  am  sloss  zuordnen  und  eingeben,  dannn 
sie  sitzen  und  essen  mögen.  Darzu  sol  der  jelz  genannt 
Cristoff  knecht  genug  zu  ime  nemen,  die  den  frauen  zu  tiscb 
dienen  und  ir/ie»/  wein  und  brol  bei  den  schenken,  auch  ir 
essen  vordem  in  der  kuchen,  darauß  den  graffen  und  [dir] 
ritterschafft  angerichl  wirdet;  auch  ein  ufmerken  zu  haben  uif 
di  pferde,  wieviP)  di  frauen  bei  mtfn]  haben,  [am]  fuettning 
darnach  [zu]  wissen  zu  fordern  an  der  roren, »)  doran 
gemeine  füttrung  bescheen  sol. 


Ordnung,  den  rate  der  stat  Amberg  antreffent 

Item:  zum  ersten  so!  ein  rat  zu  Ambcrg  in  allen  sach« 
hievor  und  nach  gemelll,  mit  herbcrgen  und  Stallungen  etc^ 
wie  von  allen  stucken  davon  begriffen,  darzu  gchomde  und 
den  amplluten  bevolhen  ist,  denselben  ambtluten  getretjlicfa 
bcvolhen  sein")  und  iglichm  amptmann  einen  oder  zwen  ir/«r/ 
ratfrunde  zuordnen,  [umj  mit  ine  in  der  stat  von  büß  zu 
hauß  £zuj  gen,  di  ding  anzurichten  und  zu  besehen,  domit  all 
vorgeschribcn  stück  durch  di  amptlut  des  slatlicher  mit  Herbergen 
und  Stallungen  durchbracht  mögen  werden. 

Item:   es   sollen   auch    di   vom    rat   am   furderlichsten    be- 
trachten   und     zu     rate    werden,     das    etlich    gewappend     vaj^| 
gleissendem    harnasch    di    pforten,    auch    di    statmauer    mit   de^^ 
wacht  und  huttc  versehen  und  in  der  stat  lag  und  nacht  \v-arten, 
ob  feuer  aufgang  gewönne  oder  ander  uffrur  gescheen,   wie  die 
entstünden,    di    also    helfen    hinlegen,    auch    alles  das  tun, 
sie    alBdann     von     meins    gnedigen     herm     gewaltigen') 
schaiden  werden. 


die 

1 


llem:    uß    den    gewappenden    selten    zehen   oder  mer  zu 


»)TfXl.  byevil. 

^  S.   Bttchner,   Z.  Ocscfa.  n.  Topognptite  d.  SUdt  Amberg  i.  d. 
V.  I.  O.-Pt.  LIX. 

^  Tot:  zu  Min. 

')  D.  h.  den  knrfAr*tlicti«n  Beamten. 


Quellen  zur  Aniberger  Hochzeit  von  1474.  399 


dem  tanzhuse*)  geordent  und  zu  tun  Ihffolhen  werden],   wes  sie 
von    hoffmeistern ^)  und  marschalk*)  beschaiden  werden. 

Item;  der  rat  soll  helfen  und  daran  sein,  das  der  markt*) 
niit  schranken  zu  ringurrb  uff  das  weilest  gemacht  und  zugericht  foi.  sob. 
werde,  und  zu  yder  zeit,  so  das  rennen  und  stechen*)  sein 
wirdet,  den  markt  mit  knechten  in  irem  harnasch  bestellen^  die- 
selben zu  beschaiden,  alle,  die  sich  dringens  in  di  schrenk 
vieissen  wollen,  herauß  zu  behalten  und  nit  darinn  komen 
zu  lassen. 

Item:  es  sol  auch  der  markt  zu  dem  rennen  in  der 
^itte  erhöht  und  eben  gemacht  und  mit  sannt  beschul  werden, 
darzu  di  heusei,  darauf  steend,  die  nit  in  Sonderheit  nutz  sein, 
^u  erweitrung  dez  cnarkls")  abgelon  werden. 

Item:  zu  bestellen,  [daß]  uff  di  Strassen,  uff  dem  markt 
und  sunst  in  etlichen  gassen  liccht  mit  schwcffelringen,  in 
Pfannen  dieselben  uffgesleckt  und  die  zeit,  [so]  der  hofe  weret, 
*ne  nacht  brynnen  gehalten  werden. 

Item:  daran  zu  sein,  was  von  offen  herbergen  sei,  die- 
selben für  fremde  gesst  herberg  verbleiben')  zu  lassen;  und  ob 
''ot  were,  noch  zwei  oder  dreu  henser  für  di  fremden  zu 
t*estellen;  dasselb  in  zeit  geschehe;  und  insonderhait  sol  der  rat 
^>nen  darzu  ordnen,  ein  uffsehen  zu  han  uff  di  sietj  dl  ir 
f^tsfrunde*)  dahin  schicken,  [daß]  denselben  mit  herber^  under- 
g«holfcn  werde*). 

Item:  der  rat  sol  auch  sust  andrer  stuck,  [die]  sie")  not-     w.  »1». 
"*-*dunkt,  [daß  sie]  mit  Ordnung  in   der  stat  furzunehmen  sein, 


i>  S.  Qber  diudbe  mcJnc  Abhandlung  z.  Topopiphle  Amberg»  1.  a.  O. 
.  1)  Oic  Sldlc  de*  GraßhofineiiteTs  nahm  dimali   ßlicker  LandKlud  von  Sl^inich 

V^-  unim  S.  -IIa)  rini  vor  ihm,  bU  I47T.  ueden  «Ir  DleOier  v.  Si<:I(in2«i  aU  .gtoucn 
Qpjhndstcr-  (».  Quellen  u.  Er.  II,  «8;  IM,  113  und  We«:li  11);  Hnfmri»trr  war  iedenfalli 
^*'*  V.  Adcisheim  (s.  unten  S.  416  und  Quellen  u  Er.  II,  4<i'>j;  über  das  HötmdMcT«mt 
!^-  E.  Rot«nthaI,  OcKh.  d.  Oerichliwetcni  u  d.  Verwaltungtorguiiution  Bayerns  I 
'  **').  S.  W9  f(. ;  Seeligrr,  D.  Holracislcranit  i,  spftleni  M.  A. 

^^^  ^  Wohl  Brrnhird  V.  Bach;  s.  Quellen  u.  tr.  U,  401,  ■»IS;  Hl,  106,  113  Miid 
^^*^*^  S.  4!4;  über  da»  MarvchilUrat  vgl.  Rosenttial  t.  •.  0-  I,  a«ff. 

*)  Ira  Text:  marsk 
g^.  ^  Beim  „Rennen*  handelte  et  (ich  um  dat  Abstechen  der  Tart»che  (IcleUierSdiiltl: 

^  "titlleT-Froinniann,  Bayer-  Wörletbuch  I,  636);  heim  .Schiri rennen-  iollleste  so  ^rolfen 
j^fr^cii,   daJI  der   RHeer  au«  dem  Sallel  Uns      A.  Schutlz.   Deul^in  Leben  I.  XIV.  und 

•  JahrtitmdcTt  (i.  Halbband  »8«).  48*, 
—^  «)  Im  To(l:  raarjj».         ')  Text;  vetbr>b*il-  •)  D.  h.  RatilltrKa.         ^  Text; 

^■<»e«i.  V)  Ninilich  die  Ratiherren. 


AvUlflDflm  JJSCBDCf* 


M.  n«. 


foi.  nb 


in  zdt  betradilen,  uff  das  ein  rate  von  andren  stetra  ir^) 
Ordnung  und  regiments  halben,  als  sich  dann  zu  der  zdt  in  der 
stat  zu  haben  gepuret,  gclopt  und  ^-or  andren  steten  an- 
gesehen werden  =). 

In  nachvolgend  massen  [soll]  das  slos  zn  Amberg*) 
mit  den  gemachen  zugericht  und  nach  meins  gnedigen 
herrn   gvallen   mit    forsten    und    fürstin/Jc^ff/   ersatzt*) 

werden. 

Item:  zum  ersten  sol  das  slos  zu  Amberg  mit  den  gemachen, 
sovil  derselben  sein,  sauber  gerempt  und  ordenlich,  als  fursten 
gemach  sein  sollen,  [gemacht]  werden. 

Item:  im  alten  huse  und  in  dem  gemach,  darinn 
vormals  mein  gnedigcr  heir  pfalzgrave  elz.  gelegen  ist,  sol  steen 
ein  fursten  peltstat  und  daninnter  ein  schalltpet*);  das  fursten- 
pett  [soll]  mit  z\haien  guten  betten  und  das  schalltpett*)  mit 
einem  pette  zugericht  werden. 

Item:  im  gemach  da  gegenüber  sol  zugericht  werden  dn 
forsten  bettstat  mit  zwaien  guten  betten  und  daby  dn  bettstal 
mit  einem  guten  bette. 

Item:  im   gemach   g^en  der  Vilse   hinaus,    ob  den 
gesdiriben  gemachen,    sol   ein   fürsten   bette    mit    zwaien    gut 
bcttien  und  darunder  ein  schalltpett  mit  dnem  bett  zugericht  werdend 

Item:  im  fraucnzymer,  das  neu  gemacht  ist,  ein  fursten 
pettstat  mit  zweien  guten  betten,  dabd  dn  bettstat  mit  einem 
guten  bette;  und  in  der  kamer,  di  auch  an  dem  frauen  zymer 
stat,  vier  betstat  mit  \ier  guten  betten  sollen  für  di  junkfrauen 
zugericht  werden.  ^^k 

Item :   zu    den    vorgeschriben/V«/    betten    sollen   lilach  ^\^^ 
tebich,  pfullen,  küssen  etz.  bestellt  werden,  ußgcnomen   zu  d« 


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1  dei^j 


I)  Za  hrzirhcn  auf  die  Katthrrmi:  dMbn  der  Plunl. 

1  Eben». 

■}  S.  mdnc  Abhondluig  r.  Toposnphic  Ambcrgt  x.  %.  O- 

*i  D.  h.  bnetzt. 

*}  %'ir  ich  uindiHicn  müchtc,  tut  nun  danmlcr  «n  ■ctngescbaltcles*  Bett 
(v(l.  Schaltjaht.  SriimHIer-fromnunn.  Buyer.  Wärlrrbnch  11,  !S77,  S.  114).  klto  dn  Bett, 
du  nur  für  die  Zeit  dei  Fcslo  in  dem  bctrcfiendcn  Oeraach  lafBacblacesi  vunJc, 
IS  ventetien.  [?  O.  Red] 

t  Text,  ichällpell. 

*)  LctBtücher,  Betl&chrri  s.  Sdineller-Ftoinmutit  I,  1417. 


fürstenbetten ;  da  sol  der  renlmaister^)  die  tebich,  lilach, 
umbheng  etc.  und  anders^)  zuschicken  und  bestellen,  was  dann 
zn  denselben  betten  gehornde  ist. 

Item:  der  sale  im  neuen  hofe  sol  mit  schibfenstem  ver- 
glast, mit  Ihüren,  trappen,  benken  etc.,  auch  mit  einem  gang, 
darauf  etwen  vit  leut  steen  mögen,  und  pfeuffer-stulen  ußgemacht 
4ind,  /umj  darauf  zu  tanzen,  ordenlich  zugericht  werden. 

Item:  die  Stegen,  di  in  das  neu  huse  get,  sol  mit  ysnen 
lennen  zugericht  und  gemacht  werden. 

Item:  die  gros  stube  im  slos  sol  mit  einem  neuen  offen 
und  mit  40  schibtischen  auch  mit  andern,  das  zu  machen  ist, 
2ugericht,  und  di  seulen  in  der  Stuben,  wie  durch  den  rent- 
maister  angeben  ist,  gemacht  werden;  darinn  sollen  sitzen 
forsten,  graven,  herm,  rilter  und  sovil  edel*),  /als/  darinn 
sitzen  mögen. 

Nota:  Was  von  getzirde,  das  Ist  von  ufflegen*),  zu  der- 
selben und  andern  Stuben  gehört,  soE  der  rentmaister  herauf 
schaffen. 

Item:  die  größt  Stuben  oben  im  alten  huse  sol  mit  sechs 
schiebtischen,  darunden  ein  furstentisch  sein  sol  für  di  furslinf/r^ny. 
fraun  und  junkfrauen,  sovil  der[enj  darinn  gsitzen  mögen, 
zugricht,  und,  was  dcr/e/i/  darinn  nit  gesitzen  mögen,  an  ander  m.  »a 
ende  zunechst  vor  dem  sloss  zu  andern  fraun  gewisen  und 
gesalzt  werden. 

Item:  zu  den  Stuben  und  gemachen  allen  des  allen  huB 
sol  [von]  stund  an  gut  dürr  holz  gehauen^  gefurt  und  zu  jedem 
gemach  sein  holz  geordent,  auch  iglicher  Stuben  zum**)  einbrennen 
ein  knecht  zugeben  werden. 

Item:  das  in  einem  jedem  gemach  ein  kuffen  mit  wasser 
gesalzt,  [daß],  ob  feuer  uffgang  gewönne,  domit  vorkomen  werde. 

Bestellung  der  silberkamer  im  sloss.  lol.  »f. 

Item :  die  silberkamer  sol  gerumpt,  beslussig  mit  lüren  und 
ienstem  und  mit  dryen  bettstaten  zugericht  werden. 


t}  V2I.  flbrr  sriiw  TKIskril  R(n<ntttil  a.  a.  O.  1,  ZSSft. 

*t  Teil :  Ritilrr. 

^  In  dinc  Abftufung  finden  tich  inch  somit  die  Olite  geteilt;  t-  ntea  S.  42311. 

^  Alfo  TEschdecktii  a   dgl.  *]  Text:  mit. 


I 


Archiv  für  Kiil[ui£nchklik     VI.  26 


il.  35 i. 


Item:    20*)  centner  unschlit  zu  kaufen,   /iun/   daniß   Ik 
zu  machen ;  und  die  licht  sollen  im  slos,  im  mar&tal,  auch  andeii  -^n, 
die  da  licht  vordem,  gebrücht  und  ußget>en  werden. 

Item:  so  soll  der  rentmaister  8  zentner  wachs  und  4  zentnt— "^' 
docht  zu  wandelkerzen  beslelien. 

item :  2000  stcbe  zu  kcrzen  so!  der  kastner*)  bestellen  und  ai 
die  form  und  leng,  wie  der  rcntmeister  di  angeben  hat,  machen  lasseiM  ■"' 

Item:  zu  gedenken,  das  einer  oder  zwen  uff  das  myns^^*sl 
drei  Wochen  vor  dem  höchzit  hirauf  geschickt  und  beschaideiv  :^^ 
werde,  [amj  di  kerzen  uß  dem  wachs  zu  machen. 

Item:  was  von  silber  ist,  hantzwehel,-'')  tischtuch  und  anderci»^^* 
uff  der  fursten  tische,  der/iwij  zum  mynsten  vier  sein  werdenB"*^^ 
sol  der  camermeister  *)  und  kamerknecht ')  hirauf  schaffen. 

Nota:  Was  sonst  von  tischtüchem  in  der  grösen  und  andeiiK  ^^ 
Stuben  zu  den  schibtischen  gehomde  not  ist,  sol  der  lantschribe: -j:^* 
zu  Amberg ")  bestellen  und  machen  lassen.  ^M 

Item:  das  conveckt'),  so  vil  das  sein  [soUJ,  sol  der  rent*"^^ 
maister  bestellen  und  hiruff  schaffen. 


in^^^Bl 


Ordnung,  die  kuchen  antreffent 

Item:  im  sloss  sollen  di  zwu  kiichen  für  die  fursten  um 
di  zwei  gewelb,  [die]  daneben  steen,  zu  zirgadnen ")  zugerich  «"^ 
werden  mit  allem  dem,  das  darzu  gehöret,  das  ist  mit  neuer"« "^ 
hackpenken,  gellten^),  ziibern,  kesseln,  bratspissen  und  andenr"*"^ 
kuchengeschirr,  wiedasdi  notturfft  eyschen**)und  ervordern  wirdet.  ^"^ 

Item :  vor  dem  sloss  sollen  drei  kuchen  aneinander  uff  denr*"*' 
blatz  mit  borten  ^')  gemacht,  eine  fuer  di  graven  und  ritterschaft,  •  " 


t 


>)  Dir  rfimlsctiEii  Ziffern  der   HtndKbtlft  slad  hirr  der   Einfachheit  wngcn   mir 
anliiichci]  gesehen 

*)  Unlerbejmter  de«  RentindsICM;  vgl.  Roienlhil  a..  a.  O.  I,  348.    Die  SIrIk 
Kutnrrt   zu  Amber^  nalim   damals  nath  tinti    Urkunde  vum    29.  Juni  147)  (Absdirift  li 
Akt  959  des  k.  b.  HaiEv-Arrh.)  Christnpfa  OirHcr  ein. 

Tf  D.  h.  Hwidlflchcr;  SchTneller-Frcmmann,  Bayer.  Wörterbuch  11,  1176. 

^  Als  KanmennHirliT  erscheint  ti67  Wendel  v.  QeniRiingen.    Quellen  u.  Er-  II,  4lt 

*■}  Naiiiei»  I-ranz  «    unlcii  S.  IIA. 

^  Alt  wich«  Will  M63  Uk  Re*ch   vnn  Waldeck  auf-     AI.  B.  XXIV,  343;  »ji 
übet  die  Tltigkeit  de*  Landviiirdbcrs  Roscnihal  a-  t-  O    I.  388- 

0  Vül.  darilbcf  Sdiulii  a   a.  O.  (IL  Hilbbd.)  S.  5ti0. 

1  D.  1.  Speiaciiatnmeni ;  i,  SchnKllcr-Ftommaiin  a.  a-  O.  II,  1H7. 
")  Ein  hälzcme«  OefiB;  SchindIcr.FrQininann  a.  a.  O.  1,  90«. 

M)  helKhen. 

»)  D.  1.  fterder  (v.  Bord]  =  Bretter;  Schmellcr-Froniiniiui  a.  a.  O.  I,  373. 


' 


die  ander   fuer  das  gemein   gesynd,    die  dritt,    [am]  darin   zu 
breiten,  zugericht  werden. 

Ilem:  zu  den  kuchen  im  sloss  und  usserhalben  sollen 
20  fuder  koilen  und  dürr  holz  genug  zu  stunden^)  zugefurt  und 
bestallt  werden,  und  das  holz,  [das]  in  das  slos  gehört,  sol  im 
Zwinger  und  eins  teils  under  den  neuen  sale,  das  ander  uff  den 
blatz  hieraussen  uff  ein  huffen  ordenlich  gelegt  werden. 

Item:  zu  den  fünf  kuchen  sollen  15  koche  vom  Rine 
hirauf  geschickt  und  uß  dJsem  lande  fünf  darzu  gegeben  werden; 
und  die  koche  sollen  durch  Zincken')  den  meister-koch  in  di 
kuchen  getailt  und  jeglichem,  was  er  tun  sol,  durch  ine  beveih 
gegeben  werden. 

Item:  so,  das  di  hochzeit  sein  wirdet,  sollen  uß  der  vogty 
zwelf  froner  zu  den  kochen  geordeni  und  alsdann  bcschaiden 
werden,  holz,  wasser  und  anders  zu  tragen,  das  not  ist,  und*) 
hantreichung  zu  tun. 

Item:  es  sollen  Ruprecht  von  Geliching  oder  ein  andrer 
edelmann,  Linhart,  kuchen  seh  reiber,  Linhart,  schafsch  reiber,  und 
Hesel*),  der  ufftrager,  warten  uf  der  hern  kuchen  im  slos  und 
doselbst,  was  nol  sein  wirdet,  hantreichung  tun,  und  warnen, 
das  nyeniands  frembds  zugang  habe  zu  der  spiß  der  fursten; 
sie  sollen  auch  daran  sein,  was  vorab  in  meiner  gnedigen  herm 
kuchen  sol  gekocht  werden,  [daß]  dasselbig  allein  durch  sie  und 
nyemands  anders  in  di  kuchen  geantwurt  werd. 

Item:  es  sollen  di  nachgeschriben  warten  uff  di  kuchen, 
darinn  dann  graven,  nettem  etc.  gekochet  werden  sol,  und  er- 
spehen^)  haben,  fdaß[  iglichem  sein  essen  gegeben  werde  nach 
dem  er  ist*);  auch  daran  sein,  [di^]  di  essen  sammellich^  und 
snell  angcricht  werden,  [um]  dag  des  ersten  und  leisten  mit") 
essenzutragen  zu  vcrmyden. 

Kuchenmaister") 
__^__^^_    jeronimus  Schontal 

■)  O.  h-  von  dieser  Stunde  an. 

^  .Met  Zindt  .  .  ■  Un&et«  fufstcn  fibrisler  koch-  Michel  Bchelms  Rrloichfon. 
in  den  Qudlni  und  Er.  MI,  117,  Kurffint  Tiifdridi  hcdarlitr  Pfter  «uch  In  seincni  Test*- 
meat;  %.  Lossoi,  Sbal  u.  Kirdic  i-  A.  Pfali  i-  Ansganj  d  Mlttclkltcn  (^  Vorrefomut. 
Fondiunfcn  III.  MüniCer  i   W    \m)  S   SU. 

T  Teirt;  mit-  •)  .Hitueh.  »)  Jm  Tcxl;  rctpchcD.         ^  Also  oidi  seinem 

Stande.       *)  D.  h-  gteich^dlig-       ■)  D.  h-  weaen- 

^  FBt  dinni  nnd  dir  nachcnunnlen  Brdicnttrlm  vxrdiocKüchrnordnuncbettiinint' 

26* 


lol.  3Sb. 


r 


Valentin,  honcn'ogt*)  zu  GermerBhem 
Landschreiber  zu  der  NewensUI") 
Der  hußvogl«)  zu  AUtzcn*) 
Johannes  Rengspurg') 
Castner  zu  Amberg*) 
Conrad,  kuchenschreiber'). 


Antreffent  di  liverung")  im  sloss  und  usserhalbei 
Item:  zum  ersten  sol  durch  den  hoFmeister  und  marschalk 
allen  fürsten  und  herrn  verkundt  werden,  das  allein  di  Herren 
und  ritter,  (äUJ  di  furslen  mit  in/r/i/  bringen,  zu  hoFf  gan,  und 
fdaßf,  was  sonst  vom  adel  und  knechten  ist,  dieselben  ußerhalb 
des  sloss  gelivert  werden. 

Item  es  sol  neben  der  kuchen,  darinn  der  ritterschaifi  ge- 
kocht wirdet,  ein  zirgadem  und  das  haus  an  derselben  kuchen 
uff  dem  blatz  zu  alkr  kuchenspiß  zugcricht  werden,  lamj  daruB 
zu  livern;  und  [soll]  mit  schranken  also  versorgt  [werdenj,  daz 
nyman*)  ußwendig'")  darine  sich  dringens  flissen  mag,  dan  di- 
jhenen,  fdU]  daby  zu  sein  bescheiden  werden. 

Item:  es  soll  usserhalb  des  sloss  allem  volk  liverung  rauh**) 
gegeben  werden,  und  daby  sollen  sein  ein  kuchenmeister  und 
kuchenschreiber,  der  iantschreibcr  von  der  Neuenstal'*),  der  hus- 
fogt  von  Allzcn,  Johannes  Rcgenspurg  und  Heylman  von  Landaw, 
darzu  fünf  redlicher  koch,  da  sich  der  sach  mit  ußgeben  ver- 
sleen;  und  di  sollen  ein  uffsehn  haben,  uff  wieviel  person  ein 
iglicher  fürst  liverung  oder  spiß  vordert,  und  alsdann  geben, 
das  rit  clage  oder  nachrede  erwachs.  Sie  sollen  auch  gegen 
ydermann  guttig  mit  Worten  und  doch  nif  ganz  zu  richlich  mit 
ußgeben  sein. 


■>  Der  Nunc  rflhrl  daher,  daß  a  die  Hahiur,  ««Ich«  die  I.eUMlsiwn  mtrkhtoi 
tnafitcn,  »«  «lieben  halle  Rid,  Hol-  und'  Slut»diei»t  in  .  .  PUz-Zvribrüclcen  in 
MiltdlK  d,  hi«.  Vcr  d   Wal/  XXI  (UM).  163. 

*>  NeusUtd^  jcdcnfillf  d«  t.  d.  Hudt. 

^  WirUchillsbeamter. 

■]  Altey,  li'mle  in  Rh«inh«tm. 

B)  Min  Cnnrid  ReKeR&txrrsrr  vir  rriedricl»  B&chvninditer.  Qnelkn  iitd  Er.  II,  3M. 

■>  S-  üben  S-  «Ol,  Anm.  I.        T}  S.  tid  ■.  ■.  0.  S.  ÖD. 

']  V.  "ty.  die  Verabreichung  der  Spdien. 

^  niemand. 

1^  O.  li  wer  nicht  hinein  gdiört. 

i>i  U.  h.  «abl  ungekochte,  rohe  Speisen. 

1»)  Text:  Nwcirtrt. 


IB 

4 


Item:  es  sollen  zu  jeder  zil  auf  drey  ymbs')  speisung  ge- 
^cbecn  und  also,  {dqßj,  was  von  honern,  capun  etc.  ist,  dasscib 
lebentig  den  fursten  heimgeschickt  [werde];  darzu  ufmcrkcn  zu 
liaben,  was  von  gesalzem  wildpret,  auch  hering  ist,  [daß]  dasselb  gut 
^^t  davor  ußgeben  werde,  (am}  das  wessern  und  bereiten  zu 
'assen,  uff  das  di  profande-)  also")  ußgeben  wurdet  und  eins 
yglichen  fursten  Hofgesinde  sich  also  derselben  gebrauchen  möge. 

Item:  es  sol  ein  metzelhuse  für  das  nntfich  uff  der  Vilß 
sechst  am  sloss  zugericht  werden  und  metzler,  /«m/  daz  fleisch 
ördenlich  zu  beretten,  darzu  bestallt  und  beschaiden  werden. 
Es  sollen  auch  di  metzler  verpflicht  sein,  [daß}  di  hutte  und  das 
Unschlil,  [das]  davon  gevallen  wurt,  einem  kuchen  seh  reiber  von 
^ins  gnedigen  herm  wegen  geantwort  und  gegeben  werden. 

Bestellung  der  profande  in  die  kuchen: 
Hera;  es  sollen  Unhart,  kuchensch reiber,  und  (derl  castner 
'u  Amberg*)  ein  uffsehen  haben  uff  alle  nachgeschriben  profande, 
/ttm/  dazselbig  zu  yder  zit,  wie  hernach  volget,  zu  empfahen 
^d  zu  versorgen. 

Item:  diß  nachgeschriben  profande  ist  in  den  ampten  in 
"»achbestimpter  massen  angelegt,  bestellt  und  von  den  armluten*) 
2u  geben  zugesagt  worden;  uff  tag  und  zit  zu  antworten*),  wie 
hernach  stet: 

Item  die  vogtei  zu  Amberg  sol  geben  und  uff  dinstag  vor 
^*m  sonlag  Esto  mihi')  gein  Amberg  antworten: 
3000  honer 
6000  eir 
300  kelber 
tOO  kopun 
100  spenscu. 

Item   uß  dem   ampt  Vilßeck")   sol  gevallen  und   uff  den 
^'^genannten  tag  geantwort  werden: 
250  honer 
3500  eir 
44  kelber. 

1)  Imbin.       •)  D.  i.  Nituralim.       >)  Tnt:  dl  *t«o.      *>  S.  oben  S.  4113,  Anm.  i. 

*)  Die  •armen  Leulc  sind  die  HAHgcn. 

^  D.  h-  ra  verabfolgen.       T]  is.  Frt>n»r.       >r  S-  oben  S.  396,  Anm.  II, 


(ol-  26  b. 


lol-  17  t. 


Ol.  tTb 


h 


bl.  Ua 


Item  von  der  abtei  zu  CastelP)   sol  gevallen    und  u 
benannte  zit  g;eantwort  werden: 
500  huner 
3000  eir 
31  kelber 
10  spenseu. 
Item  vom  ampt  Nabpurg*)  sol  uf  mittvv'och  vor  Esto  mi 
gein  Amberg  geantwort  werden: 
3000  honer 
6000  eier 
300  kelber 
100  spensew 
100  hasen. 
Item  vom  castenambl*)  zu  Amberg  sol  meinem  g(nedig' 
herm  uff  sontag  vor  Esto  mihi'^)  geantwort  werden: 
2000  honer 
4000  eir 
200  kelber 
TOO  spensew 
50  copun 
6  eimer  milch. 
Item    vom   anibt    Waldeck  •)    sol    auf    montag    vor 
mihi')  gein  Amberg  geantwort  werden: 
2000  honer 
20C0  eir 
150  kelber 
50  spenseu 
50  copun. 
Item  vom  ambt  Oravenwerd")  sol  auf    dinstag    vor    est 
mihi*)  gein  Amberg  geantwort  werden: 
500  eir 
150  honer 
.  .  .  kelber 
1 0  spensew ; 
und  hasen  sol  der  pfleger'")  vahcn,  sovil  er  /wr/mag. 

■y  Bei  Ktmiutb.  1  öitllch  von  Ambcre.  >)  I6.  Pd>nur  *)  V'sl  Ober  die  KuMb- 
fauler  Rcnaittial  ».  i.  O- 1,  149.  ^  13.  Ftbntr.  ■)  S.  oben  S-  )96,  Arn»,  s.  f)  m.  Febnar. 
^  S.  oben  S.  196,  Ahoi.  i6.       ■)  ii.  Fdiniar.       t^  Hins  PfrcJmbdcf  s.  oben  S.  MA. 


Item   US  dem  ampt  Helffenberg ')  sollen  gevallen  und  auf 
dinstag  vor  Esto  mihi  gein  Amberg  geantwort  werden: 
300  honcr 
600  eir 

20  kelber 

10  spenseu. 
Item  von  der  abbtei  zu  Einstorff -}  sol  uff  di  benannte  zit     loi.  ^sb. 
gevallen  und  [geantf/ortj  werden: 
100  honer 
600  eir 

20  spenseu. 
Item:  SO  guter  ochsen  und  30  guter  ku; 

50  bruling^'}; 

80  Zentner  butten ; 

24  thonnen  hering; 
800  Stockfisch; 
1  thonnen  honigs; 

60  thonnen  schweine-  und  hirschen  wildpret; 

30  Scheiben  salz; 

60  virlel  Specks; 
Item:  würz  von  safran  und  andern,  was  darzu  gebort,  sol 
"von  Heydelberg  hirauf  bracht  werden. 

5  Zentner  mandlen; 
13  korb  feigen; 

5  Zentner*)  zuckers; 

3  Zentner  gros  und  klein  rosin; 
Item   10  zopf)  toulben(?);  (oi.  »a 

zwei  ganz  tuch  zu  slrichtucliern^); 
*/,  ame")  pfersicli; 

3  ame  esstch; 
60  pfunt  setiftmei; 
20  thonnen  kruls;  gerslen  stampfen  zu  lassen. 


>>  S.  obirn  S.  V)l,  Anm.  3. 

^  Errsdarf  D«llich  win  AntberK- 

^  FriKhIinge-    D.  Rcd. 

*>  Text:  -ictncr 

^  Vabl  .Oetlecht*:  vgl.  .lopfen'^du  HaorfltchtRi.  SdiDicIlcr-Prnnnnann  II,  1145. 

^  Wohl  von  .ürickcn"  ?  s.  ebd.  IJ,  M9.  (Nctn ;  vgl.  »Mditroch  \MivAxn  (Lctcr).  D  Red.J 

(]  näuigkeiU-Ürrili  und  -Maß;  vgl.  Aimcr;  cbd-  S.  7». 


M.  Ml. 


Mb. 


Item:   300  hasea   sind  durch   di   tmbtlut  zu   lircni 
sagt  worden. 

Item :  SU  sol  von  wildpret  gejagt  und  flis  angekert  werden, 
/daßj.  was  gefangen,  dasselb  frisch  zu  den  kuchen  gelivert  werde. 

Item :   ^-elthoncr,  narrhonnen  *),   sovil    zu  Waldeck   und  in 
allen  ampten  sein,  uff  di  zit  zu  fahen  und  gein  Amberg  zu  schicken. 


Antreffend*)  di  diener,  /die/  im  sloss,  in  allen  gemache 
zu  warten,  auch  mit  essentragen  beschaiden  sin: 

Item:  in  nt  davon  zu  reden,  were  der  fursten  essen  /zaj 
tragen,  were  vor  dem  essen,  auch  vor  der  fursten  tisch  zu  steeii 
geordent  werde,  das  bevilh  idi  hofmeislem  und  marschaJken. 

Item:  es  sol  der  hofmeistep  zum  mynsten  nach  sechs  edlen 
gedenken,  der/f/i/  vier  in  der  grossen  stuben  und  zwen  in  der 
Stuben,  darin  di  frauen  sitzen  werden,  sin  sollen,  /am/  ein  uff- 
sehen  zu  haben  uff  di  essen,  das  di  recht  angesetzt,  auch  iglichem 
nach  seiner  stat*)  mit  spis  und  getranken  angericht  und  ge- 
geben werde. 

Item:  ez  sollen  Hofmeister  und  marschalk  alle  einspMig 
knecht*),  dorzu  von  mcins  gnedigen  herm  hofgesind  (sovUt,  dqßj 
derfai/  mit  den  einspenigen  knechten  scchtztg  sein  sollen,  ver- 
beschaiden  und  dorzu  halten  diselben,  di  zit,  fsoj  der  hoff 
weret,  zu  warten  und  zu  tun,  als  hernach  stet. 

Item  der  knecfat  sollen  uff  das  mynst  vierzig  zu  der  kuchen 
geordent  werden,  famj  essen  helfen  anzutragen,  und  zehen') 
knecht  in  der  grossen  stuben  im  sloss  essen  helfen  uffheben  und 
damit  ein  uffeehen  haben*)  uff  all  tisch,  ob  gebrech  an  brott 
oder  wein  were,  das  /sie  dem]  zuvorkommen  und  antragen  *)l 

Item:  es  sollen  sechs  knecht  den  frauen  ir  essen  zub'^cn 
und  vier  knecht  in  der  frauen  stuben  beschaiden  werden  zu 
warten;  und  dieselben  sollen  sich  mit  iren  dinsten  erzeigen 
gegen  den  frauen,  das  sie  nit  Scheltwort  von  denselben  cnpfabeti. 


M 


>>  W>s  ifi  EClBent? 
*}  Tncl:  uitrrffm- 
^  D.  k.  nach  sÖMm  Sunde. 
*>  Krtcfilnle  (SckaKÜcr-Fronauan  II,  tiy),   inat  anr  ein  Pferd  xulBad  aad  &t 
'n  Diont  an  etocs  Imiikuf  Mhä^tn,  cioo  Hajtxkicn  «■  dfl^  vmÜKB. 
M  T«:  du  Khoi. 
*>  Tczi.  zu  kifcea. 
*1  Toa:  iBiotnfm. 


4 


Quellen  zur  Ambcf:Ker  Hochzeit  von  1474. 


Ordnung  den  keller  antreffen!  foi.  ju. 

Hern :  es  sollen  Moringer  ^),  der  schenk,  und  Hanns  Kellner 
^^  der  bürg  doran  sein,  das  wein  und  brot  im  sloss  allein  vor 
^»i  fdifj  im  sloss  essen,  gegeben  werde  und  hie  ussen  vor  dem 
sloss  in  dem  huse,  das  darzu  geordert  ist  mit  wein  und  brott; 
auch  iren  knechten,  di  mit  der  liverung  etwas  künden  zugericht 
sein-),  fsoUen  sif  befehknj,  an  dem  ende  iglichen  fursten,  als 
sich  dann  geburt,  liverung  zu  tun;  und  sol  insonderheit  also 
gehalten  werden,  das  nil  liverung  an  zweien  enden  beschee. 

Item:  die  schenken  sollen,  vordem  und  ee  di  fursten 
komen,  iglichem  forsten  sein  wein  in  den*)  keller,  da  er  zu 
herberg  ist,  auch  sein  bröt  geben  und  füren  lassen. 

Item:  es  sol  ein  krausenkemerlin*)  under  dem  steinpogen 
dez  neuen  salls  und  dann  ein  speüßkamer  neben  der  marstal- 
stuben  gemacht  und  zugericht  werden. 

Hern :  das  gewolb  under  dem  thorne,  darauf  die  kanzly  im 
sloss  gewest  Ist,  sol  zu  ein  brotkamer  zugericht  werden. 

Auch  sollen  die  nachgeschriben  wein  bestellt  werden:      loi.  3fb. 

Item:  ein  fuder  Malmasy"*). 

Item :  sechs  lagcl  *"}  Rcinfal  ^. 

Item:  vier  lagel  Wetschwetn ''). 

Item:  hundert  und  zehen  fuder  Lantwein. 

Item:  achtzig  gellten"),  [am]  domit  wein  uffzutragen. 

Item:  dreutusent  krauser. 

Item:  es  sol  durch  den  lantschriber  und  kastner  zu  Amberg 
^^isent  virtel  wailzen  und  tausent  virte!  korns  ze  malen  geton 
^«rden,  und  sie  sollen  daby  gericht^*)  sein,  ob  mer  malens  not 
^>n  wurde,  [daß!  dasselb  bestalt  und  vorhanden  sei. 

Item:    es   sollen  sechs  brotbeckerhuser,  di   nechsten    umb     foi.  sn. 
*^  sloss,  bestallt  und  von  myns  gnedigen  herrn  wegen  [für]  di 

If  1)  HtM  V.  Mflringm;  vgl.  Krenirr,  Utk.  443;  Quellen  und  Er.  It,  tri;  MI.  t>4; 

^■^ler  II*  SS«T  Johinn  Krt3cr  v.  Maringni. 

■t  D-  h.  die  darin  efit  bmndcrt  virm,  Erfahrung  hütfrn- 

•j  Teat ;  Inn. 

*|  D.  I.  eine  Kimmer  lür  die  -Kiiueen*,  d.  h.  Krä^e;  i.  SchRiclIer-I'romitntnn  I,  iSSO, 
f*  >)  Wein   «US   Mancnibu&lä.     SchullJ,   Dculsdics   Leben   im   XIV.   u.   XV.  Jahrh. 

-  Aiitg.  (1.  Halbband)  S-  SOS. 

^  3  Fißilien.    Schmctlcr-Frormnann  1.  »4S3.       »)  Aw«  irtrien  SchulU  a.  a.  O. 

•)  Aul  Italien  Schulu  a.  a  O.      *)  S.  oben  S.  *o:.  Arm.  9-       >«)  fertlatot 


410 


Maxüntlun  Bucbner. 


TXt,  [so  lange]  der  hoffe  wrrt,  ingenömen  u-erdcn,  [amß  darinn 
weck  und  komprot  ze  pichen,  wie  das  angeben  wirdel;  und 
di  becker  in  denselben  huscm  sollen  di  zit,  (so]  der  hoffe 
wert,  mit  hachen  uff  meinen  gncdigen  herm  und  den  how  alteiD 
warten  und  nymand  anders  bachen. 

Item:  es  sollen  auch  di  becker  und  knecht,  di  zu  dem 
hochzit  pachen  werden,  getreulich  mit  dem  bachen  und  dem  gut, 
das  ine  vc»i  melle  vom  castner  geantwort')  wird,  umbzugeD 
{gehalten  sein],  und,  was  an  brot  und  von  klicn*)  davon  ge- 
fellet,  dasselbig  meinem  gnedigen  herrn   volgen ')   zu  lassen. 

Item:  der  kastner  sol  eigentlich')  zu  yder  zit  mit  iglicbem 
becker,  wievil  er  an  waitz-  und  kommelc  überantwortet,  kerben*) 
machen  und  aussneiden  *),  fum]  domil  zu  usgang  des  hochzit 
zu  verrechnen,  vtrievit  di  zit  ufgangen  ist 

Item :  es  sollen  di  becker  anfahen  zu  bachen  uff  fritag  vor 
dem  Sonntag  Exurge^  und  fur/<tfer/hin  so  tag  so  nachts,  [so- 
lange] di  hochzit  weret,  bachen  und  nit  uffhören,  sie  werden 
dann  dez  beschiden,  und  allzit  daran  sein,  das  nit  gebrechen  an 
brot  geschee. 


foi.  IIa.  Ordnung,  den  marstal  antreffen!. 

Item:  es  sollen  sechs  fulerroren  in  der  stat  angeben  und 
gemacht  und  je  einem  oder  zweien  fürstcn  ein  rore  zugeteill 
werden,  [um]  an  der  selben  roren  dl  zit,  [solange]  der  hoffe 
wert,  futterung  zu  enpfahen. 

Item:  uff  myns  gnedigen  herm  gutbeduncken,  so  sol  den 
forsten  iglichem  uff  seine  pferd  habem  in  secken  in  di  herberg 
gefurt  und  di  graven,  herrn,  ritter  und  knecht  desselben  fursteo 
sollen  an  der  rom  gelivert  werden. 

Item:  es  sol  by  der  futtning  und  an  iglicher  rom  meins 
gnedigen  herm  knecht  einer  sein  und  by  im  haben  des  furstcn 
fulermeister,  und  einer,  der  den  habem  usmist;  und  sei  derselb 
knecht  vorab  di  ersten  nacht  eigentlich  die  pferd,  wievil  gefuttert 
werden,  uffzeichen  und   dieselben   verzeichenus  hofmeister  und 


■)  D.  h.  Obcreeben.  >)  Kldcn.  ^  Verabfolgen. 
*>  Zw  Redutwig;  s-  SdifDelln-Prammann  I,  tZK. 
fl  T«!:  antnddai.        T)  11.  Pctmuw. 


•)  geaui. 


i 


marschalk  überantworten,  uff  daz  man  sich  mit  dem  futer  und 
auch  mit  andern  profande  in  der  kuchcn  di  andern  tag')  dester 
bas  wisse  darnach  zu  richten. 

Item  ein  gedenken  zu  haben  mit  dem  mese,  wie  gros  das 
sein  [soUej,  domit  di  futtrung  uff  ein  pferd  gescheen  solle. 

Die  futerroren  und  «kästen  sollen  den  fürsten  und 

herrn  mit  den  knechten,  [die]  darzu  geordent,  zugeteilt 

werden,  wie  nachvolget: 

Item  meinem  gnedi^en  herrn  dem  pfalzgraffen  und  seiner 
gnaden  söne,  auch  allen  6cT\/enJ,  di  sein  gnade  mit  im  bracht 
hat,  ein  roren  im  kastenhove-);  und  by  der  futrung  sollen  sein 
Michel  Strack*),  Hanns  von  Weynheym*),  ein  Schreiber  und  ein 
knecht,  der  ußmist. 

Item  meinem  herrn  herzog  Ludwigen  für  800  reisig  pferd 
(darinn  begriffen  ist  herzog  Jörg,  herzog  Ott  und  herzog  ChristofO*) 
so)  gegeben  werden  ein  roren;  daby  soll  sein  der  kastner  zu 
Nabpurg  Hans  De)'chsler  von  meins  gnedigen  herrn  wegen- 

Item  die  gebruder  herzogen  zu  Sachsen  sollen  haben  ein 
roren,  den/if«/  sol  zugeben  werden  der  kasstner  zu  Vilöeck 
Peter  Teintzer. 

Item  herzog  Albrechten  in  obern  und  nydem  Bairen,  die 
bischove  von  Regenspurg,  Augspurg  und  Eyslett  sollen  haben 
ein  roren;  den  sol  zugeben  werden  Jobst  Kastner. 

Item  mein  Traue  von  Osterreich,  mein  fraue  von  Wirttera- 
berg  und  grave  Eberhart  von  Wirlemberg  sollen  haben  ein  roren 
und  ein  knecht,  der  genannt  ist  Fritz  Vormaistcr. 

Item  dem*)  lantgrave  vom  Leuchtenberg')  und  der")  landt- 
frauen  '),  auch  andern '")  von  steten  sol  gegeben  werden  ein  roren, 
[äiej  ist  genannt  di  gemain  futerroren. 

Item  ein  gedenken   zu    haben,   wie  es  mit  denjhencn,  di 


rol  bcvtistet*  reimt  Michd  Bchdm 


1]  D.  b.  «ihraid  der  andcmt  Tage. 

■)  D-  h-  im  Hofe  des  Kastmatntn  tu  AmbcrK- 

•>  .MIchdl  Schuck,  furttcnreisier,  ein  frumer 
auf  ihn.    Quellen  u.  V.r.  111,  117. 

*)  Cr  njliiu  dte  Slrllr  dna  .I'rolhonoUnus*  in  der  pfälilsc^ioi  Kuiftn  ein.   Wtecb  il. 

*]  Die  bjeiden  Irtrtcrcji  hollcn  die  Braut  von  Landthnl  dn     Nähtrei  In  meiner  oben 
S-   m,  Aniii.  i  gcnuijitcn  Abhandlung. 

•J  Test:  dw        '>  Text:  Leuteuberg.        •)  Text:  dl.        i)  S.  uaMiS.  419,  Anro.  S. 

"0  Text :  ander. 


fol.  33  b. 


föl.  141. 


34b 


nit  mit  meinem  g(nedigen)  herm  noch  mit  andern  fursten  komen 
sin,  sol  gehalten  werden,  ob  sie  wurden  futer  vordem,  nemlich 
[mit  denen]  di  von  steten,  und  andren '),  dt  umb  zuschus  willen') 
dahin  komen  werden;  ja  nit  allein  mit  der  fQtrung,  aud)  mit 
der  livemng  in  der  kuchen. 

Item  es  soll  der  kastner  bestellen  heu  und  streu  und  dez 
genug  beden  meinen  gnedigen  herm  in  marstall  und  cüich  belt 
zurichten  für  di  knaben,  [am]  im  stall  zu  ligen.  Auch  waz 
gebrech  im  marstal  an  den  paren  oder  raufen,  oder  wie  daz 
wcrc,  [daß]  dasselbig  gemacht  und  ordenlich  zugericht  werde. 

Nota;  Wenn  also  di  amptlut,  [die]  hieoben  zu  dem  hoch-  I 
zit  beschaiden  [sind],  komen,   werden  di  ambl  cmplosst;  davon 
zu  reden,  wie  di  sloss  und  stet  besetzt  [werden  sollen],  domit  nit 
unrate  und  schaden  darinn  ufferstee,  sonder  [dem]  vorkomen  werd. 

Nachschrift  von  andrer  Hand:  Ist  alles  wolgeordent 
on  die  canrly.  <^tT[en]  ist  gar  nicht  gedacht  und  muß  alles  helfen 
betrachten,  schriben,  orden  und  befelhen,  und  niemand  gedenkt  ir! 


17 1. 


Ordnung  wie  ein  jeglicher  uff  der  hochzeit  warten  sol'). 

Diese   nachbenanten   sollen   uff  mein  gnedigen   herm*) 

warten: 
Hofmaister,   marschalk,   graffen,   herm,   riltcr  und   knecht 
sollen  uff  meinen  gnedigen  herm  gewarten,  ußgesondert  dijhenen, 
[die]  uff  m(eine)  g(nedige)  frau ")  zu  warten  geordent  sein. 

Essenträger : 
Wolfgang  von  Parsperg*). 

Furschneider: 
Schweicker  von  Schaunberg"). 


I 


1)  Tcxl:  Bndrr. 

1)  D.  h.  jedenfalls:  um  sdimirolzm  zu  können. 

>)  Ah«chnfl   Ln  rittrm  dem  Ahl  QS9  dn  k.  h.  Hant-Archtv)  balkgcnden  Hf 
<».  oboi  S.  385  f). 

*)  Hiermit  Ist  wohl  Plilrffnf  Philipp,  n(dit  Kurffir»!  Friedrich  gmieiirt,  ■ 
imiKtTNi  «ahrschdnilich  dariu«  vird,  difl  unmittelbar  darauf  von  .mcinei  gnidigcn  Tn 
also  von  Philipps  künfligtr  üemahlJn,  die  Kede  ist. 

^1  Wohl  PhlHppH  Btaul,  iiii-ht  dertn  Müttn-,  muß  hteninter  ventudoi  werden. 

*i  Vgl.  (Juellen  n    Er.  111,  S?4. 

*)  V^.  ebd.  S.  331. 


Weintreger: 

i  Hanns  Kuepam');   und  soP)    frembd    leut,  die    warn   ein 

l     K^aven,  darzu  zu  ordnen  [gekalten  sein/.     [?  D.  Red.J 

I  Furgerger : 

^^^  Wilhelm  Liebenecker'). 

^^B  Schenk: 

^^^         Reinhart  von  Qemmingen '). 

^^B  Underschenk: 

^^B  Hanns  Schinnagel 

^^B  Hanns  Keller^)  uff  ein  wagen. 

^^^  Diese  sollen  herberg  uDgeben: 

^^  Jacob  Schraiber,  Jörg  Gutzinoffen ")  und  sollen  sich  an  allen 

[     ariden   zeitlich   an   di   herberg  fuegen   und  jedermann  versehen, 

^*^  pest  sy  mögen ;  und  so  sy  hören,  das  di  knecht  nach  der  slallung 

'tomen,  so  sollen  sy    uff  ir  pferd  sitzen  und  sy  guetlich  under- 

^eisen  und  niemand  hochmuttigen. 

Fuellennaister: 
Christoff  Krapff,  Schwap  Hanns  und  ein  schreibet,  di  sollen 

'Uttern  mit  dem  maß,  das  mferij  der  marschalk  zuordnen   wirf, 

|^"d    sollen    einem    fuettem    al£i  dem   andern    und,    sopald    sy 
^^men,  sich  dazu  schicken. 

Nota:  di  ainspenigen   knecht"),   auch  diser  nachgcschriben 

^ellcut   knecht   zu    beschaiden,  jetzt,   so  di   teut  herkomen    uff 

*^ctn  weg  gein  Landshut,  in  der")  herberg  zu  Landshut  und  uff 

*'*tn  weg  wider  heniff,")  das  sy  helfen  essen  tragen  und  der  tisch  zu 

^*^rten :  hofmaister  l  knecht,  marschalk  l  knecht,  Hanns  von  Tradt  *") 

^  knecht,  Hanns  Kueparn")  i  knecht,  Parsperger*-)  i  knecht,  Contz 

I       ^om  Eglofstain'^)  i  knecht,  Reinhart  von  Oemingen**)  1  knecht, 

I       Hanns  Pfreimbder'*)  1  knecht,  Hanns  Schlamerßdorffer '")  1  knecht. 

I  Meins    g(nedigen)    hcrrn    cinspenigen   knechten    zu   sagen, 

^^_  t]  Vgl.  unten  S.  «19.  Anin.  29. 

^^H  *}  T«l :  Kl.       >)  S.  oben  S.  J»T. 

^^H  *)  Vgl.  Quellen  u-  Er.  l\.  233.  >}  S.  oben  S.  409. 

^^H  <)  S.  oben  S-  40«,  Antn.  «-       >)  Tcxl:  dl-       •)  Vgl-  oben  S>  it9f. 

f^^^    ,  w)  NichmiU  pß]ftKher  Mmcholl ;  radi  sditcni  Tode  tollte  er  ]n  der  ptUz.  Stge 

f  T*^' bedeuten  Je  Rolle  !.pic!cn;  b.  übtr  ihn  den  Auf»aU  i-  d.  PaJitina  (Beil.  J.  PßlMfZtg.) 

**?  .Sr.  63tf.  und  mc([i«i  im  Pill/.  MuKuni  erscheinenden  Britiag  114  seinCT  Diognphie. 

1)  S.  oben  mif  dincr  Seile-       ")  S.  nben  S.  413. 

»)  Tohl  IdetiCiich   mit  dem  unten  S.  4:^9  Kcnatinler  Konnd  (Cum)  v.  EglafftUJn. 

M)  S.  oben  aul  dieter  Seite.  '»}  S.  oben  S.  396.  ")  S.  oben  S.  394. 


fol.  17b 


I 


toi,  iaa- 


414 


Maiiniflton  Büchner. 


fol.  iBb 


lel-  »a- 


auch    in    obgemeltcr   maß    zu    warten ,    welcher ' 
ambts  halb,  das  im  sonst  empfolhen  ist,  gethun^ 

Den  frembden  graffen  und  heim  zu  sagei^ 
wurd,  das  iTfer]  jeglicher  2  knedit  in  obgeschribn 

Den  frembden  rittcm  und  knechten  zu  si 
jegklicher  ein  knecht  darleihe. 

Item:  ist  di  mainung,  das  di  graffen,  herrn,< 
leut,  di  uff  m(ein)  g(nedige)  frauen  zu  Charten  b 
ir  knecht.  di  sy  gel>en  werden,  in  meiner  g(nedq 
mach  dienen  lassen  und  gewarten.  i 

Item:  das  Eberhart  Ruebsam*)  mit  denselbc 
Ordnung  mach,  über  welchen  tisch  jecklicher  di 
das  alweg  einer  vor  dem  tisch  sei  und  zum  mim 
trag,  [je]  domach  er  knecht  hat;  und  das  er  allemal 
di  kuchen  gee  und  daran  sei,  das  sy  mit  dem 
und  miteinander  ordenlich  dargelragcn  und  von 
zuchtiklich  vor  dem  tisch  gehalten  werde. 

Deßgleichen  sollen  der  graffen,  berrn,  r^ 
knecht  in  meins  g(nedigen}  herrn  gemach  essen  frag 

Der  Oiesser  *)  und  kuchensch reiber  *)  [sollen 
gein  Landshuct  thun  als  Rubsam  %  wie  obgcschril 
hofmaislcr  und  marsclialk  auch  zusehen. 

So  man  gein  Landshuet  kombt,  will  der  hofn 
Pfreimbdem  •)  oder  tm[en]  andern  darzu  ordnen 

Der  Zymerer')  soll  alweg  uff  dem  hofmaia 

Des   pflegers  son    von    Helffenberg*)   sol 
marschalk  warten. 

Diese  nachbenante  sollen  uff  mein  gnedige 
Hofmaisler  ^*),  graff  Ott  von  Solms");  dorzu  sä 
helfen  gewarten  schenk  Philips,  herr  zu  Erpach'* 

>)  »c  ron  den  dn«p3nnisen  Kim-hkn.  *}  Tnl;  iHhaa. 

*)  Cbcrtiard  McraiberE  gm.  Rübtamen :  vgl.  OUndirMer,  U 
gocli.  (IVD?).  Nr.  6M,  «}9.  «61.  ' 

«>  S.  oben  S.  1«2,  Anm.  t,  >)  S.  oben  S.  M3.  ■>  S.  i 

')  S.  (ibtu  &.  W6, 

>>  Hcfnricb  ZimtncncT;  Veitenrla]«r  IT4;  er  wurde  nath  dl 
fdinetd«-  im  Hofitut  Mireairten«  bertcIlL    H.  A.  Aid  »59. 

•t  S.  oben  S.  3VT.  I 

■^  Wohl  der  niedtrfeirriic^hc  Holmeitter  Hans  v.  Fruoibere  {*: 
oder  der  FrjiiienhalmrliteT  ChrUtoph  Sctutrtoibereer  (s.  nnlcn  S.  4)5, 

"}  S.  unten  S.  43?.       ")  T«t:  brepich.    S.  unten  S.  434. 


I 


Ouetlei  zur  Amb*rger  Hochzeit  von  1474. 


Egioffstain '),   Erhart  von  Rornstat,  ritter,')   Haug  von  Parsperg, 
rittcr').  Philips  von  Dalberg*). 

Vorgen  ger : 
Hanns  Schlamcrßdorffer*). 

Schenk : 
11  \-naiiiciiiiaibicr -;.     Caspar  Escheiibeckh ")  an  seiner  stat. 

t  Furschneider: 

I     fra 
f     dei 


Chamennaister "). 
Albrecht  Oöler*-). 


Essentreger: 

Johan  von  Helmstat''). 

Weintreger : 

Conrad  vom  Franckenstein ^*^)  und,  so")  mjein)  g{nedige) 
frau  bei  den  frembden  frauen  essen  wirt,  sosoll  Westerberger *') 
den  wein  tragen;  aber  so  ir  gnad  in  der  herbcrg  Ißt"),  so! 
Franckenstain  wein  tragen. 

Schenk  Philipsen")  und  Weslerbergem  zu  empfelhen: 
wan  m(etn}  g(nedige)  frau  vor  ir  g{naden)  herberg  absteen"),  solin 
sy^*)  zwen  auch  absteen,  sy  empfahen,  darzu  alle  ander  ritter 
und  knecht,  und  ir  g(naden)  biß  in  herberg  vorgeen. 

Edelknaben; 

Strolenfelser,  der  jung  Erlickanicr,*")  Christof  Scharpffen- 
bcrgcr")  son,  chamcrmaisters '•)  son. 

Sebald  Frei™)  sol  mitsambt  seinem  knecht  uff  di  hof- 
maisterin  und  ir  junkfrauen  gewarten. 


I)  Vohl  der  uirtcr  S-  *19  Kenunlr- 

*)  Vgl  oben  S.  396;  iitti  hlicr  Erhart,  th«1en  mm  Ehrcndicnit  bei  Herzog  Ludwig 
bettitnmt,  zum  Dimsl  b«i  MarEarcthe  befohlen  vird.  llät  crktniicn,  diä  diese  Ordnung 
tnt  abgefaHt  «tirde,  narhdeni  djt  Erscheinni  l.udiriK«  tmeili  ati^nai^l  var. 

1)  Vgl.  Hund.  Bayrisch  Stammcnbuch  (nn)  It,  2«;  Wntcnrirdrt  174. 

*>  Der  Oheim  de«  berQhmlert  Hiimftrliien  und  Wormicr  Bi^chols.  Momevcg, 
Johuiii  V.  Datberg  {IIB7],  S.  H;  vgl   Quellen  u-  Er-  Ut,  33i. 

*)  S.  oben  S.  J».       «J  S.  oben  S.  «z. 

<)~Er  wurde  spiter  [28.  Februar)  alt  Haushndneisler  und  Kamnunneltlrr  bei  Philipp 
uicntclll     H.  A.  Akt  M9 

•)  Text;  Ooler.    Vgl.  Quellen  u.  Er,  IIl.  U3,  in. 

■)  Jedenfalls  idcntiMh  mit  dem  Hans  v.  HdmtUt,  der  bei  Wettcnrieder  1)4  unter 
PMlipps  Gefolge  genannt  «iid. 

»)  Vgl.  Werch  5   9- 

U)  Im  Text  vor  -«•  .idn'  darriinrldien.  »>  Vgl.  unten  S.  •»«. 

»)  Text;  lil.         ")  S   unten  S   «*.         i»)  abUclgcn         =8)  Toni  u  ly. 

<'?)  Michel  [:rlidihainier(s.  unlenS.  4i6),  rohl  der  Sohn  de«  nnten  (S.  4i6>Oe(unnten. 

>*)  Qirittoph  Schaxlenbngex  wurde  nach  der  Hoctiicil  lum  Frauenhofmeistcr  be- 
»Icllt.     H.  A.  Akt  919;  .M.  B.  XXIV,  676;  Sl.  Chron.  II,  442. 

»•)  S.  oben  S  *0i,  Anui.  4. 

^  Vgl.  Ve«teinic4kr  iTS,  vo  es  imümlich  .OcbolU'  stall  «Sebald*  hdßt> 


fol.  19b. 


fol.  loa. 


MaximilUn  Buchner. 


Diese  sollen  uff  di  junkfrauen,  so  sy  zum  danz  gecnt,  ge- 
warten,  auch  zu  disch  helfen  dienen  und  essen  tragen:  Wilhatm, 
meiner  gnedigsten  frauen  Schneider,  Hanns  Stoffel,  Fridcrich 
Armproster'),  Meister  Ruprecht 

Maister  Ruprecht  so9  in  sonderhait  der  junkfrauen  schenk  sein. 

Schenk  Philipsen  und  Contzen  vom  Egloffslein  zu  empfelhen, 
ire  knecht  zum  -)  danzen  und  sonst  darzu  zu  ordnen,  das  sy  uff  di 
junkfrauen  acht  haben  und  gew*ar1en,  das  di  nit  gedruckt  werden. 

Stosscr  sol  auch  darzu  geordenl  werden,  in  allen  herbcrgen, 
wo  mein  g(enedige)  frau  abstecn  wurdet,  ire  pferd  zu  empfahen, 
und,  so  sy  wider  ufsiczl,  das  pferd  darzuziehen. 

fiaintz  Vindt  soll  Stossem  sein   pferd  darziehen    und   uff 
ine  warten, 
foi.  2flb.  Dise    nachgeschribne   sollen    in  metner  g(nedigen)   frau^i 

marstal  irer  gnaden  pferd  und  di  dabei  stehen ')  werden,  warten: 
Mainz  Haider*),  raarstaller,  der  Schmidt,  des  chamermeisters 
kncchl  Franz. 

Diese  obgeschriebne  sollen,  so  di  junkfrauen  uffsiczen  werden, 
auch  \T[er]  jegklicher  ein  pferd  bei  der  hand  nemen  und  dar- 
ziehen, auch,  so  sy  absiezen,  jeglicher  das  sein  wider  eraptihen. 

Diese  sollen  der  junkfrauen  ire  pferd  darziehen,  so  sy  uff- 
siczen, und  wider  empfahen,  sc  si  absiezen  wollen,  und  dieselben 
pferd  antworten ,  do  meiner  g(nedigen)  fr(auen)  pferd  steen 
werden:  Michel  Erlickhamer,  Friderich  Armprister,  Erhart  Pax. 
meister  Ruprecht;  und  dise  3  sollen  in  meiner  g(nedigen)  frauen 
stal  stehen^). 

Herr  Jörg  Roming*)  soll  uff  mein  g(nedigc)  f(rau)  warten 
und  di  zeit  ir  caplan  sein,  »bencdicitc"  und  .graclas"  sprechen^ 

Der  jung  Michl  Ertigkliamer  sol  ni(eines)  g(nedigen)  her 
foi.  31t.     seinen  regenmantl   nachfurn    und,  so  di  junkfrauen  uffgesiczenr 


1)  Vel-  üb«-  (liir  FsmUlc  Kindler  I,  19. 

■)  Tocc  ,run'. 

>t  Text;  .itcllfit*,  vu  natürlich  dn  durch  falicIiM  Hören  «nbUndeaer  Pditer  tsl 
vor  ctrilcn  ftctil  durchstiidicn:  .«tllrn*. 

*)  Vjil.  Klnülrc  W.   19  abn-  du  Octchlcclil. 

■)  Trxl:  siellOT. 

<}  'R'ohE  der  UM  In  Hddelbers  Jnttnitrikulierte  .Qeorliu  Runloger  de  Hl 
(AdK'  dioec-)*-    Toq>ke  >■  a.  O.  1.  279;  In  die  familie  unsnn  Bitcboft  Mathlu 
(1.  oben  3SS)  gebörl  «  nicht.    NihtiH  In  niemi-n  OeiiinHclisl  in  den  Mlttl|[.  d.  hht- 
il.  Plili  eradidnenden  Angibm  über  dcttea  t-'anilic. 


^enj 

4 


domach  stets  damit  uff  sein  g(naden)  warten,  biß  sy  wider  ab- 
sitzen wollen;  so  sol  er  sich  wider  dahin  fordern  und  dann 
nachkomen,  wie  obgemeJt. 

C 

Hochieitgebreng  Herren  Philipsen  pfalzgraven  bei  foi.  ii. 
Rhein  und  herzogen  In  Bairn,  des  heiligen  Römischen 
reichs  erztruchsessen  und  churfursten  etc.  (einsonedes 
gueltigen  pfalzgraven  Ludwigen,  churfursten  etc.)  und 
seiner  gemahel  frauen  Margarethen  (der  tochter  des 
reichen  herzog  Ludwigs  von  Bairn,  und  herzog  Georgen 
Schwester),  auch  weß  für  groß  potentaten  alB  von  furslen, 
graffen,  herrn,  ritter,  vom  adel,  ire  gemahel  und  haus- 
frauen  darauf  gewesen;  gehalten  zu  Amberg  zu  vaßnacht 
als  man  zait  t474  jare. 

Genediger  fürst,  lieber  herr')!  Mein  herr  von  Maintz*)  loi.  3«. 
hat  eurn  gnaden  antwort  geben  bei  e(ur)  g(naden)  polen,  der 
zu  uns  komen  /«//;  und  atß  der  brief  nit  in  e<ur)  g(naden) 
banden  gestanden  ist,  so  haben  wir  den  aufgebrochen  und  ver- 
lesen. So  hat  in  sonderhait  der  bischof  von  Aistet*)  mir, 
bischof  von  Speier*),  zu  erkennen  geben^  das  er  verrer*)  daruß 
mit  mir  reden  wolle*);  den  brief  wir  e(ur)  g{naden)  hiemil 
senden,  das  e{ur)  g(naden)  sich  darauß  hab  zu  richten;  was 
vemer  nun  geredt  wirdet,  sol  e(ur)  g(naden)  unverhalten  bleiben. 

Furter,  genediger  herr,  sind  unser  genedig  herrn  herzog 
Philips,  baid  unser  genedig  frauen  von  Osterreich  und  Wirlemberg, 
graff  Eberhart^  und  wir  alle  gein  Amberg  komen  uff  sambslag') 
abent  vergangen  und  ein  halbe  meü  davon  vom  landgraven 
vom  Leuchlenberg ")  und  vltzdomb'")  mit  ander  rilterschaft  zu  (oi.  ib 
Bairn,  auch  burgern  von  der  slät,  eerlich  empfangen  und  dan") 

t)  Di«  \tfxim  Anred«  njM  luf  die  Vertnufiidt  D^scbof  Mathk«'  mit  Kurtüni 
Friedrich  hfnS    S.  abtn  S-  )90. 

,*)  Adolf  von  Nflwau  (UftI  -75);  Omr»,  Stria  rpiwnpanim  S.  »0. 

i)  S.  abtn  S.  }•>?.  *)  S,  obra  S.  390.  ')  (nmer.  •)  Nihe«»  in  nwitief 

üben  S.  IVT,  k.  3  eenannttn  Abhandlung:  .Die  AinberEer  Hochzdf.  ^  Vgl  oben  S.  197. 
•)  19.  friinui. 

*)  I^andj^if  l'rinlirkh  vom  LruchlenbrTK  var  von  fiSS  an  PDrgtr  in  Nabbur2i 
1464  Vlzlum  von  AmbetK;  vin  hnidrr  vir  l^ndgriF  [  udvig  vom  LrtichtmbcrK;  %.  Wilt- 
nunit,  OcKb.  d.  Landfnifen  v.  LrachUnberK  in  dci  Abtidl^  d.  hitt-  Kl-  d.  k.  b-  Aludemle 
d.  wtss-  VI  (ms:),  S.  29«. 

>q  Viitnm  von  Ambrr£  war  damals  Konnd  von  HdmiUdt;  1.  aBten  S.  4SS. 

u)  T«3rt:  .das-. 


Archiv  für  KnLturgochichle-     VI.  27 


J 


418 


Maximilian  Buchner. 


"rauen 

1 


ingeritten   und   ingefam    mit   dem  schönsten   raisigem  geczeiig, 
der  lang  zeit  von  sovil  volks   in   einer   färb')   nit  gesehen   isL^ 
Vor  der  praut  in  einer  wisen  geschach  ein  scharpf  rennen')  h^l 
gegenheit  unser  frauen  von  Osterreich,   di  mit  iren  junkfrauen 
neben  unserm  herm,  herzog  PhÜipsen,  einrilc;  und  ist  jede 
furdcrlich  undcrbracht;   habe  alle  bcstallung  in  gueter  ord 
funden,  di  gemectier  gezirt  und   hem  kain  clag  noch  zur 
dan  e(ur)  g(naden)  beiwesen")  begert  menigklich. 

Item:  am  sontag  umb  lO  uhr  kamen  bede  herm  von 
Sachssen*)  auch  in  eitl  rot;  deu/en/  rait  mein  herr  hentog 
Philips  mit  andern  entgegen;  und  brachten"^)  auch  ob  400  pferd. 
Nach  dem  essen  sassen  auf  unser  herr,  herzog  Philips,  herzog 
Ernst  von  Sachssen  mit  irem  volk  -  herzog  Albrecht,  der  wart 
uff  das  stechen  und  bereiten    -    und  ritten  der  praut  entg^en 

for.  la.  und  helten  aber  ain  rennen  im  feld;  herzog  Philips  mit  andern 
soll  abgestanden  sein;  also  ward  ver^^'illigt,  das  di  praut  zu 
wagen  und  er  zu  pferd  bleiben  sollen;  und  fucr  der  wagen  auf 
ain  haide,  ferr  von  andern  wegen,  do  ward  er  umbrent  mit  100 
oder  mer  pferden;  die  andern  geczeug  hielten  donimb  und 
ritten  dae  und  empfingen  aneinander  und  mit  grossem  geschell 
allerhend  spilleut;  und  di  praut  pracht  ob  tOOO  pferd*),  auch 
alle  in  rot  gekleidt;  und  ehe  man  zu  nacht  asse,  wurden  herzog 
Philips  und  di  praut  im  schloß  durch  den  bischoff  von 
RegenspurgT  vermehelt  mit  versten Hieben  willen  und  mit  der 
eererbietung,  so  dazu  gehört,  und  vil  brinenden  kerzen.  Alspald 
ward  uffgepfiffen  und  ein  deiner  tanz*)  und  iglichs  wider  ir 
sein  gemach  gefurt;  und  daßmalß  hct  an  di  praut  ain  g:ulden 
stuck  und  herzog  Philips  von  süber  ganz  weiß  ain  stuck.  Nach 
dem  essen  ging  man  zum   tanz,  und  umb  10  uhr  fürt  man  di 

(Ol.  3b.  praut  zu  pett;  und  wenig  volks  ward  ingelassen.  Am  Montag 
ist  geschehen  der  kirchgang,  und  morgens  /zu/vor  im  peth  isl 
di  praut  bemorgengabt;  und  unser  her  von  Reg(enspurg)  bat  sy 
vor  der  kirchen  ingesegneL     Sie  hat  gefurt  herzog  Christoff") 

>>  Vgl  dirtlbcT  [n  tndncr  oben  S.  3ST.  Anm.  3  iteniiiaten  AbbanlluDg. 

»>  S.  oben  S.  3W,  Ajmi.  J. 

■)  VgL  in  mdner  cbrn  zlUcrtcn  Abbandiung.       *}  5.  albai  S.  396.       ■•)  Text:  bncbt 

*>  Vgl.  CR  mdnrr  oben  S-  JS7,  Anm.  3  Ernannten  Abliatidlung  0  S.  oben  S.  IfT 

■]  Vgl.  meine  Aiufühninfat  in  der  oben  S-  in,  Anm.  3  zitierten  AUundlua^ 

^  Von  Daycm-MÜnchcn. 


und  heiT  Hanns  Fraunberger  von  Messenhausen'),  di  raulter') 
fürt  herzog  Ott')  und  ain  ander  von  der  ritterechafft.  Dornach 
gicng  mein  frau  von  Österreich  und  Wiiiemberg  und  niemand 
zwischen  mfenj  sonder  uff  jeder  seit  ainer,  der  sy  furL  Dar- 
nach graff  Ulrich  von  Wirtembergs  lochter*)  und  di  landgraffln 
vom  Leuchtenberg''),  baid  in  guidein  stucken.  Herzog  Philips 
het  an  ain  ganz  perlein  rock.  In  der  kirclien  waren*)  drei  sluel, 
einer  für  di  praut  und  ir  mutter  und  ainer  für  di  von  Österreich 
und  Wirttenberg,  der  dritt  für  der  von  Wirtemberg  tochter  und  di 
Jandgraffin.  So  stunden  di  herrn:  zuerst  der  preutigam,  darnach 
herzog  Ernst  und  heraog  Albrecht  von  Sachsen'),  darnach  der 
bischof  von  Aistett,  darnach  der  von  Wirttenberg,  darnach  ich 
bischoff  von  Speier;  darnach  gegen  uns  der  bischoff  von  Augs-  w.  *«. 
purg  und  der  bischoff  von  Mcrspurg  ");  di  andern  furslen  warteten 
uff  ir  handlung  zum  stechen. 

Ilem  di  praut  hat  drei  gülden  rock*)  und  drei  gülden 
schauben  "*),  und  ir  harpant  was  kostlich  unter  äugen"),  einer 
nidem  krön  gleich;  sonst  hat  sy  noch  mehr  von  haißpant  oder 
kleinoter  an  der  prust  fgejivzgtn. 

Ilem  sonst  sind  sovil  hübscher  frauen  und  junkfrauen, 
greffin/n^rt/  und  vom  adel,  alß  wir  sy  bei  langen  [nicht  mehr] 
von  dergleichen  geschmuck  gesehen  haben,  und  sind  vast  kost- 
lich in  iren  gülden  stucken  als  di  furstin//ie/i/  und  von  kost- 
lieber  gezirt  gewesen. 

Item  vil  stet  potschaften  sind  hie  gewest,  die  geschenkt 
haben,  von  Nurmberg,  Ulm,  Nordling.  Speier^  Wormbs,  Heilprun, 
Wimpffen,  Oppenheim,  Regenspurg,  Eger;  ander  fursten  und 
fVLTSÜn/nenJ  potschaft  alß  markgraff  Albrecht"),  herzog  Albrecht 


<)  Kr  rihai  die  Stelle  cCti«  Hofmeirtcrs  ein;  s.  unlcn  S.  427. 

1}  Hcnogin  Amilia.  i)  Otto  II.  vi>n  Moibad). 

*)  Tochter  Ulrichs  des  \1c-lgclicbtcii  und  Morprethens  (s-  oben  S-  347(,  Icdenfalt* 
Helena;  sie  heiratete  1476  Kraft  von  Hotaenlohe  («.  unten  S.  421)  tuid  wurde  die  Stamm- 
lullmn  dIeMS  OHchledit«.     SUlfn  brt.  7i3. 

•)  Wnhl  Uoftilhea.  die  Qnnaliliti  L>n>i|[iar  rrlmlrkh*,  die  die  ein^lKe  TodKer  de» 
Oralen  Philipp  d  A-  von  RicrecW  und  eine  Vrrwardte  des  pfil/urtirn  Hanse«  war.  -  Die 
Ocnahlin *LiiuleTaf  Lu<lwti[a  war  Elisabeth  von  Hohcnlohe;  s.  Wlitminn  a.  a.  O.  S.  IM. 

•)  Im  Tat:  wurden.       •)  S.  oben  S.  396.    Ttxt:  SlrMpurg. 

t  TUo  von  Trotha:  s,  über  ihn  in  mnntin  Beitrag  z.  Bli^gr.  Albrechts  d.  Behcnten 
I    N.  Archjy  f-  »ich».  Orwh.   XXIX,  i«, 

•)  D-  h   roll  Oald  durchwirirte  Röcke 
"f  EbcntalU  aovlel  ilt  .Rock*  bedeutend.    Schcnellcr-I'roniniann  II,  354. 

u)  D.  h.  la  iriien.       »)  Marli^ral  Albrecht  Achill  von  Bramlenbrng. 

27" 


420  Maximilian  Biichna*. 


von  Mönchen  und  Wurtzpurg*)  potschaft  haben  erlich  gesdie^ral 
der  praut*).  ^H 

«k.  Item  nach  mittag  wart  geran! ;  zuerst  Wolfgang  Parsperge-  w^ 

und  Ooler*)    in    rotl,   thctten  ein   guet   rennen;   darnach  herzroj 
Christoff  in  rott  und  graff  Wolfgang  von  Schaunberg*)  in  schw^B.r2. 
thelten   ein   guet   rennen ;   darnach   mein   herr  hcntog  Philips        in 
rolem   samet   und   herr  Caspar   von  Schonberg*)   in   bloe;   ua  ncf 
herzog  Philips  hct   6  verdeckt  hengst,  di   im  vor   uff  der  jraan 
gingen,  In  rott  damast,  und   12  edel  der  seinen  in  damast  fott, 
di  urab  in  uff  der  iian  Hefen;  und  thelten  ein  vast  gut  renm.  *n; 
und    es    was    so   tunket    worden    gein  der  nacht,   das   man      ^^ 
kaum  sehen  mochL  fl| 

Item  di  praut  ist  wolgeschickt  und,  als  uns  dunkt,  seim.  'f 
und  unser  her  herzog  Philips  \r[erj  Sachen  wol  zufriden.  Sc^  ^^ 
auch  unser  frau  herzog  Ludwigin  bei  gutem  stand  und  we^^*^ 
und  ein  erber  emhafft  geperd  '•).  ^^k 

Item  das  gepreng  zum  sitzen  zum  tisch  uff  montag  "" 
sein  nit  gedorft  unter  den  ■)  fursten ;  dan  ufcr]  saß  keiner  zu  tÄ^  ^^ 
101.  s«.  dan  herzog  Ernst,  darnach  herzog  Albrecht,  thumbbrobst,  ^ 
■von  Aystet,  bischoff  von  Augspurg  und  Rcgenspurg;  derselb  ^^-'O" 
Regenspurg  hat  den  tag  das  ambt  der  meß,  und  zween  ^=^' 
tumbherm  zu  leviten;  und  e(uer)  g(naden)  Singer  sungen  "' 
meß;  darnach  über  einer  scheuben*)  sassen  bairisch  und  sechsiscl^*  > 
graven  und  herrn;  darnach  3  schiebtisch  pfattzgrä fisch  gij^i  '^ 
und  herm,  darnach  ein  tisch  der  herrn  polschafft;  und  dan  "^' 
spilleut;  und  in  das  und  andere  gemach  haben  wir  besteh  die^*'*^ 
nach  notturft  Es  sind")  auch  vor  dem  essen  gangen,  di  e(  ^"^^ 
g(naden)  darzu  beschaiden  hat,  doch  etlich,  nit  vil,  geändert. 

Furter  ward  aber  das  nachtma!  geessen,  und  di  bald  r'^'^^''^ 
ist  herzog  Ludwigin   von  den   andern   furslin/>w/r/  gewest  u-^ 
Piat)  in  irem  gemach  geessen");   sonst  sind  zu  tisch  geses^^^" 

t)  S.  flboi  S   397.       *)  Ten:  preul.        i)  S.  oben  S.  *M. 

<)  Albrtdil  06ler  von  Ravensburg  t.  abm  S-  4ts. 

»i  S.  uniMi  S.  4H.       «>  S.  unten  S.  *J7. 

0  D.  i.  HahnnK;  |.  SchroHln-l-'roniiTiKnn  I,  IR. 

«)  Text:  unikra- 

■)  Wohl  dn  runder  Titch  [abertiaitpl  dn  Tbch;  Orinra  Vlll,  un.    D. 
w)  T«t :  KchiKh.        >■)  Te« :  Ut. 
I*)  Vgl.  darflber  In  mdner  oben  S.  Stf,  Anis.  3  fcnannlcn  AbhukUanc. 


.Quellen  zur  Amberger  Hochzeit  von  1474. 


°'  fuTstin//iCT/,  di  praut  zu  oberst,  darnach  herzog  Philips  mutter, 
«arnach  mein  frau  von  Osterreich ^  darnacli  die  junger')  von 
"^'rtenberg:  und  in  derselben  stueben  (stunden]  6  frauen-tisch;  foi.  sb. 
"*  der  andern,  das  e(uer)  g(naden)  gemach  ist*),  sassen  vier 
"^h  junkfrauen  und  ctlich  warden  bei  der  herTcog  Ludwigin; 
^*id  ein  kostlich  essen  hellen  eur  gnaden  koch  zugeridit,  ld(^l 
^'^gen  vier  rittet;  was  ein  purk,  und  halbyrl,  und  in  jedem 
*hait  saß  ein  knab,  einer  sang,  der  ander  schlueg  di  lauten,  ver- 
Porgen;  uffen  tisch  lieff  ein  lebentiger  haß  und  flohen  vogel 
heruß;  und  di  sonsten  ruch  von  feur'). 

An  gestern  dinstag  nach  [demj  essen  haben  gerenl  graff 
Eberhart  von  Wirtemberg  und  Heglin*)  von  Westerstetten ;  graff 
tberhart  hetein  bloen  samet  und  sein  hom  ufm  heim");  und  fürten 
im  zwen  ritterj  in  welisch  gekleidt,  ein  hengst  vor,  mit  einer  ploen 
samaten  satidecken;  sein  deck  was  damast,  und  hing  allenthalben 
vol  tumirgurtlschellen;  und  het  lO  seiner  edeln,  di  mit  inn  liefen, 
in  ploe  damast,  schwarz  piret  und  hosen").  Hegelin  von  Wesler-  w. ««. 
stetten  het  ein  schwär?  decken.  Darnach  ranten  herzog  Albrecht 
von  Sachssen  und  schenk  Philips ^  ein  stark  rennen;  der  herzog 
het  ain  rock  an,  ward  uff  der  ainen  selten  gntn,  der  andern  rott, 
weiß  und  getb,  schenk  Philips  ganzen  rotten  daffat*),  und  der 
herzog  ruft  schenk  Philipsen  an  und  rant  den  herzogen  ains 
gangs  in  di  herberg");  und  dienet  dem**);  von  Hennenberg  graff 
Wilhalm*')  der  rant  mit  dem  Kuepam"),  und  di  zwen  Ihetten  ain 
vast  guett  rennen  und  besassen  baid.  Di  frauen  sassen  uff  dem 
rathausgang  am  markt,  (am}  zuzusehen;  der  markt  was  schon**) 
umbschrankt  und  mit  wcppnern^']  unibstellt,  vast  wol  gerust  und  ge- 


l 


>;  D-  h-  die  .lüngtre-  (Helene,  s.  oben  S.  4i9,  Anm  4]  {egenfltwr  Philipps 
Mutter,  die  totut  auch  all  .die  vcsii  VCÜrteiiiberx*  bej:ctH:hiiet  wird- 

*>  Vgl-  meine  mbcn  S.  398,  Anm.  1  lilicrtc  Aliliamllung :  Z,  Oeadi.  .  .  .  AmbetK» 

■)  Der  Sinn  der  IcUlcii  M'one  scheint  dunkel;  viclldcht  hat  man  daran  ni  denken. 
daß  die  Btiie  bengiilisch  beleuchtet  «ar.   [.puck*  i»l  sdiverlich  ~  •.Burg-;  =^  pork?  D.  Red.j 

<>  Nach  Schmellei- Prommann  1,  1069  Vortiiizcr  oder  auch  H  och  aeltt  lader  bedeutend; 
untere  Stelle  zcIeI,  dall  dxt  Warl  auch  all  Vorname  (Diinlnullrum:  %.  unlen  S-  43Si  vgl. 
Ugolit]>  vorkomim;   vgl.  damit  den  Gebrauch  d«  Wortes  »Kaspcrl-. 

>>  Die  HehnzIcT  der  Orafen  von  Wärtteinberg- Urach  «ar  das  UradiKhc  lagdhom, 
vie  mir  Herr  Archiv dtrrktoi  Dr.  Schneider  (Stuttgaxt)  KÜligit  mitteilte. 

•j  Nihcres  in  meinem  oben  S.  39T,  Anm.  4  genannten  Beiliag  i.  Dioer.  Eberhards. 

I)  S.  unten  S-  424.        «)  Leichte«  Sriden/eug- 

•>  SoU  vielleicht  .hsltbcrg-  heißen? 

1«)  Auch  diese  Stdic  itt  ihrem  Sinn  nach  ziemlich  nnklir. 

^>  S.  unten  S.  424.        ■*)  S.  unten  S.  439.        '^  tcb^n.       ")  Oewappnete. 


422  MtximiUac  Büchner. 


ordent.  Abents  giengen  sy  wider  zum  tanz;  und  ist  ain  tanzhaus 
weiter  und  lenger  dan  zu  Haydelberg,  nach  dünken;  und  uff  de 
tanzhaus  stachen  der  von  Tatberg^  und  I^rsperger'),  derTalbei^ 
ward  zuvir  [zwir?  D.  Red.]  afc^estossen.    Sy  tanzten  nach  kaine 

161. 6b.  saitenspil  dan  nach  den  Irunipten;  die  haben  dt  herzogen  v( 
Sachssen  guet  und  gar  frembd  von  clareten  stimmen  als/o/  hoc 
/als/  einer  erdenken  mag*).  Und  mein  frau  von  Osterreich  richi 
an,  das  einzeln*)  frauen  und  junkfrauen  allein  danzten.  Damai 
furslen  und  eittelman,  zuerst  herzog  Ernst  und  sein  bruder  und 
ritterschafl  imer  nach,  und  darnach  herzog  Philips  mit  hcrzi 
Albreclaten,  thumbbr obsten,  und  seiner  ritterschafft  imer  nach,  w 
schimpflich*)  zu  sehen.  Di  zwen  von  Sachssen  thun  gar  bruderli< 
zusamen,  das  es  jederman  von  in/enj  lobt;  und  sy  haben  sta 
sticker')  die  wollen  das  best  thun")  umb  den  dank")  für  di  Bair 
und  wollen  di  Bairn  versuchen;  das  han  sy  macht, 

Item  man  kunt  sy  nit  verainen  des  gesellensteche ns  /w^et 
das  es  gestern,  dinstags,  geschehen  wer,  umb  das'")  jederman  i 
gern  /sichj  vorthail/s/  begab'*).  Aber  zum  nechtigen  tanz  ii 
ußgerufft,  wer  im  gesellen  stechen    sein   woll,    der   sol    heut 

foi.  7«.  siben  uhm  den  zetl  globen  und  zu  12  uhr  mittag  uff  der  p 
sein^  und  weicher  fürst  das  pest  thuet,  dem  sol  di  schonst  fr 
zu  dank")  geben  ein  heftlein")  umb  300  gülden;  welcher  gn 
das  best  thuet,  ein  hefftlein  umb  50  gülden,  welcher  ritter  d 
best  thuet,  ein  ring  für  30  gülden,  welcher  knecht  das  pest  thu 
ein  ring  für  20  gülden.  Also  hat  cur  gnad,  was  sich  begeb 
hat  zu  Amberg,  als  wer  e(ur)  g(nad)  dabei  gewesl;  und  sclireib 
e(ur)  g(nad)  in  glauben,  das  e(uer)  g(nad)  von  nieniglich  be-gi 
wird,  heroben  zu  sein. 


4 


>)  Vgl-  Büchner:  Z.  Qesdi.  ■  .  ■  Ambergs  a.  a   O- 

■)  Vgl.  obnt  S.  -(13  und  unlcn  S.  *2C,  U9. 

>)  Vgl.  oben  S.  41!.  41S  V.  unlCTi  S.  435. 

*)  Vgl.  dJc  Crlcllrung  dieser  Stelle  in  mrinein  Bdtng  x-  Btofr-  Albrcchti  t 
Dchenten  im  N.  Archiv  (.  sieht.  Qeici).  XXIX,  i60. 

>)  Text:  rintlen.    (Wohl  richtig i  »  einmal.    D.  Red.] 

•)  D.  i.  seherrfi««.    Sclimelter  II»,  432. 

^  D-  j.  «ohl  Gewllen;  nähern  darüber  in  indner  obed  S.  itJ,  Anm.  I  geBin«' 
Abhandlnns-    |5tlcl(cr  =■  Stecher,  TumicTcr.  D.  Rcd.l 

•)  Tem;  Üun.         •)  D.  h.  Preis.        w(  D-  h.  weit. 

K)  Vgl.  damit  die  Ventli;tTiiiigj  die  auf  drr  benihmtm  l.and&hutcT  Hochtdl  i 
ihiUiche  Welse  rauiand,  al«  da«  Turnier  Herxng  OirisJuphs  mit  dem  polniscliai  Wgivod 
stktttlnden  tollte,  bd  J-  J.  Mfiller.  Staats- Cabin et  CJena  171«)  II,  3M. 

")  D.  h.  Prdi. 

u)  Text:  hdfleln;  indit  von  Oold  uiw.    Schneller- FroiDiaann  I,  1M4f. 


Quellen  zur  Amberger  Hodizeit  von  1474. 


^ 


D. 

Die  hernach  geschriben/'efl/  sind  uff  der  hochzeit  hie 
zu  Amberg  gewesen. 
Mein  genediger  herr  herzog  Philips,  preutigam  *) ;  herzog  Ernst 
churfürst  und  herzog  Albrecht  von  Sachssen*);  herzog  Ott*),  herzog 
Albrecht,  thumbbrobst*),  herzog  Christoff "),  alle  drei  von  Bairn; 
bischof  von  Aistet');  bischof  von  Speier*);  bischoF  von  Regens- 
purg;*)  bischof  von  Augspurg");  bischoff  von  Merspurg**);  herr 
Dietrich  von  Ysenburg,  allbischoff  zu  Maintz");  graff  Eberhart 
von  Wirtemberg  zu  Murnpelgart'*);  landgraff  Ludwig,  landgraff 
Fridertch  vom  Leuchtenberg'*);  mein  frau  von  Bairn  herzog 
Ludwigin  geborne  von  Sachssen  ^*);  unser  gnedige  frau  ir  docbter, 
di  praut^*);  frau  Mechlild  geborne  pfalzgraffin,  erzherzogin  zu 
Osterreich,  witib");  frau  Margareth  geborn  von  Sophy,  grefin  zu 
Wimemberg  und  Mumpelgart,  herzog  Philips  mutter^');  derselben 
frauen  Margarethen  tochler  von  Wirtemberg");  di  landgraffin  vom 
Leuchtenberg '«). 

Pfalzgraffisch  graven  und  herrn"*). 
Johanns,  graff  zu  Wertheim'*);  Crafft,  graff  zu  Hohenloe'*); 
Johann,  Rei n graff -^) ;  Philips,  graff  zu  Hanaw'*);  Jacob,  graff  zu 
Sarwerden");  Bernhart,  graff  zu  Eheratain");  Ott,  graff  zu Solms"); 
Ludwig,  graff  zu  Isenburg'*);  tleinrich,  graff  zu  Zwei-Prucken,  her 
zu  Pitsch*");  Weicker,  graff  zu  Zweien- P rucken,  herr  zu  Pitsch**); 

i)  S-  obCTi  S-  w«.  I  S.  oben  S.  J».  »i  S.  oben  S-  396-  <)  S.  oben  S.  396. 
»J  S.  oben  S.  3«.  •)  S.  oben  S.  397.  r)  S-  oben  S.  388.  «)  S.  aboi  S.  J97. 

*t  S.  oben  S.  3»7.  "1  S   oben  S.  +19.  Anm.  B. 

")  H62  vtim  Pap»!  alt  Itijhisrhnr  v.  Mainz  nbgnelit,  bestieg  er  147S  mm  iweilen- 
mtl  den  dortigm  crrbhchö fliehen  Shihl;   s.  Menzel  i    d.  M\g    deutichen  Biogr   V,  i«4ff. 

1»)  S.  oben  S    397,  Anm.  *. 

J*>  S.  oben  S  4i?.  Die  Landsnfcn  v.  LeuchLaibeTg  galten  al»  Reichst  ante» 
(s.  Kiolcf  964),  vdluüb  lle  an  diesei  SirUe,  iiichl  untci  den  Qrafen  genannt  «rrden. 

">  a.  oben  S-  4(9.  "■)  Margatellie.  W)  S-  oben  5.  196.  ")  S.  oben  S.  397. 
u)  S   oben  S   «19        u)  ä.  oben  S.  419,  Anm   S. 

*>)  Betreffs  dei  knrpfUxltcbai  Oefulget  im  allgemeinen  sei  auf  du  Lefaensbndi 
Fnnlridu  I.  (s.  Wecch  >.  a.  O.)  vervieaen- 

»)  Vgl.  Quellen  u.  Ei.  II,  4ID,  iJl;  111,  S6. 

*)  Der  Stammhalter  der  FamiLie;  er  gehörte  der  Wdckenhdn»cfaei  Linie  an 
(S  oben  S.  419,  Anm.  4);  SUlln  676. 

*>  S.  Quellen  u.  Er.  II,  293,  lil,  411;  III,  Sb,  bl,  1S3. 

M)  Vgl.  ebd.  II,  43S;  III,  56,  IIS, 

■^  Vgl.  Kremer  ^T,  SDI ;  Mone  30H. 

">  Vgl.  Qaellen  b.  Er.  II,  204.  sn  ;  lll.  S6. 

ty  Vfl.  ebd.  II,  372,  42S:  in.  56;  Monc  SIH. 

^  Text:  lienl>erK.    Vgl.  Quellen  u-  Er.  II.  399. 

»t  Vgl.  Kremer  SO«.        »)  Vgl.  ebd.  u.  Krctner,  Ur*.  l». 


fol.  7  b. 


fol.  8a. 


424 


Muimiliui  Büchner. 


Reinhart,  her  zu  Westerburg');  Melcher  von  Dum,  Herr  zu  Fa!k( 
slain"),  und  Wirich  der  jung,  sein  bruder*);  Wilhalm,  hcrr 
Rappoltstein*);  schenk  Philips,  herr  zu  Erpach*);  schenk  Jor^ 
und  schenk  Hanns")  von  Erpach;  Jörg,  herr  zu  Umpurg*);  Joi 
herr  zu  Ochsenstatn ') ;  der  jung  graff  von  Gleichen**);  Johai 
herr  zu  Haideckh");  herr  Jobst  von  Venningen,  altmcister 
teutschen  ordens^*). 

Sachsisch  graven  und  herrn. 
Oraff  Wilhalm  von  Hennenberg ^*);  graff  Sigmund  von 
hah'*);  schenk  Jörg,  herr  7uTauttenberg'*);Reuß,  herr  zu  Plauen*' 
der  von  Stemberg");  Ntdaß  Schlickh,  herr  zu  Elpogen'*). 

Bairisch  graven  und  herrn. 
Oraff  Wolf  gang*"*),  graff  Lasla'"),  bede  von  Schaunberg; 
Wolfgang  von  Olting*');  Johann,  herr  von  der  Laittem,  herr 

»)  Vgl-  Marc  S    iii;  Quellen  u.  Er    111,  3i8. 

^  Vel    Kremer.  UrV.  «17;  Quellen  u.  Er.  III.  Ul. 

>)  VeI.  Quellen  u.  Er.  II,  6t,  JM;  111,  217. 

f)  Vgl.  ebd.  III,  123,  3IB;  Mone  SOB. 

B>  Vgl.  ereilen  u.  Er.  II,  48,  Anm.  t;  2iH;  IM,  37,  IM. 

•>  Vgl.  ebd.  tn.  S7,  114,  SIS. 

t)  Vgl.  ebd,  111.  118. 

^  Vgl.  Kremer  24^  296;  Kremer,  Urk.  177. 

■)  VkI.  Quellen  u.  Er.  II,  148ff-;  lEI,  5fi. 

^  Vgl,  ebd.  II,  16S;  111.  121,  168. 

")  Vgl,  Kremcf,  VrV.  i08. 

^  Vgl.  Voi^t.  Oetch.  <i   deutschen  RItterordeiu  11,  691  u.  I,  «S«,  to  es  heißt, 
habe  noch  bis  14S?(!>  gcicbi.  ^^ 

<■)  Ell  dem  Verzeictini«  i.  d.  Spelr.  Cbron.  (b.  Moae  StO]  iit  et  nicht  unter  dc*^*  ^^ 
jjchiiwhoi  (Italcn,  sandem  neben  dem  von  WürttnnbeTg  und  dem  1  andgialen  »-  Lencblci)  ■—' 
bcTg  aufgcffihit  (s.  oben  S.  411,  Antn.   II  dir  Bemerkung  über  den  Fürstenitand  der  Land  — 
gnitn  von  Letachtcnberg) ;  vjjl.  McrneUB:  Bicbnumn  I,  !!♦;  II,  i98;  QucHcn  u.  Er.  III,  ss- 

M)  Sigmund  in.  V.  Anhall;   \*7<i  begleitete  «r   Hcnog  Alibrecht  auch  Im  gelobt^*  1 

land;  i.  S.  Laxtuim,  Hitl.-]£eneäl.  Füntellutie  d.  Hauus  Anlult  (t7S7),  &.  317. 

U)  Sirlie  übet  ihn  lt.  O.  Slnivius,    Hi»t.  päncemunim  Varila-Tuteirbursiconutf  ' 

(17«).  S.  4Tfl, ;  vgl  Mone  S07,  iia. 

W)  Nach  der  Spdr  Chron.  (b  Mone  S11)  Heinrich  RenB;  er  edifirte  üicw 
jedcnlilU  der  jüiijceien.  In  Qrdz  residierenden  Linie  da  Oeschlecbtes  an  und  itt  nidit. 
idenÜKh  mit  dem  damaliEcti  Kurggrafro  Heinricti  von  MHHeii  i\g\.  Kahn  t.  d  AIIk- 
deiiUchcn  BiogT  XI,  i7i),  mh  dccn  er  Inder  Literatur  oft  ziiMmmcngcvoffcn  IM;  identisdi 
ist  er  vohl  mit  dem  xn  dcT  BeUgcrung  von  Neull  teilnetitneitden  (Mone  Sil)  Kcinricb 
Ruchuen  von  ßüucD  [!),  Herrn  zu  Orctif!),  und  mit  dem  .iungcn*  Rcufl  [s.  ebd-  i»1  tt. 
fönt.  rer.  Auitc.  46,  S.  ^^fl,  199,  3S}>. 

IT]  Nach  der  Speir.  Chron.  (Mone  SM)  JsmBIanw  r.  Stembcrg:  rgl.  Bacbnunn 
l.  567,  M9;  ri,  lOS.  119.  Jl!, 

)■}  JrdenfalU  der  is:a  ge&lorbenc  Summvater  der  Palkcnauiidien  Linie  des  Oe- 
sdilechles,  der  Neffe  des  bciühmle»  Reichskinilers  Ka^pii  Scblidc,  &■  Kneschltr,  Dralscfac« 
Adel}.Lnikon  V|]].  »7;  v^l.  Bjtchmann  II,  139. 

")  Vfl.  OueUcn  u.  Er  11,  S9i:  Mone  507;  Wcjtenricder  113. 

■]  Vgl.  Mone  507.  , 

■}  D.  l-  öttingen:  vgl.  Hone  511;  Wtslcnrieder  115. 


Quellen  zur  Amberger  Hochzeit  von  1474. 


Bern*);  Nielaß,  herr  zu  Abcnsperg");  Günther,  Herr  zu  Schwartzen-     fol.  ih. 
berg*);  graff  Philips  von  Kirchpcrg*),  graff  Sebastian  von  Orten- 
burg*);  ein  herr  von  Teintz');  Sebastian'),  Hinlschik*),  bede  Pflueg 
und  Herrn  vom  Rabenstain. 

Österreichisch  graffen  und  herrn*). 
Oraff  Friderich  von  Helffenstain'*);  graff  Jobst  Nielaß  von 
Zollem");  graff  Eitelfrit?  vonZolem");  graf  Fridlein  vonZolem**); 
Johann,  Reingraff  der  jungst");  Erhart  von  Oundelfingen,  frei- 
hcrr'*);  Jacob  von  Sachss,  freiherr'*). 

Wirtenbergisch  graffen  und  herrn*'). 

Graff  Ludwig  vom  Helffenstatn  **);  graff  Heinrich  von  Fursten- 
berg**);  graff  Conrad  von  Furstcnberg**);  graff  Alwig  von  Sultz'*); 
graff  Withalm  von  Kirchperg*-);  graff  Hanns  von  Sunenberg-*); 
Hanns  von  Stoffel,  freiherr-*). 

>)  Vgl  Mone  507;  Wistcnriwler  iiJ 

*)  Der  letite  Sprotte  Mtnet  Oetcbicchtt».    Vgl  DallinKcr-Suik.  Oiafen  z.  Abens- 
berg I.  d.  VMh-  d.  hiBt-  Ver.  f.  NitJerbaycnt  XIV,  IWft. 
»)  Vgl.  Mo«  507. 
*)  Vgl.  ebd.;  Westcnrieäer  S.  113. 
•)  Tnrtr  Ortcnbcig-    VrI.  ebenda  113. 

•^  Auch  i  d.  SpHT  Chron  ,  wo  von  Ihm  tu  wlwtcriiottan  M»l  (Mone  MT,  SU) 
die  Rede  itt.  wird  tciii  VomAmc  nkhl  gmaiint,  wohl,  weit  dk'Ner  böhmiich  war  und  daher 
dB»  detilscfaen  Schreiber  zu  soDdcrbar  klaii£  (vgl.  oben  S-  *'i*,  Anni.  I7>;  ein  Jan  v.  Teiaz 
«lid  i.  J.  1461  in  den  Font.  rer.  Aiurtr.  44,  S.  S14  Knunnl. 

7)  Sebaslian  Pflug.   Herr  von  Rabenslein,  ehedem  Hauptmuin  d    BAelderbundcs ; 
vgl.  REczler  *7i:  Vcrh.  d   hlM    V.  I.  O.  Pf.  XXV.  1«0. 
«)  Vgl   ebd.  1*9- 

*)  D.  h.  Or>(eii  und  Herrn,  <tie  Im  Ocfolffe  Meehthild«,  der  Erzber eoein  von 
ölterrcicti,  gektinuncn  watim. 

U)  Vgl.  salin  «frJ;  Westmriedef  in. 

M)  Vgl.  salin  Ti9:  MoneSOj,  sil;Oeneal  d  Oc»«mthauK»Hohen«iltcm(i90S)S.  «. 
!■)  Vgl-  cbd-  S-  61;  Mone  StB;  SdUn  119 
■q  Vgl.  Oenea]o£ie  d.  Hauus  Hohenxoltem  S.  CS. 
M)  Vgl.  Quellen  u.  Et.  II.  452;  III,  S6,  217. 
1«)  S.  nifsteilb.  U.-B.  III,  Nr.  «12;  Mone  JOB,  Si8. 

u)VIcIIdcht  Jakob  v.  d.  Sactuen  d.  Blinde?  Vgl.  HelTfelch,  Adefs- Lexikon  II 
(Ttn>,  S.  859 

II)  D-  h.  Oralen  und  Herren,  die  im  Oelolge  Hbertiards  von  Vürttemberg- Uneh 
und  der  Orifin  Maigarethc  von  Württnnbcrg-StiUipirt  crwhiencn  «^rcn- 
B)  S.  Stilin  665:  Mone  SOB,  5ia 

>3)  JcdenEalls  Heinrich  VE.  (t  t490}  au«  der  WolUclier  Linie  des  Kmims;  i-  die 
Sanuntatel  I.  Fücstetib.  U.-B.;  vgl.  Mone  SOS;  Wnlenriedtf  115. 

*)  Aas  der  KunradiniKhen  Linie;  ü.  ebendicK  Slaniintafcl ;  Moae  SBI. 
«)  Vgl-  Fümcnb    U-B   Nr   457  n.  a. 
*)  VgL  Sdlln  6St;  Pürttcnb.  U    B.  Nr    S96,  iJ6 

■)  Bei  der  Aufiählung  der  im  Lager  van  NeoD  Vertammelten  Imämlich  Hainridi 
(HalBz!)  Matl  Htm  gttuanV    rsratenb.  U.-B.  Nr-  tii2. 

>>)  Ein  Heinrich  v.  Sbrtfe]  ebd.  irmannl,  was  wohl  aueh  Hans  hdtlen  loll:  illeie 
Annahme  wird  dadurch  beseitigt,  daß  tn  einer  anderen  rrit^mÖMiKhen  Auficicbnung  über 
den  Entsalz  von  NeuD  wirklich  ein  Moni  von  Sloflcl  genanni  wird  (s  ebd ). 


lol.  f  •■ 


Augspurgisch  graffen: 
Qraff  Jor^  voa  Werdenberg*). 

Meiner  g(nedigen)  frauen  von  Baiern  f^TciUnfnen/  u   *"1 

hcrrnfrauen: 

Die  von  Bern*);  die  von  Abensperckh*). 

Pfaltzgrafisch  grtiVinfnen/ 
Die  vom   Leuchtenberg,  landgreffin*). 

Österreichisch  graffin: 
Die  von  Sarwerden*). 

Pfalzgraffisch*)  ritter: 

Engelhart  von  Neidperg');  Bemhart  vom  Pach");  Ha.«^'^^ 
vom  Ingelhaim*);  Götz  von  Aleczhaim'*);  Conrad  von  Hütten  '**'' 
Wolf  von  Taiberg'-);    Ott  von   Hirschhom»"^;  Balthasar  Fo*^** 


(Ol.  9b. 


maister");  Simon  von  f^lßhoffen'*);   Hanns  von  Khronperg 
Wilhalm  von  Monching'^;  Hanns  von  Stauff  "■);  vom  Egloffstain 


J 


1)  Vgl    Quellen  u    Er    ]]I.  140;  Krcmer  108;  Mone  }i«. 

«)  S-  oben  S.  42*f;  vgl,  W«tenrie<lcr  I1J. 

B)  Martha,  die  Ocmatilin  des  oben  S.  4:s  £en«Bnteii  Niküut,  eine  gvborcDc  Cr 
V.  Werdenbeig,    DolHnKer- Stark  a.  a.  O.  S-  189;  veI-  We»lcnrieilcr  llj.  ^^^' 

*)  Wohl  die  oben  5.  ■!»  sdion  enrihnte  Qemahlin  Land)[ra(  Ludwigs:  oder  »"*-— ^. 
tclcht  lucli  die  0«tlin  Frirdrichi.  Pliubeth  v   Hohenlohc.    Vgl.  \S1ttmarn  i.  a.  O.  S.  ^"^*» 

")  Wohl  die  Ocmihlin  des  oben  S.  47J  (Quinten  Jakob  v.  Sirreiden;   «vil        _  1t 
Dieiisle   der    ErzbeizoKin    von    Ö«terreicb    (elieiiiaU£eii   PfaligrilTn)  »Iriiend,    viril    sie 
dsterreiehtsche  Oriffn  beiteichnet 

•)  Text:  pfalzrafflrth. 

*)  Vgl-  Quellen  ii.  Er.  lll,  2i9 

■)  Er  bekleidete  üu  Amt  cinn  Marschalls-  Quellen  u.  £r.  II,  403,  411;  III,  106.  i 

■)  Text:  ingehaim.     VrI,  Weech  9. 

V}  QCIz  V.  AdeHlidm,  Kitrfütst  hricdrich«  Hofmeister,  cbcnuls  Landvogit  bn  Eli 
Kremert  Urk.  iW.  si';  Mone  508;  Wntenrieder  UJ. 

U|  Vgl.  Fonl-  rer.  Austr.  44,  S.  S88 

»)  Der  Valei  dn  betfihmlcii   MuinAntsIco.  der  den  RillcTKMag  riist  voa  Kali 
rrlcdrichaufdcrTibcrbr^ckc erhallen  halte-  Vgl.  Morneveg,  Johann  v.  Dalbrrg(tS$7},  S.  I4l 

m  S.  Quellen  u.  Fj-.  11.  iS;  Ul,  1i2. 

|4|  Vgl.  Kreiner.  Urk.  2üi>;  Mane  S08- 

U)  tUuptmajin  und  Vogt  lu  Heidelberg.    Quellen  u.  Er.  II,  59. 
•  Herr  SymoEi  vun  Balsholen 
bleib  auch  mit  hindern  ofcn  !" 
rrimt  Mtchel  Bcheim  auf  Ihn;  ebd.  III.  2)9. 

■■)  BurggTuf  EU  Stafkenburei  ebd.  11,  61,  433,  448;  III,  lU,  SI9.    Vgl.  dir  Oi 
KfalfcMMM  z-  1.  Abschnitt  b.  v.  Oinpleda,   D.  v.  Kronbng  [1899). 

"}  Trat  Mönchen.     VrI.  Mone  lOB:  Wilhelm  v-  Moncbliigen;  s.  ynlen  S-  4S7. 

■)  Vgl.  Mone  SOB;  Verti.  d.  hiit-  V-  f.  0    I*f-  XXV,  146.  ^ 

■^  Text:  vor  .vom*  -  .Vfii-  durchstrichen.     Vielleicht   Heinrieb  v.  Cgiofittdm   ^ 
1.  Quellen  u    Er.  II,  32). 


Quellen  zur  Amberger  Hochzeit  von  1474. 


Hainrich    von  Uffeeß*);   Hanns  vom   Egloffstain');    Appel   vom 
Lichtenstain');  Erhart  von  Rornslat*). 

Sachsisch  ritter: 
Hugolt  von  Schleinitz,  obermarschalk*);   Hanns  Burckh"); 
Caspar^   unti    Ernst ^)   von    Schonberg;    Hainrich   von   Einsidt*); 
Hainrich  Druchseß");  Fabian  von  Muhlhaim"). 

ßairisch  riter: 

Hanns  Fraunbergcr  von  Messen  hausen,  hofmaister^') ;  Wilhalm 

von  Rechperg^'*);SigTnund  Layniinger'*);  Wolfgang  Fraunperger'*); 

Friderich  Pet^tzenauer^");  Wolfgang  von  Sanßhaim*');  Sigmund**)^ 

Hainrich"),   di  Fraunbergcr;    Hainrich    Kamerberger*^);    Hanns 


>)  VeI.  Fonl.  rn.  A«s«r.  *2,  S.  335  a.  a.  andmi  OrtMi.  ebCTio  Bd.  *«  u.  *6. 

*)  Itci  der  Landshutrr  Kochirit  iirt  kuihraiiclmhuigi sehen  Qrfolgp.  Weslturiedcr  IM, 

■J  Ebenso.  Westen ricdcr  ^^*. 

«)  S.  oben  S.  39ft. 

*i  Nlbem  über  ihn  in  mrincin  Aofuti:  Zur  Biographie  .  .  .  Hcnoe  Albmht  d. 
Behentm  I.  Neuen  Archiv  !.  iiehs.  ü«ch.  XXIX,  I57. 

•)  H»ni  ,Bi(ck  vpn  Tuber  rn  Molbcrg"  itt  in  der  Sprir.  Chron-  (b-  Mon<  Sit) 
mter  dm  üchiifchoi  arifrn  (^aniil;  mit  ikm  ist  jedairalls  der  in  dm  Foirt.  itr.  Amlr- 
43,  S.  S5  u.  HD  genannter  .Birchrn  vnn  der  Davbc*  identisch;  vfl.  Ober  die  Fimilfe 
H.  Knolhe  i.  N-  Archiv  f.  Sächi.  Oe»eh.  It,  mit. 

^)  Kaspar  v.  SdiSnbcrg,  Luidvogt  in  MdQcn,  vet-  Büchner.  Z-  Blofi.  ■  .  ■  Albrecht* 
d-  BehtTtten  a.  a.  O.  S.  tu. 

t  Etnsl  V.  Schönbcrg,  Herr  /u  Olaurhaii  ist  in  der  Speir.  Cbnin.  (b.  Mcvne  Mt) 
ebenl'lls  iinlcr  den  süehiischen  Grafen  genannt;  er  licl  bei  der  BeUscnjng  d-c^  ihm  von 
Hcnog  AlbfMhl  verlieHenen  Orftnbctjc.    Vgl.  Büchner  >.  a.  O. 

«tVgl  KSniE  lie. 

•«]  Vgl.  ebenda  I19;  v.  Ruh,  Ree-  z.  OrU-  u.  runlllenKc^h.  d.  Voctlandes  (Ktl- 
teilancen  d.  Allerlumsver.  /-  Italien  i-  V.     U93),  Fmnnenvrrzeiüini«. 

>>}  Vgl  Ober  das  Qeschlccht  Kncschbe,  Adel«-Lcx1k»n  VI,  3M. 

u)  Auf  dem  Reijcnsburger  ChrislentaK  ('♦?'>  enebeint  er  noch  Ira  Ocfolge  Hcnoc 
Atbrechts  v-  MQnchen.     Monc  !0s;  vgl.  Riezier  974. 

»>  Vgl.  Moiie  SOS;  Weileiuleüer  145. 

'•>  1471  ersclirirt  er  al«  Oesundler  Hetiag  Ludwigs  von  Nietterbayem  am  Kal«er- 
hofe.  Font,  rer,  Auitr.  44,  S.  673,  wo  n  hHBt,  Sigmund  v.  Lainingen  (! ;  viel- 
lekht  heißt  e*  b  d<r  Handschrift  LalminKen}  «i  von  des  Herroip  Ludwig  wegen  dagr- 
«ora;  der  Itcrausgcber  hat  dies  iiitunilich  auf  Herzog  Ludwig  von  Veldenz  bezogen 
($■  Personen ver/elchnii  ebd.  fi94>  und  uulrr  dem  Sii:niund  v.  Laiming  eincji  Olafen  von 
Lciningen  vcrsundcn  (s.  ebd  |,  wohl,  weil  a  weiter  unten  hciüt,  Her/og  I.utlwig  vnn 
Veldenz  sei  durch  die  .zwcn  von  Ley1n]ingen*  rertreteii  gewesen.  —  Über  Sigmund  v.  Lal- 
raing  vgl.  Mone  iott;  Wcitenrieder  1H. 

u)  r.T  ultie  bei  der  tlocluelt  Im  Turnier  venuigllklMi ;  niheres  in  meiner  otai 
S.  387,  Anm-  t  genannten  Abhandlung. 

!■)  Vgl-  Moire  S08;  Westcnriedcr  113. 

10  Vgl    ebd    170. 

K)  Spiter  Henog  Geoigs  von  Land«hut  HofmarwhalE,  zählte  ec  im  Landahuirr  Erb- 
fulgrluteg  lu  den  eifflgtlen  Vertretern  der  pfSIzlsch-nlederbaytiicben  Sache.  Riezler  601, 
M4;  »gl.  Mone  508;  Weslenrieder  i06ft. 

»>  Hdnifch  Fraunbergcr  zum  Rapprrchlsteln.    M.  B.  X\1I,  3«. 

»)  Vgl-  Mone  Joa;  Weatenriedet  113,  143. 


Fol.  10«. 


vom   Wolffstein');   Mertein   vom   Wildenstein ')5    Jörg   Zenger*); 
Hanns  Closner*). 


tric^ 


Österreichisch  ritter: 
Herman  von  Sachsenheim*);  Wilhalm  von  Stadion^;  Die 
von  Katsam  hausen'). 

Wirtembergisch  ritter: 

Ulrich  von  Rcthberg*);  Jörg  von  Ehingen*);  Hanns  Spet'*); 
Wiihatm  von  Werdenaw");  Egioff")  von  Riethaim**);  Ulrich  von 
Westerstetlcn'*);  Conrad  vom  Stein");  Sigmund  von  Freyberg**). 

Augspurgisch  ritter: 

Ulrich  von  Rechpcrg'^,  Hanns  vom  Stain"),  thumbtechant'*), 
hofmaislcr");  Mang,  Marschalckh  von  Hohenrechen**). 


fol.  10b. 


Pfalczlsch  adel: 
Pfligker  Landschad,  großhofmaister**);  Conrad  von  Helmstat, 
vitzdomb  zu  Amberg-*);  Ort  von  Weingarten '*);  Reinhart**)  vc 


4 

-•—tat,    ' 


i)  HJ*  trilt  er  a1«  Hofmeiiler  bei  Pfilignf  Otto  It.  von  Mosbach  nf.    Font  rar 
Austr.  46,  S.  3  St. 

1)  Vgl.  Wnt«nrl«lcr  117;  KAnle  13S:  Hund,  Bayrisch  SUnmcnbach  II,  3«6. 

t)  Vgl   Vcrh.  d   hin.  Ver.  f.  O.  Pf.  XXV.  i$i. 

*)  Vgl.  Slone  SOB;  Weslmriedcr  11J. 

()  Vgl.  Meine  508. 

•)  Tocl:  Sladim.     Vgl.  tbd. 

0  .Dlrtrieh  v.  RKhiamhuKn  mm  Sldn-;  XCMch  n. 

•)  Er  wurde  l*«2  bei  OicnKcn  erfunetn     Pont.  rer.  Awftr.  4*,  S.  440. 

■)  Eitento;  vgl.  titwr  d«i  durch  mIdc  ibenttverUcben  Reben  hocbbertbnten 
V-  Etiitigm  anch  in  meinrr  obrti  S.  387,  Aiid.  3  Kmaiinlen  Abhandtins. 

M)  Vgl  Monr  sm;  Wcccli  M. 

>i)  Vgl.  Mone  «8. 

><)  Text:  Etaraff  {s  unten  S  4»)-  

U)  Egloff  V.  Kictbdm  bei  der  Uuidihiitcf  Hochnil  und  beim  ResMlburser  CMfkn- 
t^  (n  brMidwibiirgi^chptn  Ocltilg;  W«Ieniied«   164. 

!•]  Vel.  Monc  )4B. 

1»)  Vgl.  Fürstenb.  U.  B.  Nr  666. 

Vi  Vgl.  Weslenrieder  180. 

")  Vgl-  Mone  !D8;  al*  Dnmdrctuul  zu  Auesburg  eisrhrinl  er  I4SS;  M-  B.  XXVI,! 

i«J  Huii  V   stein,  HofineijtcT  (d«  Hi»rhoft  v.  Aug>burg);  Hsitelholdt-! 
Herzog  AlbrecM  IV   v.  Bayern  I  (i86s>.  S.  100;  König  123;  Förstenb.  U.  B.  Nr.  41«. 

"^  Zu  Ulrich  V.  KechbcTg  gehärig;  9.  Anni.  IT. 

■^  Zu  lUnn»  V.  Sialn  EehQrig;  s.  Anm.  i8. 

H)  Vgl.  Büchmann  t,  iä9:  Minjc,  Manchsll  zu  Hohesreieh. 
*     ■>  S.  oben  S-  3W.  Anm.  3- 

">  S.  Kremer  *i.  63;  Kraner.  Urk.  441. 

»«>  S,  Quellen  u.  Er-  itf,  212. 

>)  Text:  Hctdihirt. 


L) 


Quellen  zur  Ambergcr  Hochzelt  von  1474. 


k 


Oemingen*);  Wendel  von  Gemingen');  Eberhart  von  Oemingen^); 
Nielaß*)  vom  Stain*);  Hanns  von  Helmstat*);  Hartmann  Bair  von 
Poppartrn');  Cunz  von  Pertichingen,  ambimann*);  Hanns  von  Ven- 
ningen  •);  Philips Pettendorffer  '*);  Friderich  Feczer")  von  Geispeltz- 
heim*');  Ulrich  Landwust'");  Ott  von  der  Kapl'*);  Hanns  von  Neid- 
perg'");  Caspar  von  Landenberg");  Albrecht  Goler");  Erkinger 
von  Roücnstain");  Conrad  vom  Egiofistain  der  alt"*);  Ludwig  von 
Sicking«»);  Wolfgang  von  Parsperg");  Philips  von  Talberg*-);  Wolf 
von  Talberg'*);  Hanns  von  Weiler");  Acharius**)  von  Veningen; 
Conrad  von  Franckenstain'^*);  Leonhart  Kembnaler«');  Hanns")  von 
LuchawKueparn");  Paulß*^),Conz'"),Eberhart")  vonStreitperg"};  toi  "■- 
HannsPfreimbder»*);  Hanns  von  Romstat");  HannsvonMoringen"); 
Davit  vonHanlschuchsheim*');  Friderich  PoUinger'*);  Wühalra  Nott- 

1)  S.  Quellen  u.  Er.  HI,  T-i. 

*)  Kammeimehter  KurfQnt  Friedrichs;  ebd.  II,  435. 

T)  Vgl.  «urllen  u.  Er.  ]]I,  11J,   «0,  33»;  Wwh  9;  er  mhm  die  Stallvnf  dnes 
Unterkftchcnniditcrs  ein. 
«)  Text;  Nllsfl. 

*J  Vgl.  Vcrh.  d.  hält.  Ver.  f.  O.  Pf.  XVH,  13«. 

•>  Hai»  von  Hclm&lutl  lu  OninibBch  .der  schetch"  (d.  1.  hiflliclie).    Qudicn  ■. 
Er.  n.  101,  I1-I;  III,  IM,  t-lt,  221.  2!S. 
T)  S.  oben  S.  394. 
t)  Amtmann  ta  Boxbefs.    Quellen  u.  Er.  II,  47».  t^  Vgl.  ebd.  113,  314, 

»•)  Vgl.  Vfmh  B.  »)  Text:  Pcctct. 

«)  TMt:0*fpeluMni.  VrI. Quellen  d. Er.  III,  MSfUerirrlc.BceR");  vgi.Veeeh« 

■)  Wohl:  Heinrich  Oitlni)  Undwust;  ebd    lo. 

M)  VrI.  W«ch  9. 

I»)  Vgl.  Sl.  Chron.  [t,  no,  «2,  MI,  396.  «n;  jcdenfalli  inclt  idcnÜKh  niil  d«n 
Hsni  von  »Hyppenberg*  (Njrperk)  bd  W«ch  »0. 

>■)  Text:  Luidenburg.    Vgl.  die  Stammlafel  bei  KindLtr  II,  436. 

w)  S.  oben  S.  *ti. 

■)  Später  der  Hofmanchilt  des  Kurprinzen  Philipp.  Wcstmricdef  (74;  H,  A.  Alci  999 

I»)  Vgl.  Quellen  u.  fr.  MI,  SI.  irj.  319. 

*)  Vgl.  ebd.  III.  220.  wj  S.  oben  S.  4U'.  »)  S.  oben  S.  4IS. 

■■)  JcdenfalU  der  nach  Miehel  Bchein»  Rrimchnin.  (Qudicn  o.  Ex.  IM,  333)  an  der 
Bdagerting  Wachenheims  (eilnchruendc  .iunge-  Wolf,  der  ällnle  Eimdrr  des  berühmten 
Wormser  Ritchcift;  er  Ist  ideiitlidi  mil  don  bei  Momeweg.  Joh,  *■.  Dalberg  41,  Anui,  79 
gcninnlcn  WoEf  d.  A.,  von  ilcm  Mnmrvei:  mit  Unrecht  meint,  dafl  er  Khon  '473  (Urb. 

•*)  Vgl.  Kremer,  UrW,  442. 

«)  Tcxl:  Carliu:  AchKiliu  v.  Venningen  laüt  lich  Jn  onteretZciL  luluiadlich  nach- 
«ettcn  (Kariw.  Koi),  B.  369,  tol  4Sj). 

*)  S-  oben  S.  415.  W)  s.  Quellen  u.  Er.  MI,  «4.  «)  Te«;  Comö. 

"!■...  Hills  von  Uichw.  den  mui  den  Kilbaren  ncm  ja',  Mfcbel  Beheimi  Rrim- 
chron.  i.  d.  QueLlen  u.  Er.  111.  124;  Kuebirn  ipiier  am  Hole  d.  Kurprinzen  Philipp.  i\.  A. 
Alri  9M. 

"^  S.  oben  S.  »96. 

«)  WoM  Hanf  «jn  SlrHtberg;  vgl.  St.  Chron,  II,  M,  7$!..  19,  IS,  M,  *iS. 

«)  Vgl.  Verh.  d.  hlit.  Ver.  I.  O.  Pf.  XXV.  i3J. 

«)  Text;  Sirciperg.  ■<)  S.  oben  S.  t9f. 

»>  Vgl.  M.  B.  XXV,  76.  »)  S  oben  S.  409. 

>^  Vielleirhl  [Hrthef  v.  HandschuhUidm ;  vgl.  J.  M,  Hunbracht,  Htehste  ^erdc 
TcDttdicnUndcs  OW)  149. 

»t  S.  oben  S.  3W. 


hafft;  Berncloc  von  Schonreut*);  Bcmhart  von  Talhaim*);  Hanns 
von  Trat");  Hilprant  vom  Hoff);  Schweicker  von  Schaunbtrg** 
Rcinliart  von  Helmstal*);  Friderich  vom  Fleckenstain');  Hoschen- 
pach  {?);  Namschedel  (?);  Hartmann  Ulner*);  Jörg  Rcdvitzer'); 
Hanns  von  Sicking");  Tristram  Zcngcr*');  bede  Eberhart  di  Mistcl- 
beckcn^');  Ruprecht  von  Erlichaim*");  Hanns  Dreßwitzer");  Wal- 
dauer"); Chrisloff  Scharpffenberger'*);  Hainz  von  Seckendorff "); 
Jörg, Ulrich  vonWalsdorff**);  Hanns Hertenberger");  Loren? Spom- 
berger;  Amolt-"),  Nielaß")  von  Hirsperg;  Sebastian  von  Walen- 
fci.  Mb.  rod-*);  Jörg  Scherdinger*^);  Ruckher  von  Mentzing**);  Hanns 
Schlamerßdorffer*»);  Philips  von  Anglach**);  Hanns  von  Stetten- 
berg'"');  Hainrich  Graßiach**);  Cunz  von  Kropffsberg**);  herr 
Ludwig   von   Helmstat*");   thumbdechant*');  der  jung  Schott*'); 

■)  Chrittaiih  Bemklo  m  Scbonrutr:  Wmh  I. 

S)  Vlrlldcht  Orrtimrd  v.  Thalbdm?  Vgl.  Qurlltm  u.  Er.  II.  IM;  St-  Chr.  XVIII.  W. 

»)  S.  cbm  S.  413,  Anm.  10. 

«)  Vel.  Ober  die  Fimllie  Klndlcr  11.  H. 

*>  Vgl.  QuHlcn  u.  Er.  MC,  Z2t.  ■)  V^.  ebd.  III.  tU. 

T)  Vgl.  flid.  II,   39,   t:S,   IBif.,;   III.  JH. 

ff  T«l:  Ulrr,     V^l    ebd.  III,  116,  325;  Wcerfi  11. 

•)  Tnrt:  Rebiterr.    Vcl.  Woteiririer  i66. 

W)  VkI.  KrrnicT,  Uik.  <40:  W«ch  ii;  Zeitschrift  f,  Qsch.  d. Obcrrbdiu  XXVII.  Ht^ 

it>  Ttistnni  Znigcr  lu  Sncbcrg;  Wrerfi  U. 

"}  S.  oben  S.  397,  Anm.  ir.  »)  Erlickheim:  Weccli  9. 

M|  Vgl.  Vcrh.  d.  WsL  Ver.  f.  O.  Pf.  XXV,  f«. 

»)  Ulri<:h  Wlldau»;  W«ch  13. 

'■)  5.  obrn  S,  41S,  Anm-  I8,  V)  Vgl.  W«tniri«Jer  le*. 

")  Tm:  Woldortf.    Ein  Ororg  v.  Ttlsdorf  1.  d.  Sl.  Chron.  II.  ei. 

V)  Et  Khdnt.   gleich  Mannt  v.  Tritt,   cbrnfalli   aui  Sichwti   in  stxnnieB.     Vi 
K6nlg  i:o,   wo  luf  dem   Rcgeniburgtr  ChriiCcntis   unter   dem   iJicbsisctieii   Ucfolgr 
Herlrnbriger  genannt  wird. 

w)  Arnold  V,  Hiricliberg  b.  Kioner,  Urk.  200;  We«h  9;  St  Oinm.  11.  «36. 

aj  Nickel  V,  Hlnchberg:  Sl.  Chron.  II.  *iS. 

")  Vgl.  Font.  rer.  AuMr.  **,  S.  iM;  Weslenriedcr  i54, 

B)  Jedenlatls  identisch  mit  dein  bei  Westenricder  }66  gtnuinltn  Jfifg  .S^umdiitgcr*. 

W)  Vielleicht  lichlig:  Diether  v.  Metizing;  s.  Weech  Mi. 

»J  S   oben  S.  JW. 

«)  Text;  Agtach  Vgl  Qurllcn  ii.  Er.  IIl.  li«!;  Philipp  B™bach.  genannt  von  AngUc^ 
»arde  von  Bischof  Milhia»  von  Spelcr  al>  «in  Hofmrider  bcwcllt.  Karljniher  Kop.  B,  39^ 
fol.  31  a;  rr  und  die  latgenden  Adligen  bildeten  jedcnfalli  dasOcfolg«  d«  Spciercf  Binchoft. 

^  Hiennit  ixt  -rohl  nicht  dec  S|ieierer  Domdechanl  Joliann  von  Steltenbcrg  gandnt 
(1.  unten  Antn.  J0>,  sondern  der  Adlige  Han*  von  StrHmberg  {Karivr.  Kop.  B.  »8,  fol.  I9b). 

M)  Künlg  126:  Miine  BcsuMung  durch GlKhofMalhlu  in  Karlsr.  Kop.  B.  IM.  tet.  TTb. 

■)  Kuno  V  Altdori.  genannt  v.  Kroplsberg;  Kreiner,  Urk.  IQZ;  Olasschrfidtr,  Ulk. 
2.  pHla,  Kirfh«nxeMih.  Nr.  :33,  :?y. 

*)  Ludwig  V.  HelmxlJUit,  damals  Domherr  zu  Speier  und  Malni:,  wurde  1478  der 
Nachfolger  Ramangs  auf  dem  Speieier  ßlwhoteituhl.  Vgl.  Kemting  a.  a.  O.  II,  iT6ff. 
C*"*  ■thuitibdccliant-'  Khdnt  nicht  auf  Ludwig  v,  H.  bezogen  werden  m  dOrfen:  ts  mitB 
wolil  (laruiilet  der  damalige  Spcierer  Oomdechant  Johann  von  ätetienbcrg  (vgl.  Ranling, 
0««h.  d.  Bisch    V.  S|ieyer  II,  Hl,  176)  verslanden  werdni. 

")  S.  vorige  Anm, 

)■)  Als  .SchotlWn-  witi  er  unter  dem  .tlglJdien  Horgntnde*  des  Blidwb  MalMu 
"«Ithn«.    KarUr.  Kop.  B.  t96,  lol.  it. 


1. 


Qudlen  zur  Amberger  Kochzeit  von  1474. 


Poczlinger*); 


herr  ^)    Jörg    Trautienberger');     Hanns 
Puntzinger*);  Schelle  von  Aitierbach  *). 


Sechsisch  adel: 

Bemharf),  Hainrich"),  Hanns")  von  Schonberg;  Jörg  von 
Milatz*);  Johann  von  Hugwitz'*);  Dietrich  ")  von  SchlJnitz^*);  Qotz 
von  Ennde^^);  Clauß  von  Tratl'*);  Hanns  Pflueg");  Jörg  von 
Rcinspurg"^;  Sigmund  vonMaHitz");  Dielz  von Schlinitz  junger'"); 
Hainz  von  Ennde**);  Hainrich  Plueg");  Diether  von  Ertmanß- 
dorff");  Haid  von  Ertmanßdorff );  Götz  von  VVoIfspach;  Caspar 
Mctsch") ;  Ott  von  Pirkische  •*);  Hainrich  Leser '");  Dietrich 
Spiegel**);  Hainrich  Starschedl'^;  Balthasar  Qreusickh-^;  Hanns 


t)  TmiI:  der.  >)  Vi;l.  Wwcli  8. 

■l  Text:  PrtCTingcr,    Vel.  St.  Chron.  II.  43S;  Weech  ". 

*)  Text:  Plnti]niier. 

^  Diether  Schdlc  v.  Ammerbach  (Aimorbach);  Wcech  n. 

f  Bruder  Kaspirs  v.  Schönbeig  (s.  otwn  S.  4^7);  er  war  llnterouirscball  Herzog 
Albrechts,  drn  er  t4T6  nach  dem  hl.  Lande  brslellete.  Sagiltariut,  Splendor  fimilise  Schön - 
bemlM  (1676)  S.  15;  vjt.v.  Langmtt,  Hctrog  Albrecht  d,  Behcntc  SSS;  Monc  J07t.;  Pont. 
rer.  Ausir.  46,  S.  166,  39«,  iSO;  fraustadt,  Ocieh.  d-  Oe&chlcchtt«  v.  Schdnberg  1  A,  S.  isi. 

*]  Am  Hofe  de«  Kurfürsten  Enut  14S3  loz  auch  er  nach  Pal^tina.  Safiittarius 
a.  a.  O.  Jl;  vgl.  Mone  50Tf, 

»)  Auch  er  eraclieiiit  als  tJlchsiscber  ?ton>e«mIer  und  als  Landvoirt  lu  Mdßen;  vgl. 
Saglttarins  a.  a.  O.  12;  v,  LanEcnn  a.  a.  O,  iCO;  fonlcs  rer.  Aunlx.  44,  S,  62S;  Könit  119. 

■)  VIeLlelchl  Miltib:?  Jörg  v.  MJltiti  ist  U8;  Amlminn  In  Rideberg;  v.  Langenn 
a.  a.  O.  !«e:  lOünlE  m9. 

u]  Text:  LnrgrCti.    Er  var  Voei  v.  Lclsnig:  v.  Langcnn  i.  a.  O.  SM;   KSnlf  lt9. 

BJ  Test:  rrledrich ;  daß  nicht  Priedrich,  sondern  Dielikh  xu  \estn  ist,  zeigt  neben 
Ann.  12  anch,  dati  unten  ein  Dielt  det  jGn^ere  gmannt  ist. 

'«)  Dietrich  v,  Schleiniti,  der  nns  spater  c>«>t-'S'J)  als  Obertiof richte r  lu 
Leipzig  und  (M9T-I)0i)  als  Kofmdslcr  begegnet,    v.  Langciin  a.  x.  0.  5;9t. 

o)  Text:  Bund;  ».  unten  S.  438.    Vgl.  König  ils»;  C.  v.  Raab  a.  a.  O.  Nr.  5i8,  610. 

it>  Hruder  des  Meraebutgcr  Btscbofs  Tilo  {%.  oben  S.  4)9);  Dreyhaupt,  Ocschlechts- 
Rgtster  d.  I.  Saal  Cteyv  anseuigcn  adel.  Kamillen  [Halle  i:9I>  Nr.  19S.  S.  319. 

m  Vgl.  König  n^ 

>^  Text:  Rcngtpurdcb.  Heinrich  v.  Reltisporg  vir  Vogt  v.  Rochlltz  etc.  Vgl. 
V.  Langenii,  Albrecht  d.  Bdientc  {1E?6|  S&6:  König  n9. 

1^  Tesl:  Malitz.  Später  liolnielsler  und  Unlermartchail.  v.  Langenn  a,  a.  O.  SSt; 
viclldcht  ia(  er  Identisch  mit  Sigmund  v.  Millili,  dem  Valrr  det  in  der  ReformaHoils- 
geichkhte  berühmten  p3pslllchcn  Kammcrherm  (vgl.  Creutzbeig,  Karl  v.  Miltitz  =  Daj> 
Stellungen  aus  d.  Ocbicl  d.  Oe«h.  VI.  i907.  S.  4):  vgl.  König  n9. 

U)  Später  Hafmeiiter;  v.  Lingenn  a.  a.  O.  SS9. 

«)  Text:  Ennd.    Vgl.  Westcnricder  IT9 

■)  Vgl.  font.  rer.  Atstr.  44,  S.  648. 

»)  Text;  Eninaßdor«. 

»)  Text:  Crmandorff.  Wohl  sdentisch  mit  Heinrich  v.  E.,  den  «ir  1470-Tl  als 
Vogt  In  Hohentlein  trcltcii.     Vgl.  v.  Langcnn  a.  a.  O.  S64i  König  119, 

V)  Vgl.  VCcstcnricdcr  1 19:  als  Trunktrigcr  Herzog  Albrtchb  «ird  Mclich  In  deaaen 
Hofordnuiig  erwähnt     Kern,  Deutsche  Hofordnungcn  II  <1907),  ittt. 

«•)  Vgl.  König  t2ty;  .Birgkigt*  hier. 

»)  Ijuidvugl;  V.  LangMn  a.  a.  O.  S54.  »)  Vgl.  König  11?. 

V)  1 477-81  begegnet  er  nr»  als  Bergiiauptminn  ni  Schneeberg  (b.  Zvidcao). 
Knndike,  Adeta-Lex.  V][l,  M3;  König  lt». 

•»Vgl.  König  II». 


rot.  izi. 


Qniner');  Friderich  von  Schonfcldt*);   Dietrich  Kneppelheim 
Guniher  Walmann*);  Jörg  von    Kobertz*);   Ott   Pflueg»);    Jörg 
von    Waldenfclß*);   Sigmund    Zechau');    Hanns    von   Naitcrwi 
Hainrich  Weickhart"). 

Herzog  Ottisch*)  adel: 
Veit^»),  Jörg"),  Karl")  von  Schaurbcrg;  Darius  von  HeS? 
perg*');  Hanns  Zenger'*);  Jörg  von  Waldaw'*);  Jobst  Zenger"); 
Ludwig  von  Wildensteän");  Hanns  von  Romstat**);  Sigmund 
von  Romstal;  Hanns  von  Waldau'");  Hanns  Toß**);  Jörg  von 
Schaimberg");  Ludwig  von  Eyb'*);  Anschelm  von  Rinhofen**); 
Jörg  Rorbcckh'*);  Hanns  von  Freidenberg'*);  Jörg,**)  Allcxander**) 
vom  Wildenstain;  Veit  von  Gich'*);  Dietz  Marechakkh'*);  Paulß 
von  Bibrach "). 
foL.  i2b.  Herzog  Ludwigisch  adel: 

Hans  Ebran,  hofmaister'');  Jörg  Zangbergcr");  Ulrich  von 
Prailenstain,  marschalk");  Seitz  Torringer'*);  Hanns  Fraunhofer**); 

I)  Vgl.  Köald  ti9.  n  Ebd. 

■)  T»t:  WaldnuEin.    Vgl.  K&nig  i3a;  Rub  &.  a.  O.  Nr.  4<1,  >94,  899,  «TB. 
•)  Wohl  Kobericx ;  fiber  mehrere  MiteHedcr  d\an  Familie  vgl.  St.  Omm.  II, 

*)  Vgl.  Kfinig  120.  •)  Vgl.  Font,  rer.  Austr.  44,  S.  360. 

I)  TmI  Zedthui.    V£l.  Kiinlg  I2fl. 

*^  Ein  Franz  Wylcart,  äet  nh  Mciflnrr  beirkhnrt  wird.  Im  pfUilKhen  HeoT. 
Quellen  u.  Hr.  HE,  334;  ein  Hans  WcicUian  I,  d.  Font.  nr.  Aiutr.  44,  S.  137.  30V. 

■)  Herxog  Otto  v.  Mosbach. 

W)  Vgl.  Font«  rer.  Aiistr.  44,  S.  115;  Vert.  d.  \üaL  V.  f.  O.  PI.  XXV,  «J; 
XXV,  36TIf. 

"J  Vgl.  We^lcnrietler  iiT. 

«)  M    B.  XXV,  J8S. 

m  Vgl.  Verh.  d.  hirt.  V.  f.  O.  Pf.  XXV.  133. 

wi  Ebd.  132.  '»)  Ebd.  I41 ;  KönJg  !38. 

«)  Verh.  d.  hiM.  V.  I,  O.  If.  XXV.  144. 

")  Vgl.  König  US.  '•)  Ebd,  •»)  Vgl,  Westcnrledei  tM. 

V)  Text:  Teß.    Vgl.  St.  Chron.  II,  434.  4M. 

c}  Vgl.  Weech  11;  Quellen  u.  Er.  III,  321. 

*■)  Seil  14(1  Molmeiilef  Herzog  Otlos:  vgl.  Rledcr.  D-  vier  EcbXmter  d.  Hodulifto 
EidiBtält  i-  Samnirlbl.  d.  bist.  V.  Hichslitt  XV,  36.  Später,  im  t.«iidBhufer  Erirtolaekriej 
(wohl  seft  Anfall  der  Mosbachschcn  Lmndf  an  Kurpfalz  1499),  mchctnt  ^r  all  pSlxittiba 
Vittiim.    S.  Hie^ler  603;  Verh.  d.  liiit.  V.  f.  O.  Pf.  XXV.  1J3. 

■)  Ein  Lamprecht  v.  Rinofeii  in  dm  Font.  rer.  Auslr.  44,  S.  SS9;  vgl.  Kfinig  it*. 

»")  Vgl.  We»tentcdpr  UO.  »)  Vgl,  König  US. 

M)  S.  Hund,  Bair.  Sfaimtnmhtich  II,  3M, 

*n  Pfleger  ni  Lauf ;  Font  rer.  Austr.  44,  S.  87 ;  Verh.  d.  hEat.  V.  f.  O.  W.  XXV,  l 
Kfinig  138. 

■>  Vgl.  Verh.  d.  hltt.  V.  f.  O,  P(.  XXV,   133.  »•)  Ebd. 

■0  Vgl,  Westenriedel  nO:  Bibracher;  über  di»  Orschlechl  Kindlet  i,  89. 

»i>  Wohl  Hn(mri«er  der  Herwgin  Ainalle,  wie  Roth,  Chron  H.  E.  v.  Wlldenbcrgs 
{=  Quellen  u  Er.  N.  F.  ll)  5.  IX,  Aitm.  3  mit  Hecht  annimmt:  Vdt  Ebrana  bayriicbc 
Chronik  ebd.  hrag. 

■)  Vgl.  Westcnrieder  )7t;  hier:  .Zangwcfger-. 

»)  Vgl.  Westenrieder  123,   143;  Hund,  8air.  Stammenbach  II,  5S. 

Hy  Vgl.  Wntenrieder  170.  «)  iCbi.   II*. 


1 


i 


Quellen  zur  Amberger  Hochzdl  von  H74. 


Hainrich  Ebran^);  Hanns  von  Bodmann');  Wigeles  Ahamer^; 
Jörg  Hohenraitier*);  Oßwald  Schonpuchler*);  Schwarlzenslaincr'); 
Gabriel  Busch");  Hanns  Regeldorffer,  chammermaisler*);  Sebolt 
Ricttcr*);  Hanns  Khlescheiner'*);  Leonhart  Paumburger");  Sbct 
Ottinger");  der  Strasser^');  Saudaheller'*);  Mengerßreutter'*); 
Stettner»«);  Littauer^");  Pernaleri');  Stingelhamer");  Talheimer''«); 
Fux->);  Hanns  Haslinger-*). 

Augspurgisch  adcl: 

Hermann  von  Gotsfelden"^;  Ulrich  Burckgraff'*);  Sixt  Guß 
vom  Gussenberg,  marschalk");  Withalm  von  Lichlenaw");  Hanns 
von  Landaw-*^;  Wendel  von  Homburg'");  Christoff  von  Gumppen-      foi.  "*■ 
berg'*);  Leonhart  Marschalckh^O;  Götz  von  Vilbach");  Arbogast 
Beraclae^*^);  Jörg  Augspurger **). 

Österreichisch  adel: 
Hanns  von  Ahclfingenj")  landvogt;^"*)  Kaspar  von  Kaltenthat, 
hofmaister;'")  Spetkircher  von  Urach;  Ulrich  von  Rissach;")  Conrad 

>>  Bruder  da  Hans  Ebrui;  Roth  a.  a.  O.  S.  IV;  vgl.  Wcitcnrlnkr  tH,  ITl. 

Tj  Ebd.  Mfl-  «J  Ebd.   M*,  1*9. 

<>  Ebd.  171;  hier:  .Hohm  Rcmcr- (!). 

»]  Ebd.  im;  hl«-;  ^Osval  Schon ptich Iw  (!]. 

i>  Ebd.  171.  *)  Ebd.  iJi. 

1^  Ebd.  iTD;  St.  Chron.  11,  442;  oder  lolhr  .Owmroenuiiter-  hier  alt  Elgn- 
nane  anjcerhai  «rrdcn?    V|;l.  d>d.  27S,  284. 

IJ  S.  Ktaig  136.  "0  S.  Wrstenriedrr  I70. 

U)  Ebd.  110:  hiec:  .Ptmber^f.  "]  Ebd.  199.  »)  Ebd.  IH. 

")  Wohl  Swiiwller?    S.  ebd.  «7«. 

U)  Ebd.  111;  hier:  Wa2CTiueu)tcr(!>;  M.  B.  XXV,  311. 

»f  Vgl.  WCTteiriedrr  IIA.  J»)  Kbd.  170. 

T»)  Vielleicht  Pcmaucr? 

»)  Vgl.  Wcstcnricdcr  Ui.  i;3. 

»)  Loreni  Thalhclmcr;  elid.  160. 

")  H«ti*  hucli*i  Verh.  d.  hUt,  V,  t.  O.  Pf,  XXV,  13S. 

B)  Wphl  Heinnch  (Hdnt),  nicht  Hatins,  Hulinscr.  Vgl.  M.  B.  XXII.  M7;  Wotc»* 
rWer  M6,  t*8. 

^  Vgl-  St.  Chron.  II,  490. 

*()  Pflegrc  ni  Qän/burE;  KAnig  HB.  «)  Ebd. 

"I  Ebd.  i!9;  hier:  .Nychlenan- (IJ.  »7)  Ebd.  ii9. 

■)  Text:  Hinburg,  doppelt  geschrieben,  dnmal  dnrchitrkhni.  S.  die  Sttmntafcl 
b  KIndl«r  II.  iirj. 

>)  Vgl.  We£lenHcd«T  1B3.  «>)  Ebd.  ■)  Vgl.  ebd.  IT?:  VUbacher. 

*)  TnC:  Blemdir.  >Arbo£asl  Snublng  v.  Zleringen  (Zifaringen?)  getuuint  Bcfcn- 
la«p(!>-:    K&nig  129^. 

")  Ebd.  122.  -)  Text.  Albofingen. 

»•)  Vgl.  Font.  rer.  Auiti.  44,  S.  44S. 

»i  Vgl-  Mone  )90;  Quellen  u.  Er.  III,  142. 

">  VicIWchl  Eriedrich  v.  Risrhach;  Kremer  444. 


Archiv  nt  KnShifgeichicbtjt.    VI.  28 


J 


Spct*);  Heinrich  Truchseß  von  Hefingen*);  Hanns  von  Emie-«^ 
holen');  Hainz  Spet;  Hainrich  von  Kaltenthai*);  Thoman  -^/'on 
Endingen");  Leonhart  von  Ehenheim*);  Hanns  von  KaltcnthaJ  ''); 
Hainrich  von  Otltingen'*);  Ulrich  von  Hirnheim');  Jörg  Notthafft.  *^; 
Sebastian  Spet");  Erhart  von  Eisenstetten;  Wilhalm  von  WaldecJc  **); 
Ludwig  von  Simdtheim");  Phih'ps  Eaudt'*);  Claß  vom  Fach 
Bilgerim  von  Reisach  der  Reisacher'*). 


i 


Ol.  Ob.  Wirtembergisch  adcl  /vonj  graff  Ulrichs  geniahel=r 

Conrad  vom  Stein,  hofmaister*");  Wemher  Noihafft;'*)  hcmr~<=ii- 
told  vom  Stein '");  Neithart  von Seinßheim ;  Hainrich **)  und  Hann^  ^') 
von  Zulnhart;  Hanns  vom  Stain**);  Philips  von  Seldeneckh  "^^l 
Ulrich  von  Welwart-*);  Adam  Schenckh-");  Hanns-*)  und  Caspa 
von  Laubenberg*');  Jörg  von  Zullnhart;  Simon  HomecJch**). 


1 


Graff  Eberharts  von  Wirtembergs  edelleut: 

Ber  von  Rechberg»");  Wilhalm'O.  Veit«)  und  Jörg")  w^^n 

Rediberg;    Hanns  von    Bubenhofen,    landhofmaister**);    Dietr^*^'' 


t)  Vgl.  Font.  rcr.  Aurir.  44,  S.  440. 

1)  Vg\.  Wntmrtedcr  iBO;  Bunlini,  Omni.  Omn.  NoUtia  IV.  Si. 

«)  Quellen  o.  Er.  IH.  22». 

*)  Vielkichl  ist  sUtt  .Heinrich*  .Ulrich*  v-  K-  zu  lesen;  <tgf.  Quellen  u-  Er.  III 

^  Vgl.  Fünlenti.  U.-B.  Nr  68. 

q  VgV  Walcnricdn-  16» :  hier:  .Bhenhann*  (!). 

t)  Vgl-  Ober  du  OeKhIecht  KindW  11.  119. 

^  Vgl.  Zdtschrift  f.  d.  OcKh-  i   Oberrhein»  XXII,  364 

i)  VkL  ßucelltii,  Ocneal.  Qerni-  Notilia  partis  tl  psn  III,  K.  S- 
«^  Vgl.  Verh.  d.  JiiM-  V.  f    O.  I>(.  XXV,  in. 

O)  Auf  der  Land^huter  Hochzeit  unter  dttn  Wfirttemb.-Uradncben  Gefolge;  Ti 
rieder  (BD. 

»)  Vitl.  VcTh,  d.  hisl.  V.  I.  O.  Pf   XL,  136 

u)  Vgl.  über   du   Oesrhiedil    Kund,    Biir.   SUnmenb.   bei    v.    Freyberg, 
Schriltcn  IM.  679. 

")  Vgl.  Weech  17. 

»}  S.  die  Suminttfcl  b    Kindler  I.  26. 

'■)  -PilK""   »on  Hcywch-.     Fünlcnb.  U.-D.  Nr.  444;   .der  Rducber-  wohl 
Untenchieil  von  >Ri1genn  RdK^uch  zu  Slotfeln*  (ebd.  Nr.  642). 
«)  Vgl.  Oudicn  u.  Er-  III.  i*i- 
u)  Vgl.  St.  Chron.  II,  447.  M)  Vgl.  K6nlg  l». 

«)  Vgl-  ebd.   145;  WeslenricdeT  180;  Monc  SI9. 
")  Vgl.  WnlmrittlM   17S;  König  145. 
■0  Vgl-  ebd.  146;  Wwtenrieder  lifl.  ■>  Vgl.  Weech  11. 

«)  Vgl  FoTil.  rcT.  Austr.  44.  S  «0. 
■J  Ein  Konrad  Schenk  b  Mane  508. 
M)  S.  die  Slunnittfel  b.  KJndJer  II,  46at.  *^  Ebd. 

■)  Text:  LüubcnbeK-  ^  Vgl.  dx).  U,  ti4. 

»)  Vgl.  Körtlcnb.  IJ.-B.  Nt    410,  4«9;  König  146- 
")  Vgl-  Fflntcnb.  U-B   Nr.  iJ8.  ■)  Vgl.  Mon«  SI9. 

■9  Vgl.  Motte  }D8:  WcMenricder  ISO;  KSnig  I46. 
«)  Vgl.  StUin  »3. 


-.  ^* 


Quellen  zur  Amberger  Hodizdf  von  1474. 


Spet');  Diepolt  vom  Stein');  Eberhart  von  Urbach*);  Sigmund  von 
Weiwart*);  Bernhart  von  Gemingen*);  Hanns  von  Sachssenhaim'); 
Friderich  zu  Rein;  Jacob  von  Landaw');  Hanns  Schenckh*); 
Albrecht  von  Klingenberg*);  Jörg  von  Blumeneck^");  Ber  von 
Himhaim");  Caspar  Spet^');  Wilhaim  von  Sperberßeckh"). 

Edelfrauen  und  junkfrauen.  /rf/V/  mit  herzog  Ludwtgin     foi.  i««. 
und  der  praul^*)  komen  sein: 

Die  von  Bern");  die  von  Abensperg'*);  Frauenbergerin  vom 
Hag");  die  Preisingerin'*);  di  Toringerin");  Herr  Wilhalm  Rech- 
pergerin-'');  di  Leimingerin*');  die  Holoppin"). 

junkfrauen: 

Penlzenauerir ,  hofmaisterin;  aber  ein  Pentzenauerin;  zwo 
Toringerin;  herr  Wilhalm  von  Rechpergs  tochter-");  ein  Laimingerin; 
ein  Nothafflin;  ein  Traunerin;  ein  Parspergin**);  ein  Plancken- 
felserin;  ein  Schilbaczln-");  ein  Weyenstorfferin ;  ein  Reinsperin**); 
der  hofmeisterin  junkfrau  und  zwo  alt  frauen;  herr  Buerianin") 
ist  hie,  und  etlich  mer  ander  junkfrauen  mit  den*")  obgemeUen 
frauen. 


■I  Vgl.  Quellen  u-  Cr.  ri,  3S0;  Ul.  (43. 

^  VkI.  Westairlnler  tS2. 

»)  Vgl.  St.  Chron.  II,  ««. 

*)  Text:  Waiden  [».  unten  S    «8). 

^  Vletlclclit  toll  es  hdOm  Crlurt  tftberhtrd)  v  Ocinminecn;  fiber  diesen  Cbertiaid 
d.  JOne.  v£l.  Quellen  u.  Ec.  lll,  in;  Humprechl,  Höchste  Zierde  TeutsdienEuides  29. 

•)  VkI-  Künig  t46. 

I)  Ebd.  US;  Wntmnedcf  tgii. 

«)  Vgl,  Ftwil    nr.  Ausir.  44,  S.  JJB. 

•)  VgE.  FQntenb.  U.-B.  Nr.  J4». 

»i  S   die  StuamUiel  b-  Kindler  I,  lli. 

<■]  ^:bd.  U,  64. 

»}  VeI.  Quellen  n.  Cf.  III,  ?2i. 

«i  Vgl.  K&nls  146.  1«)  T«Kt :  preal. 

1^  S.  oben  S.  426.  >«}  S.  oben  S.  4>C 

n)  Wühl  Wulfgutgs  Oenuhtiin;  %.  olnn  S.  437. 

3»)  Oemihliti  WolfRane»?    WcstenriwleT  itj,  1T4. 

>•)  Oemihliin  jArgi?  Weatcnricdcr  ^M.  174. 

•J  S.  oben  S.  427;  Westenrieder  tu. 

«]l  Oenuhlln  Slginuads  <s.  oben  S.  43T>?    Veatenrleder  ItS,  174. 

B)  t^Nl.  114,  174.  1^  S.  oben  S.  4r.  w)  Tort:  Panpcrin.  ■)  Tod: 

Schlbbacdn. 

«1  Text:  Reliperln.    Vgl.  St.  Chron-  II.  »44. 

^)  Dk  GriDJitilin  Iturians  von  Üullmstein  tst  «ohl  dimnlrr  m  vtnlefaen;  vgl-  *>'*''' 
(UeteM  b&brnlictieiii  Heeifühter  BictimBiin  1,  :t2,  2S],  $69,  614. 

^  Text :  der. 

23- 


M.  Mb. 


M.  IS«. 


Meiner  g(nedigen)  fraucn  von  Osterreich  edclfrauen  und 

junkfrauen: 
Orefin  von  Sanverden ');  Jörg  von  Stauffenbergs  fraw; 
Spetin*);  ein  Nothafftin*);  eine  von  Sletlcn;  eine  von  Heffingen*); 
dne  von  Retsadi*);  eine  von  Westeretettcn");  eine  von  Ramslain; 
ein  Ramingerin;   eine  von   Uttenheim;  eine  von  Aw;   eine  vot 
Höflingen;  funff  gurtl  melde  ^. 

Meiner  g(nedigen)  frauen  von  Wirtenberg  edelfrauen 
und  junkfrauen: 
Margareth  von  SainShaim,  hofmaisterin*);  di  vom  Padi,  auch 
bofmaisterin;  Hainz  Zulhart/'-üi?/*);  Slgmundt  Güssen  wittib**); 
Hanns  von  Venningen  frau**);  herr  Wilhalm  von  Zulhartz  frau"); 
Ulrich  von  Welwart  des  jungem  frau'");  ire  junkfrau;  ein 
Vetzerin");  ein  Homeckin");  ein  Burckgraffin  *•);  ein  Raben- 
stainerin");  eine  von  Mcntringen  **);  ein  Jegelfclderin  und  H 
camcT]  u  nkf rauen. 


I 


« 


Edelfrauen  und  junkfrauen  in  Bairn  und  der  Pfaltz: 

Herr  Hainrich  Nolhaffts  frau»»),  Barbara  Notthafftin; 
Margareth  Nothafftin,  junckfrau;  Trislram  Zengerin");  die  Rott- 
tauerin,  junkfrau;  Katherina  Zengerin;  Joc^  Waldauers  frau"); 
Eberhart  von  Streitpergs  frau--);  Hannsen  Romstetters  frau**); 
Eberharten  Mistelbecken  deß  eitern  frau-*);  Christoff  von  Parspcrgs 
frau**);  Hannsen  Plancken felsers  frau,  Anna  Planckenfelserin,  wH« 
tibe;  Notthafftin  von  Krinnenaw,  witib;  Kothafftin  vom  Weissenstain; 
Jacob  Kembnaterin  ••);  Ursl  Pettendorfferin,  witib;  Christoff 
Scharpffenbergerin");  Hanns  Schlamerßdorfferin").  —  Noch  sind 
vil  mer  mit  dem  von  Aystat  und  Regenspurg  und  Mcrspurckh 

>>  S.  oben  S-  *ti.       t  S-  oben  5^  4M.       t  S-  oba  S.  4M.       f)  S.  «ten  S-  • 
^  S.  oben  S.  «M.  ^  S.  oben  S.  4n. 

f)  Soviel  4ls  Kinntertmien.    Scbullx  a.  &.  0.  (I.  Hatbbd.)  S-  iTj. 

•)  S.  oben  S.  ^!^-  •)  S.  oben  S.  454. 

u>  Vgl    fiber  du  OeKbledit  iler  Oiu*en  KIndIcr  I.  *U. 
u>  S    oben  S.  4;5. 

u>  Über  Vilbdm  v.  Zolnhan  vgl  Qudlen  n.  Er.  HI,  i44:  KMg  141. 
■^  S,  oben  S.  4S4-       **i  S.  oben  S.  4».       ■)  S.  oben  S.  434.        M)  ^  a|,cB  g, 
n)  Vgl.   BAchDunn  1,  81,  96,  Ulf.,  164. 

U>  5.obeiiS.  4».       iq  Vfl.  Vestenricdcr  t74.       »}  S.  oben  S- 43«.        «)Sci 
S.  4MI.  <^  S.  oben  S.  4».  ■)  S  oben  S.  43».  ■)  5^  oben  S.  4M. 

•^  Ober  Christoph  r.  ranbere  vgl.  Qudlm  n.  Er.  II,  3». 
«>  Vgl.  oboi  S.  419.  1}  S.  oben  S.  4M.  •»  S.  oben  S.  4». 


Quellm  zur  Ambergcr  Hochzeit  vcm  1474. 


und  Hennenberg  und  mit  dem  vom  Leuchtenberg  und  andern 
herm  sonst  vom  adel  hie  gcwest,  vil  Parspcrger,  Paulßdorffer, 
Zcnger,  Abspcrger,  Retvitzer  und  ander  vil,  als  NothaEften,  Secken- 
dorffer  und  andere. 

L 

Diese  nachgeschriben  sind  im  gese1Ien*ge9(ec}l  gewesen 

am  ascherniittwoch: 

Bairisch: 
Mein  Herr  herzog  Philips');  herzog  Chrisloff  von  Baim'); 
graff  WoIFgang  von  Schaunberg*);  der  von  Bern*);  Wolfgang 
Fraunberger'*);  grafE  Crafft  von  Hohenlohe*);  graff  Bernhart  foi.  ufe. 
von  Eberstain');  der  von  Haideckh*);  Herr  Wilhalm  von  Mun- 
chingen;  herr  Simon")  von  Palczhofen^");  Leonhart  Kembnater"); 
Hanns  von  Tratt");  Hanns  Kueparn");  Hanns  von  Sicking"); 
Seitz  Toringer'*);  Schonpuchler");  Schwarlzenstainer*');  Hohen- 
rainer»*);  Bodmaner");  Ahamer*");  herrMartinvom  Wildcnstain"); 
Ludwig  von  Eib-);  Moraltinger^');  Veit  von  Schaunberg-*);  Paulß 
von  Bibrach");  Grunstetter;  herr  Hintschich  Pflueg-"),  Steiner-^; 
herr  Heinrich  von  Kronberg**);  Hanns  von  Baden'"). 

Sachsisch: 
Herzog  Albrecht  von  Sachssen*");  Wilhalm,  graff  von  Hennen- 
berg*');  Reuß,  herr  zu  Plauen**);  Schenckh  Jörg  von  Tauttenberg"); 
der  von  Sternberg");  herr  Caspar**),  Bernharf"*),  Caspar'^  und 
Hanns")  von  Schonberg;  herr  Hainrich  Druchseß**);  Hainrich 
Starrschedel");   Christoff  von  Maltitz;    Hanns  Qruner*');    baide 

1)  S-  oben  S.  M«.  n  S.  oben  5  3M.  •)  S.  oben  S-  42«.  *)  S.  oben  S-  434f. 
3}  S   eben  S-  437.  •>  S-  oben  S-  4!?.  ^  S.  oben  S.  *Z9.  ■>  S.  oben  S-  434. 

•)  Tot:  SlgraaiKlt.  »^  S-  oben  S.  416.  ■■}  S.  oben  S.  419,         U)  S.  »bcn  S.  413. 

«i>  S.  oben  S.  429.  ")  S.  oben  S.  410.  «^  S.  oben  S.  4«.  «^  S.  oben  S.  4». 

t7)  S-  oben  S.  433.  <»)  S.  oben  S.  4?!t.  U)  Te«;  BwUmer.    S.  oben  S.  4>3. 

«)  S.  oben  S.  433.  n)  S-  oben  S.  423.  tt)  S-  oben  S.  433. 

•>  Hbiu  MoroltingcT.     Weslcnrieder  113. 

«•]  S-  oben  S.  *n.  "f  S.  aben  S    43!.  »)  S-  oben  5.  425. 

■>  Vielleicht  soll  es  helflen:  Hinhschich  Pfloeff  RabcnrtHner  (».  oben  S.  42S>;  oder 
•oUdunitderAugiburKltchcHofmeiner  llAnniv.  Stein  (t.obenS.43S)  gemeint  tdn?  Kauml 

«>  Vielteichl  Ulrich  von  Kronberg.  S.  die  Ocschlechtsurri  z.  ).  Abschnitt  bei 
».  OmptecU,  Die  v-  Kronbeig  (IBM);  vul.  Quellen  u.  Kt.  II,  37,  Amn.  1. 

")  S.  die  StainmtaFeL  h.  Kindler  1,  29. 

»>  S.  oben  S  396-  ")  S.  oben  S.  424.  «)  S.  oben  S.  424.  ")  S.  oben  S.  4«. 
»«)  S.  oben  S.  *!4  »)  S.  oben  S   n:.  i^  S.  oben  S.  431. 

"}  Wohl  der  ipäleTc  üduiscb«  UntermafKhall;  i.  v.  Utns^n,  Albrechl  d.  Be- 
herzte 558;  frJiutadt,  Oesch-  d,  Oesdilechts  v.  SchJSnberg  I  A,  ZU. 

«)  S.  oben  S.  431.       ^  5.  obenS.  4S7.       «)  S.  oben  S.  43i.       «)  S.  oben  S.  432. 


4JS  ^■■■»■^iaii  BadnKT. 

M.  US.  Eiteunßdorff');  Oiiis  vom  Drat*);  Eriuit  Wedunaicr;  Hanns 
Tnicbscß');  Wühadm  von  Wolfbtuo«);  Georg  Marsduli^*); 
jhan  von  Linß;  Götz  vom  Endf^ 

Wirtcrobcrgisch: 

Graff  Hanns  von  Suncnbag^;  berr  ^loff  von  Riethaim*); 
Fridericfa  von  Rhein«);  Vdt^^  Ber")  von  Rediberg;  Sigmund 
von  Wetwart>*);  Bcrtfaolt  vom  Stein");  Philips  Wetzl;  Jacob  von 
Landaw");  Wilhalm  von  Recfabcfg»)L 

I)  Ted:  Art»— ItJcf.    S.  obea  S.  431.  >)  S-  obca  S-  «31- 

*)  VieOckM  idestiKJi  ait  dca  m  da  Qmdkm  m-  Et-  III,  lU  gtaammtea. 
*i  Wie  o  Kkäat.  tnl  er  öxmA  »  da  i«lTi<e*w  Otent  Iber  (*-  aidBle  AnaO- 
t  WaU  idotiKk  ait  dm  bd  Kfinic  119  mer  dm  «fchihchw  Oefolc  gCMUiiteB 
OolianlÖ)  Handtelk;  vie  der  ebca  pamte  Wnhdm  r.  Wolfatcm  md  bimcIi  andenr 
«fcfcHKhe  Adetice  fv^.  BciK  6bm  S.  413,  Abb.  it  zHiole  **'fc™**-x>  tchc^  er  in 
pairHrhfn  Dient  fetnlai  n  na,  ■■  ■■![>*  -^  bcfcfct  an  147S  acbea  WUhelB  v.  Wolf- 
«ia  jarc  Hanckilk  ia  katpiOziKln  OcMcc  (b.  Wukaikdu  174). 

■)  S.  oba  &  431.  ■)  S.  ob«  S.  425.  •)  Text:  Rcdmar    S.  obea  S~  4ZS. 

^  S.  obea  S-  43S.  ■)  S.  oba  S-  434.  n)  S  obea  &  434.  ^  Tat:  Wcdvsit. 

^  S-  obea  S-  434.  M)  S.  oba  S.  435.  J*}  S-  obea  S-  43«. 


Reisetagebuch  eines  Dresdners 

vom  Jahre  1691. 

Mitgeteilt  von  CONRAD  ROOER. 

In  den  von  dem  vormaligen  Reichsgerichtsrat  Conrad  Robert 
Rüger  (t  IS99)  mit  großer  Sorgfalt  gesammelten  und  bearbeiteten 
.^Nachrichten  über  die  Familie  Rüger",  einer  bis  in  die  Refor- 
mation&zeU  zurückreichenden  ramitienchronik,  die  1 899  ausschließ* 
lieh  für  Familienangehörige  als  Handschrift  gedruckt  worden  ist, 
findet  sich  auf  S.  35-50  ein  Reisetagebuch  eines  Dresdners, 
desRentkammerverwandten^),  späteren  Geheimen  Kammerschreibers 
Conrad  Rüger  über  eine  von  ihm  im  Sommer  1691  ausgeführte 
Reise  von  Dresden  an  den  Rhein  und  zurück.  Da  der  Inhalt 
dieses  Reisetagebuchs  besonders  in  kulturgeschiditlicher  Beziehung 
auch  für  weitere  Kreise  von  Interesse  sein  dürfte,  so  sei  dasselbe 
hier,  mit  einigen  Frläuterungen  versehen,  zugänglich  gemacht 

Der  Verfasser  des  Tagebuchs,  Conrad  Rüger  =),  war  geboren 
1667  zu  Altenburg  als  Sohn  des  dortigen  Buchdruckers  Georg 
Conrad  Roger.  Er  besuchte  die  Lateinschule  zu  Altenburg,  bezog 
dann  die  Universität  Leipzig,  um  die  Rechte  zu  studieren,  und 
erwarb  sich  hier  außer  dem  Titel  irjuris  utriusque  consultus"  ein 
am  17.  Mai  \690  ausgestelltes  Notarialsdiplom.  Im  Jahre  1691 
kam  er  nach  Dresden  und  fand  hier,  wie  es  scheint,  zunächst 
probeweise  Anstellung  bei  der  kursachsisclien  Rentkammer*). 


>>  d.  i.  tili  bd  der  kuraldisitcbdi  Scntkimiiner  Venrcndeter.  IMaelbc  befind  s!di 
nebst  der  Rtnirrei  im  SdilDU«  zu  Drnden.  Über  ihre  OrsinisiÜoii  vgl.  Weck,  die  Hdupl- 
(einng  Dresden  l&BO,  S.  51. 

»)  Vgl    rum  (olEciiden  Nw'hrkhtcn  Gbcr  die  Familie  R.  5.  i2f. 

■>  Die  eigentliche  ^nsleltung  crfolglc  erst  auf  der  Reife.  Die  AnMclIungnirlninde. 
•dcrCunmcT-Pflicht-Scbdn',  Itt  sui|;efertTgi  im  Hauptquartier  n  Seckenhdm  in  Baden  am 
K.  Juli  1691.  Danach  erbicll  Rügrr  ah  Rcnlkamtnervervindter  .biß  aulf  Witdenbsiellen' 
)fl.4£r.6pt.  monatlich,  &o«iedic  Kost  am  Kaiuleiliwhe.  Nachrkhienulierdie  FamltleR.  S.  lt. 


4 


4i 


Der  damalige  Kurfürst  Johann  Georg  III.  hatte  sich,  wie- 
wohl er  sich  für  seine  bei  der  Befreiung  Wiens  16S3  geleistete 
tatkräftige  Hilfe  vom  Wiener  Hofe  nicht  gebührend  belohnt  sah, 
dennoch  während  der  Jahre  1 688  —  1 690  persönlich  an  dem 
pfälzischen  Kriege  gegen  Ludwig  XIV.  beteiligt  und  im  Verein 
mit  der  Reichsarmee  der  Verwüstung  der  Pfalz  und  der  an- 
grenzenden Länder,  wie  sie  auf  Anraten  des  französischen  Kriegs- 
ministers Louvois  seit  1688  in  der  rücksichtslosesten  Weise  be- 
trieben wurde,  nach  Kräften  zu  steuern  gesucht').  Das  Verhältnis 
zum  Wiener  Hufe  war  auch  in  dieser  Zeit  nicht  gut.  hauptsächlidi 
wegen  der  Winterquartiere  in  Franken  und  Schwaben,  die  die 
kaiserlichen  Truppen  für  sich  in  Anspruch  nahmen,  so  daß  die 
Sachsen  im  Herbst  1639  und  i690  jedesmal  in  die  Heimat  zu- 
rückkehren mußten*).  Gleichwohl  folgte  der  Kurfürst  einer  im 
Frühjahr  »691  erneut  an  ihn  ergangenen  Aufforderung  des  Kaisers 
Leopold  und  schloß  mit  ihm  am  30.  März  t69i  zu  Torgau 
einen  Vertrag  ab,  wonach  er  sich  gegen  Zahlung  von  300  000  Thir. 
Subsidien  und  Gewährung  von  Winterquartieren  im  Mai  mit 
I200D  Mann  auf  dem  Rendezvous  bei  Heilbronn  zu  sein  ver- 
pflichtete. Die  Führung  erhielt  zunächst,  da  der  Kurfürst  kränklich 
war  und  im  Frühjahr  wie  alljährlich  eine  Badekur  in  Teptitz 
gebrauchte,  der  Fddmarschall  von  Schöning*),  doch  übernahm 
Johann  Georg  ili.  später  persönlich,  trotzdem  ihm  die  Ärzte 
dringend  davon  abrieten,  das  ihm  vom  Kaiser  für  den  ganzen 
Feldzug  am  Rhein  übertragene  Oberkommando  auch  über  die 
Reichs-  und  kaiserliche  Armee.  Die  sächsischen  Truppen  trafen 
am  13.  Juni  bei  Heilbronn  ein,  überschritten  den  Neckar  und 
vereinigten  sich  Ende  Juni  mit  den  kaiserlichen,  die  unter  dem 
Oberbefehl  des  Grafen  Caprara  standen,  bei  Schwetzingen.  Die 
französische  Armee   befehligle  der   Marschall   de   Lorges.     Bald 


1)  Mltcrr.piilhe,  Ocschlchle  des  Kuntutes  und  KAnlsrdchi  Sachten  II,  itT4. 
S.  3}3f.:  Schuster  D  Fnuicke,  Onchlchte  der  SicbiiKben  Armee  I,  uss.S.  usf.;  Erdnunaf- 
dflrffer,  DeatichcOctchichle  (16«S- 1740)  II.  1BQ3,  S.  3f.;  The^tium  CuropAnitn  X1V(1T03). 
■)  Vgt,  hietöbcT  beaanders  fesia.  Die  »ntierlen  Stortle  (l«3i  i69;).  iftSfi.  S.  9SI 
■)  t>ie«ef  wir  gerade djimils,  am  9.  April  MOi,  ans  brin den burgl sehen  tn  siduisdir 
Eiiniite  QbcrKerreteii ,  vlhrcnd  umgriieliri  der  bLihecige  tÄchiitcbe  rddoundiaU  vtm 
Flcmminc  in  brandenburgiscbe  Diemte  lunkktraL  Sctiäoing,  Moms  Attoin  von  ScMnii^ 
l.eb«i  und  Krienstaten  tSlT.  S.  33). 


indes  entstanden  Streitigkeiten  zwischen  Schöning  und  Caprara, 
die  jede  tatkräftige  Kriegführung  vereitelten  und  die  zu  beseitigen 
der  kränkliche  Kurfürst  sich  außer  stände  sah').  So  verlief  der 
Pcldzug  ziemlich  ergebnislos.  Der  einzige  Erfolg  von  Bedeutung 
war  der  Anfang  Juli  angesichts  des  Feindes  ausgeführte  Über- 
gang auf  das  linke  Rheinufer  bei  Schaarhof  in  Baden.  Da  jedoch 
auch  die  Franzosen  den  Rhein  überschritten  und  nach  Württem- 
berg einzufallen  drohten,  so  sahen  sich  die  Verbündeten  bald  wieder 
genötigt,  auf  das  rechte  Rheinufer  in  ihre  früheren  Stellungen 
zurückzugehen.  Nun  brachen  Seuchen  aus,  ein  großer  Teil  des 
Heeres  erkrankte;  auch  der  Kurfürst  wurde  vom  Fieber  ergriffen 
und  starb  zu  Tübingen  am  12.  September  (691.  Seine  Leiche 
wurde  von  hier  nach  Sachsen  überführt  und  am  1 1.  Dezember 
im  Dome  zu  Freiberg  beigesetzt 

Dies  sind  die  Ereignisse,  die  das  vorliegende  Reisetagebuch 
eingehender  behandelt  Danach  ist  der  Verfasser  desselben,  da- 
mals 23  Jahre  alt,  am  7.  Mai  169«  mit  dem  Kammerschreiber 
Leißring  von  Dresden  abgereist,  am  1 9.  Juni  bei  Heidelberg  zum 
Hauptquartier  gestoßen  und  bei  ihm  bis  zum  t9.  Juli  verblieben. 
Er  berichtet  also  über  die  in  diese  Zeit  fallenden  kriegerischen 
und  sonstigen  Ereignisse  als  Augenzeuge.  Am  genannten  Tage 
ist  er  erkrankt  und  hat  6  Wochen  zu  Heitbronn  im  Lazarett  ge- 
legen. Daher  fehlen  für  diese  Zeit  die  Tagebuchaufzeichnungen. 
Sie  beginnen  erst  wieder  am  20.  September,  wo  Rüger  den 
Auftrag  erhalten  hat,  sich  nach  Tübingen  zu  begeben,  um  von 
da  die  kurfürstliche  Leiche  mit  in  die  Heimat  zu  geleiten.  Am 
25.  Oktober  169t,  nach  mehr  als  fünfmonatiger  Abwesenheit,  ist 
er  wieder  in  Dresden  eingetroffen. 

Das  Tagebuch,  ein  Oktavheft  von  64  Seilen,  ist  betitelt: 
Diarium  Itinerarium  ]  conscriptum  anno  |  1691  |  inciptt  i  ü'ih 
6.  Maj  l  a  I  Conrado  Rügero  [  Alten  burgens.  Misn.  Auf  einem 
Umschlage,  der  ein  Verzeichnis  einiger  wichtigere  Ereignisse  im 

I)  Ol«  M!flhdH£keilen  «reicfalcn  schlidilich  einen  volch«n  Ond.  daß  Capnn,  Abef- 
dia  knnk,  In  Wien  um  seine  Abbemfiin£  bat  und  dtewlbc  auch  erbielt.  Klopp,  Fall  dn 
H«u»«  Stuart  V.  187T,  S.  39?.  v.Anirth,  Prirw  liugen  von  Savoyen  l,  18S8,  S.  71.  Sdtfliüng 
wurde.  wtH  man  Ihn  Rchdincr  Intrigiien  ftirgert  dm  Wiener  Hof  bnchiild litte.  Im  nftditten 
Jahre  In  Tepliiz  verhiftei  und  bii  Mi*  aul  dem  Splclbcrgc  bd  Gr£nn  getuiccn  ccbaHen. 
Vgl.  hierüber  Heibig,  Neue«  Archiv  f.  Odii.  Ondi.  XI,  3S3f.;  Fetkr  S.  mj,  i*6f. 


442  Conrad  Rüger. 

Leben  des  Verfassers  betreffender  Papiere  enüiält.  wird  es  m 
den  Worten  erwähnt:  »6.  Meine  aufgezeichnete  Reiße  von  Dreßdc 
in  Campagne  anno  1 69 1  den  6.  May."   Der  WorUaut  ist  folgende 

Mit  Gott  d.  7.  Maj  1691  als 

Donnerstags  aus  Dreßden 
s.  i.  ^^is  Freyberg; 

4  Meilen 

bEBFreybfrg.  j    g   g^^^^  geruhct.   Ist  eine  weitläufige  und  irreguläre,  m 

vielen  wQsten  Häusern,  zerrißenen  doppelten  Mauren  und  hal 
Waßer  und  halb  schlammichten  Graben,  tedoch  noch  feinem  Rath* 
Hause'),  5  Kirchen,  nemlich:  Thum,  Pelers,  Thomas,  Frauen  ua 
Kloster  Kirche*),  da  der  Thuin  das  Churfürst).  Begräbniß  hat  uni 
2  Canlzeln  neben  einander,  die  einen  Becher  gleichet,  hat  ei 
Lebrjunge  gemacht,  welchem  der  Meister  nachmahls  die  Auge 
ausgestochen  halt,  dafür  ihmc  naehgehents  die  rechte  Hand  at 
gehauen  worden'),  auch  5  Thoren,  Creutz,  Edrischen,  Thoma: 
Petrischen  und  Meißnischen  Thore*),  mit  wohlsclimeckenden  doc 


i)  VielCach  trifft  der  Reisend«  noch  uii  die  Spuren  de«  sajührigcn  Kriegn.  in  de 
bekanntlich  luch  Freiberg  schwer  zu  Iddrn  hitte.  Das  HXlut»  am  Obctmarlrt  vardc  jede 
Itlh  im  AnUns  des  i!.  jh.  erbiut  untl  H70  erneuert,  Möller,  TheÄnim  Freiberfreii' 
chTotiicum  [,  1653,  S  13J;  KrtniKh,  Wandeninjm  durch  die  Stidt  Prelbcrg  im  Mlltelihe 
Neue«  Archiv  I.  uchs.  Ocsch.  XII,  13S. 

>)  Die  Aufühlurii:  ist  ungenau.  V)et  •.Thatn-  (mliil.  luom  ^  Don)  IM  dxsselbe  v 
die  Fraocnkirchc,  EincThomaskircfcc  hat  es  fn  Frcibcrg  nicht  grgebeii  Vielleicht  Itt  dun 
die  alte  DoMtiWrche  fiemeint,  wie  e»  jedenfatl*  »citcr  umcn  bei  Aufühlung  der  Tore  i\ 
Thooiutor  Donalstor  heißen  muß.  Nur  hat  riich  MÖIkr  I,  iis  die  DoiuliJiirdte  scbnn  j 
»einer  Zeil  nicht  melu  rxlsJlerl.  Onlerder  ECloitnkirche  iit  jnienfills  die  1890  sbgelnfei 
alte  ]akobikirche  ni  verstriim,  die  dem  vonnaÜKm  Maria  Magdalcnen- Kloster  inkorixirit 
var.  Nicht  eeninnt  lind  unter  rrclbeTt[s3lteren  Kirchen  die  NIcoUlkIrche  und  die  Ho«piti 
kirche  St^Johannis.  Vgl.  liber die  KircbcnFrcibcrgs  Neue  tichs.  KIrcheii£alerie(ffeiba£)i90 

')  In  d»  im  Chore  dr%  fliiines  enthalleiien  l-ürMen^nifl  Kind  die  ücliMwhrti  FOrvl« 
von  Heinrich  dem  Frommen  ft  '**')  l*'*  Johnrn  Oeoru  IV,  (f  1W<)  tx-ifcsetit  Von  dl 
t>cidcn  Kanicin  iit  die  eine  die  nicht  melir  benutzte  Tulpen-  oder  TeuteUkaruel,  auf  di 
es  der  Sage  nach  keinen  J'rcdiger  leidet  Die  an  ihr  angetiracliten  Oestallen  eines  Uitijp 
Manne«  und  ein«  Juni[lings,  der  die  Treppe  aul  seinem  Rückni  tri^;!,  deulH  man  aU  dt 
Meitler,  der  dtc  Kanzel  rrhaut,  und  den  Oewllcn,  der  Ihm  dabei  gelifillen  hat.  Die  friln 
abhanden  gelcoiTRicnc  rechte  Haitd  des  Mciticrs  Itt  1B6S  von  dem  Didhaucr  Müller  cTEin 
Verden  Vielleicht  hat  dos  Fehlen  der  Hindi  /u  der  oben  enrihnten  Sa^e.  die  lieh  übrige 
in  ähnlicher  Oettall  auch  »onvl  vielladi  findet,  den  Anlal)  tEegeben.  Möller  ervlhnl  dii 
selbe  bei  Beschreibung  der  Kanzel  (I,  SS}  nodi  nicht.  Die  andere  Kanzel  lielJ  der  ROrgc 
nteiftler  Schi'inlel>er  I6IS  erbauen.  Hau-  und  Komidenkmiler  des  Kcr.  Sachrcn  III,  X 
Oerlach,  Kleine  Chronik  von  Fteibcfg  1897,  S,  53 

*i  .EdriKhea*  Tor  !»|  verschrieben  für  .Erbtsches*  Tor,  nach  dem  südlich  vt 
Freiberg  felcKeneD  Erbisdorf  beiunnl.  Vun  den  allen  Torlflimen  sieht  jctil  nnr  noch  (b 
Donatstuma.    Ennisch,  a.  a.  O.  S.  n. 


ReiseUgebuch  eines  Dresdners  vom  Jahre  1691. 


kalt  nalurten  Biere  begabte  Stadt.  Das  Bierzeichen  ist  ein  Trichter 
auf  einem  erhabenen  ausgeschnitzlen  Holtze  stehendt '). 

Logirt  bcy  dem  Creyß  Cassirer '). 

Den  9.  M.  durch  Edern,  welches  der  halbe  W^  von  Frey- 
berg biß  Cemnitz,  und  ein  lumpicht  mit  vielen  Tuchmacbern  besezles 
Städgen  ist"),  hatt  einen  geschickten  sc.  Baibier,  der  einem  Bürger 
ein  gut  Bauer{?)  Haar  schneiden  kann,  auch  seine  Kunst  an  mir, 
welches  ich  ihm  nicht  dancke,  bewiesen  halt,  nacher  Cemnitz. 
Welches  regulärer  und  beßere  Häuser  als  Freyberg  hat,  doch  auch 
noch  vom  Kriege  her  viel  eingefallene*).  Kirche,  Rathauß  und 
Weinkeller  stehen  beysammen  auf  dem  Marckte"),  zwey  Kirchen 
sind  noch  vor  denen  Thorcn,  hatt  4  Thore,  dasjohannis,  Kloster, 
Nickels  und  Cemnilzer  Thor"),  hatt  auch  gedoppelte  Mauren,  nicht 
gar  wtchlige,  der  graben  ist  auch  nur  halb  Waßer  halb  Schlamm. 
Feine  Berg  Keller  vor  dem  Thor.  Drey  Kegel  auf  einem  Creutz 
bedeut  Bier.  Logirt  bei  einem  Bargen thänd  1er  u.  Tuchmacher 
Crusio  auf  dem  Marckte.  Lichtenstein')  ist  Schöm burgisches 
Qebieths,  liegt  3  Meilen  von  Cemnitz  und  eine  Meile  von  Zwickau, 
ist  ein  gar  fein  Städgen,  mit  2  Thoren,  wie  Edern,  doch  an  ge- 
bäudten   beßer.     Zwickau   von  Altenburg  4  Meilen,   wie  auch 


1)  wKili  Rihirt*.  d.  f.  von  katkr  Brschartnihrtt,  vom  vcrillrttn  V«Tbum  .natiirm*; 
Orimm,  Deatteh«  WÖrtcrbueh  Vit.  <4Sf.  D«  Bicnridicn  und  die  Beicbaflenhdt  d«  Bier« 
I^ibt  der  Rcittndc  bei  den  von  ihm  bcrührttn  Orten  fi&(  rcgclmißis  an.  Dt«  Draunahrung 
sptcllc  datnaU  <m  £r«erb«tfbicn  eine  grolle  Rolte.  V^L  Stelnhaut«ii,  Ocschichle  der  dcul- 
(Chen  KuUur  i904,  S.  390.  Aurb  auf  dem  Hau^r  ttn  Kllrtn  Kügers  in  Altenhuri;  mhlr  die 
Brauecrechtfelcetl  und  bildclc,  wie  e»  schcini.  einen  erbchUchcn  Teil  ihrer  Einnahme-  Nadi- 
rlchtcn  über  die  Familie  H.  5.  1''. 

«)  Die  Naehlquaniete  »ind  gTÖfllcnldii  iu(  dm  vier  letctcn  Seilen  des  Taccbudhs 
nacticinandeT  angezeben,  «erden  aber  hier  des  beuvren  ZuHinimenbanfs  wegen  Kleich  bei 
den  einzelnen  Ortwhaften  etngefÜK«.  Nur  an  wenig  Orten  [Nürnberg.  Bniclc,  Heidelbent, 
DinkclibOhl)  hat  der  Rdwndc  In  Qaslholcii  iibemachlrt.  sonst  ist  ^rr  rrelst,  wwdi  er  nicht 
Im  FrctcD  lümpicrt  bat,  bei  Schullehrcm,  SchulthciSen,  Börgenncitieni.  Oemeindcbcimlen, 
Kanneulen,  HandverUm,  Witwen  uiw.  ^ebtiebai,  jedcnlalli  weil  gute  Qoathöfc.  namentlich 
in  klctoerai  Orlm,  noch  recht  selten  waren,     Sleinhauten  S.  i9t. 

1  ■Cdem-  Uten  Form  für  Ödcran.  Die  Zahl  der  Tuch-  und  Zeiigweber  betms 
im  Jahre  i697  noch  161;  doch  war  die  Stadt  im  Kriege  «ehr  surtclteeguigen.  Schumann. 
Lexikon  von  Sachsen  VII,  741 

<)  Auch  Chemnitz  wurde  im  IDjUirisen  Ktvege  vitderholt  sdiwvr  heltnEesnchl. 
Noch  16<6  standet  von  44!  Hintern  der  inneren  Stadt  nur  TS.  vnA  von  Sii  der  VorstUte 
varen  Ui  wQite  Branditlttcn.    Z61lneT.  Oeschiditc  der  Stadt  Chcinniu  iB6a.  S.  .101  f. 

*)  Die  Kirche  am  Markte  i«t  die  JaVobilcirchc,  nach  der  der  Markt  auch  Jakobl- 
nutkl  htefl.  Dicht  neben  ihr  stand  das  alle  Rathaus,  1496-KlSV  erbaut,  von  dem  sichtbare 
Teile  nicht  mehr  värhandm  ^ind.     Bau-   n    Ktinstdenkmälei    des  Kt;r.  Sachsen  VII,    26,  31. 

•)  Die  beiden  Kirchen  vor  den  Toren  sind  d\c  Nicolaikirrhc,  t»9S  neu  erbaut,  and 
die  Johanniskirche.  Bau- und  Kunitdenkniälcrdes  Kct.  Sachsen  Vll.  3J(.  Über  dk  4  alten, 
nach  den  Himmetsrich tunken  gelichteten  Tute  vgl.  Zöllner  S.  i*. 

')  Lichtni«lein,  äladi  in  der  Kreisha  upimann  sc  hafi  Zwickau,  gdlÖfl  tu  doi  Mge- 
aannlm  Schön burKischcn  RezrfUinnchaflen.     BAHBCi'flathe  II,  43a. 


S.  4. 

4  Meilen 
bilt  Cemnit?, 
allda  den  10. 

gemhct. 


I 


S.  s. 


d.  «2.  1J.  14. 

hier  venogeo, 

wte  aoch  I5. 


von  Gerau,  ist  eine  feine  und  noch  ziemlich  feste  Stadt,  hatt  ^^ 
der  Stadl  2  feine  Kirchen,  die  große  und  die  kleine,  ein  wof"»** 
gchauetes  Rath  Hauß,  die  Moritz  Kirche  ist  vor  der  Stadt  *^)' 
2  Pforten  und  4  Thore,  das  Trenck,  Nieder,  Frauen  und  Ober  Thc^  *"• 
liatt  gedoppelte  Mauern  mit  vielen  Rundclen^  einen  feinen  grabe  «^' 
davon  die  Bürger  sagen:  der  graben  ist  gemeine,  die  Fische  ^ 
freßen   die   Raths  Herren  aJleine,  vor  den  Trenck  Thore  flei^^^ 

s.  0.  die   Moldau,    hat  sehr  wenig   Fische,   daran   sind    viel    M&hle^4H 
Pappier-j  Schleif-  Mahl-  und  Waickmühlen.     Den  8.  dieses   ha-  "■■ 
das  Wetter   in   das   Trenck -Thor   geschlagen')    und   2    ruchlo^^^ 
Soldaten  beschädiget,  der  Schlag  ist  von  vielen  verständigen  ac^-' 
iniriret  worden.     Der  gottes  Acker  vor  den  Frauen  Thor  ha  ^* 
keine  Mauer,  ist  sonst  schön  angeleget").     Den  t3.  hij.  kam  Ih^^- 
Churfürstl.  Durchl.  von  Teplitz  aus  dem  Bade  um  9  Uhr  früh-^* 
in   Zwickau  an.     Nachmittage    um   5    Uhr  kam   Ihr.   Chrfürst^^- 
Durchlaucht  von  Brandenburg  auch  hier  an,   wartete  ohngefeh^"^ 
eine  Stundl  und  alsdann  wieder  fort  nacher  Stolberg,   allda  zl — ^ 
pernociiren.     Folgenden    Tag    kamen    beyde    Durchl.    Printze*)    ■^■ 

s.  ?  Den  15.  hij.  bekäme  ich  ohngefehr  des  seel.  Rector  Daumen^^ 
Bibliothec  zu  sehen'),  gleich  da  H.  M.  Green,  Chi.  Durchl.  Hof^ — -" 
prediger*),  hineingeführt  wurde,  da  waren  unzehlige  Bücher  zwarjlT^j 
wie  auch  rare,  iedennoch  mancher  Edition  wohl  Sechs  oder  mchi:::^^^^ 

■)  Die  grofle  KIrcbe  lit  die  Marlenkirche,  auch  oben  oder  Fnii«nktrdic  gentnnt^^^ 
die  kleine  ist  «lip  KalhanneiikiiThe,  auch  fiieUcrr  Kcnannt.  Die  Morftriiirrhc.  i675--i68i^^^ 
erriehfrt.  wurde  1894  abgdragen  und  durch  einen  Neubau  an  anderer  Stelle  ersetzL  D«^^** 
Rathaus  am  Haupimirict  tlxmmt  aus  dem  Ende  des  16.  Jahrti.  Nene  tächt.  KfrctacnKikrltf^^^ 
(Zwickau)  1902,  S.  71, 107.  117;  Bau-  und  Kunstdenkmller  de«  Kgr.  Sachten  XU,  80, 134.  I34_— - 

>)  Du  Trenck-  oder  Trinktor  hat  letnen  Namen  jedenfall»  von  der  Viditriakc. 
Ober  die  ehemalige  Betestisung  Zwickaus  v^l-  D^u-  und  KHnitdenkmätcr  des  Kj>r. 
Sachie«  Xtl,  78  f. 

■)  Der  eintt  zur  MoHtzkIrche  lehOrlce  OotlesidieT  ist  »dt  II94  sikularlileit 

<]  Die  natbmalieen  Kutifinlen  Johann  Uenrg  )V.  und  Friedrid)  Augiul  I.  d.  Stuke. 
Knrfßnt  von  Brnndeiiburs  war  damals  Friedrich  111.,  ah  Kfinig  Fricdriefa  I,;  er  bcrühne 
Zwickau  auf  der  Heise  nach  Karlsbad.  Unrichtig  ist  es,  wenn  es  bei  Schuster  and  Prucke  I, 
119  bclDt.  der  Kurtätst  von  S^scn  halle  Dresden  an  S.  Mai  zugleich  mit  Mtoea  Sfiban 
veilai.«en.  Audi  nach  dem  l'hcatruni  üuropaeun;  XIV,  99  langten  diiM  enri  elnea  Tag 
nach  Ifareni  Vater,  der  dircM  von  Teptitz  kam,  in  Zwickau  an. 

!>]  Christian  Daum,  berühmter  Rektor  v<)b  Zwickau  <t6i:-IMT).  Sdnc  rekUtalHge 
BlUfoHlck  von  TMO  Hämlen  wurde  vnm  Zvickatier  Stadtrat  angekauft  und  der  Kstadial- 
blbllotheV  ßberwicsen.    Hcrtog.  Ocschlchic  des  Zwiekauer  Gymnasium»  I849.  S.  M.  80. 

">  Oeorg  Oteeii,  ^eh.  ttlt  ta  Tremitbütlel  in  tiulslein,  wurde  I6S1  HoTprrdlgV 
Johann  Ocorffs  III,,  den  er  auf  seinen  Reisen  und  Fclditigen  bc^äpdig  begldtdc  ZÜi 
OberhoEpredlger  besldll,  starb  er  noch  vor  Antritt  der  neuen  Stdlune  im  FcldUgcr  am  RbelB 
am  33.  Auffust  1691.    J6cber,  Odehneniraikon  II  (1750),  S.  U5i. 


m 


n 


Retsetagebuch  eines  Dresdners  vom  Jahre  1691. 


Das    ^^^H 
r  Steuer-    ^^^H 


mahl.     Schöne  Berg-Keller  giebts  auch  allhier  in  Zwickau. 
Bier  Zeichen  sind  drey  Kegel  auf  einen  hohen  Stock. 

Logirt  bei  einer  Wittib  in  der  Burggaßen,  bey  der 
einnehmerin  Färberin. 

Durch  Längefeld,  welches  der  halbe  Weg  ist,  heist  ein  d.  i«  mij 
Städgen,  hat  aber  keine  Thore,  sondern  schöne  Stadtmauern  aus  "^mo"" 
Wcidcnen  Stecken  zusammengemauret,  nach  Plauen,  welches  d  17  hj.  g 
eine  bergigte,  mit  einer  feinen  Kirchen,  schönen  gebaute[n],  hüt>-  "J^^J^* 
sehen    RathHauße,   schönen    auf   einen   Berg    liegenlen   Schloße,     F«»tm  vo 

ZclUei). 

und  auf  dem  Marckte  noch  ziemlichen,  in  andern  gaßen  aber 
etzlichen  zerrütteten  Häusern  beseeligte  Stadt  ist  Hatt  5  Thor;  s.  i. 
das  Brücken,  Hammer,  Sirauer,  Neudorffer  und  Straßberger  Thor; 
einem  Orts  gedoppelle,  andern  aber  nur  einfache  Mauren  u. 
keinen  Graben').  Beyweg  fließt  die  Elster,  durch  aber  ein 
VVäßergen,  die  Siran  genant,  ergeusl  sich  manchmahl  so,  daß  es 
auch  Häuser  mit  wegreißet.  Nichts  hatt  mir  da  so  wohl  gefallen, 
als  der  Archidiaconus  Hr.  M.  Christian  FeisteP),  gebürtig  von 
Zwickau,  hatt  in  Leipzig  studieret.  Weicher  nicht  bloß  Iheo- 
rethisch,  wie  viele,  sondern  recht  practica  predigt,  darauf  tringt 
«nd  von  seinen  Audrtorio  haben  will,  hatt  die  Methode,  wie  Hr. 
Ö.  Spener*),  nicht  nur  in  Predigten,  sondern  auch  in  examinibus 
^tr\  publicis  qm  privatis,  correspondiret  öffters  mit  ihn,  habe  bey 
'hni  etzliche  Brieffe  gezeiget  bekommen,  verfolgen  ihn  eben  also, 
^e  Hrn  D.  Spener.     Plauen,  ql.  non  planum,  vel  et  dictt(u)r  ab 


'}  Die  Ntbenlinic  Sachsen  -  Zeit*  mUUnd  ifiSJ  durch,  dat  Trstansrnt  dr^  Kurfürsten 
J**h«nn  Oeorg  [.  N«ch  don  AuMtcrbcn  det  Linie  ilit  fiel  das  FGninituni  Sadi«er>-Zdti, 
**•  dem  Mich  «kr  vogrUindlschc  Kreis  gcliörtc.  in  die  Ktirlande  mrtlclt,  Bötlgrr-FlJitlie  II. 
**9f.  Lingefcld,  jetzt  LniKentdd  im  Vostluidc,  lUmUnlerschicdcvon  Lcngcteld  im  Eragebirse. 
I]  Die  Kirche  Ut  die  Johann! skirdic,  ebenso  vie  das  Rathaus  nicli  einem  eroßeii 
^•^nde  von  ISIS,  neu  «baut.  [>«  Schloll,  im  Volltimniide  HndKhln.  iX.  i.  Beri;lnlr,  gr- 
*'*'ini,  »ir  ein«  Sin  der  Vögle  von  Wridi,  der  rtiemaligen  Herren  vun  Ptaum,  und  vutde 
*67o-i674  vom  Herzog  MoriK  von  Sachsen-Zdtt  gunz  neu  auilgebiut.  jctit  lit  e»  Sitz 
'**«•  KeI.  Uutd»bchörden.  .bes«lip"  =  gesegnet,  begabt  Orimra  1. 16IJ.  Vor  der  (rflheren 
^«Iritigung  der  Stadt  »ind  nur  noch  güinge  Teile  vorhanden.  Fiedler,  Bcitrlge  iiir  Oe- 
**:hiehte  der  Stadt  Plaoen  1S76,  S.  i,  13f.:  Bsd-  und  Kunst denhmlLer  det  K^.  Saditen 
^I.    !0f..  6«. 

■>  Christian  Feustel,  geb.  I&56  in  Zvicicau,  war  idl  1&SS  Sladlprcdlgcr  in  Plauen. 
"•■nn  Superialendent  In  Wdda  und  zuletzt  in  Orimnu,  wo  er  1TI*  (tarb.  Kreyflig,  Aibum 
*er  «r.^th.  Odstli^hen  im  Kfir.  Sachien  1898,  S.  4M. 

*)  Philipp  larob  Spener,  der  bekannte  Stifter  de«  PfHIamus,  wtf  1U6-IMI  Obcr- 
'wfpndiger  In  Dresden.  XPegen  »rines  Freimutes,  mit  dem  er  die  IjBwUüehifrit  de»  Hofes 
"l^d  det  Volkes  ladeile,  wurde  er  vielfach  anc'felndel.  Beim  Kurfßrstcn  Johann  Qeorg  MI. 
BUK*  Briefes  wrcm  in  Ungnade  gefallen,  wurde  er  auf  Aiitcftung  des  ticluiichen  Hof«  tHl 
^"m  Drcadm  nach  Berlin  benilen.   Bianckmeisler,  S&clisisehe  Klrchcngcschlchte  19061,  s.  jm_ 


I 


Auen,  adjedo  PI,  maßen  es  dabey  viel  Berge  u.  Auen  gibt').  _  ^ 
Zwei  Stunden  von  Plauen,  liegt  eine  Stadt,  Elßnitz  genant,  allwo  <z» 
s.  9.  ein  Kind  mit  einer  großen  Fontatige')  und  Pferdefüße,  am  m~~k- 
anderen  Fuße  mit  einem  Modeschuhe  gebühren  worden.  Das^zui 
Bier  Zeichen  siehet  aus,  als  wenn  2  Teller  untereinander  ge — ^ 
henket  wären,  und  an  einer  Stangen  zum  Hause  heraus.  LogirlB — "M 
bei  einem  Tuchmacher  Nahmens  Jehring  in  der  Herren  Gaßen_  .m~i 

d.  18.  Maj  bis  Hoff.  3  Meilen.  Ist  eine  zum  Virtel  ab — ^ 
gebrande  und  auf  einem  Bergl  liegende  Stadt ').  Matt  vier»^  ^ 
Kirchen,  die  S.  Lorentz,  S.  Michaelis,  Kloster  und  Hospitalkirche  ^J* 
dazu  Sechs  Priester*).  Allda  ist  auch  ein  feines  Rath  Hauß  uncfc:^  i 
noch  ziemliche  privalgebäute,  hatt  gutes,  jedoch  hitziges  Bier — ^ß 
ein  grünes  Reiß  bedeutet  das  Bier,  hatt  eine  sehr  schlechte  Mauer — ^ö 
darauf  viel  gcbäude  gesetzet,  von  Sloß-Pfördgen  bis  obern  ThoÄr^ 
s.  ip.  ist  die  Mauer  gedoppelt,  das  Schloß  hat  ein  schlechtes  Ansehen  .*^ 
und  dienet  nicht  viel.  Hatt  2,  das  Ober  und  Unter  Thor  uniE:^ 
3  PfÖrdgen.  Die  Saale  fleust  vorbey").  Dieser  Ort  ist  denr"*^ 
Markgrafen  von  Bayreuth*).  Logtrt  bei  Adam  Pohlands  Kirschner^ 
Wittib  ohnweit  einer  Kirche.  Der  Hr.  Cammerschr.  bey  einenr^^ 
Kaufmann. 

d.  t9.  bis  Münchberg.    2  Meilen.    Ist  ein  bergigt  garstif 
Nest,  hatt  2  Thore,  das  obere  und  untere,  eine  Kirche,  3  Pfarre  pp.^  — 
heißet  allsOj   weil  es  vormahls  gantz   katholisch  gewesen,  führet*"^ 


>>  Naive  ElymoloE'c;  H  ^oll  vvtil  Abkürzurg  van  plurimi  sein.   Der  Name  Pia 
iit  jcdenfkUs  slivischen  Ursprunip  tind  bedeutet  so  viel  »ic  .Ploflort".    Hey.  Die  ütvi 
Siedclungen  in  Sachicn  itV3,  S.  3;?. 

t>  Prauenkopfputz.  Per  Name  tührt  her  van  der  Herzn^etn  von  FonUngC»  (IWI  - 1681^,  -^    \ 
einer  Miticssc  Ludvigs  XtV.,  die  itirrn  auf  der  Jajrd  vom  Wind  Kel&tlm  Kopfpatz  mt 
einer  Ober  die  Stirn  hängenden   Baiid»dilc1(e  wieder  befestlsl  haben  soil,  w»  dann  M 
vard.    Ut  itausse,  Qrand  dictionnalrc  unirerscl  Vtll,  578. 

')  Hol  halle  in  den  Hutoi  teil  kriegt)  i  und  im  30  jähriger  Kriege  schwer  zu  leiden 
{[eliabi;  ludi  IfiW,  bevor  tinjcr  Keif«nder  hin  kaoi,  wütete  ein  gioBer  Brand.  Bavaria, 
Lande*-  und  Vollnlrunde  dci  Kjp.  Bayern  IM,  i,  S.  SS9f. ;  Qöbt,  Oeogr. -histot.  Handbndi 
von  Daycrii  1H9«.  II.  is;. 

*)  Die  Kirchen  &ind  jetzt  noch  vorhanden,  nur  dient  die  Kloitcr-  oder  Dreitaltislaelti'' 
kifclie  Kit  Anlan2  dct  19.  J all r hundert«  profareii  Zwecken.  Tillnuno,  Die  Stadt  Hof  1SU, 
S.  I3l, ;  Meyer,  Quellen  mr  Ocschichte  von  Hof  MO*.  S.  X, 

■)  An  Stelle  (In  IS23  Ust  gnm  nieder Kebruinlen  alln  Ralhaute«  «cht  jetlt  ein 
Neubau.  Das  Schloß  •Rcpiiuhof",  ehemals  Sitz  des  Rcichtvogtci,  der  AiUfaniEtpiuikl  der 
Stadl,  in  seit  einem  Blande  von  \7*j  versclivunden :  auch  von  iler  alten  SudUnancf  mit 
Ihren  I  äntico  und  Toren  sind  nur  noch  geringe  Reste  voihanden,  so  die  MichaellapfOfle. 
Die  beiden  anderen  Pforten  hirKcn  das  Mflhl-  und  Badtürleln.    Tillmann.  S.  9-to. 

■)  Uanials  Chrl»tiui  Eins.t  1fiSS  1713.  Die  Burggrafen  von  Nfiraferg  kauften  Hot 
isn  von  den  V6gtcn  von  Wctd»:  ISIO  icam  es  ir  Bayern.    OöB  II,  US. 


Rdsetagcbuch  eines  Dresdners  vom  Jahr»  1691. 


einen  Mönch  in  Stadt  Wapen  ober  dem  Thor^).  Bir  war  gut, 
grünes  Reiß  bedeutet  es.  logirt  in  der  unteren  Vorstadt  bey 
Neudeckers  eines  Schneiders  Wittib,  der  Hr.  Cammerschr.  bei 
einem  Ziramennann.  Zwischen  diesen  und  folgenden  liegt  ein 
Städgen  nahmenll.  Gefräß'),  halt  2  Thor. 

d.  20.  Maj  bis  Bereneck  2  Meilen,    den  21.  hier  geruhet. 

Von  rechts  wegen   solte  es  geschrieben  werden  BärenHeck,  weil 

es    eben   den   Nahmen    bekommen    davon,    daß  zuvor,    ehe  die 

Stadt  an  diesen  Ort  gebauet    (hatt  gestanden   zuvor  hinter  dem 

'ezten  Schloße  nach   Mönchberg  zu)    die   Bären  allda    gehecket,  s.  it. 

derer  es   biß  dato   noch   giebet   um   selbige   Gegend').     Lieget 

Zwischen  großen  hohen  Bergen,  hatt  2  Thore,  schlechte  Häuser, 

■^och  eine  feine  Kirche  und  sehr  aEbers  Rath  Hauß*),  was  muß 

an   denen  Hn.  des  Raths  seyn?    der  bürgermeister  heißt  Philipp 

'^Gger,  sein  Vater,  Großvater  und  Anherr  haben  allda  gewohnet 

"^d  sind  auch  da  begraben  worden,  gehören  allso  mir  gar  nichts 

^^rn  Geschlecht    nach    an").     Zwey   alte  von    den   NQrnbergem 

^*Jinierte  schlößer  nebst  einer  Cappellen  giebl  es  da,  iedes  stehet 

^Uf  einem  hohen  Berge,   doch  eines  höher  als  das  andere,    und 

'^   ohngefehr  90  biß  100  Schritt  von  den  lezten  Sloß,  biß  zur 

^-^ppellen,  von  der  auch  so  viel  biß  zum  andern  Schloß  welches 

^^s  nechsle  an   der  Stadt  ist.     Föhren   einen  Bähren   im  Stadt 

Wapen,   ist  der  Thate  wegen    ein    lustig  Ort").     Dieses   letztere 

"Soll  noch  im  Heydenthum  erbauet  worden  seyn,  hatt  einen  hohen  s.  u. 


I)  Mflnchberg,  Bnirkucnbsbdt  In  Obcrfrankm,  cnOtand  aus  eJnon  verschollenen 
Klosler.  Infolge  wiederholter  Brinde  und  Kriege  tltid  fut  alle  Reite  Sltcrcr  Zdl  verloren 
pgangcn.  Auch  die  Kirche  stunnit  aus  neuerer  ZeiL  Oötz  II,  191.  ,Pftm-  i«t  der 
Plural  v»n  Pfair,  illere  Form  für  Pliirier.    Orimm  VII,  ifilB. 

*)  Jetil  Oetre«,  MarItU lecken  In  Obcrfranken^  nacb  einem  Brande  von  1874  Eatl 
itax  tun  Bufgrbaut.     OÖti  II,   112. 

■)  Diese  Ableitung  bckäTnpIt  Hent«,  Benieck,  ein  hlsloriseher  Vermch  1790,  S,  3f,: 
jjeilützt  aul  die  urkundliche  Schreibung -Pemeck-.tChrl  er  Jen  Namen  zurück  auf  den  ilaviKhen 
Donnergott  l'enjn.  Das  Sladivappcn  icigt  einen  rotvcr([oldc1en  Drackcnkopf  mtl  ausge- 
idilacener  roicr  Zunge.  Ol>c[  uidcrc  ErkUnineen  doi  Namens  (Beeren-Eck  oder  Omiz-Eck) 
V|tt.  Fdrtsch,  Bernrck  1904,  S    ',  Anmerkung. 

<)  [lie  alle,  aus  dem  M.  Jatirlmnjctl  sLamnimde  Pfarrkirche  vurde  1796  abfelragen 
und  an  ihrer  Stelle  die  jetiige  DtcifdUlKkeiHltirflir  eriichtct.  Dis  »Ite,  sehr  bescheidene 
Rathaus  vurde  ^817  ah|i:ei>rochen,  du  jeuige  stimml  aus  dem  Jahre  tBT«.  FdrtKti  S  33 f.; 
^b«s*  hier  wolil  in  der  älteren  Bedeutung  =  einfjtrh,  simplex.    Orimm  I.  30t. 

»)  Auch  der  Verfattcr  der  Nachrichten  ßtter  die  famiUc  Roger  hat  eine  Verwandi- 
schall nicht  nactiveiwn  können,  vgl.  S.  5. 

■)  Intlg  =3  anmutig,  fmuidlichi  Orimm  VI,  1340.  Tal  ist  ala  MucaÜjuira  gc- 
bnncbt.    Plural  ,dfe  ThaJe". 


k 


Thurm,  worein  keine  Thüre  führet,  muß  mit  Leidem  ereti^c 
werden ,  nebst  den  Oebäude,  welches  zwar  nur  nidera  sind,  un 
gedoppelte,  an  manchen  Ort  eingefallene  Mauren,  auch  zweifache 
graben,  ist  rund  gebauet,  hatt  ein  großes  gewöEb  unter  dem  Schloß 
in  welchen  mir  gar  grausete ').    Das  andere  Schloß  auf  der  Seite 
nach  Mönchberg  und  die  Capelle,  welche  zwischen  den  beyderr 
Schlößern  stehel,  gehören  dem  Adelichen  Oeschlechte  von  Wallen- 
rod,  maßen  über  der  Capeilcn  Thür  stehet:  Da  man  Zalt  nac 
Christi  geburt  M.  CCCCLXXX  Jar  an  Sanct  Yurgen  Abcn 
durch  Veit   von  Wallcnrod    ist  der   erst  Stein   an   dies 
Capellen  gelegt*). 

Dieses  sind  die  Wort  und  Buchstaben,   bab  es  so   herg 
schrieben.    Und  hatten  zwey  Brüder  von  diesen  geschlecht  siclK-=ii 

s.  13.  vorgenommen,  diese  Capelle  wieder  aufzubauen,  sonderlich,  veimr  il 
sie  angeleget  wie  die  in  gelobten  Lande,  da  das  hl.  Grab  dabe^  -=y 
ist,  der  Erbauer  ist  darum  2  mahl  nach  Jerusalem  gereißet  un^^^ 
nach  jenem  dieses  hier  aufgebaut,  erste  ist  der  Ort,  wo  das  Vor  -k 
die  Andacht  verrichtet,  binden  an  den  Altar  dabey  hinaus  geh^cnt 
eine  Thflr  ins  hl.  Grab,  welches  nach  meiner  Abmeßung  in^^^* 
wendig  breil  und  lang  ist,  als  breit:  6  Ellen  und  lang:  7  Elleif  '» 
2  und  ein  halb  Virtel.  Das  Obere  Schloß  ist  von  schöne^^" 
Werkstücken  fast  gantz  erbaut,  hatt  schöne  gewölbe,  einen  schönc^^"" 
Ercker,  auf  der  Seiten   nach  Mönchsberg  2  Rundel,  die  gründe  -** 

s.  u.  auf  beyden  Ecken  zu  defendirenj  Dreyfache  Gräben  auch  au  -^•^ 
dieser  Seiten,  durch  den  Felsen  gehauen,  und  gedoppelte  Mauren^*^i 
eine  Aufzi  eh  brücke,  gedoppeltes  Thor,  die  brücke  ist  abgefaulct^^'H 
man  muß  an  Felsen  hinaufklettern,  wenn  man  hineinwill').    Zuc   ^ 

')  Das  äatt  iltere  Schloß  widt  im  IJ.JihitiundCTt  von  Ulrich  von  Valtpot  crtaM^**'"^ 
Im  H.|«iirh.  k&mcn  SchloB  und  SUdt  «n  die  BurKgnfm  von  Nürnberg  und  bildeten  ä^^  " 
bc«on<1em  Amt.  da*  vom  Burggrakn  Jahuin  IM.  1406  in  die  Wallenrod«.  ein  reichifreir^^;^^^'^^ 
Irinki&dici  Addsgcschircht,  flberlragcn  viirde.  Du  Schlofi  vurde  U3l  durch  die  HuMjtct^^^ 
xniliOrl  und  Itt  seildem  Rufne.    Archiv  1.  oberlräTufc.  Orsdi.  ias3,  S.  16»,    FOrtsdi  S,  it— ^^" 

•)  Veit  von  Wallnirud  war  burEntäntchcr  Amtmann  von  Bemecit  >dt  1*48,    Cf 
rwelmal  in  Jeniulem,  I4SS  und  i4S7.    Er  rrttaute  nieh  detn  Mutter  der  OnbetUrebr  ir 
JcruMlem  die  Kapelle,  deren  Bjiu  nach  der  Iniclinft  am  St.  Oeorgub^nd  (=iZ3.  April)  I« 
an]{efaRKm.  wurde;  er  begann  auch  den  Dan  der  ubrrni  Burj;,  ipiier  K(ihenbcnwGll|etisni( 
Nach  Vetla    l'ode  verkauften  teine  iciehttr  1404  liie  Hurg  an  Albrecbt  von  Wlnbef£,  Ami' 
mann   z<t  Stein,   der  den   Bau  dcnclben   rolkndetc,   lie  aber  tchoti   IMI    an   Mailc^ra:^ 
Priedrich  den   Alteren  von   Bayreuth   verkaufte.    Bald  verfiel  auch  dine  Bur£,  und 
Amtleute  zogen   in  die  Stadt  hinab.    Archiv   f.  Qberirink.  Oadi.   IBS3,  S.  t«9;   Heut 
S.  3*1.    Förtsdi  S.  IT. 

•)  Der  ZuxanK  i»1  jHxt  erleichtert  durch  dnen  Utlzcmen  Steg.    Über  dem  To 
ist  eine  Schnalle,  das  Wappen  der  Hcnen  von  Wallenrode,  anscbradit-    Ein  die  Oacfaklil 


Reisetagebucb  eines  Dresdners  vom  Jahre  I69t. 


Unken  Hand  Deust  die  EIßnitz,  heißl  also  so  lange,  biß  unten 
an  der  Brücke  nach  Bayreuth  zu  der  weise  Mayn  darzu  kömmt, 
und  denn  so  genennet  wird^);  der  Mayn  fleust  durch  Bayreuth, 
dieses  habe  ich  von  ferne  gesehen,  daß  erstl.  eine  Kirche  mit 
2  Thürmen  und  ein  länglich  gebauetes  Schloli  da  ist,  davon  liegt 
dreyvirtel  Stundt  ohngefehr  auf  einen  hohen  Berge  fast  vkfie  eine 
SchantK  abgestochen  die  Sophien  Burg,  ist  ein  einzig  Qebäu ').  s.  is. 

Der  Wallenrod,  welcher  diese  Capellen  erbauen  laBen,  muß 
fUehr  Witz   gehabt   haben  als  der,  mit  welchen  ich  in  Bemeck 
gesprochen,  der  mir  davon  Nachricht  gäbe,   maßen  jener  alles, 
^e   man   sähe,   fein   geschickt  angefangen,   auch  die   Ruhestädt* 
Wo  dem  Simoni  des  hl.  Christi  Creutz  aufgetrungen  wurden,  ab- 
gezeichnet und  eine  Marter  dahingesezt,  welche  ein  Hafner  von 
Prantzburg   halt   renoviren   und   repariren  laßen,  auch  bey  dem 
Unteren  Thor  ohngefehr  ein  halb  Virtel  Stund  die  Schedelstidt 
mitt  einer  Marter  bemerket  und  durch  die  herumgesezten  Steine, 
deren    ich,   wo   ich   nicht   im   sehen  geirret,   fünffe  gezehlt,  die 
Diener,  so  er  mit  zu  Jerusalehm  gehabt,  verstanden  hatwn  will,  s.  n. 
nach  Bericht  des  gedachten  Wallenrods*).    Dieser,  welcher  einem 
Schafknecht  am  iehnligsten,  ja  um  Pfingsten  rum  dicke  gewaickte 
Skümpfe,  entweder  aus  frost  oder  Unvermögen,  und  Schue,   wie 
bey  mir  die  Kerle  in  der  Scheune,  welche  mit  dem  eingelenckigen*) 
Holtze  den  gantzen  Tag  sich  regen,  trüge,  wohnete  in  Slädgen 
bey  dem  bürgermeister  und  zehret  vor  sein  Qeld,  das  muß  der 
rechte  Hauswirth  seyn! 

Nicht  weit  von  gedachter  lezten  Marler  stehet  eine  Seile, 
welche  Voigtlandt  von  Francken  scheidet.     Bier  wird  angedeutet 

dfeKS  Oodilcchts  behandelnd«  VolksKhauKpirl  itt  im  Sommer  tVM  in  Bcmcck  autgefjihn 
vonkn.  Im  Heimatlandc  lUrb  das  ac$ch1«cbt  1767  aas;  ein  Zvetc  der  Wallenrodt  lam 
»ha  triUiidtig  ntch  rrcußen.    Krnchlie.  Adelslexflton  IX,  «ST;  FArttch  5.  IS,  jr 

>)  Bemwli  li*et  zti  beidai  Seilen  der  ÖlschniU  (Im  TeMe  Elßnflz),  die  lieh  hier 
mit  dem  Weiften  Miitic  vetcinigi     0/il»  II,  iio. 

i>  Die  pro tc4tanti teil c  hanpikirche  Bayrrtithi  In  Im  I!  Jahrhundert  erbaitt,  eben» 
das  alte  Schloß,  jetzt  Sitz  der  Lsndrtt^eh^rden.  Die  Sophlcnburg  var  1666  von  der  Mark- 
(lilln  Erdmuthe  Sophie anl  dem  Culmbersc  erbaut  «onlen.    BivarU  111,  i,  S8T;  Oöta  II,  661. 

■)  Auf  dem  Wege  von  der  Kapelle  bh  la  einer  Zleselliütle  an  der  Mainbrftcke,  der 
•0  «dt  lein  »iiUte  «ie  der  vüin  RlehOiaut  In  Jerusalem  bia  zur  ScAidelstStle,  Heß  Veit  von 
Valletirod  !  Slulen  oder  Maitcm  errichten.  Erhalten  hatte  sich  bli  In  neuere  Zeil  die 
dTiile,  tehr  fein  tearbeiCete.  die  bd  Abtriffiins  einer  Pjppel  lertrQmnicrT  vurde.  Dai  mll 
dann  gotiKhm  Spilidach  versehene  Kapital  Ime  4  Da rxlell linken  au!  der  Paation  Chriiti, 
dnwiler  die  Jahrei^ahl  I4lt.  Hcnize  S-  13;  f6rt9ch  S.  TT.  Simon  von  KyreDC  wurde, 
«b  er  vom  Fctrfe  kam,  ergriffen  und  muRte  Jnui  dai  Kreuz  nachtragoi  nach  Ev.  Lncx»  33,  M. 

*)  Oemelnl  [it  «ohl  angelenktg.    D.  Red. 

Archiv  l«r  KalturgcKtalditc    VI.  39 


J 


durch    ein     griines    Reiß.       Logirt     bey    dem     Bürgermeiste 
Philipp  Rügem. 
s.  17.  den  22.   biß  Creussen    2   Meilen.     Dieses   ist  auf  einer 

Berge  liegentes  Slädgcn  mit  2  Thorcn,  untern  u.  obem,  einei 
feinen  Kirchen  und  Rath  Hauße,  mag  vor  den  30  Jahr  wehnenteir — 31 
Kriege  schöne  Mauren  und  Schloß  gehabt  haben,  von  diesen  sine 
nur  die  rudera  zu  sehen,  sonsten  haben  darauf  gewohnet  dit 
grafen  von  Hohen  Zollcm,  aus  welchen  entsproßen  das  Hau^^Jl 
Brandenburg,  hatt  auf  der  Seite  beym  Schloß  einen  sehr  lustiger~^n 
Thal').    Man  findet  da  gut  Bier,  deßen  Zeichen  ist  ein  Trutenfu&^^ 

logirt  bey  einem  Becken. 

Soweit  Bareilh.    Folgendes  Nüren bergisch. 

den  23.  biß  fHilpoUstein  4  Meilen,     d.  24.  da  geruhet 

durch  Schnabel  Weide"),  ein  offen  Fieckgen  bei  Begnit 

weg,  Ist  ein  feines  Städgen,  mit  2  Thoren,  hübschen  Kirchen  u^ — * 

Rath-Hauß,  nach  Hilpoltstein*),   welches  ein  offnes   Fleckger^^ 

ist,  hatt  nichts  consi  de  rablers  als  ein  alt  Schloß,  auf  einer  hohec^v^ 

S.  13.  Klippen  gelegen,  und  sehr  gutes  Bier. 

logirt  bey  dem  Hn.  Schulmeister  Kalben. 

d.  25.  Maj  bis  Eschenau  2.  Meilen.  Durch  Greifen 
berg,  wäre  ein  Stadtgen  mit  2  Thoren,  feinen  Marckt,  darau  ^^ 
viel  hübsche  Häuser,  die  Bürger  sehen  den  groben  Bauren  sehv^  -'' 
ähnlich,  habe  nicht  viel  des  Regens  wegen  in  Augen  bekommei  -^ 
können*),  Nach  Eschenau*),  welches  nur  ein  offnes  Reckger""^ 
und  nichts  zu  raisonniren  davon  ist.  Das  Schlößchen  aber,  sc 
auf  einem  bergl  liegt,  einen  graben  mit  Waßer  und  Mauer  unc 
Aufzugbrücke  hatt,  auch  schöne  lichte  Zimmer  und  feinen  prospcc 
in  ein  schönen  grünen  Thal,  ist  zu  ästimiren. 

Logirt  bey  dem  Kramer  Caspar  Rauch. 


1)  CreuBcn  in  Obrrfrinltni  ist  die  ältnlcSladt  im  eh«naligm  Füntmlum  Bsymlb 
12SI  wurie  Burggraf  Priwlrich  von  Nflmbcrg  aus  drm  Hause  Hohcrrolltm  von  Koend  IV 
damit  bddint    Jan  de  U'crth  brannte  H33  dk  Stadt  nieder.    Dk  urallc  SUdUamrr  mt-"   ** 
dRi£ni  Türmen  und  einem  überbauicn  Tore  ist  gtfiSicnlcils  noch  crballcn.    Du  Ttl  bciB=:^^ 
chemsligm  Sfhluvse  ixl  dit  de-t  nAnn  M&inv    C\ätz  II,  tfH;  Havtiria  IIE,  I,  S2S. 

t  Irizt  Srfinabd«ld,  Marlitncckcii  in  Obcrirankctl     06ti  11,  »6. 

)}  Jetzt  Hlltpolitrin,  Mvklflcclccn  In  Oberiranken.  mit  einem  hoch  cfl^enKn,  JeU« 
zetBlAnm  SchJoaac.  Außerdeni  gibt  es  rine  Stadt  Kilpollstcin  inMilleltränksi.  Qi^till,  13T, 

«)  Dk  in  Obcrlrankoi  Rriri-oie  SUdI  heißt  jet/l  Orilcnl:«^     Adler,  Oescfaidlte 
Bnchrcibung  äe%  Stäülclicii^  (irüfnibcrg  isso,   S    t7ü   nmnt   3  Tore:    das  SdlV^msi- 
Efloffildner  im  N.,  da«  Pfafloi-  o<lcr  Hillpolttldncr  im  O.   und  du  stell«  OotdccrtDtf^ 
in  S.    Vgl.  aucb  Archiv  f.  obcrfr.  Qetch.  1847,  S.  38;  Ofitz  M.  136. 

•}  MarlclflKkcn  in  Mittelfraiikco.    Odb  II,  137. 


leU^H 


Rdsetagdiuch  eines  Dresdners  vom  Jahre  IfiQt. 

D.  26.  Maj  biß  Nürenberg  3  Meilen.    Nürenberg  ist  zwar 
"•"Cymahl  an  der  große  Dreßden^),  aber  nicht  das  Virlel  halb  an 
•^Cr  Feste,  hat  einen  Graben  von  ohngefähr  60  Schritt  und  feine 
Mauren,  die  Festung  liegt  hoch,  ist  das  beste  darbey,  daß  man 
^ie  Stadt  gantz  übersehen  kann.     Appel  v.  Halla  wird  da  oben  s.  is. 
*üf  einem  holtzern  Pferde,  mit  einem  gantzen  Harnisch  angethan, 
^ebst  einem  Stückgen,  welches  Er  vor  300  Jahren  soll  mit  sich 
geführet  haben  (da  zwar  ans  Schießen  noch  nicht  gedacht  ge- 
wesen) gezeiget.     Auf  der  Mauer   nicht  weit  davon  siehet  man 
die  2   hinter  Eisen  in  Stein  getreten,   das  lincke  größer  als  das 
rechte*),  hat  einen  tiefen  Brunn  auch  droben"),  sonst  nicht  viel 
köstliches,  die  Gemächer,  da  der  Keyser  logirt^  sollen  so  schöne 
el>en  nicht  seyOj  eine  Kirche  ist  auch  droben*).    Die  Stadtgebäude 
sind   ästimabel  schön,  die  Begnitz   fliest  durch,   hat  19  Kirchen, 
^arzu  48  Geistliche,    unter  diesen  Zwey    Haubt   Kirchen,   als  & 
Lorentz   und   S.  Sebald,    welche   6    Altar,    2   Orgeln    und    eine 
*^ontinuirlich  brennende  Lampe   halt,  Sebaldi  Begräbnüfi  stehet  in 
Einern  hohen  Meßingen  Gehäuse  allda  verwahret.     Die  Kirchen  s.  so. 
sind  melslentheils  alle  finster  und  sehen  alt  Catholisch  aus.    Vor 
Sebaldi  Kirch  henget  ein  gantz  Silberns  in  Lebensgroß  gemachtes 
Crucifix,  welches  Sie  in  Krigs  Zeiten  schwartz  angestrichen,  damit 
^  vor  des  Feindes  Raub  erhalten  worden,  nunmehro  aber  gantz 
fleisch  Färb  gemahlet  worden*).    Das  Rath  Hauß  ist  der  Saale, 


•J  N»d)  Richter,  VerfaMunfiSgcsch.  der  Süd!  Drwdiin  1  {1885J,  S.  197  hallr  nirwlfn 
^699  e\iK  Finwiilmcr/ahl  von  2129B,  dir  Nürnti«^  wird  lür  du  fJ.  Jh.  nuf  4D-S0OOO  bc< 
t^chnet.  JastTov,  Di«  VolIcuahJrn  drutwhrr  Städte  zu  Ende  des  Milklallen  tse«,  S.  157  f. 
»>  Da  hier  BwichteK  bciiehl  »ich  auf  dm  i3Bi  in  Nürnberg  hinerrichtclen  Raob- 
littrr  rppclein  van  Gallingcu  (urkundlich  .EckcHn  von  Oailinfi"]-  Schon  vorher  Hr^mal 
Cefandcn,  »iH  rr  tkh  durdi  Hnrr.  kühlten  Spniag  mit  leinrai  Pitrd«  über  die  Burginjue-r 
Bereitet  haben,  daher  das  Sprichwon :  .Die  Nürnberger  hingen  krincn,  «iehillen  ihn  denn.' 
Dir  Mufeiien  sind  jeiit  noch  in  der  SndtB:T»bniinaiicr  heim  fünfrcfcl|[cm  Turme  vortundm 
Qnd  h^tben  vobl  dLe  auch  andcrvärls  in  ihnllchcT  Form  berichtete  Sage  vcnnlii6l.  Lottcr, 
Ssgen  der  Slidt  Nümbcig  IS99,  S.  148  f.;  Prlnn,  Nßrrbcrgcr  Sagen  u.  Q»chichten  M95, 
S.  9S  f.  Daß  er  c(r  .Stückgcn*.  d.  h  ein  kleines  Qe«hflt7,  bei  iicli  (fehabi  habe,  tul  Iflr 
leine  Zeit  nicht  undenkbir. 

")  Der  33!  hult  tirir  Brunnen  Htfft  beim  Heiden hinne.  Rte,  NÄinbert  i»i)  (=  Be- 
rühmte Ku«Utüll<rn  V),  S.  M 

*)  Richtiget  1  K*pc1len,  dir  Sl.  Margarethcn-  und  die  darüber  selegene  Kasier- 
k«pelle  Im  Heidentnnnc  und  die  SL  Ottmars-  oder  Walpnrtiskapelle  in  der  ehemaligen 
Bfirssrafcnburg.     Rix  S.  tt.  15. 

■t  Htervon  «illen  die  Nümberger  spoltveite  .HerrgottKbvlrzer*  genannt  irorden 
Win.  D«  CraciRx  belindri  »Ich  auf  der  Weitsdte  der  äebaldnskirche  tm  Chor  der  L6(tcl- 
holzkapelle.  In  Wahrheit  *ar  «  von  Bronec  nnd  bekain  durdi  WiIleniBE«einn&nie  eine 
ichvarze  Patina.  Et  eilt  all  eine  Stiftung  der  Familie  Stark  vom  J.  liB3.  Hix  S.  101; 
Priem  S.  »47. 

29* 


GcmSdier  und  gewißlicb  nxm  gBaOhiten  wegen  wohl 
Sonderlich  ist  diese  Staidt  zu  rühmen  der  schönen 
Springbrunnen  wegen,  da  hst  ein  iedweder  Bürger  in  seniai 
Hause  einen  hatt  auf  dem  Hcrrco  Marckle  stehet  ein  Kunsl  und 
Meisterstück,  hatt  um  und  um  viel  eiserne  Ringe;  drcbet  sidi 
aber  nur  einer  hemm,  und  dieses  ist  ein  Merdcmafal^.  Vor  den 
Laver  Thor  ist  ein  überaus  herlicbes  Giefl  Haus.  Der  Raih  halt 
ia  Weid^  einen  schönen  Brunnen  aufridilen  zu  taBen*).  Dar* 
innen  sind  überaus  viel  und  kostfatre  iMÜHeiL  6  Thore,  Lner, 
s. ».  Frauen,  Spital,  Neue,  Thirgitlner  nad  Festmigs  Thor.  2  Pförtgea, 
die  Haller  und  werthhcimef  Pforte*).  In  Stadtgraben  geboi 
«■eise  Hirsche.  Die  gaßen  sind  mit  lauter  Sand  Steinen  gt- 
pflasteit 

Login  bey  dem  Wirth  in  Weisen  Ro&  auf  dem  alten  Hei^ 
martkte  nicht  weit  von  S.  Eg)'di  Kircfa^ 

D.  27.  Maj  bis  Brück  2  Meäec.  Brück  ein  offenes 
Stidlgen,  halt  Tobadc  Nahrui^  ziemlicfae  Hiuser  und  fOrche,  dis 
Wetter  hat  von  den  Weiser  die  Nnmincr  V  zu  z^-cico  onlcr- 
scfaiedenen  mahlen  bald  nach  etaaader  «eggescfalagen^  hu 
scböoe  Wiesen,  wdcbe  gewS&erl  werden  vermöge  der  Schöpf 
fftder,  so  aus  der  vorbcyflieBenten  Bcgnitz  gießen,  die 


'4 


Schöpf-     I 


IStatt 
wart.    Dm  Varnrnn  bt  dM  Imtaiot.  am  r< 
i  ML 

•nm     Vom  4er 


^  Vaöm  Sr  0«k.  der 


«a  >cmMck«M 

_  ^  BciKk.  Mirtl  h 

'^«iRte  ata 


Der  Mr— ^  iit  da- 
Rfe  &  tSL 

Nach 


u.  Ratze  fält  nein,  behält  den  Nahmen  dennoch^).  Hat  dreyericy 
Herrschaft.  Nürenberger,  Bayreuth  und  Edelmännisch,  diese 
Anspachisch^). 

Logirt  bcy  dem  3  Cronen  Wirth  Zacharia  Oechem. 

D-  28.  Mai    biß    Langenzenn    2   Meilen,     gehöret    nach 
Anspach,    Hatt  den  Nahmen    von   dem   vorbeyfließentem   Fluße, 
Welcher  die  Zenn  heist,  sich  leichtllch  ergeust,  die  Stadt  ist  auch 
mehr  lang  als  breit  gebaut,  halt  eine  Kirche  und  zwar  gar  eine 
feine,  hat!  3  Altar,  in  Creutzgange  ist  der  Oelberg  in  Stein  ge- 
hauen, und  noch  viel  Papistisches  zu  sehen.")    Vor  einem  Jahre,  $.  «. 
anno   90   remlich    im    Winter   3    Wochen   vor  Weinachten    hatt 
das  Wetter  in  Thurm  geschlagen,  eine  Klocke  zersprengt,  durch 
3    Gewölbe    und    alsdann   erst  einen  Jungen    Nahmens    Rügcrj 
Welcher  hat  wollen  lauten  helffen,  unter  der  Kirchthür  erschlagen. 
Dessen  Vater  ist  ein    Hopffenhandler,   maßen   sehr  viel   darum 
gebauet  wird,   der  Großvater,   ein    Rathherr  allhier,    der  Aelter 
Vater  hatt  auch  hier  gewohnet  und  häußliche  Nahrung  getrieben, 
kann  also  nicht  sehen,  wo  Er  uns  was,  Bludfreundschafitswegen, 
lugehörete*).    Daß  vor  ohngefähr  4  Wochen  ä  dato  sich  3  Weise 
Creutze  allhier  haben  sehen  laßen  eine  Stunde  lang  am  heitern, 
klaren  Himmel,  bezeuget  die  gantze  Stadt.    Hatt  einen  mit  Dreck 
gefülten  Graben   und   schlechte   Mauer,   worinnen   4  Thor,    das 
Obere  und   Untere,   das  Schreiber  und  Fluch  Thor.     Gut  Bier. 
Logirt  bey  dem  Schwaben  Becken. 


L 


')  Statt  BcenlU  tnull  et  hdOen  Rcfniu.  an  der  Brück  ti^.  Dir  Rlln  hrißl  jettt 
K^cut  Die  Rfgnil»,  rin  NcbcnfluH  dei  Main«,  rniitriit  am  den  bcidm  Qu«IlflQ«>en  d<r 
•  rtnldschm  und  sclivibischm  Kr^jit,  dir  nach  ihrer  VcrnriEUiK  Redrvi«  heißen.  Nich 
AnfiLa.hinc  der  IVgnUz  erhält  der  FIuH  den  Namen  Regnld  und  mQndct  untcrhtJb  BauibrrK 
In  den  Main.    Qdti  1[,  «SV. 

f>  Nach  Bututachuh,  OeoEr.  lUtiit.  Lcixikon  von  Fnnkcn  I,  liOl,  5.  44P  vir  die 
g>I«irei  Nümberetwh.  die  Zollsladl  tuyinithisdi  und  die  Fralsch  (ar  peinliche  OerlcbUturkHt) 
Qcudcritch  vom  Qnchlechl  der  Onidef,  denrn  119t  der  Ort  vrrkuitt  «unJc.  Vgl.  auch 
fallirndein,   Orogr.  Heschrdb.   der  Rtiditttadl  Nänibert  i"*<  S.  &t. 

*)  Langmtcnn,  SladI  (n  MitttKntnkm,  kara  Im  11  Jahrhundert  an  dir  BurKfrafcn 
Von  Nüntbcrit-  Die  Zenn,  an  deren  rechtem  Ufer  n  Hegl.  ii1  ein  linker  Ncboifluß  ia 
l^ednili.  Dir  Kirche  id  mit  einem  KhCnen  Hochiltarc  und  Oliifcnstem  eeichmäckl;  die 
>«tziee  Ausschmückung  iit  rum  Teil  von  den  KaiKm  Wilhelm  I.  und  U.  gctiillel.  Der 
Kmzfcanji;  Ibhrt  von  der  KIrdie  in  ein  ehcmalicH  AuguilinctklMler.  SiEhart,  Qesctildilc 
Oef  bildenden  Kflnile  in  Bayern  1SU,  S.  479;  UAti  H,  3S9. 

<}  Auch  mit  dle«era  Zweige  der  fimllic  hJt  der  Vcrfaurr  der  Nachrichten  über 
4ie  runllie  Rükct  eine  Vrrrandtidutt  nicht  (atitdlen  künnen,  vkI.  S.  s  Der  Hopfoibau 
i«t  jetzt  aoch  für  LangentenB  von  besonderer  Wlchtigbclt.    Ofltx  II,  Ut, 


33  D.  29.  Maj   biß   Ickelheim    4   Meilen.     Durxii   Marck 

tErelbach,  wo  idi  durch  mein  Außsieigen  eine  Mütze  und  Buch 
verlohr,  solches  2  Bauren  gefunden,  welche  es  auf  meine  Sach- 
frage nicht  gleich  herausgeben  wollen,  endlich  mußten  und  gute 
Schläge  davor  bekamen,  Und  durch  Lind,  in  welchen  beyden 
Orten  ich  damahls,  als  ich  in  der  Erbschaffts\xrncfatung  meines 
Vaters  wegen  gegen  Nürenberg  avandrete,  schon  gewesen*), 
Nach  Ickelheim,  welches  ein  Flecken  nach  Fränckischer  Art  isl, 
Weitläuffig,  2  Thore,  Zaun-Mauren,  Bauer-Bür^;er,  Juden,  Ba)TCi- 
thischer,  Teutzschherrischer,  Winlzheimisdier  und  Anspachiscber 
Herschafft  ist*). 

Logirt  bey  dem  goldgelbmeßingen  Haart  Schneider. 
M-  D.  30.  Maj  biß  Rothenburg  an  der  Tauber  3  Meilen. 

Eine  Freye  Reichs  Stadt  D.  3i  Maj  u.  l.Junii  geruhet  Diese 
Ist  eine  nach  alter  Art  gebauele  Stadt,  höltzem  u.  mehr  lang  aU 
breit,  doch  von  Natur  feste,  maßen  von  Seiten  der  Tauber  es 
eine  schöne  Höhe  hati,  auch  feine  Mauer  und  etzliche  Thüren, 
von  Seiten  nach  Uffcnheim  hatt  es  2  graben,  einen  Wall  und 
gleichfalls  statliche  Mauer.  Die  Tauber  ist  kein  starcker  Ruß, 
doch  ergeust  er  sich  bißweilen  eiligst  Da  vor  einem  Jahr  der 
Frantzose  davor  rückctc  mit  ctzlich  tausend!  Mann,  sezete  sie  steh 
zur  gegen  Wehr  und  gaben  auch  keine  Brandschatzung');  auf 
beyden  Seiten  hatt  es  gleichfalls  ohngefehr  2  Stunden  davon  ein 
scbstgewasene  u.  V(er)haucnc  Wehr,  dabey  allzeit  einen  Thurm  und 
Schlagebaume*).  Das  Regiment  wird  der  äusere,  welcher  besteht 
aus  40  Persohnen,  und  der  innere  Rath  genannt,  welcher  besteht 

>]  Ober  Markt- Prlbirh,  Mirktneckcn  in  Mitlelfniiikni.  und  Und.  i«t2t  Untai. 
Pfarrdori  in  dram  Nihc,  vg}.  QMr  II.  «01  f.  In  bddm  Orten  «u  der  SchreTbcr  da 
TifcbKhs  ichon  dnmil  grrom,  »\t  er  fm  Antme  ie%  Jahres  t6M  roa  Mlnem  Vater  da 
Anftrif  erhalten  hittc,  nach  Uffcnheim  zu  rciKn,  nm  eine  dem  Vater  von  dacr  in 
OvKmber  t6«9  vcntottienen  Schvesici  Marie  ClisabcUi  vcnr.  DOrr  zncefalkne  Etfaadnlt 
dnzuzichen.    Vgl.  hieriibcf  Nachrichten  flb.  d.  Fam.  R.    S.  «-39. 

*}  Ickelheim,  Dorf  In  Mincllrmltcn.  .Wintzheimitdier  Hemdurft*.  d.  h.  In  B^ 
ftiue  der  Stadt  Wlndsheim  an  der  Aiich.  die  Kit  iHi  rcich«iDi mittelbar  «ir.  Difl  TiOe 
von  Ickelhdm  ihr  lugehAiig  «iicn,  bezeugt  auch  Bundftcbuh  111,  5.  VgL  in  AbrigGR 
Götz  II,  *u,  *11. 

<>  Der  Überfall  geKhah  nicht  .vor  einem  Jahr«  t690,  sondctn  «or  3  Jahrea  lU^. 
•It  Genenl  Peiiqulfcre  mit  ISOO  Mann  vor  Rothenburs  erschien  und  18  Ortschaften  \n  da 
Umgebung  niederbiatitile.  Die  Stadt  selbtt  vtirde  Im  leuun  Augenblfck  durch  daa  Cr 
KheJnen  kuisädislichcr  Trappen  (t*rrttt*.     Wcigel,  Rolhenburger  Chronik  19(M,  S.  S«. 

*)  .5el»tKe»Mefl'  --  sHi3sli;riracliim,na!urlich;  V(rrJhaucnc'*'eht  =  VerhaB.  Oenefait 
laf  die  Rolhenburjter  Lindwctar  cxJcr  landlicgc,  von  MJO  »n  errichlrt,  ein  licfar  Oraben. 
der  ru  beiden  Seiten  durch  Iclieniligc  Kcckm  and  Diumc.  an  9  Stellen  auch  dDidl..Ife«( 
gedeckt  »ar.    Bavaria  III,  2.  S,  1197;  Weigel  S.  1M. 


Reisetagebuch  eines  Orcsdnera  vom  Jahre  1691. 

^"s    16    PersoJincn').       Allda    sind    7    Kirchen,    aber    darunter  s.  ts.] 

^  Haubt  Kirchen,  als  S.  Jacob  oder  der  Thum,  weicher  ein  über- 

^Us  schön    hoches  Gewölb,   Orgel   und  Altar  hatt,  auch  schöne 

'Pocken,   ist   anno    U57    gebaut,    hatt   2  Thürm   wie   Anspach 

^nd  Ehrnberg,  nemlich  gantz  stelnern  durchbrochen,  daß  dennoch 

*^ein  Regen  hinein    kann^,   und   die  Spitalkirche"),   übrige  aber 

3ls:  Johanniter,  dabey  der  Hof  Calholisch*),  Mönichskirch"},  auf 

dem  Milch  Marckt  eine  Capelle^),  unter  dem  Klingen  Thor  eine 

^■Ite")  und  dergleichen  vor  dem  Kufferzell  Thor**).    Ctzliche  sind 

Unbrauchbar.     Zu    den    andern   aber  sind    9   Priester.     6   Thor, 

als  das  Galgen-  Röther-  Spital-  Kufferzell-  Burg-  und  Kling-Thor»). 

Den  3  t.  Maj   als   den  Ersten   Pfingst-Feyertag,    nach    Hn.  s.  ». 
Sebastian   Kirchmayers  Predigt"*),  welcher  gute   res,  aber  böße, 
garstige  geslus  hatt,   machte  ich   mich  nach   UEfenheimr  welches 
2  Meilen  hiervon,  da  fände  ich  alle  gute  Freunde  in  geseegneten 


■)  Der  äuBcK  Ril.  bestehend  aus  3i  LlleiaMn  und  9  Ocwerbtreibrndcn,  repriMti- 
ticrte  die  BQrgcrtchdft,  der  innere  oder  ehrbare  Rat,  bestehend  aus  S  oberen  Riten  (Bürger- 
'td steril olteclaitit  und  >1  urtertrn  (Inn^e  Bank)  hamlhable  die  RegientnpEmlt.  Wdsd, 
S.   119,  230:  Bundschuh  IV,  6ii. 

■}  Die  Jacobsktrclie  vurde  nicht  erst  \*iJ  etliaul,  sondern  urhoti  1J7J  begonnen 
Und  Mitte  des  I !.  Jh.  volletrdct,  iaS!/S6  trtUurieii.  Der  HauptsHar  im  Oftchor,  St.  Llen- 
hArd»-  oder  Zwölf- BotenalUt,  wurde  von  dem  berühmten  Bßrjerroeister  Topler  und  sdner 
fr*u  im  t«.  Jh.  (reitiftel.  Die  TQnne,  iSO  Fuß  hochi  endlgcti  in  einer  Pyramide  ron 
künstlich  durch  brocticner.  verlcF&pflcr  Stdnarbeil.  Weigcl  S.  1331.;  Beiura,  Altertümer 
«Icr  SUdt  RoUieiibiiie  1941,  S.  37. 

*J  Die  Spitalkirche  ist  die  zum  allen  jchadnlterhotpilaL  Eehnrige  Kirche  zum  heiligen 
^3el9t,  130B  vollendet,  l!91  etnrueit.     WeJgel  S.   I!5. 

')  OeiRcint  ist  die  Johanniskirche,  Ende  de«  14.  Jh.  erbaut,  <SD?  der  faithollschen 
Oenieinde  üljerwiewn,  und  daneben  der  JohMiniterhof,  das  HospUnl  des  Johann! tcrordeni, 
'^vt>rin  sich  jdzl  das  ßerirkumt  bdlndel.    Weiset  S.  M*;  BenKn  S.  43. 

^  Dl«  iit  die  FrajirlsVanerkirche,  (m  tJ,  Jh.  erbaut,  mit  vielen  Begribnisslitten 
Vom  landiitiigen  Ade).  Die  Kirche  diente  eine  Zeltlang  piafan«n  Zwecken,  wurde  abec 
IS«  dem  gottesdicnsUichen  QebriLiche  wieder  übergeben.    Wdgel  S.  Mi. 

*>  Dies  Ist  die  Marien ksjrclle,  HO*  in  Stelle  der  alteii  SyiLagoEe  eoliltel.  Der 
A1ilchR)*rkt  hieß  auch  KapeUenpUb.     Weisel  S.  140. 

0  Die  Kapelle  unter  dem  Kllngenlor  ist  die  St.  Wollzane«-  oder  Schiterska pelle 
aas  dem  Ende  des  1S.  Jahrhundertv  Klingen  heitien  in  der  dortigen  Gegend  die  steil  Ins 
~rftl  fahrenden  Schhichlen. 

•)  Das  Tor  heißt  jctjt  Koboltseller  Tor  Andere  Schreibwelicn  bd  Wtigjü  S.  274. 
I>cr  Natne  wird  newöhnüch  von  einem  Einsiedler  Kabelt  abgeleitet,  der  sich  dort  nieder- 
ließ, ist  aber  wahrtcbeinlich  aus  Jacobi  celU  verderbt;  denn  die  Kobollzellcf  Kapelle,  die 
^or  dem  Tore  lag,  gehörte  znr  Jocohabirehe.  Sie  wurde  Im  IS.  Jh.  ccbaiit,  im  Biuemkriege 
acr»(Ört,  IBiJ  restauriert  und  der  kilholi^chm  Oefneindc  überrirscn.     Wdgcl  S.  144. 

»)  Die  Tore  sind  jcui  noch  fast  unverändert  erhallen.  Dx\  Oalgentor  heiflt  jcttt 
"WÖrzburgerioT,     Weigcl  S   7. 

"    w)  Protestartiwliei  Theolog,  geb.  1641  zu  Uficfflhelm.  gest.  iTtw  als  Superintendoit 
xn  Rothenburg     jöcber  II,  209$.    Mit  Ihm  wir  Rilgcr  rklleicht  verwandt,  da  idn«  Groß- 
nutief,  Elisabeth  Roger,  eine  geb.  Kirchnuycr  war.    Ihr  Vater  war  Pfarrer  m  Equarhof« 
--Itci  Uffenheim  (t  Iii3i)     Nachrichten  über  d.  fam.  R.  S.  lt. 


45« 


Coond  Roger. 


Wohlstands,  blidx  bey  Hn  Schwager  Dürren*)  biß  den  ersten 
Juny.  Mittags  um  I2  Uhr  machte  ich  mich  wiederum  fort;  als 
ich  nun  auf  den  Berg  bey  den  3  Crcutzen  vorbcy  war,  erhub 
sich  bey  sonst  stillen  Wetter  ein  graußamer  Wind,  NB  wird  gt- 
nannt  eine  Windbraut,  stieB  auf  mich  und  das  Pferd  unau^ 
säglicher  maßen  Zu.  so  schre  auch,  daß  das  Pferd  aus  Furcht 
und  unvermulhen  sich  wohl  3  nuhl  um  einen  Creiß  herum- 
S.  tt.  trehele  und  nicht  weider  fori  woite,  ich  betete  gleich;  Jesus 
Christus  wohn  mir  bey  elc  und  ^wmete  das  Pferd,  so  ging  es 
brausend  und  geschwind  geraden  Weges  wieder  fort  nach  roibea 
Burg. 

NE  Wo  die  3  Creutz  stehen,  sollen  sidi  drey  brüder  unt 
einander  aufgerieben  haben. 

logirt  bey  H.  Döllingem,  Weißgerbcm,  der  Hr.  Caniroef- 
schreiber  bey  Hn.  Renneisen,  einen  Würtzkrimer. 

den  2.  Junij  biß  Kirchberg.    2  Meilen,  gehört  den  Qi 
von   Hohenloh.      Dieses  ist  ein  auf  einem    hohen    Felsen 
legenes  SUdgen   mit   einer    Kirch,   einem  Thor  und  Mauer,  das 
Schloß    ist   des  schönen   Saales  und  galanten  prospects  wegen 
würdig  zu  sehen.     Unten  weg  fliest  die  Jax'). 

logiert  be)-  den   Schulmeister,  wird  auf  gut  Kircbbergiscb 
ein  Furtzverbaßer  genannt^. 

d.  3.  junij  bis  Kufferzell.     3  Meilen,  durch  lltißheiin, 
ist  Schwäbisch  Hälliscfa,  welches  ein  Fleckgen  mit  2  Thoren  und 
einer  Mauer  ist'),  NB  bey  dem  Schulmeister  nachzufragen  va^| 
wegen  des  zehn  Affens(?)     Eine  Stundte  ohngefehr  davon  iicg^ 
s.n.  ein  Dorf  Qeißling  genant^)»  wobey  der  Kocher  fleißt,  ist  noch 


bcn     . 
amer- 


1)  Qcmdat  itt  Otoff  SlqilHi  Dilrr,   Sohl  da  Oeoqc  Otor,   Btrfcn  tmd  V« 
blckcn  )a  Uffenbetm.  am  6aam  tnta  Ehe.    In  z«rito  Ebc  nrbdniete  akk  Oirr 
mit  dcf  Vtienac&wcstcr  R€scn,  <leradb«n  na  der  dte  dbat  (S-  4H,i)  ovilute 

henfitartr.    Nadiilchim  S.  3«. 

^  KirdibCTK,  im  «ärttcntbercitdKa  Jic'tkrdM,  ccb&ne  teil  den  I4.  Jk.  dm  Onln 
Hahnilnlw  Dir  Kircfac  vurde  uia  neu  fftuut.  Diu  Srtiiotl  ituiUDl  a«  dm  i&.  Jb. 
Om  Kcr.  WSrtlemtKiE,  BnditeibuDf  nach  Kmarn,  Obcfimtern  uad  Oandadea  III.  19*6, 
S  IST  .OalaBW  prmpKrt-  ^  Kfctec  Aasaidit  Du  vid  wlBbrairtte  Modewort  «galaat* 
nrdilsgte  icit  i67«  .aUmodc*.    Orin»  IV,  i.  i.  S.  liseff. 

^  OtHsOoD-  A*adnck;  .rerfaaflci*  »  vrrvater,  Vrrvaer. 

^  •IWflMn*  bt  Kdcnfalli  das  irtzip  Ikhoha  in  drr  halLUdm  Ebne,  Mtt  IHI 
Ea  Alleräfcaits  der  hricn  Kridtntadt  SctiviW*di-HaJL    Kfr    «'ftnrbg.  tll.  J6L 

*)  Jetzt  OdSUnfcn,  Do«f  an  der  Ulnlanc  der  Bähkf  in  den  Kockcr,  acll  tMi 
ebcnUl*  im  Bcsib  «oa  Sehvibtxli-Hall.     K^r.  Vaftft»c.  III.  UJ. 


ein  zier 


Rdsetagebuch  eines  Dresdners  vom  Jahre  1691.  457 


ein  ziemlicher  Fluß.  Nach  Kufferzetl,  NB  hohenEohisch,  welches 
ein  gantz  offenes  Fleckgen  ist  und  im  Grunde  liegt  Hatt  eine 
Kirche»). 

logirt  bey  einem  Becken. 

d.  4.  jun.  biß  Öhring.  2  Meilen,  durch  Keuensteln, 
war  ein  recht  feines  Städtgen  mit  Mauer,  2  Thor  und  graben, 
nebst  schönen  Schlößgen'),  Nach  öhring,  ist  eine  noch  ziem- 
liche Stadt,  von  Wall,  Mauer,  graben  und  3  Thoren,  Ober,  Unter 
und  Vorsladter  Thor;  das  vorbeyfiüßende  Wasser  heist  die  Ohr, 
davon  die  Stadt  den  Nahmen  bekommen').  Hatt  kein  gar  zu 
feines  Rath  Hauß^  eine  desto  beßere  Kirche  aber,  worinnen  zu 
befinden  Graf  Philips  von  Hohenloe  Begrabnüß,  woran  alle  seine 
Schlachten  in  Marmor  subtil  gehauen,  stehen.  Bei  welchen  All- 
zeit ein  Hundj  stehet,  selbiger  ist  der  Graf*).  It.  ein  gräfl.  Be-  s.  29. 
gräbnüß,  das  Altar  ist  so  hoch  gelegen  wie  zu  Anspach.  Der 
Predigt  Stuhl  steht  auf  einem  steinernen  Manne,  welcher  ein 
Hufeisen  auf  den  Buckel  hatt,  dieses  ist  auch  ein  Merkniahl. 
Unter  dem  Chor  oder  Altar  ist  ein  ander  gräfl.  Begräbntiß,  und 
gleichet  also  an  diesen  beyden  Stücken  accurat  Anspach;  oben 
auf  dem  Chor  stehet  ein  holer  Stein,  in  welchen  die  gefundenen 
Gebcyne  bey  Erbauung  vielleicht  der  Kirchen  behalten  werden*). 


>)  .KaHenell-,  jettl  Kupferecll.  \m  Tile  der  Kupfer.  Dk  Ktrche  iM  jeilciifalli  di« 
cvuiselischc,  voimals  zur  heiligen  Muix,  TfOD  rctlaurial.    Kp.  WOrtlbs.  Ul,  474. 

<)  D«  Nnirasiciner  Schloß,  im  ^A.  Jh.  erbaut,  gthM  der  runllle  Hohenlohc; 
•eit  155t  benannte  lidi  eine  Linie  dertelben  nich  Ihm  Es  enihilt  Jetzt  vertvolle  Hohen- 
lohitche  Altertamcr.    Ker.  Vürnbg.  lU,  476. 

s>  Oehrin;,  jelzt  Orhrineen,  Oberamtsstadl  Im  JftK*tkTeiK.  Der  Fluß,  an  den 
CS  lirgl,  bdSl  jetzi  Ohm  uhd.  Aurahs).  Die  rficnltdic  Bezclchnnng  dci  Ort»  )tt  viou 
AurelJi,  «craiu  Odirinetn  geworden  isL    Kjr.  Württemberg  IJI,  465. 

•)  Du  RMhau».  Anlang  dn  16.  Jh.  erbsni,  »urdeis«  restauriert.  DieStfftikJtche 
St  Peter  und  Paul  aus  dem  15.  Jh.  cnthilt  viele  interessante  QrabdcnkmUer  der  Faniilie 
Hohenlohe.  Kim  der  »cbänitcn  ist  das  de*  Grafen  Philipp  vim  Hohenlnhe  (ISSO-IGU), 
tia  als  Ffihrrr  der  holländischm  Truppen  m  Vwelsirin  in  Hulland  starb  »nd  dnsen  Taten 
io  5  Kochreliefs  dareeslcllt  sind.  Neben  Ihm  steht,  «le  er  abcrLebrnsgriMt,  seine  Cernohlin 
Mwii,  vor  ihm  sein  Hund,  der  treue  Begleiter  auf  Kineti  Kriegizfigcn.  Morgcnbl.  t.  fe- 
bildete  Stände  1HI9,  S.  Tl. 

•>  Der  hlef  erwihnie  PTediglsmhl  Im  MlllHsrfiiff  wurde  17«  durch  eine  Roltoko. 
IodkI,  diese  1860  durch  eine  EntiKhe  Kan/cl  rr»el»t  Die  Trägerlipir  von  dem  alten 
Predlilstuhl.  ein  Bauer  mit  einem  an  einer  Schnur  auf  dem  Rficken  hängenden  Hufelsen 
UDd  einem  Wcclt»  tn  der  Drutilajche,  sieht  jet«  noch  in  der  KrypU  unter  dem  Chor.  In 
leliteier  befindet  sich  auch  dai  t loh enloJii sehe  Ei^l>egribnis.  Die  Ähnlichkeit  mit  Aiispacli 
bezieht  sich  vohl  auf  die  durllze  JuhannJsklrche,  unter  deren  Chor  sich  seit  1&6O  die  Orvfl 
der  marIcfTi (Liehen  Familie  befindet.  Unter  dem  .hc>ien  Stein*  Ist  jedenfalls  eine  Jetrt  u 
der  Sfidvand  des  Chors  stehende  Tumba.  dnc  schmucklose  Kiste  aus  Sandstein.  lu  ver- 
stellen,  die  bis  1711  in  der  Mitte  des  Oiott  gestanden  haben  soll  tu  die  nach  der  Tradition 


k 


Ihrer  Vier  dieser  hohenlo&chen   Linie    haben  ThetI    an    dieses 
Stadt,  vielleicht  darum,  daß  sie  desto  eher  durch  gute  gesammt9:J'^f| 
Vorsorge  erhalten  werde.  ^| 

logirt  bei  einem  Strumpffm acher. 

s.  30.  d.  5.  Juny  bis  Heylbronn.    2'/s  Meile.    Still  gelegen  biS  5*i 

I4ten  inclusive,  bey  Weinsberg  weg,  welches  von  ferne  zu  judi- 5  fcll 
ciren  noch  ein  ziemliches  Städtgen  an  Gebäuden  war,  Ohnwei  ä-^» 
davon  liegt  auf  einem  hohen  Berge  ein  von  Keyser  Conradcz^  Mdti 
zerstöretes  Schloß.  Dieses  ist  geschehen,  als  Hertzog  Bernhard  ti>'d 
hinein  geflüchtet,  und  nach  jährlicher  Belagerung  mit  accord  t^"d 
welcher  zwischen  dem  Keyser  und  Weibern  ist  gcschlosscr-»  ^2M 
worden,"  solches  überkommen.  Der  Accord  ist  gewesen,  daß  Si»  x^it 
dasjenige  was  Ihnen  am  liebsten,  mit  sich  herausnehmen  woltcn«rT»m( 
welches  der  Keyser  bewilliget,  darauf  die  Hertzogin  ihren  Bern-  «"»i- 
hardt  auf  den  Rücken  getragen  gebracht,  nach  dieser  eine  ied-  Ä-*l- 
wete   ihren  Mann   auf  solche  Art,  welche  Treue  den  Keyser  sc>-^3<* 

s.  31.  moviret,  daß  Er  nicht  nur  den  Hertzog  restituirel,  sondern  aucÄ^==h 
alle  perdoniret  hatt').  Haben  darum  die  Weiber  biß  diesen  Ta^-^^ 
noch  das  Privilegium  prioritalis,  maßen  sie  nicht  nur  dener^«"  "^^ 
Männern  oben  an  getrauet,  sondern  auch  in  solennen  actibus,  als  M^& 
lOrchen  communion,  ihnen  allzeit  vorangehen-).  Nach  Heil-  Ä  '" 
bronn,  hatt  den  Nahmen  von  einem  Bronn,  welcher  ohnwei  «  — '* 
der  großen  Kirche  stehet,  quillet  durch  7  meßinge  röhren  und::»  *^ 
in  24  Stunden  1500  Fuder,  schmecket  überaus  lieblich,  zerthcile^-^^** 
das  Scorbut  und  dämpfet  innerliche  Hitze,  macht  appetit  zum  *-"" 
Speise,  sonderlich  fnih  getrunken,  des  Abends  aber  verhindert  "^^ 
Er  die  aus  dem  Magen  aufsteigende  humores,  treibt  Stein  untfc^  ■"'* 
Harn,  und   führet    die  Gallen   ab,    hat    noch    viel    unerforscht^^^* 


die  Oebfljrw  du  Bischof«  Qebhard  von  Refen&buru,  des  Stiften  dei  Odiringer  Chorticrtwi — 
»fift»,  enthält.    Ott  llcrkrl  dertclbcn  ist  niil  dnigcn  »nf  Ihn  und  Minen  Vater  bcrügticfcqi*  *  »  j 
lilcjnlschcn  Inschriften  versehen.    Briefliche  Mitteilung  des  Hemi  Deloms  o.  Stiftipredlgcn^    * 
Maiuh  in  OehHnffcn.    Wibel,  Hohcn!ohifchc  Kirchengeich.  1.  li. 

1}  E»  w»r  nicht  HcreoB  Bcmturd.  simdem  Or«f  WcK  VI.,  den  Kaiser  Konrad  IH-  *  zL 
Mib  bei  Ellhofcn  beilcjw.  »orauf  er  atn  21.  Dez.  dl«*e*  Jahrw  die  Burg  Wdbenreu  ef-^^^Tj 
obcrtc  Zerttört  VUtde  diewlbe  erst  im  Bauernkriege  ISIS-  Ober  di«  QlsubvunliskAl^  9'="' 
det  Sige  ygt.  Dillcnlus,  XS'cinsbrra«  Qironik  IS60,  S   16  (. 

*i  Von  einen)  lolchen  Vorrecht  der  Ftaueii   Ist  in  Weind>efie   nicht»   l>ekinnl.    Di^^  ^-p( 
FraOM   CClKn  In  den    LAnd]|;einein(len    Schwabei»   bei    der    Klrrfiencommunion   überiuup*  '*^S^ 
meist  Torua;    .oben  anKctiaut*    hüfll  ledentalls  so.   daH    bfim  IiteiBiTulerlcErii   der  Mind^^^^ZT 
der  hheipillen  die  H«mf  der  Ina  oben  in  Uegen  kommt.    Briefliche  MiltdlimK  dci  Hen«""^ 
Pfinvn  Siek  in  Wdnsbcrg. 


Reiseiagebiicli  eines  Dresdners  vom  Jahre  1691. 


Tugenden.  Von  dem  Bronne  wird  gesagt^  daß  er  ferne  von  der 
Stadt  entspringe,  durch  ein  gemauret  Canal  aber  in  die  Stadt  u. 
zwar  biß  unter  die  Kirche  geleitet  würde'). 

Ist  eine  Kcyserliche  freye  Reichs  Stadt,  etwas  feste,  vordem  s.  m. 
Siliner(!)  Thor  hatt  es  Sdiantzen,  Basteien,  worauf  clzlichc  Stückgen, 
einen  graben  von  ohngefehr  24  Schritten  weit,  gedoppelte 
Mauern,  darinnen  3  Thore  als  das  Siliner(!),  Ober  und  Brücken 
Thor-);  bey  diesem  Thore  fJießt  der  Neckar  und  ist  darum  etwas 
fest,  die  Brücke  ist  vor  einem  Jahr  von  den  fahrenden  grund 
Eise  aerstoßen  und  weggeföhret  worden,  es  stehet  davon  nur 
ein  Joch  noch,  von  der  äußern  IV^auer  und  diesem  Thor  hatt  es 
große  Stücken  mit  weg  geführet,  jezo  passiret  alles  über  eine 
Schiffbrücke,  der  Rath  hat  beschießen,  das  stehende  Joch  stehen 
zu  laßen  und  übrige  Brücke  mit  Holz  aufzubauen').  Auf  der 
Silmer  Straßen  ohnweJt  dem  Thor  ist  ein  Hauß  neben  dem  Zeug- 
hause, darinne  wohnen  Franciscaner  Mönche  *),  gleichfalls  ist  s. «. 
auch  hier  ein  Teutsch  Hauß°),  Catholisclie  Kirche")  und  Nonnen 
Kloster,  darinnen  sind  24  Nonnen').  Eine  Kirche  in  der  Silmer 
gaßen  haben  die  Frantzosen  abgebrandl  mit  den  Heu  u.  Vorralh, 
welcher  drauf  gelegen,  um  den  ankommenden  Unsern  nichts  zu 


I 


1}  Oer  Brunnen  ist  der  SIebenrohrbtunncti  an  der  Kilian^kirchr,  l!4t  erbaul,  ccit 
183S  allnählich  versiegt,  IBf^3  bodtlgl,  19A1  an  der  Südseite  der  Kirebe  neu  errichtet. 
16W  Helene  er  in  H  Stunden  1690  Fuder  (1  Fuder- 7M  Liter),  18J8  nur  B96  Hektoliter 
DGrr.  Hdlbronncr  Chronih  i8W.  S.  i9f.;  Kuttlcr,  HeilbroTin  1859,  S-  2B,  Der  Name 
HeUt)ronn  bedeutet  nicht  einen  hellenden,  sondern  einen  heiÜEcn  Brunnen  oder  Brunnen 
des  Heils.  Die  Quellm  tln  Bruimetu  Ixfindcn  tidi,  wie  nruetdinj;»  fcilKOtelJl  ist.  nicht 
«eJI  von  drt  r\tJi,Ilua%tel!lr.      [)üii  S.  ! 

>)  Von  der  eticmaligen  lUrlicn  BefcstigUDS  durch  J  Tore  und  tu  Türme  sind  nur 
nuch  der  Bollweiltüturin,  der  Diebettunn  und  der  Oützentucin  vorbanden.  Das  .Sitinet 
Thor*  hrillt  richtig  Sülmerlor  von  der  Uh»ehift  Kcckar^ulm  (unten  .SiSmer  Straßen')- 
das  Oherlor  hieß  «ich  Pleincrtor  vom  Dorfe  Cldn.    Dürr  S.  10 

s)  Die  Htiitrlie  war  nicht  vor  rinern  Jahre,  sondern  am  10  I  eliruac  denetben  Johm 
t69>  beim  Eifgang  bit  niif  einen  Boüen  fortgefrihrt  worden.  Man  baute  zunächst  im  Man 
eine  Schiffbrücke,  Im  Mai  dne  zvcite,  die  nur  3  Wochen  sland.  (Abblldunx  bddcr  bd 
Dürr  S.  Vi7}  und  im  Novi-mber  mit  Benutrung  d«  allen  steinernen  FuSes  des  mittleren 
Jocb»  eine  höl/enie  Brücke,  die  bis  IBO?  iTliaJleii  blieb     üilrr  S    2lß(. 

*J  Das  Frtnilslaner-  oder  ßarfüBcrklostcr,  von  dem  noch  Teile  des  Krct«E«ngs 
vorbanden  *lnd,  wurde  t17L'  eegTündel;  jelat  Meheiv  Schuljtcbiudc  an  der  Stelle.   DQrr  S.  n 

*)  Das  [Jeulictie  Haus,  KeüiGndct  autil  AnUni:  de^  13  Jh.,  ursprünglich  Sit2  einer 
Huiskommrnde,  1795—1808  einer  i^ndkommendc  der  BaUd  Franken,  Ist  sdt  IS69  Oe- 
richuhof.    Dürr  S  Ii. 

0}  Dk  kalhollschc  tdnbt  ttA  die  frfUiei«  Deuttdiardnukirdie.  tni  In  Buoclolil 
lunSi^Bl.    Dürr  S.  is, 

»>  Dk*  Ist  dfl»  St.  CUwnWosler,  unprfnjtlieli  im  benachbnrtcn  norfr  Fldti,  tl« 
itadi  Hrilbronn  verkgt,  I8ii  aufgehoben  :  jetzt  stehen  Neubauten  an  derSklk.   DArr  S.  11. 


b. 


460 


Conrad  Rüger. 


laßen'),  lt.  das  Zeughauß  in  dieser  gaßen,  welches  vor  Zeiten 
auch  eine  Kirche  gewesen,  haben  Sie  also  mil  Feuer  minieren 
wollen,  ist  aber  mit  Qberaus  großer  Bitten  von  Hn.  geridit 
Schreiber  erhalten  worden'),  iedoch  daß  der  Vorrath  auf  die  gaßen 
eilend  geworffen  und  verbrandt  würde,  dieses  hatt  auch  geschehen 
müßen,  darauf  sind  die  S.  fort,  den  andern  Tag  kämmt  unser 
Flemming  u.  findet  solche  schöne  Sachen'),  hatt  aber  femer  nicbls 
s.  34.  tendiret.  Die  Mauren,  große  Kirche  nebst  den  feinen  Thurmc 
haben  Sie,  die  Frantzosen  unter  miniren  und  sprengen  wolle), 
hatt  aber  solches  theils  die  Kürtze  der  Zeit,  theils  auch  die 
incapacität  der  Oerter  verhindert,  da  ist  nemtich  die  große  Kirche 
unten  gantz  wie  auch  der  Thurm  am  Neckar  im  waßer  gestanden, 
daß  also  die  Mine  nicht  cum  effcctu  hat  angebracht  werden 
können*).  Der  Thurm  am  Obern  und  Brücken  Thor  ist  mil 
Wegnehmung  der  Londen')  gerettet  worden,  iedennoch  ist  ein 
stück  Mauer  am  Neckar  weggesprenget,  da  ein  Stück  Landen 
vergeßen  worden.  Um  die  gantze  Stadt  herum  sind  auf  den 
Mauern    halb   Eiligte  Säcke    mit   pulver  gefOlt  gelegt  gewesen. 


1  Hciiii> 

roden  ^H 


)J  Dies  Ist  die  Franiiikancildrche  tm  Ksfainuilrt,  im  14.  Jh.  crbut,  nad  von  4m 
FnnzoMD,  denen  «ie  a]«  HniiiU£izln  Enllrnl  lutlr,  am  II.  (11}  I^^i-  '&»  RicdcTfvbnwiL 
Die  im  (olgrndm  ^''K'''^"'  Par^lrllunif  von  der  damaÜKni  Bcsetxune  Hrilbroma  dncfc 
die  Priniojcn  {7.  Okt.  bis  2i.  D«  t&se)  «ttmnil  im  vc»cntlic^«l  mil  tJ«n  von  Dürr  x»  ia 
HellbTonner  Chronik  (S  Iiof)  mliKdeilt^cn  dnhd mischen  Berichten  übcrdn.  Du  Html* 
luhen  der  InirsjchtJKlicn  Arme«  vcmilafite  die  Franzose;,  nachdem  ale  die  Stidt  aH. 
hirteste  bcdrüclit  und  volliIindi£  anletmJDierl  hatten,  in  det  Nacht  det  tl- 
nurhcm  AbiuK,  vobei  n  auf  den  Ruin  dtr  n^nttn  Stadt  abcnriien  var.  Aulter 
Franriskanwklrehc  brannten  )edoch  rar  dni;:?  HIusct  ab,  da  viele  Minen,  baoodcr«  i 
der  Killamkirche  und  um  RalhnK.  nicht  lofciij^  und  auch  die  Erlaubnit  zum 
gejtcbeti  wurde.    Vgl.  auch  jigo,  Q<«]i.  der  Sudi  Hdlbroiio  11.  18M,  S-  IM  f. 

Tji  Das  Zcugtiau«  ist  dtc  alle  NikolaikircVie,  erbaut  um  DSO,  In  der  Mit  tSSt  evan- 
geliidier  Qollculienst  gehalten  wurde.  Später  dimle  aie  alt  Zeughant  und  wrde  ent  im 
dem  OnlteMli<ntlr  lurückgeKctien  Vim  dn  FArbJIte  des  Oerichtsarti reiben  Mr  dlcMlbe 
crvlhnm  die  Mellbrnnnrr  Bcriehle  nkhts.    t>ürr  S.  t«. 

>>  Am  13  Drr.  kam  zonärh«!  Hn  Vortrab  von  AOo  sldt&ischeti  Reiten)  linier  Obcnl 
von  Minckwltz;    ihm    fal|[im    am  It    Dez   General  Flctnminc   und  Herzog  ChrtSita  Ml 
Sachsen.    Sie  blieben  bii  lO    Febr.  16B9  in  der  Stadt,  die  itidt  von  ihnen  vld  n 
ktltr.     Darr  S.  IM.      Der  Oenefa]    Heinrich   von   nemminc  (t63I-lTM),    etti  (>heJi 
bckiiiiiten  tlchiiichen  Staatunlnitlen,  stand  von   1641  Mt  iA9i  in  knrnch<i*efacn 
Vfl.  über  Ihn  Schönini;  S    326  f. 

<}  DieKToßc  Kirche  ist  die  Klllanskirehc,  IndcrZdl  vom  tl.bii  i£.  Jh.  crtMBt, : 
tUfi  bis  1B9)  cntniert.    Dürr  S.  isf.    Daß  ile  i6ii  im  Waiser  |c««ndcn  habe,   ervihMn 
die  HellbronneT  Berichte  nicht.    JedenlalU  Vitinlt  et  lich  nur  um  vonibeigehend«  Itocb- 
vuaeT  handeln,  da  die  Kirche  nicht  direkt  am  Neckar  atrtil 

^  .Loflde«  (Wiler  unten  .Lande*)  =  Lunte.  Das  jedoilails  nlederdeutache  Ton 
kam  dunals  erst  auf;  nlederllnd  :  .lonte--  Ortmm  VI,  tWT  -  Dx  mit  M  Minen  ver- 
lehene  Stadtmauer  »tänte  anUer  beim  Rrücken-  onil  Obertor  aach  beim  SAImcrbir  et» 
Von  den  10  Maoertfirmcn  vnrden  der  Pneitaieckcr  und  der  Koblentnrm  sesprenfL  Oftn 
S.  113;  Jign  II.  3S91. 


haben  aber  auch  nicht  geschadet,  weil  die  minen  nicht  alle  an-  s.  3s. 
gangen,  worauf  der  min  der  gartzen  Stadt  gestanden.  Annoch 
sind  2  brauchbare  Kirchen  als  die  Spital*)  und  große  Kirche, 
diese  ist  gar  eine  feine  lichte  und  mit  einem  schönen  Altar  ge- 
zierete  Kirche,  vor  welchen  sie  Jährlich  nach  Würtzburg,  damit 
die  Catholischen  nicht  Melle  darauf  lesen,  (..  ?)  thir.  geben  müßcn*). 
Bey  dieser  Kirchen  an  stehet  ein  recht  schöner  von  bildhauem 
aus  lauter  qvatern  und  ohne  Dach^  doch  spitzig  gearbeiteter 
Thurm,  hatt  220  Staffeln  biß  an  die  höchste  Seiger  Schelle'). 
An  dem  Rath  Hause  ist  das  considerabelste  die  Uhr,  an  welcher 
an  beyden  Seiten  ein  Engel  stehet,  der  Zur  Rechten  schlägt  so 
viel  mahl  nieder,  als  die  Klocke  schlägt,  nach  dem  letzten  Schlage 
wendet  Er  mit  der  lincken  Hand  den  darinn  habenden  Sand 
Seiger  um.  Der  Engel  zur  lincken  Hand  bläßt  ohngefchr  s.  3&. 
6  Minuten  vor  dem  Schlage  3  mahl  auf  einer  Posaune  gantz 
laut,  unter  den  Zeiger  stehen  2  Böcke,  die  so  vielmahl  zu- 
sammen stoßen,  als  es  schlägt.  Unter  diesen  stehet  ein  Hahn, 
der  früh  um  7,  mittags  um  1 1  und  Abends  um  3  Uhr  mit 
den  Fliegein  klalzschet  und  vememlich  krehet*).  Dieser  (!)  sind 
gar  liederlich  und  alle  höltzern*);  eine  halbe  Stunde  von  der 
Stadt  stehet  auf  einen  hohen  Berge  eine  Warte,  auf  welcher  bey 
iezigen  Zeiten  tag  u.  Nacht  icmand  wachet*). 

logiret  bey  dem  Spital  Schreiber  Hn.  Fritzlin. 

den   15.  Jun.  biß  Winipffen.     iVt  Meile.     Ist  gleichfalls 
eine   Reichs  Stadt,  ist  der  Schlacht  wegen,  die  im  aojährigen 


<)  Die  Spitalklrcbe  tut  heiligen  KiUiarina  und  ElUabdh,  Kit  1«38  znr  Drrieinlf- 
keil,  *nrrf*  un  «bgebrochcn.    JeW  sldit  die  Poit  an  ihrer  Stelle.    Dßir  S.  M. 

>]  Der  schfne  HoIiKhnitzillar  der  lOltanskirche  tamral  von  t49B.  Der  QlKbof 
von  Würiburtr  bezog  nach  dncin  Venrage  von  'S«  von  die»r  Kirche  jUdlch  soo  n. 
frinkisdi  Mgriiaiintc  Kanipeteniijeldcr.  IS5S  vurde  Jie  Summe  im  iSlachrn  Bdrage  ab- 
KElüsr.     Düii  h.  lü. 

«J  (1.  i.  UhtBlockc.  Der  2JS  Puß  hohe  Writtann  dei  WliansVirdie  mirSt  1S23  bis 
13»  von  Hant  Schvcincr  von  Weinsbcff  In  Renaltunccformcn  vollendet    Dörr  S.  IS. 

•)  Da*  Kilhaui  itamint  aut  dem  U.  Jh.:  iW7  bla  i«J  wurde  cf  unifaitend  er- 
nra«Tt.  Die  Kunstuhr  rühn  von  luak  Habrechl  von  Schafßiauwn.  deinaelbcn,  det  IST« 
die  Ubr  am  Siradburgrr  MCinslcr  verfertigt  hat,  und  seinem  Oaellai  MLch^  Müllef  her. 
KnttJer,  Hritbrann  I859,  S.  36;  Uiirt  S.  21. 

>>  Ditw  nicht  sani  Iclaren  Worte  beii^eti  sich  vohl  auf  die  Klügel  dei  Hafaticf; 
■Ucdcrtidi-  |edcn(allt  im  älteren  Sinne  ^  Icidit  von  Oevichil;  Orimm  VI,  9*9.  (.Dieser* 
i«l  >Jdwr  venctirieben  tQr:  Die  M^ier.    Vgl.  auch  S.  -tbr.    D.  Red.) 

*}  Hiermit  Jri  der  lOS  m  hohe  Wanberg  oder  Noidberg  gemeint  mit  einem  hohen 
AanicbWunn,  urtprönglkh  eine  rämlKhe  Warte,  )ctzl  ein  belttbler  Aiuflugiort  der  Hdt- 
bftmaer.    Dflrr  S.  9;  Kutlier  S.  41,  64. 


Krige  davor  geschehen,  in  Historien  berühmt,  liegt  hoch  un» «~«  M 
Überaus  schön  lustig  der  gärten,  Weinberge  und  Neckars  wcgeir«"^»^ 

5.37.  eine  Viertel  St.  von  der  Stadt  fä!t  der  Kocher  und  die  ]a=-^^* 
hinein').  Die  Festung  ist  gar  schlecht,  halt  zwar  gedoppeH»*  ■ -E' 
Mauren  und  2  Thorc,  das  Obere  u.  unter  Thor,  und  an  Seiten«-»^ 
wo  der  Neckar  nicht  fleuflt,  auch  Seen  und  Teiclie,  welche  einer»^»  c 
Stadtgraben  bedeuten  müßen  und  wohl  könten  zusammengestocher«^»  * 
werden,  thut  aber  nichts,  denn  die  darbey  ligende  hohe  Berg»^^'S 
ruinirten  die  gantze  Stadt,  welche  ohne  dem  lauter  Holt2-)C^  * 
2  Kirchen,  eine  Lutherische,  welche  gar  fein,  sondert,  ein  sdiörm^^i 
hoch  und  weit  gefastes  gewölb  und  2  auf  die  Bohr  Kirch»  «~U 
führende  steinerne  Treppen,  welche  gleich  in  die  Höhe  vor««:^»« 
20  Stuffen  und  ohne  Stitze  und  gewölb,  dahero  der  Hertzog  auEÄ-»Ji 
Stuttgardt    herausgeschickt,    die    Trepper    von    einander    wollei»^»* 

S.  JB  nehmen  laßen,  um  zu  sehen,  wie  Sie  gefaßel  und  was  sie  hiell^^^  J' 
welches  aber  die  Hern  Wimpffener  in  Gnaden  abgeschlagen  unGȀ~"0 
keinesweges  verstaltet').  An  dem  Altar  ist  das  merkwürdigste^*-* 
daß  das  Fegefeuer  in  Hoätz  geschnitzet  u.  mit  Farben  ausge-^^-S* 
macht  in  dem  Altere  <!),  welches  zwar  mit  einem  Deckel  ver-»'^*' 
borgen  gezeiget  wird*).  Von  30  jährigen  Kriege  her  sind  seh  «^'h 
viel  verderbte  Häuser  noch  da.  Eine  Catholische  Kirche  nebs^P*^^ 
dem  Kloster  ist   in    der   Stadt,    in   welchen   6  dominicaner   ode  ^»■■* 


I)  Am  «.  Mtl  IUI  licKte  Tllly  bri  Vtmpfen  dbcr  den  Mirkfnifen  Oeors  rrMricf' 
von  Dadcn  •  Diirbch.  Unvdt  der  Stadt  niQndcn  Kocher  und  J^ipt,  4  km  vondnaadB 
cntfrrnt.  In  den  Nixkar.    Hdd,  OesctalchCe  der  Stadt  Wlmpfcn  1S46,  S   I86f. 

1)  SIhd:  das  Zutimmmst^hcn  der  Seen  und  Teiche  wQrde  nichts  nfitzen,  denv 
von  den  umliegendni  hohen  Bctgcn   könnic  die  Stadt  leicht  in  Brand  e<:whotieD  vetdi 


1)  VHe  n-aneriiKhe  Ptirrklrche,  Ende  de«  tl.  Jh.  erbaut,  ulchnet  sich  durch  be^ 
sonders  kühne  SSulcnwülbonjpm  au».  .Bohrkirchr"  =a  Fmparkirche  von  nsSd  bor—  H6hr^' 
Weiland.  t>eutichet  Wiörterbuch  I  t'«S'l.  ^-  +*'.  Die  strinemen,  schHnbiir  frei  Khveben  »  *^^ 
den  Treppen,  »eiche  auf  dle»elbe  hin»nflühreii ,  sind  «ahrKhdnIicb  mit  {cnauer  Bc--^^  '"'JJ 
rechnunü  de*  Schwerpunble*  durch  eiserne  Klainmem  In  der  Mauer  bcfestisiL  Was  hicf^:^?  ■ 
vom  Hcnog  von  Wfittl*-tnlwri>  «ü}ilt  wild,  berichtet  Held  S.  76  in  ([sju  ähnlicher  Vti)m '"^  ^ahi 
vom  KurfiäTsten  Ksil  Theodor  von  der  Hai/;  möglicher^d»  bezicben  sich  beide  Berichl^^  *^ 
auf  den  gleichen  VorgBni;,  Vgl.  au(*i  v.  Lorenl,  Wirnplen  am  Neckar  1170,  5.  IM :  ProkD-  *"* 
hluier,  Oeachldite  der  R«ciisstadt  Wlmpfen  I87i>.  S.  ISO. 

f)  Die  evangelische  Kirche  enthilt  3  Altire,  den  Hochaltar  Im  Chor  und  den  Jetir : 
Im  nAtdllchen  Seilenschlfle  stehenden,  schönen  ivelHü  gel  Igen  Quirinotaltsi.  Beide  um^^' 
mit  Hcd»ichiilt7erei«i  und  lirmnltm  llukU^ilueii  reich  ver/iert.  Die  nkhl  gani  klar 
Worte  Im  Texte  b«ichen  urh  jedcnfnlh  teils  mif  ein  an  der  Hndivand  hinler  dem  (Jiiirinnv-- — ^  ,l 
allar  befindlichem  Oeinäldc  des  iünesten  Ocrichts  aus  dem  16.  Jh..  das  nntcr  der  Kalk—  ^^^^^ 
tünche  wieder  auf  gefunden  und  18W  erneuert  worden  ist.  (dU  auf  eiti  jet«  in  der  SaknsleP^^^^^ 
aufbewahrte*  Korporalicnkästchen  von  14B8  mll  wertvollen  allen  OemiUden  auf  dem  DetAc-'  "^^^ ^.. 
und  im  Qrnnde.  KnnsIdcnkmiLer  Im  ÜnuAhcnoictiiR]  Heuen  (Provinz  Starkcnburg)  ^C^^"^ 
189«,  S.  I4.  «9,  S6.  12. 


Reisetagebtich  eines  Dresdner  vom  Jahre  169t. 


weise  Mönche  sind*).  Dnc  Virtelstunde  von  der  Stadl  liegt 
Wimpffen  im  Thal,  welches  nur  so  ein  Kloster  ist  und  sehr 
viel  Einkommen  halt,  sehr  lustig  am  Neckar,  von  forne  mit  etz- 
lichen  großen  Linden  und  schönen  Waßer  Kasten.  Dieses  Kloster 
gehört  in  kein  Stift,  sondern  dcpendirt  alleine  vom  Pabst*). 

logirt    In   der  Schule^  grüße  Dich  gott  Kirchberg,    Danck 
Dir  gott  Wimpfen. 

den  16.  Jun.  bis  Steinfurth  2  Meilen.  17.  Still  gelegen,  s. »., 
Stcinfurth  ist  ein  bloßes  Dorff,  gehört  dem  Churfürsten  zu 
Heidelberg,  bekömmt  aber  daraus  nicht  mehr  als  den  Zoll  u. 
Schätzung,  Zinsen  und  dedmus  krigt  das  Stift  Sinlzheim,  von 
welchen  die  Pfarrer  und  Schuldiener  besoldet  und  die  Academia 
Heidelberg  etwas  als  Stipendia  bekömmt,  übriges  wird  dem  Churf. 
berechnet").  Sintzhelm  ligt  eine  halbe  Stund  darvon,  ist  von  den 
Frantzosen  fiö  1689  abgebrandt  worden,  anno  1674.  d.  6.  Junj 
haben  die  Saxen  mit  den  Frantzosen  zwischen  Steinf.  und  Sintzh. 
geschlagen,  aber  das  Feld  räumen  müßen  und  großen  Schaden 
erlitten*).  Hierdurch  fliest  ein  Bach  namenll.  Elsenk,  hatt  den 
Nahmen  von  dem  Dorffc,  wo  es  her  fliest*).  In  diesen  Dorff 
ist  viererley  religion,  Lutherische,  Calvinisclie,  Catholische  und 
auch  wiederläufferische,  eine  Virtel  Stundt  hier  von  sind  auch  s.  40. 
quacker,  welche  aus  Engelland  sind  zu  diesen  Edelmann  kommen, 
von  Geschlecht  ein  Mistelitz*),   ist  nur  ein   einziger  Hof,  wird 


1)  Die  katholische  Pfarrkirche,  InJh«  zum  Domini kaficrtloslcr  gehSrls.  »ai  den 
ij.  Jh.,  im  ts  Jh.  UTngebaul,  rnthllt  rbmtalls  schöne  HolHkulphircn  tind  OrabdcRkmiltr. 
OuKlottCT,  1Z2S  K«*ltflet<  1SO2  Obüliri^len,  dinit  jrtit  Sdiulzwccknt.  von  Lorent  S.  »t, 
344  f.;  Kunstdenkm-  in  Hessen  S.  89 f. 

^  Dis  Kloster  in  Wimpfen  Im  Tal.  Hn  Rittmtilt,  ISO]  BikuUH»lcrt,  summl  aus 
•ehr  frflher  Zeil  und  lund  antinelich  uiilcr  dem  unmittelbaren  Schutze  d«  KrichMtbcr- 
hmptn-     Kunttdenkm.  in  Heuen  S.  1?B;  Hriil  S.  *2l. 

*)  Du  Sinal^diiicr  älilt,  unler  ilasrn  KeUllicher  AdminitlMlioii  du  Dorf  Strinfurt 
stand,  wutdc  ums  Jahr  1000  gr^'indd,  MV6  in  ein  KQlIrKialttifl  wrvandrit  und  tSD2  auf- 
gehoben.  VPiltidm^.  Qcsdijchic der  Aml&stidl  Sinsheim  I8S6;  Krieger,  Topogr,  Wdnerbncti 
des  OroBheiTOKt-  Badnt  II,  1904,  5.  iDBi. 

«)  Sln»heitn  vurtle  am  8.  AaetifC  iM9  durch  Mar»cha!I  Dans  vollstindle  nieder- 
gjebrvtnt-  WiUicIini  S-  ii.  Die  Sadiicn  vircn  in  der  Schlacht  bei  Sliiahriin,  in  der 
Turcnne  Aber  Karl  von  Lothrm£en  und  Cajirara  tlrgte,  nur  niil  einigen  KcJtcrregiinenleni 
bctdlict.  die  bald  danach,  weil  sie  sehr  gelitten  hatten,  lurückgenifcn  wurden.  Wlltieliiil 
S.  ni.;  Schuster  u    fnncke  I,  SSf. 

*|  Die  .Elsenk',  letzt  Elscnz.  ist  ein  Unker  Nebeniluß  de«  Neckar  Du  ^cich- 
ntaaige,  «eit  1806  badiKhe  Dort  0»eni  hai  seinen  Namen  jedentalU  von  dem  FLnsM 
(Alisonlia),  nicht  irmgekekrt,  wie  es  im  Texte  hdllL  Kilcger  I,  SOI ;  Das  OroBhertgl.  Baden, 
geop.  und  hiU.  dainesl.  I98S,  S.  813. 

CAdclsfceiehlecbt   dieses  Namens  war  nicht  aubiifindcit.    Die  hier  erwähnte 
;  slamnil  jedenfalh  wie  faM  alle  Oemdndcn  In  Dcntsehland  von  dem  irischen 


J 


464 


Connd  Rflga-. 


genannt  der  Bockshoff.  Juden  gibts  in  der  Pfaltz  sehr  viel.  Icl^r»'^ 
seufze  hicrbey  billich:  Das  arm  verführte  Volck,  o  gott,  bekehr^X.-^  ') 

logirt  bey  einem  Schulmeister. 

d.  18.  Juny  bis  Hoffen.     2  Stunden. 

Hoffen,  andere  Sagen  Hofheim,  ist  ein  Lutherisch  Dort""«  ^^ 
gehöret  halb  einen  Baron  fescher  und  ist  keyserl.  Lehn,  halB  Ä  -*" 
einem  Singherrtl  von  Maintz  und  ist  Darmstädter  Lehn,  di»  i  ^^^ 
Herschafft  ist  beyderseits  Catholisch,  das  gantze  Dorf  abe 
lutherisch'). 

logirt  bey  einen  rothköpff igten  Bauer. 

Der  Hr.  Cammerschreiber  aber  und  ich  gingen  cod.  nacH^^:^-* 
Heydelberg,  welches  eine  ChurfÜrstl.  Pfältzische  residentz,  ha-^s-" 
die  Savitz  der  mordbrennerischen  Frantzosen  auch  ausgestandten«"«^ 
in  der  Stadt  spuert  man  sehr  wenig,  außer  das  Rathhauß,  welcher^»« 
verbrandt,  das  vormahls  kösthche  Schloß  aber  ist  gantz  ruiniret*-;^»^ 
wie  auch  die  Brücke  über  den  Neckar,  darum  denn  ietzt  das  Thot^^>* 
S- *>■  zu  ist,  und  also  nur  noch  drey  offen  seyn^).  Das  Schloß  li^;^^^ 
sehr  hoch  neben  einen  lustigen  Castanien  Walde,  die  Stadt  abcr'^»"*' 
gantz  im  Thal,  kann  sich  vor  allen  ohne  vor  Bomben  wahrenr*^ 
maßen  es  denn  schöne  Mauren,  Außen  Werke,  Graben,  WalHF^ 
Basteien  und  Schantzen  hatt,  auch  mit  Keyserl.  Besatzung  uno^~*^ 
Sttlcken  verschen  ist,  ist  5  Stunden  von  Hoffheim,  haben  logir»  Ä^ 
in  goldenen  Hirsch'),  der  Weg  dahin  ist  sehr  lustig,  maßen  laute  -^»^ 

Obenltn  '»imiitti  Arno,  der  »ich  16S9  am  Hofe  de»  KurfQrrtcn  Kart  Ludwäg  von  der  Wal  Ä.^"* 
aufhielt.  Auch  WilHam  Poin  wrillc  1677  in  DcnUchland-  WcinaartHi,  Die  Rrrolutk.11^ ■«"*'^ 
kirxhrn  Fjtglxad»  1B68,  S.  4>0,  4IS. 

1)  .Hockthof-  Ul  eine  volktlüp liehe  ßen^nnung  für  dat  Dort  BocksdlBfl,  tirx  *  _■ 
EiKTiztiau  gclqpm ;  es  gehörle  im  Milteliller  vcrechicdcnen  AdeUmdilechtern  und  kam  ilfr^^^^^ 
an  Baden.  Krieger  1,  129;  Da»  Oroßhcnoetuin  Baden  S.  IM.  Über  die  Juden  vgl,  LüwtnM  ■— ■" 
4tdn,  Oesch,  der  Juden  in  der  Kurpfali  IB6S.  S.  toj.  . 

»)  .Hoffen',  jeUl  HoHenheim,   kam  IB06  an  Baden.     Krieitec  I,  IWJ;    Das  Oroft^*^^ 
henostum  Baden  S.  ES?.    >E«cheT*  ist  ein  Kh«n«rrische«  AdeNgeichlecht,    Kreschke  III 
t^6-    i.SingheTT-,   wohl  daswtbc  »ic  SJnRCT  (stimmac  aedi»  cuitor),  Ist  der  Titd  etno  de 
fünf  }*rlUtcn  dei  aui  1*  Miti;l ledern  bcvtrhenden  Mxinter  DomkaplIcU,    Die  Stellen  *ii 
mit  besonderen  £inkUnttai  ausgcsuiict  und  vom  Adel  sehr  becehrt    Weni«,  Der  Dom  v< 
Midn>  I,  1S17,  S.  317. 

■)  .Sivibc*  «Olli  von  nevltjes  •>  VUdhdt,   PlQnderunK.      Heidelberg   mr  yonmr* 
2*.  Oktober  IMS  bis  t.  Mine  t«S9  von  den  Pnntoflcn  betetit.    BcL  ihrem  durdi  das  Vor- 
rücken der  Sichten  und  Bayern   vcranlaltlen  Abzug  iprenglen  sie  dai  Schloß,  jedoch 
ttllweiie;    die  weiler  gehenden  Zer^löniiigen   rühren  trat  von  t6M  her.     Die  Stadt, 
ZenlAinng  M^lac  filiemaminnt  hatte,    hlieh  daniili  bb  auf  die  Neckarbrnrkc,  dxi  Ratbaaff 
und  }*  Hiuaer  verschont,    wril   vic   in   HciLbronn   die   Erlaubnli  xnm    L&ttfMn 
wurde  imd  «eil  die  Dngoner  M^lacs  ilch  bestechen  ließen.    SiLzer,   OcKhIchle  Hddd- 
bergi  <^S  und  iet9,  Heidelberg  tsri;  Crdmanntdorffer  D[,  i4f. 

*)  Der  goldene  Hirsch,   ein  damals  viel  tmuchtcs  Oasthaus,   lag  am  Markte 
wurde  durch  den  Btand  de&  Kathantet  stark  l>eKhJUIiEt.     Salier  S.  3i. 


Reisetagebuch  eina  Dresdners  vom  Jaiire  1691.  465 


Weinberge  auf  der  Seiten,  auf  dem  Wege  aber  Nußbäume  sind.  Sind 
gekommen  bei  Wießloch  durch  Nußloch  bei  Leimen*),  einem  Städgen 
2  Stundt  von  Heydelberg  weg,  dahin.     Blieben  den  18.  drinnen. 

d.  19.  Jun.  biß  Bruckhäuser  Hof.  i'/i  Stundt.  den 
t9.  aber  ins  Hauptqvartier  nach  dem  Bruckhaußer  Hoff^),  ist  gantz 
verbrandt,  sind  nur  etzliche  Häuser^  alle  aber  biß  auf  eines,  wo- 
rinne  der  Churfürst  logirte,  abgcbrandt,  wir  und  die  gantz  s.  ♦if| 
Hofsladt  mußten  campiren,  da  regnete  es  die  gantze  Nacht  durchs 
den  20ten  aber  wurde  es  besser.  Den  i9ten  kam  einer  von 
f'ranUosen,  der  überlief.  Kurtz  darauf  noch  8.  Stillgelegen  den 
2oten  et  21sten. 

Hoffen   bis   Bruckhäuser  Hoff  (6  Stunden,  campiret.     Den 
^tsten  tag  in  lauter  Dreck). 

d.  22.  biß  Schwetzing  V4  Meile. 

Stülager  d.  23.  24.  25. 

SchweUing  ist  ein  Chur  Pfälzisches  Dorff,  in  welchen  die 
^rantzosen  ein  herlich  schön  Schloß,  wird  Schwanau  genannt,  ver- 
Vjrandt  und  auch  etzliche  Häuser  verwüstet  haben,  und  alldort 
liinder  den  Dorff  ist  ein  wohlangelegtes  Fasanenhauß,  hundert 
Schrit  lang,  auch  so  breit,  ein  Lusthauß  drey  geschoß  hoch,  unter 
\velchen  u.  neben  welchen  der  Fasanen  behaltnüß,  gänge  und 
t^änge  waren,  steht  in  der  Mtttc,  auch  viereckigt  gebaut,  dieses 
>iaben  sie  an  drey  ecken  auf  den  mittelslocken  verbrennen  wollen,, 
■wie  noch  zu  sehen,  ist  aber  nicht  recht  angangen^).  Die  Keyserl. 
lind  Sachs.  Anneen  haben  sich  vor  diesen  Dorf  Conjungiret,  bei  s.  «■ 
«Jenen  Keyserl.  stunden  auch  die  KreißVölcker.  den  22.  hj.  war 
ihr  Churfürstl.  Durch!,  nebst  beyden  Printzen,  auch  Offiziren  in 
Lager,    da   Zugleich    gewesen    ist   der  MarkOraf   von  Bayreuth, 

I)  fasl  al!c  Orte  in  der  Umncbütie  von  Hddelberii  bitten  t68a/39  kIivct  durch 
<lie  Franzosen  zu  kiden.  Ein  Turra  in  Lrimai  heißt  noch  praiizaicnloch.  Bei  Wlnloch 
«i^c  Manticld  1633  über  Tilly.  OroßhcriOKtum  Baden,  S.  BSa,  909;  Krieger  [I,  47.  »S. 
*]  Von  hier  an  lilnbl  Killer,  drr  bl^cr  mit  dem  Kamtnerschrribcr  L.rUlrinK  allein 
gcreiil  zu  win  tchdnt.  bi»  ru  seiner  Erkrankung  beim  Hauphnurticr.  Der  Mdcrtiof  Bnidi- 
hauten  kam  im  ^€.  Jihrh.  als  Ho[£ui  an  die  IfurfürstL.-ptil tische  Hoflaminer  und  scb&rt 
Jetzt  dem  £rotincnogl.  Hiuic  VMta.    Krieger  1,  IQ};  üroOhcniogl.  Dadcn  S.  794. 

*)  Du  Dort  Schvcuineen  wurde  1B33  xur  Sudt  erhoben.  Da«  Schlofi,  audi 
Schwaningen  genannt,  wohr&cheinliich  im  16.  Jahth.  erbaut,  diente  Im  17.  Jahrh.  als  Landsitz 
für  die  KAngriilln  von  Drsenleld  und  sei«  IMI  lür  die  Gemahlin  dn  Kurfäntcn  Kart, 
Wllhclminc  Emcstinc  (t  <7M).  Sie  i»t  auch  die  Erbancrin  dct  FaunaUMUies.  Das  Schloß 
wde  1689  von  .M^Uc  lerM&rt  Stockte,  Onindriß  ein«  Oetcb.  der  Stadt  ScbweUinetn 
S-  33f.  .OÄnge*  =  Weideplätze^  ■h'ingc  ^  KangpUtzc;  «Fange  so  viel  wie  Falle, 
B.  Mamelange.    Qrimm  IV,  i,  1,  13»;  lU,  lin. 

Archiv  ffflt  Knloirgcscblchte.  VI.  30 


466 


Conrad  RQeer. 


c 


MargGraf  von  Baaden,  Hertzog  von  Würtenberg,  KcyscrI.  General 
Caprara,  bey  diesen  thaten  sie  ein  Trinckgen,  dabcy  die  KajscrJ. 
Stöcke  3  mahl  gelöset  worden  und  diese  gantze  Armee  auch 
3  Salven  gaben*).  Den  25.  gingen  obhochgemelte  an  den  Rhein, 
recognosciren  mit  400  Mann  comniandirten  rcuthem,  als  dieses 
die  Frantzosen  gesehen,  haben  sie  von  einer  Schantze,  welche 
ohnweit  Mannheim  ist,  etzliche  canonen-Schüße  gethan,  aber  um- 
sonst, haben  auch  etzliche  hundert  über  den  Rhein  setzen  wollen, 

5. 4«.  sind  aber  von  der  Helffte  wieder  umgekehrct. 
logirt  in  der  Schule. 
d.  26.  Juny  biß  Seckeaheim,  I  Meiic.  d.  27.  Stillge- 
legen. Seckenheim,  ein  Dorff,  welches  gehöret  zur  Chur  F*fallz, 
und  ist  halb  Catholisch  und  halb  Calvinisch,  so,  daß,  wann  frühe  die 
Catholisclien  ihren  Gottesdienst  verrichtet,  als  dann  erst  die  refor- 
mirten  ihren  exerciren ')*  Um  die  Kirche  Ist  eine  leine  Mauer 
gewesen,  welche  die  Bauern  selbst  haben  einwcrffen  müQen, 
haben  Sie  anders  ihre  Kirche  in  salvo  wißen  wollen.  Bey  der 
Neckarseil  ist  Sie  gantz  nieder  und  in  Fluß  geschmißen,  auf  der 
Dorf-Seiten  aber  sind  nur  Stücke  ausgebrochen  worden,  und 
dieses  haben  (die)  Frantzosen  zu  ihrem  sonderlichen  Nutzen  gelhan, 
maßen  die  Bauern  sich  hinter  Mauer  ziemlich  haben  defendiren 
können.  Dieses  Dorf  liegt  7  Stnndt  von  Philipp-Burg,  4  Stundt 
von  Speyer. 

logirt  bey  Martin  Frcycn. 

s.  4s,  d.  28.  Juny  biß  Schaarhofen,  3  Stunden,    d.  29.  30.  et 

julii  t.  2.  3.  stillgelegen.  Schaarhoffen  ohnweit  Rheins  (3  Virtel 
St  vom  Rhein  ein  Calvinisch  Churpfältzisches  Dorff,  aliwo  las; 
die  gantze  HoffStadt  campiret  und  zwar  bey  sehr  guten  Wetter^, 

*)  Die  .KrrißVölckH'  sind  die  Tnippcn  des  frAnkiuhen  und  schvibitrhen  Krriia 
Nadi  Schuster  u.  Frxncke  1,  119  rrfot^'le  die  Vereinigung  der  Sachten  nnd  Kailcrticka 
cnt  am  H.  Juni  bei  Sedcenhclm.  Doch  fibl  auch  dai  Theitniin  Europamn  XIV,  il.  dB 
weh  die  dreimaliEc  Salvt  und  andere  aus  Anlafi  der  Veninigung  gcacheheBe  fmdcab^ 
MUgiinKen  enrihnt,  Srhweliinse«  als  Ort  dei  Vereinigung  an.  Ober  den  Mkrkgnfcn  Mi 
Baymilh  und  Caprara  vgl.  oben  S-  «41  n.  *46.  IJcr  Markgnf  von  Baden  war  Ludwig  WllWll 
(i6'7-i707J,  diKrder  hcrvomgcnditen  fcldhcmi  seiner  Zell;  crübcmaliin  i«W  die  flkn^ 
der  Reichiamee.  Henag  von  Wümembe^rg  vir  damals  Eberhard  Ludwig  (I6T7  -  ini).  fati 
1693  unter  VArmundichaft  »inn  Otteims  [*rinlrich  Karl. 

*)  Das  Dort  Seckenheim,  seil  II03  tiadlscli,  iiegl  am  Hnlien  Nccicarufrr-  Im  9  Jäa%. 
war  es  im  Hesilz  des  Klusten  Lorsch.  d«nn  gchfirte  es  abwechselnd  bald  zo  MaiRi.  baM  ni 
Pfali;  daher  die  venchJedcne  Konfession.     Krieger  II. 9<6;  das  OroBbenogtum  BadcnS-M 

■)  «Sdiaarhoffcn',   jet»  Schaarhol,   badltches  Dorf  am  rrchleii  Neclt^nilcr,  uiimi 
Sacdliofen.     Dicht  dabei  müudcl  der  Nediar  in  den  Rhein.,   in  dem  hici  eine  Intel 
Krlfgef  II,  Sil ;  das  Oraßtierioglum  Baden  S.  919. 


4 


war  in  diesen  glQckl,  daß  allda  eod.  5  frantzösische  capitains 
\  Lcutenant  1  Fähnrich  und  2  g:cmeine  Soldaten  von  den  Frey- 
willigen, auf  gut  teuzsch,  den  Schnapfhäncn  bey  Worms,  als  Sie 
zun  Nonnen  ins  Kloster,  Sie  zu  besuchen,  gehen  wollen,  ge- 
haschct  und  als  Kriegs  Gefangene  eingebracht  und  in  einem 
besonderen  Zelt  von  Uns  vcrhafJl.  behalten  worden'),  d.  27.  hij. 
haben  Sic  Uns  Meistere  des  Rheins  gemacht,  maßen  Selbige  ihre 
vorlhei! haftiges  (!)  Poste  auf  der  Inse!  im  Rhein,  als  wenige  Qranatier 
und  etzliclie  Tragoner  drüber  gesetzt,  verlaßen  und  fortgangen, 
von  welchen  Sie  Uns  entweder  gar  repelliren  oder  doch  wohl 
1000  M.  u.  mehr  ruiniren  können*).  Gott  Sey  Danck  vor  dieses, 
Er  gebe  inskünftige  denen  gerechten  Waffen  Sieg,  vergeh  Uns 
unsere  großen  Sünden  und  laß  die  Straffe  einmahl  aufhören!  s.  46. 
d.  30  hij.  sind  ihrer  s  zum  suspcndio,  weil  sie  durchgangen, 
condemnlret  worden,  von  welchen  sich  aber  ihrer  5  loß  gespielet, 
und  also  nur  3  erhencket  worden. 

den  2.  July  haben  80  Keyserl.  Husaren  und  etzl.  Sachs, 
Tragoner  etl.  compagn.  Franlzoscn  getroffen,  da  3  Husaren  er- 
schoßen,  u.  2  plessirel,  von  denen  Frantzosen  aber  an  die  50 
niedergemacht,  23  übel  zugericht  gefangen  und  ins  keyserl.  Haupt- 
quartier zum  Caprara  gebracht,  auch  über  50  Pferde,  obschon 
etzliche  wieder  zur  Armee  gelauffen,  zur  Beute  erhalten  worden. 
Die  übrigen  Frantzosen  sind  fort  gegangen*). 

Campirt  bey  guten  Welter. 

den   4tcn  Jul,  den   5.   6.   7.   8.   9.  SliUlager.     Ober  den  s,  ". 


>)  ScbnttpIhJhnc  odcrSchnspphlliTic  enUprertcn  den  jdxijen  Franctimtr».  OHmni 
IX,  1174. 

■)  Difl  die  Besetzung  dci  RheinBbergingt  bd  Schurhof  am  II.  Jniil  vor  titb 
KCganKen  «i,  Isi  nicht  recht  vahncheinlkh,  di  die  Vcrliündeten  nach  RQ£ers  Hzenen  An- 
ptoOl  ent  tjn  iB,  Juni  b\f^  tu  ilinein  Ihufe  nx^citirlcl  »ind.  Dm  Thealiuin  Euti>|i.  (XIV, 
35),  du  dne  Khr  dnfehtndeSchlldrniing  (EesdamallKcR  Rhrlnüber^nKsmlhäU,  vrr legt  die 
Beirtzuiig  der  Über|[U£Ule11e  Klion  >ut  den  :*.  Juni  (4.  Juli).  Man  besetzte  iiinlchil  mit 
24  *ul  Kihnen  übeigeseUten  Qrentdieren  die  RÜeininKl,  banle  von  da  lus  den  Rniea 
einer  «on  detr  Fniiuii>en  ^tijfrbfocheneii  Hräcke  eiiir  Notbrüeke  und  ichlug  dann  eine  von 
.UAlni  her bcißwch äffte  Schiffbriickr.  auf  ilcr  die  Vrrbündctcn  vom  3.  bis  5.  (i  J.  bis  U,)  Joll 
mit  ihrer  Eeiuiiten  Sireiunacht  ilbcncfztcn.  um  bei  t^rinkenthal  ein  fcslei  Lager  lu  beliehen. 
l>le  FtiRiosen  »uiihien  iwac  durch  viedertiolle  Ocfechte  die  Operationen  der  Alliierten  i» 
hindern.  ^Logen  sich  iber  b^ld  auf  Neustadt  und  Landau  /urAck.  V^l.  auch  die  mil  den 
Tbcatr  Europ.  im  Manien  üliereitulimitiendRi  Beriehte  bei  Jign,  Europ  HistoricBS  II.  tfö4, 
S.  I037f.:  Qulocy,  HlstoJrc  miliiaiie  de  Louii  IcOrand  II.  17I6,  S.  »41  f.;  Bcost  Tcldzüp 
Üa  karüchi.  Armee  üOZ,  S.  1)4  f. 

t  Dasselbe  bcncbkt  mil  den  gldcbcn  Zahlenangaben  zum  2.  (tl )  Juli  du  Tbeafr. 
Europaevai;  der  Überfall  geKfaab  bd  Pricddtbdai.  dncm  plälziscben  Dorfe  in  Bexlrka- 
nnle  Notsladt- 

30' 


468 


Conrad  ROger. 


e 


Rhein  vermittelst  einer  Schifbrückc  auf  die  Insel,  davon  die  F. 
von  denen  wenigen  Oranalirem  getrieben,  und  davon  wieder  über 
eine  feste  Brücke,  die  über  einen  Arm  von  Rhein  ist,  auf  feste  Land 
und  nach  Franckenthal,  welche  vormahls  nebst  Mannheim  des 
Churfürsten  v.  Pfaltz  festeste  Stadt  und  schönste  mit  gewesen,  je» 
aber  gantz  und  gar,  daß  nicht  10  Häuser  mehr  stehen,  verbrandl, 
und  die  Festung  destruiret  ist'},  von  denen  Unseren  aber  wiedenin 
ein  wenig  mit  schantzen  verwahret,  wird  der  gantzen  Armee 
Proviant  Hauß  werden  und  wohl  besetzt  bleiben.')  Vor 
den  Thor,  da  das  Läger  steht,  hatt  man  2  versenckte  Stücken 
gefunden.  Hatte  vormahls  gedoppelte  Gräben  und  Mauren  ge- 
habt; item  einen  canal  durch  die  Stadt,  auf  holländische  mode*J. 
>yorms  liegt  2  Stundt  hiervon  und  ist  noch  greulicher  verwüstet, 
doch  stehen  noch  2  Nonnen  Kloster  und  hausen  ctzliche  geringe 
Häuser,  ist  gar  nicht  feste  gewest*).  Schaarhoffen  biß  Franckenthal 
2  Meilen,  campiret  bey  heisen  Welter  hinter  der  abgebrandten  Siadt. 
d.  10.  Jul.  d.  11.  12.  13.  14,  15.  16.  17.  18.  19.20.21. 
22.  Oerücket  eine  Stunde  davon;  eine  halbe  St  von  OGershdm. 
campiret.  Den  1 1  tn.  wurde  eine  Spionin  von  denen  Bauern 
eingebracht,  welche  schon  3  Jahr  mit  dem  Feinde  gehauset.  Den 
I2tn.  kamen  über  die  20  überläuffer,  die  teils  nach  Savoien 
s. «.  gingen,  welche  sagten^  daß  der  Feind  eod.  mittags  gegen  to  Uhr 
aus  Neustadt  in  Landau  gezogen,  und  sich  sehr  fürchteten  und 
versicherten,  auch  wenn  die  Teutschen  sich  höher  hinauf  zögen, 
würden  viel  von  dem  Feinde  übergehen,  maßen  den  allbereHs 
schon  6  Regimenter  gen   Brabant   gangen   als  dcserters*),   Uem 

^  PnnlccRthal,  *dl  iSK  mt  bayriKhcn  Pfali  ttchirie.  Seine  Vmwutdlang  indic 
tIaupKcstune  rührl  von  den  Kuilüntcn  Fritdridi  iV.  und  Fricilrkh  V.,  den  WlnhrfcM^ 
hrr  Am  M.  Srpt.  I6S9  vurdr  «  durch  die  Praniown  vollstünttig  leftlört  tind  bikb  ■• 
bjf  inn  Ryivkkrr  Frrrden.    Qöt;  il,  »OH I  ;  Havaria  rV,  2,  TU 

)>  XHti  dlcK  AbsMt  bH  den  VcrbflndHm  bestanden  hat.  beieugt  auch  Qaincr  H« 
491:  nils  pvmtrenl  d'abord  i  r^parcr  Ict  fortifintiom  de  cette  place,  itia  qa'oi  at  4t 
quelqu?  mauinis  nant*  Ils  entswii  mi  posle  paur  ae  nicitrc  1  awvtrl." 

»)  Seil  tSfil  hatte  »ich  dnr  KT^Bere  Anahl  (Ifichtiget  Wa Honen! am ilien  In  Pratiktallnl 
ansesicdcit.  die  Khr  rur  Hebung  dci  Orte»  bcitniKcn.  I>er  S  km  tanee  Frankenthaler  Kliial>«- 
btndel  die  Issiacta,  dnen  NebenfluQ  dei  Rheins,  auf  IriSrzereni  Wcsc  mit  diesen).  Qöti  II,  ML 

*)  Worms,  seil  Oktober  IfcRB  von  den  Franioscn  bcsetil,  wurde  am  )i.  Mal  tW. 
dem  I^iiiic^liIiL-n^ta)-.!^.  '^I  ^'"f  in  Asche  ffelegl.  Cs  braiinien  964  Oebind?  nieder.  Die 
beiden  stehen  gebliebenen  NonitnikltWer  waren  d»»  MarieftraOfuter  fär  Ci«(t raiawriim 
und  doi  Nonnenkloster  auf  dem  Berc«  der  Kaptudner.  Außerdem  blieben  nur  die  St.  Mera- 
hardt-  und  St.  Mictiaellikirche.  *  M&hl«n,  7  KIukt  und  7  Schctitien  der  Speiio-  Vontidt 
erhallen,     ßoo«,    Oesch.   der   rheitii^chen  Städtekullur  IV,  1W1,  S-  4«}f. 

*i  Db*T  .OOenheim*  ==  <:)]|;£;crslirlm  r|tl.  unten  5.  470,  4.  Htether  verleftai  dieVer. 
bBildelcn  Ihr  l.acer.  Bei  den  E-'ranzoten  herrschte  £roner  Mantel  an  LebcRSmlltdR,  dilKl 
die  tahlrejchen  Desertionen,    "nieatr.  Curo|i.  a.  a.  O. 


Rdsetagebudt  eines  Dresdners  vom  Jahre  1691. 


469 


daß  Qcneral  Düpel  gefangen  gen  Paris  geführet  wordeHj  weil  Er 
versehen,  daß  die  Teutschen  über  den  Pass  beym  Rhein  kommen 
wären,  gleichfalls  auch,  daß  der  königliche  Stats  Sccretarius 
Luvoieau  gestorben '). 

den  iSten  Jul.  brachten  die  Schnapfhähne  25  Pferde  und 
gefangene,  die  andern  niedergemacht,  ist  convoij  gewesen  bey 
einem  karen  voll  mundirung,  welcher  aus  Strasburg  ins  Frant- 
zösische  Lager  hatt  gehen  wollen').  Eod.  tractirete  der  General 
Feld -Marschall  Schöning  die  beydcn  Durch).  Printze  und  elzl. 
Cavallier,  da  Sie  sich  ziemlich  lustig  macheten.  Printz  Friedrich 
kam  mit  einem  Glaß  Weine  auf  einem  MaulEsel  geritten,  und  ritte 
um  den  Tisch  herum,  trunke  es  dem  Feldmarschalte  zu,  der  sich 
dann  auch  auf  den  Esel  sezte,  und  dann  käme  es  an  Graf  Reisen 
und  Obristen  Röbel,  der  stattlich  vexircl  wurde*),  maßen  ihn  denn 
der  Esel  herunter  wurff  und  ein  glaß,  welches  sehr  schön  ge- 
schnitten, zerbrach,  auch  die  Scherbe!  aus  dem  Arme  ziehen 
muste.  d.  1 6.  Jul.,  als  der  Churprintz  von  Sachs,  bey  den  Marg- 
Orafcn  von  Bayreuth  nebst  noch  anderen  zu  gaste  war,  ging  Er 
von  da  in  des  Caprara  Zell,  alwo  der  Printz  von  Neuburg*) 
auch  war,  mit  diesen  entzweyete  sich  der  Churprintz,  und  auch 
so,  daß  dieser  den  Degen  zog,  und  wenn  der  Hertzog  von 
Würtenberg  nicht  darein  gefallen,  selben  gewiß,  wo  nicht  gar, 
jedennoch  gefährl.  würde  gestochen  haben').    Eod.   Zur  Nacht 

ij  Der  SUiilitni  nhtrr  Lotivois,  der  HsupUnrtiftcT  des  pfllT.iichen  Krieges,  »tart) 
finz  pldtillch  am  vE.  JoU  1(91.  Mit  dem  Ocneral  hDüpcI«  ist  der  .Mir()uis  d'Uielln 
foncint.  der  Kanttn^ndiiit  der  luniAsI sehen  Intariterte.  Seine  Verh«flun£  aui  dem  gleichen 
Orundc  beliebtet  auch  Jiütr,  F;tiTup.  HUIcrirut  H,  19*0,  vährrnd  in  den  tonfliKen  Hecichtcn 
aber  ihn  nichts  davon  crrUint  wird.  Quincy  tl,  «O  lührt  lu  sHner  Ent&chuldiguns  dte 
Schv-cllung  dn  Rheins  an.  Jednfnll»  muß  er  lich  bald  haben  rech tf<:rt Igen  künncr;  denn 
«r  ert^einl  Ii:i  Winter  t69i  und  in  den  folgenden  Jahren  vlcder  als  Komnunduil  dn 
dsaS.  Am  lt.  Sept.  IbSS  übeieab  er  nsdi  acbtir&chi£er  tapferer  Vei1cldl|;utti:  die  letlung 
Maln^  na  Karl  von  LoIhtinKcn.  Spltcr  Icilele  er  als  bcvnllmäclilii;tcr  -Minlslcr  die  Ver- 
hajidluntren  dc^  Utreclitcr  Friedens.  Nouvclle  biogriphlc  univenctlc  VI,  233:  Röusset, 
HUloirc  de  LouvoU  JV,  1372,  S.  497. 

*)  Von  einem  iiiißluiigrnen  Oberlall  auf  einen  nacb  Neustadt  btstlniinten  (raniß- 
tiscben  Canvol  bcrlrhtet  dai  Ttiealr.  Turop.  lum  1,  {n  )  Juli, 

•)  l'nnt  1-iiedrifli  ivi  hricdrich  Augiist,  der  jüngere  Sohn  Johann  Oeorg»  Itt.  Mit 
Oraf  .Rrisen-  ist  Fcldm.irschalllcu>nan1  Oraf  Heinrich  VI.  von  RniH  gemcim.  F&hrcf  einet 
dienen  Resimcnu;  er  fiel  1697  bei  Zenia.  Der  Oberst  von  Röbd  adchncte  sich  neben 
dem  KufpitRirn  bcscmdcrs  beim  KhHnübergins  aus,  Indem  er  eine  (ranrAsiicbe  Sehanxe 
beim  Helmshül  eroberte      Theatr,  Tuiop.  XIV,  36.   107;  SchiiiUrr  a.  Francice  I,  114. 

•)  DtM  ist  iedetifatlü  Karl  Philipp  von  Pfali- Neu  bürg,  der  jün][cre  Bruder  des 
ixsleTendcn  Kurfürslcn  Johann  Wilhelm  von  der  Pfali:  er  vir  nach  dem  Tlieatr.  Europ. 
an  16.  tl^.MuH  Im  Laser  anKtltumaien. 

s)  Über  dieMn  Aufirill  und  die  vorher  geschilderte  IusIIkc  St«ne  beim  Oriace  bl 
lonst  nichts  bdcannL  Beide  Vorlille  sind  JedoilalU  bezeichnend  für  den  Odtt,  der  in 
Heere  heirschw. 


S.  «. 


S.  30. 


470 


Conrtd  Rä£er. 


war  ein   sehr   großes   und  starckes  Gewitter  mit  eischrecküt 
Schlägen,   hatt  auch   einen    Obristlcutenant    namentl.   Wobeser' 
ein  wenig  gestreiffet 

d.  I7ten  Jul.  Diesen  zur  Nacht  sind  lOOO  zu  Fufl  und 
etzliche  Reuter  vor  das  Schloß  Hartenburg  {welches  wie  man 
ietzt  höret  nur  ein  Raubschloß  ist,  und  nur  Freywillige  von 
Frantzöslscher  Seiten  darinnen  aus  und  eingehen)  solches  ein- 
zunehmen commandirct  worden,  u.  zwar  zu  dem  Ende,  damit 
der  March  gen  Neustadt  unbesorglich  seyn  mögte;  sontägs  aber 
als  den  t9.  kamen  die  commandirten  wieder,  weil  vor  unrathsm 
befunden  worden,  das  Volck  davor  zu  niiniren,  weil  es  nicht 
s.  51.  mehr  importirct'). 

d.  18.  Jul.  Den  Sonnabend  worden  von  den  Scbnap- 
hänen  2  gefangene  als:  ein  Stabs- Apothecker  und  Cammer  Diener 
eingebracht  Eod,  ginge  ich  nebst  Hn.  Eiert  hohorsten  und  Hn. 
Cotten*)  in  das  beyliegende  Oggersheim*),  da  war  wohl  alles 
verstöret,  die  Einwohner  entlauffen,  und  an  deßen  statt  der  KeyscrL 
Staab  darinnen  lag,  doch  wäre  nichts  verbrannt.  An  cincni 
Hause,  darinnen  der  Hertzog  von  Neuburg  lag,  stunde  ein  Büd 
in  Stein   gehauen   über  dem   Tlior,   neben  an  auf  einer  Taffei 

folgendes: 

Religionis  Vcterum 
Oenn:  tndjgfetum 

ludido 
Felix  Anliquitas 
Anno  MDXX\'III 
Enita  Rcstituta*). 


I)  Pammenchcs  Adeltseichlechl  nach  Knochkc  IX,  594, 

^  Ndch  dem  TlKaltum  üufopaeum  XIV.  37  waren  bei  dem  mifituBgcneii  Hj 
auf  du  bei  Nrustidt  a.  H.  srlcKmc-  SctalciH  HartaiburK  mir  ISO  FaSnoUixn  nnd  *» 
■il  Alton  unter  TahninE  dn  Majors  von  Braiid  bddllf^.  den  der  Obent  Rdbold 
SOO  Rdteng  untcritQIzte.  Die  tiiinenburK,  \m  n.  Jihrh.  von  den  Onfen  von  LtiDiain 
ertitut  und  im  1&.  Jshrti  zu  einer  jtarkcn  Fcittiiig  umscbiut,  war  i MO -1691  von  den  Fna- 
toten  lie&dtl.  17^4  ubermaU  vun  ilinrn  ein^enniicnien.  wunlr  iic  nieder|[rbnnnt  nnd  td 
tdtdem  Ruine.  Oenaiic  BcKtirdbung  bei  Ebhard,  DiedeclKhen  Durgen  Lfg.VII,  i995>  5  UH. 

I)  Ein  .Eiert  Hohonf  «urde  am  lO.  ScpL  i69*  ili  Hofbarbier  KnrfQrst  fricdridi 
AlgutB  in  Pflicht  genoinmen;  Theodonis  ColU  war  wie  Rüger  ReiiClummcrvervandter  «nd 
«urde  mil  ilim  n'eichzrillg  vetpHichld,     Vgl.  aber  sie  Nachrichten  üb.  d.  Fam.  K.  S.  *»,  Sl- 

')  r)2iCi'r^ti''i"i»  SUdt  in  der  bayriwlicn  I'tuli,  viirtle  1619  von  den  FntlXOMl 
■iedergebrannt.    Hier  hielt  sieh  Schill«  1781  nach  seiner  Plpchl  auf     Götz  II.  SM. 

>)  Das  Haui,  an  dem  die  Inicbrilt  angebracht  war,  wu  das  Crtihaut  lui  goldenen 
Krone.  Da«  dazu  gehäiigc,  IS2B  auiccgrabenc  Dild  ttdite  den  Merkur  vor,  der  anr  Zat 
der  RAmefhetrwhalt  in  der  ftudiilMren,  vom  Maodd  belebten  Oegnid  beM)Bdcts  verrtttt 
wurde  Widder,  Verbuch  einer  geogr.-hlst.  BcKhreibnng  der  Pf.ilz  It,  1786,  S.  JST;  Banrta 
IV.  2,  SM. 


Reiselagebuch  eines  Dresdners  vom  Jahre  1691, 


s.  SJ. 


d.  1 9.  Jul.  Als  Sonntags  besuchte  Se.  Churfl.  Durchl-  den  s,  s» 
Hn.  General   Feld   Marschall   Schöning   noch  vor  der  Predigt, 
welcher  noch   immer  von  dem  neulichsten  Schmause  kranck  ist; 
als    er    wieder    fortginge,    sagte    Er:    Unser   Feldmarechail    liegt 
drinnen  und  schreyet  sehr. 

Campirt  bey  abwechselten  (!)  Wetter  und  viel  großen  Gewittern. 
Es  hatt  sich  allhicr  nicht  wohl  caniptret,  maßen  von  das  unge- 
sunde Waßer  und  bodem  verursachet,  daß  die  meisten  der  Hoff 
Stadt  und  großes  theil  der  Armee  kranck  liegt,  Weil  nirgend  hier 
gut  Waßer,  sondern  in  Ermangelung  deßen  man  gez^\'unge^ 
'worden,  3  Ellen  tieff  in  die  Erde  zu  graben  und  das  zusammen- 
selauffene  Wasser  zu  suchen,  welches  man  gebrauchte,  und  daher 
viel  Leute  krank  worden. 

den  22.  Jul.  ging  der  Hr.  Cammerschreiber  Leißring  auch 
an    einem    hitzigen    Fiber   krank  nacher  Heydelberg,   die  Nacht 
zuvor  Hr.  Cotla,  und  war  ich  also  alleine  mit  der  Cassa. 
Multa  propter  morbum  mihi  ib(idem) 
fc '.  obvenientem  desunt. 

^^P        Nach  den  6  wöchentlichen  Kranken  Lager  mußte  von  Heyl- 
~T>ronn  wieder  zur  Hoffstadt  nach  Schweigern,  ein  Dorff*),  nach 
diesen  ginge  den  20.  Sept.  von   Schweigern   gen  Tübingen   zu, 
alwo  die  Churfl.  leiche  stundte,   mit   welcher   ich  gen  DreSden 
zu  gehen  befehliget. 

den  20.  Sept  von  Schweigern.  Den  20.  kamen  wir  biß 
Stuttgart,  welches  die  Wörlenbergische  residentz  ist,  von  schönen 
Gebäuden  und  schön:  Situation,  wird  aber  in  der  Stadt  sehr 
unflätig  gehalten  des  Mist's  und  Schwein  Viehs  wegen  *). 

den  22,  hij.  Sept.  sc.  käme  ich  in  Tübingen  an,  9  Meilen,  s.  ss. 
wurde  auch  diesen  tag  vom  Fieber  wieder  gcplaget  und  femer 
noch  nach  abwecbselndte  Tage.    Tübingen  hatt  ein  Schön  Schloß 
hoch  auf  einem  Berge  Uegendt  mit  12  Stücken  besetzt").     Die 

I)  Schvrigtm,  SFJt  tSM  ru  Bidm  gth^rign  Dorf  Hier  vCTFidigtc  SdiAnlns  im 
Hupiquxrticr  die  licluischen  Tnipp«i  ffir  Johuin  Ocorj  IV  und  fQhrK  tie  cUnn  nach 
Frukeo  und  Schwaben  in  die  Wlnlrrquarti'rrcr.  Ocuet  U,  129;  Krirgvi  11,  9Sli  Qroß- 
henogium  Badat  S.  9i7. 

•I  Stuttgart,  RnLdtni  <tH  Cbcrhud  dem  Eilaufhten  (f  I32S),  Im  t).  iiKt  t«.J«hrb. 
ii«f£n')flcrt  und  vetschiiiicit,  lulle  im  üljährlcra  Kriegr  schww  lu  leiden  e^^^t;  dalier 
wohl  drr  vennlirlmt«^  /usland     Kirr-  WüiOrmb.  I,  iMf. 

•)  SchloR  HohentfibiigriJ,  im  16.  Jjhrh,  von  Henog  Ulrich  erbaut,  cnlhäll  jct« 
dte  URtrcniatsblbllothck  und  Hne  Slemvirlc.    Kgr.  WSittemb.  It,  568.    Die  Ldcbc  des 


S    M. 


!5.  26. 

"  ä 
h 


1 


472  Conrad  Rflger. 

Stadi  hatt  fast  lauter  hölzerne  HauBcr  und  lauter  hochben^gte 
gafien  und  Mist  genug  auf  denselben,  li^  in  einem  tieffm 
Thal,  doch  in  einem  nicht  so  schönen,  wie  Sluttgardt,  halt 
zweyfache  Mauren  und  aufziehe  Brücken,  d.  23.  24.  25.  26. 
27.  aldort  verlogen. 

den  28.  Sept.  bis  Walddorff),  3  SL 

logirt  bey  dem  Schultheiß. 

den  29,  durch  Nörtingen,    eine   ziemliche    Stadt"),  hä 

Kirchheim    weg,    welches    mauer    und    graben    hatte"),    nach 

Schlicrbach,  also  3'/»  Meile,  da  ist  nichts  wunderlichs  zu  sehen, 

6. 5«.  als  daß  die  Schwein  Stall  mit  Schieffer  gedeckt,  war  ein  ziemttdi 

Dorff*),  logirten  bei  dem  Pfarr  Schultheiß. 

d.  30.  Sept.  bis  Wäschebeyern,  4  Slundt,  welches  ehf 
Calholisches  Dorff  zwe)*crlcy  gräfflichcr  Herschafft,  logirt  beyro 
Schulmeister '). 

den  1.  Octobr.  biß  Mechlingen,  5  SL,  ist  ein  Do 
hatt  Viererley  Herschafft*),  musten  durch  Schwäbischen 
OemQndt,  war  eine  Catholische  Stadt,  mit  2  Mauren  und 
schönen  Graben,  auch  auf  zieh  Brücken^).  ^H 

logirt  bei  einem  Italiäncr.  ^^ 

den  2.  Oct.  nach  Hüttlingen,  4  St.,  ein  Dorff,  logirt  bey 
einem  armen  Drescher').  jH 

KtiTfflittnt  wtr  in  chonaUgoi  collesium  illuvtrT.   dm  fctdKoi  Wllhclmitift  vo  er  fc- 

ttoibn  *4i.  lufgcbahn.    Am  ^8.  Sepl.  vnrde  tic  in  fdalichcni  ZB^e  nnlct  cbroxla 
nihfne  der  Tübinger  Ddiördm  und  BBrgenchift  uit  der  Sudt  *e££dfihrt.    Vgl. 
Europ.  XIV,  991.,   -ro  Üb«  du  LcbCfUcndc  (In   Kurfanlm,   dir  frlnlichr   Obetfl 
ieinti  Leiche  narli   der  Hdmal  und   die  prurkvollc   BriBrIrnng  in    Freibera  ein   tehr 
sehmdn-  BcTichl  geip-bcn  vird.     Die  dibd  genannten  AiirenUultssfaitioncD  HiiniiMii 
der  Zdl  nacti   genau  mit  denen  (n  unieran  Tagebuctie  aberdn,  dcsMii  VafuMr  als  Hirf- 
beamler  zum  Leiclicngefol(jt  eehdrie. 

1)  Walddort  liest  im  Schwanvaldkrcife,  nordSitlich  ron  Tftbinccn.  Das  Kgt- 
Württcitib,  II,  583. 

■)  Nürtingtn,  OberwntoUdl  am  Neckar  im  Schwarrwaldkreis« ,  bcrfllimt  dardi 
Kine  Schulen,  u.  a.  von  Schrlling  und  Ilüldnlln  bourhf.     1»*  Kjcr.  Vürttembers  "•  f^'- 

■)  Kin-Iiheim  unter  Teck,  DrzJrksamtMladl  im  rJunaukm!«.  Am  i.  Aofust  1<W 
brannte  fast  die  ganie  SladI  nieder.    Das  Kgr   WfirltmibcrK  IV,  tst. 

«)  SchHerbach,evaaEdlsdi€sPf»rnlcwf  ImDoMultrclae.  UasKcr.WarttanbctglV,M5. 

"i  WiKhnibeuren,  Dorf  in  Sdivarzvaldkrdie  am  VaSSx  de»  Hohenttaofcnt.  Da» 
Kgr.  Warltefnb«T]E  II.  SM. 

*)  MßiicUnKen,  kattiolltcho  PUndorl  Im  Jagsikreise  an  der  Rons.  Dkl  Kp. 
Wflmemb.  II l  :3*. 

r)  Sc)i«äl>tirli  Omßntl.  OberamU*tadl  im  Scbvarrvaldkrdsc.  bis  I8*J  frde  Kdch** 
■lUtt.  Von  drt  ehemaligen  BefestiKune  stehen  noch  zvel  Tor.  and  vier  MaucnüfBie.  Du 
Sttdl  lit  noch  jelzi  varviegend  kattaoliicii.    Üu  Kgr  Wärttcmb.  II,  :it. 

()  tlfiliUngni.   kalbf^JKhei  riarrdori  im  Jagiücrdie.    Das  Kgt.  Värttroib 


den  3.  Ocl.  durch  Elvangen,  isl  eine  Frstl.  Neuburgische  s.  sr. 
Catholische  Sladt'),  Nach  Dinkelspiel  6  Stundt,  ist  eine  Reichs- 
Stadt,  ziemiich  erbaut,  halt  aber  nur  eine  Lutherische  Kirche.    Da 
logirt  im  Gasthause,  Plug  genant-). 

den  4ten  allda  Stilllager. 

den  Sien  bfß  Großen  Rieth,  4  Stundt,  ein  Bischöff- 
liches  Catholisches  Dorff*),  logiert  beim  Schulmeister. 

den  6.  biß  Windsbach,  5  Stundt,  ein  klein  FJeckgen, 
welches  Anspachisch  ist*),  zuvor  durch  Eschenbach,  ein  Ca- 
tholisch    bisch öffliches   Städtgen').     Logirt  bey  einem   Fleischer. 

den    7.  Oct.  bis    Zirrndorff,    3    Meil,   ein   Anspachisches  s.  s». 
Dorff),  zuvor  durch  Schwabach,  eine  ziemlich  feine  Stadt  mit 
graben  und  Mauren ').     Logirt  bei  dem  Möller. 

den  8.  hier  geruhet. 

d.  9.  biß  Eschenau,  vid.  supr.  p.  18. 

liegt  von  hier  4  meilen. 

d.  10.  Oct.  biß  Hilpoldstein,  vid.  supr.  p.  17.  2  Meli, 
gingen  durch  Oräfenberg  ein  Städgen. 

d.  1 1.  geruhet  allda. 

d.  12.  bis  CreuDen,  vid.  p.  17.  liegt  von  Hilpoldstein 
4  Meilen.   logirt  beim  Apotheker. 

d.  13.  biß  Bärenheck,  vid.  p.  10.  liegt  von  Creußen  2  Meilen,  s.  59. 
logirt  in  der  Schule. 

d.  14.  biß  Münchsbcrg.     Mönchsberg  li^  von  Bärenheck 


1)  EMvangm,  ObcramMsladt  im  Jigstkrctsc  in  der  J«£sl.  Die  noch  itizt  fiil  gmz 
haUnllldie,  hu  lao}  reichiuiimlltclbaK  Slidt  v«danlil  itire  BnIralnitK  dmi  hkr  im  8  Jahrb. 
gfSrflnrlctm  Bcnrtliklincrklostrr,  du  1*60  jn  ein  wvlttictm  Stift  umgrwtndril  vurdc.  Das 
Kgr.  Wartwtnbcrii.  III.  io2f. 

*)  Dinkrlsbütil,  BrxiiksamlMtadl  in  MillFlfnnkra.  Als  prolKtanlisdir  Plarrklrche 
diente  bh  IM^,  wo  dnr  n'Cuc  crTictitcl  vurdr,  die  Kirche  dn  Pträndnerspitals  und  Walwn- 
hauio.  Die  Hauptlclrche  der  Stadt,  die  hier  ijnnHnt  iii  »ein  «chriiit.  I«t  die  St.  Oeorga- 
kirche,  die  von  l$33  biii  1643  dem  proleiUn tischen  Ootlesdicnsle  eingeräumt  war.  dann  aber 
«ieder  katbollich  wurde.  QfitK  II,  !Ozf.  D»  Oaslkaui  mm  Pflus,  jetzt  t'rlrathtita,  las 
in  der  mm  Hothcnbuijcr  Tnr  führentlrn  SlraRc;  bis  etwa  iM!  vurde  darin  (5ie  {J3»twlrt- 
•etaafi  b«trid>cn.    Nachrichten  üb.  d.  Farn.  R.  S.  49,  Anm. :;. 

*)  Orof^ried,  PtarrdnrI  in  Milteirranken.     OAtz  Tt,  346. 

*i  Windsbach,  Städtchen  an  der  Reut  im  Bedtkunite  Ansbach,    Q&ti  II,  301. 

■)  EKhenbach.  Slailt  In  MittclfranketL    Oöti  11. 366. 

1  Zirndorf.  MaiktHerkm  in  .Miltdtrankcn.  Hier  lajccn  sich  \ti2  Ttllenfteln 
und  Otistar  Adolf  mehrere  Wochen  gesenfibcr.  Odtz  II,  35i.  Der  Ldcheiuag  tiniEcht 
hier  .NüniberK;  dnin  Zirndorf  lieict  eine  SUinilr  westlich  davon,  dai  nichsle  NaditqaaMjer 
Cvhnuu  dagegen  mehrere  Meilen  nordötllidi. 

1)  Sctivabach,  Bezirkaamtuladl  in  Miteellrukra.    Q6lz  II,  4M. 


474 


Coond  Rüeer. 


2  stsTcke  Meilen,  logirl  bey  einem  Cnuner  beym   untern  Tlior, 
Zenckern. 

d.  16.  hij.  biß  Hoff,  liegt  von  Möocbsberg  2  MeOeiL 
supr  p.  9.  d.  17.  da  gerubeL 

d.  1 S.  Oelfinitz,  liegt  von  Hoff  3  MdL  ist  an  etzl.  geUat 
ein  feines  Städgen.  hatt  ein  schön  Rathbaus  und  3  Thor'), 
beym  Fleischer. 

d.  19.  bis  Ungefeldt     liegt  von   ÖlBnütz   2  Meilen, 
supra  p.  7.  logirt  bei   einen  Cramer,   »*elcher  verständiger 
als  der  Wirth  und  Oamcr  zu  Möncfisberg,  der  ein  cigennüt 
Degd  war. 
s.w.  dL  20.  biß   Zwickau,     liegt  von    Längefeld  2  Meilen.' 

supr.  p.  S.     logirt  bey  Georg  Conraden   in   der  Scbeer^ 
war  ein  alter  Tuchmacher  u.  Ratbhcrr. 

d.   21.  Oct.    biß   StoIIberg.     liegt    von    Zwickau    2    Meil     ' 
l<^rl  beym  Tuchscherer. 

d.  22.  biß  Cemnitz.     liegt  von  StoIIberg  2  Meil.  vid.  supr^ 
p.  4.     logirt  bey  einem  Becken  in  der  Johann isgaßen.  ^H 

d.  23.  biß  Edem.    2  Meilen,    vid.  supr.  p.  4  pr.  logirt  b^^ 
einem  Seiffensieder. 

d.  24.  biß  Freyberg*),    li^  von  Edem  2  Meil.   vid.  pi. 
logirt  bey  einem  Kupffer-Sch miede. 

d.  25.  biß  Dreßdcn.     liegt  von  Freyberg  4  Meilen. 


Hiermit  schließt  das  Reisetagebuch.  Enthält  dasselbe  auch 
gerade  nichts  von  hervorragender  Bedeutung,  so  gibt  es  doch 
manchen  anziehenden  Aufschluß  aber  die  damaligen  Zustände. 
Auch  erweisen  sich  seine  Angaben,  von  einzelnen  Irrtümern  und 
Ungenau igkeiten  abgesehen,  im  ganzen,  selbst  in  Kleinigkeiten, 
als  durchaus  zuwrlässig,  zumal  wenn  man  berücksichtigt,  daß 
es  sich  doch  nur  um  Tagebuchaufzeichnungen  handelt*).  Jeden* 


4  Dm  ÖlBilUrf   fUthaa*.    16I6  ebant,  vurdc  Rh«   t«n  nm   tfmtn  kIipui 
Biaadr  Maticsiictil-    Die  drei  Tore  der  ebeoute  ituk  bcfcstifta  Sadt 
4x%   L'nln--   nnd   das   Ecertot.     BaM.    and   KtnutdeaicnUer   da  Känigr.   'iwlMui    IX.  { 
SciiDminn  VII.  lüt. 

*t  Hier  in  Frdber«  bUeb  Ac  knfftnfltdK  Lddw  In  der  SAIoAkipclIe  b«>  n  : 
■■  lt.  Da.  im  Dane  arloicemkn  BdMtnng  itchm.    Tbcitr.  Earop.  a.  j.  O. 

*f  MdglkhKiwm  }at  da  ReiMtdc  indi  qk  der  im  iT.  Jjhrta.  «orlundaiai  .f 
bidw  facsHM.     Das  bekatralole  denelben  \ar>   AUrtiit  Zeilla  sdufari  slkidtav  nhtlt 
bcnafcwiEii  n  «ein-    Vgl  &bcr  dtoe  An  Lileranr  HkmcI,  Zcittdir.  fftr  1 
gtsdk.  liTI,  5.  407  f. 


SM 

:3 


Rdsetagcbuch  dncs  Dresdacrs  vom  Jahre  1691. 


felis  kann  man  dem  jungen  Reisenden  ein  lebendiges  Interesse 
für  das  Gesehene,  eine  gute  Beobachtungsgabe  und  einen  ge- 
wissen geschichtlichen  Sinn  nicht  absprechen. 

Nach  seiner  Rückkehr')  blieb  RQger  in  seinem  Amte  als 
Rentkammerverwandter  unter  Johann  Oeorg  IV.  und  Friedrich 
August  1.  Zwischen  1697  und  1701  erhielt  er  den  Titel  und 
Rang  als  Geheimer  Kamm  er  seh  reiber.  Er  gelangte  bald  eu  ziem- 
lichem Wohlstande,  wie  man  daraus  entnehmen  kann,  daß  er 
sich  im  Jahre  1700  einen  eigenen  Wagen  für  125  Taler  14  Gr. 
anschaffte,  dessen  er  sich  jedenfalls  für  die  Reisen  bediente,  die 
er  auch  weiterhin  im  Diensle  des  kursächsischen  Hofes  unter- 
nahm. So  war  er  1697  mit  Kurfürst  Friedrich  August  in  Wien, 
1699  in  Teplitz;  auch  in  Warschau  soll  er  wiederholt  gewesen 
sein.  Im  Jahre  1715  kaufte  er  von  der  Gräfin  Christiane  Char- 
lotte von  Flemming  ein  OnmdstOck  an  der  Ecke  der  Schösser- 
und Frauengasse  in  Dresden  und  errichtete  hier  einen  ansehn- 
lichen Neubau  von  vier  Stockwerken  mit  acht  Fenstern  Front 
nach  der  Schössergasse  und  elf  Fenstern  nach  der  Frauengasse*). 
Außerdem  erwarb  er  auch  noch  mehrere  andere  Grundstucke 
und  hinterließ  bei  seinem  am  15.  Mai  1735  erfolgten  Tode  ein 
Barvermögen  von  über  25  000  Taler.  Vermählt  war  er  seit  dem 
10.  Mai  1701  mit  Citharine  Hedwig  Rachel,  der  jüngsten  Tochter 
des  Hofjuweliers  Moritz  Rachel ").  Eine  ältere  Schwester  von  ihr, 
Anna  Dorothea  Rachel,  war  die  Frau  des  berühmten  Juweliers 
Johann  Melchior  Dingünger,  der  mithin  Rügers  Schwager  war. 
Der  älteste  Sohn  Rügers,  der  Gehe  im  Sekretär  Moritz  Konrad 
Rüger  [1703- 1740),  ein  vielseitig  gebildeter  Gelehrter,  seit  1738 
Unterbibliolhekar  der  Königlichen  Bibliothek  und  des  Münz- 
kabinetts in  Dresden,  unterstützte  Dinglinger  vielfach  bei  seinen 
Arbeiten  mit  seinen  antiquarischen  Kenntnissen*).  Von  dem 
Kammerschreiber  Rüger  und  seiner  Frau  sind  noch  zwei  kleine 
nur  2'/^  cm  hohe  Porzellanbildchen  vorhanden,  die  bald  vor  oder 

>)  Vgl.  tum  folgenden  Nachrichlen  üb.  d.  Fam.  R.  S.  3i  t. 

*)  Dis  Haui,  jelzl  Nr.  4  der  SdiöästrgasM,  iit  gmau  budiriebcn  bH  Hasdie, 
Uimtiidlidic  Etnchccibuiit;  Dresdens  E,  1781,  S.  307.  Vgt.  auA  OurlitI,  die  Kunttdenkiiüler 
Dresdeni,  3.  Heft.  t^oi.  &  jm. 

■)  Ober  ihn  vgl    P    Radid,  Draänet  Qcichtcblibiatter  XIV  (li»!],  «t[, 

•)  5pon»rl,  Joh.  Mrfiliitit  DinElingcr  I90J.  S.  »S.  Richd.  Dresdner  Qesdiichh- 
bUlter  XlV.Mt. 


I 


476  Connd  Rfiger. 

• 
nach  der  Hochzeit  gemalt  zu  sein  scheinen.  Der  Mann,  in  d> 
Blüte  der  Jahre,  von  kräftiger  Gesundheit,  trägt  eine  Allonf 
perücke,  einen  rötlichen  Rock,  blaue  Weste  und  spitzenbesetzt  z^Kc 
Halstuch.  Die  Frau,  eine  zarte  jugendliche  Blondine,  trägt  ej— j 
blaues  Kleid,  das  gelockte  Haar  ist  leicht  gepudert  und  nn^^ni 
einem  blauen  Bande  geschmückt  Auf  der  Rückseite  des  Fraue  —^ti- 
bildnisses  stehen  als  Umrahmung  zweier  steh  en^genstrecken(fl^3er 
Hände  die  Worte:  »Je  weiter  von  einander,  je  näher  beysammen — =i'. 


Miszellen. 


2u  einer  auf  dem  Schlosse  in  Königsberg  gefeierten 

Hochzeit,  1592. 

Mitgeteilt  von  OUSTAV  SOMMERFELDT. 


^^F  Auf  Georg  von   Eichicht  wurde  von  mir  im  Archiv  für 

r  l<iilturgeschichte  IV,  308,  Anm.  1  aufmerksam  gemacht  mit  Rück- 
I  ^icht  darauf,  daß  er  im  Herzogtum  Preußen  während  längerer 
I  Jahre  die  Amtshauptmannstelle  zu  Neuhausen  bei  Königsberg 
I  \crwaltct  hat  Er  war  ein  Bruder  des  ebenda  genannten  Albrecht 
■von  Eichicht,  Erbherrn  auf  Molsehnen  bei  Königsberg  (nicht 
Reisten) ')j  und  ist  am  25.  August  1602  zu  Neuhausen  als  Amtshaupt- 
mann  gestorben.  Seine  Hochzeit  mit  Katharina  von  Sallet  wurde  am 
16.  April  1592  auf  dem  Schlosse  zu  Königsberg  gefeiert,  und 
Markgraf  Georg  Friedrich  von  Ansbach-Hohenzoltern,  der  als 
Vetter,  gleichzeitig  Vormund,  des  schwachsinnigen  Herzogs  Albrecht 
Friedrich  die  Regicrungsgeschäfle  bis  zu  seinem  Tode  versah*), 
criieß  ein  Ausschreiben  (Staatsarchiv  zu  Königsberg,  Adelsarchiv 
.von  Eichicht"),  durch  das  er  unterm  15.  März  1592  die  an 
der  Eheschließung  näher  interessierten  adligen  Standespersonen 
zur  Teilnahme  an  der  Feier  einlud.  Die  kulturgeschichtliche 
Bedeutung  dieses  Ausschreibens,  aus  dem  wir  insbesondere  er- 
sehen, daß  Albrecht  Friedrichs  Gemahlin,  die  Herzogin  von 
Preußen  Maria  Eleonora,*)   die  Hochzeit  für  Katharina  von  Salle^ 

t)  Albredii  von  CIcMcht,  üa  du  Hofmdsirmiit  In  PreaScn  bekleidete,  slirt  idi«. 
Beritxcr  von  Pviticn  vir  Albrcchb  Sdiwaccr.  iJer  Hotgcriclitint  Albrcchl  von  Kreytzai, 
«tnm  ifeichlatb  Im  ArcMv  tftr  KnIlurKcachichtc  IV,  3n.  Crvibnung  gctu  ist  Vfl.  auch 
J.  Oallandl,  Die  von  PJctiichl  (Deutecbex  Herald  n,  IMT,  S.  151'IH>. 

t]  Ocorg  Friedrich  itirb  >m  i&.  April  I6D3.  Hcnoc  Albmchl  Medrlcb  am 
H  Auguil  i&)S. 

■>  Sic  ist  un  13.  Mai  tui  gcitorba]. 


478 


Qustiv  Soramerfeldt. 


euer: 


als  ihre  langjährige  Kammerjungfer,  selbst  ausrichtete,  mag  dessen 
nachstehende  wörtliche  Wiedergabe  rechtfertigen: 

»Hochtzeltbrieff  an  etzliche  vom  Adel,  werden  zu  des  Heubf 
mans  von  Neuenhauß  Oeorg  Eychichten  Hochtzeil  gebethen,  den 
15-  Martii  1592.*  -  >Oeorg  Friderich.  Edier  lieber  Getreuer! 
Wir  mögen  Dir  in  Gnaden  nicht  verhalten,  das  mit  gnedig 
Vorbewust  und  Beliebung  der  hocfagebomen  Fürstin,  un: 
freundlichen  lieben  Mumen,  Tochter  und  Oefalterin,  Fraweti 
Mariae  Leonorae,  Marggräfin  zu  Brandenburg,  getwmcr  Hertzogin 
zu  Gülich,  Cleve  und  Bergen')  und  in  Preußen  Hertzogin, 
zwischen  den  erbarn,  unserm  Heubtman  zum  Neuenhaus  und 
lieben  Gelreuen  Georgen  von  Eychicht  und  dann  vor  hocher- 
nandter  Ihrer  Liebden,  der  Hertzogin  Camnierjungfrawen  Catharina 
von  Sallet,  eine  christliche  Ehe  gesHefftet.  Wann  wir  dann  nun- 
mehr endtsch Jossen,  gedachte  Personen  uff  den  Sontag  Jubilale, 
welcher  sein  wird  der  sechzehcnde  könfftiges  Monats  Aprilis, 
nach  dem  alten  Calendcr,  christlicher  Ordnung  und  Qebraud^J 
nach  alhie  uff  unserm  Hause  Königsberg  einander  treuen')  ua^l 
das  eheliche  Bej'lager  halten  zu  lassen,  ihme  aber  bey  solchem 
christlichen  Werck  und  der  hochzeitlichen  Bewirthung  auch  Dich. 
als  der  obberurten  Ehepereonen  verwandten  Freundt,  sambt  Deiner 
Hausfrawen  und  Kindern  mit  Gnaden  gerne  sehen  wollen,  so 
Ist  an  Dich  urser  gnediges  Begehren,  Du  wollest  Dich  sambt 
ermelter  Deiner  Hausfrawen  und  Kindern  uff  ermelte  Zeit  nach 
Mittag  uff  unserm  Hause  Königsberg  an  gewöhnlichem  Orte  ein-  ^ 
stellen,  dem  chrisllichen  Actu  der  Trauung  beywohnen  undH 
nachmals  die  hochzeitlichen  Ehren  frcudfrölichen  vollenden 
helffen.  Das  gereicht  uns  zu  gnedigstem  Gefallen,  und  wir  seindt 
Dir  mit  Gnaden  wol  gewogen."  —  {Es  folgt:)  «Vorzcichnus 
der  Herren  und  verwandten  Freunde,  so  wegen  George 
Eichicbt.  Heuptman  zu  Neuhause,  uff  seine  Hochtzeit  zu  bitler 
Herr  Wolff  von  Heydeck  mit  seiner  Hausfrawen  und  Kindern^ 
die  alte  von  Eppingen  sambt  ihren  Söhnen;  (^einholt  von  Eppingen 
neben    seiner    Hausfrawen;    Hans    Pfersfelder    von    Karschau *) 


<)  Rictitig  vitliDfhr  Berg.  *)  d.  i.  träum. 

*}  KinchAu,  Ou(  und  Amttbczlrk  vcstUcb  von  Kteigtberg. 


tlDÜS       I 

tle^l 
lem^ 


•^mforderungssch reiben  zu  einer  in  Königsberg  gefeierten  HodizeiL  479 

^^^nbt  seiner  Hausfrawen;  Hans  Albrecht  Borck ')  mit  seiner  Haus- 

""^.wen  und  Kindern ;  Albrecht  von  Creutzen ')  mit  seiner  Haus- 

rraw-en   und   Kindern;    Dlttrich  Packmohr  mit  seiner  Hausfrawen 

Und    Kindern,    auch   seinem    Brüdern    Frlderich    Packniohrn.   - 

Ludwich  Rauter,  WoITf  von  der  Ölschnitz,  diese  bitten  die  Herr- 

schatft  vor  sich  selbst,  und  werden  ihn  Sonderheit  verschrieben.  - 

<Z;um  Uffwarten:  junge  Gesellen,  2  Kemmher'),  Jorge  Sallet.)- 

W^egen   der  Jungfrawen  Catharina  von    Sallet  zu   ircr  Hochtzeit 

zu    bitten;  Friderich  und  Christoph  von  Sallet,  Gebrüdere,  sampt 

'Ten  Hausfrawen;  Friderich  von  Hausen   mit  seiner   Hausfrawen 

lind  Kindern;  Caspar  von  Hohndorff  mit  seiner  Hausfrawen  und 

Kindern;  HerrOerge  Schenck*)  mit  seiner  Hausfrawen  und  Kindern; 

^V^ilhelm  Schüeben  mit  seiner  Hausfrawen  und  Kindern;   Fabian 

"Von  Lehndorff'')  zur  Labappe  mit  seiner  Hausfrawen  und  Kindern; 

^stian  von  Lehndorff")  zum  Steinorf  mit  seiner  Hausfrawen  und 

Kindern.  -  Friderich  von  Hohndorff  mit  seiner  Hausfrawen,  weil 

*hr  sehr  kranck  ist   und    nicht   kommen  wirt,   bittet   man  extra- 

^^rdinarie  zu  bitten,  ingleichen  auch  Ludwich  Rautem,  Heuptman 

^Li    Brandenburg,    und  Wolff  von  der  Ölschnitz,  Heuptman  zum 

'"'ohenstein  und  Osterrode,  als  fürstliche  Rethe,  weldie  man  ohne 

^as  zu  bitten  pfleget." 


i>  ObCTjotuiiui  Albrecht  von  Borcli  s.ObctUrdlwheOeschichtiblätlcr  ?,  1M7,  S.  J««. 

•)  Der  oben  genajinic  HofeeriehUrat  von  Krcytten. 

')  EUmmerer. 

<)  GcDig  Schmck  rreitatir  zu  TauJmburE. 

*)  Fabian  von  Lchndorfl,  Erbhcit  auf  Labab,  Aratehauptmann  zu  Liütuilr  1599-1613. 

*t  Sebsftj«!  von  Lehndorff,  Atntsbaiiplmann  zn  Otrtzho,  t  16IO. 


Besprechungen. 


Arnold  E.  Ber^r,  Die  Kulturaufgaben  der  Refonrution.    Einleitung 

in   eine   Liitherbiographic.     2.,    durdigesehene  und   vermehrte  Auflagt 
Berlin,  E.  Hofmann  &  Co.,  1908  (XI,  4S3  S.) 

Es  ist  nicht  gerade  erfreuHdi,  daß  erst  eine  ganze  Reihe  von  Jahren 
nacl)  der  ersten  eine  rv-eite  Aunage  dieses  Buches  erscheinen  konnte.  Gute 
ßüctier  machen  Indes  ihren  Weg  oft  langsam,  aber  sie  machen  ihn.  V^r 
begrüßen  das  Erscheinen  der  zweiten  Auflage  auch  deshalb,  weil  es  sich 
um  ciii  M'irklich  kiillnrgeschichtliches  Werk  handelt.  Allmählich  wäclist 
doch  die  Zahl  der  ernsthaften  und  auf  wissenschaftlicher  Grundlage  er- 
richteten kulturgeschichtlichen  Werke  von  Bedeutung  erheblich  an.  und 
mit  ihnen  wird  auch  das  Bewußtsein  von  der  Wichtigkeit  und  der 
selbständigen  Stellung  der  Kulturgeschichte  selbst  mehr  und  mehr  durdi- 
dringcn.  Eine  gewisse  Erschwerung  der  Verbreitung  des  vorliegendoi 
Werkes  liegt  darin,  daß  es,  ursprünglich  als  das  erste  Buch  einer  Lutha- 
biographic  gedacht,  auch  bei  seinem  selt>ständigen  Erscheinen  den 
Charakter  der  Einleitung  zu  jener  Biographie,  deren  Abschluß  B.  übrigens 
in  sichere  Aussicht  stellt,  bewahrt  hat.  So  gipfeln  auch  jedesmal  die 
Hatiptahschnitle  (vgl.  S.  64,  101  nsw.)  in  Luther,  wie  dieser  folgerichtig 
überhaupt  den  Ausgangspunkt  wie  den  Abschluß  des  Ganzen  bildet  (Vgl. 
S.  5ff.  und  342ff.)  So  kommt  es  auch,  dal!  für  ein  lediglich  kultur- 
geschichtliches Werk  das  vierte  und  letzte  Kapitel:  Das  religiöse  Leben 
des  Mittelalters  doch  wohl  zu  umfangreich  ist  Dieses  steht  eben  durchaus 
im  Vordergrund  (vgl.  S.  201),  Aber  fiir  uns  kommt  in  Betracht,  daß 
das  Buch  gleichwohl  über  die  religii^  Sphäre  liinausgcht  und  durchns 
kulturgeschichtlich  gehallen  ist.  »Denn  der  Reformation",  sagt  Boger 
(S.  b),  »kann  unmöglich  eine  geschichtliche  Betrachtung  völlig  geredit 
werden,  welche  sich  auf  den  religiösen  Gesichtspunkt  einschränkt,  ohne 
die  ganze  Breite  des  gesellschaftUchen  Lebens  am  Ausgange  des  Mittel' 
alters  zum  Hintergründe  zu  nehmen  und  auf  der  ganzen  Unie  die  U»- 
wandhmg  aller  Lebensgefühle  nachzuweisen,  welche  mit  den  äußeren  Oni- 
nungen  des  gesellschaftlichen  Daseins  und  den  mit  ihnen  herkömralicli 
verbundenen  Ideen  zusammenhängen  mehr  und  mehr  in  einen  unertttK* 


i 


liehen,  die  gesunde  Einheit  der  persönliche]]  Betätigung  beständig  durch- 
Jffeuzenden  Konnil-t  geraten  war."  Und  .die  Menge  der  in  dem  Buch 
verarbeiteten  oder  doch  bcmhrtcn  Talsachen"  bringt  es  mit  sich,  daß  B. 
es  mit  einiger  Beschränkung  als  -Einführung  in  das  Studium  der 
mittelalterlichen  Kullurgeschichle"  bezeichnen  kann.  Dement- 
sprechend hat  er  denn  auch  in  dieser  Auflage  in  dankenswerter  Weise  die 
lilerarischen  Nachweise  angelegt,  die  ich  besonders  anerkennen  möchte. 
Diese  Anmerkungen  und  Nachweise,  die  nach  ursprünglicher  Absicht  erst 
dem  fertigen  LiUher«.'crkc  folgen  sollten,  sind  also  ebenso  wie  das  gleichfalls 
eigentlich  erst  für  später  geplante  Register  in  dieser  Auflage  bereits  den 
»Kulturaufgaben-  hinzugefügt,  wodurch  dn"  Umfang  derselben  sehr  ge- 
wachsen ist.  Dafür  haben  diese  aber  auch  mehr  den  Charakter  des 
selbständigen  Buches  bekommen. 

Nur  wenig  möchte  ich  zu  dem  trefflichen  Buch  noch  bemerken. 
Halten  wir  an  jener  Bcnutzbarkcit  als  Einführung  in  die  mittelalterliche 
Kult iiigeschic hie  fest,  so  hat  B.  einen  gewissen  Mangel  in  dieser  Beziehung 
sogleich  selbst  hervorgehoben,  daß  sein  Werk  nämlich  useiner  eigentüm- 
lichen Bestimmung  nach  die  Entwicklungslinien  der  geistigen  Kultur 
natürlich  viel  stärker  als  die  der  materiellen  betonen  mußte-.  Aber 
mancher  wird  auch  eine  größere  Berücksichtigung  der  Sittengeschichte 
vermissen,  deren  Erscheinungen  recht  wohl  in  manchen  Zusammenhängen 
zu  verwerten  und  zu  beleuchten  waren.  Ganz  stimme  ich  sodann  mit  B.  über- 
ein,  wenn  er  als  eine  der  beiden  Qrundmächte  jenes  Zeitalters  den  Massen- 
geist bezeichnet  (S.  139,  1S3)  und  ihn  des  öfteren  in  seinen  Wirkungen 
nachweist.  Vielleicht  wäre  aber  hierfür  ein  Hinweis  auf  meine  sonst 
mehrfach  von  Berger  zllierte  Geschichte  der  deutschen  Kultur,  in  der  ich 
in  dem  Kapitel:  Das  Hervortreten  des  Volkstums  usw.  »die  gewallige 
demokratische  Strömung"  seit  dem  Ende  des  t3.  Jahrhunderts  eingehend 
dargestellt  habe,  am  Platze  gewesen.  Dort  habe  ich  auch  (S.  29yff,)  das 
symptomatische  Vordringen  der  Volkssprache  im  rechtlichen,  geschäftlichen 
und  sonstigen  Schriftverkehr  genauer  veriolgt.  Diese  wichtige  Erscheinung 
hebt  mir  Berger  (S.  9ö  und  i-Iö)  nicht  eindringlicli  genug  hervor.  Bei 
der  Darstellung  der  humanistischen  Strömung  wäre  ein  Blick  auf  die  Art 
und  Weise,  wie  sie  nach  Deutschland  kam.  wohl  angebracht  gewesen.  Vor 
allem  raußScn  aber  auch  die  Juristen  als  ihre  anfänglichen  Hauptträger 
hingestellt  und  die  Verbindung  von  Humanismus  und  Kanzlei  betont 
werden  [vgl.  meine  Gesch.  d.  d.  Kultur  S.  4&9ff.).  Nicht  ganz  geglückt 
Scheint  mir  die  Durchführung  des  von  Berger  tn  Anknüpfung  an  Mac- 
chiavelli  aufgestellten  »Gesetzes"  der  irRückkeiir  zum  Zeichen«  zu  sein. 
Der  Gedanke  ist  freilich  der  Beachtung  und  Prüfung  wert. 

Ich  schließe  mit  dem  Wunsche,  daß  das  anzieheiidie  und  anregende 
Buch  in  seiner  neuen  Gestalt  einen  noch  größeren  Leserkreis  finden  möge 
als  ihn  bereits  die  erste  Auflage  gefunden  hat 

Georg  Sieinhauscn. 

Archiv  tat  Kulturznchkhle     VI.  31 


482  Boprediunsen. 

UnftTil  Hubrick,  Deutsches  Fürstentum  und  deutsches  Verfaasnngs- 
wcMn  (Aus  Natur  und  Oetstowett  80.  Binddien).  Leipzig,  B.  G.  Teubner, 
1905  (156  S.), 

In  ganz  knapper  und  dabei  recht  übersieh tÜchcr  und  allgemein 
verständlicher  Perm  gibt  der  Verfasser  einen  Überblick  über  den 
Entvicklungsgang  des  deutschen  Verfassungslebens  von  der  tlt- 
germanischen  und  fränkischen  Zeit  bis  zur  Errichtung  des  neuen 
deutschen  Reiches.  Er  geht  dabei  über  die  iltere  Zeit  schneller  hinweg, 
um  t)ei  der  Geschichte  des  19.  Jahrhunderts  ausführlicher  verweilen  ai 
können,  was  man  ebenso  gutheißen  muß  wie  die  Tatsache,  daß  Hubrich 
besondere  Aufmerksamkeit  den  branden burgisch-preußischen  VerhSltnissen 
widmet.  Die  ruhig  objektive  Weise,  in  der  Hubrich  bei  der  DarsteUuns 
der  Verfassungs kämpfe  des  \9.  Jahrhunderts  Licht  und  Schatten  verteilt, 
ben'ihrt  au  Herordentlich  angenehm.  Von  der  landläufigen  liberal  isierenden 
Auffassung  weicht  dabei  die  Darstellung  allerdings  mehrfach  erfieblicta 
ab.  Das  Bändchen  wird  sowohl  für  Anfänger  zur  Einführung  wie  auch 
für  Studierende  zur  Repetition  und  Ordnung  vorher  erworbener  Kennt- 
nisse sehr  gute  Dienste  leisten  können. 

W.  Bruchm&Iler. 

Witbdm  van  Gnlik,  Johannes  Oroppcr  (1503  bis  1559).  Ein  Beitrag 
zur  Kirchengeschtchte  Deutschlands^,  besonders  der  Rheinlande,  im 
16.  Jahrhundert.  Mit  Benutzung  ungednickter  Quellen  (Erläuterungen 
und  Ergänzungen  zu  Jansscns  Geschichte  des  deutschen  Volkes,  heraus» 
gegeben  von  Ludwig  Pastor,  V.  Bd.,  i.  u.  2.  Heft,)  Freiburg  i.  Br., 
Herdersclie  Verlagshand tung,  1906  (XVI  und  278  S.). 

Bei  einer  für  alle  Äußerlichkeiten  des  Lebensganges  bis  in  die 
kleinsten  Einzelheiten  gehenden  Darstellung  bleibt  uns  der  Verfasser 
schließlich  doch  die  innere  Entwicklung  eines  so  durchaus  komplizierten 
Charakters,  wie  es  Johannes  Oropprr  offenbar  war.  schuldig.  Mit  großer 
Schärfe  wendet  sich  van  Gulik  an  verschiedenen  Stellen  gegen  die 
Auffassung,  als  hätten  Gropper,  den  anfangs  vertrauten  Diener  des  Kölner 
Erzbischofs  Hermann  von  Wied,  den  irenisch  mild  denkenden,  zu  einem 
Ausgleich  riieigendcn  Vermittelungsthcologen,  dem  sein  Biograph  den 
Hanptanteil  an  der  Entstehung  des  Augsburger  Interims  zuschrciK 
ii^endw'clche  unbutercn  pcniünlichcn  Motive  zu  seiner  späteren  scharfen 
Bekämpfung  des  Reformations Versuchs  Hermanns  v.  Wied  veranlaßt. 
Wir  wollen  uns  keineswegs  diese  von  van  Ouük  bekämpfte  Auffasting 
zu  eigen  machen.  Es  wäre  aber  Sache  van  Quiiks  gewesen,  uns  an  der 
Hand  des  reichlich  vorhandenen  und  verwendeten  Materials  an  Schriften 
und  Briefen  Qroppers  die  innere  Entwicklung  und  Wandlung  Groppers 
psychologisch  zu  erklären.  Davon  finden  wir  leider  in  der  Biographie 
keine  Spur,  sie  bietet  lediglich  eine  ermüdende,  nücliteme  Aneinander- 
reihung von  Tatsachen  und  Inhaltsangaben  von  Schriften  etc.    Befriedigt 


Besprechungen.  453 

schon  nach  dieser  Seite  hin  die  Arbeit  durchaus  nicht,  so  wirkt  die  Art 
und  Weise,  in  der  van  Qulik  die  reformatortsche  Gegenseite  in  ihrem 
Handeln  fast  ausächlicBlich  durch  Bosheit  oder  Beschränktheit  geleitet 
hinzustellen  beliebt,  erst  recht  unerfreulich.  Diese  Charalrterisierwngs- 
versuche  veranlassen  uns,  da  van  Gulik  auch  der  Familie  Groppers 
ansführtich  in  einem  besonderen  Kapitel  nur  in  lobendem  Sinne  gedenkt, 
auf  ein  Aktenstück  hinzuweisen,  das  J.  Hansen  aus  den  Kriminalakten 
des  Kölner  Stadtarchivs  im  Korrespondenzblatt  der  Westdeutschen  Zeit- 
schrift (Jahrgang  XVM,  N.  10  u.  II,  S.  1 76  178)  veröffentlicht  hat,  und 
das  Johannes  Groppers  Bruder,  den  päpstlichen  Nuntius  Kaspar,  und 
seinen  Neffen  Gottfried,  den  Scholastiktis  an  S.  Gereon,  deren  auch 
van  Oulik  ausführlicher  gedenkt,  in  den  engsten  Beziehungen  zu  leicht- 
fertigen Weibern  und  als  Besucher  übel  berüchtigter  Hadstuben  erkennen 
läßt.  Die  Veröffentlichung  Hansens  ist  van  Qulik  schwerlich  entgangen, 
weshalb  hat  er  sie  unberücksichtigt  gelassen,  während  er  bei  der 
Gegenseite   zum   Teil    ohne   jede   sachliche   Begründung  Schatten   auf 

Schatten  häuft? 

W.  BruchmüHer. 


Ernst  Consenti BS,  Alt-Berlin.  Anno  1740.  Mit  10  Abbildungen  und 
1  Plan.    Berlin  IW7,  C  A.  Schwetschke  &  Sohn.    (t90  S.) 

.Bestenfalles-,  sagtder  Verfasser  bescheiden,  .habe  ich  das  alte  Berlin, 
das  1740  gewesen,  von  ein  paar  Seiten  gefaßt,  aber  nicht  erschöpfend 
geschildert,  auch  nicht  so  hell,  als  ich  es  wünschte,  beleuchtet."  Aber 
wenn  es  sich  in  der  Tat  mehr  um  .einen  Ausschnitt"  handelt,  so  darf 
die  Arbeit  des  Verfassers  gleichwohl  als  eine  recht  verdienstliche,  dabei 
sehr  interessante  und  lesenswerte  bezeichnet  werden.  Consentius  hat  die- 
selbe durchaus  auf  die  Quellen  gegründet,  deren  wichtigste  das  Corpus 
Constitution  um  Marchicarum  oder  Königl.  Preuß.  und  Churf.  Branden- 
burgische .  .  .  Ordnungen,  Edlcta  usw.  und  das  Intetligenzblatt  (Wöchent- 
liche Berlinisciie  Frag-  und  Anzeig  ungs- Nach  richten)  sind.  Cr  sucht  je- 
doch auch  die  Zeit  raOglicbst  selbst  sprechen  zu  lassen,  indem  er  seine 
Darstellung  sehr  reichlich  mit  zeitgenössischen  Zitaten  unter  genauer 
Festhaltung  ihrer  Reclitschrcibung  und  Interpunktion  ausstattet.  Consentius 
beschränkt  sich  -auf  das  profane  und  bürgerliche  Leben  Berlins*,  d.  h. 
in  erster  Linie  auf  das  wirtschaftliche  Leben.  Dieses  Leben  war  in  außer- 
ordentlicher Weise  von  dem  Willen  des  Herrschers  abhängig.  Der  König 
•griff  in  alle  Tragen  des  täglichen  Lebens  entscheidend  ein",  .beschrankte 
den  Willen  der  Untertanen  selbst  in  ihren  persönlichen  Angelegenheiten", 
aber  er  förderte  auch  „den  Geschäftsmann  und  Bürger  -  wo  dessen 
Privatabsichten  sich  mit  den  angenommenen  Staatsmaximen  deckten  - 
bilfrekh'.  Auf  diese  erst  neuerdings  mehr  in  Betracht  gezogene  Seite 
legt  Consentius  besonderes  Gewicht.     Die  Abschnitte,  in  denen  C.  uns 

3r 


J 


in  das  .nach  jeder  Richliing  hin  geregtlte  Leben*  des  Berlinere  zu  B^ 
ginn  der  friderizianischen  Zeit  einführt,  sind  die  folgenden:  fricdncl»- 
stadt  und  Baiispckulation,  Altstadt  und  Vorstädte,  Die  Wohnung,  Dis 
Gesinde,  Vom  Weine,  Brot,  Fleisch  und  Bier.  Die  Mode.  Die  bög^ 
gebenen  Anmcrlningen  enthalten  namentlich  Literaturnachweise. 

Besonders  hübsdie  Zdt-  oder  Sittenbilder  stellen  u.  a.  die  PaitJen: 
•Straßenbild",  -Das  schone  Haus",  -Komfort«,  .Der  l^kai",  -Der  Koch', 
■Der  Torschreiber",  -Materi allsten*,  »Kochbuch",  Das  Gespräch  zw« 
Modedamen  (13off.),  «Tagewerk  dies  Kavaliers",  -Modefarben"  dar. 

Eine  löbliche  äußere  Eigentümlichkeit  des  Buches  sei  zum  Schlu« 
noch  hervorgehoben,  das  nacliahniens<rerle  breite  Format,  das  mir  fär  du 
Lesen  äußerst  angenehm  erscheint. 

Qeorg  Steinhausen- 


■4 


Friedrich  Meinecke.  Wettbürgertum  und  Nationalstaat.  Studien  znr 
QcncsLs  des  deutschen  Nationalstaates.  München  und  Berlin,  Otdenbour^ 
190S  (VI,    49.S  S.J. 

Etwa  hundert  Jalirc  lang,  von  Herder,  SchlÖzer,  Blumenbad)  it>> 
hat  man  mit  den  Begriffen  Rasse,  Volk,  Staat  wie  mit  feststehenden  Kalt 
gorien  operiert.  Dann  brachte  die  Enge  des  Raums  fast  plötzlidi  d*" 
Theoretikern  zum  Bewußtsein,  wie  diese  Ideen  sich  berühren  und  stoß» 
Es  begann  mit  einem  Male  ein  lebhafter  Wetteifer,  den  eigentlichen  Inhalt 
dieser  Worte  zu  erfassen  und  vor  allem  desjenigen,  in  welchem  JoK 
Berührungen  sich  am  merkwürdigsten  offenbarten:  des  Wortes  .NatiflTial' 
Staat".  Meinecke,  der  für  die  reinen  Theoretiker  wenig  Interesse  hat  " 
anders  nur,  wenn  ihre  Lehre  ins  praktische  Leben  eingriff  wie  bei  Biffl* 
de  Maistrc,  Hallcr,  Stahl  -  nennt  von  diesen  Hrgründem  des  NationaKÄ'^ 
b^riffes  nur  Renan;  es  hätte  sich  vielleicht  gelohnt,  wenigstens  im  V(f* 
üt>ergehen  auch  auf  Rud.  v.  Raum  er  (Über  Sprache,  Volk  und  Staat,  lWl: 
Deutsche  Versuche,  Erlangen  1861,  S.  66),  J.  E.  Erdmann  (Das  NatSona- 
litätsprinzip:  Ernste  Spiele,  Berlin  1890,  S.  206;  von  1862),  Heinrich 
Leo  (Nominalistische  Oedankenspäne,  Reden  und  Aufsätze,  Halle  iSMji 
Zelkr  (Über  das  Recht  der  Nationalität,  1870;  Nationalität  und  Hui»- 
nitit.  1S7ä;  Vorträge  und  Abhandlungen  II,  Leipzig  1877,' S.  399  u.*iH 
G.  Rümclin  (Über  den  Begriff  des  Volkes,  1872;  jetzt  wieder  in  d* 
Kanzlerreden,  1  fibingen  19D2,  S.  68)  einzugehen.  Lazarus  hat  in  dt«* 
bekannten  Vortrag  »'esenllich  nur  Renans  voluntaristischen  StandpunW 
eingenommen,  Langbchn  (Rembrandt  als  Erzieher,  S.  27J)  kühn  d** 
Staat  wieder  einfach  zum  lebendigen,  kCnstierischen  Organismus  des  Vo)**" 
Icbens  gemadit.  Aber  Leo  gibt  nicht  bloß  (S.  6<  f.)  eine  intcreBa"" 
Skizze  des  Staatsbegriffs,  sondern  auch  (ebenda,  femer  S.  4S,  58,  IftSw 
eine  realistische  Unterscheidung  der  konkreten  historischen  Gebilde  "'" 
des  abstrakten  Begriffs,  die  sich  wohl  neben  dem  von  M.  gepriesenen  ideiJö' 
Realismus  seines  Antipoden  Ranke  sehen  lassen  kann. 


Aber  allen  Theoretikern  entglitt  der  Begriff;  es  ging  Ihnen  etra 
wie  gleichzeitig  den  Lehrern  der  Metrik,  die  sich  mit  heißem  Bemühen 
bestrebten,  einen  abstrakten  BegHff  des  Verses  festzustellen.  Die  Formen, 
die  der  Volksgeist  sich  zum  Ausdruck  seines  Lebens  wählt,  sind  aber  nur 
aus  diesem  Leben  heraus  zu  veratehcn.  Doch  aber  dauerte  es  wieder  über 
dn  Menschen  alter,  ehe  man  sich  entschloß,  an  jene  Begriffe  historisch 
heranzutreten,  [m  Grunde  liat  das  erst  Eduard  Meyer  gewagt,  der 
dabei  mit  eiserner  Entschlossenheit  die  naive  Anschauung  umdrehte  und 
das  «Volk"  als  Produkt  des  Staates  ansah,  wie  allerdings  aus  der  Doktrin 
heraus  (vgl.  M.  S.  239)  schon  Oerlach  und  die  Schule  Hallers  getan  halten. 

So  haben  sich  in  der  Erforschung  der  Nationalität  die  drei  typischen 
Stufen  Comtes  wiederholt:  auf  die  naiv-mythologtsche  folgt  die  spekulativ- 
philosophische,  der  sich  nun  erst  die  empirisch-historische  anschließt. 

Diese  aber  wird  durch  Mcincckes  glänzendes  Werk  auf  einmal  um 
Riesenschritte  gefördert. 

Meinecke  geht  von  dem  historischen  Problem  des  deutsdicn  National- 
staates aus.  Für  die  Theorie  Ist  ja  das  irreguläre  corpus  et  iantam  non 
moastro  simt'le  des  Deutschen  Reiches  immer  ein  unschätzbar  fnidilbares 
Probierstück  gewesen:  „t/t  autem  hanc  sea  poiestatem  seu  iurisdicihnem 
tot  impiditam  äissensionibus  certo  comtitaamus,  age  nataram  ei'us  dig- 
nanäo  penitias  scruiemur"  (Monzambano  p.  IM,  cap.  XV).  Wie  der  ur- 
sprüngliche Begriff  des  dculschers  Volksstaates  sich  mit  dem  neuen  des 
französischen  Staatsvolkes  auseinanderzusetzen  hatte,  das  bildet  den  eigent- 
lichen Inhalt  dieser  eindringenden  und  geistreichen  Arbeit,  die  in  sicherer 
Anlage  vorschrcitet,  nur  einmal  durch  ein  an  sich  interessantes,  tnerfür 
aber  sekundäres  Problem  (die  Oktroyierung  der  preußischen  Verfassung) 
eine  Zeitlang  aus  dem  V/ege  gelockt. 

Das  Problem  selbst  ist  ja  uralt;  es  ist,  wie  alle  Probleme,  so  alt 
wie  die  Menschheil.  Denn  jedes  Volk  hat  die  Tendenz,  sich  auszudehnen. 
und  jeder  Staat  die,  sich  zusammenzuschließen;  daher  ist  kein  größerer 
Staat  je  ein  reiner  Nationalstaat  gewesen  und  kein  größeres  Volk  in  einen 
Staatsrahraen  gepreßt.  Aber  brennend  wurde  die  Frage  doch  erst  durch 
das  wunderbare  Phänomen  des  neuen  Fridericianischen  Staates.  In  meinem 
Aufsatz  -Der  Kampf  um  den  Einzelnen-  (Deutsche  Charaktere  S.  69f.) 
habe  ich  darzulegen  gesucht,  wie  viel  Rätsel  er  auf  einmal  aufgab.  Es 
war  ein  Staat  von  so  streng  geschlossener  Eigenart,  wie  nur  je  ein 
Nationalstaat;  und  doch  konnte  er  nicht  als  ein  solcher  bezeichnet  werden, 
denn  seine  Bevftlkerung  war  erstens  nicht  einheitlich,  zweitens  der  des 
ganzen  Reiches  im  wesentlichen  gleichartig  und  drittens  erst  in  historischer 
7jt\X,  ja,  unter  den  Augen  der  Mitlcbcnden  zu  einer  Einheit  geformt  worden, 
während  der  nationale  Staat  sich  als  »Liradel"  betrachtet,  der  nie  anders  ^H 

gtrwesen  sei.     (Nebenbei  bemerkt,  muß  für  jene   . mechanische  Staats-  ^H 

formung",  die  M.  S.  1S9,  168  bei  aller  sonstigen  Milde  gegen  die  Praktiker  ^H 

mit  Recht  so  energisch  verurtciU.  die  große  Tatsache  dieses  ..gemachten  ^^ 

L  j 


Staates-  als  entschuldigender  PrSzedenzfall  angeführt  werden.  >)renn 
BrandenbuTig  und  AUpreußen  und  Jülich-Clevc-BoK  und  Schlesien  eins 
werden  kannten,  durften  die  Diplomaten,  die  das  netie  Bayern  zusammen- 
schweißten,  nicht  ganz  mit  Unrecht  Ahnliches  erwarten;  die  Kontunini- 
toren  der  Niedertande  freilich  nicht! 

Hier  also  drängte  sich  vor  das  Auge  des  Betrachtenden  das  fetlv 
hafte  Problem  eines  individuellen  Nationalstaals. 

Ooethe  und  sein  Lehrer  Herder  haben  für  ihn  nichts  übrig.  Sk 
wünsclien  keine  Mittelstufe  zwischen  dem  Individuum  und  der  Qesamtha;; 
oder  vielmehr,  sie  wünschen  sie  nur  so,  daß  sie  bestimmte  Zwischenstufen 
fest  ausprägen  soll.  Für  Qoethe  insbesondere  sind  die  Hellenen  die 
üUrpflanze"  der  Menschheit:  sie  bilden  den  Typus  der  Menschheil  rdn 
aus  und  besitzen  eben  darin  ihre  Eigenheit  Diese  Auffassung  emcufft 
Fidilc  aber  (wie  M.  sehr  schön  zeigt)  in  nationaler  und  zunehmend  auch 
in  realpolitischer  Beleuchtung:  die  Deutschen  sind  für  ihn  auf  dem  Vege, 
die  typische  Nation  zu  werden.  Aber  auch  die  Romantiker  gehen  vßti 
Herder  und  Qoethe  aus,  indem  sie  doch  wesentlich  nur  mit  den  briden 
Begriffen  des  Individuellen  und  des  Universellen  zu  operieren  wissen  - 
sei  es,  daß  sie  die  Nation  als  Individuum  erfassen  lernen,  oder  daß  itc 
sie  als  eine  Erzieherin  zur  Universalitäl  ansehen;  während  dn  tniov 
Schüler  Herders  und  Goethes,  Wilhelm  v.  Humboldt  als  erster  die  Reditt 
von  Individuum,  Staat  und  Menschheit  abzugrenzen  unternimmt,  -  frf* 
lieh  wesentlich  doch,  zumal  vor  der  Katastrophe  von  Jena,  vom  Stuid- 
punkt  des  Einzelnen.  —  Als  den  Mann  aber,  der  den  modernen  Stuts- 
begriff  zuerst  herausarbeitet,  sieht  M.  Adam  Müller  an.  „Alle  diese  fnidil- 
baren  Ideen  Müllers  gipfeln  nun  in  dem  Gedanken,  daß  das  eigentliclic 
Lebensprinzip  der  Staater  die  Nationalität  sei"  (S.  Hl). 

Aber  eine  reine  Scheidung  ist  auch  hiermit  nicht  erreicht  Via- 
mehr  bildet  den  allerwichligslen  Gewinn  des  Buches  gerade  der  (im  l*" 
tonten  Gegensatz  zu  Wohlwill)  geführte  Nachweis,  wie  nationale  und 
universalistische  Gedanken  und  Tendenzen  sich  fortdauernd  kreuzen  (S.  '!"> 
153,183,  223).  Überraschend  weist  M.  bei  Stein,  ja  selbst  bei  Oneiiß«*" 
gel^entlicb  ein  völliges  Versinken  der  Nationalstaatsidec  nach.  Und  d'* 
neu  aufsteigende  Philosophie  der  Restauration  und  Reaktion  hat  volld"** 
durchaus  christlich-universalistischen  Charakter,  was  denn  etwa  bd  Leo- 
pold v.  Oerlachs  Stellung  zur  irischen  Bewegung  (S.  258)  oder  zur  Po!'"* 
frage  (vgl.  Florencourts  interessante  Aufsätze  in  den  Blättern  für  literarisd* 
Unterhaltung  1847}  zu  merkwürdigen  Dilemmas  führt.  Überhaupt  ^ 
das  Schillern  zwischen  christtich-allgemeiner  Doktrin  und  preußisch-"*" 
tionalem  Gefühl  von  Marwitz  (oder  Tliadden)  zu  Gerlach,  Stahl,  Bisourdi 
hin  eine  Reihe  höchst  merkwürdiger  Schattierungen  sidUbar  werden,  ^^ 
M.  mit  .Meisterhand  analysiert.  Es  kommt  noch  eine  an  sich  sdbst  k**" 
mopolitische  Bewegung  hinzu,  auf  die  ich  wiederholt  hinge*' Jesco  iw^' 


die  Abneigung  gegen  die  leer  gewordenen  (oder  leer  Kheincnden)  Ab- 
straktionen, die  den  Gerlach  (oder  Leo  a.  a.  O.)  hilft:  sie  sdielten  auf 
die  Abstraktionen  des  „Volkstums*  gerade  so  heftig  wie  in  Frankreich  der 
liberale  Bastiat  auf  die  des  Staates.  Einen  höchst  prägnanten  Moment 
hätte  icfii  hierbei  gern  erwähnt  gefunden;  den  heftigen  Ankampf  des 
Rationalisten  Schön  gegen  Droysens  nationale  Schlagvortc  (im  Brief- 
wechsel zwischen  Pertz,  Schön  und  Droysen).  Hat  doch  Schön  noch 
eigens  (1849)  seine  Flugschrift  »Staat  oder  Nationalität-  erEassen  (kurz 
vorher  Albert  Schott  ober  -Nationalität  und  Sprache',  mir  unbekannt). 
Hier  ist  der  Punkt  des  Weclisels:  Schön  hat  noch  die  Auffassung,  die 
Qerlach  wieder  hat,  und  die  dann  wiederum  Treitschke  in  setner  Rezension 
von  Riehl  gegen  diesen  Romantiker  des  Volkstums  verficht. 

Hegel,  Ranke,  Bismarck  sind  es  dann  nach  M.  (S.  274f.),  die  den 
neuen  Staatsgedanken  klar  und  bestimmt  auf  seine  historisch-empirische 
Basis  stellen  —  eine  Drcihcit,  deren  Nennung  den  verstorbenen  Ncrrlich 
mit  Jubel  erföltt  hStte,  der  besonders  die  Zusammenstellung  von  Hegel 
und  Bismarck  nicht  müde  ward  zu  wiederholen.  Sie  erat  erkennen  näm- 
lich den  Entwicklungsgedanken  im  Wesen  der  Nationalität  oder,  wie  M. 
sich  gern  ausdrückt,  die  Pleonexie  als  Wesen  des  Staats.  Mir  scheint  so- 
gar, daß  M.  hier  zu  weit  geht  in  seiner  doch  auch  wieder  dofctrinSrcn 
.Auffassung.  Die  Meinung,  daß  das  Wesen  des  Staates  der  Wille  sei  - 
die  Grundlage  von.  »Treitschkes  -Politik*  -  oder,  mit  Nietzsche  gesprochen, 
der  i.Wi!le  zur  Macht",  bringt  noch  nicht  notwendig  das  Verlangen  un- 
begrenzter Ausdehnung  mit  sich.  Vielmehr  gibt  es  doch  Zustände,  in 
denen  ein  Staat,  um  Bismarcks  eigenes  Wort  zu  gebrauchen,  «saturiert" 
ist.  Femer  läßt  Dillheys  Axiom,  daß  die  innere  Politik  lediglich  eine 
Funktion  der  äußeren  sei,  sich  doch  auch  (wie  jeder  gute  philosophische 
Satz)  umketiren:  es  gibt  Zeiten,  wo  die  Ausbildung  des  Staates  nach  innen 
so  notwendig  ist,  daß  er  nach  außen  ruhen  muß,  wie  denn  M.s  schöne 
SchEußausfühningen  einen  solchen  Zustand  für  unser  heutiges  Deutschland 
darstellen.  Der  unbegrenzte  Staatsegoismus  scheint  mir  ein  Götze,  dem 
Hegel  und  Treitschke  Altäre  errichteten,  gegen  den  aber  die  zunehmende 
moralische  Empfindung  der  Neueren  sich  wieder  zu  sträuben  scheint  - 
womit  eben  wieder  ein  gewisses  Anwachsen  universalistischer  Tendenzen 
Hand  in  Hand  geht:  nennen  wir  sie  humane  oder  auch  christlidie 
oder  etiropäische. 

Das  zweite  Buch  ist  mehr  politische  Geschichte,  während  das  erste 
mehr  Entwicklungsgeschichte  der  Theorien  war.  Es  schildert  höchst  an- 
schaulich, wie  der  theoretisch  noch  immer  nicht  voll  anerkannte  preußische 
Nationalstaat  sich  durchsetzt  gegen  alle  krausen  Gedanken,  ihn  durch 
Auflösung  .in  Deutschland  aufgehen  zu  lassen'  (S.  i^$,  Anra.  u.  o.). 
Übrigens  wird  der  Verf.,  der  gegen  die  Politik  Friedrich  Wilhelms  IV. 
^.264)  mit  äuIJcrstcr  Milde  das  «nicht  schelten,  sondern  begreifen"  vor- 


kehrt,  den  »Frankfurter  Herren«  (S.  377)  hiertjd  keineswegs  gerecht,  wie 
denn  auch  der  Verdicht  uttramonUner  Umtriebe  bei  den  V'erfas5ung>>, 
kämpfen  {S.  4061.)  kaum  K^Ügend  substantiiert  ist.  Aber  die  Tatsach 
selbst  werden  glänzend  vorgeführt,  die  allgemeineren  Wandlungen 
Anschauung  <S.  265)  so  gut  wie  die  Einzelheiten  des  Kampfes 
Frankfurt  und  Berlin  (S.  i54)  und  die  schließlich  fast  Gbeiraschend 
fache  Lösung  des  scheinbar  unlösbaren  Emblems  der  doppelten  Votki^ 
Vertretung  durch  die  Einrichtung  des  Bundesrates.  Sollte  sie  übrigens  v> 
ausschließlich  auf  Bismarcks  Rechnung  zu  setzen  sein?  .Begraben  ist  in 
ewige  Nacht  der  Erfinder  großer  Name  z\\  oft." 

Überhaupt  bringt  die  straffe  Konzentration  auf  das  Thema  —  von 
jener  Oktroyierungsepisode  abge^hen  -  natürlich  Beschränkungen  mit 
sich.  M.  bemerkt  selbst,  daß  der  Einfluß  der  französischen  Romantiker 
genauer  studiert  werden  müßte.  Sie  sind  einen  Augenblick  lang  Ji 
Deutschland  etwa  in  dem  gleichen  Maß  Lieblingsschriftsteller  gewesen 
vor  einigen  Jahren  iMaeterlinck;  nicht  nur  Asmus^laudius  hat  „Da 
et  de  ia  virüi"  übersetzt  -  sogar  Rahel  hat  sich  mit  St  Martin  antei 
voll  beschäftigt.  Sismondi  hat  auf  Ranke  Eintlnß  geübt  Wie  aber  dur 
weg  Ideologie  und  Erfolg  (vgl.  S.  471)  sich  durchwirkten,  so  hat  natürüdl 
auch  der  Oeschichtsverlauf  in  Europa  auf  die  deutschen  Doktrinäre  ein- 
gewirkt. Der  Begriff  der  L^itimilät,  den  Savign>-s  Jurisprudeni  d 
Wiener  Kongreß  lieferte,  erhielt  durch  die  spanischen  Legitimitltsvi 
dncn  neuen  Anstoß:  Fürst  Felix  Lichnowsky  seihst  und  Kürst  Friedrich 
Schwarzenberg  aus  dem  Hause  des  Ministers  haben  die  Waffen  und  die 
Feder  für  diesen  Begriff  geführt  Die  englische  ReformbewQgung  bringt 
den  deutschen  Reformern  neuen  Anstoß,  und  so  trägt  jede  Erschütterung 
der  politischer  Lage  dazu  bei,  den  sdsntologischen  Apparat  zu  erschüttern, 
der  in  DcutscE]I:]ind  die  Umwälzung  von  dem  konservativ-bundestaglichen 
zu  dem  liberal-bundesrätlichen  Reidi  ankündigt.  ~  Es  ist  femer  nienundem 
besser  als  dem  Verf.  bekannt,  wie  jene  Gegensätze,  die  er  behandelt,  sidi 
mit  anderen  berühren,  so  dem  der  individualistischen  und  kollektivistischen 
Weltanschauung;  und  wie  aus  diesen  seil  Rousseau  brennenden  Problemen 
sicli  fast  eine  Abneigung  gegen  den  kosmopolitischen  Staatskollektivismus 
bildete:  .Unter  uns  stehen  seit  einiger  Zeit  die  Weltbürger  nicht  in  dem 
besten  Geruch",  sagt  l7Sä  ein  Übersetzer  von  Goldonis  Denkwürdigkeiten 
{1,  383,  Anm.}.  Die  französische  Revolutionspropaganda  hat  ja  überhaupt 
vielfach  auch  eine  spezifisch  nationale  Reaktion  hervorgerufen. 

So  lißt  Meineckes  Werk,  gerade  weil  es  so  tief  angelegt  ist.  vieles 
noch  anklingen,  was  der  Verf.  selbst  mit  Recht  nicht  berßhrt  hat  In 
dieser  Energie  der  Konzentration  bei  ausgedehntester  Kenntnis  liegt  ein 
Hauptreiz  des  Buches,  auch  in  stilistischer  Hinsicht  Die  Wechselwirkungen 
von  Theorie  und  Praxis,  allgemeiner  Stimmimg  und  individuellem  Wollen. 
Tendenzen  entgegengesetzter  Art  sind  roch  kaum  je  so  meisterlich  zum 
Vortrag  gebracht    worden.     Dem   entspricht    In  dem  Ton   des   W 


""-, 

^ 


Besprechimgrn. 


c3Je  Mischling  von  reiner  Wissenschaftlichkeit  mit  warmem  patriotischen 
<jcfühl,  die  sich  bei  der  Nennung  Rankes  und  Bismarcks  zu  einem  ge- 
lieimen  Schwung  stdfjcrt,  fast  als  beglückte  den  Verf.  die  Not,  die  soldic 
Retler  er2eugte:  „0  felix  pectatam,  quod  taiem  tuUt  näemptoremi" 

Richard  M.  Meyer. 

Wilhelm  Martin  Becker,  Das  erete  halbe  Jahrhundert  der  hessen- 
darm5läUti»:ht:n  Landesuniversitäl.  Gießen,  Alfr.  Töpelmann,  1907  (VIII, 
364  &). 

Bcitrige  zur  Geschichte  der  Univereitälen  Mainz  und  Gießen. 
Hng.  im  Auftrage  des  Historischen  Vereins  für  das  Qroßhcrzopum 
Hessen  von  Julius  Reinhard  Dieterich  und  Karl  Bader.  Gießen. 
E.  Roth  t.  Komm-,  iqo7  (VIII,  S32  S.) 

Das  Werk  Beckers  ist  als  Sonderabdruck  aus  der  von  der  Univei^ 
sität  Gießen  .zur  dritten  Jahrhundertfeier-  herausgegebenen  FestschriFt 
erschienen :  es  läßt  den  Wunsch  aufkommen,  daß  von  diesem  Autor  einmal 
eine  vollständige  Geschichte  der  Universität  Gießen  geschrieben  werden 
möge.  Hier  handelt  es  sich  um  «die  Entstehung  und  die  Sturm-  und 
Drangperiode-  der  Universität,  die  mit  der  Entwicklung  der  Rivalität 
der  beiden  Hessenlande  (Kassel  und  Darmstadl)  und  mit  ihrem  kirchlich- 
konfessionellen  Aus-  und  Voneinander  eng  zusammenhängen.  Wenn 
also  die  Darstellung  über  das  Gebiet  der  inneren  Universitatsgeschichte 
hinausführen  mußte,  so  sind  weiter  jene  politischen  und  konfessionellen 
Veriiältnisse  mit  dem  Schicksal  und  der  Entwicklung  der  Universität  all- 
zusehr verknüpft,  als  daß  es  mit  einer  kurzen  Abhandlung  dieser  Dinge 
hitle  getan  sein  können.  Immerhin  hätte  hier  vielleicht  doch  zum  Teil 
eine  Beschränkung  eintreten  dürfen. 

Um  sich  von  Marburg  zu  emanzipieren,  ward  die  gar  nicht  weit 
von  ihm  gelegene  Universität  Gießen  gegrändet,  aber  sie  halte  in  diesen 
ersten  50  Jahren  »eine  sprunghafte,  von  Schwierigkeiten  aller  Art  ange- 
ffillte  Entwicklung"  durchzumachen,  und  «erst  seit  1650  kann  man  von 
dneni  normalen  Veriauf  der  Universilätsgeschichte  Gießens  reden".  Schon 
die  Überschriften  der  Abschnitte,  in  die  Becker  seinen  Stoff  teilt,  illustrieren 
den  Wandel:  die  Entstehung:  der  Universität  Q,;  die  Universität  O.  bis 
zu  ihrer  Suspension  im  Jahre  1624;  die  Aufhebung  der  Universität  Q. 
und  die  Neuordnung  der  Universität  Marburg;  die  Universität  Marburg  in 
der  Zeit  ihrer  Verwaltung  durch  die  Darmstüdter  Linie  (1W4  1649);  die 
Universität  Marbui^  im  Hessenkrieg  und  die  Wiedereröffnung  der  Landcs- 
universität  zu  Gießen  (1ö4S-16SO).  Von  kuUurgeschichttidiem  Interesse 
sind  im  wesentlichen  der  2.  und  4.  Abschnitt,  die  uns  die  innere  Ge- 
schichte der  Universität,  .ihre  Bestrebungen^  ihre  Organisation,  das  Treiben 
der  Lehrenden  und  Lernenden,  Arbeil  und  Feste,  Frieden  und  Unfrieden 
Innerhatb  des  gelehrten  Gemeinwesens"  vorführen.  Die  »ersten  neunzehn 
Jahre  bilden  dne  der  rühmlichsten  Zdten  in  der  älteren  Geschichte  der 


k 


490 


Besprecbungen. 


HodMcfanIr.  Oeatfthlt  im  Kimpfe  mit  der  nichbarlichcn 
MaurHiuia,  in  steter  Fühluns:  mit  den  g^oBen  sächsischen  Univenil 
und  mit  Tübingen,  hat  sich  Gießen  rssch  dnen  geachteten  Namen  unl 
den  deutschen  hoben  Schulen  und  weit  über  Deutschlands  On 
namentlich  in  den  nordischen  Landen  emorben'.  Die  Schattensdl 
waren  die  in  Oteßen  blühende  StrciUuchi  namentlich  der  Theologen 
die  Disziplinlougkdt  der  Studenten.  SittengeschichUidb  ist  in  di< 
Tic  in  dem  vierten  Ab&chnitt,  der  die  Marburger  Zeit  (1624  —  1649)  be- 
handelt, raancbertei  ausdeni  PrivalLeben  der  Professoren  und  dem  Studcnten- 
leben  von  Interesse.  Hier  väre  manchmal  eine  größere  Ausführlichkeit 
erwünscht  gewesen.  (Vgl.  Indessen  Becker  S.  2S9,  Anm.  288  und  hier 
S.  491.)  Das  Ganze  beruht  auf  ausgoichn testen  Quellenstudien,  die 
steh  vor  allem  auf  ein  teilweise  zum  erstenmal  benutztes  rödies 
archivalisches  Material  stützen.  Der  Fleiß  und  die  Sorgfalt  des  Verfassen 
verdienen  große  Anerkennung,  ebenso  aber  das  Geschick  der  Verarbeitung 
und  die  Klarheit  der  Darstellung. 

Aus  dem  gleichen  Anlaß  wie  die  Festschrift  mit  Beckers  und  anderer 
Arbeilen  ist  die  Sammelschrift  des  Historischen  Vereins  für  das  Groß- 
herzoglum  Hessen,  die  zugleich  als  5.  Band  der  neuen  Folge  des  Archivs 
für  hessische  Geschichte  ausgegeben  wurde,  erschienen.  Als  Beiträge  zur 
Geschichte  der  Universität  Mainz  enthält  sie  die  Arbeiten  von  Gust.  Bauch. 
Aus  der  Geschichte  des  Mainzer  Humanismus;  Franz  Falk:  Jakob  Weider, 
der  erste  Rektor  der  Mainzer  Hochschule  (H7S-1483);  Fritz  Herrmann; 
Die  Mainzer  Bursen  .Zum  Algesheimer"  und  »Zum  Schenkenberg-  und 
ihre  Statuten;  Heinrich  Scbrohe:  Die  Wiederbesetzung  erledigter  Pro- 
fessuren; Wilh.  Stieda:  Wie  man  im  18.  Jahrhundert  an  der  Universiät 
Mainz  für  die  Ausbildung  von  Professoren  der  Kamcralwissenschaft  sorgte. 
Zur  Geschichte  der  Stadt  und  Universität  Gießen  tragen  bei  die  Ab- 
bandlungeti  von  Gustav  Freiherr  Schenk  zu  Schweinsberg :  All-Gießen; 
Wilh.  Diehl :  Neue  Beiträge  zur  Geschichte  von  Johann  Balthasar  Schuppius 
in  der  zweiten  Periode  seiner  Marburger  Professorentätigkeil  (1639  -  1646); 
Martin  Becker:  Zur  Geschichte  des  Pcnnalismus  in  Marburg  und  Oteßen; 
Ludwig  VoHz:  Zwei  Hesscn-Honiburgische  Prinzen  aEs  Gießener  Studenten 
(1?22  — 1723);  Kari  Bader:  ,Von  tödlichem  Ableben  und  solenner  Be- 
erdigung Rectoris  Magnifici";  Erwin  Preuschen:  Symbola,  aus  alten 
Gießener  Stammbüchern;  Karl  Esselbom:  Karl  Ludwig  Wilhelm  von 
Groiman  in  Gießen ;  Julius  Reinhard  Dieterich :  tun  Gießencr  Professor 
als  hessischer  Staatsminister. 

An  dieser  Stelle  sei  zunächst  auf  den  umfangreichsten  Beitrag 
hingewiesen,  den  des  um  die  Geschichte  des  Humanismus  überhaupt 
sehr  verdienten  Professors  Bauch,  der  sein  Hauptgebiet  auch  durch  die 
vieles  Neue  bietende  Betrachtung  des  humanistischen  Spezialgebietes  von 
Mainz,  das  übrigens  in  humanistischen  Studien  in  Deutschtand  etnea 
Vorspning  hatte,  fördern  moditc.  —  Den  Sieg  des  Humanismus  mit  er- 


*~ingen  half  die  von  Paris  ausgehende  und  seit  et»a  1450  in  die  südwest- 
ct putschen  Universitäten  eindringende  skotistiäch-reatislische  Reaktion  der 
^^a  antiqtia  gegen  den  als  via  moderna  herrschenden  Okkami^mus.    Wie 
in  Tübingen    und  Ingolstadt   wurde  auch   in  Mainz  gleich  bei  der  Uni- 
■\^ersitätsgriind\mg   diese  via   antiqiia   zugelassen.    Man  hat  auch  hier  die 
Studenten  je  nach  ihrer  Richtung  in  verschiedenen  Burscn  untergebracht; 
ds  sind  die  beiden  Bursen,  mit  denen  sich  der  Beitrag  Herrmanns  be- 
&<:häfligl  und  deren  in  ihrer  Ausführlichkeit  einzig  dastehende  Statuten, 
<üe  zugleich  „eine  vorzßgHche  Quelle  für  die  Kenntnis  des  studentischen 
l—ebens  zu  Beginn   der  Neuzeit"  sind,  er  abdruckt.  -   Kultur-  und  sitten- 
geschichtlichen  Charakters  im  engeren  Sinne  und  deshalb  an  dieser  Stelle 
l3csonders  zu   erwähnen  sind   die   Beicräge   von   Becker,   Vottz,    Bader 
land  Preuschen  sowie  zwei  Beilagen  zum  Aufsatz  Schenks  zu  Schweinsberg 
<Ordnung  der  Trinkstube  der  Bu^gmannen   zu  Gießen,   1338,  Aug.  1, 
lind  Verzeichnis  des  1435  abgeliefcrlcn  Inventars  und  Vorrats  in  der  Burg 
^u  Gießen).    Beckers  Arbeit  fiber  den  Pennahsmus  stfitzt  sich  wieder 
auf  meist  ungedrucktes  Material:  er  weist  mit  Recht  darauf  hin,  daß  bei 
aller  Gleichheit  im  großen  und  ganzen  die  einzelnen  Hochschulen  indi- 
"\riduelie  Züge  tragen.    So  treten  in  seiner  Arbeit  über  das  Pennalwesen 
» Einzelzöge  stärker  hervor,  die   man  bisher  im  Bild  des  Ganzen  wenig 
tieaditete.  wie  ja  überhaupt  die  Erforschung  dieser  absonderlichen  Kultur- 
Erscheinung  noch  an  vielen  Punkten  zu  wünschen  übrig  läßt«.   Der  Bei- 
trag  von  Voltz  beruht  auf  Briefen   und  Rechnungen  aus  dem   Darm- 
Ätädter  Archiv  und  bringt  viele  interessante  Einzelheiten  zur  Bildungs-  und 
Sittengeschichte  des  frfihen  achtzehnten  Jahrhunderts.    Besonders  gelungen 
erscheint  mir  die  Arbeit  Preuschens  über  die  Stammbticheintragc  und 
%war  deshalb,  weil  er  uns  nicht  das  gew6hnliche  Nebeneinander  einzelner 
Hintrage  gibt,  sondern  dieselben  zur  Illustration  des  Wandels  des  Geistes 
der  Zeit,  des  Urteils  und  des  Geschmacks  benutzt  und  die  dafür  cha- 
rakteristischen Einträge  aus  dem  Material  anführt,  resp.  allgemeine  Zöge 
3US  dem  Gesamtmaterial  gewinnt   (Häufigkeit,   später  Seltenheit  der  reli- 
^ösen  Einträge,  Prunken  mit  Gelehrsamkeit,  Schlagworte  der  Aufklärung 
tuv.).    Im  übrigen  dürfen  auch  die  hier   nicht   näher  genannten   Bei- 
träge Anspruch  auf  Anerkennung  erheben,  und  so  verdient  der  heraus- 
gebende Historische  Verein  für  diese  Gabe  utiseren  Dank. 

Georg  Steinhausen. 


Ahs  der  Geschieht«  der  Universität  Qreifswild.  Festschrift  zum 
450  jährigen  Jubiläum  der  Universität  Greifswald,  dargebracht  von  der 
Gesellschaft  für  Pommersche  Geschichte  und  Altertumskunde.  Stettin, 
Druck  von  Herrcke  &  Lebeling,  IW6  (103  S.) 

Die  voriiegende  Festschrift  trägt  in  erster  Linie  kutturgeschicfal- 
lichen  Charakter.    Der  erste,  von  Martin  Wehrmann  herrührende  Bei- 


trag;  Die  Söhne  des  Herzogs 
aiUt  zu  Greifsv-ald   bringt   nichts 

Leben  oder  den  Untenichtsbetrieb-  in  Qreifsvald,  aber,  abgesehen  von 
der  an  dieser  Stelle  nicht  in  Betracht  kommenden  Aufdeckung  engerer 
persönlicher  Beziehungen  der  poraracrschen  Füreten  des  Reformations- 
zcitaltcrs  zu  der  Univereitäl,  itileresslerl  uns  vor  allem  das  von  Vt'chrmann 
beigebrachte  sittengeschichlUche  Material,  so  ein  für  die  Ixbenshaltung 
bezeichnendes  Gutachten  (« ungefährliches  Bedenken,  welcher  Gestalt  m.  gn. 
junge  Herrn  zum  Gripswalde  möchten  unterhalten  werden"),  so  die  den 
sonst  bekannten  Fraiienbriefen  der  Zeit  durchaus  entsprechenden  an* 
ziehenden  fünf  Briefe  der  Herzogin  Maria  an  den  Prinzen  Johann 
Friedrich  von  t558  und  1SS9  sowie  eine  Verteidigungsepistel  des  Prinzen 
selbst  u.  a.  Audi  die  Mitteilungen  über  den  ganz  nach  der  Weise  der  latddH 
nischen  Schulen  jener  Zeit  gestalteten  Unterricht  der  Prinzen  seien  her-" 
vorgehoben.  —  Kulturgeschichtlichen  Wert  hat  auch  der  an  zweiter  Stelle 
stehende  Beitrag  Otto  Heinemanns:  Studentische  Verbindungen  In 
Greifswald  bis  zur  Mitte  des  19.  Jahrhunderts.  Die  Studie  darf  in 
Parallele  zu  der  in  unserem  Archiv  {Bd.  III)  erschienenen  Abhandlungs- 
rcihe  von  A.  Hofmeister:  Kostocker  Studentenleben  vom  IS.  bis  ins 
19.  Jahrhundert  gestellt  werden,  die  auch  von  Heinemann,  freilich  meist  um 
eine  abweichende  Entwicklung  in  Qr.  festzustellen,  mehrfach  herangezogen 
vird.  Von  allgemeinerem  Interesse  sind  zunädist  die  Ausführungen 
Heinemanns  über  das  Auftreten  und  die  Entwicklung  der  Ocposition  und 
des  Pennalismiis  in  Orcifswald,  der  Hauptwert  der  Arbeit  liegt  aber 
in  den  Ausführungen  über  die  »deutsche  GcscUschaft*,  die  man  früher 
f(ir  eine  gelehrte  Gesellschaft  ansah,  die  sich  jedoch  nach  dem  h'und  ihrer 
Salzungen  als  eine  studentische  Verbindung  herausstellt.  Die  Betrachtung 
dieser  Satzungen  (S.  60  ff.)  verbindet  Heinemann  mit  der  Darstellung  der 
wegen  der  fast  1 70  jährigen  Zugehörigkeit  Oreifswalds  zu  Schweden  «ganz 
eigenartigen  Entwicklung  der  studentischen  Vereinigungen  und  Ver- 
bindungen Greifswalds'.  Nach  167S  verliert  sich  fast  jede  Spur  von 
studcntisdicn  Verbindungen  in  Orcifswald,  dessen  Universität  ja  auch  zu- 
letzt ganz  darniederlag.  Erst  zu  Beginn  des  w.  Jahrhunderts  gestaltet  sich 
das  Verbindungswesen  dem  der  übrigen  deutschen  Universitäten  ent- 
sprechend, worauf  H.  in  einem  Schlußabschnitt  näher  eingeht.  —  Eine  Er- 
gänzung dazu  bietet  der  dritte  Beitrag  zur  Festschrift,  der  von  Edm. 
Lange:  Der  Konflikt  der  .Allgemeinheit"  und  der  Landsmannschaft 
Pomerania  in  Greifswald  im  Sommerhalbjahr  1S2I.  Der  Hauptteil  be- 
steht in  der  Wirdergabe  der  lateinischen  Aufzeichnungen  des  damaligen 
Rektors  Kannegiesser  im  Matrikelbiich  der  Universität,  die  L  rail  An- 
merkungen versieht.  irDer  Einblick  in  das  studentische  Leben  Oreifswalds 
in  jener  Zeit,  den  man  aus  den  Aktenstücken  gewinnt,  ist  recht  wenig 
erfreulich.*  Qeorg  Stetnhausen. 


Besprechungen. 


A.  Matthias,  Gföchichte  des  deutschen  Unterrichts.  (Handbuch  d«s 

■«3  eutschen  Unltrriclits  an  höheren  Schulen  herausgegeben  von  Adolf  Matthias. 
^:rster  Band.    Erster  Teil.)    .München  1907,  C.  H.  Beck.    (Vttl.  446  S.). 

Vorliegendes  Buch  muß  überall  mit  Freude  begrfiHt  werden.   Oibt 

^^  doch  kaum  ein  Gebiet  in  der  Kultur  der  Gegenwart,  dem  heutzutage 

^^in  weitgehenderes  Interesse  aus  allen  gebildeten  Kreisen  zugewendet  wird, 

j»Is  das  des  deutschen  Unlerrichts,    D.i8  er  dazu  auserschen  ist,  auch  im 

Inöhercn  Schulwesen  des  deutschen  Volks  die  entscheidende  Stelle  einzu- 

■ndiraen,  unterliegt  für  der,  der  die  Entwicklung  im  Unterrichlswesen  der 

>«tztcn  Jahrzehnte  verfolgt  hat,  keinem  Zweifel.    Nur  gibt  es  immer  noch 

Ynanche  Vorurteile  zu   beseitigen    und   Hindemisse  zu   übersenden,   bis 

<3icsc  längst  als  notwendig  erachtete  Zielforderung  der  zentralen  Stellung 

cdes  Deutschen  auch  in  der  Praxis  tatsächlich  überall  erfüllt  ist.    Dies  Ziel 

•xrird   durch  das  neue  Werk  des  Verfassers  der  trefflichen   .Prakttsclien 

F'ädagogik"  wesentlich  näher  gerückt.   Indem  er,  ein  gründlicher  Kenner, 

ciie  Vc^gang^^nheit  des  deutschen  Unterrichts  aufmerksam  durchwandert, 

■x;ersticht  er  zugleich  die  Probleme  für  die  Zukunft  aufzurollen  und  zu 

ihrer  LÄsung  anzuregen. 

Mit  Entschiedenheit  betont  Matthias  den  kulturhistorischen  Wert 
«iner  Entwicklungsgeschichte  des  deutschen  Unterrichts.  -Kein  anderer 
TJnterricht",  so  heißt  es,  »gevt-ährt  so  sehr  einen  Einblick  in  den  Geist 
der  Zeit,  weil  eben  das  Gebiet  dieses  Unterrichts  und  seine  Grenzgebiete 
so  umfassend  und  mannigfach  gestaltet  sind."  {S.  4.)  Der  Verfasser  will 
in  seiner  Betrachtung  „bei  den  Vorfahren  in  die  Schule  gehen,  um  alte 
■\feisheit  an  den  Quellen  zu  schöpfen  und  aus  ihnen  neue  Weisheit  zu 
stärken  und  zu  mehren."  (S.  I,)  Daraus  ergibt  es  sich  von  selbst,  daß 
■wir  CS  hier  nicht  mit  rein  historischer  oder  chronologischer  Darstellung 
zu  tun  haben,  sondern  daß  die  Betrachtung  eine  -belehrende  Richttmg* 
laekommen  und  ein  mehr  „methodlscli  wirksames  Gepräge  angenommen 
liat"  Der  Verfasser  will  die  Geschichte  als  eine  -.Ratgeberin"  oder 
«Lehrmeisterin"  in  Anspnich  nehmen. 

Daß  ein  in  diesem  Sinne  unternommenes  Werk  nicht  den  strengsten 
Anfordenmgen  der  die  Dinge  als  Selbstzweck  betrachtenden  reinen  Wissen- 
schaft genügen  kann  und  will,  liegt  auf  der  Hand.  Aus  diesem  Buch 
spricht  in  erster  Linie  der  warme  Freund  des  deutschen  Unterrichts,  der 
seine  Entwicklung  mit  reger  persönlicher  Teilnahme  verfolgt  und  jeden 
Fortschritt  mit  unverhohlener  Freude  verzeichneL  An  die  Stelle  kühler 
Objektivität  tritt  daher  vielfach  die  Subjektivität,  wenn  es  sich  für  den  Ver- 
fasser darum  handelt,  eine  seinen  Zwecken  entsprechende  Auswahl  des  Stoffs 
zu  treffen  und  Schlußfolgerungen  nach  höheren  Gesichtspunkten  im  Hin- 
blick auf  die  Gegenwart  zu  ziehen.  Vieles  in  dem  Werk  trägt  demnach 
dnen  „persönlichen  Charakter",  und  so  manche  Darlegung  ist  nicht  frei 
von  ^subjektiver  Färbung",  die  der  Verfasser  in  seiner  schlichten  und 
bescheidenen  Einleitung  gern  zugesteht 


Auch  auf  eine  gewiss  .Lückenhaftigkeit-  des  Buchs  möchte  der 
Verfasser  gern  selbst  von  vornherein  aufmerksam  machen.  Er  «eist 
auf  die  Unzulänghchkeit  der  geschriebenen  und  gedruckten  Quellen  auf 
diesem  Gebiet  hin,  auf  dem  das  Tüchtijj^tc  häufig  von  bedeutenden 
Lehrern  geleistet  worden  sd,  die  durch  das  gesprochene  und  nicht  über- 
lieferte Wort  gcv-allig  in  dem  Kreis  ihrer  Tätigkeit  gewirkt  haben.  Es 
fehlen  dem  Verfasser  vielfach  die  nötigen  Vorarbeiten,  und  mit  gewissem 
Widerstreben  geht  er  daran,  das  .ganze  Große-  zu  schildern,  ehe  die 
„kleinen  und  kleinsten  geschichtlichen  Voraussetzungen  und  füinzel Vorgänge" 
klar  gel^t  sind.  Diese  noch  fehlende  Kleinarbeit  hofft  er  aber  gerade 
durch  die  Darstellung  des  Großen,  so  unvollkommen  es  auch  sein  mag, 
anzuregen,  und  es  läßt  sich  mit  einiger  Sicherheit  voraussagen,  d, 
diese  Anregungen  auf  fruchtbaren  Boden  fallen  vterdcn. 

Besondere  Schwierigkeiten  ergaben  sich  aus  der  Mannigfaltigkei 
und  Fülle  des  Stoffs  für  die  Anordnung.  Indessen  hat  sidi  der  Verfasser 
sehr  geschickt  mit  dieser  seiner  Aufgabe  abgefunden.  Man  xrird  es  ihm 
Dank  wissen,  daß  er  sich  an  eine  dnfachc  chronologische  Anordnung 
nach  Jahrhunderten  gehalten  und  nicht  versucht  hat,  seinen  Stoff  unter 
■schematisch  zusammenfassende  Überschriften*  oder  unter  ■allgemeine 
Hauptideen-  unterzuordnen.  Von  dem  Suchen  nach  SchUgwörtern  für 
einzelne  Kulturperioden,  das  er  manchen  neueren  Kulturhistorikem  nicht 
mit  Unrecht  zum  Vorwurf  macht,  hält  «r  sich  frei  und  stärkt  somit  das 
Vertrauen  in  die  Sachlichkeit  seines  Buchs.  Ebenso  beifilh'g  wird  es 
aufgenommen  werden,  daß  der  Verfasser  die  einzelnen  Gebiete  des 
deutschen  Unterrichts  getrennt  behandelt  und  somit  für  jedes  eine  ein- 
gehende und  übersichtliche  Sondergeschichte  geschrieben  hat. 

Was  nun  die  Behandlung  der  Geschichte  des  deutschen  Untem'dits 
in  den  einzelnen  Jahrhunderten  betrifft,  so  werden  die  dem  Mittelalter 
und  16.  Jahrhundert  geltenden  Ausführungen  am  meisten  der  ergänzenden 
Einzelarbeit  anderer  Forscher  bedürfen.  Hier  fehlt  es  dem  Verfasser 
mehrfach  an  dem  nötigen  Material,  wenn  er  den  deutschen  Unterricht  in 
seinen  ersten  Anfängen  und  Wandlungen  zu  schildern  bestrebt  ist.  Die 
daraus  entspringende  gelegentliche  Unsicherheit  in  der  Behandlung  der 
Siteren  Periode  veriiert  sich  indessen  mehr  und  mehr  bei  der  Darstellung 
der  neueren  Zeit.  Für  das  17.  und  18.  Jahrhundert  zeigt  der  Verfasser  be- 
reits volle  Beherrschung  des  Stoffs  und  bietet  eine  Reihe  wertvoller  und 
gründlicher  Betrachtungen.  Je  mehr  er  sich  dann  der  Gegenwart  nähert, 
um  so  eindrucksvoller  und  ergebnisreicher  wird  die  Behandlung.  Die 
Ausfühnmgen,  die  sich  auf  das  19.  Jahrhundert  beziehen,  und  besonders 
die  Würdigung  der  zeitgenössischen  Arbeiten  auf  dem  Gebiet  des  deut- 
schen Unterrichts  bilden  den  Glanzpunkt  des  Buchs. 

Die  Darstellungs weise  ist  stets  reizvoll  und  nirgends  trocken,  sondern 
vielfach  durcli  treffende,  auch  humorvolle  Bemerkungen  gewürzt,  wie  es 
ein   mit  anderen  Schriften  desselben   Verfassers   vertrauter  Leser 


eit^ 


^*»ders  erwarten  wird.  Nicht  unerwähnt  mögen  die  reichlichen  und  cin- 
^f'Chenden  Literaturan^ben  bleiben,  die  jedem  einzelnen  Abschnitt  bei- 
-K^^geben  sind  und  eine  weitere  Vertiefung  in  den  Stoff  wesentlich  erleichtern. 

So  wird  dies  wertvolle  Buch  nach  zwei  Seiten  hin  reiche  Pröchte 
^t^gen:  es  wird  eine  Schar  junger  Arbeiter  auf  den  Plan  führen,  die  an 
<iie  Erforschung  noch  zahlreicher  schwebender  Einzrifragen  gehen  werden; 
'Und  viele  Lehrer  des  Deutschen  werden  sich  mit  liefcrem  Verständnis  und 
frischer  Tatkraft  der  weiteren  praktischen  Ausgestaltung  des  deutschen 
VJntcrrichls  widmen.  Kurt  Levinsteln. 


Eugen  DGhren,  Neue  Forschungen  über  den  Marquis  de  Sade  imd 
seine  Zeit.  Mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Sexualphilosophie  de 
Sades  auf  Orund  des  neu  entdeckten  Original-Manuskripts  seines  Haupt* 
Np-erkes  »Die  120  Tage  von  Sodom."  Berlin,  Max  Harrwitz,  190^ 
(XXXII  u.  4S8  S.) 

Das  vorliegende  Werk  beruht  zum  großen  Tcit  auf  ganz  neu 
erschlossenen  Quellen.  Es  erwettert  und  ergänzt  nicht  nur  die  Er- 
gebnisse der  ersten  Arbeit  DDhrens  (Berlin  1901),  der  inzwischen  zahlreiche, 
besonders  französische  Abhandlungen  gefolgt  sind,  sondern  bringt  auch 
so  viel  unera-artetes  Tatsachenmaterial  ans  Lichtp  daß  das  Bild  des  .divin 
Marquis-  ein  völlig  neues  geworden  ist. 

Der  erste  selbständige  Abschnitt  {S.  1-272)  wrsucht  auf  breiter 
Qruiidlage  und  unter  kritischer  Würdigung  der  neuen  archivalischcn 
Ergebnisse  eine  Darstellung  der  Sittengeschichte  im  Frankreich  des 
18.  Jahrhunderts,  durch  die  die  Erscheinung  de  Sades  und  seine 
berüchtigten  Romane  erst  recht  veratändlich  werden,  linier  den  neu 
erschlossenen  Quellen  seien  hier  besonders  genannt  die  Veröffentlichungen 
von  geheimen  Polizeiakten  über  die  Bordelle  (durch  Gaston  Capon  1902, 
1905),  die  eine  dokumentarische  Geschichte  der  Pariser  Sittenpolizei  und 
<lcr  Luslhäuser  darstellen,  und  einige  vor  kureem  herausgegebene 
zeitgenössisclie  Bricfsamralungen,  vor  allem  die  Briefe  Mirabcaus  an 
Seine  Geliebte  Sophie  de  Monnier  (herausgegeben  von  Cottin  1903)  und 
an  Julie  Dauvcrs  (herausgegeben  von  Mcunicr  u.  Lcloir  190$),  Briefe,  in 
denen  ä«'*''  Gedanke  freisten  Spielraum  fand,  und  die  auch  die 
eigentlidie  Erotik  in  oft  erschreckend  realistischer  Weise  behandelten. 
So  wert^'oll  die  Aufdeckung  solcher  Briefe  auch  ist,  so  erscheint  es  doch 
fraglich,  ob  sie  und  die  sonst  verwertete  Menioirenüteralur  als  vollgültige 
^ugen  für  die  sexuellen  Sitten  des  1S.  Jahrhunderts  in  Paris  durchweg 
anzusehen  sein  mögen.  Wenigstens  mag  im  Einzelnen  manchmal  auch 
ein  kräftiger  Klatsch  aus  der  Gesellschaft  mit  unterlaufen.  Im  Ganzen 
aber  ist  wohl  das  richtige  Bild  gemalt,  das  Dühren  nun  von  allen 
Seiten    beleuchtet:    Die  Liebe  in  der   Aufklärungszeit,   Geschichte  der 


Prostitution ,    Ausartungen   des   Oeschlechtslebens ,    Sittengeschichtlic 
aus  dem  Theaterleben,  die  Erotik  in  Utaalur  und  Kunst  usw. 

Auf  dem  Boden  dieser  Zustände  steht  der  Marquis  de  SadeT 
Neue  Beiträge  zu  seiner  Lebensgeschichte  leiten  den  zweiten  Teil  d^i 
Buches  ein  (S.  273-465),  die  seine  Familie,  sein  Jugend- und  Getängn^^^ 
leben,  seine  schriftstellerische  Tätigkeit,  seinen  Charakter  und  Qeist(^^ 
zustand  umfassen.  Wesentliche  Aufschlüsse  ergeben  hier  neu  aufgefundene 
Briefe  von  und  ijber  de  Sade,  Ent\cnjrfe  und  Handschriften  von  ihm,  die 
bisher  überhaupt  verborgen  geblieben  waren.  Unter  diesen  hat  der  Verfasser 
auch  die  allerwichtigste  Schrift  des  Marquis  entdeckt,  das  Original- 
manuskript  des  in  der  Bastille  geschriebenen,  1785  vollendeten  Romans 
■Les  120  jouni^  de  Sodomc  ou  rfe»!c  du  Ubcrtinage-.  Sade  schrieb 
ihn  vier  Jahre  vor  der  Re\'olution,  die  also  ohne  Einfluß  auf  seine 
eigenartigen  Theorien  war.  In  diesem  Roiuan  sind  sie  in  gedrängter 
Kürze  in  ein  System  gebracht^  in  einer  Weise,  die  als  bewußte  Absicht 
de  Sades  die  wissenschaftliche  Erforschung  aller  nur  denkbaren  sexuellen 
Verirrurgen  verkündet.  Hier  gibt  der  Marquis  in  einer  VoIlstÄndigkeit, 
die  von  modernen  Forechern  wie  von  Krafft-Ebing  nicht  erreicht  ist, 
eine  Übersicht  dieser  Verlrrungen  in  systematischer  Folge,  und  er  wird 
damit  der  erste  wissenschaftliche  Systematiker  der  Psychopathia  sexualis. 
Die  Feststellung  und  Begründung  dieser  Tatsache  erscheint  als 
wesentliches  Ergebnis  der  vorliegenden  »neuen  Forschungen«. 

Dühren  gibt  eine  genaue  Analyse  des  Romans,  betont  hauj^ 
sächlich  die  anthropologische  Betrachtung  der  Psychopathia  sexualis  in 
de  Sades  Schriften  und  schlielU  mit  den  soziologischen  und  politischen 
Anschauungen  dieses  gewiß  immer  merkwürdigen  Mannes.  -  Ich  mufl 
darauf  verzichten,  hier  ins  einzelne  zu  gehen,  so  sehr  auch  die  Auf- 
fassung und  Darstellung  des  Verfassers  dam  verführen  könnte.  Das 
Gesamtbild  kommt  kräftig  zur  Qeltung,  die  Fülle  des  einzelnen  aber  ist 
so  groß,  daß  das  Buch  Dfihrens  fast  als  Nachschlagewerk  für  die  sexuelle 
Frage  im  Paris  des  18.  Jahrhunderts  gelten  kann. 

Ernst  Heinrich. 


> 


D.  von  Hansemann,   Der  Aberglaube  in  der  Medizin  und 
Gefahr    für    Gesundheit    und    Leben     (Aus    Natur    und     Qeistcsv^^^ 
83.  Bändchen).    Leipzig,  B-  O.  Tcubuer,  1905  (IV,  134  S.)- 

Die  für  weite  Kreise  berechnete  kleine  Schrift  ist  aus  sechs  \'^'  '* 
trägen  entstanden,  die  auf  Veranlassung  des  Vereins  für  volkstümli 
Kune  von  Berliner  Hodischullehrern  vom  Verfasser  gehalten  wu 
Sie  stellt  also  die  Absicht,  volkstümlich  aufklärend  zu  wirken,  mit  R 
in  den  Vordergrund,  und  man  kann  im  Ganzen  Einteilung  und  Da 
führung  als  zweckentsprechend  bezeichnen.  Im  Einzelnen  erscheint  i 
manches  nicht  genügend  durchgearbeitet  und  einiges  flüchtig  hingcw 


wie  es  bei   Benutzung   meist   sekundärer  Quellen   teicht  passieren  kann. 

Und   die  Richligkeit   hifitorisclicr  Tatsachen   tnuß  auch   für   eine  volks- 

tQcnliche  Darstellung  verlangt  weiden.    Es  geht  nicbl  an,  daß  der  Verfasser 

z.   B.    sagt   (S.  5):    nSeit  der   Mitte   des    vorigen   Jahrhunderts    ist    die 

medizinische    Beobachtung   durch    Erfindung    zahlreicher    zweckmäßiger 

Instrumente  und  Untcrsucliungsmethoden  gesichert  worden,  z,  B.  durch 

das  Mikroskop,  die  Auskultation   und   Perkussion   (das  ist  das  Behören 

Und    Beklopfen   der   Kranken)  .  .  .  .  r     Das  Mikroskop  ist   Ende  des 

16.  Jahrhunderts  erfunden,  die  Perkussion  ist  zuerst  von  Auenbrugger  in 

einer    berühmten    Abhandlung    1 761    wissenschaftlich    behandelt ,    die 

Auskultation  wurde  nach  dem  Vorbilde  Laennccs  im  ersten  Viertel  des 

19.   Jahrhunderts,    wenigstens   in    Frankreich,    als    geläufige    klinische 

XJnteisuchungsmdhode  angewandt. 

Ernst  Heinrich. 


Crwldertin;. 


Herr  Prof.  R.  M.  Mc>cr  tn  Bertin  scheint  bei  seiner  ausgebreiteten 
Rezensiertätigkeit  nicht  mehr  genügend  Zeit  zur  aufmerksamen  Lektüre 
eines  Buches  zu  finden,  er  glaubt  annehmen  zu  dürfen,  daß  für  ihn  ein 
flüchtiges  Durchblättern  des  zu  besprechenden  Buches  völlig  ausreichend 
Sei.  Zu  welchen  Ergebnissen  das  föhrt,  dafiir  liefert  die  Besprechung 
nieines  Buches:  .Goethe  als  Oeschichtsphilosoph  und  die  geschichls- 
philosophische  Bewegung  seiner  Zeit-  im  Archiv  fßr  Kulturgeschichte.  VI,  2, 
S.  2-l8/2-<9  ergötzliche  Belege.  Ich  halte  mich  für  verpflichtet,  doch  weitere 
Kreise  darauf  aufmerksam  zu  machen,  damit  man  wisse,  welcher  Wert 
«Jen  Rezensionen  des  Herrn  Meyer  beizulegen  ist,  Mit  Wissenschaft  hat 
^nc  Rezension  wie  die  meines  Buches  nichts  mehr  zu  tun,  sie  ist  ein 
Produkt  skrupelloser  Viclschreiberei,    (!  D.  Red.) 

1.  Herr  Meyer  behauptet:  -,Auch  eine  Philosophie  der  Geschichte', 
dies  charakteristische  Denkmal  für  Herders  Entwicklung,  wird  gar  nicht 
erwähnt* 

Auf  S.  35-41  meiner  Arbeil  werden  der  junge  Herder  und  seine 
Srfiriften  behandelt.  S.  40  findet  sich  der  Gedankengang  von  -Auch  eine 
Philosophie"  angegeben,  außerdem  wird  hingewiesen  auf  Suphan  V,  SU 
und  zum  Überfluß  noch  zitiert:  »Auch  eine  Philosophie  der  Geschichte" 
von  1774. 

Herr  Meyer  hat  demnach  mein  Buch,  wenigstens  diesen  Teil, 
Oberhaupt  nicht  gelesen. 

2.  Herr  Meyer  behauptet:  »Oberflächlich  ist  nach  seinen  eigenen 
besseren  Ausführungen  (S.  43)  der  Salz,  daß  Goethe  in  dem  .Brief  des 
Pastors  zu  •'  ein  .Aufzwingen  von  Meinungen'  gewünscht  habe  (S.  44)." 


Archiv  tfir  Kultur£Mchlchlc.    VI. 


32 


496 


Be^>rechungen. 


Ich  bitte  in  meiner  Arbelt  S.  44  im  2.  Absatt  gegen  den  ScfaluB 
nichzulesen.  Ich  sage  gerade  das  Gegenteil  von  dem  aus,  was  ich  nach 
Herrn  Meyer  dort  aussagen  soll. 

Die  Bezeichnung  .oberflächlich'  reicht  für  diese  Art  Lektüre  dt 
doch  wohl  nicht  mehr  zu. 

3.  Herr  Meyer  behauptet,  auf  S.  25  g3be  ich  als  Herders  Meini 
von  der  Qescliichte  an:   »Herder  sehe  als  Ziel  der  Geschichte  die 
frelung  von  Vorurteilen  an." 

Auf  S-  25   ist  von  Herder  Oberhaupt  nicht  die  Rede.     Auf  S 
befindet  sich  als  Apposition  ein  Ausspruch  über  die  Römer,  den  Herr 
Meyer  auf  S.  24   meiner  Arbeit   gefimdcn   haben  will.     Wahrschemlii 
meint  Herr  Meyer  meine  Ausführungen  über  Herder  S,  71—77  meiner  Arbef 

Herr  Meyer  muß  bei  dem   Hineinsehen  in  die  Blätter  wohl  zu- 
fällig auf  diesen  Satz  gestoflcn   sein   und  sich  die  Lektfire  des   übrigen 
erspart  haben.    Es  gehört  sonst  gan^  besondere  Böswilligkeit  dazu, 
diesen  Salz  als  meine  Meinung  Qber  Herders  Geschichtsauffassung 
zuhalten.     Nach  der  Lektüre  meiner  Ausführungen   über  Herder 
Herr  Meyer  sagen  milsscn:    M.-QI,  schließt  sich  der  in  der  geschieht»* 
philosophischen  Literatur  geläufigen  Ansicht  an.  daß  ein  großer 
spmch  zwischen  Anfang  und  Ende  der  Ideen  besieht,  ein  M'iö 
der  hervorgerufen  wird  durch  Kants  Rezension  der  Ideen. 

Nach  diesen  Proben  der  Kritik  des  Herrn  Me>er  überlasse  ich 
getrost  dem  Leser  zu  entscheiden,  wessen  Arbeit  wenig  gründlich  ist  und 
Spuren  der  Hast  an  sich  Irigt.  Ich  spreche  aber  weiter  Herrn  Meyer 
jede  Berechtigung  ab,  ein  Urteil  Sber  meine  Arbeit  zu  fällen.  Das.  was 
ich  mit  meiner  Arbeit  wallte,  ich  stelle  das  ausdrücklich  fest,  hat  Herr 
Meyer  gar  nicht  entdeckt.  Wie  sollte  er  das  auch  bei  seiner  Art  der 
Lektüre?  Da  mir  von  dem  Herausgeber  dieser  Zeitschrift,  Herrn  Professor 
Dr.  Stetnhausen,  nur  ein  beschränkter  Raum  zur  Ers'iderung  cinger5um! 
werden  kann,  sage  Ich  kurz:  Ich  bezweckte  nachzuweisen,  wie  Goethes 
Auffassung  der  Wissenschaftsgeschichte  der  Gedanke  eines  Krctsverlaufes 
in  bestimmten,  von  ihm  angegebenen  Stufen  zugrunde  liegt,  und  wie 
sich  auf  diesem  Gedanken  seine  MaL  z.  G.  d.  Färb,  aufbauen.  Ferner 
nebenbei,  daR  Goethe  schon  die  Renaissance  als  die  Geburtszeit 
modernen  Menschen  erkannt  habe. 

Diesen  Nadiweis  versucht  zu  haben,  betrachte  idi  als  mein  Verdienst 
Bis  heute  liegt  ein  ähnlicher  Versuch  in  der  Qoethe-Uteratur  nicht  vor. 
Wollte  Herr  Meyer  mich  ernsthaft  kritisieren,  so  war  seine  Aufgabe,  mir 
die  Unrichtigkeit  dieser  Ansicht  aus  Goethe  nachzuweisen.  Aber  das 
schenkte  sich  Herr  Meyer.  Ein  Buch  gründlich  zu  lesen,  ist  etwas  mühe- 
voll.    Er  pickt  ein   paar  für  das  Ganze  der  Arbeit  nebensScIi liehe  Bc- 


14 

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Be^irechungen.  499 


tncrkungen  heraus  und  nennt  das  Rezension.  Viellciclit  setzt  uns  Herr 
Meyer  auf  Qrund  dieser  Rezension  einmal  auseinander,  was  er  unter  der 
peinlichen  Gewissenhaftigkeit  und  strengen  Wahrhaftigkeil  versieht,  die 
für  einen  Universitätslehrer  doppelle  Pflicht  sein  sollten.  (I  D.  Red.) 

Wie  es  bei  dieser  S-ichlage  mit  den  mir  von  Herrn  Meyer  emp- 
fohlenen Büchern  steht,  auch  das  zu  beurteilen,  überlasse  ich  dem 
kundigen  und  unparteiischen  Leser.  Hätte  Herr  Meyer  mein  Buch  gelesen, 
so  würde  er  erkannt  haben,  wie  eingehend  ich  mich  mit  Steiner  beschäftig 
habe,  und  was  ich  ihm  verdanke.  Katischer  und  Morris,  sind  mir  so  gut 
bekannt  wie  Herrn  Meyer.  Unbekannt  ist  mir  dagegen,  was  ich  aus 
ihren  Arbeiten  für  meine  Untersuchung  verwerten  sollte.  Daß  mir  Herr 
Meyer  O.  Lorenz  so  anpreist,  erweckt  in  mir  den  bösen  Verdacht,  mit 
dem  Buch  von  Lorenz  möge  es  Herrn  Meyer  gegangen  sein  wie  mit  dem 
meinen:  er  hat  es  wohl  nie  gelesen.  Ich  habe  es  ausführlich  für  meine 
Arbeit  exzerpiert  und  gefunden:  Lorenz  legt  Goethes  politische  An- 
schauungen dar,  es  wird  gezeigt,  wie  der  .Meister"  Karl  August  den 
■fwlitischen  Lehrling*  Goethe  erzieht.  Lorenz  hält  dafür,  bei  Goethe 
sei  eigentlich  die  Ursprungsidce  zum  Fürstenbund  zu  suchen.  Auch  der 
Exkurs  im  Anhang;  Goethe  als  Historiker  ist  mir  bekannt,  den  ich  hier 
nicht  im  einzelnen  darlegen  kann ,  der  schließlich  darauf  hinausläuft, 
Goethe  als  Vorläufer  der  Generaiionentheorie  hinzustellen.  Was  das 
alles  mit  meiner  Arbeit  zu  tun  hat.  die  grundsätzlich  alle  politische 
Tätigkeit  Goethes  nicht  beachtet,  und  der  es  nur  auf  seine  historische 
Weltanschauung  ankommt,  wcilä  ich  nicht.  Vielleicht  hat  Herr  Meyer 
die  Freundlichkeit  und  legt  es  dar. 

Auf  den  Votwurf  der  «Baccalaureus-Methode,  erst  selbst  den  neuen 
heraufführen  zu  wollen",  zu  antworten,  lehne  ich  ab.  Ein  Mensch, 
es  ernst  um  die  Wissenschaft  islj  winl  Tag  für  Tag  zu  lebhaft  daran 
erinnert,  was  er  Vorfahren  und  Mitslrebcnden  schuldig  ist,  und  erkennt 
das  dankbar  an. 

Zu  den  übrigen  Ausstellungen  des  Herrn  Meyer  fasse  ich  mich 
ganz  kurz.  Bis  mir  nicht  das  Gegenteil  strikte  nachgewiesen  wird,  bleibe 
ich  bei  meinen  »peremptorischen  Aussprüchen"  und  -anfechtbaren  Be- 
hauptungen". Aufmcrkäme  Leser  verweise  ich  auf  den  Zusammenhang 
meiner  Darlegiingcn.  Herr  Meyer  muß  nicht  glauben,  durch  sein:  -Wie 
kann  man  aber  sagen-  werde  meine  Behauptung  falsch.  In  der  Wissen- 
schaft fordert  man  Beweise.  Er  bringe  8ie.  Ich  hatte  für  jede  meiner 
E^auptungen  Gründe. 

Richtig  ist  von  allen  Ausstellungen  des  Herrn  Meyer  nur  eine: 
der  Name  Cook  ist  falsch  geschrieben.  Aber  selbst  hier  begegnet  Herrn 
Meyer  noch  ein  MiOgeschick.  Er  findet  die  Schreibung  ^durchgeführt- 
auf  S.  7J   ^f."     Dem  ängstlichen  Leser  sei  mitgeteilt,  daß  der  Name 

32' 


Cook  in  der  ganzen  Arbeit  nur  zu-eimal  sofort  hintereinander  auf  zwe 
folgenden  Zeilen  auf  S.  73  vorkommt.    Er  m&ge  sich  also  nicht  die 
machen,  ihn  auf  den  der  S.  "3  .folgenden*  Seiten  zu  suchen.     Üb: 
denke  ich  über  dergleichen  Dinge  «ie  Ranke,  S.  M'.,  53.54,  S.  &b2 

Dr.  Menke-GIückert. 


sidi 


I 


Antwort  Der  Ton  der  voranstehenden  Antilcrittlc  bestätigt  i  •^adae 
Anspielung  :iuf  den  Baccatatireus  im  •Faust"  so  glänzend,  daS^S  ich 
aus  ästhetischen  Gründen  auch  die  beleidigendsten  Ausdrücke  nichl^K  cnt- 
bellten  möchte.  Sie  treffen  mich  ja  doch  nicht;  und  den  ein  pa^^snnal 
mit  mehr  Behagen  als  Witz  wiederholten  Satz,  ich  hätte  sein  Bud — ^  pr 
nicht  ordentlich  gelesen,  hat  der  Verf  hoffentlich  selbst  nur  yv/draa  -^Ȋ( 
gebraucht.  Ich  wäre  übrigens  auch  bereit,  ihm  mein  Exzerpt cnblatt  vom 
6.  bis  10.  November  1^07  vorzulegen  und  diesem  noch  einig«  zit  em- 
nehnien,  was  ich  Herrn  M.-Ol.  noch  nicht  angekreidet  habe!  r^f>^- — ^  e 
genügt  an  dem,  was  ich  heraushob  und  was  dem  Verf.  Anlaß  zu  nno" 
Antikritik  gab.  die  meine  Kritik  an  Ausdehnung  schon  so  stark  übe« — tnfff- 

1.  Herr  M.-Gl.  reißt  eine  Parenthese  aus  dem  Kontext  lierau^^.  um 
zu  erweisen,  icli  halle  S.  35- ■II  seiner  Arbeit  nicht  gelesen.  Abr-"«"  ich 
bemerke  zu  S.  75  -  S.  2S  ist  leider  Druckfehler  -,  daß  .Auch  cin^^  Phi- 
losophie" in  diesem  Zusammenhang  notwendig  zu  crw-lhnen  war;  i^toran 
Erwähnung  an  anderen  Stellen  nichts  ändert. 

2.  Herr  M.-Gl.  sagt  (S.  -»3)  über  Goethes  Dissertation:  »Inn-^rlidi 
bleibt  dabei  jedem  Freiheit  des  Denkens  und  Meinens."  Er  fährt  {^^-  ^** 
fort:  .Wie  anders  er  jetzt  fiher  religiöse  Angelegenheiten  und  das  Auf- 
zwingen von  Meinungen  denkt,  verrät  der  .Brief  des  Pastors  zu 
Herr  M.-Gl.  verrate  nur,  wie  man  diese  beiden  Stellen  so  grfindlich 
soll,  daß  die  zweite  nicht  dem  »Brief  des  F*astors"  einen  Wunsch 
Aufzwingen  von  Meinungen  nadisagt! 

3.  »S.  25"  ist,  wie  schon  zu  I.  bemerkt,  ein  von  mir  überse' 
Druckfehler.  Es  scheint,  daß  der  Verf.  seine  Schrift  wirklich  wenige 
kennt  als  ich;  denn  S.  75  unten  steht:  -Die  Geschichte  hat  [nach  He 
Auffassung!  als  Ziel,  den  Menschen  aufzuklären,  ihn  von  Vorur 
zu  befreien." 

4.  Nach  diesen  drei  glänzend  mißlungenen  Widerlegungen  sp^™"' 
Herr  M.-Gl.   mir  jede  Berechtigung  ab,  ein  Urteil  über  seine  ArbeS*'  " 
fällen.    Denn  -   ich  erwähne  das  nicht,  was  er  als  sein  Hauptverc^'^"*' 
ansieht,  daß  nämlich  Goethe  seine  Periodizitätsidee  auch  auf  dieWi^»'^''" 
Khaftsiehre  angewandt  habe.    Ich  kann  auch  heute  nicht   Finden,     '^»^ 
dieser  Gedanke  aus  dem  Buch  als  Leitende  Idee  hervortrete;  im  üb^i^ 
war  auch  vor  Bouckcs  ausgezeichnetem  Werk  allgemein  bekannt,  d!«Ä 
Goethe  die  Polarität  zur  Orientierung  auf  allen  Gebieten  benutzt 


ItSCT 

nadi 

nener 
r  gut 

rden 
leilen 


Besprechungen.  501 

5.  Herr  M.-G1.  versichert  nochmals,  dafi  er  aus  Ottokar  Lorenz' 
Buch  nichts  habe  lernen  können.  Das  scheint  so;  und  es  wird  also  auch 
nichts  helfen,  wenn  ich  seiner  -  nun  sagen  wir  tiefeinnigen  Analyse 
gegenüber  ihn  etwa  auf  S.  17  f.  jenes  Buches  verweise.  Wenn  er  aber 
selbst  erkennt,  wie  Lorenz  im  Anhang  die  Oeschichtsauffassung  Goethes 
mit  seiner  Naturanschauung  in  Zusammenhang  bringt,  so  gehört  wirklich 
nicht  wenig  Eigensinn  dazu,  zu  behaupten,  dies  habe  mit  seinem  Thema 
nichts  zu  tun. 

6.  Ich  verzichte  deshalb  darauf,  dem  Herrn  Verf.  aus  Kalfsdier  und 
Morris  Stellen  nachzuweisen,  die  er  so  wenig  als  die  aus  Steiner  ver- 
werteten zitieren  würde.  Ich  überlasse  ihn  überhaupt  nunmehr  ganz  der 
Freude  an  sdner  Heraufführung  der  neuen  Tage  und  rufe  ihm  nur  das 
freundliche  Abschiedswort  zu:  .Original,  fohr*  hin  in  deiner  Pracht!« 

Richard  M.  Meyer. 


Kleine  Mitteilungen  und  Referate. 


In  den  Neuen  Jahrbüchern  für  das  klassisdie  Altertum,  Gcsdbictile 
und  deutsche  Literatur  (Jg.  11,  Heft  7)  sucht  Eduard  König  Babyloniens 
Einfluß  auf  die  Kulturgeschichte  gegenüber  mannigfachen  Utxf* 
Schätzungen  in  die  richtige  Beleuchtung  zxi  stellen.  In  bezog  auf  d* 
mehr  oder  weniger  beharrenden  Momente  des  äußeren  Völkerdaseins,  die 
foi  der  Bnrältigiung  der  Natur  durdi  Bauten,  Rechnungen  und  Messausin, 
in  der  Verschönerung  der  Lebensverhältnisse  durch  Künste  und  in  dff 
staatlichen  Ordnung  der  Menschenbeziehungen  ihr«  Sphäre  besitw»' 
hätten  die  Babylonier  mehrfach  grundlegend  für  die  Kulturgesclrid>tt 
gewirkt.  Aber  ihre  Impulse  hitien  keine  unbegrenzte  Tragweite  l)eseBCi 
Ihnen  seien  vielmehr  Strömungen  aus  anderen  Quellpunkten  (hauptsädt- 
lich  Indien,  Ägypten,  PhÖnicien- Patistina,  Mykene- Hellas)  entgep"" 
getreten,  ja,  diese  hätten  »ch  zum  Teil  als  natürlichere  und  tn  ittro" 
wesentlichsten  Teil,  der  freiheitlicheren  sozialen  Ordnung,  als  hdhtr  " 
in  der  geistigeren  R^on  des  Men$chenmesens  -  entsprungene  enrioff- 
Auch  bezüglich  der  Momente  der  Gcisteskultur,  die  sich  in  der  Venrirk- 
Hdtung  des  Ideals  der  Qeschichtschreibung.  in  der  Cr^ssung  des  or- 
ganisch-psychologischen Lebens  der  Gesdiichte  und  in  der  Wdtc  «*' 
Höhe  der  Geschichtsanschauung  ausprägen,  h.ibe  Babylonien  nidit  defl 
wichtigsten  Paktor  in  der  Entwicklung  der  Menschheit  gebildet. 

Interesse  \-erdient  ein  Aufsatz  A.  E.  P.  Weigalls  in  Btackvoods 
MagazineO^^Juli):  The  temperament  of  ibe  ancienl  Egyptiats- 

Nicbt  üble  Bemerkungen  oilhält  ferner  der  kurze  Aufsatz  '»'^ 
M.  Hoernes  in  der  Polttiscfa-antbrDpoiogiscfaen  Revue  (Js*  ?•  ^- ^' 
über  das  keltische  Temperament. 

Die  Geschichte  der  Kulturetnflässc  fördert  eine  in  den  MisceU>^ 
di  studi  critid.  pubblicati  in  onorc  di  Guido  Mazzoni  (Fircnzc  190^) 
erschienene  Fortsetzung  früherer  Studien  von  F.  Picco:  Appunti  i»- 
torno  atU  coltnra  ittliins  in  Francis  nel  secolo  XVII:  Je*" 
Chapelain  {15S5-1674^ 

Zur  lokalen  Kulturgeschichte  DeutsdiUods  tncen  bd  die  Va- 
öffenüichungen  vtm  K.  Berg.  Arnswalde.  Stadt  und  Kreis  i«i 
JOjlhrigen    Kriege   (Schriften   des   Vereitts  f.   Gesch.   d.   Neunart. 


Heft  20);  tiuffschmid,  Ein  französischer  Reisebericht  über 
Heidelberg  von  1664  (Neues  Archiv  f.  d.  Gesch.  d.  Stadt  HeideH>erg, 
Bd.  8,  Heft  1};  Seitz,  Reisebeschreibungen  über  das  Bergische 
X,and  a.  d.  Ende  des  18.  Jahrhunderts  (Zeitschrift  des  Bergischen 
Geschieh  tsverei  ns,  Bd.  40). 

Mummenhoff  haiidcEl  im  Jahresbericht  des  Vereins  f.  Gesch.  d. 
Stadt  Nürnberg  fijr  1<jOfi  (erschienen  1907)  über  die  Geschichte  der 
Juden  in  Nörnberg  bis  zu  ihrer  Vertreibung  im  Jahre  1449; 
E.  Meyer  in  der  Monatsschrift  für  Qesch.  u.  Wissenschaft  da  Juden- 
tums (Jg.  31,  Heft  9/10)  über  die  Literatur  für  und  wider  die 
Juden  in  Schweden  Jm  Jahre  181S. 

China  und  das  achtzehnte  Jahrhundert  behandelt  mit 
gründlicher  Kenntnis  der  oft  rcdit  trnllcgcnen  Quellen  Friedrich  Andreae 
in  den  vonBreysig»  a.SchrnoJIer  gewidmeten  -Grundrissen  und  Bausteinen" 
(Berlin,  Bondt).  Den  vom  Rokoko  imGt^ensatzzur  Feierlichkeit  des  Barocks 
gepflegten  intimeren  Neigungen  bot  China  die  geeigneten  dekorativen 
Elemente  in  seinen  Seidenstoffen,  Lackwaren  und  dem  Porzellan,  während 
seine  Kunslanschauungen  dem  Sinn  für  das  Bizarre  entgegenkamen.  Wie 
in  der  Kunst,  besonders  der  Architektur  und  Gartenkunst,  die  fremden 
Motive  selbständige  Fortbildung  fanden,  diente  chinesische  Einkleidung 
mit  Vorliebe  satirischen  Darsteilungen  der  Uteratur.  Dem  Interesse  der 
Zeit  für  soziale  und  national  ökonomische  Probleme  kamen  die  Nach- 
richten über  Chinas  starke  Be\ö]keriLnE,  seinen  intensiven  Ackerbau,  die 
schützende  Bauempolilik  der  Regierung,  das  natural  Wirtschaft  liehe  Steuer- 
system entgegen,  deren  idealisierte  Auffassung  mit  Vorliebe  zur  Kritik 
der  heimischen  Verhältnisse  t>enutzt  wurde.  Ebenso  mußten  die  Vertreter 
des  aufgeklärten  Absolutismus  geneigt  sein,  das  patriarchalische  Regiment 
des  cliinesischen  Kaisers  zu  verherrlichen.  Der  wissenschaftlichen  wie 
der  künstlerischen  und  literarischen  Auffassung  ist  gemeinsam,  daß  sie 
einzelne  auffallende  Elemente  der  fremden  Kultur  aufgreifen,  um  sie  nach 
ihrem  Geschmack  umzubilden,  Dieser  hauptsächlich  auf  den  jesuitischen 
Missionsberichten  beruhenden  BctmdUungsweise  setzte  sich  in  der  zweiten 
Hälfte  des  Jahrhunderts  mit  wachsender  Stärke  eine  skeptische  entgegen, 
die  ihren  Ausgangspunkt  von  den  Beobachtungen  der  Kaufleutc  nahm 
und,  wie  jene  in  Voltaire,  so  in  Montesquieu  ihren  geistigen  Höhepunkt 
fand.  Eist  Herdem  erschloß  sich  die  Erkenntnis  der  Beschränkung  na- 
tionaJer  Leistungen  durch  natüriiche  Anlage.  Wie  der  .^ufsalz  die  Reak- 
tion auf  ein  fremdes  Element  nach  verschiedenen  Lebensgebieten  verfolgt, 
das  ist  eine  wirklich  kulturgeschichtliche  Leistung,  die  heute  -  leider  - 
einen  besonderen  Hinweis  verdient.  G.  Liebe. 

In  Boas  Memorial  Volume  (New  York  1 906)  verbreitet  sich  R.  Andrce 
über  die  Schulterblatlschau  (Scapulimantia),  durch  die  man,  in  der 
Regel  bd  Völkern  mit  Schafzucht,  die  Zukunft  zu  deuten  suchte.    Sie  ist 


p 


bei  mongolischen  V'OIIcem  entstanden,  im  Mittelalter  für  Byzanz  und  fOr 
Tin}l  belegt  und  heute  noch  in  der  Mongolei  nachweisbar. 

Einen  nicht  tinvichtigen  Beitrag  zur  Oeistesgeschichte  stritt  der 
Aufsatz  von  A.  Roersch  in  der  Revue  g^^ate  (T.  84,  na  11):  Lcs 
humani&tes  beiges  de  U  Renaissance  dar  R.  sieht  den  Humanis- 
mus nicht  als  ilstienischen  Import  an,  sondern  als  unvcrmctdlidie  Reak- 
tion gegen  den  Scholaslizismus. 

Im   Basler  Jahrbuch   für  1W8  handelt  A.  Brückner  über  die 
Kirchen-  und  Schulvemllung  von  Klein-Hüningen  seit  de 
Übergang  an  Basel  (1()41). 

A.  Lechevalicr  setzt  in  der  Revue  pcdagogique  (1907,  15.  Oktobeif 
seine  hier  bereits  ersrähnle  Studie:  L'^cole  primaire  sous  l'ancien 
regime  fort,  Rcuss  in  den  Annales  de  l'EsI  et  du  Nord  (T.  4,  no.  1) 
seine   ebenfalls   hier  verzeichnete  Arbeit:    Notes  sur   l'instructio; 
primaire  en  Alsace  pendant  1a  r^volution. 

In  der  Zeitschrift  des  Vereins  für  hamburgische  Geschichte  (Bd.  1 
Heft  1)  teilt  A.  Wohlvrill  Jenaer  Studentenbriefe  von  Johanne» 
Versmann  mit.  ^H 

Aus  den  Annales  de  la  socift*  d'archfolc^e  de  Bnixelles  (T.  XX^^ 
erwähnen  wir  die  mit  Abbildungen  versehene  Abhandlung  M.  Schvcis- 
thats,  La  halle  germanique  et  ^es  transformations. 

Bei  der  im  Archiv  für  Anthropologie  (N.  F.  Bd  VII,  Heft  1)  v- 
schiencnen  Arbeit  Emil  Fischers  über  die  Haar-  und  Kleider- 
tracht vorgeschichtlicher  Karpathen-  und  Balkan  Völker- 
schaften handelt  es  sich  wesentlich  um  einen  Teil  der  barbarischen 
Völkerschaften  von  dem  Tropäum  zu  AdamJtÜssi  in  der  Dobrudscha. 
Es  sind  dort  Völker  der  unteren  Donaugegcnd  dargestellt  (Bastamer. 
Gelen  usw.);  eigcnllichc  •Dakcr",  wie  wir  sie  von  der  Trajanssäule  und 
vom  Obelisken  in  Stambul  kennen,  kommen  nicht  vor.  Die  (thrakische) 
Tracht  jener  Völker,  deren  Hauptbestandteile  im  einzelnen  dargelegt 
werden,  entspricht  der  heute  bei  dem  ruminischen  Bauer  üblichen,  ebenso 
auch  die  Haartracht. 

Kassels  Aufsatz  im  Korrcspondcnzblatt  der  Deutschen  Gesellschaft 
für  Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte  (Jg.  3S,  Nr.  9|^2, 
S.  152-59)  Ober  elsässische  Trachten  weist  anderen  Forsdiungca 
auf  diesem  Gebiet  entsprechend  nach,  daß  die  Volkstracht  ein  Ableger  der 
großen  Mode,  insonderheit  der  französischen  Mode  des  17.  und  ts.  Jahr- 
hunderts ist,  daß  sie  ferner  nicht  unwandelbar,  sondern  in  leichter  An- 
lehnung an  die  große  Mode  einem  standigen  Wechsel  unterworfen  ist 

In  anregender  Weise  handelt  Ed.  Heyck  in  Velhagen  &  Klasings 
Monatsheften  (Jg.  22,  Heft  3)  über  die  Herrenmode  im  19.  Jahr- 
hundert: Frack  und  Zylinder,  zwei  zahm  gewordene  Re- 
volutionäre. 

Ludwig  Andresen  veröffentlicht  in  der  Zeitschrift  der  Octd^ 


k. 


Schaft  für  Schleswig- Holsteinische  Geschichte  (Bd.  37)  eine  Geschichte 
des  tondcrnschcn  FaslnachtsRclages  und  des  Schützenkorps. 

Der  auf  dem  Gebiet  der  Geschichte  der  Technik  sehr  tätige 
F.  M.  f-'eldhaus  erörtert  in  einein  Aufsatz  des  Dalieim  (1907,  Nr.  31): 
^...iind  geschieht  nichts  Neues  unter  derSonne"  unter  Beifügung 
von  Abbildungen  das  wohl  atich  sonst  von  ihm  behandelte  Thema,  daß 
eine  ganze  Reihe  von  neueren  Erfindungen  bereits  vor  längerer  Zeit  ge- 
macht seien,  z.  B.  die  des  Unterseeboots  (1 472).  des  Wariiilnftballons(1540), 
des  Automobilgesdiützcs  (1760)  usw. 

Ad.  Kluri  bringt  im  Anzeiger  fQr  Schweizerische  Altertiimskunde 
(N.  F.  Bd.  9,  Heft  4)  geschichtliche  Mitteilungen  über  die  ersten  Feuer- 
spritzen in  Bern  (1521  --  170S). 

Aus  der  Zeitschrift  des  Vereins  f.  hamburg.  Geschichte  (Bd.  13. 
Heft  1)  sd  hier  Th.  Schradcrs  Beitrag:  Zur  Unehrlichkeit  der 
Leineweber  ens-Ühnt. 

Die  Wissenschaftliche  Beilage  der  Leipziger  Zeitung  (1907.  Nr.  1)  ent- 
hält, wie  noch  nachträglich  mitgeteilt  sei,  einen  beachtenswerten  Aufsatz 
von  Fr.  Kaindl,  Deutsche  Handwerker  und  Handwerksbräuche 
in  Ungarn. 

Aus  den  Melanges  d'arch^ologie  et  d'histoire  (t  27,  no.  3/4J  noderen 
wir  die  Arbeit  von  L.  Ponnelle:  Le  commerce  de  la  premi&re 
Sybarisi  Sybam  et  Siris,  rivaies  commerciales. 

Jan  de  Gocjes  Abhandlung  in  der  Internationalen  Wochenschrift 
(Jg,  T,  Nr.  36):  Zum  internationalen  Handelsverkehr  im  Mittel- 
alter benihi  auf  der  Heranziehung  arabisclier  Quellen,  insbesondere  von 
Sarakhsi's  Krregsrecht  und  betont  vor  allem,  wie  friedlich  sich  verhältnis- 
mäßig der  Handelsverkehr  christlicher  Kaufleute  im  Gebiet  des  feindlichen 
Islam  vollzog. 

In  der  Zeitschrift  für  Sclilcswig-Holsteinischc  Geschichte  (Bd.  J7, 
141-67)  handelt  A.  Kiesselbach  über  Schleswig  als  Vermittlerin 
des  Handels  zwischen  Nordsee  und  Ostsee  vom  9.  bis  tn  d, 
13.  Jahrh. 

Beiträge  zur  Geschichte  der  Vitalienbrüder  betitelt  sich 
eine  auf  weitschichtigem  Material  beruhende  Hallenser  Dissertation  von 
Hans  Chr.  Cordscn.  An  dieser  Stelle  interessiert  uns  hauptsächlich 
der  Abschnitt:  Die  Bezeichnung  «Vitalienbrüder"  und  TLikedeler"  und 
die  [Beziehungen  dieser  Kaper  zu  den  Piraten  des  Kanals  und  den  Sold- 
kompagnien  des  109  jährigen  Krieges.  Mit  Recht  «ird  die  Herleilung  der 
Namen  von  dem  angeblichen  Zweck  der  Versorgung  Stockholms  mit 
Lebensmitteln  bestritten  und  die  dem  französischen  \itailleur  zukommende 
Bedeutung:  Fouragierer,  dessen  Bezeichmmg  dann  von  den  Söldnern  auf 
gewöhnlidie  Räuber,  auch  auf  Seeräuber  überging,  herangezogen. 

Aus  dem  Anzeiger  für  schweizerische  Geschichte  (Jg.  39,  Nr.  2) 
notieren  wir  die  Abhandlung  R.  Hoppelers:  Zürcherische  Handels- 


I 


In  dem  Archivio  ddU  R.  Societii  Romana  di  storia  patria 
fasc.  12)  handelt  G.  Zippel  über  den  Alaun  von  Tolfa  und  den 
Handel  damit.  Die  Ausbeutung  des  1460  entdeckten  Alauns  n.-ihin  als- 
bald Pius  11.  in  die  Hand,  ein  Monopol  für  den  Alaunhandel  sidicrle 
dann  Paul  II.  dem  päpstlichen  Stuhl. 

In  der  Vlerteljahrsctirift  für  Sozial-  und  Wirtschaftsgescbichte 
{Bd.  6,  Meft  1)  verfolgt  Johannes  Müller  in  seiner  Abhandlung  über 
den  Umfang  und  die  Hauptrouten  des  Nürnberger  Handch- 
gebietes  im  Mittelalter,  in  der  er  sich  zunächst  mit  der  Festlegung 
der  Grenzen  des  Nürnberger  Handelsgebieies  um  die  Mitte  des  15.  Jahr- 
hunderts beschäftigt,  die  von  der  HandeLswell  Nürnbergs  vor  allen  Ire- 
quentierten  Straßen,  insbesondere  die  nach  Südfrankrnch  und  Nord- 
spanien,  sodann  die  nach  dem  Hansagebiet  und  nach  Polen  führenden 
Routen,  in  ihrem  Verlauf  genauer  und  führt  mgieich  die  Tichligstoi 
Träger  dieses  internationalen  Handels  Nürnbergs  namentlich  an.  Di« 
Darstellung  Lehrt,  vie  gerade  auch  in  der  HerbcischoHung  der  Rohstoffe 
für  das  heimische  Oeu-erbe  aus  dem  Osten,  also  der  Förderung  da 
zweiten  Faktors  der  wirtschaftlichen  Blüte  Altnümbergs,  die  dortigen  Kauf* 
leute  ihren  alte  Konjunkturen  der  WcltvirtschafC  schnell  erfassenden  Scharf- 
sinn und  ihre  zätie  Ausdauer  bei  Durdifütinins:  ihrer  Umemebmi 
bewährten. 

Auf  der  Oencalogia  Imhofiana  im  Nürnberger  Krdsarchiv, 
lieh  aber  auf  den  im  Orrmanischen  Museum  aufbeirahrten  Kor 
denzen  des  Ftiedrich  Behaini  VlI.  und  seines  Sohnes  Paul  Behaim  I.  so- 
wie auf  einem  Manual  der  Herren  Adlcren  (1552-56)  beruht  eine  handds- 
geschichtliche  Studie,  die  Johannes  Müller  unter  dem  Titel:  Endres 
Imhof  der  Aeltere,  ein  Charakterbild  aus  der  Zeit  der  Hochblüte  des 
Nürnberger  Handels,  in  dem  Unterhaltimgsblatl  des  Frinitischcn  Kurier 
(1908,  Nr.  2,  4,  6)  veröffentlicht.  lir  möchte  damit  von  der  Betriebsweise 
des  Handels  der  oberdeutschen  Kauflcutc  im  Reform alionszeitalta  ein 
typisches  Bild  entwerfen.  Das  Gedeihen  der  Imhofs  in  dieser  Zeil  crklirt 
sich  daraus,  daß  sie,  wie  viele  andere,  unter  Leitung  des  alleren  Endro 
von  dem  immer  weniger  einträglichen  Warenhandel  zu  den  kaum  ris- 
kanteren, aber  gewinnbringenderen  Geld-  und  Wechselgeschäften  Ühff- 
gingen,  bei  diesem  Wechsel  der  Handelsart  aber  die  Fehler  der  meistei 
anderen  oberdeutschen  Handelshäuser,  sich  in  zu  gewagte  Spdculationeo, 
besonders  mit  Potentaten,  einzulassen,  vermieden. 

In  dem  Anzeiger  der  Akademie  der  Wissenschaften  in  Krakin 
(Phiiol.  u.  histor.-philos.  Klasse,  1907,  Nr.  S/9)  behandelt  A.  SzcUgovski 
die  Geschichte  der  Fastland-corapany  in  Polen  unter  der  Re- 
gierung Elisabeths. 

Als  Beitrag  zur  Geschichte  der  lübisdien  Handelspolitik 


und  IS.  Jahrhundert  veröffentlicht  £.  Baa3ch  in  den  Hansischen  Ge- 
sdiichtsblättern  (I9i)7,  Heft  l,  109  -52)  eine  Abhandlung  über  die. Durch- 
fuhr" in  Lübeck. 

Aus  der  Zeitschrift  des  Vereins  für  Hamburg.  Gesch.  (Bd.  13,  Heft  1) 
erwähnen  vir  die  Beiträge  von  E.  Baasdi,  Weinakzise  und  Wein- 
Handel  in  Hamburg  und  \*on  H.  Nirrnheim,  Zur  Geschichte  der 
hamburgischen  Märkte. 

An  weiteren  Beiträgen  zur  Handelsgeschichte  seien  aufgeführt  die 
Arbeiten  von:  Franz  Forcher  von  Ainbach.  Die  alten  Handels- 
beziehungen des  Murbodens  mit  dem  Auslande  (Zeitschrift  des 
Historischen  Vereins  f.  Stetermark,  Jg,  5,  Heft  1/2)  (es  handelt  sich  um 
die  Geschichte  der  dortigen  Hammer-  und  Sensenwerke  und  die  Genea- 
logie und  Geschichte  der  alten,  unter  sich  verschwägerten  Sensenschmiede- 
familien);  Ph.Sagnac,  L'industrie  et  le  commercede  ladrapcrie 
en  Krancc  ä  la  fin  du  XVII'  sicclc  et  au  commencement  du 
XV 11  (es.  (Revue  d'histoirc  moderne  et  contemporaine,  t.  9,  no.  1)  (Gründe 
des  Niedergangs  der  Tuchindustrie  und  des  Tuchhandels);  P.  v.  Miller, 
Der  Transithandel  Rußlands  im  19.  Jahrhundert  (Jahrbücher  f. 
Naüonalökonomie  u.  Statistik,  3.  Folge,  Bd.  34,  Heft  5). 

In  dem  Bulletin  du  comife  des  travaux  histor.  (1907,  12S— 44) 
veröffentlicht  P.  Boy£  eine  Arbeit  über  Les  postes,  messageries  et 
voiturcs  publiques  cn  Lorraine  au  XVIH*  si^cle. 

Einen  populär  gehaltenen  Überblick  stellt  der  .kulturhistorische 
Aufsatz'  von  Brachmann:  Antike  Heilkunde  in  den  Blättern  für 
Volksgcsundhettspflege  (Jg.  7,  Heft  12)  dar. 

Die  Proceedings  of  the  Society  of  Biblical  Arch^ilogy  (Vol.  50, 
Nr.  2)  enthalten  einen  Beitrag  von  R.  C.  Thompson:  An  Assyrian 
Incantation  against  Rheumalism. 

Beaditung  verdient  die  Arbeit  von  Joh.  Ilberg  in  den  Neuen 
Jahrbüchern  f.  d.  klass.  Altertum  usv.  (Jg.  iO,  Heft  b)  Über  A. Cornelius 
Celsus  und  die  Medizin  in  Rom. 

Wir  erwähnen  femer  aus  The  Ninctcenth  Century  {1907,  Dezember) 
den  Aufsatz  von  SC.  Clair  Baddeley:  Aesculapins  and  his  Heirs  in 
Christian  Ronie- 

Ein  bei  den  alten  orientalischen  Völkern,  AssjTem,  Babyloniem  usw., 
wie  bei  den  Arabern,  Türken,  Chinesen  u.  a.  verbreitetes,  aber  auch  in  den  ger- 
manischen Norden  eingeführtes  Volksh  eil  mittel  behandelt  Adolf  Fonahn 
in  der  Pharmacia,  Tidskrift  för  kemi,  farmad  og  therapi  (1907,  Nr.  3,6) 
(Malurtcns  Medicinskc  Historie  til  og  med  Middelalderen).  Es 
handelt  sich  um  die  Mollenwun;. 

Von  kultui^eschichtlichem  Interesse  ist  eine  Arbeit  Fr.  Gröns  in 
der  Tidsskrifl  for  den  noiske  lägeforening  (1907,  Nr.  3/8):  Bidrag  til 
den  norröne  lägekunsts  hlstorie:  De  äldste  sygdomsforestil- 
linger  &  hedendcmmens  folkcmedicin. 


Auf  doon  becsis  ittO  heonsccfebeaea  Fagmrut  eocs  nUadbAai 
AmsDOCMS  des  11.  jnik^ideA  boBBoi  zvcs  vülut,  tn  derRsraicji 
(t4B6)  wflBeBflidWe  Arbcsln  Gr6ns:  On  nogle  Biddelald«rli>r 
lisenidler  (Nr.6r^;  Den  istandske  ligebocfradet  I5.aarbiindr. 
(Nr.  19  "20). 

Die  bb  über  das  12.  jabHinndert  mröüuuitifoIgmJt  Vtrwaäaag 
da  Btlseakrantextrakts  als  N'arkottkani  skii2iert  Q.  Klein  p- 
«chirtrffiHi  ia  der  MiacL  Medizm.  Wochcaüuift  0907,  Nr.  ^L 

Hirfchberg  «eist  die  ABflUmmcen  &  Latrieis  zurOcscUddeder 
Brille  ia  den  Mittethmsen  zar  Gesch.  der  Medizm  nnd  d.  NatMrwaB» 
■dnfteo  (veL  dieses  Axddv  6^  133)  in  jener  Zettsdirift  (6,  550)  m  ciMn 
Brief  an  den  Herausgeibcr  scharf- rarück. 

Witry  teilt  im  Jan»  (1906,  497—500)  Medizinisches  ans  dem 
(von  ihm  vor  liogerer  Zeit  venNffentHditen)  Statntenbucb  der  Stadt 
Trier  au  dem  16.  Jahrhundert  mit 

Das  Jahrbuch  f.  d.  Qcsdi.  des  HerTogtiuns  CMdeobuTg  (IS,  268/721 
enthält  einen  Beitng  von  K-  Willob:  Pest  ia  Langfördeo  1667. 

Greincr  setzt  in  den  Württembersiscfaen  Vtertcliahrsbeften  für 
Landeseeschichte  <N.  F.  Bd.  t6,  Heft  2/5)  seine  Geschichte  des  UIdct 
Spitals  im  .Mittelalter  fort. 

Julian  Marcuse  beschäftigt  ach  in  der  Zeitschrift  für  phi-sikal 
u.  diätet.  Therapie  (Bd.  It,  Heft  l)  mit  der  Geschichte  des  Luft- 
bades, das,  schon  frübcr  in  seinem  Wert  erkannt,  im  IS.  Jahrfaundcn 
öfter  gegenüber  der  übermißigca  Wx^seranvendung  empfohlen  vnide. 


Alexander  Duncker.  Verlagsbucliliandlung,  Berlia  W.  57.  < 


REPETITDUmM  DER  DEUTSCHEH  CESCHICBTE. 

Au»  einer  Bcsprcchuag  der  i.BUtHcr  f.  höh.  Schulwesen-   über  Band  I, 
1.  Auflage: 

.Die  Verfasser  «-olllen   ei»   Buch   schaffen,   das  in  aller  Kürze  den 
Inhalt  dessen  wtcdcTcab,  vas  man  /um  historischen  Staatsexamen    nolvcndig 
^  braucht  ....    Es  kann   kein  7.vcife\  sein,    daB   das  Buch,   vie  es 

K  vorliegt,  eine  dankrHSwerte  Leistung  ist   — 

Dem  Studierenden  lat  Wiederholung.  dt>m  Lrhrer  aur  Vor- 
•*  bereitung ,  dem  Gescliichtsfreunde  zur  Belehrung  kann  es  tearm 
3  emPfohle-H  wcrdni."  Prof-  Slrasshurger. 


1 


g 


Mittelalter. 


I    iVll  llt^lal  ICr.       jj^  jj  Q^^j^  ^^*J  ^,  Brinkmann. 

1  INHALT: 

^     Vom  Beginn  der  Völkerwanderung  bis  zum  Tode  Maximilians  I. 

-  Die  KreuzzQee. 

^    Zur  Verfassung«-  und  Territoriatgeschtchte. 

Verfassung  der  Clcrraancr;  während  und  nach  der  Völkcnrandcnina,  -  der 
Merovingcrzeit,  der  KarolingerzeU.  I.eges  boiharonmi.  Entstehung  und 
Enlvickluit^  des  Ijelinswesens.  Enlsiehung  der  Merzoglflmei.  Ki^nlgsirahlea. 
r>,i5  Städte»es«j.  Der  deutsche  Orden  in  PreuRcn.  Pattrleldung  der 
H,  «rtiwei/w  ridgenosscnschaft.     Papstwahlcn.     Das  Mönchtum. 

2  Tabellen  znr  Cntwiclilnng  der  bedeatetidsten  Territortalstaaten. 

-  Bayern.      ttrandrnl'iiri;.      Hurcund.      Kun'faU.      Lothringeti.      Österreich. 
S              SacltsetL.     Schwaben  (Württemberg,  Baden). 

\    Stammtafeln. 

Karolinger.      Die   sUchsischen   und    salfschcn   Herrscher.       Hohemlaufen. 
I  Wdied.     Habsburger.     Lwscmburger. 

Synchronistische  Tabelle  der  Kaiser  und  Päpste. 

Synchronistische  Tabelle  der  deutschen,  französischen  und  englischen  Könige. 

Bemerkungen  zu  den  Quellen. 


NEUZEIT. 


Erste   und   zweite   Auflage. 

\  INHALT: 

X.     Deutsche  Geschichte  von  der  Reformation  bis  znm  Jahre  1ä7l. 

Brand enburgisch- Preußische  Geschichte  ins  im  Erwefhunj;  der  Preußischen 

Brandenburgisch-Preußische  Verfa&uinn-  ond  Verwaltungspeschichte. 
Zur  (Jeschichte  f'rankreichs  —   tinglands        der  Niederlande, 
Quellen  und  Darstellungen. 
Qironologische  Tabelle. 


ARCHIV   FÜR  KULTURGESCHICHTE 


VI.  Band. 


Heft  -4. 


Inhalt: 


M 


Srite 


Quelle»  zur  Ainbcrgcr  Hociueii  von  h71,  herausgegeben  von 
Dr.  Maxiimiian  Buchnrr  in  München 

Reisetage  buch  eines  Dresdners  vom  Jahre  lti9i,  mitgeteilt  von 
Professor  Dr.  Conrad  /^äger  in  Dresden 

Mfs/cllen: 

Aufforderungsschreihen  zu  einer  auf  dem  Schlösse  id 
Königsberg  gefeierten  Mochzeiir  1592,  mitgeteilt  von 
Dr.  CJustav  Sommer^eldt  in  Königstierg  in  Pr ^ 


Re- 


4S3 
481 


Besprechungen: 

BergcT,  Die  Kulttirsuf gaben  der  Reformation.    2.  Aufl. 

sprechen  vom  Herausgeber 

Hubrich,    Dtutschra     Försicntum    und  \    Besprochen  von 

deutsches  Verfassungswesen.    •     •    ■  J  V>r.W.BrucJtmüUer 
vanGuIik,JohannesQropper(I5()3  -  1559)  '          in  Leipzig 
Consentius,  Alt-Berlin,  Anno  1740.    Besprochen  vom  Heraus- 
geber     . 

Meinecke,  Weltbürgertum  und  Nationalstaat.   Besprochen  von 

Univ. -Professor  Dr.  Rühard  AI.  Meytr  in  Berlin  .     . 

Becker,  Das  erste  halbe  Jahrhundert  der 

h essen -darmstädtischen  Landcsuniver- 

sitäl .    . 

Beiträge  zur  Geschichte  der  Universitäten 

Mainz   und    OieBen,   herausgegeben 

von  Dieterich  und  Bader     .... 
Aus  der  Qcschichle  der  Universität  Ofetfs- 

wald.    Festschrift  der  Gesellschaft  f. 

pomm.  Geschichte  u.  Altertumskunde 
Matthias,  Geschichte  des  deutschen  Unterrichts     Besprochen 

von  Oberlehrer  Dr.  Knrt  Levittiiein  in  Berlin     .... 
DObren,  Neue  Forschungen    Ober   den 

Marquis  de  Sade  und  seine  Zeil  .    . 
v.  Hansemann,    Der  Aberglaube  in  der 

Medizin 

Erwiderung.      Von    Oberlehrer  Dr.    E.   Menkf-Gtäckai  \m 

Bremen *.    .     .    , 

Antworl  des  Referenten,  Universititsprofessors  Dr.  R.M.Mfyer 

in  Berlin soo 

Kleine  Mitteilungen  und  Referate .uo 


Besprochen  vorn 
Herausgeber 


4SI 


493 


Besprochen  von 

Dr.  £>7ut/  Hfimrich 

in  Cassel 


496 


497 


DrucV  von  Hu^o  ^n^«Ai  wt  OrNm«^\i 


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