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Full text of "Das Königreich Serbien und das Serbenvolk"

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SERBIEN  UND  DAS  SERBENVOLK 


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FELIX  KANITZ^^E^^^^^^"^ 


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Das  Königreich  Serbien 


und 


das  Serbenvoli< 


von  der  Römerzeit   bis  zur  Gegenwart 


Zweiter  Band:   Land  und  Bevölkerung 


UurcligeselicM  und  ergänzt 


BOGOLJUB  JOVANOViC 

Oirektor  des  Künigl.  Serbischen  Statistischen  Landcsamtes  a.  L). 


LEIPZIG 
VERLAG  VON  BERNHARD  MEYER 

1909. 


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Kronprinz  AIcxümcIlt  vhii   Suiincri 


Alle  Rechte  vorbehalten. 


Vorwort. 


Fünf  lahrc  nuL-li  Erscheinen  des  von  der  wissenschaftlichen  Kritik  wie  \on 
dem  j^rossen  Publikum  so  beifällig  aufgenommenen  ersten  Bandes  \on 
Kanitz'  „Serbien"  erscheint  nunmehr  der  zweite  in  der  gleichen  Ausstattung 
und  annähernd  demselben  Umfange. 

Die  Ursache  der  Verspätung,  die  der  Ergänzung  des  reichhaltigen  Ma- 
terials nur  zugute  kam,  lag  in  erster  Linie  in  dem  unerwarteten  Hinscheiden 
des  verehrten  Herrn  Verfassers. 

Infolgedessen  betraute  der  Verlag  den  Unterzeichneten  mit  der  Heraus- 
gabe dieses  und  des  binnen  kurzem  folgenden  Schluss-Bandes. 

Meine  Aufgabe  hierbei  war  vor  allem  die,  eine  tunlichste  Gleichmässigkeit 
und  Korrektheit  in  der  Wiedergabe  der  serbischen  Gebirgs-,  Fluss-  und  Orts- 
namen herzustellen,  um  so  die  Zuverlässigkeit  des  Werkes  für  die  wissen- 
schaftliche Forschung  zu  erhiihen;  die  Fassung  der  geographischen  Bezeich- 
nungen darf  letzt  als  authentisch  gelten.  Ferner  ergänzte  ich  hier  —  und  noch 
mehr  im  Manuskripte  des  dritten  Bandes  —  die  statistischen  Angaben  des  ver- 
ewigten Verfassers  nach  Möglichkeit  durch  neuere  Daten.  An  dem  übrigen 
Texte  wesentliche  Aenderungen  vorzunehmen  fühlte  ich  mich  trotz  manchen 
\ erlockenden  Anlasses  aus  Gründen  der  Pietät  nicht  bewogen,  obwohl  ich 
überzeugt  war,  dass  der  Autor  selbst  wohl  hie  und  da  einige  Aenderungen 
vorgenommen  haben  würde,  wenn  es  ihm  vergimnt  gewesen  wäre,  die  Druck- 
legung dieses  Bandes  zu  erleben. 

Das  ungemein  reiche,  vielfach  hier  erstmalig  an  die  Oeffentliehkeit  ge- 
langende geographische,  \ölkerkundliche,  kulturhistorische,  \  nlkswirtschaftlich- 
statistische  sow  ie  alt-  und  neugeschichtliche,  antiquarische  und  kunsthistorische 
Material  ist  wiederum  auf  18  Kapitel  verteilt. 

Vornehmlich  wertvoll  für  den  Geographen  dürften  die  Kapitel  Vi  bis  XI 
sein.  Sie  behandeln  ausführlich  die  vier  „neuen  Kreise"  Nis,  Pirot,  Vranja 
und  Toplica,   die  nach   den  Beschlüssen  des  Berliner  Kongresses   1878  an 


VIII 


X'nrwnrt. 


Serbien   kamen   und   lange  Zeit  —  für    die   auswärtige  Forschung  zum  Teil 
noch  bis  auf  unsere  Tage  —  eine  terra  incognita  fast  in  jeder  Beziehung 

bildeten. 

Mit  nicht  minderem  Interesse  wird  der  l.eser  im  XII.  Kapitel  den  Ver- 
fasser durch  das  Timok gebiet  begleiten,  das  im  serbisch-türkischen  Kriege 
1876—77  \on  den  Türken  erst  nach  schweren  Verlusten  besetzt  werden  konnte, 
und  im  Xlll.  bis  XVI.  Kapitel  sich  an  den  wertvollen  Resultaten  der  Forschungs- 
reisen durch  die  Crna  Reka  und  die  Krajina  erfreuen,  jene  Bezirke,  die 
den  Türken  im  serbischen  Befreiungskriege  durch  den  in  Volksliedern  hoch- 
gefeierten, später  in  dem  Unglücksjahre  1813  bei  Negotins  Verteidigung 
gefallenen  Hajduk  Veljko  entrissen  wurden. 

Lieberall  hat  der  Verfasser  neben  dem  geographisch-historischen  Moment 
mit  liebevollem  Verständnis  die  Volksseele  studiert  und  mit  volkswirtschaft- 
lichem Scharfblick  die  reichen  Schätze  aufgewiesen,  die  in  Volk  und  Land 
noch  einer  grossen  Entwicklung  und  umsichtigen  Verwertung  entgegenharren. 

Zahllos  sind  seine  Verbesserungen  altvererbter  Irrtümer  auf  allen 
Gebieten,  nicht  zuletzt  hinsichtlich  der  Ueberreste  aus  römischer  Vorzeit. 
Mit  einem  wahren  Falkenauge  hat  er  hier  Römerstrassen  und  Römerkastelle 
aufgespürt,  bei  deren  Festlegung  andere  Forscher  \on  Ruf  ratlos  im  Dunkeln 
tappten  oder  verzweifelnd  die  Arbeit  aufgaben. 

Ganz  besonders  wohltuend  wird  jeden  Leser  neben  der  lichtvollen, 
plastischen  Darstellungsgabe  unseres  Autors  seine  —  bei  einem  Gelehrten 
von  der  Gediegenheit  eines  Felix  Kanitz  allerdings  nahezu  selbstverständliche 
—  Objekti\ität  in  der  Vorführung  und  Beurteilung  aller  Verhältnisse  und 
Ereignisse  berühren. 

Wenn  aber  ein  solcher  unparteiischer  Grosser  im  Reiche  der  Forschung 
es  offen  bekennt  (vergl.  das  Vorwort  zum  ersten  Bande),  dass  diese  Ergebnisse 
seiner  mühevollen  Arbeiten  dem  Serbenvolke  zur  Ehre  gereichen  werden, 
so  darf  die  heute  in  ihrer  Volkskraft  noch  immer  nicht  voll  gewürdigte  serbische 
Nation  auf  das  gediegene  Werk  ebenso  stolz  sein  wie  die  Wissenschaft,  deren 
verschiedenartigste  Gebiete  es  in  willkommenster  Weise  und  vollkommenstem 
Masse  zu  bereichern  geeignet  und  berufen  ist! 

Belgrad,  am  19.  Jänner  1909. 

Bogoljub  Jovanovic 

Direktor  des  Kgl.  Serbischen  Statistischen  Landesamts  a.  D. 


Die   serbo- kroatischen    Schriftzeichen    lauten    im   Text,    in    den  Bilder -Erklärungen, 
Plänen  und  Karten: 

c  =  .    . deutsches  z 

e  = tj 

e  = tsch 

h  = „  ch 

V  = .  „  w 

ä  = „  seh 

s  = ....      scharfes  „  s 

z  = weiches  ,  s 

i  = französisches  i 


II. 


Land  und  Bevölkerung. 


^. 


Serbische  Kircliweili. 


Von  Cacak  über  Kraljevo,  Zica 

nach  Studenica. 


AUF  nieineni  Prüjfranim  stand  das  Bereisen  des  stark  {^ebir^igen  und 
^^  deshalb  weni^  bevölkerten  Cacaker  Kreises.  Sein  Priifekt  zeigte  grosses 
Verständnis  für  meine  Aufgabe  und  dankenswerten  Eifer,  sie  müglichst  zu 
erleichtern.  Fir  gestattete  seinem  Ingenieur  Klinar,  mich  zu  begleiten,  und  den 
Bezirkskapetanen  band  er  schriftlich  die  Sorge  für  mein  sicheres  Fortkommen  auf 
die  Seele.  Unsere  Gesellschaft  vergrösserte  der  tüchtige  Belgrader  Oberingenieur 
Zermann,  den  eine  kommissarische  Verhandlung  gleichfalls  nach  Raska,  an  die 
türkische  Grenze,  führte. 

Zunächst  ging  es  nach  dem  6  St.  fernen  Karanovac,  das  im  Jahre  1882 
seinen  alten  Namen  mit  dem  stolzeren  „Kraljevo"  (Königsstadt)  vertauschte. 
Der  Weg  zieht  SO.  durch  wohlhabende  Dörfer,  prächtige  Fichenwaldungen  und 
über  diluviales  Hochland,  das  reizende  Blicke  auf  das  westlich  vom  Kablar,  Ovcar 
und  der  Jelica,  gegen  0.  vom  Kotlenik  und  den  Rudniker  Bergen  umsäumte 
Moravatal  gestattet. 

F    KAMTZ,  Serbien.    U.  1 


2  \on  Cacak  über  Kraljevo,  Zica  nach  Studenica. 

Rechts  vom  Wege  bleibt  das  Kirchlein  „Maria  Verkündigung"  des  Dorfes 
Trnava,  bei  dem  alte  Waffen.  Morgensterne,  Pfeilspitzen  usw.  gefunden  wurden. 
Zur  Zeit  des  serbischen  Freiheitskampfes  war  es  ein  Kloster  und  Mittelpunkt 
des  Hadzi  Prodanscheii  Aufstandes  (1.  Bd.,  S.  586)  gegen  den  Aluselim  Latif  Aga. 
Ein  anderer  alter  Bau  im  südwestlicheren  Jezevica  wird  dem  Ban  Milutin, 
einem  Zeitgenossen  des  Zaren  Dusan,  zugeschrieben;  er  mahnt  im  Grundriss 
an  die  geschilderte  Kablarkirche  Sv.  Blagovestenje  (1.  Bd.,  S.  525).  Auch 
Zablace,  das  eine  neue  Kirche  hart  an  der  Strasse  ziert,  ist  interessant  durch 
den  in  Serbien  einzigen  Bernstein  und  durchlöcherte  Kügelchen,  die,  aneinander 
gereiht,  den  Hals  oder  Arm  einer  prähistorischen  Schonen  schmückten;  jetzt  im 
Belgrader  Museum. 

Vor  Samaila  (250  m)  erscheinen  in  weitgedehnter  Linie  SW.  der  scharf- 
gezackte dreigipfeligeTroglav  (1221  m)  und  die  gerundeten  1649  m  hohen  Kuppen 
der  Cemerno  mit  prächtigen  Weiden,  welche  der  Staat  verpachtet.  Gegen  S. 
dominieren  die  Graphit  bergenden  Stolovi  (1443  m),  über  die  südlichere  1415  m 
hohe  Studena  ragt  fern  derKopaonik  auf,  und  sanft  abdachende,  bis  zur  Strasse 
mit  frischgrünem  Laubwald  bedeckte  Höhen  bilden  den  anmutigen  Vorgrund.  Wir 
kreuzten  die  Vrdilska  Reka  (Fluss),  an  deren  Oberlauf  Sava  Sretenovic,  der  treffliche 
Kenner  des  Kirchenslavischen,  1828  in  Dedojevci  geboren  wurde  (1.  Bd.,  S.  120), 
und  erreichten  vom  höchsten  Strassenpunkt  (273  m)  über  Jarcujak  im  breiten, 
fruchtbaren  Tale  auf  nahezu  geradliniger  Trace  das  vom  rauschenden  grünen 
Ibar  durchströmte  Kraljevo. 

Im  J.  1884  aufgefundene  Kupfer-Pfeilspitzen,  Bleigewichte  usw.  deuten  darauf 
hin,  dass  sich  schon  in  prähistorischer  Epoche  und  zur  Römerzeit  eine  bedeutende 
Niederlassung  bei  Kraljevo  befand.  7  km  SW.  sieht  man  auf  dem  linken  Ibar- 
ufer  am  Janok  starke  Mauern,  die  bei  Hochwasser  überflutet  werden.  Dieses 
stetige  bedrohliche  Vorrücken  des  Flusses  mochte  zur  Wahl  der  heutigen  Stadt- 
stelle geführt  haben.  Auch  die  neue  Ansiedelung  blieb  bis  zuletzt  stark  befestigt. 
Beim  Bezirksamt  sah  ich  Überbleibsel  einer  Schanze,  deren  türkische  Besatzung 
sich  1737  ohne  Gegenwehr  dem  kaiserlichen  Oberst  Lentulus  ergab.  Zwei  Jahre 
später  geräumt,  nahmen  sie  am  20.  Nov.  1789  nach  kurzem  Gefechte  das  vom 
Oberst  Mihailjevic  geführte  Freikorps  und  im  Befreiungskrieg  1804  Karadjordje. 
Dauernd  wurde  aber  das  Bollwerk  erst  im  Juli  1815  serbisch;  die  Besatzung  zog 
unter  Milos'  Geleite  nach  Novi  Pazar  ab,  damit  war  die  Nahija  von  dem  berüch- 
tigten Muselim  Latif  Aga  erlöst,  und  schon  1824  weihte  das  rasch  wachsende 
Städtchen  seine  neue  hl.  Geistkirche.  Seither  sah  Kraljevo  gute,  aber  auch 
böse  Tage.  Vor  1858  war  es  der  Verwaltungssitz  des  Kreises;  dessen  Verlegung 
nach  Cacak  hemmte  die  Fortentwickelung,  und  das  weitläufige  Kreisgebäude 
stach  lange  Zeit  von  den  es  einschliessenden  niedrigen,  dorfähnlichen  Häusern 
ab.  Seit  zwanzig  Jahren,  seit  Kraljevo  mit  dem  linksuferigen  Moravatal  und 
dem  Ibargebiet  durch  treffliche  Strassen  mit  guten  Pontonbrücken  verbunden 
ist,  hebt  sich  sein  Produktenhandel,  und  die  1905  über  6  Mill.  d  umsetzende 
Sparkasse  fördert  die  Baulust.  In  der  nun  3800  Einwohner  zählenden  Stadt 
entstanden   viele   nette  Wohnhäuser,   ein   neues   Bezirksamt,   eine   grosse   Schule; 


Von  Cacak  über  Kraljevo.  Zita  nach  Studcnica.  'i 

das  verödete  Nacelstvo  wurde  für  das  Feldartillerie-Regiment  der  Morava-Division 
eingerichtet  und  der  ehemalige  Bischofskonak  in  ein  Staatsgehäude  für  den 
Sumadijski  puk  umgewandelt;  die  1882  begründete  Ackerbauschnle  zahlte 
7  Lehrkräfte,  welche  jährlich  etwa  80  Schüler,  darunter  50  Stipendiaten,  in 
3  Klassen  theoretisch,  und  praktisch  in  der  86  Hektar  umfassenden  Muster- 
wirtschaft ausbilden.  Bis  Ende  1905  verliessen  540  Eleven  das  Institut,  für 
welches  der  Staat  1905  80  400  d  verausgabte. 

Von  Industrieversuchen  hat  sich  die  Verarbeitung  des  unfern  gebrochenen 
Marmors  für  Grabmonumente  gut  bewährt;  dagegen  wurde  die  mit  einer  Staats- 
subvention  von  24  000  d  begründete  landwirtschaftliche  Maschinenfabrik  1886 
wieder  aufgelassen. 

Das  aufstrebende  Städtchen  bemühte  sich,  dem  es  im  September  1901  auf 
der  Durchreise  nach  den  berühmten  Klüsfern  Zica  und  Studenica  besuchenden 
Königspaar  einen  möglichst  guten  Empfang  zu  bereiten.  Nunmehr  findet  aber 
auch  der  Fremde  dort  mehrere  einstöckige  Hotels,  welche  ganz  anderen  Komfort 
bieten  als  die  elende  Mehana,  die  mich  1860  beherbergte.  Als  wir  sie  am  Spät- 
abend des  18.  Juni  betraten,  waren  ihr  Wirt  und  sein  Gesinde  vollauf  beschäftigt, 
die  einige  Stunden  vor  uns  eingetroffene  Raskaer  Kommission  mit  grossem 
Pandurentross  unterzubringen,  und  man  schien  durch  unseren  Zuwachs  nicht  erfreut, 
weil  wir  ihre  Sorge  wegen  des  Abendessens  noch  steigerten.  Der  lustige  Pisar 
von  Kraljevo  vergrösserte  durch  schallendes  Gelächter  erregende  Witze  die 
Verlegenheit  des  Mehandzija.  Aufgestachelt  in  seinem  Ehrgefühl,  begab  er  sich 
in  die  Carsija,  um  die  Leere  seiner  Speisekammer  zu  mindern.  Dies  gelang  ihm 
aber  so  wenig  wie  dem  Jäger,  der  am  Mittag  auf  Auerhühner  ausgehen  wollte. 
Verzweifelt  kehrte  er  zurück,  griff  nach  dem  in  jeder  Mehana  aus  dem  Dacli- 
gcsperre  an  einer  Schnur  herabhängenden  „pecenje"  und  setzte  es  unter  tausend 
Entschuldigungen,  statt  der  erwarteten  Hühner  und  Fische,  auf  den  Tisch. 

„Pecenje"  bedeutet  serbisch  „Braten";  man  könnte  demnach  den  Hohn 
ungerechtfertigt  finden,  welcher  das  Beginnen  des  unglücklichen  Wirtes  begleitete, 
wenn  ich  nicht  hinzufüge,  dass  „pecenje"  ein  Stück  kaltes,  halb  gar  gebratenes 
Hammelfleisch  ist,  dessen  geringe  Fleischteile  in  einer  dicken  Fettumhüllung  so 
gründlich  verschwanden,  dass  jeder  mit  einem  Dochte  durchzogene  Teil  trefflich 
als  Kerze  dienen  konnte.  Die  arg  enttäuschte  Gesellschaft  sah  nach  den  Quer- 
säcken, welche,  dank  der  fürsorgenden  serbischen  Hausfrauen,  stets  Notbehelfe 
für  ein  improvisiertes  Mahl  bergen,  zu  dessen  Schluss  ich  mit  Aufopferung  des 
halben  Inhalts  meiner  Rumflasche  einen  deutsche  wie  serbische  Kehlen  gleich 
belebenden  und  zu  Wechselgesängen  begeisternden  „caj"  braute.  Mitternacht 
war  längst  vorüber,  als  wir  heiter  gestimmt  die  grosse  Stube  aufsuchten,  auf  deren 
Boden  wir  uns  mit  Hilfe  der  an  den  Wänden  laufenden  Strohkissen  betteten.  Ich 
hätte  hier  die  schönste  Gelegenheit,  mich  für  eine  schlaflos  zugebrachte  Nacht  zu 
rächen  und  gleich  dem  Oldenburger  Professor  Greverus,  der  in  Griechenland 
reiste,  ein  Fragment  mit  der  drastischen  Leidensschilderung  einer  Nacht  in 
serbischer  Mehana  alten  Stils   zu  füllen.     Ich  unterlasse  es   und   will   gern   ihren 

seither  erfolgten  Fortschritt  anerkennen. 

1* 


4  Von  Cacak  über  Krnljcvo.  2ica  nacli  Studenica. 

Der  nächste  Vormittag  fand  unsere  Gesellschaft  in  einer  Art  Sprechzimmer 
des  in  Kraljevo  residierenden  Uzicer  Bischofs  „Janja"  (Joanii<ije)  versammelt. 
Der  kleine:  bewegliche  geistliche  Würdenträger  erwiderte  die  ihm  dargebrachten 
Huldigungen  mit  eingehenden  Kommentaren  zu  den  auf  einem  Tische  ausgebreiteten 
Restaurationsplanen  des  nahen  Zica.  Er  erzählte,  wie  er  allein  mit  seinen 
Cincaren  das  nun  vollendete  Werk  ausgeführt,  warf  einige  Seitenhiebe  auf  die 
grosse  Kosten  verursachende  Gründlichkeit  „schwäbischer"  Ingenieure  und  forderte 
mich  schliesslich  auf,  die  wiederhergestellte  Kirche  in  seiner  Begleitung  zu 
besichtigen. 

Die  Residenz  des  Bischofs,  augenscheinlich  gleichfalls  ein  Bauwerk  der 
primitiven  Meister  aus  Makedonien  oder  Alt-Serbien,  Hess  meine  Erwartungen 
keinen  allzu  hohen  Plug  nehmen.  Dem  Bewohner  der  serbischen  Waldgebirge 
mochte  sie  vielleicht  imponieren;  ärmlich,  regel-  und  planlos  erschien  aber  der 
kleine,  im  türkischen  Stile  gehaltene  Konak  dem  an  die  reichen,  kunstgeschmückten 
Sitze  occidentaler  Kirchenfürsten  gewöhnten  Auge. 

Mit  berechtigterem  Stolze  durfte  der  Bischof  auf  die  prächtige  Szenerie 
seines  gesegneten  Sprengeis,  auf  das  Panorama  aus  seinen  Fenstern  blicken. 

Nachdem  wir  den  Ibar  gequert,  führte  uns  ein  südwestlicher,  etwa  eine 
halbe  Stunde  langer  und  zwanzig  Schritte  breiter  Durchhau  zwischen  herrlichem 
Waldesgrün  nach  Zica.  Schon  in  der  Mitte  der  natürlichen  Allee  angelangt, 
glitzerten  vor  uns  die  mit  weissem  Zinkblech  'gedeckten  Türme  der  einstigen 
Krönungskirche  von  sechs  serbischen  Zaren  auf.  in  saftig  grünem  Plane,  dessen 
landschaftlicher  Reiz  bei  sonniger  Beleuchtung  mich  lebhaft  an  die  prächtige  Brianza 
zwischen  Como  und  Mailand  erinnerte,  liegt  inmitten  hübscher  Dörfer,  fruchtbarer 
Felder  und  junger  Laubgehölze,  im  Gegensatze  zu  den  meist  in  tiefem  Waldesdunkel 
verborgenen  serbischen  Klöstern,  auf  sanfter  Anhöhe  Zica.  Nahe  fliesst  der  Ibar 
vorbei,  welcher,  seiner  beengenden  Fesseln  ledig,  hier  in  ansehnlicher  Breite  die 
fruchtbare  Ebene  durchzieht,  um  bei  Kraljevo  in  die  Morava  zu  münden.  Der 
an  die  Kirche  grenzende  Friedhof  mit  phantastisch  geformten  Kreuzen  und  Grab- 
steinen erhöht  die  malerische  Lage  der  1889  vielgenannten  Heilstätte.  Man  erzählt, 
dass  hier  früher  der  Brauch  herrschte,  dem  Toten  einige  Geldstücke  ins  Grab 
mitzugeben,  „da  bi  se  otkupio!"   (damit  er  sich  loskaufen  könne). 

Gestiftet  wurde  die  grosse  erzbischöfliche  Kirche  zu  Zica')  um  1210  zu 
Ehren  des  hl.  Erlösers  von  König  Stefan  dem  Erstgekrönten  und  seinem  Sohne 
Radoslav  für  dessen  Bruder  Sava,  der  als  erster  serbischer  Erzbischof  dort 
residierte.  Aber  schon  im  Ausgang  des  13.  Jahrh.,  nach  anderen  erst,  als  Zar 
Dusan  das  serbische  Patriarchat  gründete  (1346),  wurde  der  Sitz  des  obersten 
nationalen  Kirchenhauptes  nach  Pec  (Ipek)  verlegt.  Nahe  dem  Kloster  —  vielleicht 
auf  dem  erwähnten  westlichen  „Janok"  —  stand  eine  „Stadt  Zica",  bei  der  Zar 
Dusan  1353  das  Heer  sammelte,  welches  den  eingefallenen  Ungarkönig  Ludwig 
siegreich  über  die  Save  zurückdrängte  und  Belgrad  samt  dem  Macvagebiete  den 
Ungarn  entriss. 


Daniele,  Rjeciiik  I,  340. 


Von  Cacak  über  Kraljevo,  Ziia  nach  Stiidenica.  5 

Die  2icacr  Kirche  bildet  einen  von  mächtiger  Kuppel  überragten  Zentralbau, 
dessen  breites  Mittelschiff  eine  halbkreisförmige  Chorapsis  schliesst  und  aus 
dessen  aulfällig  grossem  Narthex  niedere  Eingänge  in  zwei  Kapellen  mit  halb- 
kreisförmigen Altarapsiden  und  eigenem  Narthex  führen.  An  die  quadratisch 
vorspringenden,  tonncngewölbten  Querflügel  wurden  bei  der  Restauration  des 
während  der  türkischen  Invasion  stark  verwüsteten  Monuments  vom  Hauptschiff 
zugängliche    oblonge     Räume    (Diakonikon    und    Prothesis)    angebaut.      In     den 


/ILA.     1)R'  KroiiuiiHskirchc  der  Ncmanjidcn  im  )iini   ISTil). 


Langmauern  eines  16  m  langen  und  breiten,  die  Westfassade  einschliessenden 
Hallenbaues  mit  quadratischem  Zugangsturm  sieht  man  noch  die  Konsolenreste 
der  Gurten  seines  noch  immer  pietätvoller  Erneuerung  harrenden  Gewölbes;  an 
den  Innenwänden  des  rundbogigen  Turmeingangs  neben  den  Stiftungsinschriften 
solche  von  Ariljer  Bischöfen  vom  Jahre  1633  und  späterer  Zeit.  Zu  jener  des 
Bischofs  Josif  (1729)  schrieb  ein  Türke:  „Es  gibt  nur  einen  Gott,  und  Muhammed 
ist  sein  Prophet!"  Einer  Inschrift,  welche  den  Iguman  SImeon  nennt,  ist  beigefügt: 
„Unter  ihm  verfiel  2ica,  1824."') 


')  Starinar  II,  58. 


6  Von  CaCak  über  Kraljevo,  Zica  nach  Studenica. 

Bis  zur  ersten  Restauration  (1856)  konnte  man  die  unveränderte,  hüciist 
originelle  Anlage  des  einstigen  Prachtbaues  und  die  malerische  Wirkung  des 
Mauerwerks  aus  wechselnden  farbigen  Ziegel-  und  Bruchsteiniagen  bewundern. 
Zahlreiche  erhaltene  Skulpturen  sprechen  auch  für  dessen  einstige  reiche  Deko- 
rierung und  zugemauerte  Türöffnungen  —  man  nennt  Zicas  Kirche  im  Volksniund 
„sedmovratna"  (die  siebentürige)  —  für  die  Begründung  der  Tradition,  dass  für 
jeden  neu  zu  krönenden  König  ein  besonderer  Eingang  eröffnet  und  nach  voll- 
zogener Zeremonie  gleich  wieder  geschlossen  wurde,  was  an  die  französische 
Grenzstadt  St.  Jean  de  Luz  mahnt,  deren  A\agistrat  das  Kirchenportal,  durch 
welches  Ludwig  XIV.  und  die  Infantin  Maria  zur  Verlobung  ein-  und  ausgetreten 
waren,  zu  ewigem  Gedächtnis  zumauern  liess. 

Der  baulustige  Bischof  „Janja"  begnügte  sich  nicht,  durch  seine  Restaurierung 
die  Kirche  dem  Gottesdienste  zurückzugeben,  sondern  liess  ihr  eine  zweite  folgen, 
welche  die  auf  meiner  im  Juni  1860  gefertigten  Zeichnung  erscheinenden  Zelt- 
dächer von  weissem  Zinkblech  durch  ganz  unpassende  occidentale  Bedachungen 
ersetzte  und  den  ursprünglichen  Bau  (s.  Plan  111,  XVlll.  Kap.)  durch  einige  Zutaten 
noch  mehr  entstellte.  Der  unverständige  Restaurationseifer  versündigte  sich  aber 
nicht  allein  an  dem  Bau,  sondern  auch  an  dem  weissmarmornen  Sarkophag, 
in  dem  König  Radoslav  die  früher  zu  Studenica  bewahrten  Gebeine  seines  Vaters 
Stefan  Nemanja,  des  Gründers  der  ersten  serbischen  Dynastie,  beigesetzt.  Die 
reich  skulptierte  obere  Platte  wurde  einiger  Risse  wegen  zerstört  und  eine  neue 
inschriftlose  trat  an  ihre  Stelle.  Unter  Schutt  und  Gerumpel  fand  ich  ihre  Bruch- 
stücke, bunt  gemengt  mit  jenen  eines  alten  Taufbeckens.  Ich  empfahl  diese 
Reste  dem  Schutze  des  Mannes,  dem  die  Ehre  von  Zicas  besser  gemeinter  als 
gelungener  Restauration  gebührt,  dem  seit  1854  vom  Sabacer  auf  den  Stuhl  des 
hl.  Sava  gelangten  Joanikije,  Bischof  von  Uzice. 

Zu  Joanikijes  Entlastung  sei  hier  bemerkt,  dass  die  damaligen  Belgrader 
Bureaukraten  ebensowenig  das  richtige  Verständnis  für  stilgemässe  Renovierung 
alter  Monumente  besassen,  ja  an  Opferfreudigkeit  ihm  sehr  nachstanden.  Die 
Kostenvoranschläge  der  Architekten  für  den  Aufbau  der  Zicaer  Kirche  erschreckten 
derartig,  dass  sie  glücklich  waren,  als  Bischof  Joanikije  sich  erbot,  die  in  Ruinen 
liegende  Kirche,  in  welcher  nur  einmal  im  Jahre  Gottesdienst  gehalten  wurde  und 
deren  Chor  ein  Bretterdach  notdürftig  schützte,  auf  eigene  Kosten  „wie  immer" 
vor  gänzlichem  Untergang  zu  retten.  Dieses  „wie  immer"  war  wohl  ein  Fehler, 
an  dem  aber  die  damalige  Regierung  mindestens  gleiche  Schuld  trug  wie  der 
opferwillige  Geistliche. 

Von  der  inneren  Ausstattung  der  Zicaer  Kirche  sind  erwähnenswert  der  ihr 
von  Joanikije  gewidmete  marmorne  .Altartisch  und  das  aus  Russland  gespendete 
reiche  Tabernakel  in  Tempelforni,  zur  Aufbewahrung  des  konsekrierten  Brotes. 
Die  älteren,  glücklicherweise  nicht  erneuerten  Fresken  boten  mir  erwünschte 
Gelegenheit,  meine  Studien  über  altserbische  Malerei  zu  ergänzen. 

Bekanntlich  entstand  auf  dem  Athos  unter  Panselinos  im  XI.  Jahrhundert 
eine  Hochschule  für  orthodoxe  Malerei,  in  der  Jünger  gebildet  wurden,  welche 
die  Kirchen   von   Kares   bis   zur  adriatischen   Küste,  von   Salonik    bis  zur  Newa 


Von  CaCak  über  Kraljevo,  Zica  nach  Sdiiknica.  7 

mit  Biltiern  hcdeckten.  Scluiler  des  durch  seine  Fresken  im  Protaton  zu  Kares 
berühmten  Malers  Pansclinos  schmückten  auch  die  serbisciien  Monumente  mit 
1-resken.  Sie  rühren  aus  verschiedenen  Jahrluinderten  her,  sind  sich  aber  trotzdem 
untereinander  ähnlich  und  können  bei  Vergleichen  mit  den  Bildern  in  Griechenland 
oder  Russland  ihre  gemeinsame  Mutter,  die  Schule  von  Kares,  nicht  verleugnen. 
So    erscheint    die    Himmeilalirl   Maria    zu    Zica   von    einer   solchen    in   Stuclenica 


ZI  CA.    Marniorreste  eines  allen   raudieckcns  und  Grabes. 


beinahe  abgeschrieben,  und  beide  zeigen  wieder  grosse  Ähnlichkeit  mit  derselben 
Darstellung  auf  der  Rückseite  des  Bildes  „unserer  lieben  Frau  vom  Don"  in  der 
Kathedrale  zu  Moskau,  abgebildet  in  den  „Drevnosti  rusiceskago  gosudarstva'. 
Entgegen  aber  der  Mitteilung  Didrons  über  die  stets  gleiche,  sklavisch  befolgte 
räumHche  Anordnung  der  einzelnen  Bilder  in  den  griechischen,  makedonischen 
und  thessalischen  Kirchen,  fand  ich  in  jenen  Serbiens  eine  viel  freiere  Bewegung. 
So  befindet  sich  das  oben  erwähnte  Bild  „Maria  Himmelfahrt"  zu  i\t3.  auf  der 
grossen  Westwand  über  dem  Haupteingang,  in  Studenica  aber  auf  der  nördlichen 
über  dem  Seitenportal  usw. 


8 


Von  CaCak  über  Kraljevo,  Zica  nach  Studcnica. 


Wälirend  bei  der  äusseren  Dekorierung  der  serbisciien  Bauten  abendländische 
Einflüsse,  unbeengt  durch  Kanone  und  sonstige  Vorschriften,  sich  geltend  machten, 
begegnete  ich  bei  den  älteren  Fresken  nur  selten  occidentalen  Anklängen.  Zu 
diesen  Ausnahmen  zählt  eine  sehr  edel  gehaltene  hl.  Maria  zu  Zica,  welche  gegen 
byzantinische  Tradition  das  Jesuskind  auf  dem  Arme  trägt.  Die  Zeichnung  der 
serbischen  Maler  ist,  wie  ich  schon  in  meinem,  verschiedene  Illustrationen  aus 
Zica  enthaltenden  Werke  „Serbiens  byzantinische  Monumente"  bemerkte,  gewöhn- 
lich eine  streng  stilisierte.  Die  Köpfe  sind  schön  geformt,  ihr  Ausdruck  ernst, 
die  Profile  edel  und  bei  den  Königen  manchmal  von  glücklicher  Individualisierung; 
bei  ihnen  verliert  sich  auch  zuweilen  die  schematische  Behandlung  der  Gewandung. 


ZlCA.    Fresken. 


Die  Heiligen  halten  meist  Schriftrollen  und  Bücher  in  den  Händen,  mit  Sentenzen 
oder  Auszügen  aus  ihrem  Leben;  in  den  Niniben  sind  ihre  Namen  eingeritzt 
oder  geschrieben.  Oft  begegnet  man  im  einzelnen,  namentlich  in  den  Köpfen, 
einer  wahrhaft  innerlichen  Belebung,  mit  der  Figur  und  Situation  ganz 
angemessenem  Ausdruck.  Der  segnende  Christus  und  die  hl.  Jungfrau  an  den 
Pfeilern  des  Scheidbogens  zu  Zica  zeigen  Köpfe  von  tadelloser  Zeichnung,  sehr 
glücklich  ist  auch  die  Haltung  der  klagenden  Frauen  auf  dem  Bilde  der  Kreuzigung 
im  rechten  Querschiff;  eine  Kreuzabnahme  im  linken  wurde  leider  stark  zerstört. 
Auch  im  Langschiff  befinden  sich  Spuren  figurenreicher  Darstellungen,  ebenso  in 
den  Pendentifs  der  Kapelleneingänge.  Sehr  gelungen  ist  das  erwähnte  figurenreiche 
Bild  der  „Himmelfahrt  Maria"  auf  der  Westwand.  Es  zeigt  Maria  im  Sarge,  von 
vielen  Heiligen  umgeben,  deren  Blicke  sich  aufwärts  richten,  nach  einer  kleinen 
geflügelten  Maria,  emporgetragen  von  Christus,   mit  zwei  Engeln   zur  Seite.     Die 


Von  Cacak  über  Kraljevo,  ^icn  nach  Stiidcnica.  9 

Vervvunderimir  ausdrückenden  Köpfe  der  Umstehenden  sind  von  vorzii^'licher 
Cliarakteristik. 

Verraten  schon  einige  dieser  Fresken  abendländische  Einflüsse,  so  möchte  ich 
aber  das  Bild  im  Torbogen  Tympanon  des  grossen  Westturmes  ganz  bestimmt 
einem  Maler  der  italienischen  Schule  zuschreiben.  Dafür  spricht  die  Komposition, 
die  Ausführung,  das  Kolorit  und  einzelne  Gewandmotive  der  zahlreichen  Figuren. 
Auf  dieses  Votiviiild  und  sein,  eine  thronende  Maria  mit  dem  Jesuskind  in  einem 
von  Engeln,  den  anbetenden  Hirten  und  hl.  drei  Könige  umgebenen  Rundfuedaillon, 
zu  dessen  beiden  Seiten  reich  gekleidete  weltliche  Personen  und  Heilige  sich 
gruppieren,  werde   ich   im   111.   Bande   (XVIll.  Kapitel)  eingehend   zurückkommen. 

Die  gemalten  Ornamente  an  Gesimsen  und  Sockeln  im  Innern  bestehen 
aus  stilisiertem  Blattwerk,  Guilloche,  Mäandern,  wellenförmigen  und  bei  den  oft 
restaurierten  Umrahmungen  der  Bilder  aus  barocken  Verzierungen.  Auf  den 
Mauern  im  Torwege  des  grossen  Tuinies  befinden  sich,  neben  den  Votivgemälden 
der  königlichen  Stifter,  zwei  mit  schwarzer  Farbe  aufgemalte  Chrysobullen,  welche 
sich  auf  deren  Schenkungen  beziehen.  Sie  erschienen  zuerst  in  P.  J.  äaffariks 
„Denkmälern  der  südslavischen  Literatur"  im  Originaltext  abgedruckt;  ihre  von 
Prof.  Sandle  für  mich  angefertigte,  von  Prof.  Daniele  durchgesehene  deutsche 
Uebersetzung  erscheint  zur  Charakterisierung  der  sozialen  Verhältnisse  und 
Stellung  des  Klerus  im  altserbischen  Reiche  gleichfalls  im  lli.  Bande. 

Ich  hatte  zu  lica.  fleissig  gearbeitet.  Am  Abend  sandte  mir  der  Vladika, 
wahrscheinlich  als  Zeichen  seiner  Anerkennung,  wohlschmeckende  Kirschen  und 
einen  prächtigen  Leibgürtel  mit  vielen  ürüssen  in  den  Han.  Erstere  verteilte 
ich,  den  letzteren  bewahre  ich  aber  als  Erinnerung  an  den  beweglichen  alten 
Herrn,  dessen  Ansichten  ich  wohl  nicht  auf  dem  Gebiete  der  Kunst  teilte,  dessen 
hochherzigen  Sinn  ich  aber  zur  Nacheiferung  für  seine  Amtsbrüder  hier  gern 
rühme.  Der  1804  zu  Milandza  im  Uzicer  Kreise  geborene  (1.  Bd.,  S.  574), 
1849  zum  Bischof  geweihte  Janicije  Neäkovic  stiftete,  nachdem  er  für  l\ca  so 
grosse  Opfer  gebracht,  1500  Dukaten  zur  Herausgabe  kirchlicher  Bücher,  in 
seinem  Heimatdorf  eine  Schule  und  Kirche,  eine  andere  im  benachbarten 
Preradovac.  Er  starb  1873  und  fand  seine  Ruhestätte  im  warm  geliebten  i\ca. 
Wie  hätte  es  seinen  Lebensrest  verschönt,  wäre  er  Zeuge  gewesen  des  Aktes, 
der  sich  bald  nach  seinem  Tode  in  der  von  ihm  hergestellten  Krönungskirche 
abspielte. 

Nachdem  1886  der  Sitz  des  Bistums  2ica  nach  Cacak  verlegt  worden, 
sahen  nach  vielen  Jahrhunderten  gänzlicher  Vergessenheit  die  altehrwürdigen 
Kirchenräume  1889  ein  für  Serbiens  Geschichte  denkwürdiges  Ereignis,  die 
Salbung  seines  jugendlichen  Königs  Alexander.  Selbstverständlich  geschah  das 
Möglichste  zu  ihrer  würdigen  Ausstattung  für  diese  Feier.  Der  König  war  am 
1.  Juli  von  Krusevac  in  Begleitung  der  Regenten  Belimarkovic  und  Protic, 
der  Minister,  seiner  Adjutanten  und  eines  stattlichen  Banderiums  im  festlich 
geschmückten  Kraljevo  eingetroffen.  Tausende  Landleute,  darunter  viele  Frauen 
und  Kinder,  die  zum  Teil  Tagereisen  gemacht  hatten,  um  den  „Mladi  Kralj" 
zu    sehen,    empfingen    ihn    mit    höchster    Begeisterung,     in    der    hl.   Geistkirche 


10  Von  Ca£ak  über  Kraljevo,  Zicn  nach  Stiidcnica. 

hielt  Pfarrer  Stanic,  vor  der  Ackerbauscliule  der  Büri^ermeister  patriotisclie 
Begrüssungsreden.  Das  Volk  strömte  bis  zum  Abend  vor  die  Wohnung  des  Königs, 
der  stundenlang  am  Fenster  die   ihm    dargebrachten  Huldigungen  entgegennahm. 

Am  2.  Juli  wurde  die  Salbung  in  der  Zicaer  Kirche  durch  den  kurz  zuvor 
aus  dem  russischen  Exil  zurückgekehrten  Metropoliten  Mihail,  welcher  mit  dem 
hohen  Klerus  den  König  am  Eingang  empfing,  mit  allem  Pomp  vollzogen.  Als 
das  Credo  rezitiert  werden  sollte,  hielt  ein  Vladika  an  den  König  eine  kurze 
Ansprache  und  fragte  ihn,  welchem  Glauben  er  treu  zu  bleiben  gedenke.  Nach 
der  Antwort  richtete  der  Metropolit,  dem  alten  Brauche  gemäss,  an  den  König 
die  Bitte,  das  Credo  zu  rezitieren.  Zwei  Vladiken  nahmen  den  König  darauf  an 
den  Händen  und  führten  ihn  vor  die  Ikonostasis.  Dort  kniete  er  nieder  und 
wurde,  als  er  sich  erhoben,  nach  orientalischem  Ritus  an  der  Stirn,  den  Schläfen 
und  der  Oberseite  der  Hände  gesalbt. 

Während  der  feierlichen  Handlung  wurden  101  Kanonenschüsse  abgefeuert. 
Rechts  vom  König  standen  der  Gesandte  Persiani,  den  einzige  zur  Feier 
erschienene  auswärtige  diplomatische  Vertreter,  die  Regenten,  die  Minister  unter 
der  Führung  des  Ministerpräsidenten  Gruic  und  die  Staatsräte;  links  die  Jour- 
nalisten mit  dem  „Times"-Korrespondenten  an  der  Spitze.  Die  Armee  war  durch 
je  einen  Abgeordneten  jeder  Charge  vertreten,  die  Kreise  des  Landes  durch  je 
zwei  Vertreter.  Ausserdem  nahmen  Gäste  aus  dem  Ausland  und  Gesangvereine 
an  der  Feier  teil;  vor  dem  Kloster  harrte  eine  zahlreiche  Menge  des  2 '2  Stunden 
langen  Wagenzugs.  Alles  verlief  in  bester  Ordnung  ohne  jede  Störung.  Es 
folgte  eine  Festtafel  zu  Ehren  des  russischen  Gesandten  Persiani,  bei  welcher 
der  König  auf  den  Zaren,  seinen  geliebten  Paten,  ein  Hoch  ausbrachte. 

Die  Kaiser  Alexander  111.,  Franz  Josef  1.  und  Wilhelm  II.,  die  Königin 
Viktoria  von  England,  König  Humbert  und  Präsident  Carnot  sandten  dem  jungen 
König  Alexander  telegraphisch  ihre  Glückwünsche.  Andererseits  sandte  Minister- 
präsident Gruic  Telegramme  an  König  Milan  und  die  Königin  Natalie,  welche  ihnen 
die  erfolgte   Salbung  anzeigten,  was  sofort  durch  Glückwünsche  erwidert  wurde. 

Mit  den  reichen  Donationen  aus  altserbischer  Zeit  verglichen,  ist  Zicas 
heutiger  Besitz  geringfügig,  denn  er  betrug  1893  an  Feldern,  Wiesen,  Obstgärten, 
Wald  usw.  nur  109  Hektar  und  wurde  auf  kaum  40000  d  geschätzt.  Da  aber 
ausser  einer  Pfarre  mit  fünf  Orten  noch  drei  andere  Orte  auf  Zicas  Kirche 
angewiesen  sind,  decken  die  etwa  5000  d  betragenden  Einnahmen  die  Steuern 
und  bescheidenen  Bedürfnisse  des  Archimandriten  und  seiner  zwei  Mönche. 

Meine  Aufgabe  zu  Zica  war  beendet  und  weiter  ging  es  zum  gleich 
berühmten  Studenica.  Der  Kraljevoer  Kapetan  hatte  die  Führung  übernommen; 
also  fehlte  es  auch  nicht  an  einem  Trosse  karakolierender  Panduren  und  an 
Überraschungen  aller  Art,  welche  das  damals  übliche,  einen  Tag  früher  auf  der 
ganzen  Route  angekündigte  Erscheinen  eines  höheren  Besuchs  die  gastfreund- 
lichen Bauern  vorbereiten  liess.  Strömender  Regen  entzog  leider  bald  den 
Kotlenik  und  die  Krusevacer  Berge  unseren  Blicken;  selbst  das  niedrig  hängende 
Gewölke  konnte  aber  der  Kraljevoer  Landschaft  nicht  die  Wirkung  ihrer 
örtlichen  Reize  gänzlich  rauben. 


Von  Lacak  über  Kraljcvo,  Zica  nach  Stiidenica  11 

Über  die  fetterdi^a-  Höhe  von  Cilnikovac  ritten  wir  SW.  in  ein  grosses 
fruchtbares  Tai  hinab.  Seine  Orte  Konarevo,  Bo^uitovac,  durch  welche  wir 
i<amen,  sowie  mehrere  andere  bergen  salzige  Quellen.  Etwas  östlicher  sieht 
man  versteinerte  Buchenstänmic  im  ibarbette.  Vor  dem  engen  Felsentor  bei 
Progorelica,  durch  welches  der  Ihar  seine  Gewässer  aus  Alt-Serbien  der  west- 
lichen Morava  zuliihrt,  tritt  die  Schönheit  und  Üppigkeit  des  Pflanzenwuclises  dieses 
Landstrichs  auffallend  hervor.  Neben  in  voller  Reife  prangenden  Kornfeldern 
sah  ich  Wiesen  mit  mannshohem,  weithin  duftendem  Gras,  dem  leider  die 
würzigsten  Teile,  weil  es  oft  monatelang  des  Schnitters  harrt,  entzogen  werden. 
Der  Boden  ist  hier  so  reichtragend,  dass  man  bei  rationellerer  Wirtschaft  zuver- 
lässig auf  zwei,  ja  drei  Ernten  zählen  dürfte.  Ich  gedachte  der  vielen  Deutschen, 
welche  weit  weg  der  amerikanischen  Urwildnis  eine  neue  Heimat  abzuringen 
suchen:  was  könnten  diese  fleissigen  Arme  aus  der  von  paradiesischer  Urkraft 
strotzenden  Ebene  machen! 

Im  lustigen  Galopp  ging  es  vorwärts;  es  war  die  letzte  freie  Bewegung, 
welche  das  vor  Bogutovac  beginnende  bergige  Terrain  dieser  subalpinen  Region 
für  längere  Zeit  gestattete. 

Wenige  Stunden  S.  vom  Kraljevoer  Tertiär-Plateau  schliessen  sich  an  die 
auf  S.  2  genannten  Gebirge  der  Djakovo,  2eljin,  die  Ploca,  um  mit  dem 
Kopaonik  den  höchsten  Punkt  zwischen  Savc  und  Balkan  zu  erreichen.  Die 
ganze  Erhebungskette  konstituiert  sich  neben  Granit,  Syenitporphvr  und  Trachyt 
vorherrschend  aus  Serpentin.  Dem  entspricht  auch  der  Charakter  der  Flora,  die 
ernste  Physiognomie  der  Landschaft.  Öfter  als  bisher  zeigten  sich  vegetationslose 
Kuppen  und  Spitzen.  Von  der  Lopatnica,  Bresnica,  Pivnica,  Dubocica,  Studenica, 
den  Radu§  und  anderen  reissenden  Bächen  durchfurchte  Gehänge  erschwerten 
hier  früher  den  Verkehr,  und  ihre  sterilen  Täler  gewähren  der  spärlichen 
Bevölkerung  auch  heute  noch  eine  nur  kümmerliche  Existenz.  Die  Terrain-  und 
Vegetationsverhältnisse  üben  leider  auf  ihre  Physis  und  Psyche  traurigen  Einfluss. 
Vor  uns  lag  Zamcanje,  dessen  Bewohner  meist  vom  Kretinismus  schwer 
heimgesucht  sind,  wie  denn  Kropf  und  Gehirn -Atrophie  in  der  ganzen 
Ibarspalte  endemisch  auftreten.  Auch  am  jenseitigen  Ufer,  im  Kruäevacer  Kreise, 
kommen  viele  Kröpfe  (guäa)  vor,  besonders  bei  Josanica  und  in  den  Tälern  des 
Kopaonik. 

Nach  vierstündigem  Ritte  standen  wir  dem  von  Regenwolken  teilweise 
eingehüllten  Stolovi  und  der  Ruine  des  Schlosses  Maglic  gegenüber.  Entsprechend 
seinem  Namen  lag  nebelhaftes  Grau  auf  seinen  sieben  Türmen  und  den  sie 
verbindenden  Mauern;  solches  liegt  auch  auf  seiner  Entstehung  und  Geschichte. 
Weder  Sagen  noch  Volkslieder  wissen  etwas  von  Maglic  zu  erzählen;  es  hatte 
wahrscheinlich  die  früher  unten  am  Ibar  ziehende  Strasse  zu  sperren.  Ruinen, 
wenn  sie  nicht  besonders  pittoresk,  bedürfen  aber  notwendig  einer  interessanten 
Vergangenheit.  Um  ihr  zerbröckelndes  Gemäuer  müssen  die  Tradition  und 
anziehende  Sagen  weben,  sollen  sie  uns  festhalten.  Ich  zog  an  dem  wahr- 
scheinlich auf  römischen  Rudimenten  entstandenen  mittelalterlichen  Feudalbau 
unbewegt  vorüber,  begnügte  mich,  ihn  zu  skizzieren,  es  Nachfolgern  überlassend, 


12 


\'oii  Cacak  über  Kraljevo.  Zicn  nach  Stiidcnica. 


diese  und  eine  andere  Befestigung  NW.  bei   StanCa,   an   der  oberen   Lnpatnica, 
ausführlich  zu  beschreiben. 

Im  Lichte  des  ersten  Sonnenstrahls,  der  sich  durch  das  zerrissene  Gewöike 
Bahn  brach,  ringeHen  sich  die  blauen  Rauchsäulen  des  nahen  Dorfes  Maglic 
als  „gut  Wetter"  verkündende  Zeichen  lustig  empor.  Einen  Augenblick,  dann 
gedeckt  durch  „Segler  der  Lüfte",  wieder  erscheinend,  etwas  länger  andauernd, 
endlich  siegreich  vorbrechend  und  die  ganze  südliche  Landschaft  mit  Licht 
überströmend,  erquickte  das  Himmelsgestirn  zur  rechten  Zeit  das  beengte  Gemüt. 
Bald  fand  ich   auch,   dass   gute,  gastfreundliche  Menschen   den   breiten  Talsporn 


Schloss  Maglic  am  Ibar. 


bewohnen,  welcher  die  Maglicer  Berge  trennt.  Unter  einer  schattigen  Eiche 
fanden  wir  den  nassen  Rasen  mit  Teppichen  überdeckt  und  Erfrischungen  vor- 
bereitet. Guter  Rakija,  dem  wir  abwechselnd  mit  Wein  zusprachen,  vertrat  die 
Stelle  wärmender  Suppe,  die  nahe  fischreiche  Dubocica  lieferte  köstliche  Forellen 
zum  Mahle;  Eier  und  Käse  waren  die  begleitenden  Vor-  und  Nachgerichte. 

Ich  konnte  es  mir  nicht  versagen,  einen  Blick  in  das  Haus  des  Kmeten, 
des  reichsten  Mannes  von  Maglic,  zu  werfen  und  lade  den  Leser  ein,  mir  zu 
folgen  in  den  grossen  Raum,  Stube  kann  man  ihn  wohl  nicht  nennen,  denn  er 
ist  zugleich  Küche  und  Vorratskammer.  Besser  als  jede  Schilderung  spricht 
seine  treue  Abbildung  für  die  Genügsamkeit  dieser  armen  Gebirgsbewohner, 
welche  von  Fischfang  und  Schnitzen  hölzerner  Gefässe,  insbesondere  bauchiger 
Branntweinflaschen    (cuture),    leben;    auch  zeigt  sie   die  Stufe,  welche   die  guten 


Von  CnCak  ülxi  Kraljevo,  Zii^a  nach  Studenica.  15 

Leute  auf  der  Leiter  sozialen  Erdenvvaliens  einnehmen.  Und  doch  sind  diese 
Menschen  glücklich  und  lieben  die  sterile  Scholle,  auf  der  sie  das  Schicksal 
lieberen  werden  Hess.  Bei  Guslespiel  singen  sie  von  der  einstigen  Grösse  ihres 
Vaterlandes  und  seinem  künftigen  Glänze! 

Maglic  bildet  den  südlichsten  Punkt  des  .  Kraljevoer  Bezirks  auf  dem 
linken  Ibarufer;  der  Kapelan  verabschiedete  sich,  liess  aber  einige  Pandurcn  zu 
unserer  Begleitung  zurück.  Hier  bog  unser  Weg  nach  Studenica  westlich  vom 
Ibar  ab.  Ein  schmaler,  über  nacktes  Gestein  aufwärts  strebender  Pfad  führt  in 
einer  Stunde  auf  den  Pass,  welcher  das  Maglicer  Tal  mit  dem  Dubocicaer 
verbindet.  Ich  blickte  zurück  auf  die  geschlängelte  tiefe  Furche,  welche  der  durch 
viele  Zuflüsse  verstärkte  Ibar  in  das  mächtige  Serpentinmassiv  sich  grub.  Die 
IJferhänge  fallen  grossenteils  steil  ab  und  ihre  Verrückbarkeit  erschwerte  den 
Bau  der  lange  geplanten  Strasse,  welche  den  Verkehr  zwischen  dem  Distrikte 
Novi  Pazar  und  dem  mittleren  Moravabecken  erleichtern  sollte.  Erst  im  Jahre  1875 
schritt  mein  Begleiter  Klinar  an  ihre  Tracierung  und  1881  mit  den  Ingenieuren 
Vujic,  Kiko  und  Cvetkovic  an  ihre  fünf  Jahre  dauernde  Ausführung,  welche 
1  177  580  d  —  den  Kuluk  ungerechnet  —  kostete.  Die  8fi  km  lange  Strasse 
schmiegt  sich,  bis  auf  eine  kleine  Strecke,  dem  linken  Ibarufer  an  und  musste 
grossenteils  durch  mühsame  Sprengungen  gewonnen  werden;  so  durch  den 
schwierigen  Einschnitt  im  Glimmerschiefer  bei  Lakat,  durch  die  Jagnjilohöhe 
hinter  Polumir  und  die  60  m  hohen  Granitfelsen  bei  Brvenik,  wo  sich  auch 
die  grösste  der  22  Brücken  befindet.  Sie  ist  97  m  lang  mit  drei  Öffnungen. 
Zur  Versicherung  der  Ufer  bedurfte  es  an  zwei  Punkten  600  m  langer  Stützmauern. 
Die  technische  Durchführung  gereicht  den  beteiligten  Ingenieuren  zu  hoher  Ehre; 
es  ist  ein  wahrer  Kunstbau,  der  bequem  ini  Phaetoii  befahren  werden  kann.  Die 
Trace  ist  äusserst  sanft,  die  Kurven  sind  gut  entwickelt,  und  die  grösste  Steigung 
an  der  Raduäka  bei  Vodice  beträgt  6:  100  m. 

Beim  Rückblick  durch  das  im  tiefen  Schatten  liegende  Pilone  des  Sto- 
uiui  Tniak-Felsentores  leuchtete  fern  ein  in  Sonnengold  getauchter  Streif,  die 
Kraljevoer  Ebene,  auf,  die  ich  in  ihrer  ganzen  Pracht  zuerst  vom  hohen  Kablar 
erblickt  hatte,  nach  langem  Intervall  bei  Krusevac  wieder  sehen  sollte.  Ein 
Scheidcgruss  dem  gastlichen  Maglic,  ein  Blick  noch  auf  sein  stummes  Schloss- 
gemäuer und  hinab  ging  es  auf  abschüssigem  Kletterweg  zum  tief  unten  liegenden 
Dubocica.  Wir  machten  die  Partie  zu  Fusse,  um  unsere  ermatteten  Tiere  zu 
schonen,  denn  noch  wartete  ihrer  harte  Arbeit.  Nach  kurzer  Rast  ging  es  bei 
Bresnik  über  den  Sattel  „Piljakov  Sanac"  (1280  m)  des  1528  m  hohen  Djakovo, 
dessen  Osthang  ein  Buchenwald  von  seltener  Pracht  bedeckt.  Obgleich  die 
nördlicheren  Gebirge  des  Kreises,  namentlich  die  Stolovi  und  Kobasica,  prächtige 
Stände  von  Eichen,  Weissbuchen,  Eschen,  Birken,  Ahornen  usw.  zeigen,  trat  ich 
nun  erst  in  den  waldreichsten,  auch  Koniferen  bergenden  Teil  des  Landes.  Nur 
in  Montenegro,  wo  seine  Bergmauern  bei  Stanjevic  steil  zum  Kattarogolf 
abfallen,  und  in  Tharandts  berühmten  „heiligen  Hallen"  erinnere  ich  mich,  ähnliche 
majestätische  Buchen  gesehen  zu  haben.  Ihr  prächtig  ineinandergreifendes  Ast-, 
Zweig-  und  Laubwerk  mahnte  lebhaft  an   die   Pfeiler,   Rippen   und    Blätterhündel 


1(5  Von  Cacak  iihcr  Krnljevo,  Zica  nach  Studenica. 

gotischer  Dome;  im  Sciiattcn  der  hochwipfiigen  Kronen  entfaltete  sicii  aber  eine 
reiclie  Flora  als  bunter  Mosaik-Estrich  des  grünen  Natiirdonies.  Unsere  Ausrufe 
der  Bewunderung  gingen  in  weithallende  Melodien  über;  wohl  zum  erstenmal 
ertönten  deutsche  Lieder  in  diesem  serbischen  Waldmünster.  Langsamen  Schrittes 
durchzogen  wir  dasselbe  und  erquickten  uns  an  seinen  „Weihbrunnen",  den 
köstlich  mundenden  Silberquellen  in  geheimnisvollen  Verstecken. 

Docli  Serbien  ist  nicht  ganz  und  gar  das  Land  süsser  Träumereien,  auch 
kennt  man  in  seinen  „heiligen  Hallen"  die  Rache  wohl!  Noch  ist  es  nicht  lange 
her,  da  glich  die  Menschenbrust  dort  seinem  Boden  voll  ungebändigter  Urkraft. 
Die  Gegensätze  menschlichen  Begehrens,  der  Kampf  der  Leidenschaften  war  unter 
der  Türkenherrschaft  mehr  durch  Gewalt  als  durch  weise,  sänftigende  Gesetze 
niedergehalten  worden.  Mit  der  Entfernung  des  jahrhundertelang  lastenden  Druckes 
schössen  sie  empor;  während  der  Befreiungskriege  und  nach  denselben  hatte  der 
unparteiische  Chronist  neben  Zügen  patriotischer  Hingebung  auch  Fälle  rohester 
Willkür  zu  verzeichnen. 

Es  war  zur  Zeit  des  ersten  Milos-Regiments,  da  zogen  zwei  Männer  den- 
selben Weg.  Sie  hatten  aber  kein  Auge  für  des  Waldes  Pracht;  das  Gefühl 
tiefer  Trauer  beherrschte  ihre  Seele,  denn  sie  mussten  ins  Exil.  Dicht  hinter 
ihnen  ritten  finster  blickende  Männer,  ihre  Eskorte,  Milos'  Momken.  An  der 
künstlich  aufgeworfenen,  rasenbedeckten  Stelle,  an  welcher  wir  auf  den  Wink  des 
vorausziehenden  Panduren  unsere  Pferde  anhielten,  fiel  damals  ein  Schuss,  und 
einer  der  beiden  Exilierten  war  des  grössten  Schmerzes  ledig  —  er  durfte  sein 
Vaterland  nicht  mehr  verlassen!  Des  Weges  ziehende  Bauern  fanden  den  Leich- 
nam und  betteten  ihn  im  prächtigen  Buchendom,  in  heimatlicher  Erde.  Welch 
Schicksal  seinen  Leidensgefährten  ereilte?  Unser  Erzähler  schwieg.  Doch  wer 
weiss  es  nicht,  im  Krieg  und  Bürgerzwist  wiegen  Menschenleben  leicht!     Vorbei! 

Noch  ^war  der  wechselvolle  Tag  nicht  an  Ueberraschungen  erschöpft;  neue 
Eindrücke  harrten  unser  auf  der  Südseite  des  Berges.  Wir  hatten  den  Djakovo 
kaum  überstiegen,  da  tat  sich  ein  weites,  von  buntesten  Abendtinten  übergossenes 
Panorama  vor  uns  auf,  das,  mit  dem  höchsten  serbischen  Berge  Kopaonik 
beginnend,  in  weit  hintereinander  sich  aufbauenden  Ketten  die  türkischen  Gebirge  bis 
zum  klassischen  Hämus  vor  uns  aufrollte.  Dem  sonnig  angestrahlten  Linienspiel 
in  der  Ferne  lieh  die  sterile,  in  Abendschatten  gehüllte  Landschaft  im  Vorgrunde 
Kontrast  und  Folie.  Der  Aug'  und  Herz  erfreuende  blumengeschmückte  Rasen 
verschwand  hier,  losgewaschenes,  in  mächtige  Blöcke  geborstenes  Gestein  trat 
an  seine  Stelle,  und  struppiges,  düsteres  Nadelholz,  das  erste,  welches  ich  in 
Serbien  erblickte,  drückte  dem  Südhange  des  Djakovo  und  der  sich  anschliessenden, 
viel  zerklüfteten  Hochebene,  mit  gleichnamiger  ärmlicher  Ansiedelung,  ein  unsere 
früher  empfangenen  Eindrücke  gänzlich  umstimmendes  melancholisches  Gepräge 
auf.  Wenn  im  Wechsel  der  Gegensätze  der  höchste  Reiz  für  die  jeder  Monotonie 
feindliche  occidentale  Menschenseele  liegt,  so  empfand  ich  ihn  wahrlich  an  jenem 
Tage  in  überschwenglichem   Masse. 

Gerne  hätte  ich  die  rauhe  Einöde,  eine  der  wildromantischsten  Landschaften 
auf   meinen  Kreuz-    und  Querzügen  durch  Serbien,   skizziert,    doch    unser   Führer 


Von  Ca^ak  über  Kraljevo,  iiia  nach  Studenica.  1  7 

mahnte  wegen  des  vorgerückten  Abends  zur  Eile;  so  zogen  wir  an  den  schönen 
Motiven  eines  i<ieinen  Wasserfalles,  einer  pittoresken  Mühle  iintl  am  hnchliegcnden 
Brunnen  von  Djakovo  (692  m),  den  rauhes,  fremdartiges  Hirtenvolk  umlagerte, 
beschleunigten  Schrittes  vorüber.  Bei  Mondschein  ging  es  durch  die  rauschende 
Studenica.  Auf  ihrem  rechten  Ufer  erheilte  der  Feuerschein  eines  Zigeunerlagers 
unseren  Pfad.  Über  den  Wipfeln  hoher  Baumgruppen  hoben  sich  bald  darauf  die 
dunklen  Umrisse  einer  Kuppel  vom  Horizont  ab.  Nach  einstündigem  Ritte  durcii 
das  langgedehnte  Klostergut  kamen  wir  endlich  um  9  Uhr  abends  an  das  ersehnte 
Ziel,  zum   160  m  tiefer  liegenden  Studenica. 

Von  sechzehn  Stunden  hatten  wir  zwölf,  Höhen  auf-  und  abklimmend, 
grösstenteils  im  Sattel  zugebracht.  Ermüdet  und  deshalb  wenig  gelaunt,  mit  dem 
Archimandriten  in  so  später  Stunde  noch  Komplimente  zu  tauschen,  zogen  wir 
es  vor,  in  der  leidlich  guten  Mehana  uns  nach  Möglichkeit  einzurichten.  Die 
aus  dem  Kloster  gesandte  Einladung  zur  Übersiedelung  änderte  nichts  an  dem 
gefassten  Beschluss.  Der  Mehandzija  setzte  uns  am  Spiesse  gebratene  „Lipen" 
vor.  „Fische  zum  Frühstück,  zu  Mittag  und  zum  Abendbrot!"  lamentierten  wir 
im  Chore.  Diese  kleinen  „Lipen"  schmeckten  jedoch  besser  wie  Forellen;  ein 
trefflicher  Säuerling  von  einer  nahe  dem  Kloster  entspringenden  Quelle  würzte 
den  prächtigen,  aus  seinen  Rebengärten  gewonnenen  Wein,  und  erquickt  schritt 
ich  zur  Ordnung  meiner  Notizen. 

Das  einst  stark  befestigte,  wahrscheinlich  auf  einem  Römerkastell  erbaute 
Studenica  ist  von  Stefan  Nemanja,  dem  glorreichen  Ahnherrn  der  gleichnamigen 
Dynastie,  in  einem  romantischen  Gebirgskessel  (405  m),  zur  Verherrlichung  der 
„allerseligsten  Gottesgebärerin"  gestiftet.  Nachdem  Stefan  dem  Throne  1195 
entsagt  hatte,  lebte  er  hier  zwei  Jahre  und  starb  1200  als  Mönch  auf  dem  Athos. 
Sein  Sohn,  der  hl.  Sava,  auf  einer  Freske  „hochwürdiger  Erzbischof  vom  ganzen 
serbischen  Lande  und  von  den  Meeresküsten"  genannt,  Hess  1203  die  Gebeine 
seines  Vaters  nach  Studenica  übertragen  und  versöhnte  während  dieser,  mit 
grossem  Pompe  vollzogenen  Feier  seine  Brüder  Vukan,  Herzog  der  Zeta,  mit 
Stefan  1.  „Prvovencani",  welchen  der  erstere,  unterstützt  durch  König  Slcfah  V. 
von  Ungarn,  entthront  hatte. 

Die  „Carska  Lavra"  ist  heute  noch  das  grösste,  prächtigste  und  reichste 
Kloster  des  Landes.  Seine  1172  aus  Marmorquadern  erbaute  „Maria  Himmel- 
fahrt"-Hauptkirche  zeigt  schon  in  der  organischen  Anlage  und  reizvollen  Durch- 
bildung des  Grundrisses  eine  höchst  interessante  Verbindung  der  römischen 
Basilika  mit  dem  byzantinischen  Zentralbau  und  bietet  auch  sonst  ein  lehrreiches 
Beispiel  occidentalen  Einflusses  auf  die  altserbische  Architektur.  Der  westliche 
schlechte  Anbau,  welcher  die  in  die  Kirche  einbezogene  alte  Stirnfassade  am 
Giebel  stark  beschädigte,  rührt  aus  neuerer  Zeit  von  cincarischen  Meistern  her.  Von 
den  drei  östlichen,  rund  abgeschlossenen  Altarräumen  ist  der  mittlere  bedeutend 
breiter  und  das  durch  die  Ikonostasis  von  diesen  getrennte  Hauptschiff  durch  einen 
reich  gegliederten  Eingang  mit  dem  Narthex  verbunden;  N.  und  S.  von  der 
Vierung  öffnen  sich  Querschiffe  von  geringer  Tiefe  und  Höhe.  Die  Fassaden  sind 
in  romanischer  Weise  mit  Lisenen  und  Bogenfriesen  dekoriert  und  die  oktogonale, 

F.  KANITZ,  Serbien     II.  - 


18 


Von  Catnk  über  Kraljevo,  Ziöa  nach  Stiidcnica. 


Stark  restaurierte  Kuppel  mit  baroci<en  Ornamenten  bemalt.  Das  lini<sseitige  Portal 
erscheint  ganz  einfacii  gegliedert  und  ohne  alle  Verzierung,  ebenso  das  Fenster 
der  linken  Seitenapside  im  Gegensatze  zum  reichen  rechtsseitigen  Portal  und 
dem  Fenster  der  rechten  Seitenapside.  Weit  mehr  zeigt  noch  das  Haupttor  der 
Stirnfassade  spätere  Eingriffe  in  den  Plan  des  ersten  Architekten;  denn  es  steht 
nicht  nur  ausser  allem  Verhältnis  zu  ihrer  Breite,  sondern  erscheint  geradezu 
an  ihre  mittleren  Lisenen  geklebt.  Der  ursprünglich  beabsichtigten  spärlicheren 
Dekoration  entspricht  der  kleine  Eingang  mehr  als  der  grosse  Portalüberbau,  denn 


STUDENICA.    Orimdriss  der  alten  Kirche. 


er  harmoniert  besser  mit  den  einfach  profilierten  Rundbogen  der  durch  Säulen 
geteilten  beiden  Fenster,  welche  der  reich  geschmückte  Portalbogen  beinahe  berührt. 
Die  Stirnfassade  besitzt  gewissermassen  zwei  Portale.  Das  Tympanon  des 
kleinen  eigentlichen  Eingangs  enthält  nur  ein  Doppelkreuz  und  einfache  Ornamente 
von  vertiefter  Arbeit;  die  glatten  Pfeiler  und  seinen  Bogen  umschliesst  aber  eine 
zweite,  reichverzierte  Umrahmung,  welche  an  jene  der  um  das  Jahr  1000  gegründeten 
griechischen  Abtei  „Grotta  ferrata"  im  Sabinergebirge  bei  Rom  mahnt.  Wie  dort, 
sehen  wir  in  den  Füllungen  des  Rahmens  zarteste  Arabesken  und  Blumengewinde 
und  im  Querbalken  Tiere  zwischen  Rankenverzierungen  en  relief;  die  dem  kleinen 
Eingang   zugewendeten   beiden   Langseiten   der   Pfeiler    zeigen   die   zwölf  Apostel 


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STUDENICA     Hauptportal. 


Von  Caiak  über  Kraljevo,  iiia  nach  Sliidcnica.  '21 

gleichfalls  in  erhabener  Arbeit.  Diesen  quadratischen  Rahmen  schliessen  sich 
wohlgegliedcrte  Pfeiler,  Halbsäiilcn  inid  von  Löwen  getra<;enc  Vollsiiulen  an, 
deren  korinthisciic,  weni^^  stilisierte  Kapitale  eine  mit  Akanthusblatt  gezierte 
Gesimsleiste  tragen;  auf  ihrer  Platte  ruhen  die  ein  wenig  hufeisenfürmig  geformten 
Bogen,  von  welchen  die  zwei  innersten  mit  Akanthusblatt  verziert  und  gleich  dem 
Tympanon,  welches  sie  umrahmen,  bemalt  sind.  Letzteres  zeigt  einen  thronenden 
Christus  mit  zwei  anbetenden  Engeln  in  streng  byzantinischer  Auffassung,  die 
Nimben  sind  mit  im  Kreise  laufenden  Akanthusblättern  gefüllt.  Dieses  Relief, 
eines  der  wenigen  figurengezierten  in  Serbien,  scheint  von  einem  alleren  Baue 
herzurühren  und  ward  von  den  Türken  stark  beschädigt.  Der  unverhaltnismässig 
grosse  äussere  Bogen  wird  von  zwei  phantastisch  geflügelten  Tieren  getragen, 
deren  Plinthen  auf  zwei  freistehenden  Säulen  ruhen.  Den  Mittelpunkt  seiner 
Dekoration  bildet  ein  Tierkopf,  aus  dessen  Rachen  Ornamentranken  hervorgehen, 
in  welchen  zentaurenartige  Bogenschützen  Löwen  und  andere  Tiere  jagen.  Das 
Ganze  atmet  Leben  und  Bewegung  und  wetteifert,  obschon  stilistisch  behandelt, 
gleich  allen  übrigen  Skulpturen,  Oi  der  technischen  Durchführung  mit  den  schönen 
Marmorarbeiten  zu  St.  Ambrogio  in  Mailand.  Das  Gleiche  gilt  von  dem  durch 
zwei  Säulen  geteilten  Fenster  der  grossen  Apsis,  welches,  dem  der  Panagia 
Nicodimo  zu  Athen  ähnlich,  in  seiner  Umrahmung  einen  lebendigen  Wechsel  von 
Ornamenten,  Blumen  und  Tieren,  darunter  einzelne  Zeichen  des  Zodiakus,  zeigt. 
Neben  dem  reichverzierten  unteren  Querbalken  sind  zwei  verstümmelte  Konsolen 
eingelassen,  die  wahrscheinlich  eine  Mönchs-  und  Tiergestalt  darstellten.  Weniger 
rein,  ja  oft  roh,  ist  das  Detail  des  mit  spiralförmig  gewundenen,  kannelierten 
und  sonst  reich  verzierten  Säulen  und  Bogen  ausgestatteten  Südportals. 

Die  alten  Fresken  im  Innern  der  Kirche  sind  grösstenteils  zerstört  und 
wurden  bei  der  vor  etwa  fünfzig  Jahren  erfolgten  Restaurierung  der  Kirche  teil- 
weise durch  neue  ersetzt,  welche  in  Anordnung  und  im  Detail  den  ursprünglichen 
Resten  nachgebildet  erscheinen;  auch  von  ihnen  gilt,  was  ich  schon  bei  2ica 
über  die  serbischen  Fresken  äusserte.  In  „Serbiens  byzantinische  Monumente" 
beschrieb  ich  die  malerische  Ausstattung  der  Kirche,  als  Beispiel  der  in  Serbien 
durchschnittlich  eingehaltenen  Anordnung  der  Bilder,  die  auch  eine  Vergleichung 
mit  der  im  ..Handbuch  der  Malerei  vom  Berge  Athos"  vorgeschriebenen  gestattet. 
Besondere  Erwähnung  verdienen,  ihrer  trefflichen  Ausführung  wegen,  im  Narthe.x- 
Tympanon  eine  Maria  mit  dem  Kinde,  darüber  auf  der  Waiulfläche  die  leider 
sehr  beschädigte  Darstellung  des  Weltgerichts,  in  der  nur  noch  oben  eine  von 
Aposteln  oder  Heiligen  umgebene  Weltkugel  in  Wolken,  unten  vier  herabfliegende 
Engel  mit  Posaunen  und  andere  mit  dem  Kreuze  und  heiligen  Marterwerkzeugen  zu 
erkennen  sind.  Auf  der  Scitenwand  rechts  kniet  der  hl.  Sava  vor  der  thronenden 
Jungfrau  mit  dem  Kinde;  neben  ihr  erscheinen  in  besonderen  Feldern  die  Heiligen 
Markus  und  Onofrius,  letzterer  mit  bis  auf  die  Erde  reichendem  weissen  Barte  in 
härenem  Gewände,  ferner  Peter  von  Atona,  nackt  mit  Schürze  und  Aleksi.  Auf 
der  Rückwand  im  Narthex  sieht  man  (sehr  verwischt)  rechts:  das  hl.  Abendmahl, 
darüber  Christus  vor  Pilatus,  in  noch  höherem  Felde  eine  Gruppe  von  Heiligen, 
über  diesen   mehrere   E!ngel.     Auf  der  Wand,  gegenüber  der  Ikonostas,   befindet 


22 


Von  Caiak  über  Kinljevo,  Zita  nach  Studenica. 


sich  ein  jj;rosses  Bild:  Christus  am  Kreuze  mit  Maria,  den  klagenden  Frauen  und 
dem  hl.  Johannes;  in  den  Wolken  schweben  kleine  Engel.  Über  dem  Sarkophag 
des  hl.  Simeon  zeigt  ein  Votivbild  denselben  (?)  mit  einer  Kirche  auf  dem  Arme, 
von  der  hl.  Jungfrau  geführt,  vor  Christus  tretend.  Von  grossen  Bildern  sind 
noch  zu  nennen  auf  der  rechten  Wand:  Christi  Geburt  mit  den  hl.  drei  Königen, 
auf  der  linken:  Maria  Verklärung;  am  Bogen,  gegenüber  der  Ikonostas:  Christi 
Verklärung  mit  Elias  und  Moses  auf  einem  Gebirge.  In  den  Sendentifs  erscheinen 
die  vier  Evangelisten;  im  Kuppcltambour,  zwischen  den  Fenstern,  die  zwölf  Apostel, 


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STUDENICA.    Apostelfiguren  und  Clmr.-ipsidenfenster. 


Über  diesen  die  Heiligen  des  alten  Bundes  und  in  der  Wölbung  der  von  Engeln 
umgebene  thronende  Pantokrator,  die  Weltkugel  haltend;  den  grossen  Schneid- 
bogen zieren  die  Bilder  der  Heiligen:  Simeon,  Sava,  Lazar  und  Stefan.  Die  Apsis 
zeigt  von  grösseren  Darstellungen  die  hl.  Jungfrau  mit  dem  Jesuskind  und  zwei 
Engeln,  darüber  Christus  an  einem  Tische  sitzend  mit  den  zwölf  Aposteln. 

Die  das  Sanktuarium  von  den  übrigen  Kirchenräumen  abschliessende 
Ikonostasis  wurde  in  Studenica  in  alter  Pracht  erneuert;  von  ihren  drei  Eingängen 
ist,  wie  in  allen  orientalischen  Kirchen,  der  mittlere,  die  „carske  dveri"  (Kaisertor), 
ausschliesslich  dem  zelebrierenden  Priester  vorbehalten;  für  die  Diakone  und  Djaci 
(geistliche  Schüler)  sind  die  Seitenpforten  bestimmt.  Das  Kaisertor  ist  mit  durch- 
brochenen, vergoldeten  Arabesken  verziert;  hinter  demselben  hängt  ein   purpurner, 


Von  CaCak  über  Kraljcvo,  2ica  nach  Stiidenica  'JM 

reich  gestickter  Vorhang.  In  frühbyzantinischer  Zeit  waren  diese  Eingänge  monu- 
mental gehalten.  In  der  Panagia  Nikodimo  zu  Athen  bestanden  die  Türpfeiler  aus 
Marmorsäulen  mit  Architraven  aus  gleichem  Material.  In  der  Demetriuskirche  zu 
Smyrna  sind  die  sechs  Säulen  der  Eingänge  aus  schönem  Marmor,  ihre  Kapitale 
und  Basen  aus  massivem  Silber.  Zu  Hilandar  auf  dem  Athos  wird  noch  heute 
ein  in  Gold  und  Silber  reich  gestickter  seidener  Vorhang  bewahrt,  der  dem  Kloster 
von  der  serbischen  Nonne  Euphcmia,  Tochter  des  Cesaren  Voichna  und  Witwe 
des  Despoten  Ugljesa,  1399  geschenkt  wurde.  Die  Hauptfelder  neben  dem 
Königstor  der  Ikonostasis  zu  Studenica  werden  von  den  grossen  Bildern  des 
Erlösers  und  der  hl.  Jungfrau  eingenommen.  Die  übrigen  Räume  der  zwei  Dritt- 
teile der  Schiffshöhe  erreichenden  Scheidewand  sind  mit  Bildern  der  Heiligen 
in  vergoldeten  Umrahmungen  bedeckt. 

Die  Ambo,  das  Vorlese-  oder  Singpult,  schon  in  den  ersten  Jahrhunderten 
bei  den  griechischen  Christen  eingeführt,  befindet  sich  zu  Studenica  vor  der 
Ikonostasis,  in  der  Mitte  des  Schiffes,  genau  unter  der  Kuppel;  sie  ist  rund  und 
hat  zwei  Stufen.  Der  Diakon  betritt  die  Ambo,  wenn  er  dem  Volke  vorbetet 
oder  das  Evangelium  vorliest;  der  Zelebrant,  wenn  er  ihm  den  Segen  erteilt. 
Solche  reiche  Ambonen,  wie  die  aus  der  Sophienkirche  nach  St.  Markus  zu 
Venedig  übertragene,  oder  wie  jene  in  den  neueren  griechischen  Kirchen  zu 
Konstantinopel,  Smyrna  u.  a.  0.,  deren  Pulte  oft  aus  einem  reichvergoldeten  Adler 
oder  aus  den  Symbolen  der  vier  Evangelisten  bestehen,  fehlen  in  den  serbischen 
Kirchen,  und  ebenso  die  reichverzierten  Tische  mit  von  vier  Säulen  getragenem 
Dache,  auf  welchen   die  Heiligenbilder  ausgestellt  werden. 

Auch  die  Einrichtung  des  Sanktuariums  ist  zu  Studenica  sehr  einfach.  Der 
Apsis  entlang  läuft  eine  Steinbank,  deren  Lehne  die  Mauer  bildet,  unter  dem 
Mittelfenster  erhebt  sich  ein  nur  etwas  höherer,  sonst  gleichfalls  schmuckloser 
Sitz  für  den  Archimandriten.  Die  Sitze  im  Sanktuarium  der  Aya  Sophia  sollen 
von  gleicher  Anordnung,  aber  aus  vergoldetem  Silber  gewesen  sein.  Bei  der 
Schilderung  ihres  Altars  ruft  ein  altbyzantinischer  Chronist  aus:  „Wer  könnte  den 
Glanz  der  Farben,  den  Refle.x  der  Saphire  und  der  Metalle  lange  ertragen!" 
Seine  ursprüngliche  Form  war  nach  einem  Manuskript  der  Pariser  Bibliothek 
und  nach  den  Fresken  in  der  Markuskirche  zu  Venedig  jene  eines  Tisches  mit 
vier,  eine  kreuzgezierte  Kuppel  tragenden  Säulen.  Von  dieser  so  reichen  Aus- 
stattung orientalischer  Altäre  ist  in  den  serbischen  Kirchen  und  auch  zu  Studenica 
nichts  als  der  einfache  Unterbau  geblieben,  nur  das  bewegliche  Inventar  ist  kostbar. 
Auf  dem  Altar  steht  eine  Art  Tabernakel  mit  konsekriertem  Brot,  ein  mit  Rubinen 
und  Smaragden  besetztes  Kreuz  mit  eingelegten  reizenden  Holzschnitzereien  aus 
dem  Leben  der  Heiligen,  ein  Evangelienbuch  und  drei  Leuchter.  Alle  diese 
Gegenstände  sind  aus  Gold  und  Silber,  reich  verziert  und  grösstenteils  russische 
Geschenke. 

Die  Studenicaer  Kirche  bewahrt  auch  die  heiligste  Reliquie  des  Landes;  die 
Gebeine  des  unter  seinem  Mönchsnamen  „Simeon"  heilig  gesprochenen  Stefan 
„Prvovencani";  durch  seinen  Sohn  Radoslav  aus  dem  im  Hauptschiff  rechts  vom 
Eingang  befindlichen  ursprünglichen  marmornen  Sarkophag  nach  2ica  übertragen. 


24  Von  Cacak  über  Kraljcvo.  Zica  nach  Studenica. 

wurden  sie  später  zurückgebracht.  Nach  erneuten  Wanderungen  zu  Beginn  des 
vorigen  Jaiirhunderts  (I.  Bd.,  S.  35])  ruhen  sie  nun  in  einem  vor  der  li<onostasis 
stehenden,  mit  Ebenholz  und  Perhnutter  ausgelegten  alten  Sarge.  Am  Tage  des 
Heiligen  (13.  Febr.)  wird  er  geöffnet  und  das  Volk  zum  Kusse  der  entblössten 
Stirne  zugelassen.  Der  Körper  ist  gegen  jede  Profanierung  durch  eine  Umhüllung 
geschützt,  welche  das  Siegel  des  hl.  Sava  schliesst,  und  überdies  mit  prachtvollen 
liturgischen  Gewändern  bekleidet.  Das  auf  der  Brust  des  Heiligen  liegende  Kreuz 
steht  beim  Volke  in  höchster  Verehrung,  denn  es  soll  einen  Splitter  vom  Kreuze 
des  Erlösers  enthalten.  Die  Gnade,  Kopf  und  Kreuz  des  Heiligen  küssen  zu 
dürfen,  erwidert  man  mit  einer  Spende  für  das  Kloster.  Zwei  reichgestickte  Decken, 
von  Jelena,  Gemahlin  des  Karadjordje  Petrovic,  zieren  den  Sarg;  Fürst  Alexander 
Karadjordjevic  hielt  ihn  zu  wenig  würdig  für  den  kostbaren,  dem  Serbenvolk  so 
teueren  Inhalt  und  liess  zu  Wien  für  1500  Dukaten  eine  prachtvolle  Umhüllung 
anfertigen,  geziert  mit  den  Hauptmomenten  aus  dem  Leben  des  Heiligen  und  dem 
altserbischen  Wappen  in  silbergetriebenen  Reliefs.  Das  sehr  reich  ornamentierte 
Kissen  wurde  von  den  Frauen  der  fürstlichen  Familie  kunstvoll  gestickt. 

Studenica  erfreute  sich  stets  der  grössten  Freigebigkeit  seitens  der  serbischen 
Fürsten,  des  Episkopats  und  des  Volkes  bis  herab  auf  die  letzte  Zeit.  Zahlreiche 
Schenkungen  bereicherten  es,  und  sein  in  der  nördlichen  Kapelle  des  Anbaues 
bewahrter  Kirchenschatz  zeigt,  dass  es  in  schlimmsten  Tagen  selbst  von  den 
jenseits  der  Save  wohnenden  Serben  in  hohen  Ehren  gehalten  wurde.  Ausser 
einigen  altbyzantinischen  Evangeliendecken  sah  ich  Kirchengewänder,  welche  vom 
hl.  Sava  herrühren  sollen,  ihren  Ornamenten  nach  aber  aus  viel  späterer  Zeit,  dann 
zwei  silberne  Ripiden  vom  J.  1637,  ein  Weihrauchfass  vom  J.  1701,  ein  golddurch- 
webtes,  für  den  Sarg  des  hl.  Sinieon  bestimmtes  Leintuch  von  der  Sultanin  Mileva 
(Olivera),  Tochter  des  Fürsten  Lazar,  mit  einer  zwischen  goldenem  Rankenwerk 
gleich  in  den  Stoff  eingewebten  tü-'kischen  Inschrift,  und  ein  zweites,  gestiftet 
1747  zu  Karlovic  in  Syrmien,  durch  Arsen,  den  vierten  rechtgläubigen  Erzbischof 
von  Pec  (Ipek)  und  „Patriarchen  von  ganz  illyrisch  Serbien",  wegen  seiner  reichen, 
in  Gold,  Silber  und  grünem  Samt  gewebten  und  gestickten  Ausführung  besonders 
hervorzuheben,  im  Kirchenschatz  wird  ein  interessantes  kleines  Dyptichon 
aufbewahrt,  das  auf  einem  Flügel  die  hl.  Dreieinigkeit  mit  drei  Gesichtern  auf 
einem  Körper,  umgeben  von  geflügelten  Seraphinen,  zeigt.  Es  ist  dies  die  zuerst 
im  Occident  aufgetauchte  Darstellung  mit  vier  Augen,  drei  Nasen  und  gleich  vielen 
Mundüffnungen,  welche  1628  von  Papst  Urban  VIII.  und  1745  von  Benedikt  XIV. 
anathematisiert,  trotzdem  stark  verbreitet  und  im  Orient  nachgeahmt  wurde.  Die 
hl.  Dreieinigkeit  wird  von  Malern  der  orthodoxen  Kirche  auch  durch  Gott 
Vater,  Sohn  und  hl.  Geist  in  Gestalt  einer  Taube  dargestellt.  Von  Bildern  des 
oben  charakterisierten  verpönten  Typus  sind  bisher  nur  bekannt  eine  von  Didron  ') 
auf  dem  Berge  Athos  im  hl.  Gregoriuskloster  gesehene  Freske  aus  dem 
Jahre  1736,  ein  von  Panta  Sreckovic'-)  in  der  Muttergotteskirche  bei  Matejic  in 


»)  Manuel  d'lconograpliie  etc. 
«)  Brastvo  11,  131 


Vnn  Cacak  über  Krnljevo,  Zica  nach  Stiidenica.  25 

Altserbien  auf  einer  Säule  gefundenes  mit  der  Aufschrift  „Tristaja",  wahrscheinlich 
aus  dein  XIV.  Jahrh.,  und  ein  aus  der  Backa  nach  Cerevic  in  Syrniien 
übertragenes  38  cm  langes  und  30  cm  breites,  aus  dem  18.  Jahrh.  Der  Vll.  Band 
des  „Starinar"  bringt  eine  ausführliche  Beschreibung  der  Altertümer  Studenicas 
vom  Bischof  Nikanor.  ' 

Durch  den  späteren  Zubau  gelangte  ein  früher  vor  der  Kirche  freistehender 
Taufbrunnen  von  weissem  Marmor  und  sehr  schöner  Arbeit  in  die  Kirciie.  Leider 
sind  von  demselben  nur  die  Säulenbasen  der  Baldachinlräger  erhalten,  welche 
seinen  oktogonalen  Grundriss  bezeugen:  das  kleine  marmorne  Taufbecken  rührt 
aus  späterer  Zeit  her  und  wird  gegenwärtig  zur  Aufbewahrung  des  am  hl.  Ürei- 
königstag  geweihten  Wassers  benutzt,  das  als  Heilmittel  an  Landleute  verteilt 
wird,  „wenn  ihnen  die  Augen  oder  andere  Gebrechen  weh  tun".  Früher,  solange 
die  Gebeine  des  hl.  Königs  im  steinernen  Sarge  ruhten,  entquoll  ihnen  „heiliges 
Oel",  das  in  drei  Tiegeln  aufgefangen  wurde,  um  das  Volk  mit  demselben 
an  grossen  Feiertagen  zu  salben.  Besondere  Verehrung  geniesst  ein  kunstvoll 
gearbeitetes,  reich  verziertes  Bild,  das  der  hl.  Nemanja  auf  der  Brust  getragen 
haben  soll,  wenn  er  auf  dem  hl.  Atlios  predigte. 

Westlich  von  der  grossen  Kirche  steht  im  Hofraum  die  nach  einer  Inschrift 
(1314)  von  Milutin  Stefan  Uros  dem  hl.  Joakini  und  der  hl.  Anna  erbaiite 
„Kraljevska  crkva".  Aussen  und  innen  vielfach  restauriert,  sind  demungeachtet  ihre 
schönen  architektonischen  Verhältnisse  erkennbar.  Es  ist  ein  strenger  Zentralbau 
mit  oktogoner,  etwas  schwerer  Kuppel  und  drei  Apsiden  an  der  Ostseite,  von 
welchen  die  mittlere  grösste  durch  ein  gekuppeltes  Fenster  erleuchtet  wird.  Die 
Tanibourseiten  werden  durch  Bogen  tragende  Säulchen  getrennt  und  von  sehr 
schmalen,  hohen  Fenstern  durchschnitten.  Das  Innere  ist  durchweg  mit  Bildern 
al  fresco  geschmückt.  Ein  noch  kleinerer,  schmuckloser,  oblonger,  dem  hl.  Nikolaus 
geweihter  Bau  mit  runder  Altarapside  nahe  der  Hauptkirche  gilt  als  ältester 
Teil  des  Klosters,  in  dem  bis  zur  Vollendung  seiner  grossen  Kirche  der  Gottes- 
dienst abgehalten  wurde. 

Selbstverständlich  fehlt  es  auch  zu  Stiidenica  nicht  an  einer  Höhle,  in 
welcher  der  hl.  Sava  fastete.  In  ihrem,  1  St.  westlich  vom  Kloster  liegenden  Sv. . 
„Isposnica"-Kirchlein  befanden  sich  nach  der  Sage  kostbare  Manuskripte,  welche, 
als  die  Türken  1813  das  Kloster  teilweise  verbrannten,  der  letzte  flüchtende 
Mönch  Sofronije  vernichtete,  um  sie  vor  moslimischer  Profanation  zu  bewahren. 
Noch  höher  liegt  die  dem  hl.  Georg  geweihte  „Einsiedlerkapelle"  des  hl.  Sava. 
Viele  mittelalterliche  Kirchen  in  Studenicas  Umgebung,  zu  Godovic,  Zeleznica, 
Dolac,  Trnava,  Rzana,  Brezova  u.  a.  0.  —  es  sollen  in  allem  31  sein  •  besitzen 
grosse  Ähnlichkeit  mit  den  geschilderten  kleinen  Bauten  zwischen  dem  Kablar 
und  Ovcar  (I.  Bd.,  S.  536),  doch  wie  beispielsweise  die  Klosterkirche  Voljavca, 
welche  1050  begründet  worden  sein  soll  (?),  besitzen  sie  meist  nur  geringes 
kunsthistorisches  Interesse. 

Studenicas  Archimandrit  bewohnt  ein  im  türkischen  Stile  eingerichtetes 
Häuschen  neben  dem  schmucklosen  Glockenturm,  und  gleich  bescheiden  sind  die 
Zellen  der  Mönche  in  den  benachbarten  älteren  Baulichkeilen.    Ein  1839  beendigter 


26  Von  Cacak  über  Krnljevo,  Zica  nach  Stiidcnica. 

einstöckiger  Bau  mit  Galerien,  für  die  übernachtenden  Pilger,  gereicht,  abgesehen 
von  dem  mit  der  alten  Kirche  im  Widerspruch  stehenden  Stile,  seinen  cincarischen 
Meistern  zur  Ehre.  Das  Kloster  ist  heute  noch  das  wohlhabendste  des  König- 
reichs. Im  Jahre  1896  besass  es:  240  Hektar  Felder  und  Wiesen,  119  Hektar 
Obstgärten,  2  Hektar  Weinberge,  238  Hektar  Wald,  2  Mühlen,  2  Mehanen,  1  Ducan, 
prächtige  weisse  Marmorbrüche  bei  dem  nur  1  St.  fernen  Brezova  usw., 
zusammen  geschätzt  auf  rund  50000  d.  Seine  Einnahmen  decken  reichlich  die 
Ausgaben  mit  jährlich  12700  d,  die  ihm  grossenteils  aus  der  meist  unentgeltlichen 
Bewirtung  der  herbeiströmenden  Gläubigen  der  umliegenden  3  Pfarren  Usce, 
Bresnik  und  Djakovo,  mit  13  auf  seine  Kirchen  angewiesenen   Orten   erwachsen. 

Schon  in  früher  Stunde  herrscht  am  Sonntag  reges  Leben  im  weiten  Hofraum 
der  Carska  Lavra.  Durch  die  zahlreichen  Gruppen,  welche  bei  Glockenmusik 
von  allen  Seiten  zwischen  Waldesgrün  und  über  die  hellen  Kalkklippen  der 
nahen  Berge  herabgestiegen  waren,  bahnten  wir  uns  den  Weg  zum  Häuschen 
seines  Archimandriten  Tanasije.  Nahe  demselben  begegnete  uns  ein  hoher  Mann 
von  etwa  35  Jahren,  gehüllt  in  weitfaltiges,  dunkles  Mönchsgewand,  mit  breitem 
roten  Seidengürtel  unter  dem  zurückgeschlagenen  Oberkleid;  das  Sonnenlicht 
haftete  auf  einem  grossen  Goldkreuz,  das  seinen  Reflex  nimbusartig  gegen  den 
schön  modellierten  Kopf  mit  prächtig  schwarzem  Barte  und  noch  dunkleren 
Augen  warf;  es  war  ein  Typ  vollendetster  Mannesschönheit,  wie  sie  sonst 
nur  auf  dem  Hagion  Gros  heimisch.  Auch  ohne  die  Attribute  seiner  hohen 
Würde,  und  hätte  das  Volk  sich  auch  nicht  so  sehr  an  die  freundlich  auf  uns 
zuschreitende  Persönlichkeit  gedrängt,  um  unter  ehrerbietigen  Kniebeugungen  den 
weitfaltigen  Rock  oder  die  sorgfältig  gepflegten  Hände  mit  den  Lippen  zu 
berühren,  würden  wir  in  ihr  den  geistlichen  Herrscher  Studenicas  erkannt  haben. 
Doch  wie  wenig  entsprechend  den  ebenmässig  ruhigen,  wie  aus  Marmor 
gemeisselten  Gesichtszügen  war  Ton  und  Inhalt  der  von  dem  Archimandriten 
geführten  Unterhaltung!  Das  ihn  zunächst  berührende  Gebiet,  die  Vergangenheit 
seines  Klosters,  interessierte  ihn  nur  wenig.  Studenica  ist  ebensowenig  ein 
„Leuchtturm"  serbisch-byzantinischen  Wissensdranges,  geschichtlicher  Forschung 
oder  philosophischer  Spekulationen,  wie  die  Anachoretenklöster  am  Kablar,  oder 
das  cönobitische  „von  üppigen  Kräutern  und  Farngebüsch,  düster  durchwachsenem 
Hochwald,  mit  Walnuss-  und  Kastanienbäumen,  Steineichen  und  Zypressen" 
umgebene  Karyas  auf  dem  Athos.  „Studierte  Leute  bringen  alles  in  Unordnung" 
ist  Glaube  und  Richtschnur  hier  wie  dort,  und,  sagen  wir  es  nur  gleich,  beinahe 
ausnahmslos  in  allen  Konventen  der  türkischen  orthodoxen  Christenheit. 

Unter  Studenicas  gesamter  Mönchsbevölkerung  war  beispielsweise  nur  der 
Duhovnik  Dositije  Popovic  imstande,  die  altslavischen  Umschriften  der  Fresken 
zu  lesen  und  zu  ergänzen.  Man  erinnert  sich  vielleicht  einer  früheren  Bemerkung 
über  die  bedauernswerten  Lücken,  welche  das  sündhafte  mönchische  Gebaren 
mit  wertvollen  Dokumenten  in  der  altserbischen  Geschichte  verursachte.  „Vor 
etwa  30  Jahren,"  erzählte  mir  Vuk,  „fand  ich  Studenica  in  Ruinen  und  nur  einen 
Mönch  daselbst,  der  wertvolle  Pergamente  zur  Ersetzung  des  fehlenden  Fenster- 
glases seines  elenden  Häuschens  verwendete."     Mir  schien   es,   dass  auch   seine 


7. 

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Von  CaiJak  über  Kraljevo.  2ifa  nacli  Stucleiiica.  29 

Nachfol<^er  nicht  viel  besser  mit  „alten  Büciiern"  umgehen  würden,  wenn  harbarischer 
Unverstand  sie  nicht  insj^esamt  schon  früher  verschachert  oder  sonst  zerstört 
hätte.  Konnte  dies  aber  anders  sein?  Gehörten  ja  doch  auch  die  Mönche  jener 
si<lavisch  unterjochten  Rajah  an,  deren  Unterdrücker  auf  wenn  möglich  noch 
tieferer  Bildungsstufe  standen!  Dank  dem  serbischen  Kultusdepartement  werden 
jedoch  die  natürlichen  Folgen  zweiluindertjähriger  Versäumnisse  nach  Möglichkeil 
beseitigt.  Schon  ein  Ministerialreskript  von  1862  an  die  Bischöfe  Serbiens 
verordnete,  ungeschulte  Mönche  auf  Kosten  ihrer  Klöster  zur  notwendigen 
Ausbildung  in  das  Priesterseminar  nach  Belgrad  zu  senden. 

So  wenig  wie  bei  anderen  Monumenten  aus  Serbiens  Vorzeit  fand  ich  auch 
für  Studenica,  ausser  vagen  touristischen  Notizen,  fördernde  wissenschaftliche 
Vorarbeiten  zur  kunsthistorischen  Schilderung  seiner  Kirche.  Die  Aufnahme  von 
Grundrissen  und  Fassaden,  bei  welcher  Ingenieur  Klinar  mithalf,  die  Zeichnung 
architektonischer  Details  usw.  beanspruchten  mehrere  Tage;  also  hatte  ich 
Gelegenheit,  das  Mönchsleben  in  der  Carska  Lavra  ein  wenig  zu  studieren.  Soviel 
wurde  mir  bald  klar,  dass  die  Physis  auf  ein  Minimum  zu  reduzieren,  und 
dieses  Minimum,  mit  dem  Karst  in  der  Hand,  selbst  dem  Boden  abzugewinnen,  wie 
dies  auf  dem  Hagion  Gros  oder  in  der  Moravaschlucht  üblich,  nicht  „leitender 
Grundsatz"  in  Studenica  sei.  Selbst  die  „weibliche  Kreatur"  war  hier  weniger 
gefürchtet  als  von  den  „guten  Vätern"  auf  dem  Athos,  welche  eine  kühne  Tochter 
Albions  in  nicht  geringen  Schreck  versetzte.  Die  „versteinerte  Verfassung"  des 
heiligen  Berges  nicht  achtend,  war  sie  kühn  genug,  bei  Iviron  ihn  zu  betreten. 
Da  erhob  sich  aber  in  allen  Klöstern  weit  und  breit  das  Geklapper  der 
Symantrons;  die  älteren  Mönche  jagten  die  jüngeren  eiligst  in  ihre  Zellen  und 
riefen:  „Weiche  hinweg,  Satanas!"  Zu  Studenica  wäre  die  englische  Dame 
gewiss  freundlicher  empfangen  worden. 

Ich  hatte  nun  Serbiens  berühmteste  Klöster  kennen  gelernt,  und  begreiflich 
drängten  sich  mir  sehr  oft  Gedanken  über  ihr  Verhältnis  zum  Volke  auf;  vor  allem 
die  Frage:  Was  ist  es,  was  die  Klöster  in  Serbien,  Bulgarien  und  Russland,  auf 
dem  Athos,  in  Griechenland,  Rumänien  und  in  der  Türkei  fort  und  fort  bev()lkert? 
Ist  es  wirklicher  Hang  zu  Einsamkeit  und  beschaulichem  Leben?  Ist  es  religiöse 
Schwärmerei  oder  der  anziehende  Nimbus,  welcher  jede  einzelne  dieser  Gott 
und  den  Heiligen  geweihten  Stätten  umstrahlt? 

Wohl  liebt  der  Serbe  Wald  und  Flur.  Ihr  Dickicht  und  die  zarte  blumen- 
gestickte Wiese,  die  rieselnde  Quelle  und  den  rauschenden  Bach  wusste  früh 
schon  seine  rege  Phantasie  mit  Gestalten  zu  beleben,  welche  sie  in  engste 
Beziehung  zum  Kampfe  der  Naturkräfte,  zum  Wechsel  der  Jahreszeiten  und  ihrem 
Einfluss  auf  Menschen  und  Tiere  brachte.  Selbst  nach  Einführung  der  Christus- 
lehre existierten  sie  fort.  Feenhafte  Vilen  beleben  den  dichten  Hain,  Vampyre 
bedrohen  des  Nachts  den  armen  Menschen  usw.  Das  Christentum  mit  seinen 
in  enge  Satzungen  eingeschlossenen  Glaubensformeln  konnte  den  Trieb  zum 
Mystischen  nicht  gänzlich  bannen,  ihm  nur  eine  veränderte  Richtung  geben;  an 
die  Stelle  der  heidnischen  Götter  traten  Heilige  oder  Märtyrer  der  neuen  Lehre 
und   verschafften   ihr  so   beim   Volke   leichteren   Eingang.     In   den   Wundersagen, 


30  Von  CaSak  über  Krnljevo,  ZiCa  nach  Stiidcnica. 

welche  sich  an  bevorzugte  Heilige  knüpfen,  in  der  Gewalt,  die  einzelnen  von 
ihnen  zugeteilt  wurde,  spiegelt  und  verewigt  sich  der  Übergang  vom  alten 
zum  neuen  Glauben.  Der  hl.  Elias  wurde  zum  Donnergott,  die  hl.  Maria  zur 
„flammenden"  Göttin  der  Blitze,  der  mit  den  Attributen  des  griechischen  Äolus 
ausgestattete  hl.  Pantcleimon  zum  Beherrscher  der  Stürme,  und  zu  jenem  über  alle 
Gewässer  der  hl.  Nikolaus  an  Neptuns  Stelle  erkoren.  „Boze  pomozi  i  sveti 
Nikola!"  (helfe  Gott  und  der  heilige  Nikolaus)  ruft  der  Serbe,  wenn  er  in  einen 
Kahn  steigt  oder  wenn  Wassergefahr  ihn  bedroht. 

Der  tiefe  Zug  des  Serbenvolkes  zum  Mystischen,  früher  jedenfalls  in  noch 
grösserem  Masse  vorhanden,  begünstigte  also  die  Stiftung  der  heute  noch  zahl- 
reichen Klöster.  Das  ganze  religiöse  Leben  des  serbischen  Landvolkes  gravitiert 
nach  denselben;  in  Schmerz  und  Lust,  in  allen  ungewöhnlichen  Fällen  des  Lebens 
werden  sie  stets  als  sichere  Stätten  des  Rates  und  der  Hilfe  aufgesucht.  Doch  nicht 
allein  diese  charakteristische  Neigung  zur  Naturwelt  mit  ihrem  mystischen  Inhalte 
lieh  dem  Klosterleben  Reiz  und  Anziehungskraft,  sondern  gleich  sehr  die  der 
Mönchswelt  vom  Volke  eingeräumte  bevorzugte  Stellung.  Als  einziger  Schirmer 
der  über  alles  geliebten  Religion  während  der  osmanischen  Herrschaft,  dann  durch 
den  grossen  Anteil  an  ihrer  Niederwerfung,  erwarb  sich  der  serbische  Mönchs- 
klerus ein  Anrecht  auf  Dankbarkeit. 

Die  eingetretene  Finsternis  nach  dem  unheilvollen  Entscheidungstag  von 
Kosovo  im  ehemals  grossserbischen  Reiche  Hess  nur  geringe  Lichtstrahlen  in  die 
Zellen  seiner  stillverborgenen  Klöster  fallen.  Gleich  dem  kulturfreundlichen  Städte- 
leben, wie  Gewerbe  und  Künste,  ging  während  der  folgenden  traurigen  Periode 
auch  die  Liebe  und  Pflege  der  Wissenschaften  verloren.  Als  mit  Arsen,  dem 
Ipeker  Patriarchen,  später  nahezu  der  gesamte  höhere  Klerus  über  die  Save 
floh,  blieb  nur  jener  der  Klöster  zurück  und  teilte  Leid  und  Wehe  mit  dem 
Volke.  Durch  äussere  Ereignisse,  einreissende  Unkenntnis  und  Missachtung 
verschwanden  die  Bibliotheken  und  mit  ihnen  die  Grundlage  und  notwendigen 
Lehrmittel  zur  Selbstbildung  der  Mönche  und  Belehrung  des  Volkes.  Chronistische 
Aufzeichnungen  aus  jener  Zeit  sind  deshalb,  weil  meist  Phrase  und  Aufzählung 
unwichtiger  Dinge,  für  den  Geschichtsforscher  beinahe  wertlos.  Die  Bewahrung 
des  Evangeliums,  des  Andenkens  der  von  der  Kirche  heilig  gesprochenen  nationalen 
Könige,  die  Beförderung  der  Liebe  zur  Nationalität  und  Freiheit  muss  jedoch  dem 
serbischen  Klosterklerus  uneingeschränkt  zuerkannt  werden,  und  wahrlich,  dies  ist 
ein  so  grosses  Verdienst,  dass  es  nur  zur  Erklärung  mancher  psychologischen 
Erscheinung  beim  Serbenvolk  erwähnt  werden  muss,  dass  seine  intellektuelle 
Bildung  durch  die  Klöster  nicht  gefördert  wurde. 

Serbiens  neue  Ära  fand  sein  Volk  und  den  Klerus  auf  nahezu  gleich  niedriger 
Bildungsstufe.  Abgeschlossen  von  aller  Welt,  ohne  höheren  gemeinsamen  Mittel- 
punkt, lebte  die  Geistlichkeit,  wie  eine  ministerielle  Beleuchtung  der  klösterlichen 
Verhältnisse  vom  Jahre  1843  an  den  Fürsten  lehrt,  in  grösster  Unwissenheit. 
Wenig  unterschieden  von  den  noch  ignoranteren  Popen  (Weltgeistlichen),  welche 
kaum  mehr  notdürftig  lesen  konnten,  vermochten  auch  die  Mönche  keinen  bildenden 
Einfluss  auf  das  Volk  zu   üben;  denn    wie    dieses    standen   sie    selbst   unter  der 


Von  Cafak  über  Kraljevo,  2ica  nach  Studenica.  31 

Macht  überkommener  Vorurteile.  Sie  hatten  demnach  nur  geringen  Anteil  an 
dem  unleugbaren  Fortschritt  Serbiens  auf  dem  Gebiete  der  Volkserziehung.  Die 
bekannte  Anekdote,  in  der  ein  altes  Mütterchen  sich  wegen  des  Verkehrthaitens 
des  Gebetbuchs  damit  entschuldigte,  dass  die  Kinder  ihr  es  daheim  so  in  die 
Hand  gegeben,  ist  in  Serbien  mit  der  Variante  im  Laufe,  dass  ein  Pope  in  gleichem 
Falle  die  Schuld  den  Djaci  (Schülern)  beimisst.  Von  Liturgie  war  unter  dem 
Türkenregiment  kaum  die  Rede,  die  Popen  lernten  die.  nötigen  Gebete  hersagen, 
und  das  Lesen  aus  dem  Buche  war  nur  eine  Fiktion,  um  die  religiöse  Feier  in 
den  Augen  des  Volkes  zu  erhöhen. 

Wie  überall,  wo  die  höhere  Bildung  im  Laienstand  überwiegt,  begann  sich 
auch  in  Serbien  der  Gegensatz  zwischen  dem  weltlichen  und  geistlichen  Stande 
auszubilden.  Der  Lehrer  der  Volksschule,  der  Kreisarzt,  der  Ingenieur  und  Beamte 
entzogen  langsam,  aber  stetig  den  Klöstern  ihre  Klienten.  Der  Einfluss  dieser 
aufklärenden  Elemente  wird  von  den  Mönchen  sehr  gefürchtet,  denn  bei  der 
Mehrzahl  der  serbischen  Klöster  handelt  es  sich  nicht  allein  um  ihre  moralische 
Stellung;  den  grössten  Teil  ihrer  einst  bedeutenden  Donationen  von  königlichen 
Stiftern  büssten  sie  schon  während  der  türkischen  Okkupation  ein,  mit  dem 
Aufhören  der  Volksgunst  wäre  also  ihre  Existenz  ernstlich  gefährdet. 

Fürst  Miloä  fand  es  im  Interesse  des  jungen  Staates,  die  wieder  hergestellte 
serbische  Hierarchie  möglichst  unabhängig  von  Konstantinopel  zu  machen.  Er 
ernannte  nationale  Erzbischöfe  und  Bischöfe,  dotierte  sie  aus  Staatsmitteln, 
restaurierte  viele  Kirchen  und  verbesserte  die  Lage  einzelner  Klöster;  doch  gab  er 
den  letzteren  ihre  alten  Besitzungen  nicht  zurück.  Er,  der  keine  beschränkende 
weltliche  Gewalt  neben  sich  duldete,  wollte  nicht  einen  über  mächtige  Mittel 
gebietenden  Klerus,  einen  Staat  im  Staate  schaffen.  Übrigens  hätte  er  auch 
nur  schwer  die  Klöster  reicher  dotieren  können,  da  nach  beendetem  Freiheitskrieg 
deren  ehemaliger  Besitz  grossenteils  in  andere  Hände  übergegangen  war.  Im 
Jahre  1848  rettete  eine  darüber  verhandelnde  Kommission  mit  grosser  Anstrengung 
einzelne  Waldparzellen  für  den  Viehstand  der  Mönche,  und  die  Opposition  der 
Gemeinden  gegen  diese  Massregel  ist,  wie  ich  wiederholt  ausführte,  noch  heute 
nicht  ganz  geschwunden. 

Aus  den  stillen  Klosterzellen  Studenicas  gingen  zahlreiche  Männer  hervor, 
welche  im  Gebete  stark,  sich  auch  als  glaubenseifrige,  waffentüchtige  Kämpfer 
für  des  Vaterlandes  Befreiung  erwiesen.  Unter  ihnen  fesselt  durch  sein  bewegtes 
Leben  und  tragisches  Ende  Hadzi  Melentije  Nik§ic.  Geboren  zu  Brezova  bei 
Studenica,  wurde  er  dort  im  Jahre  1800  zum  Mönch  geweiht  und  1804  dessen 
Hegumenos.  Als  1813  die  Gebeine  des  hl.  Simeon  von  Vracevsnica  nach 
Fenek  in  Ungarn  geflüchtet  wurden,  ging  er  dahin;  doch  1815  stand  er  mit 
Milos  an  der  Drina  den  Türken  gegenüber.  Nach  hcendetem  Kampfe  sandte  ihn 
Milo§  nach  Konstantinopel,  wo  er  zum  Bischof  von  Sabac  geweiht  wurde;  doch 
entzweite  er  sich  bald  mit  seinem  Gönner,  als  dieser  1816  die  Einkünfte  des 
Klerus  beschränkte.  Miloä'  Erbitterung  gegen  den  Bischof  wuchs,  als  man  diesen 
des  Einverständnisses  mit  den  Türken  beschuldigte.  Er  sollte  Maraäli  Pa§a  zu 
Belgrad  die  Auslieferung  des   nach   der  Fürstenwürde  strebenden  Nationalhelden 


32  Von  Cacak  über  Kraljevo,  Zica  nach  Studenica. 

und  die  Entwaffnung  der  Rajah  versprochen  haben,  ge^en  die  Zusicherung  einer 
geistlich-weltlichen  Überhauptstellung,  ähnlich  jener  des  Vladika  von  Montenegro. 
Milos  handelte  rasch.  Er  entsandte  den  während  seines  autokratischen  Regiments 
mit  Vorliebe  die  Rolle  eines  Privathenkers  übernehmenden  Marko  Stitarac  (I.  Bd., 
S.  361)  in  Begleitung  von  Petar  Cukic  und  Vule  Giigorijevic,  um  den  Bischof  zu 
töten.  Nach  einem  Fehlversuch,  ihn  auf  der  Strasse  zu  überfallen,  eilten  sie  nach 
Sabac,  wo  Stitarac  in  deji  Konak  drang  und,  nachdem  er  zwei  im  Vorzimmer 
schlafende  Djaci  (Schüler),  welche  erwacht  waren,  ermordet,  den  vergebens 
um  Gnade  bittenden  Bischof  in  dessen  Schlafgemach  niederstach.  Die  blutige 
Tat,  welche  Milos'  Neidern  um  die  höchste  Macht  zeigte,  was  sie  im  Wettbewerb 
mit  ihm  erwarte,  erfolgte  am  28.  Juni  1816.  Melentije  ward  in  der  Sabacer 
Kirche  begraben.  Die  ihm  von  dem  pietätvollen  Bischof  Joanikije  gesetzte 
Grabschrift  besagt:  „Melentije,  Bischof  von  Uzice,  Rudnik,  Valjevo  und  Pozega, 
Metropolit  von  Sabac,  36  Jahre  alt,  von  Mörderhand  getötet."  Darunter:  „Hier 
ruhen  auch    die    mit  ihm    gefallenen  Schüler  Nikolic   Mileta   und  Zabunov  Mita!" 


II. 
Durch  das  Raskatal  zum  Novi  Pazar-Defilee. 


DER  wildromantische  Anstrich  des  südhchen  Djakovo  charai<terisiert  auch 
die  Landschaft  von  Studenica  bis  zur  türkischen  Grenze  iiei  RaSka.  Über 
fünfzig  Jahre  sind  es,  seit  dieses  Gebiet  faktisch  Serbien  gehört.  Als  die  Pforte 
nach  dem  griechischen  Freiheitskrieg  sich  ihrer  Ohnmacht  bewusst  geworden, 
erst  nachdem  ihre  europäisierte  Heeresniacht  1829  besiegt,  der  schutzverheissende 
Balkan  von  den  Russen  überstiegen  und  selbst  die  Sultansstadt  bedroht  erschien, 
versprach  der  Grossherr  im  Adrianopeler  Frieden,  seine  schon  im  Bukarester 
Vertrag  gegen  Serbien  eingegangenen  Verpflichtungen,  samt  den  nachträgiiciien 
Stipulationen  von  Akerman,  endlich  erfüllen  zu  wollen. 

Der  30.  September  1829  brachte  den  Serbiens  Grenzen  regelnden  Kirnian, 
und  das  Frühjahr  1830  fand  eine  russisch -türkische  Kommission  mit  ihrer 
Feststellung  beschäftigt.  Nicht  ohne  Widerstand  wollten  die  jeder  Verringerung 
ihrer  Gebiete  feindlichen  Paschas  von  Nis,  Vidin  und  Novi  Pazar  die  eingegangenen 
Verpflichtungen  anerkennen,  ja  der  Zworniker  Pascha  liess  sogar  eine  serbische 
Deputation  ins  Gefängnis  werfen,  welche  die  Räumung  des  vertragsmässig  abzu- 
tretenden Gebietes  verlangte.  Subaäen  (Lehnsherren)  und  Ciflik-Sahibien  (Grund- 
herren) machten  ihre  vermeintlichen  Rechte  auf  die  Rajah  geltend  und  quälten, 
vereint  mit  albanesischen  Söldnern,  die  bereits  durch  den  Befreiungskampf  hart 
mitgenommene  christliche  Bevölkerung  der  Grenzdistrikte.  Aufstände  der  Timoker 
und  Krajinaer  Serben  waren  die  Folge  des  türkischen  Wortbruchs.  Erst  als  die 
Vorschläge  der  Grenzregulierungs-Kommission  in  einer  Konferenz  zu  Konstantinopcl 
festgestellt  und  am  25.  Mai  1833  vom  Sultan  genehmigt  waren,  sollte  endlich  die 
Auslieferung  jener  Gebiete  verwirklicht  werden,  welche  heute  den  grösstcn  Teil 
der   Kreise  von  Uzice,  Cacak,  Krusevac,  Aleksinac  und  Negotin  bilden. 

Für  alle  Zeit  waren  nun  die  im  Befreiungskrieg  blutig  erkämpften,  1813  aber 
verlorenen  Gebiete  den  Türken  entrissen,  ein  Ereignis,  dessen  Bedeutung  Glocken- 
geläute und  Freudenschüsse  von  Ort  zu  Ort,  bis  zur  Drina  und  Save  verkündeten. 
Damals  stand  Fürst  Milo§  im  Zenith  seines  Glanzes.  Seine  Klugheit  hatte  nicht 
geringeren  Anteil  an  der  zweiten  unblutigen  Besitznahme  dieser  Gebiete,  wie 
Karadjordjes  Tapferkeit  an  ihrer  ersten  kurzdauernden  Erringung. 

F.  KANITZ,   Serbien.    U.  ■' 


34  Durch  das  Raäkatal  zum  Novi  Pazar-Defilee. 

Der  Djakovo  mit  seinem  unvergleichlichen  Buchendom,  die  „Carska  Lavra" 
mit  iiiren  historischen  Erinnerungen,  die  Marniorlager,  weiche  die  schönen 
Quadern  zu  ilirer  „weissen  Kirche"  geheferf,  die  Ruinen  des  Kirchleins  Sretenje 
am  Einfluss  der  Studenica  in  den  Ibar,  erbaut,  weil  man  hier  dem  Leichnam  des 
hl.  Stefan  Nemanja  begegnete  (sresti  begegnen),  als  er  in  feierlicher  Prozession 
vom  Athüsklüster  Hilandar  nach  Studenica  übertragen  wurde,  auch  die  reichtragenden 
Weinberge  gegenüber  von  Usce  und  die  hart  mitgenommenen  Kiefernwaldungen, 
durch  welche  wir  abwechselnd  über  ernst  stimmende  Glimmerschiefer  und 
durch  farbenreiche  Serpentinflora  des  Radusatals  zogen,  standen  vor  etwa  sechzig 
jähren  unter  türkischem  Regiment;  seine  Spuren  sind  aber  der  Landschaft  noch 
heute  aufgedrückt.  Zerstörte  Kirchen  und  verheerte  Wälder,  verlassene  Bergbaue 
und  entvölkerte  Täler  erinnern  allerorts  an  das  Feudalsystem,  welches,  sultanlichen 
Firmanen  trotzend,  noch  im  letzten  Jahrhundert  das  ausschliessliche  Nutzungsrecht 
von  Land  und  aller  darauf  lebenden  Kreatur  hartnäckig  beanspruchte.  Keine 
Neuerung!     Kein  Vergleich! 

Mit  dem  letzten  Ayan  von  Studenica  verliessen  endlich  die  Spahije  den  nicht 
mehr  zu  haltenden  verwüsteten  Distrikt;  sie  zogen  nach  Bosnien,  dort  gab  es  ja 
noch  eine  Rajah,  an  der  man  nach  Koransrecht  ungestraft  sein  Mütchen  kühlen 
konnte.  Welche  Kurzsichtigkeit  bewiesen  diese  fanatischen,  jeder  Schaffungskraft 
baren  Abkömmlinge  der  Janifscharen  verglichen  mit  den  religionsverwandten 
Mauren,  deren  kulturfreundliche  Bestrebungen  in  Spanien  noch  heute  unser  Staunen 
erregen!  Einzig  gross  in  der  Negation  selbst  gerechtester  Forderungen,  geschickt 
nur  in  diplomatischen  Kleinkünsten,  im  paralysierenden  Auslegen  der  zugunsten 
der  „Rajah"  feierlich  proklamierten  Hate,  in  Schlichen  und  Krümmungen  dem 
wilden  Radusa  ähnlich,  dessen  ungeregelter  Lauf  uns  zwang,  sein  Bett  acht- 
zehnmal zu  kreuzen,  beschworen  Türken  und  Arnauten  jene  Wetter  herauf, 
welche  die  über  Serbiens  Qrenzberge  aufsteigenden  Gipfel  der  herzegowinischen 
Alpenwelt  bis  1878  mit  dem  Widerschein  brennender  Dörfer,  mit  den  Greueln 
barbarischer  Rassenkämpfe  eifüllten  und  diese  Gebiete  so  entvölkerten,  dass 
heute  noch  im  Studcnicaer  Bezirk  nur  20  —  30  Seelen  auf  den  Quadratkilometer 
kommen. 

Als  wir  über  den  Südhang  des  Radusa  hinaufzogen,  lag  düsteres  Gewölk 
auf  den  bosnischen  Bergen.  Unruhig  wälzten  sich  die  dunklen  Ibarfluten  vorwärts, 
als  ob  sie  Trauerkunde  brächten  vom  traurigen  Rajahlose  im  kurz  zuvor  ver- 
lassenen „Arnautluk".  Unten  auf  einer  etwas  grösseren  Talausweitung  lag  aber 
dicht  vor  uns  in  prächtiger  Abendbeleuchtung  das  Dorf  Baljevac,  an  dessen 
Stelle  der  „Städtegründer"  Milos  noch  im  letzten  Jahre  seiner  ersten  Herrschaft 
diesem  wohlverdienten  Epitheton  gerecht  werden  wollte.  Friedlich  sassen  die 
Männer,  Angelegenheiten  der  Gemeinde  beratend,  vor  der  Mehana;  vielleicht  der 
Zeit  gedenkend,  wo  die  Moslims  ihre  alte,  kleine  Kirche  zerstört  hatten.  Manche 
hatten  den  Türken  noch  Handdienste  geleistet.  Nun  waren  sie  alle  gleich  vor 
dem  Gesetz,  ihnen  gehört  das  Erträgnis  ihrer  Arbeit,  Weiber  und  Töchter  wissen 
sie  nun  im  Hause  sicher  vor  jener  Schandsteuer,  welche  Frauen  und  Jungfrauen 
oft  mit  ihrer  Ehre  einzulösen  gezwungen  wurden. 


Durch  das  F^askal;il  /um  Novi  Pazar-Defilce. 


m 


Etwa  eine  halbe  Stuntie  von  Baljevac  wurde  in  neuerer  Zeit  ein  reiciies 
Braunkohlenla^er  angeschürft,  für  dessen  Ausbeutung  der  Engländer  Clifton  Child 
vor  einigen  Jahren  die  Konzession  erwarb,  aber  bisher  nicht  verwertete,  obschon 
auch  die  dort  anstehenden  Kupfererzgänge,  wie  alte  Halden  zeigen,  vor  langer 
Zeit  betrieben  wurden  und  nun  vielleicht  lohnender  zum  Abbau  gelangen  könnten. 
Die  hart  vorüberziehende  neue  Strasse  überwindet  den  300  ni  betragenden  Niveau- 
Unterschied  vom  nördlichen  Progorelica  bis  Baljevac  durch  eine  ausgedehnte 
Serpentin-Anlage   und    konnte   auch   südlich    nur   durch  Sprengung   der   zum    Ibar 


BRVENIK.    Neue  Brücke. 


steil  abfallenden  Felsmauern  und  eine  kostspielige  Überbrückung  der  sie  durch- 
brechenden Brvenica  hergestellt  werden.  An  der  Mündung  dieses  stellenweise 
tosenden,  15  Mühlen  treibenden  Baches  krönt  den  linksufcrigen  Pylon  ein 
zerbröckelnder  Feudalbau,  der,  wahrscheinlich  auf  antiken  Rudimenten  entstanden 
und  noch  in  der  Türkenzeit  mit  Palisaden  umgeben,  der  Landschaft  ringsum 
den  Namen  gab.  Als  Erbauerin  des  Schlosses  gilt  im  Volke  die  im  schlimmen 
Andenken  stehende  Despotin  Jerina  (1.  Bd.,  S.  132);  auch  der  Fall  des  Bollwerks  in 
feindliche  Hände  wird  ihr  zugeschrieben.  „Der  Feind  liess  -  erzählt  die  Sage 
-  eine  Karawane  mit  grossen  Kisten  bepackter  Saumpferde  dicht  an  der  Feste 
vorbeiziehen.  Ein  ebenso  hübscher  als  schlauer  Bursche  unter  den  Treibern 
wusste  sich  der  vom  Söller  herabblickenden  Schlossherrin  bemerkbar  zu  machen. 


36  Durch  das  Raskntal  ziiin  Novi  Pazar-Üefilee. 

Sie  bescliied  ihn  zu  sich  und  bot  ihm  ein  Nachtlager  an.  Der  Bursche  wiHigte  unter 
der  Bedingung  ein,  dass  er  auch  die  mit  kostbarem  Gut  beladenen  Pferde  in 
den  Hof  bringen  dürfe,  was  ihm  gewährt  wurde.  Kaum  hatte  jedoch  das  letzte 
der  Tragtiere  das  Tor  durchschritten,  sprangen  aus  den  Kisten  eine  Menge  Krieger 
heraus,  welche  sich  der  Feste  bemächtigten." 

Etwas  westlicher,  in  der  pittoresken  Brvenikschlucht,  befindet  sich  die  kunst- 
historisch höchst  interessante,  leider  stark  beschädigte  Klosterkirche  Gradac,  welche 
des  Königs  Uros  I.  Gemahlin  Jelena,  eine  Verwandte  des  „lateinischen"  Kaisers 
Balduin  IL,  im  Ausgang  des  13.  Jahrh.  aus  Tufstein  erbauen  liess.  Im  Grundriss 
geradezu  eine  verkleinerte  Kopie  der  geschilderten  Kirche  zu  Studenica,  doch 
mit  gotischer  Ausgestaltung  vieler  konstruktiver  und  dekorativer  Teile,  soll  sie 
noch  im  kunsthistorischen  Abschnitt  des  111.  Bandes  kritisch  gewürdigt  werden. 
Über  dem  weissen  Marmorsarg  der  Stifterin  zeigt  eine  Freske  sie  neben  ihrem 
Gemahl  und  dem  hl.  Nemanja,  dem  thronenden  Erlöser  das  Modell  des  der 
hl.  Gottesmutter  geweihten  Baues  darbringend.  Das  Volk  pilgert  namentlich  am 
hl.  Jelenatag  in  Menge  zur  Kirchenruine,  welche  durch  einen  zu  Raska  gebildeten 
Verein  restauriert  werden  soll;  ein  lobenswertes  Beginnen,  das  besten  Erfolg 
verdient.  Auch  im  folgenden  Brvenik  erzählt  ein  verwüsteter  kleiner  Kuppelbau 
auf  dem  Ortsfriedhof  von  den  schlimmen  Türkentagen. 

Ungemein  fesselnd  gestaltete  sich  die  Szenerie  am  Steilfelsen  „Kostur", 
nahe  einer  Gruppe  inschriftloser  malerischer  Gräber.  Die  hier  herrschende  Stille 
wird  nur  durch  munteres  Rauschen  des  gleichnamigen  forellenreichen  Bächieins 
unterbrochen.  An  der  Strasse,  bald  hinter  Beocis  altem  Kirchlein,  muss  sich 
das  Auge  wieder  an  den  Gegensatz,  an  eintönige  Maisfelder  und  kahle  Bergrücken 
gewöhnen.  Nicht  immer  sah  es  hier  so  trostlos  aus.  Erst  im  Jahre  1737,  als  der 
österreichische  Hauptmann  Saka  zur  Züchtigung  der  von  Novi  Pazar  bis  Cacak  alles 
niederbrennenden  türkischen  Horden  auszog,  doch,  bei  dem  „Schloss  Brvenik" 
mit  Verlust  zurückgeschlagen,  den  unglücklichen  Landstrich  räumen  musste,  wurde 
derselbe  von  den  rachedürstenden  Spahis  ganz  verwüstet  und  der  Wald  vernichtet. 

Es  war  nicht  mehr  das  linke  Ibarufer,  sondern  jenes  der  Raska,  an  dessen 
Rand  wir  nun  hinzogen,  und  wenn  nicht  die  Versicherung  meines  Begleiters, 
hätte  das  schallende  Lachen  des  lustigen  Pisars  von  Cacak,  sowie  das  freund- 
liche „dobro  dosli"  (glückliche  Ankunft)  unserer  Kraljevoer  Mehanagefährten 
mich  belehrt,  dass  wir  mit  dem  Vereinigungspunkte  der  beiden  Flüsse  auch  unser 
Reiseziel  Raska  erreicht  hatten,  das  zum  Glück  für  unsere  abgeweideten  Pferde, 
allerdings  nur  auf  Kieperts  Karte,   drei  Stunden  aufwärts   der  Raskamündung  lag. 


Was  hatte  mich  nach  dem  Quarantänestädtchen  geführt?  Welche  Ausbeute 
durfte  ich  dort  erwarten?  Was  sollte  mich  für  den  mühevollen  Ritt,  was  für 
jene  erste  schlaflose  Nacht  entschädigen,  die  ich,  gepeinigt  von  allerlei  schwarzem 
Getier,  in  der  niederen,  heissen  Mehanastube  verbracht  hatte?  Was  für  die  an 
„Athosübcrwindung"  grenzende  Selbstverleugnung,   die   ich   im  Hinabwürgen   der 


Durch  das  Raskatal  zum  Novi  Pazar-Dcfilee.  37 

Stets  wiederkelirenden,  mit  Paprika  versetzten  Hanimelfleiscli^crichte  bewies? 
Nun,  zunächst  fiiiirte  niicii  derWunscii  nach  Raska,  den  ureigenen  Sitz  der  Serben, 
den  Fiuss  Raska  und  die  Landschaft  kennen  zu  lernen,  weiche  der  Wiege  des 
Zarenreichs  ihre  älteste  Bezeichnung  „Rascije"  und  den  Serben  den  Namen 
„Rascijani",  im  mittelalterlichen  Latein  Rassiani,  ungarisch  „Raczuk",  deutsch 
Ratzen  oder  Raitzen ')  geben;  ferner  die  Absicht,  mehrere  Täler  und  Orte  im 
Raäkadefilee  genauer  zu  bestimmen,  welche  mein  alter  Freund  Ami  Boue  seit  etwa 
zwanzig  Jahren  vergebens  aufzufinden  bemüht  war;  endlich  wollte  ich  jenes 
schmalen  Landstrichs  ansichtig  werden,  der,  nur  sechs  Stunden  breit,  Montenegros 
hohe  Felsenmauern  keilartig  vom  südwestlichen  Serbien  trennt.  Wahrlich  Ursachen 
genug  für  ein  in  Forschungstrieb  entbranntes  Gemüt,  wenn  nötig,  noch  grösseres 
Ungemach  zu  ertragen.  War  es  ja  zudem  durch  Genüsse  gemildert,  die  allerdings 
wieder  nur  eine,  für  fremdgeartete,  in  lautloser  Ruhe  und  Mondenschein  phan- 
tastisch anmutende  Szenerie,  empfängliche  Seele  tiefinnerlichst  zu  empfinden  vermag. 
Auch  des  stets  dienstwilligen,  überall  Rat  schaffenden  Ingenieurs,  des  anfangs 
misstrauischen,  nach  Einsichtnahme  des  offiziellen  Empfehlungsschreibens  freund- 
licheren Raskaer  Kapetans,  des  zu  Spässen  stets  gelaunten  Pisars  und  der  übrigen 
Beamten  sei  hier  gedacht,  welche  in  jeder  Weise  dem  Fremden  sich  angenehm 
und  nützlich  zu  machen  suchten.  Und  da  wäre  es  eine  Unterlassungssünde,  wenn 
ich  hier  der  edlen  Frau  vergässe,  welche,  über  die  stark  türkische  Sitte  der  Raskaer 
Bevölkerung  sich  wegsetzend,  den  beiden  um  eine  Nacht  schändlich  betrogenen 
Fremdlingen  den  luftigen  Cardak  ihres  Hauses  zur  Schlafstelle  für  die  folgenden 
Nächte  überliess.  Allerdings  geschah  es  erst  nach  einigem  Parlamentieren  und 
unter  der  Zusicherung,  strenge  Zucht  unverbrüchlich  halten  zu  wollen.  West- 
europäer gelten  nämlich  in  den  Ländern  byzantinischer  Christenheit  insgesamt  für 
Leute  von  la.xem  Glauben  und  losen  Sitten.  Auch  unsere  in  diesem  Wahne 
befangene  verwitwete  Schutzgottin  begnügte  sich  nicht  damit,  ihre  Türe  zu  ver- 
riegeln, sondern  rückte  allnächtlich  noch  eine  schwere  Kiste  vor  dieselbe.  Sie 
mochte  wohl  denken:  vielleicht  wird  es  den  „Schwaben"  doch  einmal  in  Gottes 
freier  Luft  unter  ihren  Mänteln  zu  kalt  und  fühlten  sich  vielleicht  dann  versucht, 
in  das  einladende  Heiligtum  des  Hauses  zu  dringen.  Es  wurde  ihr  darob  nicht 
gegrollt.  Kannte  ich  ja  die  strengen  Gebote  serbisch-türkischer  Zucht,  die  es 
sogar  dort,  wo  occidentale  Sitte  noch  nicht  hindrang,  den  Frauen  verbietet,  des 
Mannes  Weg  zu  kreuzen.  Wie  verschieden  sind  doch  die  Völker  in  vorgefassten 
Meinungen!  Dem  Frauen  ehrenden  Deutschen  gilt  die  Begegnung  eines  jungen 
weiblichen  Wesens  als  gute  Vorbedeutung  für  einen  glücklichen  Tag,  im  Orient 
aber  wird  sie  gegensätzlich  aufgefasst,  und  dies  gilt  nicht  etwa  nur  von  alten 
Weibern;  wenig  galant,  macht  man  zwischen  siebzehn  und  siebzig  Jahren  —  in 
dieser  Beziehung  —  keinen  Unterschied. 

Schwer  errungener  Besitz  wird  immer  sorgfältig  gehütet.  Als  das  kleine  Serbien 
nach  blutigen  Kämpfen,  klugen  Unterhandlungen,  in  welchen  Milo§  alle  Umstände 


')  Der  von  Serben  bewohnte  Belgrader  Stadtteil  wurde  deshalb  auch  offiziell  während 
der  kaiserlichen  Okkupation  1718—1739  und  selbst  noch  1791  „Raizenstadt"  genannt. 


38  Diircli  tins  Raskatal  zum  Novi  Pazar-Defilec. 

zugunsten  seines  Landes  auszunützen  verstand,  durch  russische  Unterstützung 
endlich  im  Jahre  1833  zum  lanfj;ersehnten  Besitze  der  streitigen  Gebiete  gelangte, 
eilte  Fürst  Milos,  türkische  Wankelmütigkeit  und  Pascha-Willkür  kennend,  dieselben 
durch  einen  hohen,  fortlaufenden  „Plot"  (Palisadenzaun)  vom  türkischen  Terri- 
torium abzuschliessen.  Eine  Kordonmiliz  und  Quarantänen  nach  österreichischem 
Zuschnitt  wurden  eingerichtet,  um  so  die  moslimischen  Nachbarn  an  die  Existenz 
des  zu  respektierenden  „serbischen  Bodens"  zu  mahnen.  Brachte  die  hermetische 
Abschliessung  und  Erschwerung  des  Verkehrs  unleugbare  nationalökonomische 
Nachteile,  so  dokumentierte  doch  der  kleine  Serbenstaat  erst  durch  diese  Mass- 
regel seine  faktische  Unabhängigkeit.  Auch  gewcihnte  man  die  „Rajah"  Bosniens 
und  Bulgariens,  in  dem  Grenzzaun  einen  Hort  zu  erblicken,  hinter  welchem  ihre 
glücklicheren  Christenbrüder  die  Waffen  zu  ihrer  einstigen  Befreiung  schmiedeten. 

Das  1846  erstandene  Raska,  bis  1878  eine  der  dreizehn  Quarantänen  Serbiens, 
liegt  auf  einem  felsigen,  den  Bodenbau  wenig  begünstigenden  Plateau,  das  zur 
Raska  sanft  abfällt;  doch  gegen  NW.  liegt,  geschützt  durch  bewaldete  Höhen  gegen 
die  rauhen  Schneestürme,  seit  altersher  das  „Zimovnik"  der  griechischen  Wander- 
hirten vom  nahen  Kopaonik,  die  mit  ihren  Schafherden  im  Winter  hier  lagern 
und  ihre  Bedürfnisse  im  Städtchen  einkaufen,  was  viel  zur  Hebung  seines  Wohl- 
standes beiträgt.  Wie  dem  Leser  ein  Bild  des  serbischen  Grenzstädtchens  geben? 
Am  besten,  er  folgt  mit  mir  der  Einladung  des  Djumrukdzija  (Zollbeamten)  zum 
Besuche  seines  türkischen  Kollegen  auf  das  rechte  Ufer  der  Raska.  „Herr,  in 
meiner  Begleitung  habt  Ihr  drüben  nichts  zu  besorgen!" 

Wir  durchschritten  die  verödeten,  nur  an  Markttagen  mit  malerischer 
Staffage  belebten  weiten  Hofräume  der  Quarantäne.  Ein  mächtiger  Schlüssel 
knarrte  im  Schlosse  des  mit  Schiessscharten  versehenen  letzten  Pfahltores.  Noch 
einige  hundert  Schritte  jenseits  der  soliden  Grenzbrücke  und  Satjir  Effendi,  der 
grossherrliche  Djumrukdzija,  hiess  uns  auf  diesem  fernen  Punkte  sultanlichen  Bodens 
willkommen.  Auf  der  nebenstehenden  Illustration  erblickt  man  im  Vordergrunde 
ein  niederes  Häuschen,  eine  Art  Heuschober,  dessen  schiefe  Linien  selbst  das 
dem  „Kasernenstil"  feindlichste  Auge  befriedigen  werden,  es  ist  das  leibhaftige 
Konterfei  des  türkischen  Zollamtsgebäudes.  Sticht  es  grell  von  den  gegenüber- 
liegenden serbischen  Baulichkeiten  ab,  zu  welchen  jüngst  auch  ein  Bezirksgericht 
und  eine  neue  Kirche  kamen,  gibt  es  eine  schlimme  Idee  von  türkischen  Regierungs- 
gebäuden ausserhalb  der  Siebenhügelstadt,  so  ist  dies,  wie  ich  versichern  kann, 
weder  meine,  noch  Satjir  Effcndis  Schuld,  sondern  wahrscheinlich  jene  des  Paschas 
im  nahen  Novi  Pazar,  der,  wenig  besorgt  um  die  Wahrung  grossherrlichen  Ansehens, 
analogen  Fällen  nach  zu  schliessen,  höchst  wahrscheinlich  einige  tausend  Piaster 
am  Bau,  natürlich  zu  seinem  Vorteil,  sparte. 

Wir  brauchten  wenigstens  im  engen  Korridor  nicht  lange  zu  antichambrieren, 
ein  albanesischer  Kawase  schob  das  Veluni  zur  Seite,  und  wir  betraten  die 
einzige  Stube  des  Zollamtes.  Durch  zwei  schiffslukenartige  Fenster  drang  eben 
genug  Licht  ein,  um  zu  unterscheiden,  dass  sie  nicht  an  überflüssigem  Komfort 
leide.  Wir  teilten  mit  Satjir  Effendi  den  einzigen  seiner  Teppiche,  auf  dem  er 
des   Tages   über,   in    einem    Winkel    hingekauert,   Besuche   empfängt,    des   Nachts 


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Durch  das  RaSkatal  zum  Novi  Pazar-Defilee.  41 

aber  von  schönen  Hurien  in  ferner  Heimat  träumen  mochte.  Cihuks  und  Kaffee 
wurden  mit  dem  gewölinlichen  zerenioniösen  Wesen  gereicht,  das  iielien  den 
zerrissenen  Kleidern  des  i<redenzenden  Kawasen  und  dem  ärmhchen  Räume  für 
ein  occidentales  Menschenkind  lächerlich  erschien.  Trotz  alledem  sass  es  sich 
ganz  geniiitlich  in  der-  kühlen  Stube,  während  draussen  heisse  Sonnenglut  auf 
Raskas  nackten  Bergen  und  weissgetünchten  Häusern  lagerte.  Mit  Satjir  Effendis 
Erlaubnis  machten  wir  es  uns  bequem,  und  des  Sängers  Reim  passte  bald 
vollkommen  auf  unsere  Situation: 

„Traut  dem  Aut;'  kaum,  da  er  sieht  heim  Becher 
Serb'  und  Türk'  in  hriiderhcher  Eintracht!"  ') 

„Schreibt,  soviel  Ihr  wollt,"  meinte  Satjir,  als  ich  ihn  bat,  eine  Skizze  von 
Raska  nehmen  zu  dürfen,  das,  durch  die  Fensterluke  gesehen,  wie  ein  umrahmtes 
Bild  vor  mir  lag.  „Schreibt  auch  mich  ab,  wenn  Ihr  Lust  habt,"  setzte  er  freund- 
lich hinzu.  Gesagt,  getan!  Der  Leser  weiss  nun,  wem  er  das  Bildchen  dankt, 
das  ihn  mit  der  Quarantäne  Raska  und  dem  türkischen  Zollamt  Supanj  bekannt 
macht.  Eine  ausführliche  Schilderung  der  serbischen  Quarantäne -Einrichtungen 
gebe  ich  bei  Aleksinac  (V.  Kap.). 

Während  die  Kommission  ihren  Erhebungen  für  den  Quarantänebau  in  Raäka 
eifrig  oblag,  fand  ich  erwünschte  Müsse,  das  zuletzt  gesammelte  Material  dort 
zu  sichten  und  meine  ins  Stocken  geratene  Korrespondenz  aufzunehmen.  Die 
kühleren  Nachniittagsstunden  wurden  zu  Ausflügen  auf  die  nahen  Hüben  benützt, 
während  der  Abend  die  ganze  Gesellschaft  zu  Spaziergängen  entlang  den  Steil- 
hängen am  Ibar-Ufer  oder  nach  den  Auen  der  Raäka  vereinigte.  Gewöhnlich 
ward  es  Mitternacht,  und  erst  die  sinkende  Mondscheibe  mahnte  uns,  das  luftige 
Cardaklager  aufzusuchen,  welches  wir,  durch  Schlaf  in  milder  Nachtluft  zu  neuer 
Arbeit  gekräftigt,  schon  mit  Sonnenaufgang  verliessen. 

Oft  lenkte  ich  meine  Schritte  nach  dem  hochliegenden  Friedhof,  wo  eine 
verwüstete  Kirche  mit  spitzwinkliger  Chorapside  auf  eine  ältere  Niederlassung 
hindeutet.  1876  erbaute  das  nun  über  700  Seelen  in  120  Häusern  zählende  Bezirks- 
städtchen eine  dem  Erzengel  Gabriel  geweihte  Kirche,  zu  deren  Pfarre  sechs 
Nachbarorte  gehören.  Auch  die  Einnahme  seiner  Douane  stieg  in  den  letzten 
Jahren  und  betrug  1906  über  8000  d,  was  wohl  die  besseren  Strassen  bewirkten. 

Am  liebsten  weilte  ich  aber  in  Raskas  freundlichem  Schulhause,  das,  an 
Serbiens  Grenze  gelegen,  bis  zum  griechischen  Artagolf  auf  vier  geographischen 
Breitengraden  die  letzte  Pflanzstätte  occidentaler  Zivilisation  zu  jener  Zeit  bildete. 
So  oft  ich  den  zur  Schule  führenden  Steilpfad  hinanstieg,  drängte  sich  mir  dieser 
Gedanke  auf.  Wenn  ich  dann,  am  kleinen  Glockenstuhl  neben  dem  Schulhaus 
ausruhend,  auf  das  junge,  aufblühende  Grenzstädtchen  blickte,  das  diesem  sterilen 
Boden  entstiegen  war,  gedachte  ich  unwillkürlich  des  günstigen  Einflusses 
christlich-zivilisierenden  Regiments,  der  sich  hier,  gegenüber  fanatisch  dumpfer, 
jedem  Fortschritt  feindlicher  Koranswirtschaft,  glänzend  dokumentierte.  Man  liebte 
es,  der  türkischen  „Rajah"  gern  vorzuwerfen,  dass  sie  ohne  jeglichen  Wissensdrang, 


')  Kappers  Gesänge  der  Serben,  I.  Bd.    Leipzig  1852. 


42 


Diircli  das  Raskatal  zimi  Nnvi  Pazar-Dofilee. 


nach  Errichtiiiifi;  von  Biltliinj^sanstaltcn  kein  Verlangen  trage.  Unleugbar  gah  es 
Fälle,  welche  diese  Meinung  begünstigten;  betrachtete  ich  sie  jedoch  näher,  so 
ergab  sich  meist,  dass  mit  der  Pforte  verbündete  fanariotiscii-griechische  Bischöfe 
sie  verschuldet  hatten. 

In  meinem  „Donau-Bulgarien  und  der  Balkan"  nannte  ich  diese  hohen 
kirchlichen  Würdenträger,  welche  mit  ihren  Funktionen  auch  weltliche  Ämter 
verbanden,  „geistliche  Paschas"  im  schlimmsten  Begriffe  dieses  Wortes;  denn  sie 
teilten    sieh    mit    ihren   türkischen  Amtsbrüdern    in    die  Ausbeutinig    der   von   dem 


SUPANJ.    Türkischer  und  serbischer  Zollbeamter. 


Ökumenischen  Patriarchen  von  ihnen  auf  Spekulation  gepachteten  Rajah,  und  da 
unwissende  Schäflein  am  leichtesten  zu  scheren,  hintertrieben  sie  die  Errichtung  von 
Schulen  in  jeder  Weise.  Auf  die  Schulbänke  des  kleinen  serbischen  Ra§ka  sendete 
jedoch  die  jenseitige  Christenheit  ihre  Kinder,  als  unwiderlegbaren  Protest  gegen  die 
erwähnte,  ihr  angedichtete  Beschuldigung.  Die  kleinen  Rajahabkömmlinge  werden 
im  Schulgebäude  für  den  Sommer  untergebracht  und  kehren  im  Winter  zu  ihren 
Angehörigen  zurück,  welche  für  sie  zu  bestimmten  Terminen  Kleider,  Wäsche, 
Lebensmittel  usw.  im  Kastell  niederlegen.  Zwei  Stuben  im  Erdgeschoss  des 
Schulhauses  dienen  zur  Aufbewahrung  dieser  Vorräte;  jeder  Knabe  besitzt  ein 
eigenes,  in  grossen  Wandschränken  befindliches  Kästchen;  die  Kosten  für  Unter- 
richt und  Obdach  trägt  der  serbische  Staat. 


Durch  das  Raskatal  zum  Novi  Pazar-Defilee.  43 

Icii  freute  iiiieh  des  sichtbaren  Eifers,  mit  dem  die  bosniscli-scrhisciien 
Sprösslinge  den  Vorträgen  ihres  jungen  Lehrers  folgten.  Vermögendere  senden  aber 
ihre  Söhne,  je  nach  der  Nationalität,  auf  die  höheren  Schulen  Griechenlands, 
Serbiens  oder  nach  Oesterreich,  Deutschland,  Belgien  und  F- rankreich,  da  sich 
der  Unterricht  in  ihren,  unter  fanariotischer  Aufsicht  stehenden  Städteschulen  auf 
die  elementarsten  Kenntnisse  beschränkte.  Also  nicht  die  Rajah,  sondern  die  ihr 
vorgesetzten,  ihrer  Nationalität  fremden  weltlichen  und  geistlichen  Paschas  waren 
anzuklagen,  wenn  man  von  der  unglaublich  niedrigen  Bildungsstufe  der  türkischen 
Christenheit  spricht,  und  deshalb  erhob  ich  wiederholt  meine  Stimme  für  ihre 
endliche  Befreiung  von  der  fanariotisch-geistlichen  Vormundschaft. 

„Ja  sam  iz  Pribakove"  (ich  bin  aus  Pribakovas  Gebiet),  äusserte  ein  Pandur, 
der  uns  auf  dem  Ausflug  nach  Novi  Pazar  begleiten  sollte.  Er  war  mir 
durch  seine  Schönheit  aufgefallen,  und  dies  will  viel  in  einem  Lande  sagen, 
dessen  Männer  sich  meist  durch  körperliche  Vorzüge  auszeichnen.  Die  Land- 
schaft „Pribakova"  traf  ich  nie  zuvor  auf  alten  oder  neuen  Karten;  ich  durchlief 
auch  vergebens  die  Namenreihe  der  einst  in  diesen  Gegenden  angesiedelten 
altsiavischen  Stämme.  Die  Raskaer  Beamten  erklärten  mir  endlich  lachend,  dass 
es  eine  Nahija  „Pribacka"  allerdings  weder  geschichtlich  noch  topographisch 
gäbe;  jenseits  des  Ibars  bezeichne  man  aber  den  Jo.sanicaer  Bezirk  so,  weil  ihm, 
seit  er  serbisch,  ein  Kapetan  Pribak  vorstehe,  der  beim  Volke  ungemein  populär 
und  als  „Gospodar"  (Herr)  jenes  Landstrichs  betrachtet  werde. 

Der  Zufall  wollte  es,  dass  der  genannte  Souverän  nach  Raska  kam, 
um  mit  dessen  Kapetan  eine  gemeinsam  zu  kombinierende  Jagd  auf  die  Grenze 
unsicher  machende  bosnische  Heiducken  ins  Werk  zu  setzen.  Da  sah  ich  nun 
leibhaftig  einen  jener  Kiiezen  vor  mir,  die  nach  der  Türkenherrschaft  in  Serbiens 
Verwaltung  sich  teilten.  Schon  seine  äussere  Erscheinung  war  imponierend.  Das 
reiche  Nationalkostüm,  gehoben  durch  den  glänzenden  VVaffenschmuck,  der 
obligate  Krummsäbel  an  mit  Goldquasten  gezierter  Achselschnur,  die  silber- 
ausgelegten Pistolen,  die  vielen  zum  Anzug  eines  rechtschaffenen  Altserben 
gehörenden  blinkenden  Patronentäschchen,  Feuerstein,  Ladestock,  Oelfläschchen, 
Tabaksbeutel,  rückwärts  und  an  der  rechten  Gürtelseite  mit  Schnüren  befestigt, 
wirkten  blendend. 

Wahrlich,  wenn  Kapetan  Eilip  Pribakovic  mit  seinem  Cibuk  majestätisch 
eintrat,  bildete  er  stets  den  stattlichen  Mittelpunkt  unseres  Kreises,  und  es  wurde 
seinem  modernen  Raskaer  Amtshruder  in  der  nüchternen  blauen  Beamtentracht 
schwer,  sich  neben  ihm  zu  behaupten.  Mit  wahrer  Verachtung  sah  „Gospodar 
Pribak"  auf  alles  Fremdländische,  besonders  auf  alles  Gedruckte  herab.  Viel- 
leicht hatte  er  gehört,  dass  die  Buchdruckerkunst  eine  „schwäbische"  Erfindung 
sei;  vielleicht,  und  aber  wahrscheinlicher  —  weil  er  nicht  lesen  konnte.  Was 
kümmerte  sich  „Kapetan  Pribak"  auch  um  geschriebene  oder  gedruckte  Gesetze, 
mochten  ja  auch  seine  erst  kurz  zu  Serbien  gehörenden  Pribaker  kaum  wissen, 
dass  solche  existieren.  Die  Regierungsbefehle  kamen  ihm  ohnedies  durch  den 
die  Schreibgeschäfte  besorgenden  Pisar  zur  Kenntnis,  und  im  übrigen  schaltete 
er,    die   Existenz  eines  „römischen  Rechts"   gewiss    nicht,   jene    des  von    Tkalac 


44 


Durch  das  Raskatal  zum  Novi  Pazar-Defilee. 


trefflicli  beleucliteteii  „serbischen"  schwerlich  aiinend,  einzig  nach  dem  von  Gott 
in  jede  Mcnsciienbrust  gesenkten  Gesetzbucii.  Traf  er  auch  nicht  immer  das 
Richtige,  denn  es  stak  noch  ein  gut  Stück  Türkentum  in  dem  Manne,  so  war 
„Gospodar  Pribak"  trotzdem  der  populärste  Mann  in  seiner  Nahija.     Kein  Bauer 


Rlip  Pribakovie,  30  Jahre 
Kapetan  von  Josanica. 


Michailo  Petrovic 
Kapetan  von  Raska. 


Alter  und  neuer  Kapetan. 


zog  an  Pribaks  Hof  vorüber,  ohne  dort  „für  den  Segen"  (guten  Verkauf)  einen 
zurückbehaltenen  Sack  Erdäpfel  oder  Mehl,  eine  Gabel  Heu,  einen  Laib  Käse  usw. 
abzuliefern  oder  eine  Cutura  Wein  in  dessen  Fass  zu  schütten.  Der  Kapetan 
war  in  dem  Masse  geachtet,  dass  ein  „Pribaker"  nur  selten  vor  den  höheren 
Behörden  erschien.  Pribak  vertrat  alle  Instanzen  und  schlichtete  die  Streite  seiner 
Untergebenen  endgültig,  selbst  ihre  kirchlichen. 


Durch  das  Raskatal  zum  Novi  Pazar-Defilee.  45 

Für  die  über  solches  Re{j;ieren  ohne  alles  Paragraphentuni  erstaunten  Leser 
sei  hier  gleich  zur  Beruhigung  liemerkt,  ciass  die  der  ersten  Karadjordjeschen  und 
Miiosschen  Epociie  angehörenden  Nacalniks  und  Kapetane,  selbst  bis  zu  Fürst 
Mihails  Regierungsantritt,  nur  noch  ausnahmsweise  in  einigen  Grenzbezirken 
fungierten  und  später  durch  Beamte  der  „neuserbischen"  Schule,  ich  weiss  nicht, 
ob  immer  zum  Vorteile  der  Regierten,  ersetzt  wurden.  Fürst  Mihail  klagte  mir 
wiederholt,  dass  der  junge  Beamtennachwuchs  nur  selten  seinen  uuhhncinenden 
Absichten  entspräche.  Die  Ursache  lag  in  dem  verfehlten  System  zur  Heranbildung 
tüchtiger  Staatsdiener,   von   dem  ich  noch  sprechen  werde. 

Der  Kapetan  von  Raäka  und  ein  stattlicher  Reitertrupp  begleiteten  mich 
auf  dem  Ausflug  in  das  Defilee  von  Novi  Pazar.  Auch  die  Mitglieder  der 
Baukommission  wollten  einen  Blick  in  das  ehemalige  „Stara  Srbija"  (Altserbien) 
werfen  und  schlössen  sich  mit  ihrem  Pandurentross  uns  an.  Wir  zogen  durch 
die  langgestreckte  Raska-Talrinne,  welche  gewiss  einen  Flügel  der  Moravabahn 
nach  Novi  Pazar  aufnehmen  dürfte,  und  kreuzten  mehrere  ihrer  Queradern, 
unter  diesen  die  ziemlich  starke  Trnava.  Der  abwechselnd  auf  serbischer 
und  türkischer  Seite  sich  ausweitende  Uferrand  wird  von  massigen,  dünn 
bewaldeten  Hohen  (250-450  m)  begrenzt  und  erscheint  oft  fleissig  kultiviert. 
Gegenüber  der  serbischen  Karaula  Draganice  sahen  wir  besonders  schöne 
Gemüsegärten. 

Nur  wenn  man  an  den  Druck  denkt,  unter  welchem  die  Rajah  seit  Jahr- 
hunderten lebte,  durfte  man  die  Periode  der  türkischen  Herrschaft  auf  der 
Balkanhalbinsel  die  „eiserne"  nennen;  dieses  Epitheton  gilt  jedoch  nicht  im 
engeren  Sinne  des  Wortes.  Gäbe  es  in  der  Türkei  statistische  Daten  über  den 
Verbrauch  des  Eisens,  welches  in  der  Entwickelung  unseres  Weltteils  eine  so 
wichtige  Rolle  spielt,  so  würde  man  sehen,  dass  sie  bisher  an  dessen  Gewinnung, 
Bearbeitung  und  Verbrauch  sich  am  wenigsten  beteiligte.  Von  dem  antedilu- 
vianischen  Pflugniesser,  der  Sichel  und  Sense  abgesehen,  sind  an  den  übrigen 
landwirtschaftlichen  Geräten  nur  selten  Eisenteile  zu  entdecken.  Als  wir  bei 
Nosoljin  vorüber  kamen,  sah  ich  eine  Egge,  deren  Spiesse  bürstenartig  ein- 
gezogene Dorncnbüschel  ersetzten,  und  linch  befanden  wir  uns  auf  einem  Boden, 
der,  wie  verlassene  Schachte  und  Eisenschlacken  bei  dem  Rudno,  Riljin  Do,  Binici, 
Zeleznica  bewiesen,  unter  den  serbischen  Zaren  eine  reiche  metallurgische 
Ausbeute  gab.  Auch  im  nördlicheren  Teile  des  Kreises  läuft  die  traditionelle 
Sage,  dass  am  Fusse  des  Troglav  im  Mittelalter  grosse  Schmiedewerkstätten  sich 
befanden.  Unter  der  Türkenherrschaft  diente  das  Eisen  nur  als  Waffe.  Die  uns 
umschwärmenden  Panduren  trugen  kleine  Arsenale  in  ihren  Leibgürteln  und 
würden  diese  so  wenig,  wie  die  auf  dem  jenseitigen  Ufer  mähenden  Bosniaken 
gegen  irgendeine  noch  so  nützliche  Ackerbaumaschine  vertauscht  haben.  Wozu 
würde  eine  solche  im  Kampfe  nützen?  Und  dass  es  bald  wieder  einmal  zu 
diesem  kommen  müsse,  war  dem  herrschenden,  wie  dem  unterjochten  Teile  voll- 
kommen klar.  Zu  was  also  an  eine  bessere  Bewirtschaftung  des  Landes  denken? 
Würden  ja  die  vermehrten  Erträgnisse  doch  nur  in  die  Tasche  der  requirierenden 
Türken  fallen!     So  räsonnierte  die  Ackerbau  treibende  Rajah. 


46  Durch  ilas  F^askatal  /.um  Novi  I'azar-Dt'filcc. 

Ein  in  unregelniässigen  Serpentinen  aufwärts  strebender  Steiiweg  hrachfe 
uns  dureli  jungen  Wald  vom  letzten  Blockhaus  an  der  Raska  zum  390  m  hohen 
Kamm,  auf  dessen  gewellter  Kuppe  ein  durch  lebende  Hecken  verstärkter 
Palisadenzaun  die  serbische  Grenze  am  linken  Ibarufer  markiert.  „Herr"  — 
meinte  der  Kapetan  —  „nehmt  nun  das  Fernrohr,  und  Ihr  werdet  Novi  Pazar  so 
gut  sehen,  als  wären  wir  hingegangen."  Er  hatte  recht.  Ohne  mich  Unannehm- 
lichkeiten seitens  des  fanatischen  Stadtpöbels  auszusetzen,  welcher  1843  den 
englischen  Konsul  Paton  zur  schleunigsten  Flucht  nach  Ra.ska  zwang'),  sah  ich 
SW.  das  Defiiee  von  Novi    Pazar  reliefartig  vor  mir. 

Von  N.  und  S.  ziehen  kahle  und  bewaldete  hohe  Sporne  der  serbischen 
Golija-Planina  des  türkischen  Pester  (Gebiet)  und  Rogozna-Planina  zur  Raska 
hinab,  deren  pittoreskes  und  archäologisch  bemerkenswertes  Tal  voll  interessanter 
Erinnerungen  für  das  Serbenvolk  sind.  W.  vom  nahen  sanften  Querschnitt  bei 
Panojevici  befindet  sich  die  gewiss  schon  den  Römern  bekannte  Therme 
„ilidza"  (Banja),  etwas  weiter,  im  linksuferigen  der  Dezeva  stand  die  gleich- 
namige Stadt,  in  der  König  Dragutin  dem  Throne  entsagte  (III.  Bd.,  Kap.  111), 
und  unfern  sieht  man  das  Kirchlein  Sv.  Petar  (Petrova  crkva),  das  nach 
einem  Chronisten  den  Mittelpunkt  eines  bedeutenden  Gemeinwesens  bildete, 
vielleicht  der  Residenz  Ras  des  altserbischen  Zupanen -Geschlechts  Nemanja. 
Eine  westliche  Höhe  krönen  die  Reste  des  traditionell  von  Zar  Dusan  gestifteten, 
heute  als  Pulvermagazin  dienenden,  berühmten  Klosters  „Djurdjevi  Stubovi" 
(Georgssäulen).  Gegen  SW.  erweitert  sich  das  Tal  zu  einem  von  nackten 
Höhen  umschlossenen  Becken,  auf  dessen  388  m  hoher  Sohle  ich  Novi  Pazars 
Schloss  und  die  Minaretts  seiner  17  Dzamien  trefflich  unterscheiden  konnte. 
Westlicher  liegt  die  Ruine  des  von  Stefan  Uros  1.  gestifteten  Klosters  Sopocani, 
und  südlich  von  diesem  jene  des  Schlosses  Jelec.  Den  Hintergrund  des  stark 
kultivierten  Planes  füllten  die  schneebedeckten  1600 — 2500  m  hohen  Ketten  der 
Herzegowina  und  seit  undenklichen.  Zeiten  ihre  Unabhängigkeit  behauptenden, 
nur  nominell  dem  Sultan  Untertanen  Stämme  Kuci  (besonders  Drekalovici  und 
Vasojevici),  welche  seit   1878  zu  Montenegro  gehören. 

1868  schrieb  ich  über  das  später  vielgenannte  Novi  Pazar  in  meinem  Serbien: 
„Novi  Pazar  ist  eine  der  wichtigsten  militärischen  Positionen  der  europäischen 
Türkei.  Es  ist  sozusagen  der  Schlüssel,  der  ihr  die  Verbindung  mit  Bosnien 
offen  hält.  Denselben  zu  gewinnen,  erscheint  für  jedes  gegen  Albanien  oder 
Makedonien  operierende  Heer  unerlässlich.  .Schon  zur  Römerzeit  soll  hier  das 
feste    Asinae    gestanden    haben.      Auf  seinen    Mauern    entstand    das    altserbische 


')  Obschoii  kii  .sulbst  in  Zvoniik,  Pirol  und  Nis  von  den  türkischen  Autoritäten 
verhaftet  wurde  und  während  meiner  18  Balkanpassagen  oft  genug  mit  dem  Misstrauen  der 
Türken  zu  kämpfen  hatte,  halte  ich  es  für  ungerechtfertigt,  sich  über  derartige  unangenehme 
Reiseerlebnisse  zu  beklagen,  seit  neuestens  Deutsche  und  Franzosen,  Russen  und  Oester- 
reicher  Leute  sofort  verhaften,  welche  beim  „Aufschreiben"  von  befestigten  Orten  bemerkt 
werden.  Misslich  ist  nur,  dass  die  Türken  zwischen  militärisch  ganz  bedeutungslosen  alten 
Mauern  und  wirklich  wichtigen  Festungswerken  keinen  Unterschied  machen;  lobenswert 
aber,   dass  die  Prozedur  rasch  erledigt  wird 


Durch  das  RaSkatal  zum  Novi  Pazar-Üufilce.  47 

„Trgoviste",  der  von  1346—1459  oft  erwähnte  wichtige  „Marktplatz"  mit  ragusa- 
nischer  Kolonie,  der  von  den  Türken  „Jeni  Pazar"  (Neumarkt)  umgetauft  wurde. 
Zweimal  gelangte  Novi  Pazar  in  österreichischen  Besitz.  1689  eroberte  es  mit  ganz 
Alt-Serbien  Graf  Piccolomini  in  raschem  Siegeslauf,  doch  schon  im  nächsten  Jahre 
nahm  der  Grossvezier  Köprülü  (Cuprilic)  es  wieder.  Fiyifzig  Jahre  später  sollte  der 
tüchtige  k.  Oberst  Lentulus,  den  wir  schon  zu  Beginn  des  Feldzugs  1737  kennen 
gelernt  (1.  Bd.,  S.  500),  einem  durch  den  serbischen  Klerus  vorbereiteten  Rajah-Auf- 
stand  Luft  machen.  Auf  Seckendorfs  Befehl  brach  Lentulus  mit  einem  Regiment 
Husaren  und  200  Dragonern  auf,  nahm  Krusevac,  Kraljevo,  Pozega  und  sandte 
ein  Detachement  gegen  Novi  Pazar  ab,  um  durch  dessen  Besetzung  die  Verbindung 
zwischen    den  in  Bulgarien  und    Bosnien  operierenden  Kaiserlichen  herzustellen." 

Die  gleichzeitige  Schilderung  des  dreijährigen  Krieges  (1737  —  1739)  vom 
gelehrten  Novier  Kadi  Omer  Effendi ')  erzählt:  „Wie  bald  aber  die  Insassen 
besagten  Schlosses  zu  vernehmen  bekamen,  dass  der  Haufe  der  Ungläubigen 
gegen  erwähntes  Jeni  Pazar  sich  nahe,  fingen  ihre  sonst  standhaften  Füsse  zu 
zittern  an."  Über  die  Beteiligung  der  Rajah  an  dieser  und  anderen  Waffen- 
taten schreibt  er:  „Die  kaiserliche  Aufforderung  zum  Aufstand  erging  an  die  in 
dem  daselbstigen  Gebirge  wohnhaften,  von  der  albanesischen  Nation  lierrührenden 
Klementiner  (Katholiken)  und  mehr  anderes  mit  den  Albanesern  durch  Verwandt- 
schaft verbundenes  Raubgesindel,  welches  sich  auf  die  Spitzen  und  Gegenden 
der  Berge  ihren  Aufenthalt  genommen  und  verschanzt  hatte,  welche  sich  dann 
auch  insgesamt,  zufolge  der  ihnen  schon  angeborenen  Ruchlosigkeit,  zu  dem 
Glaubens-  und  Religionsfeind  schlugen,  mit  ihm  gemeinschaftliche  Sache  machten, 
unter  den  wahren  Gläubigen  Tod  und  Verwüstung  stifteten,  und  auf  solche  Art 
alle  Zugänge  und  Wege,  wodurch  man  sowohl  nach  Bosnien  als  von  Bulgarien 
kommen  kann,  besetzten  und  sperrten." 

Eingelullt  durch  anfänglich  leichte  Siege,  liess  Seckendorf  den  Türken  Zeit, 
ihre  Energie  wiederzufinden.  Der  Verlust  von  Nis  und  Novi  Pazar  entschied  aber 
den  unglücklichen  Ausgang  des  Feldzugs  für  Österreich.  Es  fehlte  allerorts  an 
Munition,  am  unentbehrlichsten.  Lentulus  hatte  in  Novi  Pazar  nur  7  unbrauchbare 
Kanonen  gefunden.  Zweimal  schlug  er  den  Sturm  der  Türken  auf  seine  Schanzen 
zurück.  Ein  zur  Verstärkung  heranziehendes  Detachement  verliess  unglücklicher- 
weise die  ihm  durch  den  Bischof  von  Prokuplje  bezeichnete  Route.  Es  wurde 
von  2000  Türken  überfallen,  büsste  seinen  Führer  und  viele  Mannschaften  ein; 
nur  250  von  dem  tapferen  Rittmeister  Nischlmeissel  gesammelten  Dragonern  gelang 
es,  beinahe  gleichzeitig  mit  unter  Graf  Thürheim  über  Razanj  heranziehenden 
300  Mann   Infanterie  glücklich  Novi  Pazar  zu  erreichen. 

Endlich  begann  man  im  Hauptquartier  die  grosse  Wichtigkeit  des  Defilees 
von  Novi  Pazar  zu  würdigen;  wie  überall,  vereitelte  aber  auch  hier  die  schlechte 
Organisation  der  Verpflegsanstalten  die  rasche  Durchführung  der  gegebenen 
Befehle.  Am  6.  August  verliess  General  Schmettau  das  Lager  vor  Nis,  um  über 
Prokuplje  die  Verbindung  mit  Novi  Pazar  herzustellen;  doch  schon  aus  Kur§umlje 

')  Übersetzt  von  joh.  N.  Üulxsky,  k.  k.  üolmetseh.     Wien  1789. 


48  Durcli  das  Raskntal  zum  Novi  Pazar-Defilee. 

meldete  er,  dass  auf  dem  stanzen  Wei^e  die  Dörfer  verlassen  und  weder  Brot 
noch  Fourage  aufzutreiben  seien.  Am  9.  traf  er  in  Badajova  ein,  wo  sich  ihm 
4000  serbische  Milizen  anschlössen.  Wie  er  berichtete,  fehlte  es  an  jeder  Nach- 
richt über  die  feindlichen  Bewegungen.  Anstatt  mutig  über  Podujevo  und  Vucitrn 
vorzugehen,  zögerte  er  utid  verlangte  eine  Verstärkung  von  6  Kanonen  und 
3000  Mann.  Brotmangcl  zwang  ihn  endlich,  das  ganze  Unternehmen  aufzugeben; 
über  Kursumlje  ging  er  nach  Prokuplje  zurück.  Nur  ein  Detachement  unter  Graf 
Festetics,  bestehend  aus  600  Mann  Kavallerie  und  Infanterie  mit  den  von  Lentulus 
dringend  verlangten  Bäckern,  Chirurgen  und  Arzneien,  gelangte  glücklich  nach 
Novi  Pazar,  dessen  Lage  sich  immer  bedrohlicher  gestaltete,  in  Mitrovica  und  bei 
Pec  sammelten  sich  die  Türken  bereits  in  ansehnlicher  Stärke.  Die  aufständischen 
Klementiner  und  Serben  hielten  wohl  noch  immer  treu  zur  kaiserlichen  Sache, 
unterstützten  den  Major  Grafen  Dann  bei  der  Einnahme  der  von  500  Türken 
besetzten  Schanze  von  Sjenica  und  griffen  wiederholt  die  Arnauten  mit  Glück  an. 
Das  siegreiche  Vordringen  der  Türken  erfüllte  jedoch  bald,  die  arme  Rajah  mit 
Schrecken.  Weder  Lentulus  noch  Novi  Pazar  schienen  ihr  genügenden  Schutz  vor 
der  Rache  ihrer  mit  Macht  heranziehenden  Zwingherren  zu  bieten,  und  durch  eilige 
Flucht  in  unzugängliche  Wälder  oder  auf  hohe  Berge   suchte  sie  sich  zu   retten. 

Über  den  Fortgang  des  Feldzugs  erzählt  der  türkische  Chronist  Omer: 
„Zu  gleicher  Zeit  setzte  auch  das  im  Temesvarer  Banat  gestandene  ungläubige 
Kriegsheer  über  die  bei  dem  Dorfe  Rani  auf  der  Donau  geschlagenen  Brücken. 
Hierdurch  wurden  also  beide  diese  verfluchte  Haufen  mitsammen  vereinigt  und 
der  Schwiegersohn  des  bösen  Kaisers,  Herzog  von  Lothringen,  übernahm  über 
diese  gesamte  konjungierte  Armee  das  unselige  Ober-Kommando."  Lentulus  erhielt 
den  Befehl,  Novi  Pazar  zu  schleifen  und  nach  Cossumblia  (Kursumlija  oder 
Kursunilje)  zur  Herstellung  der  Verbindung  zwischen  dessen  Redoute  und  Procopia 
(Prokuplje)  zurückzugehen;  seine  Ausführung  war  aber  höchst  wahrscheinlich 
unmöglich  geworden,  denn  Lentulus  stand  im  September  vor  Uzice. 

Die  hohe  strategische  Wichtigkeit  der  Novi  Pazarer  Position  hätte  jede  andere 
europäische  Macht  veranlasst,  dort  ein  schwer  einnehmbares  Fortifikationswerk 
zu  schaffen;  türkischem  Fatalismus  genügte  aber  das  viertürmige  mittelalterliche 
Schloss  mit  verschüttetem  Graben  inmitten  der  Stadt,  das  in  gefährlichen  Zeiten 
allerdings  durch  einige  Schanzen  gegen  die  serbische  Seite  hin  verstärkt  wurde. 
Nichts  war  unter  solchen  Verhältnissen  erklärlicher,  als  die  stete  Sehnsucht  der 
Serben,  sich  dieser  schlecht  gehüteten,  wichtigen  Stadt  zu  bemächtigen,  um  endlich 
über  die  eingeschobenen  moslimischen  Elemente  hinweg  mit  ihren  montenegrinischen 
Stammesbrüdern  dem  Türkenregiment  in  „Altserbien"  ein  Ende  zu  machen. 

Die  Rajah  konnte  es  nicht  vergessen,  dass  Karadjordje  von  den  nahen 
östlichen  Höhen  1809  seine  Scharen  gegen  Novi  Pazar  geführt,  und  wenn  sie  es 
konnte,  würden  doch  immer  die  Hochebenen  von  Sjenica,  auf  welchen  die 
Nemanjidenherrscher  in  einem  Schlosse  residierten  und  die  Lateiner  starken  Handel 
mit  ihnen  trieben,  sie  daran  erinnern,  dass  diese  Zupa  1809,  wenn  auch  kurz, 
in  ihren  Händen  war.  Der  Rajah  galt  es  als  Evangelium,  Serbien  werde 
bald   wieder   das    1809   durch   die   unglücklichen    Ereignisse    vor    Nis    (VI.    Kap.) 


Durch  das  RaJkatal  zum  Nnvi  Pazar-Defilee 


49 


unterbrochene  Befrciun^svverk  aufnehmen.  Von  den  Hiihen  der  Nahija  Moraca 
durcli  die  Täler  des  Plasnica  und  der  Tara  waren  18t)9  die  leichtfiissigen  Bewohner 
der  schwarzen  Berge,  vereint  mit  den  Insurgenten  von  Drobnjak  und  Kolasin,  nach 
Sjenica  geeilt,  um  Karadjordjes  siegreiche  Trikolore  mit  Freudenschüssen  aus 
ihren  langen  Flinten  zu  begrüssen.  Viele,  oft  verheissungsvolle  Monde  verflossen 
auch  seit  dem  Tagei  an  dem  meine  serbischen  Begleiter  angesichts  des  von 
unserem  hohen  Standpunkte  sichtbaren  Novi  Pazar  die  Frage  an  mich  richteten: 
„Wann  werden  wir  endlicii  in  die  Stammsitze  unserer  Vorfahren  wieder  einziehen?" 


SOPOCANI.    Kirche  und  türkischer  Urcrijpostcn  in  Allscrhicn 


Da  kam  das  Jahr  1S76  voll  trügerischer 
Hoffnungen.  Seine  ersten  Julitage  sahen  den  linken 
Flügel  des  die  „Javor-Armee"  kommandierenden 
Generals  Zach,  geführt  von  dem  populären  Obersten 
Colak-Antic,   im   Raskatal  gegen    Novi    Pazar  sich 

ausbreiten,  doch  wurden  die  montenegrinischen  Falken  diesmal  vergebens 
erwartet;  Fürst  Nikola  kämpfte  im  eigenen  Interesse  in  der  Richtung  auf  Mostar, 
um  sich  der  langersehnten  Herzegowina  zu  bemächtigen.  Die  serbischen  Geschütze 
beschossen  wohl  die  türkischen  Werke  westlich  der  „Djurdjevi  Stubovi"  und 
am  Brückenkopf,  doch  ohne  sie  wesentlich  zu  schädigen;  kleine  Gefechte  mit 
den  öfters  ausfallenden  Besatzungstruppen  und  Basibozuks  brachten  den  Serben 
andererseits  nur  geringe  Verluste. 

Immerhin  behaupteten  sie  das  gewonnene  Terrain  im  Raäkatal  länger  als 
im  Drina-,  Timok-  und  Moravagebiet.  Ein  Streifkorps  wurde  sogar  gegen 
Mitrovica  entsendet,   war  jedoch  viel   zu   schwach,    um  es  zu  nehmen   oder  die 

F.  KAN'ITZ,  Serbien.    M.  4 


50  Durch  das  Raskatal  zum  Novi  Pazar-Defilee. 

Aiisladuiifj  der  türkischen  Nachschübe  in  der  stark  besetzten  Bahnstation  zu 
verhindern.  Nacii  Coiak-Antics  Berufung  an  die  Stelle  des  durch  Mehenied  Ali 
zurückgedrängten  verwundeten  Generals  Zach  zum  Kommando  auf  dem  Javor 
(I.  Bd.,  S.  579)  unterblieb  hier  vollends  jede  grössere  Aktion.  Erst  im  Oktober 
kam  es  zu  kleinen  Gefechten  mit  dem  aus  seiner  trefflichen  Stellung  hervor- 
brechenden Gegner,  und  nach  wie  vor  blieb  der  Schlüssel  zum  Golf  von  Salonik 
in  türkischer  oder  richtiger  in  arnautischer  Hand.  Denn  die  Albanesen  sind  es, 
welche  die  Macht  im  Novi  Pazar-Becken  an  sich  gerissen  haben.  Erst  im  September 
1894  zeigten  sie  dies,  indem  mehrere  Tausende  Sjenica  blockierten  und  dagegen 
'  protestierten,  dass  statt  des  zehnten  der  achte  Teil  der  Ernte  als  Steuer  erhoben 
werde.  Der  Mutessarif  entfloh,  die  Kaufleute  sperrten  ihre  Läden,  die  Einwohner 
schlössen  sich  in  ihre  Häuser  ein.  Der  Platzkommandant,  Major  Ejub  Bey,  traf 
energische  Massregeln,  um  die  Amanten  im  Zaume  zu  halten  und  suchte  um 
Verstärkungen  nach.  Truppen  unter  dem  Kommando  Jussuf  Pa§as  gingen  aus 
Novi  Pazar  zum  Schutze  der  bedrohten  Stadt  ab;  doch  erst,  nachdem  die 
Forderungen  der  Aufständischen  erfüllt  waren,  herrschte  wieder  Frieden  in  diesem 
Teile  des  „Arnautluks". 


I 


Auf  der  Spitze  des  Kopaonik. 


III. 


Vom  Ibar  über  Josanica  auf  den  Kopaonik. 


DIE  Ersteigung  des  Kopaonik,  des  höchsten  Berges  zwischen  der  Save  SO. 
bis  zum  Ballon,  bildete  den  nächsten  Programmpunkt  meiner  Reise.  Ami 
Boue  hatte  vor  mir  diese  Partie  von  Kruäevac  über  Brus  gemacht,  der 
Afrikaner  Barth  von  der  aitserbischen  Seite;  ich  wollte  aber  die  an  seinem 
Nordfuss  liegende  berühmte  Therme  Josanica  gleichzeitig  kennen  lernen  und 
wählte   deshalb  dieses  zum  Aufstiegspunkt. 

Unsere  kleine  Karawane  bestand  aus  dem  Kapetan  Mihail  Petrovic  von 
Raska,  —  jenen  der  „Pribacka  Nahija"  hielten  dringende  Geschäfte  zurück  —  aus 
dem  Ingenieur  Klinar,  der  trotz  langer  Trennung  von  Frau  und  Kind  mir  dieses 
weitere  Opfer  brachte,  und  einigen  Panduren.  Nördlich  von  Raäka  überschritten 
wir  den  durch  starke  Zuflüsse  stark  geschwellten  Ibar.  Fühlbarer  Mangel  an 
Brücken  ist  eins  der  schlimmsten  Übel  für  den  Verkehr  über  diesen  234  km 
langen,  davon  103  durch  Serbien  laufenden  Fluss.  Die  serbische  Regierung  fühlt 
deren  Notwendigkeit  und  arbeitet  emsig  an  ihrer  Vermehrung. 


52 


Vom  Ibar  über  JoSanica  auf  den  Kopaonik. 


Wir  hatten  vollauf  zu  tun,  unsere  mit  der  starken  Strömung  kämpfenden 
Pferde  durch  die  tiefe  Ibarfurt  zu  bringen.  Unsere  Panduren  flehten  den  Wasser- 
gebieter Sv.  Nikola  um  Hilfe  an.  Ein  Kilometer  südlich  steht  das  ihm  geweihte 
Kloster  am  türkischen  ibar,  über  welches  Ruvarac  interessante  Daten  veröffentlichte. ') 
Ohne  durch  das  feuchte  Element  besonders  gelitten  zu  haben,  fanden  wir  uns 
auf  dem  rechten  Ufer  zusammen.  Zuerst  ging  es  über  schönes  Wiesenland,  dann 
auf  gutem  Reitweg  durch  prachtvollen  Laubwald  über  massig  hohe  Berge  wie  in 
einem  englischen  Park.  Hinter  Rvati  näherten  wir  uns  in  langgestrecktem  Bogen 
den    zum    Teil    entwaldeten    Höhen    von    Pavlica.     Beide    Orte    und    auch    das 


'y'rf'^i 


—    -V    ^      -"^^ 


PAVLICA.     Ansicht  der  Kirche. 


nördliche  Piskanja  sollen  ihre  Namen  dem  Marko  Kraljevic  danken,  welcher  auf 
dieser  Route,  nach  Kosovo  ziehend  (?),  guten  Wein  suchte  und  ihn  zu  Rvati 
fand.  An  dem  nach  Pavlica  sich  hinabsenkenden  Wege  stiessen  wir  auf  die 
vereinsamte  Ruine  einer  alten  Kapelle  mit  drei  vorspringenden  Apsiden  an  der 
Ostseite  und  ziemlich  gut  erhaltenen  Fresken,  doch  ohne  jedes  kunsthistorische 
Interesse.  Vor  der  Mehana  begegneten  wir  dem  Popen;  freundlich  lud  er  uns  zu 
kurzer  Rast  ein,  und  wir  nahmen  ein  Glas  Wein  und  stiegen  unter  seiner  Führung 
zur  Kirche  von  Pavlica  hinauf.  Jenseits  über  dem  tiefgrünen  Ibar  lag  die  auf 
dem  Ritte  nach  Raäka  geschilderte  pittoreske  Landschaft  von  Brvenik,  südlich 
abgeschlossen  durch  eine  in  duftig  graublauen  Tönen  verlaufende  Bergkette.  Das 
schöne  Naturbild  hielt  mich  fest,  doch  mein  Forschertrieb  siegte,  ich  schied  von 
der  des  Pinsels  eines  Calame  werten  Szenerie  und  trat  in  den  Narthe.x  der  Kirche. 


•)  Zeitschrift  „Karadzic",  Aleksinac  1899,  S.  14. 


Vom  Ibar  iiher  Josanicn  auf  den  Kopaonik. 


53 


Bis  zum  30.  Juni  1860,  wo  ich  vom  linken  Ibarufer  das  jenseitige  Kirchlein 
von  Pavlica  erblickte,  halte  ich  nie  von  seiner  Existenz  gehört.  Um  so  mehr  war 
ich  überrascht,  vor  einem  wahrscheinlich  dem  13.  Jahrh.  gehörenden  Denkmai  zu 
stehen,  das  längst  schon  wegen  seiner  Stilreinheit,  seines  harmonischen  Verhältnisses 
und  seiner  tüchtigen  Technik  besondere  Würdigung  verdient  hätte.  In  einem  kunst- 
historischen Essay  glaubte  ich  denn  auch  keinen  gelungeneren  Typus  für  die 
altserbische  Bauepoche  wählen  zu  können  als  die  Paviicaer  Kirche. ')  Leider 
stört    ihren    sUmnuingsvollen    Eindruck    im    Innern    der   kalkweisse    Überzug    des 


r.W'LlC.A.    Injiercs  iki    I, 


Freskenschnuicks  und  der  die  Kuppel  tragenden  Marmorsäulen,  welcher  auch 
eine  auf  die  Stiftung  des  Baues  bezügliche  Inschrift  decken  soll  (?).  Dass  er 
jedenfalls  vor  der  Kosovoschlacht  (1389)  entstanden,  zeigt  auch  das  alte  prächtige 
Volkslied:  „Zidanje  Ravanice" -)  (Der  Bau  der  Ravanica),  das  keine  der  vielen 
Kirchen  der  späteren  Lazariden  nennt,  aber  unter  den  gepriesensten  Stiftungen 
der  Nemanjiden  „i  Pavlicu  ispod  Jadovnika"  (und  Pavlica  unter  dem  Jadovnik- 
berg)  rühmt.  Traditionell  wird  andererseits  erzählt:  Die  „Preprata"  (Narthe,\)  habe 
Filip  Latin,  ein  Mann  katholischen  Glaubens,  gelobt  und  erbaut,  um  in  seinen 
Unternehmungen  glücklich  zu  sein;  der  angefügte  Glockenturm  stamme  aber  aus 
noch  jüngerer  Zeit,  was  gleichfalls  meine  Untersuchungen  bestätigen.  (III.  Bd., 
Kap.  XVIH.) 


')  Über   alt-    und    neuserbische    Kirchenbaukunst,   Sitzungsber.  d.    k.  Akad.  d.  Wiss. 
Phü.  bist.  Cl.,  Bd.  45.    Mit  2  Tafeln.    Wien  1864. 

-)  Vuk,  Srpske  narodne  pjesme,  I,  205.    Belgrad  1887. 


54 


Vom  Ibar  über  Joäanica  auf  den  Kopaoiiik. 


Interessant  sind  einige  im  Estrich  der  Kirche  eingelassene  alte  Grabsteine  durch 
die  originelle  Darstellung  der  Verstorbenen,  deren  Andenken  sie  bewahren  sollen. 
Der  grösste  Stein  gehörte  wohl  einem  Priester,  darauf  deutet  das  liturgische 
Kleidungsstück  des  Dargestellten  hin;  ob  es  das  gewöhnliche  Epitrachilion  oder 
das  Omophorion  der  Bischöfe,  ist  schwierig  zu  entscheiden.  Letzteres  möchte 
ich  eher  annehmen,  da  die  Binde  in  einen  einzelnen  Bandstreif  verläuft;  die 
Kopfbedeckung  ist  aber  zweifellos  das  mönchische  Kamilauchion,  dessen  sich  auch 
die  Bischöfe  bedienen.  Schwer  zu  erraten  ist  der  Stand  jener  Person,  welche 
ein  Kreuz  auf  der  Stirne  und  ein  zweites  am  Halse  zeigt.  Gehört  der  bartlose 
Kopf  einem  Diakon  oder  vielleicht  einer  Nonne  an?  Der  dritte  Grabstein 
verewigt  wahrscheinlich  einen  Krieger;  der  Schnurrbart  gibt  dem  Kopfe  ein 
martialisches  Aussehen,  und  unter 
diesem  erscheint  sein  Ross  mit  auf- 
gelegtem Schwert.  Das  Figuralische 
aller  drei  Steine  besteht  aus  von 
beiden  Seiten  mühsam  freigeschnittenen 
Konturen;  die  Schlingblattranken  der 
Randstreifen  liegen  aber  reliefartig  auf 
dem  wenig  vertieften  Grunde.  Das 
Technische  der  Skulpturen  erinnert 
im  ganzen  mehr  an  assyrische  und 
ägyptische  Arbeiten  als  an  das  antike 
Relief;  obschon  ohne  höheren  bild- 
nerischen Wert,  halte  ich  diese  Steine 
—  die  einzigen  bis  1860  gekannten 
Serbiens  —  von   hohem   Interesse  für 

dessen  ältere  Kunst.  Nach  von  mir  1888  in  der  nördlichen  Gruza  aufgefundenen 
ähnlichen  mit  Inschriften  (I.  Bd.,  S.  174)  stammen  sie  vielleicht  aus  dem 
17.  Jahrhundert.  Die  Steine  sind  unbeschrieben;  vielleicht  geben  die  Rückseiten 
über  ihr  Alter  bestimmteren  Aufschluss.  Schon  aus  diesem  Grunde  wäre  ihre 
Aushebung  wünschenswert,  wodurch  man  sie  auch  an  eine  Stelle  übertragen 
könnte,  wo  sie  weniger  dem  Verderben  ausgesetzt  wären.  Leider  begnügten 
sich  die  Herren  Valtrovic  und  Milutinovic,  welche  16  Jahre  nach  mir  Pavlica 
besuchten,  die  Kirche  flüchtig  zu  betrachten.  Das  „schlechte  Wetter",  welches 
sie  hinderte,  meine  Aufnahmen  zu  vervollständigen'),  hätte  sie  aber  nicht  abhalten 
sollen,  etwas  für  die  Rettung  der  interessanten  Grabplatten  zu  veranlassen! 

Von  Paviicas  Höhen  bog  der  Weg  östlich  ab,  und  vier  weitere  Stunden 
brachten  uns  nach  dem  berühmten  Bade  Josanicka  Banja,  dessen  amphybolitischer 
Granit  weither  gerühmt  wird.  Dort  begrüsste  uns  der  Studenicaer  iguman,  der 
sich,  während  wir  in  Raska  weilten,  für  einige  Wochen  zur  Heilung  alter  gichtischer 
Leiden  dahin  begab.  Josanicas  von  Herder  mit  78"  C.  bestimmte  Therme 
ist  die  heisseste  in  Europa,   nur   in  Kleinasien    gibt  es   eine  gleich  warme.     Die 


Altstrbische  Grabstelin:. 


')  Glasnik.  47.  Bd.,  239. 


Vom  Ibar  über  Josanica  auf  den  Kopaonik.  55 

Hauptqiicllc  entstrünit  neben  sieben  kleineren  in  bedeutender  Mächtigkeit  dem 
quarzig- hnrnbiendigen  Schiefer  der  Brezovica,  hart  am  Westufer  des  Fkisses 
|o§anica,  von  welchem  sie  durch  eine  aufgeführte  Mauer  getrennt  ist.  Von  ihrem 
Fassungspunkt  läuft  sie  gänzlich  mineralfrei,  also  Gastein  ähnlich,  durch  ein  Rohr 
in  das  einzige  Steinbassin,  dessen  kleiner  Wasserspiegel  von  einem  höchstwahr- 
scheinlich türkischen  niederen  Kuppelbau  überwölbt  ist.  Nur  wenige  Lichtstrahlen 
dringen  in  den  selbst  des  bescheidensten  Komforts  entbehrenden  Raum.  Es  ist 
kaum  anzunehmen,  dass  unter  den  durch  vollendete  Einrichtung  ihrer  Badeanstalten 
berühmten  Türken  sich  Josanicas  Therme  in  gleich  vernachlässigtem  Zustande 
befand;  wahrscheinlich  wurden"  ihre  aus  Holz  errichteten  Nebenbauten  während 
der  Freiheitskämpfe  zerstört.  Die  gewiss  schon  den  Römern  bekannt  gewesene 
Therme  hat  jedenfalls  eine  grosse  Zukunft  und  ist  auch  dadurch  interessant,  dass 
hier  die  perennierende  Monokotyledonpflanze  „Ciperus  vadius"  und  „C.  niger" 
häufig  vorkommt,  die  sonst  nur  bei  Aachen  im  Rheinland  gefunden  wird. 
Nachdem  ich  ein  erquickendes  Bad  genommen,  beschloss  ich,  sofort  nach  dem 
Kopaonik  aufzubrechen.  Ich  fürchtete  den  baldigen  Umschlag  der  Witterung,  den 
ein  leichter  Mondhof  in  der  Vornacht  ankündigte,  und  mochte  nicht  durch  Zaudern 
die  weite  Fernsicht  vom  höchsten  Punkte  Serbiens  verlieren.  Der  Pisar,  dem 
mein  Wohlergehen  in  der  „Nahija  Pribacka"  von  ihrem  Kapetan  auf  die  Seele 
gebunden  war,  teilte  nicht  meine  ."Xnsicht.  Gern  hätte  er  mich  in  seinem  netten, 
durch  eine  reizende  Tochter  verschönten  Hause  nach  Serbenart  bewirtet.  Vielleicht 
scheute  der  nicht  mehr  junge  Mann  auch  die  wenig  verführerische  Aussicht, 
sein  bequemes  Bett  mit  einem  Lager  unter  freiem  Himmelszelt  zu  vertauschen. 
Ich  bestand  jedoch  auf  meinem  Entschluss.  Mit  der  Annahme  von  Cibuk,  Slatko 
und  Kaffee  genügte  ich  serbischer  Gastsitte,  und  gegen  6  Uhr  ging  es  fort  mit 
einem  stattlichen  Reitertrupp,  dessen  Tete  der  Pisar  auf  schmuckem  Rösslein 
bildete.  Den  Raskaer  Kapetan  hielten  die  einladenden  Fleischtöpfe  im  Pisarhaus 
zurück,  nur  der  immer  gefällige  Ingenieur  Klinar  blieb  weiter  mein  lieber  Gefährte. 

„Boga  mi,  Gospodine!"  (Bei  Gott,  Herr!)  eröffnete  der  Pisar  das  Gespräch, 
als  wir  den  gleich  hinter  Josanica  beginnenden  Steilpfad  aufwärts  klimmten,  „ich 
höre,  dass  Ihr  schon  monatelang  Serbien  bereiset,  um  es  kennen  zu  lernen;  ich 
fürchte  jedoch,  unsere  Nahija  wird  Euch  nicht  viel  Merkwürdiges  bieten.  Sie  ist 
arm  an  Menschen,  reich  nur  an  hohen  Bergen  und  dichten  Wäldern.  Vielleicht 
macht  Ihr  aber  zufällig  gerade  hier  ungesucht  die  Bekanntschaft  der  viel  besungenen 
Heiducken.  Erst  vor  wenigen  Tagen  hörten  wir,  dass  einige  schlimme  Bursche 
unsere  Grenze  nicht  respektieren."  —  „Sind  es  Christen  oder  Türken?"  frug  ich. 
—  „Herr,  Christen  sind  es,  doch  glaubt  nicht,  dies  ändere  etwas  in  der  Sache; 
der  Heiducke  macht  keine  Unterschiede  zwischen  Türk  und  Christ,  er  plündert 
beide." 

Ein  mit  Totschlag  beendeter  Streit  im  Dorfe,  die  Furcht  vor  der  Rache 
eines  durch  Selbsthilfe  beleidigten  Begs,  manchmal  auch  nur  der  Drang  nach 
ungezügeltem  Leben,  vereinigen  oft  in  den  serbischen  Grenzbergen,  namentlich 
an  der  Drina,  verwegene  Menschen  zu  gemeinsamen,  allen  Gesetzen  hohn- 
sprechenden Banden. 


56  Vom  Ibar  über  Josanica  auf  den  Knpaonik. 

Prächtig    schildert    ein    Volkslied  die    Bildung    eines    solchen    Heiducken- 
schwarms '): 

In  die  grünen  Wälder  flüchtet  Mihat  j   Und  daran  als  Reiher  vierzig  Federn, 

Ob  des  Begen  Ljubovic  Bedrückung,  ]   Roman,  den  bewährten  Kampfgenossen, 


Flüchtet  ins  Gebirge,  wird  lleiducke. 
Schwarze  Erde  isst  er  da  vor  Hunger, 
Trinkt  vor  Durst  den  kühlen  Tau  der  Blätter, 
Bis  Gefährten  er  um  sich  versammelt; 
Bojac  Vuk,  den  Sohn  der  eignen  Schwester, 
Segavac,  den  angebornen  Vetter, 
Ivo,  Metropoljanin  geheissen. 
Nisena.  berühmt  als  kühner  Führer, 
Vidoje,  genannt  das  wilde  Feuer, 
Pauk,  als  Heiducke  grau  geworden, 
Luka  Strmogledja,  der  als  Mütze 
Trägt  die  Felle  zweier  wilden  Wölfe, 


Stega  und  den  rabenschwarzen  Gavran 
(Stega  wacht,  der  schwarze  Gavran  bindet, 
Wen  er  bindet,  dem  wird  eng  das  Herze!), 
Jerko,  jenen  Hirten  auch  des  Waldes, 
Der  die  Keule  trägt  von  Kornelholze, 
Dran  allein  das  Holz  wiegt  sieben  Oka, 
Neun  jedoch  die  drei  gewalt'gen  Ringe. 
Da  nun  Mihat  um  sich  sieht  die  Freunde, 
Spricht  er  zu  den  Freunden  diese  Worte: 
„Höret  mich,  o  Brüder  und  Gefährten, 
Höret,  was  vor  allem  wir  beginnen  — 
Ziehen  hin  und  plündern  aus  den  Begen!" 


Der  Heiduck  wird  zum  Schrecken  der  Nachbarschaft.  Er  lebt  im  Kriege 
mit  den  Behörden  und  bleibt  ihrem  Arme  oft  unerreichbar,  da  er  gleich  dem 
ungarischen  „szegeny  legeny"  (arme  Bursche)  auf  entlegenen  Gehöften  durch  mit- 
leidige Verwandte  mit  Lebensmitteln  versehen  wird  und,  wenn  dort  aufgespürt,  im 
dichten  Walde  sichere  Verstecke  findet.  Diese  offene  und  geheime  Unterstützung 
des  noch  aus  der  Türkenzeit  mit  einer  Art  romantischer  Heldenglorie  umhüllten 
Räubertums  führte  früher  die  serbische  Justiz  zu  einer  dem  europäischen  Rechts- 
gefühl fremdartigen  Übung.  Der  Familie  des  flüchtigen  Räubers  ward  nämlich 
ein  beliebiges  Glied  entnommen,  das  bis  zu  seiner  Einlieferung  in  Haft  bleiben 
musste,  und  noch  gegenwärtig  wird  manchmal  die  ganze  Familie  des  Räubers  in 
einen  fernen  Bezirk  versetzt,  damit  ihm  deren  Schutz  entzogen  werde.  Die 
Sympathie  für  abgeurteilte  Verbrecher  bestimmte  oft  nicht  nur  seine  nächsten 
Angehörigen,  sondern  auch  sein  Dorf,  die  Behörden  und,  wenn  dies  nichts  half, 
selbst  den  Fürsten  in  rührend  abgefassten  Bittschriften  um  den  Straferlass  zu 
bestürmen.  Dies  geschah  so  häufig,  dass  die  Regierung  auf  der  Preobrazenska 
Skupstina  1861  ein  Gesetz  einbrachte,  welches  der  Verwendung  von  Gemeinde- 
siegeln für  derartige  Petitionen  steuern  sollte. 

Die  uns  in  Aussicht  gerückte  Begegnung  mit  dem  romantischen  Heiducken- 
völkchen rief  die  Erzählung  ernster  und  heiterer  Abenteuer  hervor,  welche  die 
„Helden  der  Waldgebirge"  zum  Gegenstand  hatten.  Ein  Pandur  rühmte  den 
neben  der  Kirche  zu  Kriva  Reka  (NO.  von  Josanica)  ruhenden  Heiducken  Radosav 
Jerac,  zu  dessen  Bewältigung  die  Türken  elf  starke  Leute  dingten.  Seine  an  allen 
Raubzügen  bewaffnet  teilnehmende  Frau  kaufte  in  Studenica  eine  1 1  Mannssohlen 
lange  marmorne  Grabplatte,  denn  so  riesig  war  seine  Körperlänge  (!).  Unter  derartig 
romantisch  ausgeschmückten  Räuberlegenden  verfloss  die  Zeit  rasch,  und  nach  zwei- 
stündigem Aufsteigen  erreichten  wir  auf  einer  üppig  grünen  Waldwiese  die  Scheide 
zwischen  den  mit  rotfrüchtigem  Wachholder,  tatarischem  Ahorn  und  anderen 
Laubbäumen  bestandenen  Vorbergen    des   Krtpaonik    und   seiner  Nadelholzregion. 

')  Kapper,  Gesänge  der  Serben,  I,  137. 


Vom  Ibar  über  Joäanica  auf  den  Kopaonik.  57 

„Hier  lasst  uns  Hütten  hauen",  rief  der  Pisar  den  uns  begleitenden,  mit 
Lebensmitteln,  Aexten,  Brettern  heladenen  Bauern  zu,  und  nun  bot  sich  mir 
Gelegenheit,  das  angeborene  Talent,  die  Beweglichkeit  und  den  praktischen  Sinn 
dieser  einfachen  Natursöhne  neuerdings  zu  bewundern.  Rasch  verwandelten  sie 
sich  in  wohlgeschulte  Pioniere;  wenige  prüfende  Blicke  genügten  zur  Auswahl 
der  zu  fällenden  Stämme,  im  nahen  Walddickicht  wurde  der  Klang  arbeitender 
Aexte  vernehmbar  und  bald  erschienen  die  kräftigen  Männer  mit  den  vom 
Geäste  befreiten  Stämmen  und  vollendeten  in  kaum  einer  halben  Stunde  einen 
Bau,  der  uns  Schutz  gegen  den  Nachtfrost  gewähren  sollte,  aber  für  eine  Ewigkeit 
gezimmert  schien;  auch  die  kleinsten  Lücken  waren  sorgfältig  mit  Laub  geschlossen. 
50  Schritte  entfernt  erhob  sich  gleich  rasch  eine  Hütte  für  unsere  Pferde.  Mit 
dem  Einbruch  der  Nacht  ward  die  Szene  phantastisch-romantisch.  Vor  unserem 
Biwak  brannte  ein  „lebendes"  Feuer,  das  alle  Schatten  in  riesiger  Verlängerung 
weithin  auf  den  Plan  warf;  nicht  etwa  Gezweige  oder  Äste  nährten  es,  solch  ein 
Feuer  würde  Serben  nur  wenig  Freude  gewähren,  nein,  ganze  Stämme  loderten 
in  hellen  Flammen  bis  zum  frühen  Morgen  eiupor. 

Selten  sah  ich  solchen  Waldreichtum,  aber  auch  solche  Waldverderbung, 
wie  in  Serbien.  Wohl  30  kräftige  Stämme  wurden  unserem  Biwak  geopfert. 
Ähnliche  schonungslose  Missachtung  des  Waldes  hat  die  einst  baumreiche 
Provence,  das  früher  gesegnete  Aragonien,  ja  den  grössten  Teil  Spaniens  und  den 
uns  viel  näheren  österreichischen  Karst  in  Wüsteneien  verwandelt.  Soll  der 
Schützer  aller  menschlicher  Wohlfahrt,  der  schon  gegenwärtig  in  Serbien  stark 
gelichtete  Wald,  nicht  auch  dort  für  künftige  Generationen  unrettbar  verloren 
gehen,  so  müssen  seine  Staatsökonomen  dieser  wichtigen  Frage  die  ernsteste 
Aufmerksamkeit  widmen.  Wohl  wurde  1861  ein  paragraphenreiches  Gesetz 
„zum  Schutze  des  Waldes"  publiziert,  damit  war  aber  in  einem  Lande  nichts 
getan,  wo  es  an  rationell  wirtschaftenden  Grossgrundbesitzern,  an  land-  und 
forstwirtschaftlichen  Vereinen,  ja  geradezu  an  jedem  Organe  mangelte,  das  diese 
Verordnung  zu  würdigen  und  ihr  durch  praktisches  Eingreifen  bei  den  Massen 
Eingang  zu  verschaffen  verstand;  sie  blieb  daher  ein  toter  Buchstabe,  denn  wie 
der  Pisar  richtig  meinte,  scheitern  die  besten  Massregeln  an  der  zähen  Vorliebe 
rfer  Bauern  für  das  Hergebrachte. 

Starres  Festhalten  am  Alten  ist  jedoch  überall  heinusch,  wo  der  erschwerte 
Verkehr  mit  weiter  vorgeschrittenen  Völkern  diese  Charakterzüge  gewissermassen 
verknöchert.  Ich  erinnere  an  die  1856  in  Tirol  eingeführte  Forstorganisation, 
welche  trotz  ihrer  augenscheinlichen  Nützlichkeit  schon  1859,  auf  Andringen  der 
sonst  ihre  Teilnahme  am  Feldzuge  gegen  Italien  verweigernden  Tiroler,  wieder 
beseitigt  werden  musste.  In  ausserhalb  des  grossen  Weltverkehrs  liegenden 
Ländern  ist  es  aber  um  so  mehr  die  Pflicht  einer  vorsorglichen  Regierung,  mit 
Verzicht  auf  wohlfeile  Popularität,  durch  Strenge  unabweisbaren  Forderungen  des 
Staatswohls  zum  Siege  zu  verhelfen.  Norwegen,  dessen  Bauernstand  nicht  weniger 
einflussreich  und  nicht  minder  vorurteilsvoll  als  der  serbische  ist,  gibt  nach  dem 
Ausspruch  des  sächsischen  Forstmannes  Baron  v.  Berg  ein  lehrreiches  Beispiel, 
in  welcher  Weise  forstliche  Verbesserungen  eingeführt   werden    können. 


58  Vom  lliar  über  Josanica  auf  den  Knpaonik. 

Mit  der  neiiestens  erfolj^tcn  Anstellung  eines  Suniar  für  die  aiisü;cdeiinten 
Waldungen  am  Kopaonik  ist  nichts  getan.  Zudem  sitzt  er  meist  in  Brus  und 
weniger  auf  dem  Jelak.  Von  seiner  dortigen  Hütte  macht  er  wohl  Streifzüge,  doch 
vermag  er  mit  einigen  ungeschulten  Aufsehern  das  gewohnte  Treiben  der  Bauern 
nicht  zu  hindern.  Sowohl  die  nördlich  vorherrschenden  Tannenforste,  wie  die 
südlichen  Lärchenwälder  werden  nach  wie  vor  stark  verwüstet;  denn  findet  der 
Bauer  sein  Feld  schlecht,  brennt  er,  um  nicht  düngen  zu  müssen,  den  nahen 
Waldteil  ab  und  bearbeitet  diesen. 

Während  unseres  Gesprächs  über  den  serbischen  Wald  waren  des  Pisars 
Söhne  eifrig  mit  der  Bereitung  des  Nachtessens  beschäftigt.  Neben  dem  mit- 
gebrachten Vorrat  an  Brot,  Rahm,  Käse,  Eiern  Hessen  wir  uns  besonders  die  an 
Holzspiessen  trefflich  gebratenen  Hühner  munden.  Das  Klirren  der  Gläser,  für 
deren  Füllung  mit  Wein  der  Pisar  aus  einer  riesigen  Cutura  eifrig  sorgte,  begleiteten 
serbische  und  deutsche  Trinksprüche.  Über  den  waldigen  Hintergrund  trat  der 
Mond  hervor,  doch  leider  nicht  mit  dem  strahlenden  Glänze,  der  uns  die  Raskaer 
Nächte  verschönte.  Verdüstert  durch  leichte  Wolkenschichten,  verkündete  sein 
breiter  Hof  nicht  viel  Gutes;  trotzdem  hofft  man  in  solchem  Falle  auf  einen  plötz- 
lichen Wechsel,  auf  irgendeine  günstige  Luftströmung.  Auch  wir  verloren  unsere 
gute  Stimmung  nicht.  Der  Aufbruch  wurde  für  die  vierte  Frühstunde  beschlossen. 
Unsere  Panduren  und  Bauern  wollten,  am  hell  lodernden  Feuer  die  Pferde 
bewachend,  den  Anbruch  des  Tages  erwarten.  Ein  vielstimmiges  „laku  noc" 
(leichte  Nacht!)  begleitete  uns  in  das  geräumige  Laubzelt. 

Durchdringender  Kälteschauer  weckte  mich  lange  vor  der  bestimmten 
Stunde;  ich  hüllte  mich  tiefer  in  meinen  erprobten  steierischen  Lodenmantel;  es 
half  nichts;  so  suchte  ich  das  Lagerfeuer  auf,  das  seinen  einladenden  Schein  in 
unser  Zelt  warf.  „Imacemo  magle!"  Wir  bekommen  Nebel,  lautete  der  untröst- 
liche Empfangsgruss  der  Wache  haltenden  Bauern.  Die  zunehmende  Kälte  hatte 
auch  den  Ingenieur  und  Pisar  auf  die  Beine  gebracht,  und  wir  berieten,  was 
unter  den  schlechten  Wetteraussichten  zu  tun.  Ich  entschied  mich  für  das 
Wagnis,  denn  schlimmstenfalls  gedachte  ich  den  Umschlag  der  Witterung  in  einer 
Karaula  nahe  dem  Kopaonikgipfel  abzuwarten. 

Es  wurde  gesattelt,  und  nachdem  ein  verlaufenes  Pferd  mit  vieler  Mühe 
aus  dem  Walddickicht  geholt  worden  war,  setzte  sich  unsere  Karawane  in  Marsch. 
Schwarzer  Kaffee,  mit  Rum  gewürzt,  wirkte  erwärmend,  und  eine  Galoppade  über 
den  tauigen  Wiesenplan  gab  unseren  vom  Nachtfrost  steifen  Gliedern  ihre 
Elastizität  wieder.  Bald  unterbrach  jedoch  der  Eintritt  in  das  erste  Nadelgehölz 
die  willkommene  Bewegung.  Unser  Weg  blieb  SSO.  Die  Passage  wurde  mit 
jedem  Schritte  schwieriger.  Wir  vertieften  uns  in  einen  Urwald,  dessen  Boden 
eine  verwesende  Baumgeneration  bedeckte.  Bald  erschien  es  unmöglich,  zu 
Pferde  über  die  sich  mehrenden  Hindernisse  wegzukommen;  wir  folgten  dem 
Beispiel  unserer  Eskorte,  sassen  ab,  führten  die  Tiere  am  Zügel  und  kletterten 
über  die  mächtigen,  ihre  morschen  Riesenarme  uns  entgegen  streckenden  Mumien. 
Viele  Bäume  fand  ich,  ihrer  schützenden  Hülle  beraubt,  vorzeitigem  Verderben 
preisgegeben.     In  diesem  ärmlichsten  Teile  Serbiens  werden  nämlich  die  Häuser 


Vom  Ibar  über  Joäanica  auf  den  Kopaonik.  59 

grösstenteils  mit  Rinde  gedeckt.  Ausserdem  kündete  nicht  die  geringste  Andeutung, 
dass  die  Majestiit  dieses  Urwaldes  durch  menschliches  Treiben  gestört  werde; 
kein  Laut  war  zu  hören,  selbst  die  befiederten  Sänger  schienen  die  das  Gemüt 
beengende  Waldhekatombe  den  heiseren  Klagerufen  der  Raben  und  Dohlen 
überlassen  zu  haben. 

in  drei  Stunden  erklommen  wir  die  drei  mächtigen  Kämme,  in  welchen  der 
Kopaonik  von  Norden  her  ansteigt.  Den  üppigen  Hochwiesenboden  überlässt 
die  Regierung  den  nahen  Gemeinden  gegen  geringen  Pacht  als  Weide.  Seine 
perennierenden  Kräuter,  gemengt  mit  phäorogamen,  sind  besonders  als  Schaffutter 
hochgeschätzt,  doch  wachsen  sie  jetzt  nicht  mehr  so  reichlich,  weil  sie  von  den 
Tieren  bis  auf  die  Wurzel  abgefressen  und  so  zerstört  werden.  Im  Frühjahr 
1888  pachteten  Crnovunci  hier  ausgedehnte  Triften  auf  den  rundkuppigen,  wald- 
losen Bergen  Zedja  und  Mramor,  von  welchen  sie  im  August  nach  der  südlicheren 
Toplicka  ravnica  bei  Zemanica  zogen.  Es  waren  zwei  Trupps  mit  5000  schwarzen, 
sprödwolligen  Schafen,  von  welchen  der  eine  die  gewonnene  Milch  mit  23  Centimes 
per  kg  an  den  Spagnuolen  Hajim  verkaufte.  Dieser  nur  drei  Stunden  schlafende, 
rastlos  tätige  junge  Mann  fabrizierte  unter  der  Karaula  Becirovac  Kaäkavalj  Käse 
und  verkaufte  ihn  zu  Cacak  in  Laiben  ä  1,5  kg  zu  2.50  d.  Die  zweite  Truppe 
bezahlte  —  wie  mir  Sima  Trojanovic  erzählte  —  ihren  Spagnuolen  und  half  ihm 
bei  der  für  eigene  Rechnung  betriebenen  Käsebereitung.  Diese  aus  dem  Dorfe 
Sirak  bei  Janjina  stammenden  thessalischen  Wanderhirten,  welche  die  Griechen 
„Vlachos"  nennen,  verliessen  ihre  Heimat  vor  nahezu  vierzig  Jahren  anlässlich 
der  von  Ali  Pasa  geübten  Grausamkeiten.  Ihre  Sprache  enthält  viele  griechische 
und  andere  fremde  Anklänge;  so  heissen:  Mensch  =  anfropos,  Schaf  =  provadina, 
Wasser  =  nero.  Gras  =  horten,  Haus=spit,  Gürtel  =  silav,  Lied  =  tragut,  Brot 
=  psomi  usw.  Mein  im  VIII.  Kap.  erzählter  Besuch  bei  den  Crnovunci  auf  der 
Suva  Pianina  bringt  eine  detailliertere  Schilderung  dieser  interessanten  Nomaden 
aus  den  olympischen  Gefilden. 

Mit  dem  Beginne  des  vierten,  letzten  Kammes  endete  die  Baumregion  und 
begann  dichtes  Wachholdergesträuch.  Gegen  Mittag  standen  wir  auf  der  2140  m 
hohen  Spitze  des  Kopaonik.  Die  am  Fusse  des  Berges  angesiedelten  Hirten 
meinten:  „Oben,  Herr,  erblickt  Ihr  die  ganze  Welt!"  Eine  ungekannte  Welt,  wäre 
treffender  gewesen,  hätten  die  naiven  Gebirgssöhne  geahnt,  wie  wenig  richtige 
Kenntnisse  wir  damals  von  diesem  wichtigen  Gebiete  besassen. 

Nur  kurz  blieb  die  Aussicht  frei  und  offen.  Wir  blickten  hinab  in  die  Täler 
der  Raska  und  Rasina,  deren  Quellen  dem  östlichen  Kopaonik  entfliessen.  Dann 
zogen  sich  aber  gegen  Norden  graue  Wolkenschleier  rasch,  wie  richtig  ineinander- 
greifende Dekorationsstücke,  zusammen,  über  welche  nur  die  höchsten  Spitzen 
des  Djakovo  (1528  m),  Troglav  (1221  m),  Stolovi  (1443  m),  Zeljin  (1836  m)  und 
der  Cemerno  (1649  m)  emporragten.  Im  Süden  zeigten  sich,  durch  eine  weite 
Lücke  des  riesigen  Vorhangs,  bald  von  eilenden  Wolkenschatten  verdüstert,  bald 
wieder  minutenlang  vom  prächtigsten  Sonnenlicht  übergössen,  die  Gebiete  der 
Sitnica,  des  Ibars  und  albanesischen  Drins  bis  zum  2510  m  hohen  §ar.  Süd- 
westlich   begrenzten    der  2ljeb  (2213  m)   und    die   Mokra   Planina   die   Aussicht; 


60  Vom  Ibar  über  Josanica  auf  den  Kopnonik. 

während  westlicli,  über  dem  Raskabassiii  und  Novi  Pazars  Minaretts,  die  schneeigen 
Doloniitpyramiden  des  Durmitor  (2528  ni)  als  höchste  Spitzen  der  Bosnien  von 
der  Herzegowina  trennenden  Gebirgskette  aufleuchteten.  Gegen  Südosten  waren 
über  der  charakteristischen  Suva  Planina  die  Profile  der  weitgestreckten  Balkan- 
kette wohl  zu  unterscheiden.  Am  längsten  blieb  die  Fernsicht  in  der  Richtung 
des  Labs  offen,  der  im  südöstlichen  Kopaonikzweig  entspringt  und  bei  seinem 
60  km  fernen  südlichen  Ausläufer  Marinacka  Greda  in  die  Sitnica  fällt. 

Eine  melancholisch  stimmende  Farbe  lag  auf  diesem  altserbischen  Land- 
strich, auf  seiner  einst  stolzen  Zarenstadt  Pristina,  in  welcher  Kantakuzenos  und 
der  Serbenzar  Dusan,  die  Herrscher  über  Ostroms  Länder,  zum  Abschluss  ihres 
kurzen  Freundschaftsbundes  1342  sich  begegneten.  Düsteres  Grau  färbte  auch 
den  fernen  Sar  so  traurig,  wie  die  historischen  Erinnerungen,  die  an  seiner 
Umgebung  haften.  Südwestlich,  auf  der  äussersten  Sehlinie,  lag  jenes  Schloss 
Kacanik,  wo  1690  der  türkische  Feldherr  Mustafa,  verstärkt  durch  die  von  dem 
unklugen  kaiserlichen  Oberst  Strasser  zum  Abfall  gereizten  clementinischen 
Hilfsvülker,  diesen  besiegte.  Die  Leichen  Strassers,  des  heldenmütigen  Prinzen 
von  Hannover,  der  Grafen  Styrum,  Gronsfeld  und  Auersperg  blieben  auf  dem 
mit  deutschem  Heldenblute  reichgetränkten  Schlachtfelde.  Bezeichnet  dieser 
traurige  Tag  den  Beginn  der  grossen  Unglücksfälle,  welche  den  Verlust  der 
rasch  eroberten  türkischen  Nordprovinzen  für  den  Kaiserstaat  herbeiführten, 
so  erinnert  die  Hochebene,  hart  an  der  Sitnica,  an  grosse,  verhängnisvoll 
gewordene  Momente,  welche  für  Jahrhunderte  den  europäischen  Südosten 
asiatischem  Barbarismus  überantworteten.  Welcher  Geschichtskundige  könnte  bei 
dem  Anblick  des  einst  seebedeckten  Kosovo  (Amselfeld)  gleichgültig  bleiben,  auf 
dem  Ungarn,  Polen,  Walachen,  Bosnier  und  Serben  zweimal  die  blutigen  Schlacht- 
würfel über  ihre  Zukunft  entscheiden  Hessen,  auf  dem  Sultan  Murat  I.  und  der 
heilig  gesprochene  Serbenfürst  Lazar  1389  an  einem  Tage  ihre  Seelen  aushauchten, 
auf  dem  1449  Ladislaw  Hunyady  von  Sultan  Murat  11.  bis  zur  Vernichtung  geschlagen 
wurde.  Man  möchte  dieses  Unglücksfeld  die  Wiege  der  orientalischen  Frage 
nennen;  wollte  die  Vorsehung,  dass  sie  dort  auch  zum  Heile  unseres  Weltteils 
ihr  Grab  fände! 

Schon  die  hier  berührten,  nur  der  neueren  Geschichte  entnommenen  Momente 
zeigen,  dass  man  von  der  Kopaonikspitze  auf  ein  für  den  Historiker  und  Politiker 
gleich  interessantes  Stück  Welt  blickt.  Aber  auch  für  den  Ethnologen  birgt  dieser 
Teil  des  illyrischen  Dreiecks  zahlreiche  ungelöste  Probleme,  denn  er  wird  von 
Völkern  bewohnt,  deren  Ursprung  vielfach  noch  aufzuhellen  ist.  Den  Etymologen 
gelang  es  wohl,  einiges  Licht  in  das  Sprachengewirr  des  europäischen  Ostens  zu 
bringen;  Niebuhr,  Diez,  Fallmerayer,  Safarik,  Bopp,  Hahn,  Miklosich  u.  a.  werden 
stets  ehrend  genannt  werden,  und  doch  ist  noch  die  Herkunft  der  Albanesen, 
jene  der  Macedovlachen  u.  a.  unaufgeklärt.  Hängt  die  Lösung  solcher  Auf- 
gaben mit  der  Hebung  des  Dunkels  zusammen,  das  teilweise  noch  auf  der 
ältesten  Geschichte  dieser  Länder  ruht,  und  harrt  dort  auch  des  Archäologen 
manche  dankenswerte  Arbeit,  so  bleibt  gleichviel  bezüglich  der  physikalisch- 
geographischen    und     topographischen     Erforschung    dieser    Gebiete    noch    zu 


Vom  Ibnr  über  Josnnica  niif  den  Knpnonik.  61 

fi;eschelicn,  obgleiiii  in  den  letzten  Dezennien  einiges  in  dieser  Riclitunij; 
gescliaii.  Nocii  1853  zeigte  Kieperts  relativ  beste  Karte  um  den  Kopaonik 
zwischen  der  Sitnica  und  Juzna  (Binacka)  Morava  ein  Terrain  von  etwa  30  Quadrat- 
meilen, flach,  unbevvässcrt,  unbevölkert,  das  in  Wirklichkeit  mit  Gebirgen,  Flüssen 
und  zahlreichen  Orten  überzogen  ist.  1863  gab  Konsul  von  Hahn  der  erstaunten 
Welt  Kenntnis  von  einer  makedonischen  Stadt,  die  auf  unseren  Karten  fehlte; 
1862  fand  ich  in  Bulgarien  eine  solche,  die  bei  Kiepert  als  vereinzelter  Turm 
figurierte,  in  ihrer  Nähe  eine  Festung,  die  dort  als  offene  Stadt  angedeutet 
erschien,  1864  suchte  ich  am  Sveti  Nikola-Balkan  drei  Städte  derselben  Karte 
vergebens;  und  welche  riesige  Arbeit  meiner  im  Zentral-  und  West-Balkan 
wartete,  wird  im  Vlll.  Kapitel  angedeutet. 

Wenig  begünstigte  mich  mein  Reiseglück  auf  dem  Kopaonik.  Ausser  seiner 
richtigeren  Eintragung  war  es  mir  leider  nicht  vergönnt,  von  dem  mühsam 
errungenen  Aussichtspunkte  Beiträge  zur  kartographischen  Darstellung  seiner 
Umgebung  zu  sammeln.  Nur  ahnen  konnte  ich  die  Schönheit  und  Pracht  der 
weiten  Landschaft,  die  gleich  einem  unberührten  Schatze  zu  innigerer  Versenkung 
in  ihr  wech^elreiches  Detail  einlud;  die  Erfüllung  der  Wünsche  Aini  Bouös  und 
Patons,  welche  1836  und  1843  den  Kopaonik  bestiegen  hatten,  musste  ich  leider 
glücklicheren  Nachfolgern  überlassen.  Während  ich  die  ersten  Striche  zur 
Krokierung  des  grossartigen  Rundbildes  entwarf  und  die  wichtigsten  Punkte 
festlegte,  schlössen  sich  die  grauen  Schleier  nach  allen  Seiten  zusammen.  Ein 
weithin  wogendes  lichtes  Wolkenmeer  isolierte  uns  auf  der  2140  m  hohen  Kuppe 
von  aller  Welt;  nur  einige  beutelustige  Adler  kreisten  in  weiten  Ringen  hoch 
über  unseren  Köpfen. 

Auf  dein  Kopaonikgipfel  angelangt,  wurden  sofort  einige  Schüsse  abgefeuert, 
um  der  Besatzung  der  nahen  Karaula  Suvo  Rudistc  unsere  Ankunft  anzuzeigen. 
Wir  hörten  unsere  Gewehrschüsse  erwidern,  und  kurz  darauf  erschien  der 
Buljukbasa  und  ein  Pandur,  beide  kämpf-  und  wetfergebräunte  Gestalten,  die  wir 
zunächst  mit  Fragen  über  unsere  Wetteraussichten  bestürmten.  „Oft  hatten  wir 
schon  acht  Tage  lang  Nebel,  manchmal  werden  sie  aber  durch  gute  Winde 
zerrissen,  und  wir  können  bis  ins  Arnautluk  hinabsehen!"  lautete  die  Antwort. 
In  jenem  Augenblick  hörte  ich,  geleitet  von  meinen  Wünschen,  nur  den  zweiten, 
günstig  lautenden  Teil  unseres  meteorologischen  Orakels  und  wollte  im  Blockhaus 
seine  Erfüllung  erwarten. 

Ich  liess  es  ruhig  geschehen,  dass  der  mit  meinem  Entschluss  wenig  ein- 
verstandene Pisar,  eine  unaufschiebbare  Amtshandlung  vorschützend,  mich  verliess, 
ebenso  Herr  Klinar,  dem  seine  Pflicht  kein  längeres  Verweilen  gestaltete.  Herzlich 
dankte  ich  ihm  für  alle  mir  erwiesenen  guten  Dienste.  In  der  Nähe  einer  Feuer- 
stelle, wo  nach  des  Buljukbasas  Meinung  in  letzter  Nacht  „arme  Strolche"  gelagert 
hatten,  teilten  wir  den  Rest  unseres  Rotweins  und  schieden.  Nach  wenigen 
jMinuten  waren  die  Gefährten  meines  Delavackaer  Biwaks  in  dem  sich  immer 
stärker  verdichtenden  Nebel  verschwunden;  nur  ein  Pandur  blieb  als  mein  Begleiter 
bis  zur  Kreisgrenzc  zurück.  Allein  stand  ich  nun  auf  der  isolierten  Bergkuppe, 
allein  mit  den  wild  aussehenden  Grenzwächtern,  ein  Fremder  unter  Fremden.     Ich 


62  Vom  Ibnr  über  Josnnica  auf  den  Kopaonik. 

erinnerte  mich  plötzlich  der  schiiinnien  Din^e,  die  ich  über  Pandurenverlässliciikeit 
gehört,  der  abstossenden  Figur  Ivo  Rakovs  von  Po2ega,  und  daneben  zeigte 
sich  der  Grabhügel  im  Waldmünster  des  Djakovo;  war  es  nicht  ratsamer,  mit  dem 
Pisar  nach  Josanica  zu  ziehen  —  nur  eine  Minute  schwankte  ich,  dann  folgte  ich 
dem  Buljukbasa;  auch  wir  stiegen  abwärts,  doch  in  entgegengesetzter  Richtung, 
nach  Serbiens  höchster  Karaula. 

Eine  reiche,  farbenprächtige  Flora  bedeckt  den  Granat  und  Vesuvian,  welche 
die  beiden  höchsten  Kuppen  des  Kopaoniks  konstituieren.  Über  einen  wahren 
Blumenteppich  schritten  wir  hinab  und  manch  seltene  Pflanze  bereicherte  das 
Herbarium,  welches  ich  für  Prof.  Pancic,  den  verdienstvollen  Autor  der  „Flora 
der  Serpentinberge  in  Mittel-Serbien",  angelegt.  In  einer  halben  Stunde  standen 
wir  vor  dem  Palisadenzaun  der  Karaula,  deren  kaum  sichtbares  Dach  wenig  über 
ihn  hervorlugte.  Die  Gesetze  des  Harmonisch-Schönen  auf  das  Blockhaus  Suvo 
Rudiste  angewendet,  hätte  dieses  mit  dem  an  jenem  Tage  auf  seiner  Architektur 
lagernden  bleifarbigen  Luftton  den  Preis  im  Wettkanipfe  des  Hässlichen  gewonnen. 
Um  den  in  der  baumlosen  Höhe  heftig  wütenden  Stürmen  widerstehen  zu  können, 
lag  es  zur  Hälfte  in  die  Erde  eingegraben  und  sein  über  derselben  sichtbarer 
Teil  glich  weit  mehr  einem  vergrösserten  Maulwurfshügel,  als  einem  Aufenthaltsort 
für  Menschen.  Als  ich  das  heitere,  anziehende  Leben  in  den  Karaulen  an  der 
Drina  beschrieb,  kannte  ich  noch  nicht  seine  wenig  beneidenswerte  Kehrseite  auf 
und  nahe  dem  Kopaonik,  zu  dessen  Illustrierung  Bogumil  Golz  gewiss  ein  Dutzend 
neuer  Kraftausdrücke  erfunden  hätte.  In  solchem  Falle  ersetzt  jedoch  der  Stift 
ein  ganzes  Lexikon  von  Epitheten,  und  da  ich  ihn  leidlich  zu  führen  verstehe, 
mag  meine  Skizze  das  Blockhaus  vergegenwärtigen,  in  dem  sich  mir  die  tröstliche 
Aussicht  eröffnete,  einige  Tage  zu  verleben. 

Als  ich  mit  dem  Buljukbasa  Jakov  Gursovic  in  den  verpalisadierten  Raum 
trat,  sah  ich  nichts  von  der  Karaula;  denn  vier,  ihre  langen  Gewehre  militärisch 
präsentierende  Panduren  deckten  sie  vollkommen  mit  ihren  robusten  Gestalten.  Es 
erfolgte  eine  Art  Vorstellung,  und  die  rauhen  Männer  schienen  erfreut  über  die 
Ankunft  ihres  Gastes.  Zwei  machten  sich  an  die  Unterbringung  der  Pferde,  andere 
brachten  Rakija  und  suchten  durch  häufiges  Zusprechen  meine  gesunkenen  Lebens- 
geister zu  erfrischen;  doch  der  Abend  brach  an,  und  ich  warf  mich  auf  eine  der  mit 
Heu  und  Wolldecken  gepolsterten  Pritschen,  welche  den  Panduren  als  Sitz  und 
Bett  dienen.  Im  Nachsinnen  über  das  Untriistliche  meiner  Lage  eingeschlummert, 
weckte  mich  bald  die  Augen  stark  belästigender  Rauch;  im  ersten  Moment 
glaubte  ich,  die  Hütte  brenne,  und  da  gleichzeitig  einige  Schüsse  fielen,  dass 
vielleicht  Heiducken  das  Blockhaus  überfallen  und  in  Brand  gesteckt.  Meine  Wirte 
hatten  jedoch  nur  Feuer  im  Zentrum  des  niederen  Raumes  angezündet,  um  eine 
wärmende  Milchsuppe  für  mich  zu  kochen,  und  die  Schüsse  waren  Willkommen- 
grüsse  einiger  von  der  nahen  Karaula  Becirovac  heraufgestiegener  Panduren,  die, 
von  der  Ankunft  des  Fremden  gehört,  etwas  Brot,  Käse  und  Eier  brachten,  um 
ihre  Kameraden  in  dessen  Bewirtung  zu  unterstützen.  Bei  meiner  durch  Monate 
geübten  Abgewöhnung  jeglichen  Komforts  wäre  es  mir  also  in  dem  selbst  gegen 
unsere    Sennhütten    zurückstehenden     Blockhaus    ohne    den    abscheulichen,    mit 


Vom  Ibar  über  Josanica  auf  tieii  Kopannik. 


m 


Tabak-  und  Rakijagerucli  ,neschwän,ü;ertLMi,  ver},'eliens  Abzuj,'  suclieiuieii  Qualm  t;anz 
ertraj^lich  ergangen;  dieser  zwang  mich  aber,  trotz  der  schneidend  kalten  Lult,  das 
Freie  aufzusuchen.  In  meinen  Mantel  gehüllt,  lehnte  ich  an  einem  Palisadenpfahl, 
blickte  hinüber  auf  die  durch  den  Plot  (Zaun)  markierte  nahe  Grenze  und 
gedachte  der  grossen  Veränderungen,  welche  das  türkische  Regiment  in  diesen 
Bergen  bewirkt  hatte. 

Nicht  immer  waren  sie  gleich  verödet,  so  arm  an  Menschen  mui  an  Kultur. 
Den  Rümern  schon  bekannt,   blieben  sie  bis  zum  15.  lahrh.  das  Arbeitsfeld  einer 


Serbiens  höchste  Karaula. 


durch  Ragusaner  und  Sachsen  in  grossem  Massstabe  betriebenen  lirzindustrie. 
Schon  der  Name  Kopaonik,  von  „kopati"  (graben)  abgeleitet,  deutet  auf  diese. 
Man  hegte  selbst  die  trügerische  Hoffnung,  am  Kopaonik  alte  Salzgruben  wieder 
aufzufinden. 

Die  Vorsehung,  welche  Serbien  so  überschwenglich  bedachte,  die  ihm  neben 
ergiebigstem  Ackerboden  waldbedeckte,  reichste  Metallschätze  bergende  Berge 
gab,  enthielt  ihm  nur  ein  für  den  häuslichen  Bedarf,  wie  für  nationalökonomische 
Zwecke  gleich  wichtiges  Mineral  vor,  das  Salz.  Es  fehlte  nicht  an  Versuchen, 
den  versagten  Schatz  aufzufinden,  da  salzige  Wasser  an  verschiedenen  Orten  des 
Landes  auf  Salzlager  in  tieferen  Lagen  hindeuteten.  Seit  Herders  bergmännischer 
Reise  (1835)  im  Auftrage  der  serbischen  Regierung,  bis-auf  den  serbischen  Geologen 


64  Vom  Ibar  über  Jnsanica  auf  den  Kopaonik. 

2ujovic  haften  viele  In-  und  Ausländer  eifrigst  Salzlagern  nachgespürt.  Selbst 
auf  unbestimmte  Angaben  von  Laien  hin  wurden  kostspielige  Forschungen  angestellt, 
stets  jedoch  erfolglos.  Beispielsweise  machte  185(5  ein  in  Belgrad  zum  Tode 
verurteilter  Räuber,  der  wahrscheinlich  die  traditionelle  Sage  kannte,  dass  der  ein 
dem  Steinsalze  ähnliches  Mineral  bergende  „Psolog"  früher  „Solak"  (Salzberg)  hiess, 
welche  das  knollenartige  Vorkommen  von  Braunspat  im  Syenit  wahrscheinlich 
veranlasste,  sich  gegen  Begnadigung  anheischig,  einen  Ort  im  Kopaonikgebirge 
zu  bezeichnen,  an  dem  er  während  seines  Heiduckenlebens  Salz  gefunden  hätte. 
Von  Panduren  und  einem  höheren  Bergbeamten  begleitet,  wurde  die  Reise  angetreten, 
doch  schon  bei  Josanicka  Banja,  am  Fusse  des  Kopaoniks,  wurde  er  ängstlich, 
seine  Überwachung  aber  um  so  strenger;  dessenungeachtet  täuschte  er  seine 
Eskorte  und  entfloh.  Im  Jahre  1891  glaubte  man  wieder  Salzadern  im  Uzicer 
Kreise  auf  der  Spur  zu  sein,  doch  bewahrheitete  sich  die  Nachricht  nicht. 

Der  Kopaonik,  diese  grösste  Eruptivzone  des  Königreichs,  gilt  auch  als 
dessen  reichstes  Erzgebiet.  Verraste  Schlackenhalden  und  Pingenzüge  beiGrasevci 
und  Brzece  gehörten  einem  alten  Silberhüttenbetrieb  an,  ebenso  jene  an  der 
Dobrodolska-  und  Crvena  Reka,  an  welcher  die  Mauern  einer  zerstörten 
Bergstadt  und  Reste  ehemaligen  Bergbaues  erhalten  blieben.  Dass  die  Ragusaner 
noch  um  1426  in  dieser  Gegend  sich  aufhielten,  wird  durch  ein  das  heute  noch 
bestehende  „Livada"  an  der  Grasevacka  Reka  erwähnendes  Schreiben  bezeugt. 
Aber  auch  am  Nordhange  des  Kopaoniks  erscheint  ihre  eifrige  montane  Tätigkeit 
noch  im  15.  Jahrh.  erwiesen.  Auf  dem  Becirovac  sind  ein  wahrscheinlich  der 
Silbererzformation  angehörender  Haupthaldenzug  mit  mehreren  parallel  streichenden 
Pingenzügen  sichtbar  und  Gangmassen  von  Eisenstein,  der  wohl,  gleich  dem 
nördlicheren  Srebrnac  (Silberberg),  die  Erze  für  die  Hüttenwerke  an  der  Grase- 
vacka lieferte.  Verraste  Schachte  und  Stollen  sieht  man  auf  dem  Kovacevac 
und  Lasnojevac,  bei  welchen  ein  mächtiger  Bleiglanz,  gelbe  Blende,  Schwefelkies, 
Kupferkies  und  Braunspat  führender  silber-  und  goldhaltiger  Hauptzug  zur  Auf- 
nahme des  lange  ruhenden  Betriebs  einladet.  Dasselbe  gilt  von  der  benachbarten 
Mine  bei  Rudnjak,  deren  Eisenstein  Silberspuren  enthält,  und  dem  silberhaltigen 
alten  Bleiglanzbau  bei  der  noch  im  15. Jahrh.  grossen  Stadt  Plana,  mit  ragusanischer 
Kolonie,  einem  Konsul  und  katholischer  Kirche;  ferner  von  vielen  grossen  Erz- 
bauen im  türkischen  Kopaonikgebiet.  Ich  nenne  von  diesen  hier  nur  das  von 
Herder  besuchte  Eisenwerk  an  der  Samokovska  Reka,  welches  zuletzt  dem 
Pascha  von  Novi  Pazar  gehörte  und  erst  im  Freiheitskrieg  zerstört  wurde,  die 
östlich  von  Mitrovica  gelegene  grosse  Stadt  Trepca  mit  ragusanischer  Kolonie 
und  das  Städtchen  Brvenik  am  Labfluss  mit  katholischer  Kirche,  über  welche 
Jirecek  interessante  Daten  gab. 

Der  Raum  gestattet  es  leider  nicht,  hier  sämtliche  durch  die  tüchtigen  Berg- 
männer Milojkovic  und  Gikic  im  Kopaonikgebiet  untersuchten  Minen  zu  nennen. 
Sie  halten  jene  am  Suvo  Rudiste  als  wichtigste  für  Eisen  und  Kupfer  und  jene 
des  südlicheren  Belo  Brdo  als  solche  für  silberhaltiges  Blei.  Das  von  Lozanic 
„Aleksandrolit"  getaufte,  dem  „Avalit"  und  „Miloäin"  ähnliche  Mineral  vom 
Kopaonik    wird    vom     Belgrader    Hochschulprofessor    Urosevic    auf    Grundlage 


Vom  Ibar  über  Josanica  auf  den  Kopnonik. 


G5 


seiner    physikalischen     Eigenschaften    dem     Kaolin    gleichenden,    chromhaltigen 
Glimniervorkommen  zugezählt. 

Die  Stätte,  auf  der  ich  übernachtete  und  auf  der  jetzt  nur  das  Waffengeklirr 
verwilderter  Heiducken  und  Panduren  erklingt,  widerhallte  jedenfalls  einst  vom 
Hämmern  fieissiger  Bergleute,  von  welchen  zwei  vielleicht  unter  den  Steinen  mit 
altslavischcn  Inschriften  bei  dem  nahen  südöstlichen  Zaplanina  ruhen.     Nach  der 


Buljukbasa  von  Suvu  Rudiite. 


Tradition  soll  zu  Suvo  Rudiste  sogar  auf  Gold  gebaut  worden  sein.  Herder 
hielt  es  für  möglich  und  empfahl  schon  1835  dort  die  Errichtung  staatlicher 
Hüttenwerke.  Die  günstigen  Urteile  auch  anderer  Fachmänner  über  die  reichen 
Erz-  und  Forstschätze  am  Kopaonik  veranlassten  viele  Projekte  zu  ihrer  Verwertung. 
Auch  der  im  I.  Bande  wiederholt  erwähnte  Clifton  Child  erwarb  1888,  wie  man 
mir  sagte,  für  das  Londoner  Haus  Rothschild  eine  Vorkonzession  für  das  gesamte 
erzreiche  Gebiet;  es  sollte  eine  Bahnlinie  nach  Mitrovica  gebaut  werden  usw. 
Doch  verlautete   bisher  nichts  von   der  Verwirklichung    dieser  Pläne.      Vielleicht 

I-.  KANITZ,   Serbien.    U.  ■'' 


66  Vom  Ibnr  iihcr  Josanicn  auf  den  Kopaonik. 

sali  man  davon  ab,  weil  am  Kopaonik- Ibarhange  25000  Hektar  Koniferen  durcii 
Borkenkäfer  verwüstet  und,  was  geblieben,  wegen  der  schlechten  Kommunikation 
schwer  verwertbar  war. 

Guslaspiel  und  Gesang  endeten  meine  wirtschaftlichen  Vor-  und  Rückblicke. 
Der  Abend  brach  an,  die  fremden  Besucher  kehrten  heim.  Das  Hinauswerfen 
der  grösslen  Feuerbrände  gestaltete  den  Aufenthalt  in  der  Karaula  etwas  erträg- 
licher, und  eine  Tasse  „Caj"  wirkte  belebend.  Bei  einer  Wiener  Apollokerze 
vervollständigte  ich  mein  Routier,  bis  ich,  eingeschläfert  durch  die  monotonen 
Heldengesänge,  müde  auf  mein  Lager  sank.  Ob  das  Heulen  des  Sturmes,  das 
mit  dem  Rollen  des  Donners  wetteifernde  Schnarchen  der  Panduren,  der  schrille 
Anschlag  des  riesigen  Karaulahundes,  das  schneidende  Eindringen  der  frostigen 
Nachtluft  durch  die  Schiessluken  dicht  über  meinem  Lager  und  kleiner  Giessbäche 
durch  die  schadhafte  Bedachung,  nur  überreizte  Einbildung  oder  Wirklichkeit 
gewesen,  wusste  ich  am  nächsten  Morgen  bei  der  fieberhaften  Eingenommenheit 
meines  Kopfes  nicht  genau.  Mein  durchnässter  Mantel  und  übel  mitgenommenes 
Herbarium  sprachen  allerdings  für  das  letztere.  Strömender  Regen  fiel  auch  am 
nächsten  Tage.  Einstimmig  meinten  die  Panduren,  dass  durch  mehrere  Tage  kein 
Wetterumschlag  zu  hoffen  sei.  Zum  erstenmal  auf  dieser  Reise  war  mein  guter 
Stern  mir  untreu  geworden.  So  ritt  ich  denn  schweren  Herzens  gegen  Mittag 
nordöstlich  hinab  zur  Karaula  Becirovac.  Dort  begegneten  wir  einem  Boten 
aus  Brzece,  der  mir  die  Einladung  des  Kapetans  von  Vitkovo  zur  Saborfeier  am 
Fusse  des  Kopaoniks  brachte.  Ich  durfte  hoffen,  Leute,  Trachten  und  Sitten  aus 
verschiedenen  Gegenden  des  serbischen  Südens  dort  studieren  zu  können,  nahm 
nur  eine  Tasse  Kaffee  in  dem  bequemer  eingerichteten  Blockhaus  und  folgte 
dem  abgesandten  Führer. 

Über  den  Vucji  Krs  stiegen  wir  durch  Buchenwälder  auf  abschüssigen 
Wegen  rasch  abwärts  in  eine  romantische  Schlucht,  deren  angeschwellte  Wasser- 
ader brausend  hintobte.  Kurz  vor  dem  Einschnitte  der  Grasevacka  Reka  gelangten 
wir  an  mächtige  Schlackenhalden  und  bald  darauf  im  erweiterten  Talsporn  an 
das  höher  gelegene  Brzece.  Dort  stiessen  wir  auf  die  ersten  Pilgergruppen,  die 
beritten  und  zu'Fuss  zum  Methodfest  zogen.  Als  sich  der  Weg  etwas  verbreiterte, 
duldete  es  meine,  durch  Panduren  von  den  Karaulen  Becirovac  und  Bozoljin 
verstärkte  Eskorte  nicht  länger,  ruhigen  Schrittes  hinzuziehen;  auch  ich  gab  meinem 
Pferde  die  Sporen.  Nach  Arnautenart,  die  lange  Albaneserin  in  der  rechten  Hand, 
mit  dem  Schafte  gegen  den  Schenkel  gestemmt,  sausten  die  rauhen  Bergsöhne 
wild  dahin;  die  aufgeschreckten  Wanderer  wichen  ängstlich  rechts  und  links  aus. 
Schon  nach  einer  halben  Stunde  begrüssten  wir  mit  einer  Gewehrsalve  das  grosse 
Zeltlager  auf  der  Sveti  Method-Höhe,  das  mit  einem  wahren  Peletonfeuer  antwortete, 
und  gleich  darauf  beglückwünschte  mich  llija  Antonijevic,  der  Kapetan  der  Koznicka 
Nahia,  und  sein  Pisar  Djak  Mihail  Sovanic  zur  „guten  Ankunft". 

„Mein  Namenspatron  llija  (der  serbische  Donnergott)  und  der  hl.  Panthelejmon 
haben  uns  heute  nacht  schlecht  zum  Sabor  aufgespielt,  aber  auch  auf  Suvo 
Rudi§te  muss  er  nicht  zu  warm  gewesen  sein!  Was  führte  aber  Euch  eigentlich 
auf  jene  Wetterhöhe  hinauf?"    ich  beantwortete  die  in  inquirierendemTone  gestellte 


Vom  Ibar  über  Joäanica  auf  den  Kopaonik.  (i? 

Frage  durch  die  Vorzeigung  meines  offiziellen  Empfehlungsschreibens.  Es  übte 
seine  Wirkung,  und  man  eilte,  meinem  etwas  kasteiten  Leibe  zu  Hilfe  zu  kommen. 
Frisch  gebratene  Forellen  und  Rotwein,  vielleicht  von  den  Reben,  welche  Zarin 
Milica  auf  den  nahen  Bruser  Hohen  gepflanzt,  erquickten  mich.  Nachdem  die 
üblichen  Trinksprüchq  ausgebracht,  schlug  ich  dem  Kapetan  vor,  mich  auf  dem 
Gange  durch  das  Lager  zu  begleiten.  Ein  glücklicher  Zufall  hatte  mich  nämlich 
zum  Sveti  Method-Sabor  geführt,  welches  dort  alljährlich  am  2.  Juli  zu  Ehren  „einer 
der  Zierden  der  Menschheit",  wie  Gförer  den  Slavenapostel  nennt,  begangen 
wird,  und  „pomozi  Bog"  scholl  es  uns  zum  ürusse  entgegen,  als  wir  das  bunte 
Getriebe  besichtigten. 

Die  Vereinigung  von  Männern  zu  militärischem  Zwecke  heisst  serbisch 
„vojska",  zu  politischen  Beratungen  „skupstina",  die  Feier  des  Hausheiligen 
„slava",  jene  des  Kirchenpatrons  „hram";  der  freudig  erwartete  alljährliche 
Vereinigungstag  der  ganzen  Pfarrgemeinde  zur  kirchlichen  Feier  ihres  Schutz- 
heiligen aber  „sabor".  Steht  dieser  Pfarrpatron  beim  Volke  in  besonderem 
Ansehen,  wie  beispielsweise  die  Heiligen  Sava,  Georg,  Elias  u.  a.,  oder  bewahrt 
die  Pfarrkirche  wie  Studenica  hochverehrte  Reliquien,  dann  wird  der  „sabor"  ein 
allgemeines  Wallfahrtsziel,  und  mit  der  teilnehmenden  Bevölkerung  der  Pfarrorte 
stellen  sich  Pilger  aus  fernen  Gauen,  ja  oft  aus  fremden  Landen  ein.  Je  schwieriger 
eine  solche  Stätte  zu  erreichen  ist,  desto  höher  wird  der  fromme  Wallfahrer 
geachtet,  hat  er  aber  auch  Jerusalem  besucht,  erhält  er  den  Ehrennamen  „Hadzi", 
der  ihm  dann  für  das  ganze  Leben  bleibt. 

An  Sabortagen  verschwindet  selbst  die  stille  Beschaulichkeit  serbischer 
Klöster;  ihre  poetische  Ruhe  weicht  frohem  Lärm  und  fortwährend  pulsierender 
Bewegung.  Um  das  rechtzeitige  Eintreffen  zur  Frühmesse  besorgte  Pilger  langen 
schon  am  Vorabend  des  Festtags  an;  die  Nacht  wird  im  Kloster  verbracht,  und 
was  nicht  in  den  Fremdenzimmern,  unter  Vorhallen  oder  in  den  Gebäuden  des 
liofraums  Platz  fand,  biwakiert  im  Freien,  unter  Laubzelten  bei  riesigen  Feuern. 
Reicht  die  schmale  Talsohle  nicht  aus,  so  werden  kleine  Lichtungen  auf  nahen 
bewaldeten  Höhen  aufgesucht,  und  abends  geben  die  zahlreichen  Biwakfeuer  der 
Szene  ein  phantastisches  Gepräge. 

Als  wir  unsere  Wanderung  durch  das  Gewirre  von  Laubzeltcn  auf  beiden 
Ufern  der  vom  Regen  stark  geschwellten  Gracanica  fortsetzten,  begann  der 
hl.  Panthelejmon  sein  eifriges  Walten  etwas  zu  sänftigen,  und  einzelne  blaue 
Stellen  lugten  schon  neugierig  durch  das  graue  Gewölke.  Bei  unserem  Erscheinen 
verliessen  viele  Pilger  die  schützenden  Laubdächer,  hier  und  da  schlössen  sich 
schäkernde  Burschen  und  Mädchen,  angefeuert  vom  Pisar  oder  einem  der  uns 
nachfolgenden  Dorfkmeten,  zum  Kolotanz.  Dudelsack  („Gajde")  und  Svirala  ertönten 
bald  um  die  Wette.  Auf  von  losen  Felsstücken  gefügten  Herden  brannten  überall 
lodernde  Feuer,  umlagert  von  kochenden  Frauen  und  zechenden  Gruppen.  Alles 
scherzte,  die  Cutura  kreiste,  die  Köpfe  begannen  sich  zu  erhitzen.  Hier  wechselte 
ein  Sohn  des  Toplicatals  Trinksprüche  mit  einem  Kum  (Paten)  aus  den  Kozniker 
Bergen,  dort  besiegelten  feilschende  Alte  bei  einem  Glas  Rotwein  den  Heiratspakt 
zwischen    zwei    die  Wichtigkeit   des   Augenblicks    für   ihre  ganze  Zukunft    kaum 


68  Vom  Ib;ir  iilxT  Josnnic;i  ;uif  den  Kopaonik. 

ahnenden  jungen  Leuten.  Hier  eine  freudige  Erkennungsszene  mit  dem  reizenden 
Detail,  wie  es  ältere  „Düsseldorfer"  so  gern  darstellten;  dort  Anrufe  der  Rache 
Gottes  über  die  an  der  Grenze  hausenden  Amanten  (Albancsen)  und  Wünsche, 
dass  der  Fürst  sie  bald  verjage.  Hier,  so  jiahe  den  alten  Zarensitzen,  Hess 
man  sich  nicht,  wie  in  Senje,  mit  seiner  Erhebung  zum  „Kralj"  (König)  genügen, 
sondern  teilte  ihm  in  patriotischen  Toasten  die  Krone  der  serbischen  Kaiser, 
„die  glänzendste  der  Christenheit",  zu. 

Bei  der  wahrhaft  überschwenglichen  Gastlichkeit  der  serbischen  Landleute 
wurden  uns  überall  Kaffee,  Rakija,  weisser  und  roter  Wein,  Milch,  Käse,  Braten, 
Butter,  Honig,  Fische  oder  Obst  angeboten.  Auch  nur  in  geringen  Quantitäten, 
dem  üblichen  Brauche  gemäss,  hier  und  dort  versucht,  blieb  es  doch  für  einen 
westeuropäischen,  nach  der  fortgeschrittenen  „Chemie  der  Küche"  sich  nährenden 
Magen  keine  leichte  Aufgabe,  das  bunte  Chaos  zu  verdauen.  Zu  diesen  Speisen 
zählt  auch  das  „Belniuz",  eine  dem  türkischen  Namen  nach  orientalische  Speise. 
Man  bereitet  dieselbe  aus  süsser  Milch  gewonnenem  Käse,  der,  nachdem  die 
Molke  gut  abgetropft,  in  einem  dafür  bestimmten  Kessel  über  das  Feuer  gesetzt, 
wenn  er  geschmolzen  und  aufgekocht,  mit  Mais-  oder  Weizenmehl  versetzt  und 
solange  gerührt  wird,  bis  sich  ein  vom  Fett  abgesonderter  Klumpen  bildet,  den 
viele  mit  Zwiebelschnitten  würzen. 

Die  Frauenwelt  erschien  durch  auffallend  schöne  Typen  vertreten,  ebenbürtig 
den  Männern,  welche  meist  hier  ein  weisses  Tuch  um  das  Fes  winden  und 
dadurch  den  benachbarten  Amanten  ähnlich  sehen.  Ich  bereicherte  meine  Mappe 
mit  einigen  Köpfen  von  edlem  Schnitt;  ein  Gewinn,  den  ich  der  einflussreichen 
Vermittelung  des  beredten  Pisars  verdankte.  Fand  ich  auch  hier  den  Verkehr 
zwischen  beiden  Geschlechtern  ungezwungener  als  im  Flachland,  so  war  trotzdem 
die  Scheu  der  koketten  Gebirgstöchter  vor  dem  ihre  Reize  „abschreibenden"  Stift 
schwer  zu  besiegen.  Der  auffallend  hübsche  Wuchs  der  Frauen  tritt  durch  die. 
reizende  Tracht  noch  mehr  hervor.  Den  verheirateten  Frauen  steht  besonders  gut 
eine  nach  italienischer  Weise  rückwärts  über  den  Kopf  geworfene,  buntgestreifte 
kurze  Decke;  mit  Münzen  und  natürlichen  Blumen  geschmückt,  umrahmt  sie 
malerisch  das  reiche  dunkle  Haar. 

Eine  Gruppe  von  Rotmäntlern,  die  ersten,  welche  ich  seit  meiner  Reise  im 
kroatischen  Grenzland  (1851)  zu  Gesicht  bekam,  begrüsste  unser  Erscheinen  mit 
einem  wohlunterhaltenen  Peletonfeuer.  Es  waren  kräftige,  mit  ihren  langen 
Damaszenerinnen  wohl  vertraute  Gestalten.  Als  sich  die  von  der  feuchten  Luft 
niedergehaltene  Rauchwolke  verzogen,  erblickte  ich  auf  einer  sanften  Anhöhe  ein 
neu  gezimmertes  riesiges  Kreuz,  an  dessen  Fuss  zwei  Priester  unter  Gottes  weitem 
Himmelszelt  eben  die  Aufnahme  neuer  Bürger  in  die  Kirche  Christi  mit  dem 
einfachsten,  an  die  ersten  Taufen  erinnernden  Zeremoniell  vollzogen. 

Die  gottesdienstlichen  Handlungen,  die  das  Volk  nach  der  eigentlichen  Messe 
von  den  am  Kreuze  fungierenden  Priestern  heischte,  häuften  sich  so  sehr,  dass 
sie  das  weitläufige  orientalische  Taufritual  (III.  Bd.,  Kap.  III)  auf  das  für  die 
Nottaufe  vorgeschriebene  kürzeste  Zeremoniell  beschränken  mussten.  Als  wir 
auf  der  Höhe  anlangten,  wurde   eben   ein   mehrere  Wochen   alter  Sprössling   mit 


Vom  Ibnr  über  JoSanica  auf  den  Kopaonik. 


69 


einem  Schaffe  eisigkalten  Gracanicawassers  begossen,  weiclien  Ai<t  der  Heiligung 
der  durch  ihn  „Pravoslavni"  (Rechtgläubiger)  gewordene  Täufling  mit  lautem 
Schreien  begrüsste.  Kuma  (Patin)  und  Mutter  hatten  lange  zu  tun,  den  armen, 
durch  die  heilige  Dusche  erschreckten  Kleinen  zu  beruhigen,  welcher  die  weite 
Reise  aus   dem    fernen   Grenztal   Bozoljin    in   einem  Troge  auf  dem    Rücken   der 


BRZEÖE.     Fraiicrilyptn. 


Mutter  zurückgelegt  hatte.  Tausend  Jahre  lagen  zwischen  den  Tagen,  an  welchen 
Cyrill  und  Methodius  in  diesen  Gegenden  das  Christentum  predigten,  dass  sie 
vielleicht  auf  dieser  Sveti  Mcthod-Hiihe  das  erste  Kreuz  an  der  Stelle  eines  G/Uzen- 
bildes  aufgerichtet  halten.  Der  primitive  Taufakt,  die  ihn  umstehenden  fremdartigen 
Gestalten,  der  schöne  Klostermönch  mit  aufgelöstem  schwarzen  Haar  und  langem 
Barte,  der  assistierende  Pope  von  Brus  in  halbbäuerlicher  Tracht,  das  auf  der 
rauhen  Berglandschaft   lagernde   Grau,    alle   diese   Momente   zauberten    mir   eines 


70  Vom  Ibar  über  Joäanica  auf  den  Kopaonik. 

jener  Bekelirungsbilder  aus  alten  Zeiten  lebendig  vor  die  Augen,  wie  sie  Dürers 
Holzschnitte,  Rembrandts  Radierungen  und  die  Zeichnungen  von  Führich,  Schnorr, 
Overbeck  rührend  darstellen. 

So  viele  Jahre  auch  verflossen  sind,  seit  der  hl.  Methodius  in  diesen 
Gegenden  sein  apostolisches  Mahnwort  erschallen  Hess,  blieb  hier  die  Macht 
seiner  Nachfolger  ungeschmälert.  Der  Glaube  und  leider  mehr  noch  der  Aber- 
glaube schliesst  zwischen  Volk  und  Mönchen  jenes  enge,  vielleicht  allzufeste  Band, 
welches  ich  in  verschiedenen  Zügen  zu  Gornjak,  in  der  Klosterschlucht  zwischen 
dem  Kablar  und  Ovcar  und  in  Studenica  zu  charakterisieren  versuchte.  Auch 
auf  Sveti  Method  fand  ich  Kranke,  die  geheilt;  unfruchtbare  Weiber,  die  gesegnet; 
Epileptische,  welchen  der  Teufel  ausgetrieben  werden  sollte;  hundert  andere 
Wünsche  mochten  aber  weniger  offenkundig  an  die  Geistlichen  gestellt  worden 
sein.  Hart  vor  dem  Kreuze  stand  ein  gleich  kunstloser  Altartisch,  auf  dem  der 
Mönch,  von  dem  Bruser  Popen  kollegial  unterstützt,  einen  lebhaften  Handel  mit 
geweihten  Bildern,  Kerzen  und  Amuletten  trieb. 

Es  war  spät  am  Nachmittag.  Alles  schien  ermüdet.  Der  Kolo  verlor 
seine  Anziehungskraft,  die  Töne  des  Dudelsacks,  der  Svirala  ermatteten.  Die 
Geistlichen  legten  ihre  liturgischen  Gewänder  ab,  schütteten  einen  Haufen  alter 
österreichischer  Kupfermünzen  und  türkischer  Paras,  mit  denen  sich  einige 
durchlöcherte  Zwanziger  und  Piaster  mengten,  in  ein  grosses  Tuch  und  ver- 
abschiedeten sich  von  der  Menge.  Sie  schienen,  ihren  fröhlichen  Mienen  nach 
zu  schliessen,  mit  der  Ausbeute  zufrieden  zu  sein.  Zahllose  Abschiedsschüsse 
widerhallten  in  den  Einschnitten,  durch  welche  die  Pilger  heimzogen,  um  den 
Zurückgebliebenen  wahrscheinlich  noch  lange  Zeit  von  den  Gnaden  und  Freuden 
des  „Sabor  Svetog  Methoda"  zu  erzählen.  Auch  wir  hatten  des  Treibens  genug, 
verabschiedeten  uns  von  den  Kmeten,  Buljukbasas,  Panduren  und  ritten  nach 
Brzece,  wo  uns  der  Abend  in  des  Kmeten  llija  Miljkovics  einfacher  Behausung 
in  bester  Stimmung  am  häuslichen  Herde  traf. 

Der  Gehöftebau  ist  in  den  oft  von  prächtigen  Ahorn-  und  Eschenständen 
umgebenen  Dörfern  am  Kopaonik  ein  ganz  eigentümlicher.  Die  Häuser  bestehen 
grösstenteils  nur  aus  einem  hoch  aufsteigenden,  riesigen  Dache,  das  an  beiden 
Giebelseiten  durch  senkrechte  Bretterwände  geschlossen  wird.  Ein  Rüstwerk  von 
starken  Pfählen  und  Querbalken  verleiht  dieser  einfachen  Konstruktion  grosse 
Festigkeit.  Die  Umzäunung  bildet  ein  zierliches  Flechtwerk  aus  dünn  gespaltenen, 
breiten  Latten;  auch  die  auf  Pfählen  ruhenden  kleinen  Kolibas  (Fruchtkammern) 
werden  in  dieser  Weise  geflochten.  Die  innere  Einrichtung  des  Staresinahauses 
ist  aber  auch  hier  ähnlich  den  bereits  geschilderten;  bei  grösserer  Wohlhabenheit 
ist  ein  reicherer  Besitz  von  Teppichen,  Sitzkissen,  Heiligenbildern,  Prunkgläsern 
und  kostbaren  Waffen  bemerkbar.  Als  Lager  dient  eine  Schicht  frisches  Heu 
auf  dem  festgestampften  Estrich.  Im  vollen  Anzug  wirft  sich  der  Bauer  auf 
dasselbe,  der  Fremde  folgt  seinem  Beispiel,  hüllt  sich  überdies  in  seinen  Mantel 
und  schläft  auf  dem  primitiven  Bette  meist  ebensogut,  wie  auf  den  raffinierten 
Drahtmatratzen  des  Occidents.  Während  der  Nacht  unterhält  stets  ein  jüngeres 
Glied  der  Familie  das  hell  lodernde  Feuer;   sind  Gäste  von  Ansehen   im  Hause, 


Vom  Ibar  über  Josanica  auf  den  Kopannik.  71 

leisten  mehrere,  ja  manchmal  selbst  der  Staresina,  die  Ehrenwache.  Diese  sorgt 
für  grösste  Stille  im  weiten  Räume;  nur  die  Schlagschatten  des  aus  dem  Dach- 
gesperre  an  der  Eisenkette  herabhängenden  Riesenkessels  und  der  um  das  Feuer 
sitzenden  Männer  bewegen  sich  manchmal  an  den  Wänden.  Erwacht  zufällig 
der  Fremde,  glaubt  er  beim  Anblick  der  fremdartigen  Szene  zu  träumen;  doch 
bevor  er  oft  noch  der  Wirklichkeit  sich  bewusst,  bringt  die  Ermüdung  den 
verscheuchten  Schlaf  zurück. 

Wenn  der  erste  durch  die  Ritzen  des  Daches  dringende  Sonnenstrahl  den 
Gast  weckt,  naht  sich  ihm  die  jüngste,  dieses  Augenblicks  harrende  Haustochter. 
Sie  hat  sich  besonders  nett  herausgeputzt;  Münzenschmuck  und  Blumen  mit  noch 
perlendem  Nachttau  zieren  Hals  und  Haar.  Ohne  erheuchelte  Zimperlichkeit 
tritt  sie  näher  und  kredenzt  mit  freundlichem  „dobro  jutro!"  (guter  Morgen), 
nachdem  sie  des  Fremden  Hand  geküsst,  aus  antik  geformtem  Krug  ein  Glas 
köstlich  schmeckenden  Kristallquells.  Bald  darauf  erscheinen  der  Staresina  und 
die  übrigen  Familienmitglieder  und  fragen  der  Reihe  nach,  wie  man  geruht  habe, 
eine  Frage,  die  hüflicherweise  mit  jedem  einzelnen  wieder  getauscht  wird.  Zum 
Frühstück  werden  Siatko,  Rakija,  Käse,  Milch  und  schwarzer  Kaffee  aufgetragen, 
welch  letzteren  man  je  nach  seiner  Nationalität  zu  einem  Milchkaffee,  Melange, 
Verkehrt-Schwarz  oder  Cafe  au  lait  zusammenmengt.  Der  Serbe  trinkt  nach 
türkischer  Weise  den  Kaffee  gewöhnlich  nur  schwarz,  ohne  oder  mit  wenig 
Zucker. 

Vor  dem  Hause  harrt  bereits  der  Tross,  die  Pferde  sind  gezäumt,  die 
Männer  des  Dorfes  versammelt;  denn  die  Aufbruchsstunde  ist  gekommen.  Wie 
für  die  herzlich  gebotene  Gastfreundschaft  nun  danken?  Selbst  der  ärmste  Serbe 
lässt  sich  dieselbe  nicht  gern  bezahlen.  Da  kommt  dem  Fremden  eine  alte  Sitte 
zustatten.  Man  verlässt  selten  ein  gastliches  Haus,  ohne  dessen  nächstzuver- 
heiratende Tochter  zu  beschenken.  Sie  hält  sich  bescheiden  im  Hintergrund, 
erst  auf  den  Ruf;  „O,  devojko!"  (0,  Jungfrau!)  kommt  sie  herbei  und  dankt,  sich 
tief  verbeugend,  für  die  Vermehrung  ihres  Münzenschmucks,  der  ihr  künftiges 
Heiratsgut  bilden  wird.  Der  Staresina  bittet  beim  Abschied  um  des  Fremden 
Nachsicht,  dass  sein  Haus  so  wenig  Würdiges  zu  bieten  vermochte:  „Mi  smo 
prosti  Ijudi!"  (Wir  sind  arme  Leute!).  Man  beruhigt  ihn,  steigt  zu  Pferde,  feuert 
seine  Pistolen  in  die  Luft  und  sprengt  unter  vielen  nachgerufenen:  „Srecan  put" 
(Glückliche  Reise)  zum  Dorfe  hinaus. 

Mit  geringen  Änderungen  sind  dies  die  gewöhnlichen  Erlebnisse  des  im 
serbischen  Hochgebirge  reisenden  Fremden,  und  auch  meine  im  Kmetenhaus  zu 
Brzece.  Nur  die  Abschiedsszene  am  Morgen  erhielt  etwas  individuellere  Färbung. 
Als  ich  den  guten  Leuten  für  die  genossene  Gastfreundschaft  danken  wollte, 
unterbrach  mich  Kapetan  Ilija:  „Ihr  seid  zu  nachsichtig,  Herr!"  und  machte  nun 
dem  Knieten  und  den  versammelten  Dorfältesten  bittere  Vorwürfe,  dass  man  uns 
schlecht  bewirtet  habe.  Er  stiess  arge  Drohungen  aus  und  wies  alle  Einwände 
der  eingeschüchterten  Bergsöhne  zurück. 


IV. 

über  Brus,  Koznik  und  Krusevac  nach  Stalac. 


DER  mir  vom  ersten  Augenblick  unsympathische  llija  benahm  sich  aucii  auf 
der  Weiterreise  wie  ein  mittelalterlicher  Zwingvogt.  Wer  war  er,  welche 
Verdienste  hatten  ihn  zum  Kapetansamt  empfohlen?  Dass  er  des  Lesens  kaum 
kundig  war,  ein  Bildungsmangel,  der  zufällig  auch  die  drei  anderen  Kapctane 
des  Krusevacer  Kreises  auszeichnete,  darüber  hatte  ich  schon  am  Tage  zuvor 
vollste  Gewissheit  erlangt.  Auf  dem  Wege  durch  das  schöne  Tal  der  Graäevacka 
Reka  erzählte  er  mir  wohl  eine  Art  Autobiographie,  die  aber  offenbar  viel  Fabeln 
enthielt;  erst  später  erfuhr  ich  mehr  über  diesen  serbischen  Gessler. 

llija  Antonijevic,  bekannter  unter  dem  Namen  „Curcija"  (der  Kürschner), 
gehörte  zur  Phalanx,  welche,  vor  Fürst  Milos  sich  sklavisch  beugend,  während 
seiner  zweiten  Herrschaft  ihren  Einzug  in  Serbien  hielt.  Ohne  Sinn  und  Gefühl 
für  das  Wohl  des  Volkes  machte  sie  sich  allerorts,  wie  der  ehemalige,  bankerott 
gewordene  Pelzhändler  in  seinem  Bezirk,  durch  Übermut,  Ungerechtigkeit  und 
Willkür  verhasst.  Gleich  türkischen  Agas  betrachtete  er  die  Bauern  als  seine 
Lehnsleute  und  behandelte  sie  danach.  Hier  ein  sprechendes  Beispiel:  Wir 
hatten  den  wildschäumenden  Gracanicabach  gekreuzt,  um  auf  sein  linkes  Ufer  zu 
gelangen,  als  dicht  bei  der  Furt  der  zu  weit  vorgerückte  Pfahlzaiin  eines  Gehcifts 
llijas  Zorn  erneut  herausforderte.  Vor  dem  strengen  Kapelan  stand  der  durch 
einen  Panduren  herbeigeholte  Bauer  demütig  mit  abgezogener  Mütze;  kaum  wagte 
er  einige  entschuldigende  Worte  zu  stammeln.  „Dass  Gott  Dich  vor  meinem 
Stocke  schütze,  wenn  Du  nicht  gleich  den  Zaun  um  eine  Manneslänge  liinein- 
rückst."  Auf  dem  nur  von  Hirten  benutzten  Stege  gab  es  weder  Handel  noch 
Verkehr;  es  war  eben  eine  jener  Launen  des  überall  und  am  unrechten  Flecke 
herumregierenden  Kapetans,  wie   er  deren   viele   und   oft  noch   schlimmere  hatte. 

Nachdem  llija  sein  Mütchen  gekühlt,  zogen  wir,  2arevo  mit  seinem  Säuerling 
und  Kastellberg  östlich,  jenen  bei  Paljevätica  westlich  lassend,  weiter.  Schroffe 
Kalkfelsen  auf  dem  rechten  Flussufer  bergen  die  „Albini-Höhlen",  in  welchen 
Karadjordje  mit  den  Seinen,  nach  dem  unglücklichen  Zuge  gegen  Novi  Pazar,  Schutz 
gesucht.  Nahe  dem  alten,  von  Brzece  herabziehenden  „Kaldrmisan  put" 
(gepflasterter  Weg)  sieht  man  bei  Vlajkovci  an  der  GraSevacka  Reka  durch 
Mörtel  festverbundene  versteinerte  Pfähle.  Hinter  dem  gleichnamigen  Dorfe  liegen 
im  Tale  bedeutende  Schlackenhaldcn   und  Hüttengräben   eines   früheren   Betriebs 


74  Über  Brus,  Koznik  und  Kniscvnc  nach  SlalatS 

auf  Silber.  Die  Erze  für  diesen  soll  der  Kopaonik  geliefert  haben;  Herder 
vermutete  aber  die  Gangformation  auf  der  Scheide  des  nahen  Serpentinzugs.  Bis 
Brus,  das  wir  über  Ziljci  gegen  Mittag  erreichten,  bildet  Tonschiefer  die  anstehende 
Gesteinsart,  und  nun  verschwand  der  sterile  Charakter  der  Landschaft. 

Brus')  ist  ein  Städtchen,  das  sich  um  seine  1830  von  Milos  erbaute  weisse 
Kirche  und  neue  Schule  niedlich  gruppiert.  Nicht  weniger  als  vier  Pfarren  mit 
42  Orten  sind  auf  seine  Christi  Verklärungs-Kirche  und  kleine  Carsija  angewiesen. 
Das  Städtchen  bildet  einen  wohltuenden  Gegensatz  zu  den  armseligen  Hirten- 
niederlassungen am  Kopaonik  und  dürfte,  wenn  einmal  der  Bergbau  an  seinen 
Hängen  wieder  aufgenommen  wird,  sich  bedeutend  vergrössern.  In  dem  1905 
erst  70  Häuser  und  360  Seelen  zählenden  Orte  harrten  bereits  viele  Parteien  der 
Ankunft  des  Kapelans,  unter  ihnen  zwei  Bauern,  die  schon  lange  über  das  Eigen- 
tumsrecht auf  eine  Weide  miteinander  stritten.  Unser  Ilija  war  jedoch  nicht 
gesonnen,  seine  Mittagsruhe  stören  zu  lassen;  barsch  verwies  er  die  Streitenden 
an  seinen  Pisar.     Ich  variierte  damals  ein  sirmisches  Volkslied: 

„Kühlen  Wein  schlürft  Ilija  Antonijevic, 
Trinkt  zu  Brus  ihn,  in  der  weissen  Schenke! 
Als  des  Weines  er  genug  getrunken. 
Hebt  er  trunken  also  an  zu  reden : 
O,  dass  Gott  Euch  gnädig,  Bundesbrüder! 
Stört  mich  nicht  in  wichtigen  Geschäften, 
Geht  zu  Djak  Mihailo,  meinem  Schreiber!" 

Dieser  hatte  rasch  entschieden.  Durch  scharfes  Ausfragen  erwies  sich  bald, 
dass  der  angesprochene  Grund  keinem  der  Klageführenden  gehöre,  sondern  einen 
Teil  des  den  Türken  abgerungenen  grossen  Territoriums  bilde,  das  als  Staatseigentum 
noch  seiner  Veräusserung  harrte;  bis  diese  erfolgt,  sollten  beide  Parteien  den 
streitigen  Weidegrund  benützen.  Ich  zweifle  jedoch,  dass  sie  sich  mit  diesem 
billigen  Ausgleich  ihres  Streites  zufrieden  gaben,  sie  dürften  nicht  allein  an  den 
Krusevacer  Nacalnik,  sondern  wahrscheinlich  noch  weiter  appelliert  haben. 

Unsere  Mittagsruhe  zu  Brus  benutzte  ich,  um  kleine  Einkäufe  zu  machen. 
Die  Läden  enthielten  im  bunten  Durcheinander  lange  ausser  Mode  gekommene 
Ableger  der  Wiener  Industrie:  bunte  Tücher,  Bronzeschmuck,  künstliche  Blumen, 
Heiligenbilder,  Spiegel,  Arm-  und  Halsketten,  Nadeln  und  tausend  andere  Kleinig- 
keiten für  den  Putz  der  serbischen  Landschönen.  Im  kühlen  Prachtstübchen  des 
Popen,  dessen  Bekanntschaft  wir  am  Sveti  Method-Sabor  gemacht,  hielt  ich  hierauf 
gern  bei  Slatko,  Kaffee  und  Cibuk  eine  kurze  Siesta;  zum  Abschied  beschenkte 
mich  die  freundliche  Popadija  mit  einem  Paar  selbstgestrickter  Strümpfe,  welche 
Aufmerksamkeit  ich  mit  einer  hübschen   Brosche  erwiderte. 

Die  Glut  der  Julisonne  wurde  intensiver,  je  mehr  sich  der  Weg  von  den 
subalpinen  Serpentinbergen  über  das  abwechselnd  aus  schiefrigem  Kalk,  Ton  und 
Konglomerat  sich  konstituierende,  rebenbepflanzte  Hügelland  zum  Morava-Niveau 
abwärts  senkte.     Überall  wuchert  hier  der  dem  2upa-Weingebirge  eigentümliche 


')  Seit  1899  Sitz  des  neuerrichteten  Bezirks  Kopaonik. 


über  Rriis,  Knznik  und  Kriiäevac  nach  Stalad. 


75 


Strauch  colutea  arborescens  in  grosser  Menge.  Wir  zogen  zunächst  entlang  der 
Rasina,  parallel  mit  der  früheren  serbischen  Südostgrenze,  welche  der  langgestreckte 
Jastrebac  scharf  markierte.  Jenseits  der  Wasserscheide  wohnten  damals  Albanesen, 
gemengt  mit  serbischen  Stammesresten. 

Bei  Ribari  bo^'  ich  aber  von  der  über  Botunja  direkt  nach  Kru.^evac 
führenden  Strasse  NW.  ab,  um  das  am  Rasinaursprung  liegende  Schloss  Koznik 
zu  sehen.  Trotz  meines  unzweideutigen  Ablehnens  begleitete  mich  der  mir  stetig 
widerwärtiger  gewordene  Ilija  unter  fortgesetztem  Herauskehren  seines  vermeint- 
lichen Heldentums  dahin.     Bald  forderte  er  mich  zum  Wettgalopp  auf,  vergessend. 


BRUS   im  Jahre  1860. 


dass  ein  solcher  nach  den  Anstrengungen  der  letzten  Tage  wenig  Anziehendes 
für  mich  haben  konnte;  bald  schoss  er,  wie  von  Dämonen  gejagt,  über  die  Felder 
hin,  zum  Ärger  der  Bauern  nach  rechts  und  links  das  Getreide  mit  blankem 
Säbel  unter  lauten  Schimpfrufen  gegen  die  Türken  köpfend.  Dann  kehrte  er 
zurück  und  bat  mich,  in  Belgrad  zu  erzählen,  wie  er  die  Türken  zu  empfangen 
gedächte,  falls  sie  in  seine  Nahija  einbrechen  sollten. 

Von  diesem  Manne  irgendwelche  Aufklärungen  zu  hoffen  über  die  im  Volke 
verbreitete  Sage,  dass  in  der  Umgegend  Zar  Lazar  geboren  sei,  dass  er  die  alten 
Weinstöcke  in  Botunja,  deren  Most  stets  süss  bleibt,  selbst  gepflanzt  habe,  oder 
über  die  Reste  eines  zerstörten  Kirchleins  in  Baäici  bei  Budilovina,  an  dem  wir 
vorüberzogen,  wäre  töricht  gewesen.  Kannte  er  doch  nicht  einmal  die  jüngste 
Vergangenheit  des  Schlosses  Koznik,  dessen  fünftürmige  Ruine  in  dunkler 
Silhouette   am    Horizont  auftauchte.     Im   Befreiungskrieg  diente   es  wegen   seiner 


76 


Über  Brus,  Koznik  und  Kriiäcvac  n;ich  Sfalac. 


die  Gegend  weithin  beiierrsclienden  Lage  auf  963  ni  hohem  isolierten  Berge  als 
Observatorium  der  aufständischen  Serben.  Die  Anwohner  erzählen,  dass  die  Steine 
zum  Bau  des  im  Innern  sehr  geräumigen  Schlosses  wegen  der  Steilheit  des 
Felshügels  durch  Ziegen  hinaufgeschleppt  wurden.  An  seinem  Ostfuss  stösst 
man  bei  Budilovina  beim  Ackern  auf  die  Spuren  einer  alten  Ansiedelung;  Eisen- 
geräte, Waffen,  Münzen  werden  oft  gefunden,  und  Miiicevic  vermutet,  dass  hier 
jenes  altserbische  Budimlje  gestanden  habe,  das  in  den  „Monumenta  serbica" 
(S.  95)  erwähnt  wird.     Zahlreiche  kleine  Vertiefungen  dort  dürften  von  geöffneten 


Schlossruine  Koznik. 


alten  Gräbern  herrühren.  Weiter  ging  es  zwischen  zwei  Bergen  nach  Vratari. 
Gleich  nachdem  wir  das  Defilee  Vrata  (Tor)  verliessen,  öffnete  sich  ein  pracht- 
voller Ausblick  auf  die  Krusevacer  Gefilde  bis  zum  Rtanj. 

NW.  von  Popovci  folgten  auf  einer  Höhe  an  der  Pepeljusa  die  Mauern 
einer  Burg,  deren  Erbauung  Milos  Obilic  zugeschrieben  wird;  es  sind  wahrschein- 
lich die  Reste  eines  Römerkastells,  das  gleich  dem  Kozniker  die  antike  Strasse 
hütete,  welche  von  Trstenik  und  Krusevac  über  Brus,  Aleksandrovac  und  Vratari 
zu  den  Hüttenwerken  an   der  Grasevacka  Reka   und  auf  den  Kopaonik  führte. 

Nördlich  von  Aleksandrovac  steht  bei  Drenca  ein  verfallendes  Kloster, 
dessen  Kirche  in  Grundriss  und  Grösse  jener  des  benachbarten  Veluce  gleicht.  Wie 
aus  einer  1382  zu  Zica  ausgestellten  Urkunde  hervorgeht,  begabten  sie  ihre  Erbauer, 
Dorotej    und    sein    Sohn    Danilo,    mit   vielen  Dörfern   und   anderen   Gütern.     Das 


über  Brus,  Ko/.nik  iiiul  Kriiscvac  ii.icli  Stalac.  79 

Volk  nennt  dieses  Kloster  „Dusmanica",  weil  es  die  ülaubensfeinde  (duämani)  so 
sehr  ärgerte,  dass  sie  es  zerstörten. 

Über  weinbepflanzte  Hügel  und  eine  grosse  Hutweide  ging  es  nach  Vitkovo, 
wo  ich  mit  der  Familie  des  Kapetans  einige  angenehme  Stunden  verlebte.  Als 
ich  den  Hof  des  Amtshauses  besichtigte,  zeigte  llija  aber  grosse  Lust,  die  damals 
in  keinem  Kapetanshause  fehlenden  Prügelmaschinen  praktisch  an  Sträflingen  vor  mir 
funktionieren  zu  lassen.  Auf  meine  Abwehr  begnügte  er  sich,  mit  grossem  Behagen 
den  sinnreich  konstruierten  Apparat  für  Frauen,  seinen  beweglichen  Fallblock, 
in  den  Kopf  und  Arme  der  Delinquentin  gespannt  werden,  und  ein  ähnliches 
horizontales  Instrument  für  Männer,  nur  theoretisch  zu  demonstrieren.  Nicht  so 
sehr,  um  Kapetan  llija  persönlich  zu  verewigen,  als  die  stets  seltener  werdenden 
serbischen  Gerichtsszenen  unter  freiem  Himmel  den  späteren  Generationen  zu 
bewahren,  gebe  ich  hier  die  treu  von  mir  nach  der  Natur  gezeichnete  Skizze  des 
unter  meinen  Augen   sich  abspielenden  Aktes  Milosscher  Justiz  zu  Vitkovo. 

Der  Abschied  von  dem  würdigen  llija  wurde  mir  nicht  schwer.  Er  hatte 
mich  in  vielem,  namentlich  in  unwürdiger  Behandlung  der  Bauern  und  Hetzen 
seiner  Panduren  auf  dieselben,  an  die  Täblabiröwirtschaft  im  vormärzlichen  Ungarn 
gemahnt,  wie  sie  Baron  Eötvös  im  „Dorfnotar"  in  Dickensscher  Weise  lebensvoll 
schilderte.  Unter  keinem  anderen  Herrscher  hätte  das  freiheitsliebende  serbische 
Volk  solche  Vögte  ertragen.  Doch  Milos'  gefürchtete  Strenge  erstickte  das  Murren 
gegen  seine  Günstlinge.  Auch  wusste  man,  dass  der  alte  Herr  dem  Tode  nahe 
und  wollte  keinen  gewaltsamen  Umsturz  herbeiführen.  Mit  Fürst  Mihails  Regierungs- 
antritt im  nächsten  Jahre  erfolgte  dieser  in  friedlicher  Weise;  er  bereitete  auch 
dem  Regiment  llija  Antonijevics  und  anderer  gleich  würdigen  Amtsgenossen,  gegen 
die  nun  eine  Flut  von  Anklagen  wegen  Veruntreuung  öffentlicher  Gelder  imd 
Willkürakte  aller  Art  hervortrat,  ein  rasches  Ende.  Einen  besseren  Eindruck 
als  die  hier  geschilderte  Type  Milosschen  Regiments  machte  Djak  Mihailo,  der 
poetisch  angelegte  Pisar,  welcher  llijas  ungerechte  Sprüche  in  der  Ausführung 
stets  zu  mildern  suchte.  Zum  Abschied  verehrte  er  mir  ein  altes  Familienerbstück, 
eine  primitiv  gearbeitete  Gusle,  mit  deren  monotonen  Klängen  er  oft  die  Lieder 
vom  Falle  der  nahen  Zarenstadt  Krusevac  begleitet  hatte. 

König  Milan  verlegte  den  Zupsker  Bezirkssitz  nach  dem  westlichen  Kozetin, 
das,  nun  „  Aleksandrov  ac "  genannt,  rasch  zum  schon  über  tausend  Bewohner 
zählenden  Städtchen  erblühte.  Seine  1804  erbaute  Kirche  für  zwei  Pfarren  mit 
19  Dörfern  ist  die  älteste  weltliche  der  Zupa. ')  Bei  88b  km-  Flächeninhalt, 
97  Orten  in  15  Gemeinden  mit  32531  Seelen  (1905),  besitzt  dieses  grosse  Gebiet 
nur  7  Gotteshäuser,  von  welchen  überdies  5  erst  nach  1862  entstanden  sind. 
Noch  schlimmer  stand  es  mit  dem  Unterricht.  Es  gab  nicht  eine  Schule,  als  die 
Türken  den  Bezirk  endlich  1835  räumten,  und  doch  streiten  occidentale  Federn 
für  die  Aufrechterhaltuiig  des  Ignoranz  freundlichen  Sultanregiments  in  Makedonien, 
dessen  intellektuelle  Verhältnisse  noch  heute  wenig  bessere  sind,  als  es  Serbiens 
vor  seiner  Befreiung  durch  Karadjordje  und  Milog  waren. 


')  Dieser  Bezirk  wurde  1899  in  2  Bezirke  geteilt:  Zupa  (399  km')  und  Kopaonik  (487  km-). 


so  über  Brus,  Koznik  iiiul  Kruscvac  nach  Stniac. 

Die  Strasse  von  Vitkovo  zum  5  Stunden  fernen  nordöstlichen  aitserbischen 
Herrscliersilz  führt  durch  das  in  seiner  Nähe  trefflichen  Lignit  bergende  anmutige 
Tertiärbassin  über  Bobote  und  Dasnica  meist  durch  jungen  Eichenwald  bis 
zum  Punkte,  wo  man  NW.  nach  Lacisied  abbiegt.  NW.  von  diesem  liegt  am 
Ursprung  der  Srebrnica  auf  einer  Anhöhe  die  gleichnamige  Burg,  welche, 
nach  alter  Tradition,  die  „Latini"  vor  Gott  weiss  wieviel  Jahren  zum  Schutze 
ihrer  benachbarten  Silberschmelze  erbauten,  von  den  Serben  aber  erobert  und 
durch  Feuer  zerstört  wurde.  Diese  Tradition  deutet  auf  einen  römischen,  durch 
ein  Kastell  beschirmten  und  von  den  Ragusanern  fortgesetzten  Hüttenbau,  den 
auch  der  nahe  Berg  „Metalica"  u.  a.  bezeugen.  Vor  etwa  25  Jahren  soll  ein 
Bauer  dort  einen  Apfel  von  purem  Golde  gefunden  und  einem  Goldschmied  im 
nahen  Krusevac  verkauft  haben.  Häufig  findet  man  Gegenstände  von  Bronze  und 
Eisen;  auch  geht  die  Sage,  dass  in  den  Burgkellern  grosse  Schätze  verborgen 
seien;  niemand  fände  aber  den  Zugang,  um  sie  zu  heben. 

Unfern  dem  Burghügel  liegt  das  vom  Despoten  Jovan,  der  1485—1503  auf 
dem  Schlosse  Kupinik  residierte,  gestiftete  Kloster  „Srebrnica",  jetzt  nach  dem 
nahen  Dorfe  Vcluce  genannt.  Als  Eigentum  besitzt  es  17  Hektar  Felder  und 
Wiesen,  5  Hektar  Obst-  und  Weingärten,  150  Hektar  Wald,  2  Mühlen  usw., 
deren  Ertrag  die  bescheidenen  Bedürfnisse  des  Igumans  und  der  Mönche  decken. 
Das  „Maria  Reinigung"  geweihte  Kirchlein  ist  ein  kunstloser  Kuppelbau  von 
Bruchstein  und  Ziegeln.  Dass  es  so  einfach,  verschuldete  nach  der  Tradition  sein 
Baumeister,  welcher  das  beste  gestohlene  Material  für  eine  zweite  Kirche  bei  dem 
südlichen  Rudenica  verbrauchte.  Der  erzürnte  Despot  verfluchte  sie  aber,  und 
bald  darauf  wurde  sie  von  den  Türken  arg  verwüstet.  Richtig  ist,  dass  die 
Quadern  des  von  Stefan  Lazarevic  (1405—1427)  gestifteten,  in  couches  alternantes 
aufgeführten  Rudenicaer  Baues  aus  dem  Velucer  Steinbruch  stammen.  Er  zeigt 
die  byzantinische  Zentralanlage  mit  pentagonalen  Apsiden,  einem  Kuppelgeschoss 
über  der  Vierung  und  kleinerem  über  dem  Narthex,  rundbogige  Portale  und  den 
Kalenicern  ähnliche  Lisenen,  Fensterrahmen,  Rosen,  Kapitale  usw.  Die  Kirche  wird 
wie  die  westlichere  Ribnica-Ruine  von  Heilung  ersehnenden  Gläubigen  viel  auf- 
gesucht. Überhaupt  ist  die  ärztliche  Konkurrenz  mit  den  kurpfuschenden  Popen  und 
Babas  im  Süden  des  Landes  eine  noch  schwierigere  als  in  seinen  nördlichen  Kreisen. 

Von  Lacisied  geht  es  mit  scharfer  Kurve  durch  gutbestellte  Maisfelder  und 
schönen  Laubwald  nach  AArmos.  Von  hier  stammt  ein  nach  Belgrad  gelangtes 
10  cm  langes,  6,5  cm  breites,  6,5  cm  hohes  Steinbeil  aus  Amphibol-Andesit 
mit  abgeplatteten  Rändern,  dessen  Stielloch  sich  nach  oben  von  3  auf  2,5  cm 
verjüngt.  Die  Flächen  erscheinen  rauh,  was  jedoch  daher  kommen  mag,  dass  sich 
die  Feldspatkristalle  unter  der  Einwirkung  des  Wassers  an  der  Oberfläche  lösten. 
Wir  hielten  kurz  vor  der  Mehana  und  dem  netten  Schulhaus  von  Velika  (grosse) 
Vrbnica,  wo  nach  einer  Stelle  in  Kostadin  Filosof,  „Leben  des  Despoten 
Stefan  Lazarevic",  dieser  von  dem  türkischen  „Zar  Mojsia"  1413  besiegt  wurde.') 


')  Daniele,  Rjecnik  I,  496.    Es  ist  Prinz  Musa  gemeint,  welcher  seinen  Brüdern  Sulejman 
und  Mohammed  den  Thron  streitig  machte. 


über  Brus,  Koznik  und  Kriisevac  nach  Stalac.  81 

Von  der  für  eine  Feldschlacht  sehr  geeigneten  Hochebene  gestalten  prächtige 
Eichenstände,  auf  den  rechtsseitigen  Höhen  schöne  Maisfelder,  freundliche  Ohst- 
kulturen  und  saftige  Wiesen  die  Landschaft  parkähnlich  im  breiten  Pepeljusatal. 
Zwischen  Trebotin  und  dem  grossen  Dorfe  Pepeljevac  fand  Herder  einen 
alkalisch  kalten,  Glajjbersalz  und  Eisen  enthaltenden  wirksamen  Mineralqueil. 
Um  den  beide  Orte  einhüllenden  herrlichen  Obstwald  zu  durchreiten,  benötigt 
man  eine  halbe  Stunde;  heraustretend,  überrascht  eine  weitgespannte  Fernsicht 
von  W.  gegen  0.  auf  die  Gebirge  von  Kraljevo  bis  Aleksinac,  bald  darauf 
taucht  nördlich  über  dem  mit  eintönigem  Waldgcstrüpp  bedeckten  Hügelland  ein 
heller  Punkt  auf,  die  alte  „Zarenkirche  von  Krusevac". 

Als  ich  das  die  Stadt  beherrschende  Westplateau  am  4.  Juli  1860  zum 
erstenmal  hinanstieg,  fesselte  mich  zunächst  ein  in  der  Mitte  geborstener  Hochturm 
mit  12  m  langen  Fronten,  3  m  starkem  Mauerwerk  und  erhaltener  Innentreppe, 
der  nach  verschiedenen  Anzeichen  einer  bedeutenden,  auf  römischen  Fundamenten 
entstandenen  Befestigung  angehörte.     Beim  Pflastern   des  Platzes  stiess   man   auf 


MRMOS.     Steinbeil. 

Mauern,  deren  Ausdehnung  eine  vom  Bautenminister  entsendete  Kommission  1887 
feststellen  sollte,  was  aber  keine  besonderen  Resultate  brachte.  Durch  meine 
„Römischen  Studien"  ist  nur  erwiesen,  dass  ausser  der  bereits  erwähnten  antiken 
Strasse  von  Krusevac  nach  den  Minen  am  Kopaonik  (S.  63)  auch  die  römische 
Adria-Donaustrasse  von  Cacak  (1.  Bd.,  S.  535)  über  Krusevac  und  ihre  östlichen 
Stationen  Praesidium  Pompei,  Timacum  minus  und  Conbustica  zur  niedermösischen 
Hauptstadt  Ratiaria  und  auf  der  gleichfalls  geschilderten  Strasse  über  Horreum 
Margi  nach  Viminacium  und  Margum  am  römischen  Donaulinies  lief. 

Der  zerbröckelte  Turm  und  kaum  mehr  erkennbare  Wall  blieben  die  einzigen 
Reste  der  Residenz  des  bei  Kosovo  gefallenen  Zaren  Lazar.  Doch  auch  die  aus 
Steinen  des  Schlosses  erbaute  Moschee,  in  welcher  nach  der  Tradition  Lazars 
Tochter  sich  Bajazit,  dem  Sohne  seines  Besiegers  Murat,  vermählen  musste, 
liegt  in  Ruinen.  Eingestürzt  sind  ihre  und  der  anderen  Dzamijen  stolze  Minaretts, 
und  über  alle  diese  Trümmer  einer  fünfhundertjährigen  Geschichtsperiode  erhebt 
sich  auf  dem  weiten  Plane  der  Verwüstung,  wie  durch  ein  Wunder  allein 
verschont,  Lazars  weithin  sichtbare  Kirche. 

Sinnend  stand  ich  auf  den  Mauern  der  vielbesungenen  „Höfe"  Lazars,  an 
des  frommen  Fürsten   „weisser  Kirche",   an  deren  Stufen   nach   den   Volksliedern 

F.  KANITZ,  Serbien.    II.  ß 


82 


Über  Briis,  Koznik  und  Kruscvac  nach  Stalac. 


ein    Frauenstreit   entbrannte,  wie   jener 
Lande  gleich  verderblich.     In  der  „Laz 

„Morgens  früh  am  lichten  Djurdjevtage 
Schreitet  Frau  Milica  aus  den  Höfen, 
Aus  den  weissen  Höfen  von  Krusevac. 
Ihr  zur  Rechten  geht  ein  stolzes  Rehlein, 
Mara,  ihrer  Heldentöchter  ält're, 
Brankovic,  des  Tapfern.  Neuvermählte; 
Ihr  zur  Linken  geht  ein  sanftes  Täubchen, 
Vukosava,  ihre  jüng're  Tochter, 
Milos'  von  Pocerje  holde  Eh'frau. 
Folgen  will  dem  Qlockenruf  die  Fürstin, 
Der  zur  Kirche  ruft,  zur  Liturgia. 
Da  sie  also  schreitet  aus  den  Höfen, 
Sieht  sie  fernwärts  auf  der  weiten  Eb'ne 


im    „Nibeknigenlied",   ihrem    Hause    und 
arica"   erzählt  der  Sänger; 

Dichte  Wolken  Staubes  sich  erheben, 
Waffen  draus  im  Sonnenscheine  funkeln. 
Wälzt  heran  sich  nach  den  weissen  Höfen; 
Draus  hervor  an  seines  Heeres  Spitze 
Taucht,  derSonne  gleich  aus  Morgenwolken, 
Lazar,  hoch  zu  Ross  und  waffenglänzend. 
Ausgezogen  war  er  mit  drei  Heeren, 
Hatt'  mit  einem  Milos  ausgesendet, 
Hatt'  entsandt  es  nach  Bulgariens  Eb'nen, 
Sisman  dort,  zu  Kralj,  erbet'nem  Beistand; 
Mit  dem  andern  Brankovic,  den  Recken, 
An  den  Ufern  des  Moravastromes 
Sieghaft  die  Veziere  zu  bekämpfen." 


Den  als  Sieger  heimkehrenden  Lazar  drängt  es  mächtig,  nachdem  er  Murats 
„stolze  Heerschar"  bis  ins  ferne  „Karamanien"  getrieben,  für  des  Sieges  Gnade 
den  Dank  dem  Herrn  der  Schlachten  darzubringen;  doch  eintretend  in  der  Kirche 
stille  Räume,  fesselt  ihn  neue  Siegesbotschaft  auf  deren  Stufen.  Zuerst  jene  von 
Strahina,  dem  Ban: 

„ ___  hingezogen  Mit  den  Fürsten  weitentleg'ner  Reiche 

War  er  nach  entfernter  Länder  Gauen,  Serbiens  Bund  in  Freundschaft  zu  erneuen." 

Mit  freudigem  Tone  verkündet  der  Bote,  wie  des  Zaren  Ruhm  bis  „ins 
Gebirg'  und  steinigem  Waldgeklüfte"  der  Herzegowina  und  Albaniens,  „nach 
Dubrovnik  an  des  Meeres  felsigem  Gestade"  und  zum  „greisen  Duzd  des 
prächtigen  Mletci"  (Doge  von  Venedig)  gedrungen.  Sie  alle  wollen  sich  beeilen, 
dem  grossen  Zaren  Hilfe  gegen  die  Ungläubigen  zu  senden. 

„Darum  Heil  dir,  Serbiens  lichter  Krone!          Heil  dir,  dem  an  Ruhme  gleicht  kein  Zweiter!" 
Heil  dir,  unsrer  Feinde  finstrem  Schrecken!      —  —  — — .    - 

Noch  sind  der  Menge  Freudenrufe  nicht  verklungen,  da  erscheint  jung 
Toplica  Milan  als  zweiter  Bote;  er  kommt  Milos  Obilics  Sieg  zu  melden: 


„Zu   den   Siegen"   -     spricht  er  —   „die  Du 

kämpfest. 
Ward,  o  Herr,  ein  neuer  noch  erfochten. 
Ward  erfochten,  wie  vorher  kein  andrer! 
Was  von  Türken  lag  an  Bosniens  Grenzen, 
Ist  entschwunden  von  den  weiten  Ebnen, 
Was   nicht  floh,   das  liegt  als   blut'ge  Ernte, 
Liegt  gesichelt  auf  der  grünen  Walstatt. 
Lang'  vergebens  war  des  Kampfes  Mühen, 
Lalasahin  liess  die  Fahne  schwingen, 
Rote  Fahne,  weit  im  Felde  sichtbar. 
Schon  den  Sieg  den  Seinen   zu  verkünden; 
Sieh',  da  stürzt,  ein  Falke  hoch  aus  Wipfeln, 
Milos  in  die  Eb'ne  mit  den  Seinen! 
Wie  das  Wetter  llijas,  des  Donn'rers, 
Also  rauscht  es.  da  er  fährt  hernieder, 


Und  Entsetzen  fasst  die  Türkenschar; 
Wie  der  Blitz  Marias,  der  entflammten, 
So    durchzuckt    sein    Schwert    die    hellen 

Haufen. 
Und  zu   schau'n   sind  Türkenhäupter,  fliegen 
Gleich  wie  Disteln  auf  der  Held'  im  Sturme! 
Mit  den  Schwingen  schlägt  der  wilde  Falke; 
Und  wie  lichte  Kornspreu  von  der  Tenne, 
Wenn  darein  des  Windes  Flügel  schlagen. 
Stäubt  die  scheue  Heerschar  auseinander! 
Lalasahins  Fahne  sieht  man  wanken, 
Wanken  erst,  und  dann  hernieder  sinken; 
Milos'  Banner  in  des  Abends  Glänze 
Sieg  verkündend  auf  der  Eb'ne  blinken! 
Nach  der  Feldschlacht  in  des  Planes  Mitte 
Lag  des  Türkenhäuptlings  blut'ger  Leichnam, 


über  Briis,  Koznik  und  KruSevac  nach  Stalac. 


S3 


Lag  im  Kreis  von  tausend  Tiirkenleichen, 
Lag  gefällt  von  Milos'  breitem  Handscliwert. 
Den  Du  siehst  zu  Füssen  Dir,  den  Turban, 
Diesen  Gurt,  den  Säbel,  goldbeschlagen, 
Lalaäahin  trug  dies  einst,  der  Vezier! 
Vukosava,  Milos'  junge  ph'frau. 


Vukosava  glänzt  ein  Stern  des  Morgens, 
Da  sie  hört  des  Gatten  edlen  Namen, 
Hort,  wie  rings  ihn  tausend  Zungen  preisen; 
Doch,  o  sieh!    Noch  hat  der  fromme  Sieger 
Noch  des  Kirchenaufgangs  dritte  Stufe 
Nicht  betreten  mit  dorn  Heldenfusse." 


Ein     dritter     Bote    erscheint.      Mit     baniier     Hoffnui 


mochte    Vukosavas 


Schwester  Mara  der  neuen  Kunde   horchen.     Doch   kein  Krieger  ist's,   den   Sieg 


KRUSE  VAC.     Die  Laz^irkirdie 


ihres  Gatten  Brankovic  zu  meiden.  Ein  Minicii  ist's,  abgesandt  von  Theophanes, 
dem  griechischen  Patriarchen,  um  den  Bann  zu  lösen,  der  seit  Dusan  Serbien 
drückte,  weil  er  kühn  es  vom  ökumenischen  Stuhle  losgelöst. 


„Denn    nur    Fluch    war's,    in    des    Heilands 

Bunde 
Länger  solche  Heldenschar  zu  missen; 
Segen  ist  es,  Brüder  sie  zu  nennen! 
Mehr  noch,  Lazar!    Sieh',  von  dieser  Stunde 
Sei  uns  Jevrem,  sei  der  greise  Priester, 
Sei  erkannt  als  Theophanes'  Bruder, 
Sei  gegrüsst  als  Serbenpatriarch!" 


Lazar  aber  spricht:  „Zuviel  des  Glückes 
Sendet  uns  der  Herr  in  seiner  Liebe; 
Eh'  des  Segens  Kleinstes  wir  verdienten, 
Lasst  uns,  Brüder,  in  die  Kirche  treten, 
Dass  vergebens  länger  nicht  zur  Demut 
Uns  der  Glocken  lauter  Ruf  ermahne, 
Kraft  uns  werde,  an  des  Bospors  Wällen 
Aufzupflanzen  siegreich  DuSans  Fahne!" 

0* 


84  Über  Brus,  Koznik  und  Kriisevac  nach  Stalac. 

Wie  die  giftige  Sciiiange  „Neid"  in  Maras  von  Eifersucht  erfüllter  Brust 
auch  Brankovic  den  Gatten  unwiderstehlich  fasste,  wie  ihr  wachsender  Hass  sie 
nur  mehr  auf  das  Verderben  des  gefeierten  siegreichen  Bundesbruders  Milos 
Obilic  und  der  sanften  Schwester  Vukosava  sinnen  lässt,  wie  dieser  Verrat  an 
Freundschaft  und  Geschwisterliebe  zu  dem  an  Vater  und  Vaterland  sich  steigernd, 
deren  Untergang  auf  Kosovo  (1389)  durch  Brankovics  Uebergang  zum  türkischen 
Erbfeind  herbeiführte,  wie  Milos  Obilic  auf  dem  Schlachtfelde  Sultan  Murat  tötete 
und,  sein  Leben  opfernd,  zugleich  seine  von  Brankovic  verdächtigte  Treue 
besiegelte,  welche  Rolle  endlich  Marko  Kraljevic,  der  „Vilensohn",  gespielt  — 
diese  und  andere  Episoden  der  szenenreichen  Tragödie  hat  das  serbische 
Volkslied,  umdüstert  von  dunkler  Sage,  auf  uns  gebracht.  Kapper  in  seinem 
farbenreichen  Epos  „Lazar  der  Serbenzar"  und  Karl  Grober  in  seiner  den 
Volksgesängen  treuer  sich  anschmiegenden  epischen  Dichtung  „Die  Schlacht  am 
Amselfeld"  verewigt.  Wir  kennen  nicht  die  Namen  der  ersten  Sänger  dieses 
herrlichen  Heldenliedes.  Das  Volk  bewahrte  es  und  vergass  über  ihren,  seine 
tiefsten  Regungen  berührenden  Inhalt  die  poesiereichen  Chronisten.  Wie  dem 
Dichter  der  „Nibelungen"  wird  man  den  Sängern  der  „Lazarica"  nachforschen 
und  sich  in  Vermutungen  über  sie  ergehen,  obschon  die  neuere  historische 
Forschung  Vuk  Brankovics  Andenken  gereinigt  hat  (I.  Bd.,  S.   131). 

Ein  Zeitraum  von  über  500  Jahren  liegt  zwischen  der  Erbauung  der  „weissen 
Kirche"  und  der  Gegenwart.  Legen  wir  den  Massstab  der  grossartigen  Bauten 
occidentaler  Fürsten  jenes  Zeitalters  an  den  Dom  des  letzten  unabhängigen 
Serbenherrschers,  so  erscheint  derselbe  wenig  imposant;  trotzdem  muss  einst 
sein  polychromes,  durch  phantastischen  Ornamentschmuck  gehobenes  Äussere 
einen  wirkungsvollen  Eindruck  erzielt  haben.  Heute  bedecken  leider  Mörtel  und 
Tünche  das  wechselweise  in  je  drei  Reihen  roter  Backsteine  und  einem  Streifen 
gelben  Bruchsteins  musterhaft  im  Rohbau  ausgeführte  Mauerwerk.  Die  reizvollen 
Ornamente  an  Tür-  und  Fensterrahmen,  Kapitalen,  Pilastern,  Rosetten,  Rundbogen 
und  Pendentifs,  in  welchen  sich  byzantinischer  Stil  mit  reizvoll  spielender 
orientalischer  Bizarrerie  verbindet,  wurden  oft  übertüncht,  der  „Turm"  und  die 
Kuppel  durch  unpassende  Zubauten  und  Bedachungen  entstellt.  Diesen  in 
meinem  kunsthistorischen  Werke  „Serbiens  byzantinische  Monumente"  1862  aus- 
geführten Details  und  der  dort  gemachten  Bemerkung:  „Des  Turmes  schönes 
Glockengeschoss  erinnerte  mich  an  jenes  der  Athener  Theotokoskirche"  gegenüber 
sprach  der  Belgrader  Professor  Valtrovic  den  Zweifel  aus,  dass  letzteres  dem 
alten  Bau  angehöre.  Die  schon  erwähnte,  den  Bauzustand  der  Kirche  prüfende 
Kommission  fand  aber  —  wie  es  von  objektiven  Sachverständigen  nicht  anders 
zu  erwarten  war  —  das  angefochtene  Glockengeschoss  bis  zu  der  von  mir 
angegebenen  Höhe  aus  Lazars  Zeit  stammend.  Wie  hätte  sonst  auch  Brown  schon 
1669  die  „zwey  hübschen  Thürme"  rühmen  können! 

Die  misslungene  Erneuerung  des  schönen  Denkmals  hätte  mich  weniger 
entrüstet,  würde  ich  die  Umstände  gekannt  haben,  unter  welcher  sie  erfolgte. 
Der  Wiener  diplomatische  Agent  Cukic,  dessen  Vater  den  Krusevacer  Kreis, 
gleich  nachdem   er   serbisch   geworden,  verwaltete,    erzählte  mir,   dass   die  erste 


über  Brus,  Koznik  und  Kruäevac  nach  Stalat'.  85 

Restauration  des  Baues  (1836 — 37)  ein  Tausendkünstler  namens  Vujica  besorgte, 
der  in  der  Stadt  alles  verrichtete,  was  andere  nicht  verstanden.  Er  lieferte  die 
Fensterstöcke,  schnitt  Glastafeln  ein,  kopierte  nach  dem  Muster  der  ruinierten 
alten  Verzierungen  fehlende  Teile  in  Stein  für  die  Kirche,  bestrich  ihre  Eisenteile 
mit  Teer,  weisste  die  Mauern  und  vergoldete  die  Kreuze.  Die  Aufsetzung  des 
plumpen  Turmuhrgeschosses  erfolgte  aber  erst  1858  durch  einen  abendländischen 
Ingenieur,  der  auch  den  südlichen  Narthexeingang,  über  dem  noch  heute  das 
Landeswappen,  der  doppelkopfige  altserbische  Adler,  prangt,  vermauern  Hess. 
Dieselben  Stufen,  auf  welchen  der  „fromme  Lazar",  umhraust  von  des  Volkes 
Jubel,  die  letzten  Siegesbotschaften  erhielt,  führen  in  die  Vorhalle  mit  einst  in 
den  Turm  führender  Treppe.  Dieser  Narthex  ist  gleich  unansehnlich  wie  das 
Hauptschiff.  Der  vielgerühmte  Bau,  dessen  konstruktive  Anlage  sich  gleich  sehr, 
wie  seine  gegenwärtige  dekorative  Ausstattung,  von  byzantinischen  Prinzipien 
entfernt,  mochte  als  Schlosskapelle  gedient  haben.  Des  Zaren  „weisse  Kirche" 
wurde  wegen  ihrer  Festigkeit  von  den  Türken  als  Pulvermagazin  benutzt,  und 
da  gingen  die  alten  Fresken  zugrunde.  Fürst  Alexander  Karadjordjevic  liess 
1843  den  Wandschmuck  erneuern,  aber  durch  Künstler,  deren  Leistungen  eine 
strenge  Kritik  nicht  ertragen. 

Nördlich  vom  heutigen  Krusevac  lag  der  beste  Teil  der  Türkenstadt.  Ausser 
den  Resten  einer  Wasserleitung  sieht  man  dort  eine  zweifellos  türkische  Bade- 
anlage, welche  das  Volk  aber  für  die  Moschee  hält,  in  der  Zar  Lazars  Tochter 
sich  dem  Sultan  Bajazit  vermählte;  eine  dritte  Version  lässt  aber  die  serbische 
Sultanin  Olivera  (Mileva)  die  Moschee  zu  Ehren  ihres  Gemahls  stiften,  weil  er 
auch  ihr  in  seiner  Residenz  eine  Kirche  erbauen  liess.  Unfern  zeigt  man  die  Stelle, 
wo  Vuk  Brankovics  Gebeine  ruhten.  Bis  zu  ihrer  Verjagung  zündeten  die  Türken 
jeden  Freitag  Lichter  am  Grabe  Vuks  an,  um  seine  guten  Dienste  in  der  Schlacht 
auf  Kosovo  (Amselfeld)  zu  ehren.  Karadjordje  liess  aber  Vuks  Gebeine  ausgraben 
und  in  alle  Winde  verstreuen.  So  wäre  durch  die  dem  angeblichen  Verräter 
von  Bajazit  zuteil  gewordene  verächtliche  Behandlung,  durch  den  Fluch,  welchen 
das  Serbenvolk  an  seinen  Namen  heftete,  und  die  schimpfliche  Vernichtung  seiner 
irdischen  Reste  der  irdischen  Gerechtigkeit  an  dem  Hauptschuldigen  der  Tragödie- 
auf Kosovo  (Amselfeld)  im  Leben  und  Tode  genügt  worden.  Soviel  sich  auch 
neuere  serbische  Historiker  bemühten,  aus  gleichzeitigen  Schriftstücken  im 
Ragusaner  Archiv  Brankovics  Charakter  von  dem  ihm  traditionell  aufgehefteten 
Brandmal    des  Vaterlandsverrates  zu   reinigen  '),    dürfte    dies   schwerlich    den   im 


>)  Selbst  ernste  serbische  Historiker,  wie  Novakovic  und  Miäkovid,  gingen  in  der 
Verurteilung  Brankovids  mit  dem  Volke,  während  Ruvarac,  KovaCevic,  Mijatovit!  u.  a.  Ihm 
nicht  mehr  Schuld  an  der  Katastrophe  als  allen  anderen  Grossen  des  Reiches  beimassen. 
Ceda  Mijatovic,  der  treffliche  Biograph  Djuradj  Brankovics,  sucht  ihre  Ursachen  in  der 
Unterschätzung  der  Türken,  im  Zwiespalt  Europas,  in  der  orthodoxen  Kirche,  in  der 
Unzufriedenheit  des  Volkes  mit  dem  es  bedrückenden  Feudalismus  und  in  der  besseren 
administrativen  und  strategischen  türkischen  Führung.  Dem  pflichtet  auch  neuestens 
St.  Stanojevic  bei  in  einem  hochinteressanten  Essay,  der  mit  grosser  Quellenkritik  der 
Aburteilung  Vuk  Brankovics  in  Milan  S.  Ubavkids  „Geschichte  der  Serben"  objektiv  entgegen- 
tritt.   Letopis,  1898.    S.  144ff. 


86  Über  Brus,  Koznik  und  Krusevac  nach  Stalad. 

Volke  festgewurzelten  Glauben  verringern.  Es  wiederholt  sich  auch  hier,  wie 
bei  allen  von  grossem  Unglück  betroffenen  Nationen,  dass  man  die  Schuld  gern 
von  sich  auf  Herrscher,  Staatsmänner  oder  Feldherren  überwälzt. 

Das  tragische  Ende  von  Murat  und  Lazar  erzählt  Nedzri,  der  berühmte 
Dichter  Sultans  Selim  I.,  im  blumenreichen  Stile  des  Orients'):  „Märtyrertod  des 
Khodawendkiar  Ghäzi  Muräd  Khan  —  Gott  der  Erhabene  erbarme  sich  seiner! 
Als  das  Heer  der  Ungläubigen  geschlagen  und  eine  unzählige  Menge  derselben 
über  die  Klinge  gesprungen  war,  diejenigen,  welche  sich  retten  konnten,  sich 
geflüchtet  hatten  und  die  Religionskämpfer  den  Ungläubigen  auf  der  Flucht 
nachgesetzt  waren,  um  sie  zu  erschlagen,  strebte  Muräd  Khan  Ghäzi  danach, 
auf  der  Walstatt  den  Märtyrertod  zu  erleiden.  Als  die  Ungläubigen  nun  besiegt 
waren,  erkannte  er  für  sich  kein  Anzeichen  noch  irgendeine  Spur  des  Märtyrer- 
todes; er  verwunderte  sich  darüber,  und  indem  er  mit  einigen  seiner  vertrauten 
Diener  diese  Eselshügel  Getöteter  besichtigte,  befand  sich  unter  ihnen  ein 
Ungläubiger»namens  Milos  Kobilovic,  ein  beherzter  und  mutiger'Verfluchter.  Dieser 
hatte  in  der  Gesellschaft  Lazars  die  Behauptung  ausgesprochen:  „ich  will  gehen 
und  den  Fürsten  der  Türken  töten!"  Er  hatte  bei  sich  einen  Dolch  verborgen. 
Mit  dieser  Absicht  war  er  auffälligerweise  auf  die  Religionskämpfer  gestossen, 
und  man  hatte  ihn  verwundet;  mit  Blut  bedeckt,  versteckte  er  sich  unter  die 
Getöteten.  Als  Muräd  Khan  Ghäzi  zu  diesem  Ungläubigen  kam,  stand  dieser 
auf,  halb  fallend,  halb  sich  erhebend,  und  ging  auf  den  Khonkiär  los.  Die  Causi 
wollten  ihn  abwehren;  aber  Muräd  Ghäzi  Hess  ihn  seinem  Wunsche  gemäss  heran, 
indem  er  sprach:  „Er  scheint  eine  Absicht  zu  haben,  lasst  ihn  herankommen!" 
[euer  Verfluchte  hielt  in  seinem  Ärmel  seinen  Dolch  verborgen;  er  kam  heran, 
und  indem  er  sich  stellte,  als  wollte  er  den  Steigbügel  des  Khonkiär  küssen, 
stach  er  auf  den  Khonkiär  los.  „Wenn  herankommt  das  Geschick,  erblindet  der 
Blick."  Sein  Ende  war  vorher  bestimmt  und  jetzt  eingetreten;  sogleich  flog  der 
Huma  seiner  Seele  in  das  Reich  der  Vorstellungen  und  in  das  höchste  Paradies; 
er  war  ein  vollendeter  Religionsheld  gewesen,  jetzt  wurde  er  ein  wahrer  Märtyrer. 
Jenen  Ungläubigen  zerhieb  man  an  dieser  Stelle;  schnell  holte  man  ein  Zelt  herbei, 
um  den  Sultan  darunter  zu  bringen,  seinen  Sohn  Bäjazit  brachte  man  zur  Fahne 
des  Glaubens,  den  Prinzen  Jakub  Celebi  führte  man  unter  dem  Vorwande:  „Komm, 
Dein  Vater  verlangt  Dich!"  in  das  Zelt  und  erwürgte  ihn  da.  Zufälligerweise 
war  der  Fürst  Lazar  mit  seinem  Sohne  gefangen  genommen  worden;  man  schleppte 
sie  herbei  und  tötete  beide,  in  jener  Nacht  gab  es  unter  dem  islamischen 
Heere  grosse  Verwirrung  und  Aufregung,  am  anderen  Morgen  setzten  sie  den 
Sultan  Bäjazit  auf  den  Thron.  —  Das  Datum  aller  dieser  Ereignisse  ist  das  Jahr 
791   der  Hidschra  (1389)." 

Auf  dem  Schlachtfelde  von  Kosovo  errichteten  die  Türken  dem  Andenken 
„Muräd  Khan  Ghäzis"  ein  einfaches  Mausoleum,  das  ein  Schech  hütet;  sein 
Leichnam  wurde  jedoch  in  der  von  ihm  erbauten  Moschee  zu  Brussa  beigesetzt. 
Zar  Lazars  Gebeine  ruhen  in  Vrdnik,    einem  in  Syrmiens  berühmten  Weinbergen 


')  Walter  F.  A.  Behrnauer,  Quellen  z.  serb.  Gesch.  aus  tiirk.  Urkunden. 


über  Brus,  Koznik  und  KriiSevnc  nach  Stalac.  87 

liegenden    Kloster,   wo    ich    sie    im    schmucklosen    Sarge,    als    vom    Serbenvoik 
hochverehrte  Reliquie,  im   Herbste   1863  sah. 

Nach  der  Ungliickssclilacht  auf  dem  Kosovofelde  blieb  Kruäevac  nur  kurz 
mehr  die  Residenz  der  serbischen  Fürsten.  Die  Parteinahme  seines  Sohnes  und 
Nachfolgers  Stefan  im  Thronstreite  von  Bäjazits  Söhnen  Mohammed  und  AAusa  für 
den  ersteren,  veranlasste  Musa,  sein  Land  mit  Krieg  zu  überziehen.  Der  erwähnte 
Chronist  (S.  80)  berichtet  kurz:  „Im  Jahre  1413  schlug  Zar  Mojsia  den  Despoten 
Stefan  bei  Vrbnica  und  zerstörte  Krusevac,  Petrus,  Stalad,  Koprijan  und  andere 
Festen."  ')  Nach  dem  Tode  seiner  Mutter  Milica,  deren  Höfe  bei  dem  nördlich 
von  Krusevac  liegenden  Bacina  sich  befanden,  schlug  Stefan  seine  Residenz  in 
dem  noch  nördlicheren  Borac  auf  (1.  Bd.,  S.  593),  doch  wird  noch  1224  die  dort 
von  den  Ragusanern  begründete  kleine  Handelsfaktorei  erwähnt.  Dauernd  wurde 
das  von  Vuk  Bobalic  gegen  den  rumelischen  Beglerbeg  Sinan  Pasa  verteidigte 
Kruäevac  erst  unter  Sultan  Murad  11.  türkisch  (1427).  „Seine  Bewohner  flohen 
—  wie  Kostadin  berichtet  —  nach  allen  Seiten."  Auf  dem  Marsche  nach  Sofia 
nahm  Hunyady  während  seines  siegreichen  Feldzugs  gegen  den  Sultan  1443 
Krusevac,  das  nach  abgeschlossenem  Frieden  dem  mit  Ungarn  verbündeten 
serbischen  Despoten  Djnrdje  Brankovic  mit  dem  grössten  Teile  des  heutigen 
südlichen  Serbien  überlassen  wurde.  Aber  noch  im  selben  Jahre  entschied  der 
nochmals  aufgenommene  Krieg  durch  die  Schlacht  bei  Varna  gegen  die  Christenheit. 

Zehn  Jahre  später  war  Serbien  eine  türkische  Provinz,  und  zu  Krusevac 
errichtete  Sultan  Mohammed  eine  neue  Stückgiesserei  für  die  von  Italienern, 
Deutschen  u.  a.  bedienten  Riesenrohre,  aus  welchen  er  im  Juni  1456  das  ein- 
geschlossene Belgrad  beschiessen  liess.  Weiter  wurde  die  einstige  Serbenresidenz 
dadurch  gefördert,  dass  die  Hauptroute  nach  Sofia  im  15.  Jahrhundert  sie  berührte. 
1433  fand  der  wiederholt  erwähnte  Broquiere  die  Krusevacer  Zitadelle  gänzlich 
zerstört  und  den  doppelten  Mauergürtel  der  Stadt  stark  verfallen.  1437  ver- 
wüsteten die  von  der  Donau  vordringenden  Ungarn  die  ganze  Umgebung,  1443 
verweilte  kurz  dort  Johann  (Janos)  Hunyady  (Sibinjanin  Janko),  1456  sein  grosser 
Gegner  Mohammed,  1529  Sultan  Sulejmann  und  1669  Edward  Brown,  der  es  einen 
„anmercklichen  Platz"  nennt,  „allwo  eine  schöne  Kirche  ist  mit  zwey  hübschen 
Thürmen".  Nach  ihm  hiess  es  türkisch  „Haladza"  —  nach  Chalfa  wohl  richtiger 
„Aladzahisar".  Obschon  die  moslimische  Bevölkerung  mit  Hilfe  serbischer 
Freischaren  allmählich  die  christliche  verdrängte,  ward  Krusevac  1686  und  1737 
durch  Oesterreich  den  Türken  kurz  entrissen  und  die  ihnen  als  Pferdestall  dienende 
Zarenkirche  dem  Gottesdienste  wiedergegeben.  Vom  Sistover  Frieden  1791  bis 
zum  Ausbruch  des  Freiheitskampfes  litten  die  Kruäevacer  Christen  viel  von  den 
dort  hausenden  Dahien.  Viel  schlimmer  ging  es  der  Stadt  aber  im  September  1810, 
wo  in  seiner  Nähe  die  Waffen  das  fernere  Schicksal  Serbiens  entscheiden  sollten. 

Ich  benutze  hier  jüngst  publizierte  russische  Dokumente-)  über  diese 
Vorgänge,  welche  die  bisher  bekannt  gewordenen  wesentlich  ergänzen.  Ende  August 


')  Daniele,  RjeCnik,  III,  159 

'-')  Documenta  privitore  la  Istnria  romanilor  1709—1812     S   308.    Bukiiresci  1887. 


88  Über  Briis,  Koznik  und  Kruäevac  nach  Stalac 

erhielt  der  Prahovo  belagernde  Graf  Zukato,  der  mit  einem  Teile  der  russischen 
Truppen  von  der  Walachei  aus  eine  Diversion  nach  dem  Norden  Vidins 
unternahm  und  in  der  Krajina  gemeinsam  mit  den  Serben  gegen  die  Türken 
operierte,  von  Karadjordje  verzweifelnde  Berichte,  welche  dringend  Hilfe  forderten. 
Mit  starker  Macht  war  von  Nis  her  Mehemed  Rusid  Pasa  herangezogen,  und  ein  nicht 
minder  zahlreiches  Korps  bedrohte  die  geringen  serbischen  Streitkräfte  an  der  Drina. 
Zukato,  obschon  nur  über  unbedeutende  Streitkräfte  gebietend,  übertrug  diesen 
schwierigen  Auftrag  dem  Grafen  Orurk.  Dieser  energische  General  vollführte 
innerhalb  weniger  Tage  mit  seinem  Detachement  von  2  Bataill.  Ladoga,  5  Eskadr. 
Ulanen,  1  Reg.  Kosaken  und  einigen  Hundert  berittenen  Serben  wahre  Wunder  von 
Gewaltmärschen  und  glücklichen  Taten.  Am  29.  Aug.  von  Prahovo  abrückend, 
erreichte  er,  ohne  sich  um  das  in  seiner  Flanke  stehende  Korps  von  Vidin  zu 
kümmern  und  trotz  der  elenden  Wege  über  Bregovo  und  Vrska  Cuka  in  drei 
Tagen  40  km  zurücklegend,  GurgusovaC)  Er  beschoss  ohne  Zaudern  dieses  Schloss, 
um  Ismail  Bej  zum  Rückzug  zu  zwingen.  Hier  empfing  Orurk  von  Karadjordje 
eine  Depesche,  welche  das  Vordringen  der  Türken  über  Krusevac  nach  Belgrad 
meldete  und  die  Erklärung  enthielt,  dass  er,  ohne  Hilfe  gelassen,  bis  zur  Save 
zurückweichen  musste.  Orurk  begriff  die  Gefahr  und  rückte  am  3.  Sept.  auf  Banja, 
dessen  Schloss  er  mit  Sturm  nahm,  worauf  er,  ohne  seine  Truppe  ausruhen  zu 
lassen,  den  Marsch  auf  Deligrad  fortsetzte.  Dort  begrüsste  ihn  Karadjordje  als 
Serbiens  Retter;  denn  von  der  Schanze  zu  Varvarin  an  der  Morava  eingelaufene 
Nachrichten  versicherten,  dass  man  dieses  Bollwerk  nicht  länger  halten  könnte! 
Russen  und  Serben  zogen  am  5.  gemeinsam  über  Krusevac  dahin,  wo  sie 
15000  Türken  unter  Mehemed  Ruäid  Pasa  und  Ismail  Bej  in  befestigter  Stellung 
trafen.  Orurk  bestimmte  Karadjordje,  unverweilt  mit  seinen  Serben  und  5  Kanonen 
anzugreifen.  Nach  mehrstündigem  Kampfe  wichen  die  Türken  bei  Jasika  zurück. 
Die  dortige  Schanze  gewährte  den  zusammen  4000  Mann  zählenden  Serben  und 
Russen  einen  trefflichen  Stützpunkt,  musste  jedoch  wegen  der  vielen  dort  faulenden 
Kadaver  verlassen  werden.  Am  18.  Sept.  ging  Rusid  Pasa  mit  12000  Mann  von 
Krusevac  gegen  Varvarin  vor,  um  eine  von  Orurk  rasch  hergestellte,  durch  acht 
Geschütze  verteidigte  Schanze  zu  nehmen,  welche  ihn  am  Vormarsch  auf  der 
Belgrader  Strasse  gegen  Jagodina  hinderte.  Orurk  liess  die  Serben  und  Russen 
je  zwei  Karrees  formieren,  stellte  die  Kavallerie  in  deren  Mitte  und  erwartete  so 
den  Feind,  welcher  um  7  Uhr  morgens  zum  Angriff  schritt.  Die  Türken  kämpften 
mit  grosser  Zähigkeit  bis  6  Uhr  abends.  Die  Karrees  widerstanden  aber  glänzend, 
und  das  wohlgezielte  Kanonenfeuer  schoss  solche  Breschen  in  die  türkischen  Massen, 
dass  diese  mit  einem  Verlust  von  1000  Mann  sich  zurückzogen.  500  Mann,  welche 
der  zur  Sammlung  neuer  Streitkräfte  von  Jasika  ausgezogene  Karadjordje  mit 
frischer  Munition  sandte,  waren  rechtzeitig  vor  dem  am  22.  Sept.  erneuerten 
türkischen  Angriff  eingetroffen.  Mit  Tollkühnheit  übersetzten  die  Türken  die 
westliche  Morava;  doch  trotz  ihrer  den  Fluss  durchschwimmenden  Kavallerie 
vermochten  sie  nicht,  die  hier  aufgeworfene  kleinere  zweite  Schanze-)  zu  nehmen. 

')  Nun  Knja^evac. 

-)  Jovan  Miskoviii  gibt   eine  Darstellung  der  festen  Stellung  im  Giasnik,  48.  Bd.,  1880. 


über  Brus.  Koznik  und  KruSevac  nach  Stalac.  SH 

Graf  Orurk  hatte  die  Serben  während  der  ganzen  Zeit  an  diszipliniertere  Gefechts- 
weise in  formierten  Linien  und  Karrees  geübt  und  sie  leisteten  gleich  unerschütterten 
Widerstand,  wie  ihre  russischen  Lehrmeister.  Am  27.  Sept.  gaben  die  Türken 
nach  riesigen  Verhisten  ilir  Unternehmen  auf,  räumten  Krusevac  und  sein  Gebiet 
bis  zum   Kopaonik  und  zogen  sich  auf  Nis  und  Nnvi  Pazar  zurück. 

An  dieser  Befreiung  des  Landes  hatten  neben  Karadjordje  der  bei  Varvarin 
verwundete  Veljko,  Milan,  MIaden  und  Stanoje  teilgenommen;  das  grösste  Ver- 
dienst gebührt  aber  dem  Grafen  Orurk,  dessen  tapfere  Schar  den  festen  Kern  der 
glänzenden  Verteidigung  von  Varvarin  gebildet  hatte.  Im  für  Serbien  verhängnisvoll 
gewordenen  Jahre  1813  setzten  sich  die  Türken  auch  in  Krusevac  wieder  fest 
und  blieben  dort  nach  den  siegreichen  Kämpfen  an  der  Morava,  durch  die 
Milos  Obrenovic  Serbien  erneut  befreite.  Erst  1832  füiirte  einer  ihrer  vielen 
Gewaltakte  durch  Milo.s'  geschickte  Benutzung  desselben  zur  Durchführung  der 
schon  im  Bukarester  Frieden  (1812)  festgesetzten  Grenzregulierung  und  Auslieferung 
von  Krusevac  an  das  junge  Fürstentum. 

Dieser  Zwischenfall,  dem  Serbien  die  Gebiete  von  Krusevac,  Paracin,  Razanj 
und  Aleksinac  dankt,  wird  so  erzählt:  Die  1832  im  alten  Kruäevacer  Kreisamt 
hausenden  Begs  Selim,  Smaka  und  Zeka  Trencevic  raubten  aus  dem  nahen  Dorfe 
Maskare  zwei  junge  serbische  Mädchen,  zwangen  sie,  den  Islam  anzunehmen 
und  führten  sie  als  Frauen  in  ihren  Harem.  Ihre  Angehörigen  riefen  das  Volk 
zu  Hilfe,  und  dieses,  der  vielen  Kränkungen  satt,  erhob  sich  ringsum.  Fürst 
Miloä  entsandte  zwei  Kommissare,  um  die  Aufständischen  scheinbar  zu  beruhigen, 
im  geheimen  sie  aber  aufzufordern,  nicht  nachzugeben,  bis  die  Türken  gänzlich 
verjagt  und  serbische  Behörden  eingesetzt  wären.  Gleichzeitig  unterhandelte  Milos 
geschickt  mit  dem  Pascha  von  Belgrad,  schickte  den  Cehaja  Avram  Petronijevic  zum 
Valija  von  Rumelien,  berichtete  nach  Konstantinopel  und  bat  in  Petersburg  um 
diplomatische  Unterstützung.  Indessen  wurden  die  Moslims  aus  allen  Orten 
hinausgedrängt.  Die  definitive  Regelung  der  Grenze  wäre  aber  trotzdem  noch 
lange  fraglich  geblieben,  hätten  die  mit  den  Brüdern  Trencevic  vor  den  Belgrader 
Pascha  beschiedenen  beiden  Serbinnen,  welche  sich  an  das  Wohlleben  im  Harem 
bereits  gewöhnt,  ausgesagt,  dass  sie  freiwillig  den  Begs  folgten.  Da  dies  tat-, 
sächlich  zu  befürchten  war,  Hess  Milos  sie  wissen,  dass  sie  als  Verräterinnen  am 
Volke  an  keinem  Orte  ihres  Lebens  sicher  bleiben  würden.  Diese  F^rohung 
wirkte,  und  die  Frauen  forderten  von  dem  türkischen  Kommissar,  dass  man  sie 
ihren  Eltern  übergebe.  Das  Urteil  lautete  in  diesem  Sinne,  und  es  durften  die 
Entführten  auch  alle  von  den  Trencevic  empfangenen  Geschenke  behalten.  So 
wendete  Milos'  diplomatische  Schlauheit  den  ihm  erwünschten  Vorfall  zum  Wohle 
seines  Landes  und  insbesondere  von  Krusevac. 

Das  altserbische  Kruzevac  soll  drei  Stunden  im  Umfang  besessen  haben  (?); 
das  türkische  erscheint  noch  auf  der  österreichischen  Okkupationskartc  als  stark 
befestigte  „Palanka  Kruschowaz".  Sie  breitete  sich  nördlich  vom  Schlossplateau 
in  der  vom  Ciganski  Potok  durchschnittenen  Ebene  nahe  der  Wasserleitung  aus. 
Die  1905  in  1250  Häusern  7200  Seelen  (23  Deutsche,  8  Böhmen,  7  Italiener, 
6  Ungarn,   224  Zigeuner,   darunter  35  Katholiken,  7  Protestanten  usw.)   zählende 


90 


Über  Rrus,  Koznik  iiiul  Kriisevnc  nach  Stalac. 


Neustadt  wurde  1836  von  dem  Wojwoden  Cukic,  Vater  des  Ministers  Kosta  Cukic, 
an  gesünderer  Stelle  angelegt.  1860  traf  ich  das  ganz  an  türkische  Seraiis 
erinnernde  Kreisanit  untern  der  Lazarkirche  neben  der  kleinen  Schule,  die  längst 
durch  ein  entsprechenderes  Gebäude  ersetzt  worden  wäre,  hätte  nicht  die 
leidige  serbische  Prozesssucht  einen  Kompetenzstreit  zwischen  dem  Prota  und  der 
Kommune  hervorgerufen,  der  endlos  fortwucherte.  Um  so  angenehmer  wurde  ich 
überrascht,  als  ich  1888  das  grosse  einstöckige  Gymnasium  mit  15  Fenstern 
Frontbreite  vollendet  fand,  in  dem  20  Professoren  360  Schüler  unterrichten.  Es 
steht  südwestlich  von  der  jetzt  umfriedeten  Kirche  und  gibt  dem  historisch 
interessanten  Platze,  auf  dem  sich  ausser  einem  Lazarschen  Schlossturm  nur  das 
Häuschen  für  den  Klisar  (Küster)  befindet,  das  Aussehen  eines  Forums. 


KRUSEVAC.     Lazarturm,  Kirche  und  CJvmnasiuin. 


Die  3  Volksschulen  mit  22  Lehrern  wurden 
gleich  dem  Kreisamte  hinab  in  die  Stadt  verlegt 
und  damit  ein  allseits  gehegter  Wunsch  erfüllt. 
Nahe  dem  letzteren  befinden  sich  grosse  Montur- 
und  Waffenmagazine,  denn  Krusevac  bildet  das 
Stabsquartier  der  gleichnamigen  Brigade,  mit  Gebirgsartillerie  und  einer  Eskadron, 
zusammen  20  Offiziere,  26  Unteroffiziere  und  145  Soldaten,  für  welche  im 
östlichen  Stadtteil  eine  neue  einstöckige  Kaserne  erbaut  wurde.  In  der 
langgedehnten  Carsija  und  auf  ihren  drei  Plätzen  sieht  man  mehrere  hübsche 
Wohnhäuser  und  Magazine;  an  ihrem  Nordende  fiel  mir  neben  dem  türkischen 
Kuppelbad  eine  Danipfmühle  auf,  in  ihrer  Mitte  liegt  der  freundliche  Gasthof 
„Zur  serbischen  Residenz",  etwas  weiter  ein  Cafe  ä  la  franka,  in  einer  Querstrasse 
das  „Hotel  l'Europe".  Das  Post-  und  Telegraphenamt  steht  in  einem  vom  städtischen 
Zentrum  fernen  Gässchen,  was  um  so  unangenehmer  empfunden  wird,  als  Handel 
und  Gewerbe  sich,  begünstigt  durch  den  gegenseitigen  Hilfs-  und  Sparverein, 
der  1905  über  21  Millionen  d  zu  nur  (für  Serbien)  10  Prozent  in  Umlauf  setzte, 
bedeutend  heben. 

Der  Kaufmannsstand  zählt  230  Vertreter,  darunter  2  Bankiersund  14  Spediteure; 
mit  Feld-   und   Gartenbau   beschäftigen   sich   nur   mehr  56;   mit   Schneiderei   132, 


über  Brus,  Koznik  und  Kriisevac  nach  Stalat'. 


91 


Schuhwerk  120  Personen  usw.  Ärzte  gibt  es  5,  Apotheker  4,  Advokaten  6, 
Buchdrucker  4,  und  jüngst  etablierte  sich  dort  ein  Photot;rapii,  der  gleich  Gutes 
leistet  wie  Franz  Winter,  ein  böhmischer  Tischler,  dessen  Möbel  als  die  besten 
im  Innern  des  Landes  erzeugten  gelten.  Er  zimmerte  auch  den  vielbesprochenen, 
weil  mit  den  Wappen  aller  von  Serben  bewohnten  Nachbarländer  verzierten 
Triumphbogen,  bei  dem  der  junge  König  die  Huldigung  der  Stadtbehörden 
anlässlich  des  500.  „Vidov-dan "-Jahrestages  entgegennahm  und  den  Grundstein 
zum  Denkmal  für  die  am  15.  Juni  1389  gefallenen  Helden  legte.  Das  bereits 
im  Zentrum  der  1200  m  langen  Carsija  sich  erhebende  Postament  wird  mit  der 
schönen   Bronzegruppe,  welche   der   Bildner  Jovanovic   (I.   Bd.,   S.   166)  zu  Paris 


PipaiHIVJipiHMH^ppp 
KRUSeVAC,    (jiockengeschoss  der  Laz.irkirchc. 


ausführt,  ihren  künstlerischen  Schmuck  bilden,  und  die  von  Zivanovic  entworfene 
fünfkuppelige  Votivkirche  soll  das  Südende  der  Strasse  würdig  abschliessen. 

„Einfach  und  schmucklos  —  erzählt  ein  deutscher  Berichterstatter  —  ohne 
den  im  Westen  Europas  hergebrachten  Glanz  und  die  allgemein  herrschenden 
höfischen  Formen,  erschien  die  Feier,  eine  Fortsetzung  der  patriarchalischen 
Ordnung  der  Dinge,  eine  Anknüpfung  an  die  Tage  der  Erhebung  gegen  die 
Türken  im  serbischen  Waldland.  Man  fühlte  sich  unwillkürlich  an  kleine  slavische 
Höfe  des  Mittelalters  versetzt.  Die  überwiegende  Masse  der  Bauern  in  der 
nationalen  Tracht,  die  zahlreiche  Geistlichkeit,  lauter  Charakterköpfe  mit  lang 
herabwallendem  Haar  und  Bart,  manche  wirklich  imponierende  Erscheinungen; 
hier  haben  Bauern  und  Geistliche  auch  in  der  Vergangenheit  gewiss  nicht  viel 
anders  ausgesehen,  und  wir  wissen  aus  der  Geschichte,  dass  beide  damals 
dieselbe   Rolle   gespielt   haben   wie   heute.     Nur  wo   einst  der  hohe  und  niedere 


92  Ober  Brus,  Koznik  und  Kruäevac  nach  Stalac. 

Adel,  den  Grossbesitz  vertretend,  um  den  Thron  stand,  erschienen  hier  Offiziere, 
Minister  und  andere  Beamte  in  Uniform  und  Fracl<,  mit  zahlreichen  Orden 
geschmückt.  Unter  der  Geistlichkeit  fielen  der  Metropolit  und  der  Bischof  von 
Nis  auf.  Sie  prangten  bei  den  verschiedenen  Feierlichkeiten  im  reichen  Ornat 
im  Glänze  der  byzantinischen  Kaiserkrone,  die  auf  sämtliche  Bischöfe  der  östlichen 
Kirche  übergegangen  ist.  An  der  Spitze  der  Beamten  und  Offiziere  gewahrte 
man  die  beiden  Regenten,  die  Generäle  Belimarkovic  und  Protic;  Ristic  war 
daheim  geblieben.  In  der  Mitte  dieses  bunten  Rahmens  von  Männern,  die 
vom  politischen  Wechsel  zu  sagen  wussten  und  selbst  den  Umschwung  der 
Dinge  nach  oben  und  unten  erfahren  hatten,  erschien  der  junge  König  Alexander." 

Die  Strasse  nach  Kraljevo  und  Zica  führt  über  die  westliche  fruchtbare, 
doch  wenig  bebaute  Diluvialhöhe  von  Lazarica,  auf  welcher  ich  das  in  Viquesnels 
„Voyage  dans  la  Turquie  de  l'Europe"  veröffentlichte  Gebirgspanorama  zeichnete. 
Die  südwestlichen  hohen  Berge  waren  mir  liebe  Bekannte,  an  deren  Fuss  ich 
gestanden,  deren  Täler  ich  durchzogen,  deren  Spitzen  ich  erklommen  hatte.  Sie 
bildeten  eine  weitgestreckte  Linie,  beginnend  mit  dem  2140  m  hohen  Kopaonik; 
ihm  schlössen  sich  an:  die  2080  m  hohe  Gobelja,  der  Ceker  (1589  m),  der 
Zeljin  (1836  m),  der  Goc  (1147  m),  weiter  westlich  die  Kobasica,  Stolovi  und  der 
Troglav,  die  das  Ibar-Defilee  S.  bei  Kraljevo  markieren.  Auf  dem  linken 
Moravaufer  entwickelten  sich  die  zahllosen  gewellten  Bergkuppen,  welche  das 
nordwestliche  Serbien  erfüllen;  nur  den  Kotlenik,  Crni  Vrh,  Kremenica  und  Juhor 
vermochte  ich  zu  unterscheiden.  Mein  Begleiter  deutete  über  das  nahe  Trstenik  auf 
einen  lichten  Streif  und  meinte,  dort  läge  Kraljevo.  An  sehr  reinen  Tagen  will  man 
sogar  seine  Kirche  mit  dem  Fernglas  erkennen,  was  ich  bezweifle,  weil  die 
Entfernung  in  der  Luftlinie  52  km  beträgt.  Es  dürfte  gleich  wahr  sein,  wie  jene 
Sage  von  dem  eisernen  Riesentor  im  Goc-Engpasse,  welches  die  durch  diesen 
nach  Novi  Pazar  führende  Strasse  in  der  Türkenzeit  sperrte  und  dessen  Öffnen 
und  Schliessen  solches  Geräusch  verursachte,  dass  die  Kaufleute  selbst  im  35  km 
fernen  Krusevac  Beginn  und  Ende  ihrer  Geschäftszeit  danach  regelten. 

Die  weitere  streng  West  einhaltende  treffliche  Strasse  erreicht,  unmerkbar 
ansteigend,  hinter  G.  Ribnik  mit  von  Fürst  Milan  Obrenovic  11.  gestifteter 
Kirche  ihren  höchsten  Punkt  (193  m)  und  auf  diesem  Niveau  fortlaufend  das 
von  Krusevac  27  km  ferne  Trstenik.  Diese  1905  1500  Seelen  zählende,  zweit- 
grösste  Stadt  des  Kreises  erscheint  schon  in  einer  Stiftungsurkunde  des  Knezen 
Lazar  unter  den  Orten,  welche  er  dem  Kloster  Ravanica  zuwies.  Die  etwas 
westlichere  ältere  Ansiedelung  in  der  Talenge  zwischen  dem  Goc  und  der  Tatarna, 
aus  deren  Umgebung  eine  1874  in  das  Belgrader  Museum  gelangte  römische 
Bronze-Gesichtsmaske  stammt,  wurde  auf  Milos'  Befehl  1832  verlassen.  Das  an 
der  heutigen  Stelle  entstandene  Städtchen  besitzt  ein  Bezirkshaus,  eine  gute  Schule, 
ein  Post-  und  Telegraphenamt,  einen  nahezu  7  Millionen  d  jährlich  in  Umlauf 
bringenden  Hilfs-  und  Sparverein,  eine  wohlassortierte  Carsija.  Die  hier  gearbeiteten 
Teppiche  sind  durch  ihr  dichtes  und  weiches  Gewebe  sehr  geschätzt.  Der 
lebhafte  Handelsverkehr  litt  lange  durch  die  1887  erfolgte  Zerstörung  seiner  es 
mit  dem  linken  Moravaufer  verbindenden  Brücke  (1.  Bd.,  S.  172),  die  seither  durch 


über  Briis,  Knznik  und  Kriisevac  nach  Stniac.  93 

die  Jasikaer  Pontonbrücke  ersetzt  wurde.  Auch  an  die  Steile  des  abgetragenen 
alten  Kirchleins  soll  ein  von  2ivanovic  entworfener  Kuppelbau  treten. 

im  Sommer  ziehen  viele  Fremde  durch  Trstenik  nach  dem  im  westlichen 
Mala  Reka-Tale  liegenden  Bade  Vrnjci,  das  die  wiederholten  Besuche  der 
Königin  Natalie  in  Flor  brachte  und  die  Regierung  durch  die  Anwesenheit  des 
Kreisarztes  während  der  Saison,  sowie  1897  durch  die  Anlage  von  Promenaden 
und  zierlicher  Eisenbrücken  über  den  regulierten,  viele  Mühlen  treibenden  Wildbach 
erheblich  förderte.  Die  Wirkung  der  am  südlichen  Goc,  in  kristallinischen,  von 
Quarzit  und  Schotter  überlagerten  Schichten  entspringenden,  alkalisch-säuerlichen 
Quellen  wird  jener  von  Ems  gleichgestellt.  Die  warme  mit  27  "  C.  neben  dem 
hübschen  Kursalon  wird  zum  Baden,  die  kalte  auf  dem  linken  Ufer  zum  Trinken 
benutzt.  Einer  der  vielen  Ausflüge  in  Vrnjcis  romantische  Umgebung  führt  zu 
seinem  Marmorlager,  das  nicht  minder  gerühmt  wird  wie  die  trefflichen 
Mühlsteinbrüche  beim  östlichen  Popina,  Dublje  und  jenseitigen  Orlovacberg, 
welche  von  dem  Neusatzer  Unternehmer  Spitzer  ausgebeutet  werden. 

Nordöstlich  von  Kruäevac  erhebt  sich  ein  in  der  491  m  hohen  Despina 
Poljana  kulminierendes  diluviales  Hochplateau,  von  dessen  nördlichstem  Sporne, 
21  m  über  dem  Vereinigungspunkt  der  West-  und  Süd-Morava,  Stalacs  viel- 
besungener „Todorturm"  hcrabblickt.  Geographische  Erhebungen  und  der 
Wunsch,  dieses  Denkmal  altserbischen  Heroismus'  zu  sehen,  führte  mich  schon 
1860  zum  erstenmal  dahin. 

Am  prächtigen  7.  Julimorgen  durchritt  ich  mit  dem  Kreisingenieur  Matijasic 
an  der  Belgrader  Strasse  die  nun  überbrückte  tiefe  Rasinafurt,  sodann  ging  es 
die  sanften  Höhen  hinan,  durch  Makresanis  Obst-  und  Weinkulturen,  hinter 
welchen  sich  kleine  Eichenstände  bald  in  den  höheren  Lagen  zu  prächtigem  Wald 
verdichten.  Ernst  stimmende  Feiertagsruhe  lagerte  auf  ihren  mächtigen  Kronen 
und  allerorts  auf  der  SO.  sich  streckenden  Mojsinje  planina,  die  Mojsilo,  ein 
Wojwode,  der  sich  gegen  den  Zaren  Dusan  schwer  vergangen,  zum  Loskauf  des 
ihm  geschenkten  Lebens  in  einen  Heiligenhain  verwandeln  musste.  70  Kirchen 
baute  er  in  den  wasserreichen  Gebirgsschluchten  auf  beiden  Moravaufern,  und 
die  Ruinen  vieler  „crkviste",  um  deren  Erforschung  sich  der  Lehrer  Mihail 
St.  Riznic  verdient  gemacht,  kräftigen  bei  den  Gläubigen  diese  im  Volke 
fortlebende  Sage. 

Bei  dem  uralten  Dorfe  Mojsinje,  bei  Braljina  zwischen  hohen  Ulmen, 
bei  Kaonik  u.  a.  0.  sieht  man  zerstörte  Kapellen,  über  deren  einstige  Patrone 
sich  jede  Tradition  verloren  hat;  es  gibt  aber  auch  besser  erhaltene,  welchen 
noch  heute  eine  grosse  Heilkraft  nachgerühmt  wird.  Im  Grundriss  interessant  ist 
das  noch  vor  40  Jahren  mit  achtseitiger  Kuppel  aufrecht  gestandene  Kirchlein  bei 
Stevanac,  dessen  marmorne  Tür-  und  Fensterstöcke  schon  früher  dem  Volkswahn 
zum  Opfer  fielen,  dass  in  Wasser  gelöster  pulverisierter  Marmor  gegen  innere 
Krankheiten  sicher  helfe.  Am  Sabortage  des  hl.  Jovan  Javorek  zieht  das  Volk 
von  allen  Seiten  dahin,  und  gleiche  Verehrung  geniesst  das  im  östlichen  nahen 
jakovac  Potok  liegende  gleichnamige  Kirchlein,  das  als  technisch  vollendetste 
des  Mojsinjegebirges  gilt.    Seine  Kuppel  stürzte  vor  etwa  15  Jahren  ein;  steinerne 


94 


!ber  Briis,  Ko/nil<  inid  Knisevac  nach  Stalac. 


Weihwasserbehälter  und  Bikierständer  sprechen  für  seine  reichere  Ausstattung. 
Schatzgräber  fanden  hier  ausser  Gefässen  einige  Goldstücke  von  Dusan  und 
Lazar;  den  Sabor  feiert  man  am  „Tomin-dan".  im  1  km  östlicheren  Paraliel- 
graben  liegt  das  gleichfalls  zerstörte  Sv.  Damnjan,  unfern  Sv.  Marija  und 
nördlicher,  gegenüber  dem  Tunnelende,  die  Kapelle  Sv.  Nedelja,  dessen  kaum 
3  m  langer  Hauptraum  nur  durch  das  schmale  Fenster  der  ihn  abschliessenden 
Altarapside  wenig  Licht  erhält  und  vom  Narthex  an  Grösse  übertroffen  wird. 

Vom  Kamme  des  Mojsinje-Gebirges  ging  es  sanft  abwärts,  und  als  wir  den 
Wald  von  Pozarac  (442  m)  verliessen,  lag  das  nördliche  Moravagebiet  bis  zur 
Sava  vor  unseren  überraschten  Blicken.  Den  Mittelgrund  der  prächtigen  Landschaft 
füllte  der  fruchtbare  altserbische  Gau  „Lugomir",  durchströmt  von  dem  ihn  reich- 
bewässernden gleichnamigen  Flüsschen  (I.  Bd.,  S.  291),  dicht  vor  uns  ragte  der  einzig 


STEVANAC.     Grundriss  der  Kirche. 


erhaltene  Stalacer  Schlossturm  in  den  blauen  Äther;  tief  unten  lagen  aber  die  Dörfer 
Klein-  und  Gross-Stalac '),  getrennt  durch  die  Süd-Morava,  welche  in  wunderlichsten 
Krümmungen  ihrer  von  Westen  kommenden  Schwester  zueilt,  um  bald  mit  ihr 
vereinigt  als  mächtigster  Fluss  das  Königreich  bis  zur  Donau  zu  durchfliessen. 
Nur  selten  hatte  ich  auf  meinen  wiederholten  Kreuz-  und  Querzügen  im 
Gebiete  der  breiten  unteren  Morava  auf  dieser  mehr  als  ab  und  zu  eine  Fähre 
oder  einen  bescheidenen  Kahn  erblickt.  Und  doch  war  sie  nach  Eward  Browns 
Zeugnis  noch  1669  die  Trägerin  eines  lebhaften  Handelsverkehrs  mit  „salt  and 
other  commodities"  von  und  nach  Ungarn.  Damals  war  der  Flusslauf  zweifellos 
viel  regelmässiger  als  heute,  wo  er  durch  die  beklagenswerte  Waldverwüstung 
in  seinen  Quellgebieten  im  Frühjahr  einen  alles  Anland  verheerenden  Strom,  in 
regenarmen  Monaten  unzählige  Widerströme  und  seichte,  gefährliche  Kurven 
bildet.  Wer  den  mühsamen,  ebenso  langsamen  wie  kostspieligen  Transport  von 
Salz   und  Kolonialwaren  von    den   Donaustapelplätzen   nach   dem   Innern  vor  der 


')  jetzt  Grad  Stalac  und  Stalac. 


über  Brus,  Koznik  iiriil  Kriiscvac  nach  Stalac.  95 

Eröffnung  des  Belgrad-Niser  Schienenstrangs  kannte,  sowie  die  nicht  minder 
grossen  Hemmnisse,  mit  welchen  seine  Ausfuhr  von  Getreide,  Häuten,  Talg  und 
Schweinen  verknüpft  war,  bedauerte,  dass  nicht  ernsthchere  Schritte  gemacht 
wurden,  um  die  natürliche  und  wohlfeile  Morava -Wasserstrasse  von  den  Schiff- 
fahrtshindernissen zu  befreien  und  dem  Verkehr  zurückzugeben.  Die  österreichische 
Donau-Danipfschiffahrts-Gesellschaft  Hess  Sondierungen  des  Strombettes  vor- 
nehmen, welche  seine  Befahrung  mit  kleinen  Dampfern  als  möglich  darstellten,  doch 
sollte  die  serbische  Regierung  durch  allmähliche  Regulierung  und  Kultivierung  der 
nahen  Waldgebiete  gleichmässigere  Niveauverhältnisse  für  die  Schiffahrt  schaffen, 
was  in  der  Skupstina  befürwortet  und  zugesagt,  nach  Fürst  Mihails  Tod  aber 
niemals  ernstlich  angegriffen  wurde,  obschon  die  Morava  von  Stalac  abwärts  bis 
zur  Donau  ein  216  Kilometer  langes,  fruchtbares  breites  Tal  durchfliesst,  das 
nicht  allein,  wie  die  zahlreichen  antiken  Ansiedelungen  zeigen,  unter  den  Römern, 
sondern  bis  ins  Mittelalter  hohe  militärische  und  wirtschaftliche  Bedeutung  besass. 

Den  südlichsten  Hafen  für  die  Morava  Schiffahrt  bildete  bis  in  die  Türkenzeit 
das  durch  seine  natürliche  Lage  dazu  bestimmte  Stalac,  dort  nahmen  und 
landeten  alle  Schiffe  ihre  Waren  aus  und  nach  den  benachbarten  Landschaften; 
daher  auch  sein  Name  von  ustavijati  und  stojati  (sich  aufhalten,  stehen  bleiben). 
Noch  unter  Knez  Lazar  war  Stalac  eine  handelstätige  Stadt  mit  bestimmten 
Märkten,  denn  die  Einkünfte  des  „panadjur  Petrov"  (hl.  Peter)  schenkte  er  dem 
Kloster  Ravanica ').  Auf  den  römischen  Kastellresten  entstand  das  den  Hafen 
schirmende  altserbische  Schloss.  Sein  westlicher  grösserer,  ganz  verwüsteter 
Teil  umfasste  nahezu  4  Hektare;  vom  östlichen  kleineren  steht  ein  Teil  des 
entzwei  geborstenen  „Todorturmes"  noch  aufrecht  da.  Seine  1  m  starken  Mauern 
waren  6,5  m  lang,  6,5  m  breit  und  umschlossen  5  Geschosse,  von  welchen  nur 
das  dritte  ein  Fenster  besass,  das  letzte  als  Auslugswarte  diente.  Im  Innern  sah 
ich   1860  noch   Reste  von  Fresken. 

Die  oft  ihr  Bett  ändernde  Morava  bespülte  wohl  die  unteren  Werke,  aber 
gewiss  niemals  diesen  Turm,  deshalb  konnte  er  auch  unmöglich  den  Schauplatz 
der  heroischen  Tat  bilden,  welche  die  Tradition  an  ihn  knüpft  und  das  serbische 
Nationallied  „Smrt  vojvode  Prijesde"  verherrlicht.  Es  lautet  nach  Siegfried  Kappers 
gelungener  Übersetzung  2): 

Briefe  folgen  häufig  sich  auf  Briefe.  I    Und  geschrieben  nach  dem  Schloss  von  Stalac 

Von  wem  sind  sie  und  an  wen  geschrieben?  '    An  Prijesda,  an  den  Wojwoden: 
Von  Mehnied,  dem   Türkensultan^j,  sind  sie,  |    „O  Prijesda,  Stalacer  Wojwoda, 


')  Daniele,  Rjecnik,  III,  158. 

-'  Tod  des  Wojwoden  Prijesda.  Aus  Vuks  „Serbische  Nationaliieder",  II.  Bd.,  in 
„Gesänge  der  Serben",  II,  10.  Mit  vielen  Varianten  wird  dieses  prächtige  Volkslied,  in  dem 
sich  der  tiefe  Hass  zwischen  Christ  und  Moslim  mit  dem  hehren  ülanze  südslavischen 
Heldentums  spiegelt,  in  allen  serbischen  Ländern  und  auch  in  Bulgarien  gesungen.  Eine 
derartige  Variante  aus  dem  Bezirke  Trn,  welche  den  Todor  befehdenden  Sultan  „Sulejman" 
nennt,  wurde  von  der  Bulg.  liter.  Gesellschaft  mitgeteilt,  andere  schon  früher  von  den 
Brüdern  Miladinov. 

')  Mit  diesem  Mehmed  kann,  wenn  es  nicht  allerorts  Musa  heissen  soll,  gewiss  nur 
Sultan  Mohammed  III.  gemeint  sein;  denn  es  ist  historisch  erwiesen,  dass  der  die  Herrschaft 


9fi 


Über  Briis,  Koznik  luul  Krusevac  nach  Stalac. 


Sende  du  mir  deine  besten  Güter. 
Erstes  Gut,  den  starken  Stiinnersäbel, 
Der  da  Baum  und  harten  Felsstein  spaltet, 
Baum  und  Stein,  sowie  auch  hartes  Eisen; 
Zweites  Gut,  dein   gutes  Kranich-Kampfrnss, 
Gutes  Kanipt'ross,  das  wohl  übersetzen 
Eine  nach  der  andern  kann  zwei  Mauern; 
Drittes  Gut,  dein  treu  geliebtes  Eh'wcib!" 
Da  den  Brief  Prijesda  durchgesehen, 
Geht  er  hin  und  sclireibt  gleich  einen  zweiten: 
„Sultan  Mehnied,  grosser  Zar  der  Türken! 
Samml'  ein  Heer,  so  gross  es  dir  beliebig, 
Komm  vor  Stalac,  wann  es  dir  beliebig. 
Stürme  Stalac,  wie  es  dir  beliebig; 
Von  den  Gütern  send'  ich  dir  kein  einz'ges, 
Hab'  für  mich  mein  gutes  Schwert  gewetzt  nur, 
Hab'  für  mich  mein  Falkenross  genährt  nur, 
Hab'  für  mich  mein  treues  Weib  gefreit  nur, 
Keins  von  meinen  Gütern  kann  ich  missen!" 
Da  erbebt  der  Türkensultan  Mehmed, 
Hebt  ein  mächtig  Heer  und  zieht  vor  Stalac. 
Wohl  drei  Jahre  stürmt  er  und  beschiesst  es, 
Stürmt  ihm  keinen  Stein   ab,  keinen  Splitter. 
Nicht  vermag  das  Schloss  er  zu  bezwingen. 
Noch  viel  wen'ger  will  er  es  verlassen. 
Da,  des  Morgens  früh  vor  einem  Sonntag, 
Wallt  hinaus  Prijesdas  treue  Eh'frau, 
Wallt  hinein  die  hohen  Festungsmauern, 
Schaut  hernieder  ins  Moravawasser. 
Trüb'  vorüber  strömt  der  Strom  am  Schlosse 
Und  die  Eh'frau  spricht  zum  Wojwoden: 
„O  Prijesda,  Herr  mir  und  Gebieter! 
Sehr  befürcht',  o  Herr,  ich,   dass  die  Türken 
Uns  mit  Minen  in  die  Lüfte  sprengen!" 
Drauf  jedoch  zurück  ihr  der  Wojwoda: 
„Schweig',  oLieb'!  Gefahr  lassdich  schweigen. 
Wer  grub  Minen  unter  solche  Ströme?" 
Als  hierauf  es  Sonntag  war  geworden. 
Schreitet  nach  der  Kirche  der  Wojwoda, 
Dient  darin  den  Dienst  mit  den  Gefährten, 
Tritt  heraus  dann  aus  der  weissen  Kirche, 
Spricht  zu  den  Gefährten  diese  Worte: 
„O  Gefährten,  ihr  mein  rechter  Flügel, 
Bald  mit  euch  wohl  werd' ich  mich  erheben! 
Lasst  darum  erst  speisen  uns  und  trinken, 
Oeffnen  dann  des  Schlosses  weite  Tore, 
Und  hinaus  uns  stürzen  auf  die  Türken    - 


Komm'  was  Gott  will,  und  der  Helden  Glück!" 
Also  aber  spricht  er  zu  der  Eh'frau: 
„Geh',  o  Seele,  nieder  zu  den  Kellern, 
Hol'  uns  Rakija,  hol'  uns  roten  Kühlwein!" 
Und  Frau  Jela  nimmt  zwei  goldne  Kannen, 
Geht  hernieder  in  die  dunklen  Keller. 
Da  sie  anlangt  in  den  dunklen  Kellern, 
Trifft  den  Raum  sie  voll  von  Janitscharen. 
Aus  Pantoffeln  kühlen  Rotwein  schlürfend, 
Trinken  sie  Frau  Jela  zu,  der  Herrin. 
Trinken  auf  das  Seelenheil  Prijesdas. 
Da  dies  sieht  Frau  Jela,  die  Gebiet'rin, 
Lässt  die  Kannen  aus  der  Hand  sie  fallen, 
Eilt  hinan  schnell  zu  den  Herrenhallen: 
„Schlimmer  Wein,"  so  ruft  sie,  „mein  Gebieter! 
Schlimmer  Wein  und  noch  schlimm'rcr  Rakija! 
Voll  von  Janitscharen  sind  die  Keller! 
Aus  Pantoffeln  deinen  Kühlwein  schlürfend. 
Tranken  auf  mein  Wohl  sie,  o  Gebieter! 
Tranken  dir,  dem  Lebenden,  den  Grabtrunk, 
Tranken,  weh,  auf  deiner  Seele  Frieden!" 
Da  dies  hört  Prijesda,  der  Wojwoda, 
Tut  er  auf  des  Schlosses  weite  Tore, 
Stürzt  sich  kämpfend  auf  die  Türkenheerschar, 
Schlägt  um  sich  und  schlägt  viel  Türken  nieder. 
Sechzig  oben,  ungezählt  die  andern. 
In  das  Schloss  dann  rückkehrt  der  Wojwoda, 
Schliesst  die  Tore  hinter  sich  des  Schlosses, 
Zückt  vom  Gurt  den  blanken  Stürmersäbel, 
Schlägt   das  Haupt  ab  seinem  Kranichrosse: 
„Weh,  o  Kranich,  du  mein  Gut,  mein  teures! 
Weh!  Doch  wird  der  Sultan  dich  nicht  reiten!" 
Bricht  entzwei  den  blanken  Stürmersäbel: 
„Weh,  o  Stürmer,  meine  rechte  Hand  du! 
Weh!      Doch    wird    der    Sultan    dich     nicht 

zücken!" 
Dann  zur  Frauen  geht  er  in  die  Halle, 
Fasst  an  ihrer  Hand  die  treue  Eh'frau: 
„Wähle,  Jela,  du  verständ'ge  Hausfrau! 
Wähle!  Willst  du  lieber  mit  mir  sterben 
Oder  einem  Türken  sein  zur  Buhle?" 
Heisse  Tränen  weint  die  edle  Frauen: 
„Heil'gen  Tod  mit  dir,  den  wähl'  ich  lieber 
Als  des  Türken  schandevolle  Liebe! 
Nimmerdar  entsag'  ich  meinem  Glauben 
Und  des  Kreuzes  Heil  verleugn'  ich  nimmer!" 
An  den  Händen  fassen  sich  dann  beide, 


im  europäischen  Reiche  seines  Vaters  ansprechende  Musa  1413  Stalac  eroberte,  worauf  es 
der  ihn  mit  serbischer  Hilfe  besiegende  Sultan  Mohammed  I.  dem  Despoten  Stefan  Lazarevic 
gleich  Kruäevac,  Svrljig  u.  a.  O.  zurückgab.  Somit  hätte  die  Wegnahme  des  Stalacer 
Schlosses  und  Prijesdas  Heldentat  anlässlich  des  Zuges  Mohammeds  II.  nach  Belgrad 
im  J.  1456  stattgefunden. 


über  ßrus,  Koznik  und  Kriisevac  nach  Slalac'. 


97 


Geh'n  hinan  zu  Stalacs  hohen  Mauern. 
Also  spricht  hier  Jela  zum  Wojwoden : 
„O  Prijesda,  Herr  und  mein  Gebieter! 
Aufgeniihret  hat  uns  die  Morava  — 
Nun  wohlan,  sie  mög'  uns  auch  begraben!" 
in  den  Strom  drauf  stürzen  beide  jählings. 


Leicht  bezwingt derSultan  nun  das  Felsschloss, 
Von  den  üütern  aber  wird  ihm  keines. 
Grimmig  schilt  er  drob,  indem  er  fortzieht: 
„Schloss  von  Stalac,  dass  dich  Gott  zerstöre! 
Herwärts  führt'  ich  dreimal  tausend  Krieger, 
Heimwärts  ihrer  führ'  ich  kaum  fünfhundert." 


Wie  dem  Untergange  des  Zaren  Lazar  auf  Kosovo,  schreibt  das  Volk  auch 
den  Verlust  von  Stalac  und  den  Tod  seines  tapferen  Schlossherrn  Prijesda  dem 
Verrat  eines  seiner  Wojwoden  zu,  der  die  Türken  durch  geheime  Minengiinge 
einliess  und  als  Lohn  zum  „Vezir"  der  Landschaft  ernannt  wurde.  Als  solcher 
eilte  er,  aus  dem  Material  der  ringsum  zerstörten  Kirchen  den  nach  ihm  benannten 
„Todorturm"  zu  erbauen  und  das  Schloss  wieder  in  vollen  Verteidigungszustand 

zu  setzen.  Der  deshalb  erzürnte  Sultan  Mehemed 
belagerte  es  vergeblich  drei  Jahre  lang.  Da  erbot 
sich  ein  im  benachbarten  Kirchlein    Sv.  Arandjel 


Ruine  der  Siala^er  Feste. 


weilender  Erzpriester,  den  ihm  verhassten  Todor  durch  List  zu  überwinden.  Auf 
dessen  Rat  liess  der  Sultan  seine  Truppen  auf  das  rechte  Ufer  abziehen;  der  vom 
Prota  überredete  Todor  kam  mit  seinen  Wojwoden  herab,  um  Gott  den  Dank  für  die 
unverhoffte  Erlösung  von  den  Türken  darzubringen.  Der  benachrichtigte  Sultan 
überwältigte  aber  rasch  die  sorglose,  ihrer  Führer  beraubte  Besatzung,  liess  seinen 
treulosen  „Vezir  Todor"  mit  allen  Wojwoden  töten  und  auch  die  Kirche 
zerstören,  in  deren  Turm  sich  der  seinen  Verrat  bereuende  Prota  erhängte.  —  In 
so  wahrhaft  dramatischer  Weise  erzählt  das  Volk  den  Untergang  von  Stalac.  Der 
Fluch  des  in  seiner  Eigenliebe  schwer  verletzten  Sultans  Mehemed  im  Volkslied: 
„Schloss  Stalac,  dass  dich  Gott  zerstöre!"  kann  nur  seinem  obersten  Teile  gegolten 
haben.  Denn  die  Verwüstung  der  unteren  Burg  durch  „Zar  Mojsia"  war  schon 
1413  eine  so  vollständige,  dass  Broquicre  zwanzig  Jahre  später  auf  der  Ruinen- 
stätte nur  mehr  eine  Karaula  traf,  welche  die  türkisch-serbische  Grenze  markierte. 
Ganz  nahe  ankerte  eine  sultanliche  Flottille  von  80  100  Saiken  (Kriegsbarken), 
jeden  Augenblick  bereit,  die  dort  lagernden  Truppen  auf  der  unteren  Morava  in 
Feindesland  zu  führen. 

F.  KANITZ,  Serbien.    U.  7 


98  Über  Brus,  Koznik  und  KruSevac  nach  Stalac. 

Meine  Skizze  zeigt  die  Ruine  der  Stalacer  Feste  mit  dem  Zusammenflusse 
der  West-  und  Süd-Morava,  an  dem  sich  die  Grenzen  der  Beziri<e  Krusevac, 
Razanj  und  Varvarin  berühren.  Südlich  vom  Städtchen  Varvarin  liegt  am  linken 
West-Moravaufer  Maskare,  dessen  Namen  das  Volk  so  deutet:  Türkische  Soldaten 
fingen  den  durch  die  Fluten  abwärts  getriebenen  Leichnam  der  schönen  Frau 
Prijesdas  dort  auf  und  wollten  ihn  schänden;  ein  hinzukommender  Barjaktar 
(Fahnenträger)  hinderte  es  aber,  rufend:  „To  je  maskara!"  (das  ist  Schande!)  — 
Auf  dem  „Bedanin"  sieht  man  beim  Dorfe  1,25  m  starke,  in  gewissen  Abständen 
vor-  und  zurücktretende  Mauerreste,  mit  teilweise  32x29  cm  grossen  Ziegeln, 
eines  römischen  quadratischen,  156  m  langen,  132  m  breiten  Römerkastells,  bei 
dem  Kaisermünzen,  Gefässe  und  Inschriftsteine  gefunden  wurden.  Lehrer  Riznic 
irrt  jedoch,  wenn  er  das  nach  den  Itinerarien  am  Belgrad-Konstantinopler  Heerwege 
gelegene  römische  „Praesidium  Pompei"  bei  Maskare  und  „Praes.  Dasmin"  bei 
Stalac  ansetzt.  Denn  wäre  dies  richtig,  dann  hätten  die  Römer  eine  Brücke  bei 
Paracin  über  die  vereinigte  Morava,  eine  zweite  bei  Maskare  über  ihren  westlichen 
und  eine  dritte  über  ihren  südlichen  Arm  erbauen  müssen,  um  Naissus  (Nis)  zu 
erreichen.  Die  antike  Heerstrasse  mied  aber  gleich  dem  modernen  Schienenstrang 
das  abseits  liegende  Krusevac  und  blieb,  wie  ich  dies  unwiderlegbar  in  den 
erwähnten  Studien  nachgewiesen  habe,  auf  dem  linken  Ufer  der  Süd-Morava.') 
Die  periodischen  Verschiebungen  des  Strombettes  am  Zusammenfluss  der  beiden 
Morava-Arme  fügte  Mali  Stalac  oft  bedeutende  Verluste  zu.  Vor  40  Jahren 
wurde  der  beste  Teil  seiner  Felder  vom  Dorfe  abgetrennt  und  den  Veliki-Stalacern 
im  Prozesswege  zugesprochen.  Seither  blieb  ein  bitterer  Stachel  zurück  bei  den 
früher  freundlich  miteinander  verkehrenden  Nachbarorten,  unter  deren  427  Häusern 
man  heute  schon  moderne,  doch  mehr  solche  sieht,  wie  ich  eins  1860  zeichnete 
(S.  99)  und  welche  als  Typen  der  unbeeinflussten  älteren  Bauweise  dieser  Gegend 
gelten  können. 

Der  Tag,  an  dem  wir  nach  Mali  Stalac  hinabstiegen,  brachte  ihm  und 
der  ganzen  orientalischen  Christenheit  vollsten  Frieden.  Aller  Zwist  verstummte, 
alle  Arbeit  ruhte.  Es  war  am  „Ivanj-dan",  am  Tage  der  Geburt  des  hl.  Johannes 
(24.  Juli  a.  St.)  und  Sonnenwende,  ein  Festtag  so  gross,  dass  nach  Serbenglauben 
die  Sonne  dreimal  aus  Ehrfurcht  vor  dem  Heiligen  still  steht.  Vor  kurzer  Zeit  beging 
man  in  Serbien,  wie  früher  allgemein  in  Deutschland  und  nahezu  in  ganz  Europa, 
dieses  Fest  am  Vorabend  durch  Anzünden  hochlodernder  Feuer  auf  den  Bergen. 
Wie  das  Nürnberger  Ratsedikt  vom  20.  Juni  1653,  eiferte  aber  auch  die  serbische 
Geistlichkeit  gegen  diesen  und  manchen  anderen,  unausrottbaren  heidnischen  Brauch. 
Nur  die  Berghirten  umschreiten  gegenwärtig  noch  die  Hürden  ihrer  Schafe  und 
Rinder  mit  brennenden  Birken-  und  Kirschbaumzweigen  und  steigen  dann  auf  die 
nächste  Höhe,  um  die  Reste  gemeinsam   in  einem  grossen  Brande  zu  vereinigen. 


')  Riznics  mir  erst  nach  dem  Drucke  meiner  1892  erschienenen  „Römischen  Studien" 
bekannt  gewordene  verdienstvolle  Abhandlung  (Starinar,  Novemberheft  1891)  bestätigt  nicht 
allein  meine  Angabe  über  eine  römische  Ansiedelung  bei  Maskare,  sondern  vermehrt  meine 
südlich  von  Stalac  in  Karte  gebrachten  antiken  Kastelle,  deren  Zahl  einigen  archäologischen 
Fachgelehrten  unglaublich  gross  erschien,  noch  erheblich. 


über  Brus,  Koznik  und  Kruäevac  nach  Stalac. 


99 


Mali  Stalac  feierte  an  jenem  Tage  auch  eine  „Slava",  den  Schutzpatron 
seines  Kmetenhauses.  Ich  besuchte  es  und  fand  in  der  grossen  Stube  des 
Stare§ina  einen  langen  Tisch  von  frisch  gespalteten  Brettern  auf  niederen  Füssen 
errichtet.  Das  Speiseservice  bestand  in  buntbemalten  keramischen  oder  hölzernen 
Tellern,  Zinn-  und  Holzlöffeln,  Gabeln,  Salz-  und  Paprikafässchen;  Messer  fehlten, 
denn  jeder  Serbe  führt  ein  solches  stets  bei  sich.  Das  Zentrum  der  Tafel  nahm 
ein  grosses  rundes  Brot  „krsni  kolac" ')  ein,  das  im  religiösen  Teile  der  Feier 
die  Hauptrolle  spielt.  Nach  der  liturgischen  Vorschrift  wird  es  aus  reinem 
Weizenmehl  bereitet,  seine  Oberseite  erhält  durch  das  Aufdrücken  des  Poskurnjak- 
Modells  ein  Kreuz  und  die  Initialen  der  Worte:  „Isus  Christos  nika"  en  relief, 
in  seine  Kehrseite  macht  man  aber,  sobald  es  gebacken,  einen  Kreuzschnitt.  Auf 
der  Mitte,    wo  sich  die   Kreuzlinien  berühren,   war  eine  hohe,   dünne  Wachskerze 


"^^-'      ,v''  '.■'^■»^'^T-  ,v     '". 


STALAC.    Hiluserbau. 


aufgesteckt,  an  dieser  wurden  in  halber  Höhe  zwei  kleinere  angeklebt,  so  dass  sie 
angezündet  einen  Trikir,  das  Sinnbild  der  hl.  Dreieinigkeit,  darstellten.  Neben  dem 
Brote  stand  der  zur  religiösen  Zeremonie  mit  Wein  gefüllte  unentbehrliche  Krug. 
Als  der  Pope  die  Stube  betrat,  war  die  Versammlung  bereits  vollzählig. 
Man  hatte  sich  beim  Eintritt  gegenseitig  begrüsst  und  nach  serbischer  Sitte  auf 
beide  Wangen  geküsst.  Bekleidet  mit  dem  Epitrachilion,  einem  Gewände,  das 
der  Priester  um  den  Nacken  trägt  und  ohne  welches  er  keine  gottesdienstliche 
Handlung  verrichten  darf,  stellte  sich  der  Pope  an  die  östliche  Schmalseite  des 
Tisches.  Ihm  schloss  sich  zur  Linken  der  Stareäina,  diesem  der  älteste  Sohn 
des  Hauses  mit  den  männlichen  Faniiliengliedern  in  einer  Reihe  an.  Rechts  vom 
Popen  standen  die  Kume,  die  näheren  Verwandten  und  geladenen  Gäste.  Die 
Frauen  füllten  den  Hintergrund  der  Stube. 


')  Vuk,  Rjeänik,  S.  284,  gibt  interessante  Aufschlüsse  über  den  „Kolai"  und  viele  an 
diesen  sich  knüpfende  Sprichwörter,  z.  B.:  Bolji  je  i  cm  kolai,  nego  prazna  torba  —Besser 
schwarzer  Kolai  als  leere  Tasche  (mit  der  man  zu  den  Freunden  kommt)  —   usw. 


ItdU  l 


100  über  Bnis,  Koznik  und  Krusevac  nach  Stalac. 

Der  Geistliche  eröffnete  die  Feier  mit  dem  Ablesen  eines  langen  Gebetes 
in  der  monotonen,  aber  feierlichen  Weise  der  orthodoxen  Liturgie.  Hierauf  weihte 
er  das  hl.  Brot  mit  dem  Rauchgefäss  und  rief  dabei  Gottes  und  des  Hauspatrons 
Segen  auf  das  Kmetenhaus  herab;  „die  Ähren  mögen  so  hoch  wachsen  wie  die 
Decke  dieses  Zimmers"  und  ähnliche  fromme  Wünsche  wurden  zum  Höchsten 
gesendet.  Dem  Rauchfass  entströmende  Wolken  von  Thymianduft  erfüllten  die 
Stube  und  zogen,  angestrahlt  vom  hellen  Kerzenschimmer,  oft  flüchtige  Aureolen 
um  die  durch  tiefe  Andacht  verschönten  Köpfe  der  einfachen  Naturmenschen. 
Der  Staresina  griff  nun  nach  dem  geweihten  Kolac,  nahm  die  Kerzen  ab  und 
brach  das  Brot  mit  dem  Popen,  nachdem  sie  es  unter  Absingen  vorgeschriebener 
Gebete  dreimal  in  den  Händen  gedreht,  in  zwei  Hälften,  der  Geistliche  begoss 
diese  mit  Wein,  der  Staresina  und  Kum  sogen  ihn  mit  den  Lippen  auf,  brachen 
die  beiden  Hälften  nochmals,  worauf  nach  dem  Herkommen  der  Pope,  der 
Staresina,  der  Kum  und  die  Hausfrau  die  vier  geweihten  Kolacteile  erhielten, 
während  die  Gäste  nach  den  übrigen  Broten  des  Tisches  griffen.  In  Sirmien 
wird,  wie  Vuk  mir  erzählte,  in  einem  Teile  des  „krsni  kolac"  ein  Fisch  eingebacken, 
wobei  die  Hausfrau  allerlei  Kniffe  anwendet,  die  Stelle  möglichst  unkenntlich  zu 
machen,  um  ihn  dem  Popen,  dem  die  erste  Wahl  unter  den  vier  Stücken  zusteht, 
zu  entziehen,  was  zu  allgemeiner  Heiterkeit  oft  gelingt. 

Die  liturgische  Feier  war  zu  Ende.  Der  Geistliche  entledigte  sich  des 
Epitrachilions  und  nahm  den  Ehrensitz  bei  dem  nun  folgenden  Mahle  ein.  Es 
begann  ^it  einer  warmen  „kisela  corba",  der  beliebten  serbischen  saueren 
Ragoutsuppe,  Fische,  Bohnen,  Käse,  Obst  usw.  folgten.  Als  Trunk  wurde  Rakija 
und  Wein  gereicht.  Während  der  Mahlzeit  brachte  der  Pope  den  ersten  Trink- 
spruch zu  Ehren  Gottes  und  auf  das  „lange  Leben"  des  „Gospodars",  des  Fürsten 
Milos,  aus.  Der  Hausherr  folgte  mit  einem  Toast  auf  das  Wohl  seiner  Gäste 
und  insbesondere  des  Fremden,  der  —  was  von  guter  Vorbedeutung  für  dasselbe 
—  es  gerade  am  Tage  des  Heiligen  betreten  habe.  Im  Chor  erscholl  nun  der 
immer  schöne  serbische  Rundgesang  „mnogaja  Ijeta"  (Viele  Jahre!),  abwechselnd 
mit  Trinksprüchen  auf  das  Wohl  des  Hausherrn,  der  Kume  usw.;  der  Frauen 
wurde  jedoch  —  es  ist  dies,  wie  der  von  ihnen  eingenommene  rückwärtige  Platz 
am  Tische,  charakteristisch  für  ihre  soziale  Stellung  in  Serbien  —  mit  keinem 
Worte  gedacht! 

Unser  Rückweg  nach  Krusevac  erfolgte  auf  dem  rechten  Ufer  der  West- 
Morava;  im  Sommer  vermag  man  dies,  im  Früiijahr  setzen  aber  des  Stromes 
Fluten  den  Plateau-Steilrand  und  die  Strasse  unter  Wasser.  Nahe  am  Mündungs- 
punkte der  Rasina  durchfurteten  wir  sie,  erreichten  bald  die  Poststrasse  und 
gelangten  bei  Mondschimmer  in  später  Stunde  in  die  Stadt,  deren  „weisse  Kirche" 
mit  magischem  Effekt  sich  von  ihrer  dunklen  Umgebung  abhob. 

Seitdem  geschah  viel  zur  besseren  Verbindung  von  Krusevac  mit  seiner 
Umgebung.  Die  französische  Bahnunternehmung  baute  auf  eigene  Kosten  eine, 
bedeutende  Sprengungen  erfordernde,  16  km  lange  Kunststrasse  mit  trefflichen 
Brücken  über  die  Rasina  und  Morava  nach  ihrer  Station  Veliki  Stalac  und  schenkte 
sie  dem  Lande.     Eine    zweite    Poststrasse    führt    nach    Trstenik,   eine    dritte    mit 


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Clber  Briis,  Koznik  und  Krusevac  nach  Stalac.  1011 

20  m  langer  Jochbrücke  über  die  Djuniska  reka  bei  Kaonik  und  120  m  langer,  1896 
vollendeter  Morava-Eisenbrücke  bei  Djunis  nach  Alcksinac,  eine  vierte  entlang  der 
Rasina  durch  die  „Jankova  Klisura"  in  das  neugewonnene  Gebiet  von  Prokuplje 
und  Kursumlija.  Die  1897  erbaute,  180  m  lange  stabile  Brücke  bei  dem  1893 
auch  durch  eine  nette  hl.  Geistkirche  verschönten  Jasika  fördert  namentlich  dieses 
und  elf  andere  wohlhabende  Orte  am  linken  West-Moravaufer,  welche  dem 
Krusevacer  Kreise  jüngst  zugeteilt  wurden.     (I.  Bd.,  S.  558.) 

An  dem  zur  Jankova  Klisura  führenden  Heerwege  sind  an  der  Rasina  bei 
Savrani  die  Reste  eines  Werkes  sichtbar,  das  200  Mann  aufnehmen  konnte. 
Gegenüber,  bei  dem  östlichen  Naupara,  befindet  sich  das  gleichnamige,  1848 
wieder  hergestellte  alte  Kloster,  dessen  1835  erneuerte  Maria  Geburt-Kuppelkirche 
und  die  1851  gegründete  Kirche  lange  Zeit  die  einzige  Heil-  und  Bildungsstätte 
für  die  16  Rasinadörfer  mit  über  5000  Seelen  waren.  Der  Klosterbesitz  wurde  1893 
noch  mit  20  Hektar  Feld  und  Wiesen,  6  Hektar  Obst-  und  Weingärten,  610  Hektar 
Wald,  einigem  Viehstand,  einer  Mühle  usw.  verzeichnet.  Die  früher  über  8000  d 
betragenden  Ein-  und  Ausgaben  sanken  allmählich  auf  rund  6000  d  und  sollen 
sein  Igunian  und  der  ihn  unterstützende  Mönch,  wie  mir  der  Kaludjer  Josif 
Gavrilovic  versicherte,  trotz  der  ihrer  Kirche  zugewiesenen  Pfarre  mit  5  Orten 
wenig  ersparen.  Bei  dem  rechtsuferigen  Lomnica  fand  man  einen  guten  Säuerling, 
bei  dem  südlicheren  Majdevo  eine  salzhaltige  Mineralquelle.  Bei  dem  folgenden 
alten  Kirchlein  Sv.  Petka  beschreibt  die  dem  Rasinalaufe  sich  anschmiegende 
Strasse  eine  grosse  Kurve  und  übergeht  sodann  vor  Zlatari  auf  ihr  rechtes 
Ufer.  Die  Anwohner  fabeln  viel  von  dort  und  im  jenseitigen  Kovioci  (Zlato 
^  Gold,  kovati  schmieden)  durch  die  Lateiner  betriebenen  Gold-  und  Silber- 
bauen, sowie  von  dem  auf  der  Carina  bestandenen  Schlosse;  und  wirklich 
erscheint  die  Anwesenheit  der  Ragusaner  in  „uilla  Chonazi"  (Kovaci)  um  1426 
urkundlich  erwiesen.  6  km  weiter  erreicht  die  allmählich  von  Krusevac  170  m 
durch  paläozoische  Formationen  ansteigende  Strasse  die  seit  dem  Heereszuge 
Hunyadys  auf  das  Kosovo  polje  (1448)  nach  ihm  genannte  „Jankova  Klisura", 
deren  Schilderung  ich  im  X.  Kapitel  gebe. 

Der  2710  km-  umschliessende  Krusevacer  Kreis  zählte  1905  mit  dem  nordwest^ 
liehen  Gebietszuwachs  in  seinen  82  Gemeinden  und  280  Orten  150287  Bewohner. 
Die  Dichtigkeits-Verhältnisse  steigen  von  25—30  Seelen  per  km-  im  Kopaoniker 
Bezirk,  auf  45 — 50  in  der  Zupa  und  Razanjer  Landschaft,  und  auf  60 — 70  in 
den  Bezirken  Trstenik  und  Rasina.  Namentlich  in  beiden  letzteren  ist  der 
Boden  ungemein  fruchtbar;  wenn  die  Landleute  sich  auf  den  in  voller  Sommer- 
pracht stehenden  Feldern  umhertummeln,  gewähren  die  goldgelben  Getreide-  und 
hohen  Maiskulturen  einen  herzerfreuenden  Anblick.  Mit  Weizen  waren  1906') 
9323  Hektar,  mit  Mais  29567  Hektar  und  nahezu  17  000  Hektar  mit  anderem 
Getreide  bepflanzt.  Wiesen  gab  es  14293  Hektar,  Weideland  4140  Hektar, 
Obstgärten  bedeckten  8895  Hektar.  Zwetschken  allein  erntete  man  229210  q, 
Birnen  und  Nüsse  35400  q,  Äpfel,  Aprikosen,  Kirschen,  Mispeln,  Haselnüsse  usw. 


')  Dieses  Jahr  gab  überhaupt  eine  mitteltnässige  Ernte. 


11)1  Ober  Brus,  Koziiik  uiui  Kriiscvac  nach  Stalac. 

gibt  es  gewöhnlich  im  Überfluss.  Der  auf  2725  Hektar  gezogene  Wein  brachte 
über  34077  q.  Dieser  reift  besonders  trefflich  in  der  schon  unter  Zar  Lazar  durch 
ihre  vorzüglichen  Reben  berühmten  Zupa,  in  deren  zwischen  den  Weingärten 
zerstreuten,  mit  Rundziegeln  gedeckten,  oft  stockhohen  pivnica  ihre  Eigentümer 
die  Kelterung  überwachen;  der  feurige  zupsko  vino  ist  überall  gesucht  und 
willkommen.  Auch  der  Gemüsebau  steigt  und  hebt  sich  fortwährend;  am 
meisten  pflanzt  man  Kraut,  Zwiebeln,  Lauch,  Paprika,  Hülsenfrüchte  und  Kartoffeln. 
Die  Bienenzucht  wird  wieder  etwas  schwungvoller  wie  früher  betrieben,  man 
zählte  1905:  8406  Stücke,  also  3,1  per  100  Hektar.  Das  Produkt  wird  meist  roh 
verkauft.  In  der  Rasina  kommen  107  Stück  Vieh,  in  den  Bezirken  Trstenik 
und  Razanj  115 — 125,  im  Kopaonik  und  in  der  Zupa  nur  94 — 97  auf  1  km'-. 
1905  wurden  4789  Pferde,  60191  Rinder,  171810  Schafe,  18293  Ziegen  und 
59747  Schweine  verzeichnet,  was  auf  100  Seelen  des  Bezirks  Trstenik  180, 
in  der  Rasina  185,  in  der  Zupa  und  im  Razanjer  Bezirke  210 — 270,  und  im 
Kopaoniker  Bezirk  sogar  350  Stück  ergäbe.  Alles  in  allejii  kann  man  den 
Krusevacer  Kreis  zu   den  gesegnetsten  Serbiens  zählen. 


über  Deligrad,  Soko-Banja  auf  den  Rtanj 

und  nach  Aleksinac. 


NACH  mehrmonaflichen  anstrengenden  Ritten  im  Iiochgebirgi^en  serbischen 
Westen  vertauschte  ich  gern  auf  einigen  Touren  im  Südosten  Serbiens  das 
Reitpferd  mit  dem  Wagen.  Ingenieur  Matijasic  bemühte  sich  uiul  fand  einen 
solchen,  doch  ein  halber  Tag  verstrich,  bis  er  instand  gesetzt  war.  Das  federnlosc 
Fahrzeug  drohte  schon  an  den  ungeschlachten  Prügelbäumen  der  Rasinabrücke 
zu  zerschellen,  überdauerte  jedoch  wunderbar  diese  Kardinalprobe  und  recht- 
fertigte den  selbstbewussten  Ausspruch  seines  Besitzers,  es  gäbe  auf  der  ganzen 
Erde  kein  besseres  Gefährt! 

Wir  Messen  Bivolje  links  und  zogen  im  üaglovackatale  zum  gleichnamigen 
Dorfe,  bei  dem  die  Regierung  1891  auf  einem  vom  Gesandten  Simic  erworbenen 
Landgute  den  Bau  einer  grossen  Pulverfabrik  vollendete.  Auf  dem  bald  darauf 
erreichten  307  m  hohen  „Cokotin  grob"  gewann  ich  den  ersten  Blick  in  das 
Tal  der  Süd-Morava.  Durch  hübschen  Eichenwald  ging  es  hierauf  die  Terrasse 
hinab,  welche  uns  von  ihr  trennte.  Unten  überspannt  der  erwähnte  Eisenbau 
(S.  103)  die  von  Mala  Reka  und  Ribarska  hanja  am  Jastrebac  herabkommende' 
zweiarmige  Djuniska  reka.  Das  auch  Boljevacki  potok  genannte  Bad  Ribare 
besitzt  drei  schwefelhaltige  Quellen  nach  Lozanics  Analyse  von  16,  30  und  38,8  "C) 
Das  alte  türkische  Kuppelbad  mit  37,5"  C.  wurde  wegen  der  wachsenden  Frequenz 
seines  gerühmten  Heilquells  durch  einen  grösseren  Neubau  ersetzt.  Die  Therme 
war,  wie  nahe  Kastellruinen  an  den  nach  Prokuplje  und  Nis  führenden  Wegen 
zeigen,  gewiss  schon  zur  Römerzeit  bekannt  (Kap.  X).  Die  Quellen  sollen  sich 
namentlich  bei  rheumatisch-gichtischen  Leiden  und  solchen  der  Verdauungsorgane 
erfolgreich  bewähren.  Ihren  Abfluss  benutzen  die  Anwohner  zur  Hanfröste. 
Jenseits  der  östlichen  Wasserscheide  gibt  es  eine  ähnliche  Therme  unter  dem 
Ruinenberge  von  Kuli  na,  ferner  kohlensaure  Gase  und  Salzsäure  enthaltende  zu 
Buci  am  Jastrebac,  zu  Sezemca  u.  a.  0. 


')  Giasnik,  Bd.  54.  1883. 


106  über  Deligrad,  Soko-Banja  auf  den  Rtanj  und  nach  Aleksinac. 

Wir  kreuzten  die  vorüber  am  gleichnamigen  Dorfe  NO.  zur  Morava  fliessende 
Djuniska  reka.  Dort  fiel  1876  jene  blutige  Entscheidung  zwischen  Serben  und 
Türken,  welche  erstere  zum  fluchtartigen  Rückzug  und  zur  Anrufung  der  Intervention 
Russlands  zwang.  Die  Türken  dankten  den  grossartigen  Erfolg  ihrer  mit  bewunderns- 
werter Ausdauer  über  die  Vorhöhen  des  Jastrebac  gebrachten  Artillerie,  unter 
deren  Schutz  sie,  durch  energische  Vorstösse  Krusevac  bedrohend,  die  serbische 
Deligrader  Position  umgehen  konnten.  Interessant  ist  es,  dass  schon  die  Römer 
von  ihrem  grossen  Krusevacer  Kastrum  dieselbe  Trace  zur  Morava  gewählt  und 
den  Fluss  gleichfalls  bei  Trubarevo  übersetzten,  wo  auch  1876  die  serbischen 
Kriegsbrücken  sich  befanden.  Dies  bezeugen  antike  Reste  befestigter  Positionen 
ober-  und  unterhalb  des  Übergangs  gegenüber  Maletina,  der  eine  weite  Sicht 
gewährende  quadratische  Römerturm  auf  dem  426  m  hohen  „Djuniski  krs"-Gipfel 
mit  7  m  breiten  Fronten;  ferner  unter  ihm  die  von  dreifachen  starken  Mauern 
umgebenen,  3 — 4  Hektar  bedeckenden  Stadtmauern,  auf  welchen  Nemanjas  Bruder 
Sracimir  jenes  feste  „Gradac"  erbaute,  von  dem  er  sein  Teilgebiet  zwischen 
der  West-Morava  und  dem  Jastrebac  beherrschte.  Aus  dem  von  diesem  Zupan 
unterhalb  seiner  Residenz  an  der  Djuniskamündung  gestifteten  Kloster  Sv. 
Bogorodica  soll  die  zu  Cacak  ausgegrabene  Glocke  mit  der  Umschrift  „Gradac" 
stammen,  die  man  dahin  rettete,  als  die  Türken  seine  Kirche  und  die  Stadt 
zerstörten.  In  dem  hart  am  Bahndamm  liegenden,  nun  verfallenen  Bau  mit 
oktogonaler  Kuppel  findet  sich  keine  Spur  von  Fresken.  Gleichzeitig  wurden 
nach  der  Tradition  auch  das  erwähnte  Kloster  S  v.  Arandjel  (S.  97)  und  das 
berühmtere  S  v.  Nestor  vernichtet,  dessen  renoviertes,  1876  von  den  Türken 
abermals  verwüstetes  Kirchlein  die  Gemeinde  Donji  Ljubes  als  Pfarre  erneuerte. 
Am  Nordhange  des  „Gradacko  brdo"  sieht  man  auch  bei  der  Moravabrücke  im 
ebenen  Plane  alte  Mauern  einer  grösseren  Ansiedelung  „Zarna",  deren  Namen 
noch  im  18.  Jahrhundert  genannt  worden  sein  soll.  4  km  NW.  stand  bei  Cerova 
auf  einem  von  der  Morava  umflossenen  hohen  Sporne  das  antike  Sperrfort  des 
Übergangs  mit  zwei  noch  heute  gut  erhaltenen  Türmen,  während  das  rechtsuferige, 
in  altserbischer  Zeit  gleichfalls  überbaute  bei  Maletina  schwer  bestimmbar  ist. 
Zwischen  beiden  Kastellen  erhob  sich  bei  Sv.  Roman  ein  dem  Gradacer 
ähnlicher  „Luginsland". 

Im  Jahre  1896  überbrückte  die  Regierung  bei  der  „Djuniska  Meana"  die 
Morava  durch  eine  210  000  d  kostende  solide  Eisenkonstruktion  mit  zwei  Öffnungen 
von  je  60  m.  Auf  dem  rechten  Stromufer  erscheint  das  in  malerischer  Waldschlucht 
liegende  Kloster  Sv.  Roman.  Ein  Knez  Lazars  Herden  beaufsichtigender  Beamter 
stiftete  es,  weil  Gott  im  Traume  ihm  befahl,  an  der  Stätte,  auf  welcher  der 
fromme  Roman  gelebt,  eine  Kirche  zu  erbauen.  Dieser  Heilige  war  einer  der 
sieben  aus  Asien  nach  Serbien  geflüchteten  „Sinajedenbrüder",  von  welchen 
Nestor  das  erwähnte  gleichnamige  Kloster  am  linken  Ufer  stiftete,  Romilo  in 
Ravanica,  Gligorije  zu  Gornjak,  die  drei  anderen  Asketen  zu  Sv.  Petka,  in  Tuman 
(1.  Bd.,  S.  192)  und  im  ungarischen  Bazias  lebten.  Sv.  Romans  alte  Kirche  mit 
Kuppel,  halbrunden  Chor-  und  Seitenapsiden  war,  als  Hunyady  von  Kosovo  1448 
flüchtete,    bereits  zerstört,    wurde  aber  1791    durch  einen  Narthex    und    südliche 


über  Deligrad,  Soko-Banja  auf  iIlmi  Rtaiij  und  nach  Aleksinac.  107 

Anbauten  vergrössert  und  1X52  durch  den  unter  dem  Fürsten  Alexander  Kara- 
djordjevic  entstandenen  isolierten  Glockenturm  vervollständigt.  Ausser  einem 
1372  geschriebenen  schönen  „Molitvenik"  besitzt  das  Kloster  auch  alte  Drucke. 
Am  27.  August  feiert  man  die  Kirchenweihe  „Maria  Verkündigung",  am  folgenden 
Tage  den  hl.  Roman.  Sein  ausgedehnter  Grundbesitz  bestand  1893  aus  82  Hektar 
Feldern  und  Wiesen,  3  Hektar  Obst-  und  Weingarten,  1 15  Hektar  Wald,  1  Mühle  usw. 
Der  Archimandrit  und  zwei  Kaludjer  verfügen  über  ein  Jahreseinkommen  von 
etwa  6000  d.  Zu  ihren  Pflichten  zählt,  dass  sie  in  dem  stark  verwüsteten  Kirchlein 
Sv.  Petka  nahe  dem  südlichen  Tunneltor,  in  Sv.  Nikola  gegenüber  Braljina 
mit  eingestürzter  oktogonaler  Kuppel,  ferner  in  der  vollkommen  zerstörten,  vom 
Volke  aber  deshalb  noch  höher  verehrten  Kapellenruine  bei  Madjare  an  bestimmten 
Tagen  fromme  Gebete  lesen. 

Nordwestlich  von  Sv.  Roman  liegt  das  vom  Niser  Schienenstrang  durch- 
zogene Steildefilee  der  Süd-Morava  (S.  98)  und  NW.  kommt  die  es  von  Praesidium 
Pompei  umgehende,  bis  in  die  Neuzeit  benützte  römische  Konstantinopeler  Heer- 
strasse herab,  welche  die  SW.  von  Sv.  Roman  auf  dem  rechten  Flussufer  sich 
ausdehnende  fruchtbare  Ebene  durchschneidet.  Als  ich  dieselbe  am  7.  Juli  1860 
zum  erstenmal  betrat,  herrschte  am  Wege  ein  wahres  Ameisentreiben.  Hunderte 
mit  Ochsen  bespannter  Wagen  knarrten  unter  dem  lärmenden  Antreiben  ihrer 
Besitzer,  Tausende  von  Landleuten  beider  Geschlechter,  mit  primitivsten  Grab- 
werkzeugen, Körben  und  Karren  arbeiteten  rastlos  bei  Tag  und  nachts  bei 
weitleuchtenden  Feuern,  um  mit  allem  Eifer  das  ihnen  aufgetragene  Strassenstück  zu 
vollenden.  Fürst  Milos  gedachte  nämlich  von  Bad  Soko-Banja  aus,  wo  er  zur  Kur 
verweilte,  Krusevac  zu  besuchen,  auch  war  es  allgemein  bekannt,  dass  er  schlechte 
Wege  nicht  liebte.  Die  weite  Strecke  glich  einem  Heerlager.  Hier  und  da 
begegneten  wir  Beamten  der  nahen  Bezirke,  welche  mit  ihren  Panduren  das 
den  Nutzen  öffentlicher  Strassen  nicht  immer  würdigende  unbezahlte  Landvolk 
aneiferten.  Dies  wäre  ganz  gut  gewesen,  doch  die  Kapelane,  und  nicht  allein  die 
„alten",  gebrauchten  ihre  Autorität  auch  oft  am  unrechten  Orte.  Sie  gefielen  sich 
namentlich  darin,  durch  unverständige  Abänderungen  die  von  den  „schwäbischen" 
Kreisingenieuren  mit  grosser  Mühe  entworfenen  Tracen  willkürlich  zu  verschlechtern; 
fachmännische  Einwendungen  wurden  zurückgewiesen  und  das  Verhältnis  zwischen 
Kapelan  und  Ingenieur  gestaltete  sich  selten  so  freundlich,  wie  es  das  allgemeine 
Staatswohl  erforderte.  Bei  späteren  Besuchen  fand  ich  aber  vieles  in  dieser 
Richtung  gebessert. 

in  einer  Stunde  erreichten  wir  den  im  serbischen  Befreiungskampf  und 
neuestens  vielgenannten  Schanzengürtel  „Deligrad".  in  den  österreichisch-türkischen 
Kriegen  wird  dieses  Bollwerk  nicht  erwähnt.  Erst  1806,  als  die  Serben  unter 
Petar  Dobrnjac  gegen  Nis  zogen,  wurde  es  von  dem  aus  Makedonien,  nach 
anderen  aus  Dalmatien  stammenden  Kapetan  Zika  zum  Schutze  des  Morava- 
Defilees  angelegt  und  gegen  die  eindringende  türkische  Uebermacht  glänzend 
verteidigt.  Zika  fiel  im  Moment,  als  er  seinen  Leuten  ermutigend  zurief:  „Fürchtet 
nichts,  die  Türken  fliehen!"  Im  nahen  Kloster  Sv.  Roman  wurde  der  Tapfere 
bestattet.     In  der  1809  durch  Nebenwerke  zur  Aufnahme  von  6000  Mann  erweiterten 


lOi^  über  Dcligrad,  Soko-Baiija  auf  tton  l^tanj  iiiul  naili  Alcksinac. 

Schanze  suchte  der  Wojwode  Miloje  Schutz,  als  die  Serben  bei  Nis  geschlagen 
wurden.  1810  verteidigte  sie  Vujica  Vulicevic  mit  dem  Aufgebote  der  Sumadija 
gegen  den  von  Nis  anrüci<endcn  Kursid  Pasa,  und  nach  der  Einnahme  von  Soko- 
Banja  vereinigten  sich  hier  die  Russen  unter  Oruri<  mit  Karadjordjes  Scharen  im 
Oktober  (1810),  um  vereint  gegen  Varvarin  zu  ziehen.  1813  ging  Deligrad  aber 
nach  blutigem  Kampfe,  in  dem  am  28.  August  unter  vielen  Braven  auch  der 
Wojwode  Jovan  Kursula  getötet  wurde  (i.  Bd.,  S.  591),  verloren  und  blieb  bis 
1833  den  türkischen  Siegern. 

Nach  dem  von  Jovan  Miskovic  angefertigten  Plane ')  bestand  Deligrads 
ältere  Befestigung  aus  fünf  unregelmässigen  verpalisadierten,  mit  Geschützständen 
versehenen  Schanzen  am  linken  Uferrande  des  Drenovacki  potok.  Die  westlichste 
grösste  und  östliche  kleinere  nahmen  die  knapp  zwischen  ihnen  durchlaufende 
Konstantinopeler  Strasse  unter  Feuer,  weiter  östlich  folgten  die  beiden  von  Vujica 
Vulicevic  und  Pavle  Matejic  verteidigten,  südöstlicher  die  „Gruzanski  sanac", 
gegenüber  den  zwei  Schanzen,  welche  die  angreifenden  Türken  auf  dem  Bell 
Kamen  errichtet  hatten. 

Ich  sah  der  Zerstörung  des  historisch  berühmten  Bollwerks  einige  Zeit  zu. 
Der  Fund  türkischer  Kanonenkugeln,  grösstenteils  Sechspfünder,  und  sonstiger 
Waffenstücke  beim  Abgraben  der  hohen,  rasenbedeckten  Wälle  erregte  stets  grosse 
Freude;  ältere  Bauern  erzählten  dann  ein  selbsterlebtes  oder  traditionelles  Histörchen 
aus  jener  „schweren  Zeit"  dem  aufhorchenden  jungen  Volke,  das  nicht  ahnte, 
wie  bald  es  selbst  den  historischen  Boden  mit  seinem  Blute  düngen  werde. 
Beim  Beginn  des  Krieges  zwischen  Serbien  und  der  Türkei  im  Jahre  1876  befeuerte 
hier  Fürst  Milan  am  30.  Juni  unter  vielem  Enthusiasmus  die  dann  am  1.  Juli 
von  dem  Erzbischof  Mihail  unter  grossem  kirchlichen  Pompe  eingesegneten 
Truppen  des  Cernjajeff  gegen  Nis  bestimmten  Korps  mit  zündenden  Worten  und 
inspizierte  hierauf  die  von  dem  General  Zach  schon  im  Frühjahr  am  „Krvavi  vis" 
(Bluthügel)  und  auf  den  umliegenden  Höhen  im  modernen  Stile  angelegten  Forts, 
die  am  29.  Oktober  das  Vordringen  der  Türken  in  das  Stalacer  Defilee  aufhielten. 
Auf  dem  historisch  gewordenen  Schlachtfelde  steht  Deligrads  weisses  Schulhaus, 
in  dem  die  Nachkommen  der  Streiter  für  Serbiens  Unabhängigkeit  den  Schilderungen 
ihrer  Taten  in  jener  drangvollen  Zeit  lauschten. 

Drei  Kilometer  SO.  vom  Schulhaus,  da,  wo  der  Konstantinopeler  Heerweg 
beim  Nericev  Han,  oberhalb  Ruievci,  die  Mozgovacka  reka  kreuzt,  sind  die 
Spuren  einer  römischen  Niederlassung  sichtbar,  welche  Dragasevic  mit  Praesidium 
Pompei  identifizierte.  Boue  setzte  diese  in  der  Tab.  Peut.  32,  im  hin.  Ant.  33, 
im  Itin.  Hieros.  32  Millien  von  Horreum  Margi  entfernte  Station  bei  Razanj; 
Jirecek,  gleich  mir,  bei  Bovan  an.  =)  Nicht  allein  die  Masse,  sondern  auch  die 
gesamten  örtlichen  Verhältnisse,  welche  sich  nun  auf  der  neuen  serbischen  Karte 
besser  würdigen  lassen,  rechtfertigen  aber  Dragasevics  Bestimmung.  Denn  nichts 
zwang  den  Heerweg,  die  kürzere  bequeme  Trace  auf  der  Moravalehne  zu  ver- 
lassen,  um  seine  nächste  Station  Granirianis  zu  erreichen.     Obgleich   einst  aber 

')  Glasnik,  Bd.  48. 

2)  Ebenso  Sisinanov:  Star!  putuvanija  prez  Blgarija.    Sbornik,  IV,  S.  346.   Sofia  1891. 


über  Deligrad,  Soko-Banja  auf  den  Rtanj  und  nach  Aleksinac.  109 

Praesidium  Pompei,  wie  der  Nericev  Han  1876,  strategisch  wichtig  war,  bei 
dem  eine  durch  das  Moravica-Defilee  nach  Ratiaria  (Arcer)  an  der  Donau 
führende  Strasse  abbog,  fand  man  dort  nur  Reste  der  antii<en  städtischen  Anlage, 
aber  keine  Befestigung.')  Vielleicht  bringen  künftige  Ausgrabungen  ihre  Grund- 
festen zutage. 

In  einer  Stunde  erreicht  man  von  Deligrad  das  mit  seinem  Bezirke  1890 
dem  KruSevacer  Kreise  zugeteilte  Städtchen  Razanj.  Obschon  es  aber  verschiedene 
Ämter,  eine  1840  erbaute  Kirche  und  gute  Schule  besitzt,  zeigt  es  noch  stark 
orientalisches  Aussehen  und  tritt  zwischen  den  hölzernen  Buden  und  Werkstätten 
selten  ein  modernes  Gebäude  auf.  Ob  dort,  wie  Jirecek  meint,  das  römische 
Arsena  stand,  das  Justinian  durch  ein  Kastell  schützte,  bleibt  zu  erweisen  und 
ebenso  die  im  Itin.  Hieros.  an  der  Heerstrasse  genannte  Mutatio  Cametae  zu 
bestimmen.  Noch  1553  sah  der  die  kaiserliche  Botschaft  an  Sulejman  1. 
begleitende  Erzbischof  Verantius  bei  Razanj  deutliche  Spuren  der  „Trajansstrasse". 
Gerlach  traf  1575  die  Razanjer  von  allen  „Timarioten  (Lehnsherren)  und  Lcut- 
schindern  befreit",  weil  sie  eine  mit  kaiserlichen  Geschenken  für  den  Sultan 
durchziehende  Karawane  aus  einem  räuberischen  Ueberfall  gerettet.  Razanj  blieb  in 
der  Türkenzeit  eine  blühende  Palanka  mit  grossen  Karawansereien,  Moscheen  usw. 
ihre  einstige  weite  Ausdehnung  beweist  auch  der  Name  „Varos"  (Stadt)  des  an 
Razanj  hart  anschliessenden  Dorfes.  Nach  dem  Passarovitzer  Frieden  bezeichneten 
drei  mächtige  Felsblöcke  bei  Razanj  die  österreichisch-türkische  Grenze  auf  dem 
rechten  Ufer  der  Morava,  bis  der  verhängnisvolle  Belgrader  Frieden  (1739)  sie 
wieder  auf  das  linke  Saveufer  zurückverlegte.  Razanjs  Bedeutung  schwand  erst, 
je  mehr   das   1833  Grenz-  und  Quarantänestadt  gewordene  Aleksinac  emporkam. 

Von  Razanj  durchschnitt  die  Römerstrasse  den  bewaldeten  Westhang  des 
Meckaplateaus  und  erreichte  mit  3  Millien  das  heutige  Jovanovac,  einen  aus 
wenigen  Häusern  bestehenden  Ort,  der  1860  auf  Fürst  Milos'  Befehl  zur  Erinnerung 
an  dessen  Bruder  seinen  früheren  Namen  „Supeljak"  aufgeben  musste.  Hier  lag 
das  nach  der  Tab.  Peut.  17,  nach  dem  Itin.  Ant.  nur  16  Millien  von  Horreum 
Margi  entfernte  Praesidium  Dasmini,  dessen  Kastell  auf  dem  westlichen, 
335  m  hohen  Gradacberg  stand.  5  Millien  NW.  folgte  nach  dem  itin.  Hieros., 
die  Mutatio  Sarmatae,  eine  sarmathische  Kolonie  aus  der  Zeit  Konstantins, 
weiche  Justinian  gleichfalls  befestigte;  sie  befand  sich  wahrscheinlich  bei  der 
Mehana  Sekirica  am  Tatocinabach. 

Das  vom  grossen  Belgrad-Niser  Heerweg  durchzogene  Hügelland  ist  gegen 
NW.  gut  kultiviert.  Das  Auge  wird  erquickt  durch  prächtige  Maisfelder  und  üppig 
grünende  Wiesen,  zwischen  welchen  hier  und  dort  junger  Eichenwald  die  Höhen 
hinanzieht,  im  Jahre  1813  erlitten  die  Türken  am  nahen  Lipovacbach  eine 
Niederlage.  300  Köpfe  wurden  abgeschnitten  und  der  vornehme  Krusevacer  Beg 
Trencevic  getötet.  Um  in  den  Besitz  seines  verlorenen  Säbels  zu  gelangen, 
ermordete  dessen  Bruder  zwei  Serben  im  Dorfe  Lipovac,  ohne  ihn  zu  erlangen. 
Vielleicht    hängt    mit    diesem     Racheakt    auch    die    Entführung   zweier   Mädchen 


')  Glasnik,  XLV,  S.  35. 


110  über  Deligrad,  Soko-Banja  auf  den  Rtanj  und  nach  AIcksinac. 

Marija  und  A^ilkana  aus  dem  benachbarten  Mozgovo  durch  die  Begs  Trencevic' 
eng  zusammen,  welche  1832  zur  Verjagung  aller  Moslims  aus  diesem  Landesteil 
durch  die  revoltierende  Rajah  führte.  Bei  Mozgovo  wurde  schon  1813  heftig 
gestritten;  aus  fünfzehn  Wunden  blutend,  fiel  dort  der  berühmte  tapfere  Wojwode 
Jovan  Kursula,  dessen  Heldentod  ein  schönes  Volkslied  und  der  Maler  Ranos 
1897  durch  ein  warm  empfundenes  Bild  verherrlichten. 

Von  Deligrad  zieht  die  Strasse  weiter  durch  verfallende  Schanzen  SO.  auf 
dem  allmählich  sich  verflachenden  rechten  Moravaufer.  Südlich  tritt  über  dem 
1000  m  hohen  Mali  Jastrebac  der  Gipfel  der  Suva  Planina  bei  Nis  auf,  nordöstlich 
gelangt  über  niedrigere  Höhen  das  scharfgeschnittene  Rtanjprofil  zum  Vorschein. 
Zuletzt  geht  es  südöstlich  über  hügeliges  Terrain  hinab  in  das  von  zahllosen 
Weiden  erfüllte  Moravicatal,  zum  vor  wenigen  Dezennien  als  Grenzquarantäne 
begründeten,  1876  viel  umstrittenen  Städtchen  Aleksinac,  in  dessen  bester 
Mehana  ich  abstieg. 

Zeitig  morgens  schlug  ich  die  Route  nach  „Soko-Banja"  ein,  um  das 
günstige  Wetter  zu  einer  Besteigung  des  von  Boue  vielgerühmten  Aussichtspunktes 
Rtanj  zu  benutzen.  Ich  wollte  nicht  wieder,  wie  auf  dem  Kopaonik,  durch  das 
„Zu  spät"  von  wenigen  Stunden  die  Aufnahme  eines  der  interessantesten 
Panoramen  verlieren  und  verschob  die  Besichtigung  der  Stadt  und  interessanteren 
Moravicapunkte  bis  zur  Rückkehr.  Befeuert  durch  eine  Quantität  Rakija,  liess 
mein  Kutscher  seine  drei  braunen  Pferdchen,  solange  es  die  Strasse  gestattete, 
rasend  hinjagen,  kaum  blieb  mir  Müsse,  die  Reize  der  Moravicaschlucht  zu 
bewundern.  Sie  ist  an  pittoresken  Schönheiten  reich  wie  wenige  Serbiens.  Dies 
gilt  namentlich  von  der  wildromantischen  Klisura  (Engpass),  deren  burgenbekrönte 
Glimmerschieferwände  sich  oft  zu  beiden  Seiten  hoch  und  steil  auftürmen.  Als 
wir  das  sich  erweiternde  Tal  verliessen,  erschien  das  spitze  Haupt  des  Rtanj,  das 
mit  jeder  zurückgelegten  Krümmung  riesigere  Dimensionen  annahm,  bis  endlich 
die  kühngeschnittene  Bergpyraniide,  weithin  die  Hochebene  von  Soko-Banja 
beherrschend  und  die  sie  einschliessenden  Berge  zu  Hügeln  herabdrückend,  hart 
vor  uns  lag. 

In  5  Stunden  hatten  wir  unser  Reiseziel,  das  „Falkenbad",  erreicht,  dessen 
Arzt  Klinkovski  mich  in  seinem  gastlichen  Hause  aufnahm  und  mein  gefälliger 
Cicerone  blieb.  Sein  ganzes  Streben  war  auf  das  Aufblühen  der  Therme 
gerichtet,  die  traditionell  ihre  Heilkraft  zuerst  bewährte,  als  ein  altserbischer 
Wojwode,  vielleicht  der  Schlossherr  des  nahen  „Sokograd",  zufällig  in  ihrer  Nähe 
vom  Pferde  stürzte.  Man  wusch  seinen  beschädigten  Arm  mit  dem  heissen  Wasser, 
er  badete,  genas  und  liess  über  der  Quelle  ein  Haus  errichten.  Soko-Banja  wuchs 
und  gewann  besonders  unter  den  badelustigen  Türken  grössere  Ausdehnung. 
Als  sie  aber  dort  einen  Vladika  (Bischof)  hängten,  verfiel  der  blühende  Ort. 
So  erzählt  das  Volk.  Geschichtlich  wird  Soko-Banja  zuerst  1690  erwähnt,  als 
es  die  Kaiserlichen  den  Türken  entrissen  und  mit  500  Pferden  und  3000  Dukaten 
brandschatzten.  Die  Schilderung  des  Bades  von  1737  stammt  vom  Grafen 
Schmettau,  nachdem  Festetics  Husaren  es  genommen:  „Le  Bourg  de  Bagna  est 
un  lieu  charmant,   il  y  a  un  chäteau  de  Mafonnerie  qui  paratt  fort  ancien,  il  y  a 


über  Deligrad,  Soko-Banja  auf  den  Rtanj  und  nach  Aleksinac.  111 

des  Bains,  qu'on  dit  merveilleux.  Ils  sont  faits  de  marbre  et  entretenus  avec 
beaucoup  de  proprete.  Les  Turcs  y  viennent  de  tont  cöte  et  meme  de  l'Asie." 
Dieser  hochgebildete  deutsche  Offizier,  der  den  Feldzug  1737  im  i<.  Heere  mit- 
gemacht und  mit  grosser  Wahrheitsliebe  in  seinen  „mömoires  secröts"  erzählte, 
hielt  sich  merkwürdigerweise  für  einen  Abkömmling  des  Zaren  Lazar  Grbljanovic 
und  schlug,  in  reifem  Alter  stehend  —  wie  aus  einem  von  Bogiäic  zu  Paris 
aufgefundenen  Memorandum  hervorgeht  —  im  Jahre  1744  König  Ludwig  XV.  vor, 
neben  der  Moldau  und  Walachei  ein  drittes  Fürstentum  „Serbien"  zu  konstituieren 
und  dessen  Regentschaft  ihm  anzuvertrauen. 

Im  serbischen  Befreiungskriege  wurde  Soko-Banja  zum  erstenmal  durch  Veljko 
1808  den  Türken  entrissen,  doch  von  ihnen,  nachdem  sie  die  Serben  am  Cegr ') 
geschlagen,  wiederbesetzt.  Als  das  1810  über  die  Donau  gegangene  russische 
Hilfskorps  unter  Graf  Orurk  am  Tiniok  gegen  Deligrad  marschierte,  verjagte 
die  von  Veljko  geführte  Vorhut,  russische  Ulanen  und  Kosaken,  die  türkische 
Kavallerie  bei  Soko-Banja  und  nahm  am  3.  Oktober  dessen  Schanze  nach  hartem 
Kampfe.  Von  ihren  400  Verteidigern  blieben  nur  90  am  Leben-).  1813  wurde 
Soko-Banja  wieder  türkisch  und  blieb  es  bis  1833,  bis  zur  Erlangung  der 
erweiterten  Südgrenze  des  Fürstentums.  Anfänglich  bestand  hier  das  Gericht  für 
den  neuen  Aleksinacer  Kreis;  1835  übersiedelte  es  aber  nach  dem  von  Milos  sehr 
begünstigten  Aleksinac,  wofür  er  das  aus  dem  Schutte  emporwachsende  Städtchen 
durch  eine  Kirche  entschädigte  und  durch  die  Benutzung  seiner  Therme  förderte, 
die  auch  stetig  wuchs,  obschon  es  an  jedem  Komfort  noch  fehlte. 

Bei  meinem  ersten   Besuche   (1860)   stellte   ich   fest,   dass   Banja   2,7  geogr. 
Meilen  östlicher  und  0,5  Meilen  südlicher  als  auf  Kieperts  Karte  liege,  was  1872 
durch  die  österreichischen  astronomischen  Ortsbestimmungen  bestätigt  wurde.  Dass 
seine  Therme  schon  den  Römern    bekannt  gewesen,  wurde   längst  angenommen, 
war  aber  nicht  erwiesen.     Bei  der  Erneuerung  des  grossen  Bassins  mochte   man 
auf   alte   Substruktionen    gestossen    sein,    und    aus   jener   Zeit    erhielt    sich    die 
Tradition,  dass  diese  von  den  „latini"    herrühren.     Leicht  gelang   es   mir,  einige 
antike  Ziegelfragmente  dort  aufzufinden;   1864  aber,  als  ich  das  serbisch-türkische 
Timokgebiet  eingehender  durchforschte,  ergab  sich,   dass  eine  bedeutende  Partie, 
der  das  grosse  Badebassin  umschliessenden  Mauern  römisch  sei,  und  ich  fand  einen 
aus  langen,  starken  Backsteinen  rundbogig  gewölbten,  wahrscheinlich  zur  Ventilation 
angelegten  Kanal.     Das  Detail  über  diese  Untersuchung  findet  der  für  Archäologie 
spezieller    sich    interessierende    Leser    in    meiner    „Reise    in    Süd-Serbien    und 
Nord-Bulgarien"-').     Die  kleineren,   an  das  grosse  Bassin   stossenden   Baderäume 
sind  zweifellos   türkisch   und   ihre  vor  etwa   dreissig  Jahren    erneute   kuppelartige 
Bedachung    serbisch.      Das    Ganze,    ein    bauliches   Denkmal    aus    verschiedenen 
Zeiten,    böte   ein    noch    höheres    Interesse,    wären    nicht    die    raffinierten    Bade- 
einrichtungen   der  Römer   von    den    ihnen    nachgefolgten  weniger   verweichlichten 
Völkern  zerstört  worden. 

')  M.  Dj.  Milidevid,  Kraljevina  Srbija,  S.  77 

-)  Documente  privitore  la  storia  Romanilor.    Bukuresci  1887,  S.  308. 

')  A.  a.  O. 


112 


Über  Deligrad,  Soko-Banja  auf  den  Rtanj  und  nacli  Aleksinac. 


Die  Heilquelle,  welche  Baron  von  Herder  mit  Pfäffers  und  Gastein  verglich 
und  andere  Steiermarks  Römerbad  gleichstellen,  weil  sie  nur  geringe  Mengen 
von  Salzsäure  und  Eisen  besitzt,  entfliesst  einem  Kalkfelsen,  unter  fortwährendem 
Gasausströmen,  3  m  tief  unter  der  Erde,  dürfte  jedoch  in  dem  benachbarten 
trachitischen  Gebirge  entspringen.  Sie  gibt  in  der  Stunde  25  Kubikmeter  klares, 
färb-  und  geruchloses  Wasser  mit  Kalkgeschmack  von  46,5"  C. '),  welche  ein 
Kaltwasserzulauf  im  Bassin  auf  35"  herabmildert;  aus  diesem  läuft  sie  in  ein 
anstossendes  kleineres,  das  in  gewissen  Stunden  ausschliesslich  für  Frauen 
bestimmt  ist.  1  km  SO.  von  der  Hauptquelle  entfliesst  Soko-Banjas  kalkigem 
Boden  die  zweite   Quelle  „Banjica"   mit  37"  C,   etwa  5  Kubikmeter  stark  in  der 


SOKO-BANJA.    Plan  der  antiken  Reste. 


Minute.  Das  Volk  schreibt  dieser  ganz  besondere  Heilkraft  zu  und  hält  sie  für  heilig. 
Man  pilgert  viel  zu  ihr,  wirft  Kupfermünzen  in  das  Wasser  und  ist  von  bestimmt 
folgender  Genesung  überzeugt;  wer  es  aber  wagte,  ein  geopfertes  Geldstück 
herauszunehmen,  dürfte  ebenso  gewiss  erkranken.  Ich  sah  viele  Münzen  im 
Wasser.  Der  dritte,  von  den  Türken  im  Hochsommer  einst  viel  besuchte  Quell 
„Djerdjelez"  liegt  auf  einer  Hochebene  des  nahen  Ozrengebirges,  und  näher  der 
Stadt  ein  kalter  Quell,  in  dem  Fieberkranke  baden. 

Soko-Banjas  Physiognomie  war  während  meines  ersten  Besuchs  eine  sehr 
belebte.  Fürst  Milos  war  wenige  Tage  zuvor  angekommen,  um  dort  Heilung  zu 
suchen;  er  wollte  durchaus  noch  10  Jahre  leben,  folgte  aber,  wie  ich  aus  bester 
Quelle  erfuhr,  auch  in  ärztlichen  Dingen  nur  dem  eigenen  Sinne.  Er  Hess  oft 
berühmte  Kapazitäten  der  Wiener  Schule  kommen,  konsultierte  sie,  bezahlte  generös, 


')  Lozanid,  Analyse  serb.  Mineralwässer,  Gl.,  Bd.  43. 


über  Deligrad,  Soko-Banja  auf  dun  Rtanj  iiiui  iiacli  AIcksinac.  11'^ 

beachtete  aber  schliesslich  ihre  Ratschläge  gleichwenig  wie  die  seines  tiJclUigen 
Leibarztes  Belloni.  Mit  seltenem  Gleichmut  ertrug  letzterer  die  Launen  seines 
(lebieters.  Die  ganze  Umgebung  des  Fürsten  gab  zu  jener  Zeit  Proben  grösster 
llrgebenheit  für  Milos,  der,  durch  grosse  kOrperiiche  Leiden  gequält  und  geärgert 
durch  die  von  allen  Acrzten  dringend  empfohlene  Diät  und  gleichmässigc 
Lebensweise,  sehr  reizbar  und  launenhaft  war.  Schon  auf  der  Reise  machte  sich 
seine  aufgeregte  Stimmung  sehr  oft  Luft.  Kurz  vor  Soko-Banja  traf  der  Fürst 
beispielsweise  einige  unbestellte  Felder;  kaum  dort  angekommen,  liess  er  ihren 
Figentümer  vor  sich  rufen  und  drohte  ihm,  er  lasse  ihn  selbst  vor  den  Pflug  spannen, 
würde  er  nicht  am  nächsten  Morgen  arbeitend  auf  dem  Felde  gefunden.  Vom 
Thronerben  bis  zum  letzten  Manne  fürchtete  alles  im  Lande  den  gewalttätigen  Sinn 
des  alten  Herrn.  Niemand  wagte  zu  widersprechen,  wo  der  „veliki  Gospodar" 
(der  grosse  Herr)  befohlen  hatte.  Von  Soko-Banja  erliess  der  kranke  Fürst  ganz 
detaillierte  Weisungen  für  seine  nach  Konstantinopel  gesandte  Mission,  welche 
mit  allen  Mitteln  —  er  wies  grosse  Summen  zu  diesem  Zwecke  an  —  seinem 
Hause  die  Erblichkeit  des  Thrones  und  dem  Lande  eine  grössere  Autonomie 
sichern  sollte.    Die  ungünstigen  Berichte  von  dort  verschlimmerten  seinen  Zustand. 

So  wenig  wie  in  dem  von  Fürst  Alexander  bewohnten  Belgrader  Palaste 
mochte  Milos  zu  Soko-Banja  im  Hause  der  Karadjordjevice  residieren.  Er  stieg 
im  kleinen  Bezirksamtsgebäude  ab,  vor  dem  seine  reichkostümierte  berittene 
Leibgarde  unter  Zelten  kampierte.  Des  Fürsten  Anwesenheit  hatte  viele  angesehene 
Persönlichkeiten  nach  Soko-Banja  geführt.  Vor  dem  Badehause  promenierte  die 
„schöne  Welt".  Man  hörte  da  Frauen  in  der  reichen,  kleidsamen  Nationaltracht, 
umschwärmt  von  jungen  Offizieren  und  Dandys,  sich  in  Ermangelung  occidentalen 
Konversationsstüffs  mit  der  heimischen  Chronique  scandaleuse  unterhalten.  Die 
Staffage  zweiter  Klasse,  Bauern,  Soldaten  und  Gesinde,  sammelte  sich  um 
den  Abfluss  des  Bades  und  wusch  dort  ganz  ungeniert  ihre  Füsse,  Kinder  mid 
—  schmutzige  Wäsche. 

Mit  Ausnahme  des  für  die  fürstliche  Familie  bestimmten  „Konace",  aus  dem 
eine  Treppe  direkt  in  das  Herrenbad  führt,  eines  stockhohen  kasernenartigen 
Gästehauses  und  der  Anstellung  eines  Badearztes  tat  die  Regierung  als  Eigentümerin 
der  Therme  wenig  für  dieselbe.  Noch  bei  meinem  zweiten  Besuche  (1864)  fehlte 
es  an  Einzelbädern,  schattigen  Promenaden,  Restaurationen  und  Cafes,  mit  einem 
Worte:  an  den  bescheidensten  Annehmlichkeiten.  In  den  wenigen,  schlecht 
assortierten  Läden  fielen  mir  damals  neben  den  von  bulgarischen  Mutavdzi  aus 
Pferdehaar  gewebten  Decken,  Säcken  usw.  trefflich  gewebte,  meist  karierte  Tuch- 
stoffe auf,  die  hier  erzeugt  und  zu  verhältnismässig  billigem  Preise  verkauft  wurden; 
der  30  —  40  cm  breite  Arsin  kostete  nur  1.50  d,  der  Stoff  für  einen  ganzen 
Anzug  48  d.  Die  Kriegsjahre  1876— 78  wurden  zu  Soko-Banja  schwer  empfunden. 
Die  Türken  drangen  bis  in  die  benachbarte  Klisura  ein  und  verwüsteten  ihre  ganze 
südliche  Umgebung. 

Im  letzten  Dezennium  schritt  man  endlich,  wie  ich  1897  fand,  mit  grösserer 
Energie  zur  Hebung  von  Soko-Banja.  1888  begann  seine  Regulierung  nach  dem 
vom    Zivilingenieur    Roman    Balajnski    entworfenen    Plane.      Dreissig    villenartige 

K.   KANITZ,  Strbien.    U.  ^ 


114  Über  Deligrad,  Soko-Banja  auf  den  Rtanj  und  nach  Alcksinac. 

Häuser  umgeben  die  vom  1898  verblichenen  Metropoliten  Miliail  seinem  Geburts- 
orte mit  russischer  Hilfe  erbaute  byzantinische  Kuppeikirche,  welche  er  1892 
persönlich  „Christi  Verklärung"  weihte.  40  000  d  widmete  er  ausserdem  für  das 
stattliche  Schulhaus.  Unfern  des  guten  Baderestaurants  wurde  ein  hübscher  Park 
mit  kleinem  Weiher  auf  4000  m=  geschaffen.  Die  Strassen  erhielten  Namen,  die 
Häuser  Nummern,  die  Hauptquelle  wurde  neu  gefasst,  Porzellanwannen  eingeführt; 
auch  ein  1300  m  langer  Pronienadenweg  über  das  „Tetomirov  grad"  und  den 
Wasserfall  „Ripaljka"  angelegt  und  zu  Ehren  des  Schöpfers  all  dieser  Neuerungen 
„Romanski  put"  genannt.  Andere  landschaftlich  reizende  Spazierwege  führen  zum 
„Momin  Kamen",  in  die  nahe  südliche  Schlucht  zur  „Lepterijaquelle",  zu  den 
zwei  alten  Ulmen  am  Hause  des  Djordje  Milutinovic,  bei  welchen  Heiduck  Veljko 
um  Sieg  betete,  zu  seiner  nahen  Schanze  u.  a.  0.  Der  1895  gegründete  „Ver- 
schönerungsverein" erwarb  sich  anerkennenswerte  Verdienste,  und  nicht  minder 
bemühen  sich  die  tüchtigen  Ärzte  Lojic  und  Popovic  durch  die  Verwertung  der 
zahlreichen  kalten  Quellen  und  kleinen  Seen  für  hydropathische  Kuren  und  die 
Anwendung  der  Elektrotherapie  um  die  Hebung  des  jungen  Badeortes.  1897  fand 
ich  das  bereits  2340  Seelen")  in  470  Häusern  zählende  „Soko-Banja"  von  der 
Elite  Belgrads  besucht.  Eine  mir  gewidmete  Photographie  zeigt  die  russische 
Diplomatenfamilie  Laube,  den  Gelehrten  Novakovic  u.  a.,  gelagert  auf  grünem 
Plane  am  Wege  nach  dem  kaum  2  km  fernen,  hochromantischen  „Soko  grad", 
das  dem  „Aleksinacka  banja"  den  heutigen  Namen  gab.  Man  vergleiche  nur  die 
beiden  Illustrationen  von  1897  und  1860,  um  zu  finden,  wie  auffällig  sich  die 
gesellschaftliche  Physiognomie  des  Badeortes  während  der  letzten  Dezennien 
verändert  hat. 

Auf  steilem  Pfade  geht  es  aufwärts  zu  den  drei  festen  Schlossabschnitten, 
deren  höchster  an  einem  gänzlich  isolierten  Felsen  klebt.  In  den  sorgfältig  aus- 
geführten Wölbungen  seiner  ungewöhnlich  starken  Fundamente  traf  ich,  ausser 
antiken  Ziegeln,  noch  andere  technische  Merkmale,  welche  für  ein  Römerkastell 
zum  Schutze  der  Therme  und  der  östlich  weiter  ziehenden  Strasse  an  diesem 
Punkte  sprachen.  Die  von  den  Serben  „Soko"  (Falke)  genannte  Feste  dürfte  mit 
dem  in  der  erwähnten  Lebensschilderung  des  Despoten  Stevan  Lazarevic  bei 
Svrljig  genannten  Sokolnica  identisch  sein.  Wie  meine  Skizze  zeigt,  ist  ein  grosser 
Teil  der  eines  der  schönsten  Beispiele  mittelalterlich-serbischer  Feudalbauten 
bildenden  Burg  wohl  erhalten.  Die  Aussicht  vom  Fusse  des  höchsten  Turmes  über 
die  im  tiefen  Grunde  sich  durchwindende  Banjica  und  die  gegenüber  zerklüftet 
aufragenden  Felsmauern  weg  auf  die  Soko-Banjaer  Hochebene  ist  prächtig. 

Während  ich  diese  archäologisch  interessante  und  landschaftlich  lohnende 
Partie  machte,  traf  der  Bezirkskapetan  die  nötigen  Vorkehrungen  zum  Ausflug 
auf  den  Rtanj.  Meine  offizielle  Begleitung  wartete  bereits  marschfertig  um  4  Uhr 
morgens.  Die  liebenswürdige  Doktorsgattin  hatte  die  Bissage  mit  Proviant  und 
einigen  Flaschen  Wein  gefüllt.  Kompass,  Barometer,  Fernglas  und  Mappen  waren 
versorgt,  die  Gewehre  geladen  und  rasch  ging  es  nach  dem  am  Fusse  des  Rtanj 


1)  1905  zählte  es  2393  Einwohner. 


33 


Ober  Deligrad,  Soko-Banja  auf  den  Rianj  und  nach  Aleksinac. 


ir 


liegenden  Sarbanovac,  das  in  einer  Stunde  erreiciit  war.  Einigen  Aufenthalt 
verursachte  es,  bis  der  Kniet  (Ortsrichter)  von  seinem  Felde  herbeigeholt  wurde, 
welcher  auf  des  Kapetans  Befehl  inicii  perscuilich  auf  die  Rtanjspitze  führen 
sollte.  Ich  betrat  in  Sarbanovac  zum  erstenmal  ein  bulgarisches  Haus  und 
benützte  die  unfreiwillige  Müsse  zu  seiner  genauen  Besichtigung.  Bewohner  und 
Einrichtung  erregten  schon  deshalb  mein  Interesse,  weil  dieses  Dorf  den  vor- 
geschobensten nördlichen  Posten  jenes  Bulgarcnvolks  bildet,  das  ich  bald  auf 
dessen  eigenem  Boden  aufsuchen  wollte. 

Am  12.  Oktober  1877  war  Sarbanovac  der  Schauplatz  des  ersten  in  Serbien 
wissenschaftlich  dargestellten  Meteoritenfalles.  Gegen  2  Uhr  nachmittags  hörte 
man  drei  starke  Detonationen,    welchen   mehrere   flintenschussartige    folgten,   und 


Schloss  Soko. 


gleichzeitig  fielen  aus  den  grauen  Wolken,  auf  welchen,  wie  die  Bauern  dem 
Professor  Pancic  versicherten,  lichte  Gestalten  auf  weissen  Rossen  umherritten, 
feurige  Steine,  die  man  des  Zaubers  wegen  nicht  zu  berühren  wagte.  Man  wähnte 
den  Weltuntergang  gekommen;  die  aufgeregten  Menschen  und  erschreckten  Tiere 
flüchteten  nach  allen  Seiten.  Der  schwerste  der  Steine  mit  38  kg  wurde  6  km 
nördlich  von  Soko-Banja,  ein  zweiter  mit  16,3  kg  westlich  und  ein  dritter  mit  9,8  kg 
über  3  km  östlich  von  Sarbanovac  ausgegraben;  viele  an  anderen  Stellen  angeblich 
gefallene  waren  nicht  auffindbar. ') 

Der  freundliche  alte  Kmet  machte  sich  rasch  reisefertig,  und  im  Galopp  ging 
es  über  das  sanftgewellte  terrassenförmige  Piedestal  der  Pyramide  im  Tale  der 
Moravica.  Die  Landschaft  erschien  hier  traurig  verödet.  Bei  einer  ärmlichen 
Hirtenniederlassung  heftete  sich  ein  Rudel  wolfartiger  Hunde  heulend  an  unsere 
Fersen.     Ein  abgefeuerter  Pistolenschuss  steigerte  ihre  Wildheit  zur  Raserei,  und 


')  Glasnlk,  Bd.  48. 


llf^  über  Deligrad,  Soko-Banja  auf  den  Rtanj  und  nach  Aleksinac. 

wir  hatten  viel  zu  tun,  sie  uns  vom  Leibe  zu  halten.  Nach  einstündigem 
beschleunigten  Ritte  durch  niederes  Laubhoiz  gelangten  wir  an  den  Ostfuss  des 
Berges.  Das  Aufsteigen  von  dieser  Seite  wird  durch  verfilztes  niedriges  Gebüsch 
und  Kalkblöcke  erschwert,  führt  aber  am  raschesten  zur  Spitze.  Es  gibt  hier 
keinen  eigentlichen  Pfad.  Ich  folgte  dem  Kmeten  Schritt  für  Schritt,  das  Pferd 
am  Zügel  nachziehend,  manchmal  erschöpft  auf  einer  Grasoase  ausruhend.  Das 
Auge  hing  dann  an  der  üppigen  Flora  im  Vorgrunde  und  an  der  sich  erweiternden 
Fernsicht,  worauf  wir  wieder  aufwärts  kletterten. 

Endlich  war  die  gegen  1566  m  hohe  Siljakspitze  erreicht.  Ein  Ausruf  des 
Entzückens  entfuhr  meinen  Lippen  über  das  vor  meinen  Blicken  sich  entrollende 
Panorama.  Mit  Zuhilfenahme  der  geographischen  Nomenklatur  könnte  ich  hier 
dessen  Peripherie  andeuten,  unmöglich  aber  seine  reizvollen  Details,  deren 
Harmonie  die  Seele  mit  überschwenglichem  Genuss  erfüllte. 

Am  meisten  fühlte  sich  mein  Blick  von  dem  mächtigen  Gebirgsstock  im 
Südosten  angezogen,  sein  hoch  sich  türmendes  vulkanisches  Massiv  kennzeichnete 
ihn  als  den  „Balkan".  Südlich  breitete  sich  das  wenig  erforschte  Gebirgsnetz  des 
klassischen  thrazisch-makedonischen  Bodens  aus;  glänzende  Gestalten,  Philipp  und 
Alexander,  belebten  es  einst  mit  beinahe  übermenschlichen  Taten.  Östlich  tauchte 
als  dünner  Silberstreif  der  „Ister"  auf  und  die  bis  zu  den  Karpathen  streichende 
riesige  linke  Ufer-Ebene,  jetzt  Rumänien  getauft;  noch  heute  von  Abkömmlingen 
der  Legionen  bewohnt,  die  einst  Trajan  zur  Bewältigung  des  dakischen  Decebalus 
über  seine  vielbogige  Donaubrücke  bei  Severin  führte.  Ich  übersah  das  ganze 
östliche  Serbien  bis  zu  der  im  Sonnenlicht  erglänzenden  Feste,  wo  „Prinz  Eugenius" 
den  Lorbeer  sich  geholt,  unterschied  manche  historisch  berühmte  Donauburg,  welche 
Griechen,  Römern,  Byzantinern,  Slaven,  Magyaren,  Türken  und  Österreichern  so 
begehrenswert  erschien,  dass  die  ihretwegen  geflossenen  Blutströme  selbst  ein 
weites  Flussbett  füllen  könnten.  Den  Mittelgrund  des  weiten  Bildes  füllte 
Serbiens  grosser  Eichenforst,  die  düstere  Sumadija,  in  deren  Tälern  Karadjordje 
und  Milos  die  hochfliegenden  Freiheitsbanner  entrollten. 

Aber  auch  nähere  interessante  Punkte  fesselten  den  Blick.  Gleich  am  Rtanj- 
fusse  liegt  auf  hohem  Kalkfelsen  das  verfallene  Schloss  Vrmdza,  dessen  Erbauung 
das  Volk  gleich  jener  des  erwähnten  nahen  Tetomirovgrad  den  Lateinern 
zuschreibt.  In  Wahrheit  entstand  es  auf  einem  Römerkastell,  das  die  antike  Strasse 
schützte,  welche  das  W^gnetz  von  Naissus  mit  dem  am  Timok  zur  Donau  laufenden 
verband.  Am  Wege  nach  dem  özren  steht  unfern  des  Wasserfalles  der  Gradasnica, 
1  Stunde  südwestlich  von  Soko-Banja,  das  sehr  in  Ehren  gehaltene,  1864  restaurierte 
Kirchlein  Jermencic.  Weiter  erscheint  südlich  an  der  Josanica  ein  alter,  schlechtweg 
„Gradac"  genannter  Bau,  und  am  Westhange  des  Rtanj  die  traditionell  von  einem 
verschwundenen  Zarenkloster  gebliebene  Kirchenruine  „Kaludjer".  Bei  dem 
südlichen  Muzinac  haben  wenige  Hundert  tapfere  Serben  unter  Dobrnjac  und 
Paulj  die  von  ösman  Pazvandzija,  Jusuf  Aga,  Porec  Ali  und  Rusen  Aga  geführten, 
weit  stärkeren  Türken  im  Freiheitskriege  so  zerspreng,  dass  sie  mit  grossen 
Verlusten  nach  Vidin  flüchten  mussten.  •) 

')  Srbijanka,  I,  S.  114. 


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über  Deligrad,  Soko-Banja  auf  den  Rtanj  und  nach  AIcksinac.  121 

Südwestlich  zeigten  sicli  über  dem  Kopaonii<  die  iiohen  Berge  Altserbiens  bis 
zur  iiöciisten  Spitze  der  Balkan-Halbinsel,  dem  l.jubotin  (3050  m'),  deren  Schluchten 
fortwährender  Streit  zwischen  Arnaulen  und  Serben  erfüllt.  Verdient  die  nach 
Unabhängigkeit  von  ihren  moslimischen  Drängern  ringende  Bevölkerung  wirklich 
unsere  Sympathien?  Wer  ihr  unsägliches  Elend  selbst  sah,  das  sie  zur  Auswanderung 
nach  Serbien  treibt  (Kap.  X),  zweifelt  nicht  daran.  An  einen  mächtigen  Felsblock 
gelehnt,  an  dem  rote  Nelken  zu  weissen  verblasstcn,  isländisch  Moos  aber  lieblich 
blühte  und  grünte,  sah  ich  lange  Zeit  sinnend  hinaus  in  die  mit  dem  Äther  sich 
vermählende  Ferne  und  hätte,  meine  Aufgabe  vergessend,  noch  lange  über  die 
Vülkergeschicke  nachgedacht,  welche  das  vor  mir  ausgebreitete  herrliche  Stück  Welt 
von  der  klassischen  Vorzeit  bis  auf  unsere  Tage  an  sich  vorüberziehen  sah,  hätte 
nicht  mein  Begleiter  bemerkt,  dass  es  kühl  würde.  Vorsorglich  schnallte  er  meinen 
Mantel  vom  Sattel  ab  und  reichte  mir  die  mit  wärmendem  Rakija  gefüllte  Cutura. 

Nun  schritt  ich  zur  Arbeit,  peilte  die  höchsten  Bergspitzen  und  krokierte 
das  Profil,  das  Viquesnel  in  seiner  „Voyage  dans  la  Turquie  de  l'Europe"  ver- 
öffentlichte. Hier  gebe  ich  einige  orographische  Details  des  serbischen  Boden 
einschliessenden  Rundbildes.  Es  beginnt  im  Osten  mit  den  über  2000  m  hohen 
Bergen  des  Piroter  Kreises,  vom  Sveti  Nikola-Balkan  überragt.  Gegen  SO.  treten 
die  Kuppen  der  Suva  Planina  auf  und  im  südlichen  Vorgrunde  das  Ozren-  und 
Mali  Jastrebac-Gebirge,  zwischen  welchen  die  Süd-Morava  fliesst.  Westlich 
öffnet  sich  zwischen  den  Sumadijabergen,  dem  Veliki  Jastrebac  und  anschliessenden 
Kopaonik  das  breite  Tal  der  West-Morava.  Nördlich  erscheinen  sämtliche 
Gebirgszüge  bis  zur  Save  und  Donau;  dicht  unter  uns  zwischen  dem  Rtanj  und 
Golubinje-Gebirge  das  viel  verästelte  Quellengebiet  des  Mali  Timok;  man  kann 
seinen  Lauf  genau  verfolgen  und  Zajecar  erkennen,  bei  dem  er  sich  mit  dem 
Veliki  Timok  vereinigt,  um  dann  mäanderartig  der  Donau  zuzufliessen. 

Der  nach  des  Ingenieurs  Jiracek  neuester  Messung  1621  m  hohe  Rtanj 
erhielt  seinen  Namen  von  dessen  einem  ruhenden  Windhund  ähnlicher  Gestalt. 
Er  ist  ein  Längenberg,  dessen  südwestlicher  Fuss  aus  Grauwacke  und  je  h(')her 
zur  Spitze  aus  immer  mehr  sich  aufrichtendem  Grauwackenschiefer  besteht.  An 
der  Nordostseite  besitzt  er  schroffe  Abfälle  und  Wände  von  plötzlich  empor-: 
steigenden  gewundenen  Schichten,  deren  gewaltsamer  Aufbruch  wahrscheinlich 
von  SO.  her,  wo  der  Syenit-Porphyr  liegt,  erfolgte.  Prächtiger  Fichtenwald,  der 
einzige  in  ganz  Serbien,  zieht  hier  zwischen  Tannen  und  Föhren  bis  zum  Gipfel 
hinauf.  Aus  der  reichen  Rtanjflora  sind  von  selteneren  Pflanzen  zu  nennen: 
Ramondia  serbica  Pancic,  Viola  rupestris  L.,  Dianthus  pelviformis  Heuff.,  Genista 
subcapitata  Panc.,  Caruni  graecum  Boiss.,  Asperula  ciliata  Koch,  Campanula 
pinifolia  Uechtr.  in  litt.,  Gentiana  ciliata  L.,  Daphne  Cneorum  L.  u.  a. -) 

Ich  hatte  meine  Aufnahmen  vollendet  und  musste,  um  noch  vor  dem  Einbrüche 
der  Nacht  in  Soko-Banja  einzutreffen,  dem  fesselnden  Rtanjbilde  Lebewohl  sagen. 
Von  Klippe  zu  Klippe  springend,   nahmen   wir  den  Weg  abwärts  zur^  berühmten 


')  Ritters  Geographisch-statistisches  Lexikon.    6.  AufLige.     1907. 
°)  Pancid,  Der  Kirschlorbeer  usw.,  1887. 


122  Ober  Deligrad,  Soko-Banja  auf  den  Rtanj  und  nach  Aleksinac. 

Eishöhle  (Ledenica),  die  am  Han^e  der  Pyramide  in  dichtem  Laubwalde  Hegt. 
Ihr  mit  Schlingpflanzen  überkleideter  Schacht  geht  etwa  3  m  breit  und  22  m 
tief  im  Kalkstein  nieder.  Auf  einer  aus  rohen  Baumstämmen  gezimmerten,  beinahe 
senkrechten  Leiter  klettert  man  nicht  ohne  Schwierigkeit  hinab  zur  NO.  laufenden 
Spalte,  in  der  sich  im  Frühjahre  leichtes  Eis  bildet,  das  im  Sonimer  wächst,  im 
Herbst  aber  schmilzt.  Als  wir  anlangten,  wurde  eben  Eis  auf  Wagen  für  den 
fürstlichen  Haushalt  in  Soko-Banja  verladen.  Nahe  kommen  noch  viele  kessei- 
förmige Vertiefungen  im  Kalke  vor,  die,  häufig  überdacht,  den  Hirten  und  ihren 
Herden  erwünschten  Schutz  während  der  hier  häufigen  Gewitter  gewähren. 

Wir  durchritten  einige  Gehölze  und  befanden  uns  wieder  auf  der  am  Morgen 
berührten  Hirtenniederlassung.  Nach  glücklich  überstandenem  Kampfe  mit  den 
Wolfshunden,  die  meine  Begleiter  diesmal  mit  Knütteln  tüchtig  zurechtwiesen, 
kehrte  ich  über  Sarbanovac  nach  Soko-Banja  zurück  und  beschloss  dort  im  Kreise 
der  mir  rasch  befreundeten  Doktorfamilie  einen  der  genussreichsten  Tage  meiner 
serbischen  Reisen.  Nun  soll  durch  die  von  Nis  nach  Soko-Banja  zu  öffentlichen 
Arbeiten  während  des  Sommers  entsendeten  50  Sträflinge  ein  Reitweg  auf  den 
Rtanj  ausgeführt  werden,  was  dessen  Besteigung  erleichtern  und  den  aufstrebenden 
Badeort  zu  einem  beliebten  Ausflugsziele  für  Touristen  gestalten  wird.    Glück  auf! 

Als  ich  am  nächsten  Morgen  über  Soko-Banjas  Hochebene  hinfuhr,  wurde 
es  mir  vollends  klar,  dass  sie,  wie  seine  ganze  Umgebung,  das  Produkt  einer 
gewaltsamen  Erhebung  sei.  An  einem  von  Fürst  Milos  erbauten  hübschen 
Brunnen  vorüber  gelangten  wir  nach  Uebersetzung  der  Topolnica  in  einer  Stunde 
zu  den  auf  der  Fahrt  nach  Soko-Banja  erwähnten,  an  Burgresten  reichen  „Klisura". 
Gleich  am  Defileetore  liegt  über  der  einen  kühlen  Trunk  spendenden  Mehana  auf 
einem  Hügel  das  „Gradiste",  in  dem  Deli  Radivoj,  ein  Bruder  des  berühmten 
„Starina  Novak",  gehaust  haben  soll.  Nahe  steht  ein  verfallenes  Kirchlein  „Sopot"; 
1872  setzte  ein  geisteskrankes  Weib  die  Umgebung  durch  die  Angabe  in  Auf- 
regung, es  habe  ihr  geträumt,  dass  in  dieser  Kirche  Dusans  Krone  und  andere 
Schätze  vergraben  seien.  Seitdem  haben  die  wiederholt  Nachsuchungen  anstellenden 
Bauern  den  Platz  gereinigt  und  umzäunt.  Weiter  erscheint  auf  dem  linken 
Ufer  der  eilend  dahinbrausenden  Moravica,  2  km  südlich  von  Bovan,  eine 
mittelalterliche  Burg,  welche  gleich  so  vielen  anderen  von  der  „verfluchten"  Fürstin 
Jerina  erbaut  worden  sein  soll.  Mit  dem  Turme  gegenüber  sperrte  sie  das  sich 
südlicher  ausweitende  Defilee  vollkommen  ab  und  hütete  die  ursprünglich  römische, 
noch  im  16.  Jahrh.  stark  benutzte  Strasse,  die,  bei  Deligrad  abzweigend,  nördlich 
durch  das  Gebiet  des  Timok  und  südlich  durch  jenes  der  Nisava  zum  Donau- 
limes führend,  zweifellos  auch  hohe  militärische  Bedeutung  besass.  Abzweigend 
von  Praesidium  Pompei  zog  diese  antike  Strasse  vom  Nericev  Han  (S.  108) 
über  die  sanften,  heute  mit  Reben  bepflanzten  Höhen  des  linken  Mozgovackaufers, 
NO.  vom  Engdefilee  der  Moravica,  so  dass  die  von  Osten  kommenden  römischen 
Legionäre,  ohne  den  zeitraubenden  Umweg  über  Praesidium  Pompei,  direkt  nach 
Naissus  marschieren  konnten.  3  km  südlich  von  der  Bovaner  Kula  steht  nahe 
bei  dem  von  unserer  Strasse  durchzogenen  Subotinac  die  beste  Schwarzkohle 
des  grössten  tertiären  Kohlenbeckens  Serbiens,  genannt   „Kraljevac",  an.     Prof. 


über  Deligrad,  Soko-Banja  auf  den  Rtanj  iitnl  nach  Aleksinac.  123 

Lozanic  bestimmte  sie  mit  C  54,83,  H  —  4,48,  Asche  —  5,78,  Kalorien  ^-  4029. 
Diese  mit  95  Grubenfeidcrn  i<onzessioniertc  Mine  besteht  aus  zwei  3,5  und  3  m 
stariien,  zwischen  Sandstein  und  Paraffinschiefer  iaj;ernden  Flözen,  weiche,  von 
J.  Apei  und  Dr.  Djoka  Dimitrijevic  durch  drei  Schächte  und  Galerien  von  3000  m 
Länj^e  betrieben,  1895  mit  16  Arbeitern  12450  q  lieferte,  die  in  Aleksinac  zu 
1.05  d  per  q  verkauft  wurden. 

Bei  dem  folgenden  Kraljevo  stiess  ich  auf  Ruinen  zerstörter  Moscheen  und 
anderer  türkischer  Bauten.  Nach  der  Mitteilung  des  Aleksinacer  Ingenieurs  wurden 
beim  Strassenbau  aber  auch  römische  gestempelte  Ziegelsteine  gefunden.  Nach 
neueren  Forschungen  stand  hier  die  altserbische  Handelsstadt  Bovan,  welcher  die 
Zarin  Milica  und  ihr  Sohn  im  Jahre  1395  die  alljährliche  Leistung  von  500  Stöcken 
Salz  an  das  Athoskloster  Sv.  Pantelija  auferlegten.  Prinz  Musa,  der  Bruder  Murats  II., 
eroberte  Bovan  1413  und  zerstörte  wahrscheinlich  seine  Burg.  Als  Verantius  Bovan 
im  Jahre  1553  besuchte,  besass  die  Stadt  noch  einen  berühmten  Markt. 

Vor  Kraljevo  kam  ich  nahe  der  Telegraphenleitung  an  einem  weiten  Gräber- 
felde mit  Denksteinen  aus  Glimmerschiefer  vorüber,  das  den  Anwohnern  zu  den 
fabelhaftesten  Schilderungen  Anlass  gibt.  Nach  ihren  Angaben  enthielten  die 
„Latinsko-  und  Zidovsko  grohlje"  (Römer-  und  Judengräber)  die  Gebeine  einer 
Generation  von  riesiger  Körperlänge  und  besonders  starkem  Knochenbau.  Nur 
eine  persönliche  Untersuchung  konnte  zur  Aufhellung  dieser  und  anderer  Sagen 
führen.  Auf  meiner  ersten  Reise  gebrach  es  mir  leider  an  der  nötigen  Zeit  und 
amtlichen  Erlaubnis  zur  Eröffnung  eines  dieser  Riesengräber;  im  Herbste  1864 
opferte  ich  aber  meinem  Forschungsdrang  im  Bolvaner  Han  eine  schlaflose  Nacht, 
um  früh  am  Morgen  mit  der  Arbeit  zu  begitnien.  Bei  den  primitiven  ländlichen 
Werkzeugen  dauerte  es  trotz  meiner  Aneiferung  mehrere  Stunden,  bis  wir  auf 
das  erste  Gerippe  kamen.  Die  Umfassung  der  Grabstätte  bestand  aus  unbehauenen 
Felsblöcken,  von  welchen  je  zwei  der  Länge,  einer  am  Fussende  und  ein  hoch- 
aufgerichteter am  Kopfe  das  Grab  in  länglichem  Viereck  einschlössen.  Obwohl, 
ich  ein  Grab  gewählt,  das  sich  durch  besondere  Grösse  seiner  Umfassungssteine 
auszeichnete  und  das  auf  eine  hier  beerdigte  ausgezeichnete  Persönlichkeit 
schliessen  liess,  fand  ich  trotz  aufmerksamster  Untersuchung  der  ausgeworfenen 
Erde  keinen  Gegenstand,  der  nähere  Aufschlüsse  über  das  fabelhafte  Grabfeld  hätte 
geben  können.  Ausser  frischen  Tonscherben,  weiche  bald  nach  dem  Abräumen 
der  Grasdecke  zum  Vorschein  kamen,  zeigte  die  1,58  m  tiefe,  ein  männliches 
Skelett  bergende  Erdschicht  so  wenig  wie  dieses  selbst  etwas  Bemerkenswertes. 
Weder  war  es  besonders  gross,  da  es  vom  Kopfe  in  ausgestreckter  Lage  nur 
1,70  m  mass,  noch  fanden  sich  Ringe  mit  geschnittenen  Steinen  vor,  wie  sie  meine 
grabenden  Bauern  in  anderen  eröffneten  Gräbern  gefunden  haben  wollten.  Ich 
hatte  zu  viel  schlimme  Erfahrungen  bezüglich  der  Treue  ähnlicher  Behauptungen 
gemacht,  als  dass  ich  nach  dem  ganz  erfolglosen  ersten  Versuche  weiter  Zeit, 
Geld  und  Mühe  an  das  „Zidovsko  groblje"  verschwendet  hätte.  Ich  begnügte 
mich,  das  Grabfeld  zu  zeichnen  und  sandte  den  ausgegrabenen  Schädel  dem  um 
die  Erforschung  des  Totenkultus  aller  Völker  verdienten  Wiener  Professor  Romeo 
Seeligmann.     Einige    benachbarte    Gräber    bezeichnet    das   Volk   als   „Vampirsko 


124  Über  Deligrad,  Soko-Banja  nuf  den  Rtnnj  iincl  iincii  Alcksinac 

^roblje";  wie  ich  schon  früher  sagte,  ist  der  Vampyr^'laube  in  Serbien  stark 
verbreitet.  Leider  i<onnte  ich  nichts  weiter  zur  Aufhellung  von  Kraljevos  Ver- 
gangenheit unternehmen.  Alles  deutet  darauf  hin,  dass  hier  ein  altes  Gemeinwesen 
stand.  DragaSevic  identifiziert  Kraljevo  mit  einer  Stadt,  die  im  12.  Jahrh.  unter 
Nemanja  an  der  Mila  reka  (Mala  reka       Moravica)  gestanden  haben  soll. ') 

An  den  Resten  eines  antiken  Wachtturms  auf  dem  248  m  hohen  „Logoriste" 
vorbei  ging  es  nach  dem  in  Sicht  getretenen  Aleksinac.  Die  Stadt  wird  von 
der  etwas  westlicher  in  die  Morava  mündenden  Moravica  durchflössen,  und  deshalb 
ist  schwer  anzunehmen,  dass  die  Römer  an  solch  wichtigem  Strassenpunkte  kein 
ihn  schützendes  Kastell  angelegt.  Auf  einem  Plane  von  Aleksinac  aus  den 
österreichischen  Türkenkriegen  fand  ich  auf  dem  rechten  Bachufer,  nahe  der 
gegenwärtigen  Kirche,  eine  rechteckige  Palanke  mit  sechs  Rundtürmen  und  185  m 
langen  Hauptfronten,  welche  die  Türken  nach  römischem  Zuschnitte  wahrscheinlich 
aus  dem  Material  des  antiken  Werkes  erbauten,  dessen  Spuren  ich  aber  unter  dem 
hohen  Alluvium  vergeblich  suchte.  Hingegen  stiess  ich  auf  Reste  eines  massigen, 
vielleicht  von  einer  Karawanserei  oder  einem  Bade  herrührenden  türkischen 
Baues.  Die  Aleksinacer  Palanke  leistete  im  Jahre  1737  gegen  den  österreichischen 
Angriff  gleich  wenig  Widerstand,  wie  jene  von  Razanj,  als  derselbe  General 
Miglio  mit  seinen  12  Grenadierkompanien,  1000  Pferden  und  6  Geschützen  vor 
ihr  erschien.  Graf  Schmettau  schildert  diese  oft  erwähnten  Befestigungen,  das 
Vorbild  der  von  Omer  Pasa  bei  Plewna  wirkungsvoll  angewendeten  alttürkischen: 
„Die  Palanken  erheben  sich  gewöhnlich  an  den  Grenzen  oder  Hauptstrassen  nahe 
den  Städten  oder  Dörfern.  Sie  bestehen  aus  einem  Quadrat,  umgeben  von  einem 
Graben  oder  dicken  Palisaden,  sehr  hoch  bis  an  die  Spitzen  mit  Erde  verkleidet. 
In  der  Mitte  befindet  sich  gewöhnlich  ein  gemauerter  oder  hölzerner  Turm,  zum 
äussersten  Zufluchts-  und  Auslugspunkte  bestimmt.  Es  gibt  auch  Palanken,  wie 
jene  von  Temesvar,  bestehend  aus  dicken  Bäumen  oder  Balken,  durch  Eisen- 
klammern  miteinander  verbunden,  hinter  welchen  ein  Wall  sich  erhebt  und  davor 
ein  breiter  Wassergraben.  Diese  Befestigungen  bewähren  sich  besser  als  die 
gemauerten  Wälle." 

Aus  der  Ferne  gesehen,  gewährt  das  1833  serbisch  gewordene,  damals  kaum 
30  Häuser  zählende  Aleksinac  (148  m)  ein  freundliches  Bild.  Beim  Eintritt  löst 
sich  aber  das  grünumrahmte  Städtchen  in  einander  zum  Verwechseln  ähnliche, 
einförmige  Strassen  auf.  Es  besass  durchaus  unbedeutende  Gebäude,  nur  die 
Realschule,  die  1834  erbaute  Kirche,  mit  dem  Nacelnikat  und  Hause  des  eng- 
lischen Kuriers  bildeten  einen  Platz,  der  ein  wenig  an  occidentale  Städtchen 
erinnerte.  Auf  der  Carsija  war  ich  nicht  wenig  überrascht,  auch  Amanten  zu 
begegnen.  Das  albanesische  Element  stieg  seit  Jahren  aus  seinen  Steilbergen 
stetig  tiefer  herab  und  nistete  sich  im  nahen  Toplicatal  ein.  Einen  Keil  zwischen 
Serben  und  Bulgaren  bildend,  verkehrt  es  hier  friedlich  mit  seinen  christlichen 
Nachbarn,  während  es  ihnen  sonst  überall  feindlich  gegenüberstand.  1833  ward 
der  Alp   des  türkisch-arnautischen  Regiments  von   Aleksinac   genommen.     Greise 


1 
I 


')  Glasnik,  Bd.  45,  S.  35. 


über  Deligrad,  Soko-Banjn  auf  den  Rtaiij  iiiul  nach  Aleksinac.  1'25 

erinnerten  sich  noch  der  schlimmen  Tage,  wo  i<ein  Serbe  in  Aiei<sinac  ein  Fes 
oder  Kleidungsstück  von  roter  oder  grüner  Farbe  tragen  durfte;  nur  weisses 
Sukno  (grobes  Tuch)  war  gestattet;  die  Frauen  niussten  in  der  Stadt  die  „Samija", 
das  gewundene  Kopftuch,  ablegen  und  den  „Tulben",  eine  Art  runder  Mütze,  als 
Zeichen  ihrer  Verheiratung  aufsetzen.  Kein  Christ  durfte  durch  die  Carsija  reiten; 
der  erstbeste  Arnaute  hätte  ihn  getötet,  und  mancher  Rajah  büsste  wegen  nicht 
viel  grösseren  Frevels  an  einem  Aste  des  alten  Baumes,  der  noch  zurzeit  meines 
ersten  Besuchs  als  trauriges  Wahrzeichen  neben  der  Quarantäne  stand.  Damals 
gab  es  hier  auch  kein  gesellschaftliches  Leben;  die  vollständige  Absonderung 
der  Frauen  war  das  sprechende  Erbe  aus  der  Türkenzeit. 

Das  an  der  türkischen  Grenze  liegende  Aleksinac  bildete  von  1836—1878 
einen  wichtigen  Punkt  an  der  von  Mitteleuropa  nach  Konstantinnpel  führenden 
Post-  und  Warenstrasse.  Eine  lange  Holzbrücke  führte  über  die  Moravica  durch 
eine  schattige  Allee  zu  ihrer  von  Rasenplätzen  und  hohen  Baumgruppen  umgebenen 
Quarantäne,  welche  aus  mehreren  weitläufigen  Gebäuden  bestand.  In  keiner 
anderen  Rastelle  Serbiens  war  die  Personenfrequenz  gleich  stark.  Durch  dasselbe 
zogen  alljährlich  die  meisten  jener  15 — 18  000  Bulgaren  und  Cincaren,  welche  als 
Häuser-,  Feld-  und  Gemüsebauer  den  Sommer  über  in  Serbien  guten  Verdienst 
suchten,  um  im  Spätherbst  auf  demselben  Wege  mit  ihren  Ersparnissen  in  die 
Heimat  zurückzukehren,  und  ebenso  exportierte  man  mittels  Lasttier-Karawanen 
durch  dasselbe  bedeutende  Quantitäten  bulgarisch-thrazischen  Korduanleders,  Häute, 
Wolle,  Hanf  usw.  über  Belgrad  in  die  österreichischen  Fabriken,  die  verarbeitet 
als  teuere  Industrie-Artikel  oft  wieder  ihren  Rückweg  in  die  Basare  von  Nis,  Pirot, 
Sofia,  Philippopel  oder  auf  die  berühmte  Alesse  von  Uzundzova  in  Bulgarien 
nahmen,  welche  gegen  100000  Menschen  aus  der  europäischen  inid  asiatischen 
Türkei  besuchten. 

Aleksinac,  das  eine  wichtige  Zwischenstation  des  internationalen  Telegraplien- 
verkehrs  geworden,  sollte  auch  eine  solche  für  die  serbisch -türkischen  Bahnen 
werden.  Dies  versprach  ihm  zu  ersetzen,  was  es  1876  durch  den  Krieg 
an  Wohlstand  und  1878  durch  den  Wegfall  seiner  Quarantäne,  anlässlich  der 
serbischen  Gebietserweiterung  gegen  Süden,  an  konimerzieiler  Bedeutung  verloren. 
hatte.  Das  nördliche  Rutschterrain  zwang  aber  die  Ingenieure,  den  Schienenstrang 
schon  unterhalb  Stalac  vom  rechten  Moravaufer  auf  das  linke  zu  leiten,  wodurch 
Aleksinac,  4  km  von  seiner  Station  entfernt,  trotzdem  eine  stabile  Moravabrücke 
zum  leichteren  Verkehr  mit  derselben  erbaut  wurde,  die  erhofften  Vorteile  grossen- 
teils  verlor.  Eines  gewann  die  Stadt  aber  zweifellos  durch  die  Vorschiebung  der 
serbischen  Südgrenze,  dass  sie  im  Kriegsfalle  fortan  weniger  als  früher  zu  leiden 
haben  dürfte.  Da  Aleksinac  stets  die  Pforte  war,  durch  welche  die  Türken  während 
der  ersten  Freiheitskämpfe  in  das  Land  eindrangen,  wurde  es  1862,  als  das 
Belgrader  Bombardement  schwere  Konflikte  mit  der  Pforte  befürchten  Hess,  durch 
einen  starken  Schanzengürtel  befestigt  und  dieser  im  Frühjahr  1876,  als  der  Krieg 
wirklich  in  Sicht  trat,  durch  General  Zach  systematischer  ausgebaut.  Man  kann 
sagen,  Beginn  und  Ausgang  der  für  die  serbischen  Waffen  unheilvollen  Kämpfe 
jenes  Jahres  hatten  Aleksinac  zum  Mittelpunkt. 


126  Über  IX'ligrail,  Soko-Banja  auf  den  Rtanj  uiul  nach  Alcksinac. 

Die  Aufstellung  der  vom  Generalissimus  Cernjajeff  und  dessen  Generalstabs- 
ciief  Oberst  Becker  persönlich  befehligten  Morava-Armee  war  am  3.  Juli  folgende: 
Äusserster  rechter  Flügel  an  der  Jankova  Klisura  (S.  103);  rechter  Flügel  in 
Vukanja  mit  der  Reserve  in  Kaonik,  unter  Oberst  Bucovic  6  Bataillone  Krusevac, 
4  Bat.  Jagodina,  1 '/2  Eskadron  Kavallerie,  8  schwere  Vierpfünder.  Rechtes  Zentrum 
zwischen  der  Djuniska  reka  und  Süd-Morava  unter  Oberst  Milutin  Jovanovic: 
3  Bat.  Aleksinac,  4   Bat.   Smederevo,  8  Bat.  Cuprija,  7  Eskadronen,  16  schwere, 

8  leichte  Vierpfünder,  6  Zwölfpfünder;  linkes  Zentrum  mit  der  Vorhut  bei 
Tesica  unter  Hauptmann  Djurdjevic:  3  Bat.  Aleksinac,  4  leichte  Vierpfünder.  Gros 
im  verschanzten  Lager  zu  Aleksinac  unter  Oberst  llija  Markovic:  15  Bat.  der 
Suniadija-Division,  4  Bat.  Smederevo,  6  schwere  Vierpfünder.  Linker  Flügel  zwischen 
Soko-Banja  und  Aleksinac  unter  Oberst  Uzun-Mirkovic:  5  Bat.  Pozarevac,  5  Bat. 
Belgrad,  6  Bat.  Kragujevac,  4  Bat.  Jagodina,  5  Eskadronen,  24  schwere,  12  leichte 
Vierpfünder,  6  Zwölfpfünder;  äusserster  linker  Flügel  auf  der  Tresibaba  unter 
Oberstleutnant  Horvatovic:  8  Bat.  Knjazevac,  1  Eskadron,  8  schwere  Vierpfünder. 
Die  Ereignisse  auf  dem  linken  Flügel  werde  ich  im  Vlll.  und  XII.  Kapitel 
schildern;  hier  sei  die  Zusammenfassung  der  den  Krieg  entscheidenden  Vorgänge 
in  der  Zentrumsstellung  zwischen  Aleksinac  und  Krusevac  versucht. 

Von  Aleksinac  Hess  General  Cernjajeff  unmittelbar  nach  erklärtem  Kriege 
den  Oberst  Milutin  Jovanovic  gegen  Nis  demonstrieren,  während  er  selbst  mit 
dem  Gros  der  Hauptarmee  über  Knjazevac  zur  Eroberung  von  Bela  Palanka  und 
Pirot  schritt.  Diese  gelang  wohl,  doch  war  er  nicht  stark  genug,  gegen  Sofia 
vorzugehen.  Da  sein  Appell  zu  einem  Massenaufstande  der  Bulgaren  ohne 
nennenswerte  Wirkung  geblieben,  kehrte  Cernjajeff  auf  demselben  Wege  zurück, 
und  die  serbische  Offensive  verwandelte  sich  bald  in  eine,  durch  den  Anzug 
bedeutender  türkischer  Streitkräfte  bedingte  Defensive,  deren  Hauptstützpunkte 
Deligrad  und  Aleksinac  bildeten.  Jubelnd  begrüssten  seine  Bürger  die  von 
Norden  einziehenden  Verstärkungen,  welche  den  immer  näher  rückenden  Feind 
abzuhalten  versprachen.  Die  Türken  entschlossen  sich,  ihre  Operationen  am 
Timok  einzustellen  und  alle  Kräfte  zum  Vormarsch  auf  der  grossen  Moravastrasse 
nach  Belgrad  zu  vereinigen.  Als  der  vor  Aleksinac  operierende  Ali  Sahib  Pasa 
sich  zu  schwach  erwies,  um  dessen  starke  Werke  zu  bezwingen,  verliess  Ahmed 
Ejub  Pasa  das  zerstörte  Knjazevac  und  stieg  mit  seinem  Korps  am  17.  August 
durch  die  Täler  der  Topolnica  und  Katunska  reka  zur  Morava  herab.  Vom  21. 
bis  24.  August  suchten  nun  Abdul  Kerims  Generale,  Ejub  auf  dem  rechten,  Ali 
Sahib  auf  dem  linken  Ufer,  die  serbische  Position  zu  nehmen.  Die  von  den 
türkischen  Truppen  bewiesene  Kaltblütigkeit  bei  den  wiederholten  Angriffen  erwies 
sich  vergebens,  und  am  25.  August  gab  Ejub,  dessen  Truppen  durch  das  schwere 
Geschützfeuer  der  geschlossenen  Schanzen  ungemein  litten  und  überdies  durch 
den  von  Knjazevac  über  Sv.  Stevan  herabsteigenden  Horvatovic  in  der  rechten 
Flanke  bedroht  wurden,  den  Frontangriff  auf  die  Aleksinacer  Verschanzungen  auf. 
Die    sechstägige    „Schlacht    von    Aleksinac"    kostete    den    Serben    und    Russen 

9  Offiziere,  371  Mann  an  Toten,  verwundet  wurden  38  Offiziere  und  1195  Mann. 
Die  Türken  erlitten  noch  grössere  Verluste. 


über  Deligrad,  Soko-Banjn  niif  den  Rtanj  und  nncli  Alcksinac.  129 

Der  Oberkommandant  Abdul  Kerim  beschloss  nun,  seine  disponiblen 
Truppen  ^grösstenteils  auf  das  linke  Ufer  vorzuschieben  und  die  Serben  durch 
eine  über  Kruäevac  gegen  Stalac  eingeleitete  Umgehung  zur  Schwächung  ihrer 
Positionen  bei  Alcksinac  und  Deligrad  zu  zwingen,  zu  welchem  Zweck  auch 
Ahmed  Ejubs  bei  Katun  railliertes  Korps  auf  der  am  23.  August  bei  Teäica 
hergestellten  Brücke  die  Morava  überschritt.  Auf  dem  rechten  Ufer  blieben 
nur  einige  Arnauten-  und  Tscherkessenbanden  zurück.  Am  1.  September,  einem 
moslimischen  Sonntag,  an  dem  es  Cernjajeff  am  wenigsten  erwartete,  drangen  die 
Türken  über  die  Weinberge  oberhalb  Tesica  rasch  vor,  bemächtigten  sich 
kleiner  Vorwerke  bei  Zitkovac,  wurden  hier  wohl  zum  Stehen  gebracht, 
gewannen  jedoch  durch  ihre  Artillerie  auf  dem  linken  Flügel  derartig  Terrain, 
dass  die  Serben,  über  die  Brücken  bei  Deligrad  und  Boboviste  in  grosser 
Unordnung  auf  das  rechte  Ufer  gedrängt,  das  linke  von  Mrsolj  bis  zum  stark 
besetzt  gehaltenen  Kaonik  an  der  Kruscvacer  Strasse  den  Siegern  überlassen 
mussten.  Wider  Erwarten  blieb  Ahmed  Ejub  bis  zum  6.  September  untätig, 
wodurch  Cernjajeff  Zeit  gewann,  seine  Hauptmacht  um  Deligrad  zu  sammeln, 
Alcksinac  blieb  durch  22  Bataillone  unter  dem  Obersten  Konstantin  Protic 
besetzt,  8  Bataillone  verteidigten  seine  entfernteren  Vorwerke.  Die  türkischen 
Versuche  vom  7.  bis  11.  September,  unterhalb  Mrsolj  bei  Boboviste  das  rechte 
Ufer  zu  gewinnen,  wurden  durch  die  Wachsamkeit  der  Serben  vereitelt,  doch 
ebenso  missglückte  jener  Horvatovics  am  13.  September,  bei  Tesica  auf  das 
linke  Ufer  überzugehen  und  die  Türken  im  Rücken  anzugreifen. 

Am  16.  September  folgte  ein  durch  Englands  Einfluss  in  Konstantinopel 
herbeigeführter  Waffenstillstand,  der  leider  die  Fortsetzung  des  blutigen  Ringens 
nur  kurz  unterbrach.  Dieses  traf  die  Türken  mit  5  Divisionen,  die  etwa 
50000  Mann  Infanterie,  6000  Arnauten,  Tscherkessen,  2000  reguläre  Reiter  und 
90  Geschütze  zählten,  grösstenteils  hinter  Schützengräben  am  Krvavac  potok, 
von  KruSje  bis  Donji  Adrovac,  auf  dem  linken  Ufer;  ihnen  gegenüber  befand 
sich  der  serbische  rechte  Flügel  unter  Horvatovic,  der,  gedeckt  durch  das  tiefe 
Djuniskabett  und  leichte  Verschanzungen,  die  Linie  Veliki  Siljcgovac, 
Susice,  Kaonik  bis  Djunis  besetzt  hielt.  SO.  schloss  sich  bei  Korman  das. 
stark  verschanzte  serbische  Zentrum  an,  während  der  linke  Flügel  unter  Protic 
in  den  Positionen  ober  und  unter  Alcksinac  verblieb.  Mit  der  in  Deligrad 
postierten  Reserve  zählten  die  Serben  noch  etwa  60  000  Streiter. 

Am  29.  September  ging  Horvatovics  rechter  Flügel  und  das  Zentrum  mit 
grosser  Bravour  gegen  die  türkische  Stellung  vor.  Der  durch  die  Artillerie 
ungenügend  vorbereitete  Angriff  wurde  aber  zurückgewiesen,  und  am  nächsten 
Morgen  gewannen  die  Türken  durch  ihr  überlegenes  Geschützfeuer  die  Pescanica. 
Unter  kleineren  Gefechten  zogen  sie  dort  bis  17.  Oktober  fortwährend  frische 
Truppen  von  Nis  an  sich,  mit  welchen  sie  am  19.  Oktober  einen  kräftigen 
Offensivstoss  gegen  den  rechten  serbischen  Flügel  führten.  Am  20.  Oktober, 
während  Fazil  Pa§as  Artillerie  ein  heftiges  Feuer  auf  den  linken  serbischen 
Flügel  bei  Alcksinac  und  das  Zentrum  bei  Boboviste  unterhielt,  überschritten  die 
Divisionen    Sulejman    und    Aziz    Pasa    am    Frühmorgen    zwischen    Krusje    und 

F.  KANITZ,   Serbien.    U.  '1 


130  Über  Deligrad,  Sokn-Banjn  auf  den  Rtanj  und  nach  Aleksinac. 

Radevci  die  OstroSeliohen  und  trieben  Horvatovics  Vorhut  auf  Veieki 
Siljegovac  zurück,  wo  es  mit  seinem  Gros  zu  ernstem  Gefechte  kam, 
das,  weil  die  von  Cernjajeff  abgesandten  Verstärkungen  zu  spät  eintrafen,  am 
Nachmittag  mit  dem  Rückzuge  der  Serben  auf  Crkviiia,  Mali  Siljegovac  und 
Kaonik  endete.  Die  obere  Djuniska  reka  mit  den  verlassenen  Schützengräben 
fielen  in  türkischen  Besitz,  wodurch  eine  breitere  Angriffsfront  gegen  die  serbische 
Stellung  zwischen  Gaglovo  und  Korman  gewonnen  wurde.  Es  folgten  nun 
bis  28.  Oktober  grossenteils  Artilleriekämpfe,  während  welcher  sich  die  Türken 
am  23.  Oktober  auf  den  die  untere  Djuniska  reka  beherrschenden  Höhen  bei 
Crkvina  verschanzten. 

Immer  drängender  forderten  Konstantinopeler  Telegramme  Abdul  Kerim  auf, 
den  letzten  Schlag  zu  führen  und  Aleksinac  zu  nehmen,  weil  es  der  Pforte 
nicht  länger  möglich  sei,  Ignjatieffs  durch  die  Grossmächte  unterstützte  Forderung 
nach  einem  Waffenstillstand  ausweichend  zu  beantworten.  So  entschloss  sich 
der  türkische  Marschall,  trotz  der  am  27.  und  28.  Oktober  gefallenen  starken 
Regen,  am  29.  Oktober  zum  Entscheidungskampf.  Abermals  erhielt  Fazil 
Pasa  die  Aufgabe,  durch  heftige  Beschiessung  der  Werke  von  Aleksinac  und 
Demonstrationen,  als  wolle  er  bei  Prcilovica  und  Bujmir  auf  das  rechte  Ufer 
übergehen,  die  Serben  auf  diesem  festzuhalten.  Der  Hauptangriff  galt  jedoch 
wieder  ihrem  rechten  Flügel  und  dem  Zentrum.  Am  Frühmorgen  wurde  die 
Hauptstellung  Panjkovac-Sv.  Nestor  durch  unausgesetzten  türkischen  Kugel- 
regen ganz  unerwartet  überschüttet.  Es  währte  lange,  bis  die  Positionsgeschütze 
wirksam  antworteten  und  die  Feldbatferien  auffuhren;  am  Mittag  ging  die 
türkische  Infanterie  in  grösseren  Massen  vor,  die  Brigade  Mahmud  warf  die 
Serben  aus  Gornji  Ljubes,  folgte  ihnen  bis  Vitkovac,  wurde  dort  aber  durch 
das  Feuer  aus  den  Befestigungen  auf  beiden  Ufern  zurückgetrieben.  Cernjajeff 
zog  seine  Reserven  von  Trubarevo  heran.  Doch  schon  hatte  Aziz  Pasas 
linker  Flügel  die  Infanterie  Horvatovics  von  Mali  Siljegovac  über  die  Gaglovica 
gedrängt  und  die  zu  Mahmuds  Unterstützung  vorgerückten  Divisionen  Sulejman 
und  Hafiz  hatten  stürmend  alle  Schützengräben  zwischen  Donji  Ljubeä  und  Djunis 
genommen.  Als  um  4  Uhr  nachmittags  Hafiz'  Infanterie  die  Höhen  im  Rücken 
der  serbischen  Zentrumsstellung  Panj  kovac  —  Sv.  Nestor  erstieg,  wurden  ihre 
Schanzen  überstürzt  verlassen  und  serbischerseits  der  Rückzug  über  die  Brücken 
bei  Trubarevo  angetreten. 

Man  zeigte  mir  das  Haus,  von  dem  Cernjajeff  mit  seinem  Stabschef  Doktoroff 
am  Nachmittag  auf  das  Schlachtfeld  geeilt,  um  persönlich  eine  günstige  Wendung 
herbeizuführen.  Beide  hatten  jedoch,  gleich  den  meisten  russischen  Offizieren, 
längst  schon  das  Vertrauen  der  serbischen  Kämpfer  vollkommen  eingebüsst,  die 
keine  Lust  zu  weiterem  Widerstände  gegen  die  trefflich  geführten  Türken  zeigten. 
Horvatovics  rechter  Flügel  hatte  vollauf  zu  tun,  den  östlichen  Rasina-Uferhöhenkranz 
zu  halten,  welchen  die  nach  dem  bedrohten  Krusevac  führende  Haupfstrasse 
durchschneidet.     12  Feldgeschütze  gingen  hier  verloren. 

Die  aus  Russen,  Polen,  Bulgaren  und  ungarischen  Serben  bestehende 
Freiwilligen-Division    des    Obersten    Medzininoff   deckte    den    Rückzug,   welcher 


über  Deligrad,  Soko-Banja  auf  den  Rianj  und  nach  Aleksinac.  131 

unter  dem  grosse  Verluste  verursachenden  Feuer  der  auf  der  Sv.  Nestorliühe 
aufgefahrenen  türkisclieii  Artillerie  und  zur  Verfolgung  vorgegangenen  Kavallerie 
vollzogen  werden  niusste.  Hier  zeichnete  sich  namentlich  Major  Graf  Tiesenhausen 
aus,  welcher,  durch  drei  Kugeln  an  den  Armen  und  Schenkeln  verwundet,  nach 
Belgrad  transportiert  wurde.  Kaum  genesen,  ward  er  als  Kommandant  einer 
bulgarischen  Druzina  1877  bei  Eski  Zagra  abermals  verwundet.  Gleich  mutig 
wie  er  stritten  viele  andere  russische  Führer,  so  der  tapfere  Tscherkessenoffizier 
Kominski,  der  wegen  Streites  mit  seinem  Vorgesetzten  den  russischen  Dienst 
quittieren  musste,  und  als  ihm  der  Zar  1877  die  erbetene  Wiederaufnahme  in 
denselben  zu  Plojesti  schroff  verweigerte,  sich  vor  dessen  Augen  erstach. 

Erst  der  anbrechende  Abend  und  die  auf  eine  Anhöhe  bei  Praskovce 
beorderten,  unausgesetzt  feuernden  serbischen  Batterien  verschafften  etwas  aus- 
giebigeren Schutz  den  Flüchtenden,  in  deren  Knäuel  auch  Cernjajeff  fortgerissen 
wurde.  Von  Razanj  kehrte  er  nach  Deligrad  zurück,  um  es  mit  den  dort  stehen 
gebliebenen  und  von  Aleksinac  anlangenden  Truppen,  nachdem  er  den  Abbruch 
der  Trubarevoer  Brücken  angeordnet  hatte,  zu  halten.  Am  30.  Oktober  abends 
verliessen  die  letzten,  Fazil  Pa§as  Kanonade  nur  schwach  erwidernden  Geschütze 
die  Aleksinacer  Werke.  Die  auf  Fürst  Milans  Alarmtelegramm  vom  Zaren 
Alexander  aus  Livadia  kategorisch  geforderte  Waffenruhe  beendete  den  unglück- 
lichen Krieg. 

Der  31.  Oktober  1876  wurde  aber  noch  für  das  von  den  Bewohnern 
eilends  verlassene  Aleksinac  verhängnisvoll.  Die  in  dasselbe  rekognoszierend 
vorgesandten  Tscherkessen  brannten  120  Häuser  und  auch  die  1872  errichtete 
Brauerei  nieder;  seine  Kirche  diente  den  nachrückenden  Nizams  als  Moschee, 
was  sie  vor  gleichem  Schicksale  bewahrte. 

Übei  die  schwere  Heimsuchung  des  Moravagebietes  während  dieses  für 
Serbien  so  unheilvoll  gewordenen  Krieges  brachte  Milovan  Spasic,  der  für  den 
Aleksinacer  und  Krusevacer  Kreis  abgeordnete  Spezialkommissar,  in  seinen  „Bei- 
trägen zur  Geschichte  des  Krieges  1876"  interessante  Daten.  Zu  Boboviste 
blieben  von  100  Häusern  12  erhalten,  zu  Lipovac  von  50  nur  1,  zu  Glogovica 
von  60  nur  6,  von  Prugovos  38  Häusern  9,  zu  Radcnkovac  von  47  nur  2, 
zu  Prekonozi  von  43  nur  24,  zu  Djunis  von  191  Häusern  133,  zu  Kaonik 
von  131  nur  40,  zu  Trubarevo  von  44  nur  1,  zu  Bovan  von  55  nur  1,  zu 
Belasica  von  31  nur  3.  In  allem  hatten  die  Türken  in  den  Dörfern  beider 
Kreise  von  4294  Häusern  3256  zerstört;  aber  auch  bei  den  1038  gebliebenen 
wurden  Fenster,  Türen  und  Öfen  vernichtet,  das  Brauchbare  sowie  alle  Kirchen- 
glocken weggeschleppt.  177  Familien  verloren  ihre  Hausväter,  viele  Männer, 
Knaben  und  Frauen  wurden  von  den  plündernden  Tscherkessen  verstümmelt 
und  geschändet.  Gegenüber  solch  grossem  Unglück  erwies  sich  die  durch 
Wohltätigkeitskomitees  im  In-  und  Auslande  gespendete  Hilfe  klein.  Im  ganzen 
gelangten  32000  Dukaten,  31000  Gulden,  11400  Rubel  und  1000  Franken  an 
die  ärmsten  Beschädigten  zur  Verteilung. 

Aleksinac,  früher  das  Verwaltungszentrum  des  gleichnamigen  Kreises  mit 
vier  Bezirken,  bildet  seit  1896  nur  einen  solchen  des  grossen  Ni§er  Kreises.    Die 


132  Über  Deligrad,  Soko-Banja  auf  den  Rtanj  iiiul  nach  Aleksinac. 

Regierung  suchte  es  seither  durch  einen  prächtigen  Bau  für  sein  1865  errichtetes 
Unter-Gymnasium  bei  der  wiederhergestellten  Kirche,  das,  von  140  Schülern 
besucht,  dem  Staate  jährlich  20000  d  kostet,  und  durch  eine  Artilleriegarnison 
zu  entschädigen,  welche  ich  am  12.  August  1897  bei  ihrer  netten  Kaserne  am 
ehemaligen  Marstallplatz  mit  3  Batterien  exerzieren  sah.  Auch  die  1887  gegründete 
Sparkasse,  die  zu  Q'/o  G^'d  verleiht  und  1905  nahezu  12  Mill.  d  in  Umlauf 
brachte,  trug  viel  zur  rascheren  Erholung  der  Stadt  von  den  schweren  Kriegs- 
drangsalen bei.  Die  Brandruinen  sind  verschwunden,  und  nun  zählt  sie  wieder 
in  1073  Häusern  nahezu  5500  Bewohner,  darunter  41  Deutsche,  26  Cincaren, 
197  Zigeuner,  von  welchen  30  katholisch  und  166  mohammedanisch  sind.  Die 
1899  vom  Professor  des  Lehrerseminars,  Tih.  R.  Djordjevic,  zu  Aleksinac  heraus- 
gegebene ethnologische  Zeitschrift  „Karadzic"  verspricht  interessante  Aufschlüsse 
über  das  Volksleben  im  südöstlichen  Serbien;  ich  wünsche  diesem  jüngsten 
Reis  unserer  Wissenschaft  bestes  Gedeihen.') 

Das  handeis-  und  gewerbsfleissige  Aleksinac  übte  bei  meinem  letzten 
Besuche  wieder  guten  Eindruck  aus.  Nur  der  von  den  Russen  auf  der  südlichen 
Vorhöhe  der  Rujevica,  über  der  jetzt  Militärzwecken  dienenden  ehemaligen 
Quarantäne,  errichtete  schöne  Obelisk  erzählt  von  den  1876  durchlebten  schlimmen 
Tagen.  Seine  Inschrift  zitiert  den  Bibelspruch:  „Grössere  Liebe  erweiset  kein 
Mann,  als  wenn  er  das  Leben  opfert  für  seine  Freunde!"  —  In  denkbar 
schlechtestem  Andenken  lebt  Cernjajeffs  Namen  bei  den  Aleksinacern  fort.  Er 
starb  am  16.  August  1898  auf  seiner  Besitzung  in  Russland.  Es  war  dem  einst 
hochgefeierten  Turkmenenbesieger  nicht  vergönnt,  die  Scharte  von  1876 
wettzumachen. 


')  Diese  Zeitschrift  erscheint  nicht  mehr. 


VI. 

Stadt  und  Festung  Nis. 


DIL'  Stürme  des  Jahres  1848  berührten  kaum  den  morschen  Staatsbau 
der  europäischen  Türkei;  das  Jahr  1860  brachte  aber  unerwartet  den 
lange  schlummernden  Zündstoff  ihrer  östlichen  Provinzen  in  Bewegung.  Fürst 
Gortschakoffs  Mai-Zirkular  an  die  Mächte,  zugunsten  der  Rajah,  erschien  auch 
nicht  geeignet,  die  Gemüter  zu  beschwichtigen,  und  im  Juli  kursierten  zu 
Aleksinac  die  übertriebensten  Gerüchte  über  eine  im  angrenzenden  Paschalik 
ausgebrochene  Revolution. 

Längst  hatte  ich  einen  Rekognoszierungsausflug  auf  bulgarisches  Gebiet 
geplant,  um  die  Gegensätze  zwischen  jungserbischem  und  alttürkischem  Regiment 
kennen  zu  lernen  und  so  den  richtigen  Massstab  für  ihre  Beurteilung  zu  gewinnen. 
Nach  allem,  was  ich  horte,  bot  sich  nicht  leicht  ein  günstigerer  Moment  hierzu. 
Rasch   entschlossen,   schlug  ich  von  Aleksinac  die  alte  Heerstrasse  nach  Nis  ein. 

So  viele  Völker  sich  auf  dem  Boden  der  illyrischen  Halbinsel  in  zwei 
Jahrtausenden  folgten,  blieben  dort  die  von  der  Natur  vorgezeichneten  römischen 
Strassenzüge  bis  heute  die  Hauptwege  alles  Verkehrs.  Weder  höherer  Industrie- 
aufschwung, noch  veränderte  Handelsrichtungen  führten,  wie  im  übrigen  Europa, 
zum  Bau  neuer  Strassen,  und  so  zieht  der  am  13.  Februar  1884  von  der  Niser 
Bevölkerung  jubelnd  begrüsste  Belgrader  Schienenstrang  grösstenteils  auf  antiker 
Trace  durch  das  Moravatal,  welches  meine  verewigten  Freunde  Boue,  Hahn  und 
Zach  auf  Grundlage  der  namentlich  von  letzteren  1859  gemachten  Studien  für 
seine  Anlage  empfohlen  hatten. 

Die  zweistündige  Fahrt  von  Aleksinac  über  die  südwestlichen  Ausläufer  der 
1276  m  erreichenden  Jeskovik  Planina  bot  unausgesetzt  prächtige  landschaftliche 
Blicke.  Bei  Katun  kreuzte  ich  den  gleichnamigen  Bach.  Wo  er  in  der  nord- 
östlichen romantischen  Engschlucht  entspringt,  liegt  das  1399  „Christi  Verklärung" 
geweihte  Kloster  Sv.  Stevan  mit  architektonisch  wertlosem,  aber  hochverehrtem 
Kuppelkirchlein.  12  Hektar  Felder  und  Wiesen,  2  Hektar  Wein-  und  Obstgärten, 
55  Hektar  Wald,  3  Mühlen  usw.  bringen  dem  Iguman  und  Duhovnik  über  3000  d. 
Ein  an  diesem  „Lipovacki  manastir"  vorbeiziehender  Hochpfad  und  ein  westlicherer, 
durch  zwei  Kastelle  geschützter  an   der  Crnobarska   reka  führen  N.  hinüber  zum 


l;)4  Stadt  uiul  l"ostuii,n  Nis. 

Kloster  Sv.  AraiHijul  uiul  weiter  iiacli  Soko-Banja.  Der  erstere  wurde  am 
18.  August  1876  von  Ejub  Pa§a  benutzt,  als  er  inlt  seiner  rechten  Fiügeli<ulonne 
von  Knjazevac  zur  Entscheidung  nach  Aleksinac  eilte. 

Auf  dem  linken  Moravaufer  entfliesst  dem  Fusse  des  kleinen  Jastrebac  die 
Quelle  des  „Kulinska  banja".  Nach  einer  Tradition  hauste  in  der  gleichnamigen, 
auf  römischen  Kastellmauern  erstandenen  Burg  der  reiche,  gewalttätige  Türke 
Aradin,  den  der  vielbesungene  serbische  Volksheld  Ljutica  Bogdan  tötete.  Unfern 
iiegt  das  „Oriziste",  wo  einst  Reis  (O'riz)  gebaut  worden  sein  soll,  was  glaubhaft, 
da  es  bei  Nis  noch  im  16.  Jahrh.  Reiskulturen  gab.  In  gleicher  Richtung  sieht 
man  zahlreiche  Erdhügel  (gomile).  Die  Anwohner  glauben,  die  Türken  hätten 
sie  in  alter  Zeit  zu  Verteidigungszwecken  aufgeworfen;  wahrscheinlicher  sind 
es  aber  Tumuli,  die,  weil  unrationell  geöffnet,  keine  Leichenfunde  ergaben  und 
deshalb  auch  nicht  als  prähistorische  Grabstätten  erkannt  wurden.') 

Die  Katunska  reka  bildete  bis  1878  die  serbisch-türkische  Grenze.  Das 
grosse  Tor  des  serbischen  Palisadenzauns  öffnete  sich,  und  das  wenige  Schritte 
ferne  türkische  knarrte  nach  kurzem  Parlamentieren  in  seinen  verrosteten  Angeln. 
Zapties  forderten  und  trugen  unsere  Papiere  in  das  türkische  Beklemeh  (Wacht- 
haus).  Manchmal  fand  sich  in  den  türkischen,  durch  das  ganze  Land  zerstreuten 
Blockhäusern  ein  schreibkundiger  „Effendi";  gewöhnlich  malten  die  Beamten  aber 
das  Visum  mechanisch  hin.  Mein  Reisegepäck  blieb  von  jeder  Durchsuchung 
verschont.  Peki!  (Gut!)  So  rief  der  Mautner  einem  zu  diensteifrigen  Zollwächter  zu, 
während  er  beruhigt  mein  Bakschisch  in  die  weite  Tasche  seiner  mit  verblichenen 
Goldschnüren  besetzten  Jacke  gleiten  Hess.  Rasch  ging  es  nun  vorwärts  auf  der 
antiken  Viminacium-Thessaloniker  Heerstrasse.  Diese  führte  von  Praesidium 
Ponipei  (S.  108)  nach  dem  in  der  Tab.  Peut.  11  Millien  von  ihm  entfernten 
„Granirianis"  -),  eine  Station,  welche  im  Itin.  Hieros.  mit  12  Millien  „Rappiana"  und 
vom  G.  Rav.  (W  7)  „Crambianis"  genannt,  wahrscheinlich  bei  der  bald  erreichten 
türkischen  Grenzkaraula  Drazevac  stand,  keinesfalls  aber,  wie  Jirecek  annahm, 
bei  dem  weit  entfernten,  1413  genannten  altserbischen  Schlosse  Lipovac,  das 
an  dem  vorerwähnten  unfahrbaren  Gebirgswege  lag.  Auch  an  der  Toponica,  die 
wir  bald  darauf  querten,  führte  ein  Weg  in  das  jenseitige  Svrijiski -Timoktal. 
Bei  Kravlje  sperrte  ihn  ein  Kastell,  bei  Miljkovac  noch  im  Mittelalter  ein 
Werk,  dessen  erhaltener  Turm  „Zeleznik"  (Eisenpforte)  heisst.  Bei  dem  nahen 
alten  Sv.  Nikolakirchlein  fand  man  altserbische  Münzen  und  1835  wurde 
während  eines  Rajahaufstandes  hier  gekämpft. 

Jenseits  der  Morava  bedeckt  die  höheren  Glimmerschieferpartien  des  Veliki 
Jastrebac  dichter  Eichen-  und  Buchenwald;  den  angeschwemmten  fetten  Ton  an 
seinem  Fusse  aber  durch  Ziegenherden  niedergeführtes  verwildertes  Eichengestrüpp. 


')  Bezügliche  Nachweise  in  meinem  „Donau-Bulgarien  und  der  Balkan",  Sachregister, 
II    Auflage,  III,  S.  376;  auch  in  Verh.  d.  Berl.  Anthrop.  Ges.,  1883.  S   299. 

'-■)  W.  Tomaschek  glaubt,  der  richtige  Name  war  „Grampiana"  (Österr.  Gymnas.- 
Zeitschr.  1867,  S.  711);  Kiepert  hält  jenen  der  Tab.  Peut.  für  den  richtigen.  Auf  der  meine 
„Rom.  Studien  in  Serbien"  begleitenden  Karte  erscheint  er  durch  ein  Versehen  bei  Aleksinac 
angesetzt,  was  gleich  seiner  dortigen  Schreibart  hier  berichtigt  wird. 


Stadt  iiMil  Kcstiing  Nis. 


];5ö 


Bei  dein  fol^'eiideii  Am  am  Ciftlik  betrat  ich  die  grosse  Niser  Ebene,  weiciie 
ihre  westliche  Fortsetzung  in  der  lini<suferigen  Moravaterrasse  findet.  Die 
weitgedehnte  Fläche  bildet  nahezu  ein  Dreieck,  dessen  Spitzen  gegen  0.  das 
Nisava-Defilee,  NW.  die  Toponicamündung  und  der  Moravapass  bei  Kurvingrad 
markieren.  Ihre  Entstehung  wird  auf  einen  sie  bedeckenden  See  zurückgefülirt, 
der  durch  das  heutige  Stalacer  Morava-Defilee  seinen  Abfluss  fand.  Von  der 
Römerzeit  bis  zur  Gegenwart  führt  die  Hauptverkehrsader  des  europaischen 
Westens  mit  dem  Orient  durch  dieses  Becken,  und  nur  bis  zur  Vollendung  des 
Konstantinopeler  Schienenstranges  lief  die  mit  Dampfern  befahrene  Donau  dem 
alten  Belgrader  Landwege  durch  einige  Jahrzehnte  den  Rang  ab. 


Bei  dem  türkischen  Urenzanite  Katiin  im  Jalire  ISfiO. 


Auf  dem  mächtigen  Strome  geschah  alles,  um  den  modernen  Verkehrs- 
forderungen zu  genügen.  Namentlich  bewährten  die  nach  amerikanischer  Art 
gebauten  Eilschiffe  der  k.  k.  Dainpfschiffahrts-Gesellschaft  als  schwimmende 
Hotels  ersten  Ranges  grosse  Anziehungskraft,  während  es  auf  dem  teueren 
Landvs'eg  am  einfachsten  Komfort  fehlte.  Reisende,  welche,  getrieben  durch 
Forschungsdrang  oder  wichtige  winterliche  Geschäfte,  ihn  doch  benutzten,  mussten 
selbst  Wagen  und  Pferde  kaufen,  Kutscher  und  sprachenkundige  Diener  mieten 
oder  reiten,  sich  aber  jedenfalls  eines  bewaffneten  Geleites  versichern.  Dabei 
wurde  der  Fremde  stets  das  Opfer  der  Kiradzis  (Pferdeverleiher),  Sürüdzis 
(Postillone),  Mehandzijas  (Wirte),  die  insgesamt  und  letztere  ganz  besonders  seine 
Tasche  unter  verschiedensten  Titeln  zu  leeren  suchten. 

Für  den  inneren  Verkehr  der  türkischen  Provinzen  blieb  trotz  alledem  der  alte 
römische  Heerweg  eine  wichtige  Verkehrsader.     Einheimische  Kaufleute  zu  Pferd 


VM)  Stadt  und  Festung  Nis. 

und  zu  Wagen,  Lasttierkarawanen  und  Büft'clkarren,  beladen  mit  Export-  und  Import- 
waren, bulgarische  „dundjer",  welche  in  Serbien  Arbeit  suchten,  dann  die  originelle 
Staffage  der  reitenden  Brief-  und  Feldpost  belebten  dieselbe.  Hinter  Toponica 
begegneten  wir  dem  Postzug.  Er  bestand  aus  einem  Tataren  in  türkischer  Tracht, 
zwei  Pferden  mit  dem  Brieffelleisen  und  einigen  Zapties  zur  Bedeckung,  die  in 
unsicheren  Defileen  noch  Karaulsoldaten  verstärkten.  Die  Kavalkade  bewegte 
sich  bergauf  und  ab  in  gleich  raschem  Trabe,  allen  voraus  ein  Siirüdzi,  der 
durch  laute  Warnungsrufe  in  den  Hohlwegen  die  langsamen  Lastkarawanen  zum 
Ausweichen  aufforderte,  um  Zusammenstösse  zu  verhindern.  Auch  Reisende 
konnten  diese  Post  benutzen,  wenn  sie  gleichen  Schritt  halten  und  auf  den  einzelnen 
Stationen,  wie  es  noch  heute  in  Persien  geschieht,   die  Pferde  wechseln  wollten. 

Bei  Vrtiste,  mit  altem  St.  Peterkirchlein,  näherten  wir  uns  der  Nisava, 
welche  bei  dem  südlicheren  Trupale  in  sandig  seichtem,  jederzeit  durchfurtbarem 
Bette,  30  m  breit,  in  die  Morava  mündet.  Das  von  ihr  träge  durchflossene  frucht- 
bare „Nisko  polje"  erschien  zur  Türkenzeit  auffallend  spärlich  unter  Kultur  gesetzt. 
Auf  der  westlichen  Terrasse  waren  sogar  weite  Strecken  mit  dichten  Paliurushecken 
bedeckt,  weil  die  Rajah  sich  möglichst  weit  von  den  türkischen  Städten  hielt,  um 
nicht  zu  noch  schlimmeren  Fronen  gezwungen  zu  werden  und  durch  ihren  Besitz 
nicht  die  Habsucht  der  moslimischen  Machthaber  zu  reizen.  Nis'  Umgebung  glich 
bald  nach  der  türkischen  Eroberung  einem  öden,  riesigen  Friedhofe.  Der  zweimalige 
Durchzug  des  Vladislavschen  Heeres  vernichtete,  was  später  zu  ihrer  Kultivierung 
geschehen  war,  beispielsweise  bevölkerte  Hamsa  Beg  1578  zwei  verlassene  Dörfer 
mit  Ungarn  aus  der  Gegend  bei  Raab.  Ich  selbst  traf  1860  an  der  21  km  langen 
Wegstrecke  von  der  alten  türkischen  Qrenze  bis  Nis  nur  mehr  ein  Dorf  und 
einen  Man.  Es  war  eine  recht  traurige  Fahrt.  Der  von  einem  Gewitterregen 
stark  aufgeweichte  schwarze  Humus  legte  sich  in  die  Radspeichen  und  erschwerte 
das  Vorwärtskommen  durch  die  sumpfige  Niederung,  welche  für  Nis  und  sein 
Weichbild  einen  stehenden  Fieberherd  bildet. 

Zwischen  zwei  vorgeschobenen  Werken  passierten  wir  glücklich  den  Schmutz 

der  Beogradska  mahala,  gleich  darauf  rollte  unser  Wagen  über  die  Nisavabrücke,  und 

unsere  Rippen  erprobten  sich  auf  dem  elenden  Pflaster  der  „pokrivena  carsija",  der 

langen,  mit  Brettern  gedeckten  finsteren  Basarstrasse.    Endlose  schieflinige  Gassen 

verlängerten  die  Qual  bis  zum  anschliessenden  christlichen  Stadtteil.    Dort  nannte 

mich   mein  Banjaer  Reisegefährte  Diniitrije  Adam   im  Hause   seines  reichen,  aber 

geizigen  Onkels  Cohadzi  willkommen.    Nach  Abgabe  einiger  Empfehlungen  eilte  ich 

mit  meinem  jungen  Gastfreunde  auf  die  südlichen  Höhen,  um  einen  orientierenden 

Blick  auf  die  Stadt  zu  gewinnen,   die   mich   seit  Jahren  lebhaft  interessiert  hatte. 

Im  folgenden  versuche  ich  ein  möglichst  geschlossenes  Bild  ihrer  Vergangenheit  zu 

geben,  dem  sich  das  bei  späteren  Besuchen  gewonnene  seiner  Entwickelung  bis  zur 

Gegenwart  anschliesst.  ^  ^ 

* 

Über  die  Entstehung  von  Nis  läuft  die  Sage,  eine  Prinzessin  Nisa  habe  sie 
aus  Steinen  der  nahen  Hunihöhe  erbaut,  während  ihre  Schwester  Vida  das  feste 
Vidin  gründete.    Die  Grenze  zwischen  beiden  Gebieten  lag  auf  der  Nisava-Timok. 


Stadt  und  Festung  Nis. 


137 


Es  ist  ein  bemerkenswerter  Zug  der  südslavischen  Tradition,  dass  sie  die 
meisten  alten  Burgen  von  Fiirstentöclitern  gründen  lässt.  Erwiesen  ist  die 
Besiedelung  Nis'  und  seiner  Unigelnnig  sciion  in  prähistorisdier  Zeit.  Ein 
Pioniersoldat  fand  im  Jahre  1878  oberhalb  der  Pestungsbrücke  ein  153  mm  langes 
Hammerbeil  mit  rundem  Stielloche  von  133  mm  Durchmesser  aus  Basalt,  der 
beim  nahen  Ostrovica  im  Nisava-Steildefilee  auftritt.  Die  mit  Kalksinter  stark 
inkrustierten  Flächen  zeigen  keine  Spur  von  Polierung,  obschon  das  Material  sich 
vorzüglich  für  diese  eignet.  Ein  anderes,  gleichfalls  im  k.  serbischen  Bergbureau 
aufbewahrtes,  155  mm  langes,  weniger  vollendetes  Steinbeil  ward  bei  alten 
Gräbern  nahe  bei  Nis  und  eine  Feuersteinsäge  bei  Vrezina  gefunden. 


Christliche  Corbadzi  und  Bauern  aus  der  Uninebung  von  Nis  im  Jalirc  18(30. 


Das  römische  Naissus,  byzantinische  Nysos,  slavische  Nis,  deutsche  Nissa 
erhielt  diese  Namen  von  der  es  durchfliessenden  Nisava,  welche  die  keltischen 
Urbewohner  „Navissos"  nannten.  Während  seiner  glänzendsten  Epoche  war 
Naissus  einer  der  wichtigsten  Knotenpunkte  des  mösisch-thrazisch-dardanischen 
Strassennetzes,  weil  dort  die  von  Lissus  (Alessio  a.  d.  Adria),  Thcssalonica 
(Salonik),  Constantinopolis,  Ratiaria  (Arcer  a.  d.  Donau)  und  Singidunum  (Belgrad) 
ausgehenden  Wege  mündeten.  Die  vortreffliche  geographische  Lage  gestaltete 
Naissus  auch  zu  einem  strategisch  bedeutungsvollen  Platze.  Wie  das  heutige 
Paris  war  es  mit  einem  Fortgürtel  ummauert,  von  dessen  dicht  aneinander 
gereihten  Kastellen  ich  18  feststellte.  Dementsprechend  wird  Niä  vom  2.  Jahrb. 
in  allen  Heerzügen  am  Balkan  hervorragend  genannt.  Dort  besiegte  Claudius  II. 
die  Goten  und  rettete  Rom  vor  grosser  Gefahr.     Konstantin  der  Grosse  schmückte 


1-58  Stadt  und  Festung  Nis. 

Naissus,  in  dem  er  274  n.  Chr.  geboren  wurde,  mit  praciitvollen  Bauten.  In 
Naissus  empfing  Julius  Apostata  (361)  die  Nachricht  vom  Tode  seines  Gegners 
Constantius.  Obschon  es  aber  für  uneinnehmbar  galt,  eroberten  es  die  Hunnen 
mit  riesigen  Sturmmaschinen,  während  sie  durch  unausgesetzten  Pfeilhagel  die 
tapferen  Verteidiger  von  den  Wällen  scheuchten.  Die  folgende  Zerstörung  war 
eine  so  gründliche,  dass  der  448  mit  einer  Gesandtschaft  an  Attilas  Hof  ziehende 
Historiker  Priscus  dort  nur  Ruinen  sah.  Um  480  wurde  die  notdürftig  erstandene 
Stadt  neuerdings  eine  Beute  der  Völkerstürme;  Kaiser  Justinian  stellte  sie  wohl 
wieder  her,  bald  folgten  aber  die  Avarenzüge  und  540  der  grosses  Unheil  über 
diese  Gebiete  bringende  Ansturm  der  gegen  Byzanz  vordringenden  Slaven,  von 
welchen  viele  sich  an  der  Nisava  festsetzten. 

Unausgesetzt  wogte  fortan  der  Streit  der  Byzantiner  um  die  Herrschaft  auf 
der  illyrischen  Halbinsel.  Um  987  gelangte  der  Bulgarenzar  Simeon,  nachdem 
er  die  Griechen  bei  Mesembria  geschlagen,  in  den  Besitz  von  Nis.  Im  ll.Jahrh. 
kolonisierte  aber  das  hartnäckig  gegen  Norden  vorstrebende  Byzanz  zur  Verstärkung 
seiner  dortigen  Macht  viele  Petschenegen  bei  Nis,  Sofia  u.  a.  0.  1072  drangen 
die  Ungarn  bis  Nis  vor.  Manuel  11.  Hess  die  Stadt  durch  seinen  Feldherrn  Konst. 
Aug.  Philadelphus  stark  befestigen;  trotzdem  eroberte  sie  unter  seinem  Nachfolger 
Andronikos  der  Ungarkönig  Bela  III.  Kurz  darauf  wieder  griechisch,  fiel  sie 
1185  in  serbische  Hände.  Doch  1196  besiegte  dort  Kaiser  Isaak  Angelus  seinen 
Rivalen  Stevan  Nemanja.  Ein  Jahr  später,  nach  der  Schlacht  von  Arkadiapolis, 
ward  Nis  bulgarisch,  und  von  da  ab  bildete  es  den  fortwährenden  Zankapfel 
zwischen  Bulgaren  und  Serben,  welche   es  von   1241   für  längere  Zeit   behielten. 

Wiederholt  sah  Nis  die  lateinischen  Heere  in  seinen  Mauern.  1096  zogen 
die  ersten  Kreuzfahrer  unter  Ritter  Walter  durch  seine  Tore.  Der  nachfolgende 
Peter  von  Amiens  verlor  dort  einen  Teil  seines  mit  den  Stadtbürgern  in  Streit 
geratenen  Heeres.  Auch  der  von  dem  grossen  Serbenfürsten  Stevan  Nemanja 
in  Nis  feierlich  begrüsste  Kaiser  Friedrich  1.  (1189),  ferner  Robert  de  Courtenay 
(1220)  und  Kaiser  Balduin  II.  (1240)  verweilten  länger  zu  Nis.  So  freundlich 
aber  auch  die  katholischen  Streiter  von  dem  orientalischen  Klerus  empfangen 
wurden,  blieb  dieser  doch  ohne  Schwanken  der  Orthodo.xie  treu.  Nis  war  von 
attersher  der  Sitz  einer  ausgedehnten  Eparchie,  die  zu  Beginn  des  13.  Jahrh. 
die  Landschaften  Nisava,  Mokro,  Komplos,  Toplica  und  Svrljig  einschloss. 
Unter  dem  Ipeker  Patriarchate  dehnte  sich  die  Grenze  des  Sprengeis  noch  weiter 
in  das  Moravagebiet  bis  Leskovac  und  Paracin  aus.  Wilhelm  von  Tyrus  schilderte 
am  Ausgange  des  12.  Jahrh.  das  mittelalterliche  Nis  mit  Türmen  und  Mauern 
auf  dem  rechten  Ufer  der  Nisava;  ebenso  de  la  Broquiere  (1433),  der  auch  eine 
steinerne  Brücke  vor  dem  Kastell  erwähnt.  Zur  Zeit  der  ersten  Überflutung  des 
südöstlichen  Europa  durch  die  Türken  entschied  Nis'  1385,  nach  anderen  1386 
erfolgte  Eroberung  durch  Sultan  Murad  das  Los  des  Serbenstaates.  Nach 
25tägiger  Belagerung  fiel  es  durch  den  heftigen  Angriff  Jaksi  Begs,  Sohn  des 
Timurtas.  Knez  Lazar  erhielt  den  Frieden  gegen  den  Tribut  jährlicher  1000  Pfund 
Silber  und  eine  zu  stellende  Hilfstruppe  von  1000  Reitern.  Sisman,  der 
Bulgarenkönig,  musste  überdies  dem  Sieger  seine  Tochter  zum  Opfer  bringen.    Die 


Stadt  iiiul  l'cstiiiiL'  Nis. 


i;;!t 


Katastrophe  auf  i.ieiii  Kosovo  polje  (1389)  besiegelte  den  Untergang  des  unglück- 
lichen Serhcnfiirstun  und  seines  Reiches.  Bei  Nis  stiess  sein  Sohn  Stevan  mit 
einem  Kontingent  zum  Heere  Murads,  das  dessen  den  Thron  erstrebenden  Bruder 
Musa  bekämpfte  (1413).  Ni§'  grosser  Strassenzug  verödete  bald  darauf  nahezu 
gänzlich  für  längere  Zeit,  weil  der  Verkehr  von  Sofia  nach  Belgrad  bis  in  das 
14.  Jahrh.  mit  Vorliebe  die  Route  am  linken  Moravaufer  über  Mramor  und  Krusevac 
benutzte.  Nis'  Besetzung  durch  Hunyady  nach  am  3.  November  1443  gewonnener 
Schlacht,  in  der  21)00  Türken  fielen  und  4000  gefangen  wurden,  war  nur  eine 
vorübergehende,  es  wurde  damals  den  Serben  belassen  und  von  Brankovic  dem 
Wojwoden  Djordje  Mrnjavcevic,  Spross  eines  alten  Geschleciits,  als  Lehen 
überlassen.')  Nach  Hunyadys  Niederlagen  bei  Varna  (1444)  und  auf  dem  Kosovo 
polje  (1448)  sah  die  Feste  durch  245  Jahre  keinen  christlichen  Feind. 

Nis'  Wälle   wurden,   da   lange   Zeit   keine   Gefahr   von   aussen   drohte,   von 
den  Türken  stark  vernachlässigt.    Der  aufmerksam  beobachtende  Hans  Deruschwam 


Prähistorische  Werkzeuge  aus  Nis. 


fand  1553  keine  vor.  In  seinem  Tagebuche  bemerkt  er  am  7.  August:  „Nissa 
scheint  vor  Zeiten  eine  schöne  grosse  statt  gewesen,  hat  keine  niaur  mehr,  hat 
nahende  hoche  kale  schneeige  berge,  darunder  einer  der  höchst  Kunawit  genannt 
(Suva  Planina  im  Kunovica-Defilee).  Am  end  der  statt  fleusst  das  wasser  Nestus 
so  die  Inwohner  Nischt  nennen  —  ungcferlich  als  gross  wie  die  gran  (die 
ungarische  Gran),  scheint  tief  sein,  hat  ein  hulzene  prucken  darüber  zimblich  breit 
und  gut.  —  Es  sind  zu  Nissa  drei  türkisch  kirchen  oder  Metzith  (Moschee)  mit 
zwei  thurnen.  Aida  hat  man  an  einer  Karvasalia  (Karawanserei)  gebaut  von 
steinen,  so  man  überall  von  alten  gebeuen  herzu  gefurt  —  darin  etliche  Romische 
Antiquitates,  die  zerbrochen,  dass  wir  sie  nit  lesen  haben  kunten,  sind  verniaurt 
wordn;  haben  wir  hernach  geschrieben  stein  an  der  erden  liegend  gefunden,  die 
man  zu  demselbigcn  haus  hat  brauchen  wollen."  Auch  Verantius  und  andere 
Reisende  des  16.  Jahrh.  fanden  Nis'  Kastell  verfallen,  die  Brücke  aus  Holz,  seine 
1500  elenden  Häuser  grossenteils  von  Türken  bewohnt,  welche  nur  5  Moscheen 
besassen,  während  die  wenigen  Serben,  Bulgaren  und  ragusäischen  Kauflcute  eine 
hölzerne  Kirche  hatten.    Erst  im  17.  Jahrh.  erhielt  es  seine  Zitadelle  und  Steinbrückc- 


')  Mijatovic,  Djuradj  Brankovic,  I.  Bd.,  S.  386. 


140  Stadt  und  FestunR  Nis. 

Unter  Nis'  Mauern  sammelte  im  Jahre  16cS9  der  türkische  Grossvezier,  nach- 
dem er  Belgrad  verloren  und  bei  dem  serbischen  Batocina  am  30.  Aug.  geschlagen 
worden,  sein  zersprengtes  Heer.  Durch  Verstärkungen  hatte  er  es  auf  40000  Mann 
gebracht  und  mit  einem  neuen  trefflichen  Artilleriepark  versehen.  Das  siegreiche 
kaiserliche  Hauptquartier  folgte  ihm  auf  der  geschilderten  Römerstrasse  über 
Jagodina,  Ciiprija,  Paracin  und  Aleksinac  langsam  auf  dem  Fusse  nach.  Am 
23.  September  erschien  der  Markgraf  von  Baden  mit  17  000  Mann  vor  Nis.  Er 
fand  die  feindliche  Armee  in  günstiger  Position  am  Vinik  aufgestellt.  Ohne  Säumnis 
liess  der  kaiserliche  Feldherr  sie  umgehen  und  im  ungedeckten  Rücken  angreifen. 
Sein  linker  Flügel  wich  wohl  einen  Augenblick  vor  dem  heftigen  Angriffe  der 
Spahis  zurück,  die  rasch  heraneilenden  Kürassiere  stellten  jedoch  das  Treffen 
her,  und  die  deutsche  Infanterie  stürmte  todesmutig  die  Anhöhe,  während  Guido 
Starhemberg  mit  seinem  Fussvolke  die  türkischen  Reiter  blutig  zurückwies.  Durch 
diese  glücklich  kombinierten  Angriffe  in  Verwirrung  gebracht,  von  dem  Seraskier 
aber  immer  von  neuem  mit  Kartätschenfeuer  vorwärts  getrieben,  durchbrachen 
die  erbitterten  Spahis  die  eigenen  nachrückenden  Linien.  Das  christliche  Heer 
benutzte  dies,  unter  dem  Schutze  seiner  Artillerie  drang  es  mit  geschlossenen 
Reihen  in  die  entstandene  Lücke  ein  und  warf  den  Feind  in  die  hochangeschwollene 
Nisava,  die  alles,  was  sich  vor  dem  Gemetzel  der  siegreichen  Verfolger  retten 
wollte,  verschlang.  10000  Türken  bedeckten  die  Walstatt.  Das  ganze  türkische 
Lager  mit  vielen  Vorräten,  30  schwere  Geschütze  und  3000  Pferde  \yurden 
erbeutet.  Nis  selbst  war  der  Preis  des  vollständigen  Sieges,  mit  dem  zugleich 
das  ganze  Donaugebiet  bis  Nikopoli  in  die  Hand  des  Kaisers  fiel.') 

Zu  Ende  des  rühm-  und  erfolgreichen  Kriegsjahres  trafen  jedoch  das 
kaiserliche  Heer  schwere  Unfälle,  die  im  folgenden  den  Verlust  sämtlicher 
Eroberungen  herbeiführten.  Im  Feldzuge  1690,  welchen  die  Türken  mit  einem 
starken,  wohlausgerüstcten  Heere  eröffneten,  wurde  Nis'  Verteidigung  vom  Ober- 
feldherrn Veterani  dem  an  Graf  Pälffys  Stelle  getretenen  tapferen  Starhemberg 
anvertraut.  Seine  Aufgabe  war  schwierig;  er  sollte  mit  kaum  3000  Mann  den 
Platz  gegen  60000  Türken  halten.  Auf  die  feindliche  Aufforderung  zur  Übergabe 
am  16.  August  antwortete  Starhemberg,  „dass  er  nicht  türkisch  verstehe,  sich  also 
in  keine  Verhandlung  einlassen  könne".  In  der  mit  ungewohnter  Sachkenntnis 
eröffneten  Belagerungsarbeit  machte  sich  bald  die  Hilfe  des  allerchristlichsten 
Königs  von  Frankreich  fühlbar,  der  aus  Eifersucht  gegen  Osterreich  der  Pforte 
sich  zuneigte.  Am  18.  August  unternahmen  die  Belagerten  einen  Ausfall.  Ein 
Schreiben  des  Markgrafen  vom  27.  August  aus  dem  Hauptquartiere  zu  Jagodina 
brachte  die  wenig  tröstliche  Nachricht,  dass  er  seine  Streitkräfte  zum  Schutze 
Ungarns  und  Siebenbürgens  konzentrieren  müsse,  deshalb  keinen  Ersatz  verspreche 
und  es  Starhemberg  anheimstelle,  Nis  ohne  äusserste  Gefährdung  der  Garnison 
solange  als  möglich  zu  verteidigen.  Die  gefährliche  Lage  der  kaiserlichen 
Heere  an  der  Donau  und  in  Siebenbürgen  war  den  Belagerten  schon  früher  kein 


')   In   „Guido  v.  Starhemberg"   behandelt    dessen  verdienstvoller  Biograph  v    Arneth 
im  2.  bis  8.  Kapitel  ausführlich  diesen  Feldzug  nach  zeitgeschichtlichen  Quellen. 


Stadt  und  Festung  Niä.  141 

Geheimnis,  denn  am  27.  August  hatten  die  Türken  durch  drei  Salven  und  die 
Aufpfianzung  von  24  bei  Tohanj  eroberten  österreichischen  Fahnen  vor  den 
Festungswällen  ihren  Sieg  über  Heiszier  und  dessen  Gefangennahme  gefeiert. 
Demungeachtet  hielt  Starhemberg  die  Zitadelle.  Erst  am  7.  September  übergab 
er  sie,  nachdem  ein-Hauptboilwerk  unterminiert  worden  und  es  unmöglich  war, 
die  Besatzung  länger  über  ihre  schlimme  Lage  zu  täuschen. 

Der  abgeschlossenen  Kapitulation  zufolge  sollte  die  Garnison  mit  klingendem 
Spiele,  fliegenden  Fahnen,  Waffen  und  Gepäck  ausziehen  und  nach  dem  nächsten 
von  Kaiserlichen  besetzten  Orte  gebracht  werden.  Der  diese  Stipulationen  und 
die  Kriegerehre  des  unglücklichen  Gegners  missachtende  Feind  beraubte  jedoch 
die  Abziehenden  ihrer  Waffen  und  vergriff  sich  sogar  an  Starhemberg,  dem 
seine  Pistolen  aus  dem  Gürtel  gerissen  wurden.  Mit  Knitteln  suchten  sich  die 
unglücklichen  Soldaten  gegen  das  tatarisch-türkische  Raubgesindel  auf  dem 
Marsche  zu  wehren.  Am  22.  September  erreichte  Starhemberg  endlich  mit  dem 
Bedauern  erregenden  Reste  der  heldenmütigen  Verteidiger  von  Niä  Belgrads 
schützende  Mauern.  In  einem  gleichzeitigen  Schreiben  des  Markgrafen  an  den 
Kaiser  vom  28.  Oktober')  wird  Nis  eine  „geringe,  von  Erden  aufgeworfene,  schlecht 
verwahrte  und  übel  angelegte  unproportionierte  Feldschanz"  genannt  und  seine 
Übergabe  mit  dessen  geringer  Verteidigungsfähigkeit  entschuldigt. 

Belgrads  glorreiche  Eroberung  durch  Prinz  Eugen  hätte  beim  Abschlüsse 
des  Karlowitzer  Friedens  (1699)  NiS  abermals  leicht  an  Osterreich  bringen  können. 
Eugen  widerriet  aber,  Nis  und  Vidin  von  dem  gedemütigten  Sultan  zu  fordern, 
da  ihre  Erhaltung  „wegen  der  allzu  grossen  Entfernung"  unverhältnismässig 
viel  kosten  würde.  In  Österreichs  erneutem  Feldzuge  gegen  die  Türkei  im  Jahre 
1737  bildete  der  rasche  Fall  von  Nis  die  erste  grosse  Waffentat.  =)  Mit  besonderer 
Schonung  zog  die  kaiserliche  Armee  entlang  der  Morava  durch  Serbien.  Sie 
hielt  nach  der  dienstlichen  Relation  „zur  Gewinnung  des  Landmannes  solche 
gute  Ordnung,  dass  die  Einwohner  auf  alle  Weis'  bei  ihrem  Hab,  Gut,  Vermögen, 
Früchten  konserviert  worden"'). 

Mit  6  Kavallerie -Regimentern,  500  Husaren  und  2000  Grenadieren  bezog 
Graf  Philippi  vor  Nis  ein  Lager,  in  dem  am  24.  Juli  Marschall  Seckendorff 
eintraf.  Die  Aufforderung,  die  Zitadelle  zu  räumen,  beantwortete  der  türkische 
Kommandant  mit  einem  Bittgesuch  um  eine  Frist  von  zwanzig  Tagen,  um  über 
seine  Lage  dem  Grossherrn  berichten  zu  können.  Philippi  gewährte  nur 
24  Stunden  Bedenkzeit  und  drohte  mit  unbarmherziger  Behandlung,  falls  die 
Übergabe  verzögert  würde.  Der  Termin  verstrich,  und  die  Kaiserlichen  begannen 
ihrer  Drohung  durch  eine  Kanonade  gegen  die  Wälle  Nachdruck  zu  geben.  Es 
war  mehr  eine  Demonstration  als  regelrechte  Beschiessung;  denn  durch  den 
Metropoliten,  Djordje  Popovic,  welcher  die  österreichfreundliche  Bewegung  der 
Rajah  seines  Sprengeis  leitete  (III.  Bd.,  Kap.  Ili),  hatte  man  Kenntnis  erhalten, 
dass   etwa  2 — 3000   Mann    der    Besatzung,  gleich   der   Einwohnerschaft,    geneigt 

')  Rödcr  11,  Urkunden,  S.  323. 

')  Schmettau,  Memoires  secrets. 

')  Versuch  einer  Lebensbeschreibung  des  FM.  Grafen  v.  Seckendorff. 


142  Stadt  und  Festung  Niä. 

wären,  die  Zitadelle  zu  übergeben  und  nur  600  der  gefürchteten  Jenisseri  dies 
verweigerten.  Am  27.  Juli  war  das  ganze  kaiserliche  Heer  auf  der  Route  über 
Cuprija,  Supeljak'),  Razanj,  Aleksinac  vor  Nis  angelangt.  Die  Verhandlungen 
wegen  der  Übergabe  nahmen  nun  sofort  eine  bessere  Wendung.  Schon  am 
folgenden  Tage  überbrachten  sieben  türkische  Offiziere  die  Schlüssel  zur 
Festung  und  den  Magazinen  an  Seckendorff  und  den  Herzog  von  Lothringen. 
600  Grenadiere  unter  General  Thüngen  besetzten  die  Tore,  und  am  3.  August 
wurde  auch  die  Stadt  geräumt.  2000  Wagen  und  200  Trainpferde  brachten  die 
20000  Seelen  starke  moslimische  Einwohnerschaft  mit  ihrer  Habe  unter  starker 
Eskorte  nach  Sofia;  135  Kanonen  und  50  Mörser  wurden  erbeutet.  Im  Lager 
wurde  ein  feierliches  Tedeum  gesungen;  der  Herzog  von  Lothringen  gab  der 
Generalität  und  dem  Stabe  ein  Festdiner,  die  Truppen  paradierten  und  gaben 
zum  Schlüsse  drei  Salven  ab.  In  Wien  wurde  die  unblutige  Einnahme  von  Nis 
mit  grossem  Pomp  gefeiert  und  Kaiser  Karl  befahl,  eine  der  Moscheen  zum 
Preise  Gottes  in  eine  Kirche  umzuwandeln. 

Entsprechend  der  von  dem  k.  Grossbotschafter  Grafen  Virmond  in  einem 
konfidentiellen  Berichte  an  den  Kaiser  „über  seine  auf  der  Reise  nach 
Konstantinopel  im  Jahre  1719  gemachten  militärischen  Observaciones",  welche 
dahin  lautete:  „Die  Eroberung  der  Stadt  könnte  nach  der  itzt  daran  befindlichen 
Defension  und  nach  Eröffnung  der  Trancheen  mit  völliger  Form  innerhalb  14  Tagen 
vollzogen  werden",  fand  man  die  Festungswerke  in  elendem  Zustande.  Graf 
Schmettau  beschrieb  den  damaligen  Zustand  der  Zitadelle  auf  S.  31  seiner 
geheimen  Memoiren:  „Les  ouvrages  et  fortifications  de  Nissa  sont  faites  de 
magonnerie  et  a  foss6  sec  et  minö.  La  riviere  de  Nissa  qui  passe  sous  les 
murs  de  la  ville  est  assez  profonde  pour  n'etre  point  pass^e  ä  pied." 

Seckendorff  beschloss,  Nis,  das  nun  für  längere  Zeit  zum  Mittelpunkte 
der  österreichischen  Operationen  gegen  Thrazien  und  Mazedonien  wurde,  in 
besseren  Verteidigungszustand  zu  setzen.  Das  Kommando  der  5  Bataillone  starken 
Besatzung  führte  anfänglich  General  Leutrum  und  nach  dessen  Erkrankung  General 
Dochat.  Am  9.  August  wurde  das  Lager  wegen  unter  den  Pferden  ausgebrochener 
grosser  Sterblichkeit  nach  Mitrofsky(?)  verlegt  und  am  8.  September  zog  auch 
Schmettau  mit  der  Infanterie  von  Nis  ab.  Er  nahm  den  Weg  entlang  der  Morava, 
übersetzte  sie  bei  Djuniska  reka  und  traf  am  10.  September  in  Krusevac  ein,  von 
wo  er  wegen  Wassermangeis  nach  Trstenik  abrückte,  wobei  seine  Vorhut  bereits 
auf  von  der  bosnischen  Grenze  vordringende  feindliche  Schwärme  stiess. 

Die  Türken  hatten  die  Untätigkeit  der  kaiserlichen  Heere  zur  Vollendung 
ihrer  Rüstungen  benutzt  und  schritten  im  halben  September  zur  Offensive.  Pirot 
ergab  sich  ihnen,  wie  die  Schanze  von  Badajova  bei  Sofia,  ohne  Verteidigung, 
ihre  Besatzungen  suchten  sich  nach  Nis  durchzuschlagen.  Auch  dort  herrschte 
grosse  Entmutigung.  Vergebens  klagte  Dochat  dem  zu  Pozega  ratlos  den  Sturm 
heranziehen  sehenden  Oberfeldherrn  über  Mangel  an  Proviant,  Munition  usw. 
So  wenig  wie   die   Kommandanten  am  Ibar,   an   der  Save   und  Drina,  vermochte 


')  Seit  1860  heisst  dieser  Ort  Jovanovac. 


Stadt  und  Festung  Ni§.  14;! 

Dochat  die  Rajah  zu  schützen,  welche  von  den  vordringenden  Mosiinis,  zur 
Strafe  für  ihren  Anschluss  an  die  kaiserliche  Fahne,  mit  schreci<lichen  Greueln 
heimgesucht  wurde.  Auch  Alustapha-Pasa-Palanka  iin  Süden,  Gurgusovac '), 
das  wichtige  Tiniok-Defilee  „Passo-Augusto"  und  Soko-Banja  im  Norden  fielen  in 
die  Hände  der  Türken. 

Am  11.  Oktober  erschien  Ali  Pasa  mit  20000  Mann  vor  Nis,  dem  letzten 
kaiserlichen  Stützpunkte,  und  forderte  dessen  Übergabe.  Dochat  verlangte  eine 
Frist  von  15  Tagen,  um  Befehle  von  Seckendorff  einzuholen.  Als  dies  verweigert 
wurde,  gab  der  pflichtvergessene  General  den  Türken  Hoffnung,  falls  sie  der 
Formalität  genügten  und  die  Festung  einschliessen  würden.  Am  15.  Okt.  erklärte 
der  Pascha,  dass  Dochats  Verlangen  erfüllt  sei;  es  befänden  sich  80000  Mann 
vor  den  Wällen.  Dochat  versammelte  nun  der  Form  wegen  einen  Kriegsrat, 
erklärte,  dass  wohl  Proviant  für  6  Wochen  vorhanden,  die  Brunnen  aber 
schlecht  und  nahe  dem  Versiegen  wären,  dass  die  militärische  Ehre  wohl  die 
Verteidigung  des  Platzes  erheische,  die  Erhaltung  einer  tapferen  Garnison  jedoch 
nicht  minder  erspriesslich  für  des  Kaisers  Dienst  sei.  Er  versicherte,  dass  man 
auf  Entsatz  durch  Khevenhüller  oder  den  noch  entfernteren  Seckendorff  nicht 
rechnen  könne,  die  Feste  kaum  einen  ersten  Sturm  aushalte  und,  falls  ihre 
Verteidigung  versucht  würde,  nichts  übrig  bleiben  werde,  als  sich  dem 
schonungslosen  Gegner  auf  Gnade  und  Ungnade  zu  ergeben.  In  solcher  Weise 
von  ihrem  Vorgesetzten  beeinflusst,  stimmten  die  Offiziere  für  Kapitulation. 
Diese  erfolgte  am  18.  Oktober  in  aller  Form.  Nach  Art.  I.  wurde  Ni§  den  Türken 
unter  den  gleichen  Bedingungen  übergeben,  unter  welchen  sie  es  am  25.  Juli 
geräumt  hatten.  Der  Vertrag  bestimmte  ausserdem,  dass  die  Garnison  bis 
Belgrad  eskortiert  und  den  „Raizen"  (Serben),  sowie  dem  nach  Nis  geflüchteten 
Erzbischcfe  von  „Petschka"  (Pec)  volle  Sicherheit  des  Lebens  und  Eigentums 
garantiert  werde.  Die  Kapitulation  wurde  von  den  Türken  in  allen  Punkten 
gehalten;  Nis  fiel  ohne  einen  gegen  dasselbe  abgefeuerten  Kanonenschuss  in 
ihre  Hände. 

Die  österreichische  Kriegsgeschichte,  so  reich  an  ruhmvollen  Blättern, 
verzeichnet  wenige  Beispiele  gleicher  Pflichfvergessenheit  wie  diese.  Sie  wurde 
furchtbar  gestraft.  Auf  des  Kaisers  Befehl  trat  gleich  nach  Dochats  Ankunft 
zu  Belgrad  ein  Kriegsgericht  zusammen,  dessen  Spruch  im  Februar  von  Wien 
sanktioniert  zurückkehrte.  Er  lautete  für  Dochat:  auf  Vermögensverlust  und 
Enthauptung  durch  den  Scharfrichter.  Von  öcn  Mitgliedern  seines  Kriegsrates 
wurde  Oberst  Humbrocht  „infam",  Oberstleutnant  Riiiau  und  Major  Buttler 
aber  „einfach"  kassiert.  Alle  übrigen  Offiziere  wurden  zu  Festungsstrafen  in 
Eisen,  einfachen  Kerker,  Verlust  eines  Dritteiis  ihres  Einkommens  und  Ersatz  der 
Gerichtskosten  verurteilt. 

Nach  diesem  Falle  von  Ni§  lastete  das  Türkenregiment  doppelt  schwer  auf 
der  Rajah  des  Moravagebiets.  Niemand  trat  für  dieselbe  ein.  Sein  Bischof 
Djordje,   der  sich  wie  dessen  Vorgänger  janicije   „vladika   niski   i   belocrkvanski" 


')  Seit  1859  heisst  diese  Stadt  Knjafevac. 


144  Stadt  und  Festung  Nis. 

unterzeichnete,  war  schon  1737  nach  Sirmien  geflüchtet.  Zum  Drucke  der 
heimischen  Spahis  und  Amanten  kamen  Krdzalien  (Banden),  welche  plündernd 
und  mordend  dem  gegen  den  Sultan  sich  auflehnenden  wahren  Glaubensstreiter 
Pazvan  Oglu  Pasa  in  Vidin  aus  allen  Provinzen  zu  Hilfe  zogen  (1795 — 1804). 
Da  sie,  weil  ohne  Kanonen,  dem  festen  Nis  nichts  anhaben  konnten,  stürzten 
sie  mit  um  so  grösserer  Beutegier  auf  die  nahen  wehrlosen  Christendörfer.  Die 
Rajah  entfloh  mit  Rücklassung  ihrer  Habe  in  unzugängliche  Bergschluchten;  wo 
dies  nicht  gelang,  erging  es  ihr  schlimm  genug.  So  in  Malca,  dessen  Einwohner 
sich  in  ihre  Kirche  einschlössen.  Die  nach  Gramada  durchziehenden  Krdzalien 
durchsciilugen  aber  vom  Dache  aus  die  Wölbung,  warfen  Bienenkörbe  und 
brennende  Heubündel  hinab  auf  die  dichtgedrängte  Menge;  die  Flüchtenden 
wurden  getötet,  und  die  Kirche  fiel  der  Zerstörungswut  zum  Opfer. 

Da  entbrannte  1804  der  serbische  Freiheitskampf.  Lange  zog  er  sich  hin, 
ohne  dass  Karadjordje  ihn  in  die  benachbarten  Paschaliks  tragen  konnte.  Erst  im 
Jahre  1809  durften  die  allerorts  siegreichen  Aufständischen  daran  ernstlich 
denken,  auch  Nis  zu  nehmen.  Den  Oberbefehl  erhielt  Miloje  Petrovic,  unter 
ihm  standen:  Petar  Dobrnjac,  Haiduk  Veijko,  llija  Barjaktarovic,  Wojwoda  Paulj, 
Miloje  Becar  und  der  Resavaer  Knez  Stevan  Sindjelic.  Die  von  Svrljig 
heranziehenden  Serben  errichteten  NO.  von  der  Festung  zwischen  Kamenica  und 
Matijevac  6  Schanzen.  Leider  herrschte  in  Zwietracht  ausartende  Eifersucht 
unter  den  Anführern.  Petar  und  Veijko  verliessen  ihre  Stellungen  und  zogen 
gegen  Gurgusovac  (Knjazevac).  So  konnten  sich  die  mittlerweile  verstärkten 
Türken  mit  aller  Macht  auf  Sindjelics  schwache  Abteilung  in  der  Schanze  auf 
dem  mit  Wein  bepflanzten  Hügel  Cegr  werfen.  Ohne  die  erbetene  Unterstützung 
gelassen,  vermochte  er  nicht  allein  den  ihn  am  31.  Mai  mit  grosser  Übermacht 
angreifenden  Türken  zu  widerstehen.  Die  Gräben  des  Bollwerks  füllten  sich 
mit  den  Leichen  seiner  Tapferen,  und  über  diese  weg  drangen  die  Feinde  in  die 
Schanze.  Sindjelic  sah,  dass  er  sie  nicht  halten  könne,  wollte  aber  eines 
serbischen  Helden  würdig  enden  und  sprengte  sich  mit  Freund  und  Feind  in 
die  Luft.  Allgemeine  Verwirrung  ergriff  nun  die  Serben  in  den  anderen 
Belagerungswerken.  Alles  floh  gegen  Deligrad,  verfolgt  von  den  Siegern,  die 
gegen  4000  Mann  töteten.  Diese  unerwartete  Niederlage  zwang  Karadjordje, 
sich  von  dem  zernierten  Novi  Pazar  zurückzuziehen.  So  brachte  das  Jahr  1809 
nicht  jene  Erfolge,  die  sein  glücklicher  Beginn  versprach! 

Um  der  Rajah  das  Törichte  ihrer  auf  Serbien  gesetzten  Hoffnungen 
dauernd  zu  vergegenwärtigen,  schrieb  der  Pascha  für  seine  Niser  Ortschaften  eine 
eigene  Steuer  aus,  mit  deren  Ertrag  aus  den  Schädeln  von  Sindjelics  den  Tod 
der  Knechtschaft  vorziehenden  Serben  die  berüchtigte  schauerliche  Siegestrophäe 
„Cele  Kula"  (Schädelturm)  südöstlich  von  Nis  an  der  Konstantinopeler  Strasse 
erbaut  wurde  (S.  181). 

Nicht  ohne  geheime  Schadenfreude  sahen  die  Griechen  das  Scheitern  der 
grossserbischen  Pläne;  hatte  ja  schon  viel  früher  (1798)  der  Fanariote  Grivas 
den  kühnen  Gedanken  der  Befreiung  der  thrazisch-mazedonischen  Länder  und  der 
Gründung  eines  griechischen  Staates  bis  zur  Adria  propagiert.    Zu  Belgrad  büsste 


Stadt  und  Festung  Ni§.  145 

er  die  gewagten  Schritte  zur  Verwirkliciiung  seiner  Idee  mit  dem  Tode.  Diese 
lebte  jedocii  fort,  und  als  die  Bukarester  griecliisch-fanariotische  Hetärie  1821  die 
Parole  zur  allgemeinen  Erhebung  ausgab,  regte  es  sich  auch  in  der  trägen,  dem 
griechischen  Klerus  ausgelieferten  Bulgarenmasse,  und  namentlich  in  der  durch 
Karadjordjes  Kämpfe,  aufgestachelten  Niger  Nahija.  Der  sie  befehligende  Hussein 
PaSa  griff  jedoch  energisch  ein,  liess  den  Bischof  Melentijc  mit  fünf  Notabein 
wegen  Hochverrats  bei  der  Niser  Brücke  an  den  Galgen  knüpfen  und  löschte 
damit  den  versuchten  Aufstand  im  Entstehen  aus. 

Nach  der  1833  erfolgten  Aufrichtung  der  serbischen  Grenze  am  Jastrebac 
richteten  die  christlichen  Bewohner  des  benachbarten  Niser  Kreises  wiederholt 
an  Fürst  Milos  die  Bitte  um  ihre  Einverleibung  in  sein  Land.  Tief  erschütternd 
lauteten  ihre  Klagebriefe  über  die  Unbilden,  welche  sie  unter  dem  schwachsinnigen, 
energielosen  Mulasim  Salih  Pasa  von  ihren  Grundherren  zu  erdulden  hatten. 
16  Ortschaften  erhoben  sich  im  Januar  1835.  Der  rasch  erstickte  Aufstand 
erneuerte  sich  im  März.  Bei  Miljkovac  (S.  134)  kam  es  zu  hartem  Kampfe. 
Milo§  zeigte  sich  in  seinen  dem  Abgesandten  Avram  Petronijevic  mitgegebenen 
Briefen  als  treuer  Vasall  des  Sultans,  der  dessen  eingesetzten  Autoritäten  durchaus 
nicht  nahetreten,  sondern  die  Beschwichtigung  der  aufgeregten  Rajah  erleichtern 
wolle.  Er  bekundete  wie  immer  in  derartigen  Schriftstücken')  grosse  Schlauheit, 
die  es  mit  keinem  der  beiden  Teile  verderben  wollte.  Bevor  Petronijevic  noch  Ni.g 
erreichte,  waren  die  insurgierten  Bezirke  pazifiziert,  das  heisst  gegen  100  Rajahs, 
darunter  Knaben  von  8  Jahren,  waren  getötet  oder  verwundet  worden.  In  einem 
höchst  charakteristischen  Schlussbriefe  vom  30.  Dezember  1835  weist  Milo§  die 
Pirodaner  an  ihren  ebenso  guten,  wie  gerechten  Vali.  Er  macht  sich  erbötig, 
ihnen  mit  Rat  zu  dienen,  aber  nur  in  Angelegenheiten,  die  nicht  des  Sultans 
Macht  widerstreben;  am  liebsten  würde  es  ihm  sein,  sie  mit  dem  neuen  Ajan 
zufrieden  zu  sehen! 

Die  Bitten  um  Befreiung  mehrten  sich  wieder  um  1840  unter  Fürst  Mihails 
erster  Regierung.  Es  waren  dieselben  Klagen:  unerträglicher  Steuerdruck,  Miss- 
handlung der  Frauen  und  Mädchen,  inigerechte  Justiz  usw.  1841  brach  der 
Aufstand  aber  nicht  allein  im  Niser,  sondern  gleichzeitig  auch  im  Leskovacer, 
Piroter  und  Vranjaer  Kreise  aus.  In  den  benachbarten  serbischen  Grenzkreisen 
steigerte  sich  die  Sympathie  für  denselben  zu  werktätiger  Hilfe,  und  Fürst  Mihail 
sah  sich  zu  einer  abmahnenden  Proklamation  im  Sinne  der  Politik  seines  Vaters 
genötigt.  Etwa  3000  Aufständische  warfen  sich  in  das  Dorf  Curlina.  Mustafa  PaSa 
sammelte  9—10000  Mann,  grossenteils  beutelustige  Albanesen,  und  schlug  die 
schlechtbewaffneten  Insurgenten.  Auf  dem  Logorberge  bei  Eminova  Kutina  stritten 
lüüO  Bewohner  der  nahen  Täler  gegen  die  Türken;  die  ihnen  von  der  Selicevica 
in  den  Rücken  fallenden  Amanten  zwangen  sie  jedoch  zur  Aufgabe  ihrer  festen 
Stellung.  Als  auch  bei  Leskovac  das  von  Miloje  und  Gavra  geführte  Hauptkorps 
der  Insurgenten  besiegt  war,  erschoss  sich  der  letztere'-),  und  wer  nicht  fiel  oder 


')  Mili(Jevid,  Kraijevina  Srbija,  S.  37ff. 

0  Neugebauer,  Beschreibung  der  Moldaumer  Walachei,  1854. 

F.  KANITZ.  Serbien.    II.  10 


146  Stadt  iiiul  Festung  Ni§. 

Heiduck  wurde,  floh  nach  Serbien;  darunter  auch  der  Hauptführer  Nil<ola  Srndak 
aus  Gornji  Dusnik.  Das  wohlhabende  Toponica  und  viele  andere  Dörfer  wurden 
verbrannt.  Der  abgesandte  Pfortenkornniissar  Tefik  Bey  suchte  dem  Elend  durch 
den  Aufbau  der  zerstörten  Orte  auf  Staatskosten  abzuhelfen;  auch  einen  Teil 
des  geraubten  Viehes  mussten  die  Amanten  zurückstellen.  Doch  nur  wenige 
Flüchtige  suchten  die  alten  Wohnsitze  wieder  auf;  die  grössere  Zahl  siedelte 
sich  im  serbischen  Timokgebiet  an. 

Der  unerwartet  glückliche  Ausgang  des  Krimkriegs  für  die  Pforte  hatte  die 
Rajah  des  mächtigen  Einflusses  ihres  nordischen  Schützers  beraubt.  Die  zu  ihren 
Gunsten  in  den  Pariser  Vertrag  aufgenommenen  Punkte  blieben  meist  ein  toter 
Buchstabe.  Die  Bedrückungen  blieben  aber  dieselben  und  schmerzten  um  so 
empfindlicher,  als  sich  nicht  allein  die  türkischen  Beamten,  die  Corbadzi  und 
Steuerpächter,  sondern  auch  der  meist  aus  Konstantinopel  gesandte  fanariotische 
hohe  Klerus  an  diesen  beteiligte.  Dem  erwähnten  ideal  angelegten,  im  Jahre  1821 
hingerichteten  „mucenik"  (Märtyrer)  Melentije  folgte  auf  dem  Bischofsstuhle 
Danilo,  dessen  Charakter  die  Tatsache  genügend  kennzeichnet,  dass  er  persönlich 
von  Dorf  zu  Dorf  zog,  um  die  „dimnica"  (Rauchfangsteuer)  mit  100  Para  von  jedem 
Hause  durch  seine  türkischen  Panduren  unnachsichtlich  einzutreiben,  und,  als  er 
des  Geldes  genug  zusammengerafft,  nach  Oesterreich  entfloh.  —  Ihm  folgte  der 
zu  Koznica  im  Trner  Kaza  geborene  Grigorije,  unter  dem  das  Niser  Bistum  mit 
den  nördlichen  Kreisen  von  Krusevac,  Paracin,  Banja  und  Aleksinac  vergrössert 
wurde.  Als  diese  Gebiete  1833  an  Serbien  fielen,  lud  Fürst  Milos  den  Bischof 
ein,  seinen  Sitz  dorthin  zu  verlegen;  doch  das  angebotene  fixe  Jahresgehalt  von 
1000  Dukaten  erschien  Grigorije  zu  gering  —  er  blieb  in  Nis,  wo  er  seinen 
materiellen  Hang  unkontrolliert  und  verbündet  mit  den  türkischen  Machthabern 
besser  befriedigen  konnte.  In  seinen  Aufzeichnungen')  berichtete  er:  dass  die 
durch  den  Mönch  Deda  Viktor  aus  Konstantinopel  eingeschleppte  Pest  auch  Nis 
1838  furchtbar  verheerte,  dass  der  Vladika  gemeinsam  mit  dem  Pascha  den 
Popen  das  Tragen  geistlicher  Kappen  und  den  Mönchen  die  Anlegung  des 
„Tendzerlije"  nach  Art  des  hl.  Spiridions  befahl,  dass  alle  das  Anathema  traf, 
welche  am  Sonntag  Waren  feilboten,  dass  die  Wochenmärkte  auf  die  Montage 
verlegt  wurden,  und  dass  1841,  anlässlich  des  Bauernaufstandes,  um  Nis  alle 
christlichen  Orte  verwüstet  wurden.  Grigorije  starb  1842  und  ward  in  der  alten 
Hauptkirche,  westlich  vom  Altare,  begraben.  —  Populärer  war  sein  Nachfolger 
Cir  Benedikt  11.  Er  erwirkte,  dass  die  Gebetstunden  durch  das  Symantron 
verkündet  werden  durften.  Die  Türken  imd  Arnauten  sträubten  sich  aber  gegen 
diese  ihr  Machtgefühl  verletzende  Neuerung.  Omer  Pasa  bestrebte  sich,  den 
Streit  beizulegen;  ein  Jahr  darauf  (1844)  ward  Benedikt  vom  Patriarchen  abberufen 
—  weil  er  das  Bulgarenvolk  aufgewiegelt  habe.  Der  auf  seine  Stelle  entsandte 
Nikifor  starb  1848  plötzlich  zu  Philippopel  auf  der  Reise  nach  Konstantinopel. 
Ihm  folgte  Janikije,  welcher,  von  dem  der  Rajah  im  Pariser  Vertrage  verliehenen 
Rechte  Gebrauch    machend,    1856   den    Grundstein  zur  neuen    Kathedrale    legte. 


Milideviö,  Kraljevina  Srbija,  S.  34  ff 


Stadt  und  Festung  Ni§.  147 

Die  über  diese  küiine  Tat  erbitterten   Spahi  vertrieben   den  Bischof,  •■veil   er  die 
Christen  zu  „Herren"  maclien  wolle!    Und  doch  war  es  derselbe  Janii<ije,  welcher 
den   Bulgaren   sagte:    „Was   sollen   Euch   bessere   Schulen,    sollen    Euere    Kinder 
ungläubige   Ketzer  werden?     Grosse    Kirchen    zur  Ehre   Gottes   sind    die   besten 
Schulen!"  —  Den  Charakter  und  das  Treiben  desjanikije  nachfolgenden  Fanarioten 
Kalinikos,  dessen  gründliche  Verachtung  alles  Bulgarentums  ich   1860   persönlich 
kennen  lernte,  schilderte  ich  an  anderem  Orte. ')     Der  Zufall,  dieser  grosse  Faktor 
im  Leben  und  auf  Reisen,  Hess   mich  wenige  Tage  vor  Kalinikos'  Einzug  in  Ni.s 
dort  eintreffen.     Ich  war,   als  ich  es  damals  zum  erstenmal  besuchte,  wohl   nicht 
in  eine  Revolution  mit  Barrikaden  und  Pulverdampf  hineingeraten,   doch   in  eine, 
trotz  ihres   äusserlich  weniger   stürmischen  Charakters,  folgenschwere  Bewegung. 
Ich    trat    in   den    Beginn    des    merkwürdigen    Kampfes    der   Bulgaren    gegen    das 
Griechentum,    welcher    die    geistige    und    politische   Wiedergeburt   eines    Volkes 
bedeutete,   dessen  Totenschein  von   dilettantisierenden  Touristen   und   selbst  von 
zünftigen  Politikern  seit  langer  Zeit  ausgestellt  war.     Auf  Grundlage   des  Selbst- 
gesehenen   und    verlässlicher    Mitteilungen    suchte    ich    die    wichtigen    Vorgänge 
darzustellen,  deren  Zeuge  zu  sein    mich    eine  glückliche   Fügung   bestimmt   hatte. 
Trotz  mancher  mir  bewusster  Lücken   und  Mängel  glaube  ich,   dass   nur  wenige 
es  vermocht  hätten,  Ursachen,  Gang  und  Verlauf  dieser  für  die  Entwickelung  der 
orientalischen  Frage   hochbedeutsamen   Episode   unbefangener  zu    schildern,     ich 
verweise    auf   die    bezüglichen   Kapitel    des   genannten    Werkes.      Der   verhasste 
Bischof  Kalinikos  wurde   schliesslich   von   seinen   erbitterten   Diözesanen   verjagt, 
und  an  seine  Stelle  trat  der  zu  Kalofer  geborene  Deda  Viktor,   ein  länge  zu  Ni5 
lebender,    der   national-kirchlichen   Bewegung   sympathisch  gesinnter  bulgarischer 
Mönch  vom  Athosklosler  Hilandar,  als  Verweser  des  Bistums. 

Im  Hinblick  auf  die  auch  von  aussen  genährte,  stetig  wachsende  Missstimmung 
der  Bevölkerung  des  Niser  Ejalets  und  die  offenkundigen  Vergrösserungsgelüste 
des  angrenzenden  Serbien  wuchs  die  strategische  Bedeutung  der  Niser  Feste  in 
den  Augen  der  Pforte.  Die  starke  Niser  Position  wehrte  nicht  allein  den  Serben 
das  Vordringen  gegen  Lcskovac  und  Vranja,  sondern  hielt  zugleich  mit  den 
kriegstüchtigen  Albanesen  dieser  Gebiete  die  aufstandslustige  Rajah  im  Schach. 
Andererseits  bildete  Nis  mit  seinen  starken  Vorwerken  ein  befestigtes  Lager,  aus 
dem  die  Türken,  wie  es  oft  im  serbischen  Unabhängigkeitskampf  und  in  den 
Kriegen  mit  Österreich  geschah,  zu  jeder  Zeit  leicht  hervorbrechen  konnten. 
Nichts  vermochte  sie  auf  ihrem  Marsche  längs  der  J^orava  ernstlich  aufzuhalten, 
denn  die  Kreise  Aleksinac  und  Knjazevac  boten  wenig  günstige  Defensivpunkte. 
Diese  Erwägungen  mochten  wahrscheinlich  den  russischen  General  Cernjajeff 
geleitet  haben,  als  er  1876  mit  dem  Gros  des  Serbenheeres  Nis  den  Türken 
entreissen  wollte.  Dazu  war  dieses  aber  viel  zu  schwach.  Fürst  Milans  Feldherr 
hatte  den  gegenüberstehenden  Feind  unterschätzt,  seine  Macht  nach  zu  vielen 
Seiten  hin  zersplittert  und,  wie  wir  sahen  (S.  126),  gelang  es  den  Serben  in  jenem 
Feldzuge  nicht,  über  Mramor  südlicher  vorzudringen. 


')  Donau-Bulgarien  und  der  Balkan.     I.  Auflage.   1.  Bd.    1875. 

10* 


148 


Stadt  und  Festiinn;  Nis. 


Besser  standen  die  Aussichten  im  Winterfeldzuge  1877,  als  Fürst  Milati,  dem 
von  Russland  gegebenen  Anstosse  folgend,  am  14.  Dezember  der  Türkei  erneut 
den  Krieg  erklärte.  Nur  wenige  türkische  Truppen  hatten  an  der  Drina  und  bei 
Novi  Pazar  eine  Defensivstellung  bezogen.  Das  von  Beli-Markovic  geführte 
ansehnliche  Moravakorps  wendete  sich  mit  voller  Wucht  gegen  das  von 
5000  Streitern  und  über  100  Geschützen,  darunter  26  Kruppkanonen,  verteidigte 
Nis.  Am  14.  Dezember  überschritt  Oberst  Lesjanin  die  Grenze  bei  Supovac 
und  nahm  die  NW.  von  Nis  liegenden  Orte  Secanica  und  Toponica  ohne 
Widerstand;  denn  die  Türken  beschränkten  sich  von  Beginn  auf  die  Verteidigung 
des  äusseren  Festungsgürtels,  namentlich  der  südlichen  Gorica  und  des  200  m 
über  der  Fläche  ansteigenden  nördlichen  Vinik.     Am  15.  Dezember  bemächtigten 


Verschanziini;  hei  Nis. 


sich  die  Serben  des  vor  dem  letzteren  liegenden  Dorfes  Kamenica  und  der 
wichtigen  Position  Camurl  ija;  der  türkische  Versuch,  sie  am  17.  Dezember 
wieder  zu  erobern,  blieb  erfolglos. 

Am  18.  Dezember  kam  Fürst  Milan  zu  Pferde  von  Aleksinac  nach  Mramor, 
dessen  Moravabrücke  einige  Erdwerke  verteidigten.  Am  21.  Dezember  fiel  sie,  und 
nachdem  der  Fürst  am  20.  und  23.  Dezeinber  die  Stellungen  bei  Camurlija  unter 
heftigem  feindlichen  Feuer  eingehend  besichtigt  hatte,  entsandte  er  noch  am 
23.  Dezember  den  Oberst  Lesjanin  an  Halil  Pasa  mit  der  Aufforderung  zur  Übergabe 
der  Festung.  Nach  erfolgter  abschlägiger  Antwort  begann  am  24.  Dezember  bei 
12"  R.  ein  erstes  wirkungsloses  Bombardement  der  türkischen  vorgeschobenen 
Positionen.  Am  26.  Dezember  erschien  Fürst  Milan  am  Bubna  und  ordnete  einige 
Bewegungen  an,  durch  welche  die  Serben  an  Terrain  gewannen.  Am  25.  und 
31.  Dezember  erfolgten  missglückte  türkische  Ausfälle  gegen  die  Positionen  der 
Belagerer  bei  Komren  und    Brzi   Brod,   am   1.  Januar  auch   gegen    Capljinac. 


Stadt  iiiul  Festung  Nis. 


!4!l 


Am  3.  Januar  wurde  in  den  Weingärten 
bei  Cur!  i na,  am  6.  Januar  um  die  Brüci<e 
bei  Popovac,  vom  4.  bis  7.  Januar  um 
den  Vucji  Del,  die  Ostra  Cuka  und 
Siroi<a  Päd  Ina  serbischerseits  siegreich 
gekämpft.  Die  auf  den  letzteren  Höhen 
rasch  erbauten  F^atterien  griffen  ungemein 
wirksam  in  die  Aktion  ein.  Auch  auf 
der  südlich  von  Nis,  etwa  150  m  hoch 
ansteigenden,  die  Stadt  dominierenden 
Gorica  gewannen  die  Serben  immer 
mehr  Boden,  und  am  7.  Januar  fiel  ihr 
Kronwerk,  das  Marko vo  Kaie,  derselbe 
Pimkt,  auf  dem  die  Österreicher  ihre 
noch  erkennbaren  Angriffswerke  gegen 
Nis  errichtet  hatten.  32  Geschütze  wurden 
von  den  Serben  in  der  ersten  Januarwoche 
hier  und  an  versciiiedencn  F^unkten  bis 
Curlina  erbeutet.  Nachdem  auch  die 
türkischen  Werke  auf  der  Mala  und 
Vfilika  Kamara  von  den  tapferen  Rud- 
nikern  und  Pozarevacern  erstürmt  worden 
und  iiire  Batterien  von  dort  aus,  vereint 
mit  den  anderen  Positionen,  am  9.  Januar 
ein  verheerendes  Feuer  auf  die  Zita- 
delle richteten,  war  der  Mut  ihrer  stark 
geschmolzenen,  nur  Schritt  für  Schritt 
zurückgewichenen  Verteidiger  um  so  mehr 
gebrochen,  als  während  derEinschliessung 
ringsum  alle  türkischen  Städte  bis  auf 
Pristina  und  Philippopel,  gleich  dem 
starken  Sofia,  gefallen  waren  imd  daher 
keine  Aussicht  auf  Hilfe  von  aussen 
sich  bot. 

Am  folgenden  Tage  erschienen  im 
Hauptquartier  zu  Bajir,  zwischen  Nis 
und  Novo  Selo,  Mujurdar  Mustafa  Effendi 
und  überbrachte  dem  Oberst  Lesjanin 
die  von  dem  Kommandanten  Halil  und 
dem  Mulasim  Rasid  Pasa  unterschriebene 
Kapitulation.  Am  11.  Januar  besetzten 
die  Serben  die  Zitadelle,  und  die  tapfere 
Garnison  zog  nach  Abgabe  ihrer  Waffen 
über     Pirot     nach     Radomir     und     über 


m 


MW14 


150  Sudt  und  Festung  Nis. 

Vranja  oder  Kursumlija  nach  Pristina.  384  venvundete  und  kranke  Soldaten 
blieben  in  den  Spitälern  zurück.  Erbeutet  wurden  an  alten  und  neuen  Waffen: 
267  Geschütze,  13050  Gewehre,  780  Revolver  und  grosse  Mengen  von  Munition. 
Nis'  Eroberung  kostete  den  Serben  an  Toten:  6  Offiziere,  114  Soldaten;  an 
Verwundeten:  26  Offiziere  und  765  Soldaten. 

Am  15.  Januar  hielt  Fürst  Milan,  jubelnd  begrüsst  von  dem  Klerus  und  dem 
Volke,  seinen  feierlichen  Einzug  in  die  von  den  Serben  solange  erstrebte  Feste.  Der 
Oberkommandant  Beli-Markovic  und  die  befehligenden  Stabsoffiziere  Lesjanin, 
Bucovic,  Ivanovic,  Topalovic,  Oreskovic,  Vasiljevic  und  viele  Tapfere  erhielten 
hohe  Auszeichnungen;  die  Vinikschanzen :  Komandir-,  Zuav-,  Anadol  nizani-  und 
Mithad  Pasa-Tabia  die  Namen:  Knez  Mihailo,  Knez  Milan,  Knez  naslednik 
Aleksandar  und  Vojvoda  Sindjelic.  Den  Manen  des  letzteren  und  der  1809 
gefallenen  Serben  weihte  Fürst  Milan  eine  weitere  Huldigung,  indem  er  sofort 
von  Nis  hinaus  zur  berüchtigten  -Cele  Kala'  ritt  und  vor  derselben  betete. 


Den  Türken  erschien  Nis'  Umgebung  so  herrlich  wie  „serma  cumis'  (reines 
Silber).  In  Wahrheit  ist  die  Lage  der  Stadt  in  175  m  Seehöhe,  zwischen  der 
Gorica  und  Vinik,  im  östlichen  Winkel  der  bereits  auf  Seite  135  geschilderten 
grossen  Dreiecksebene  überraschend  schön.  Ostvvinde  vom  Balkan  reinigen  ihr 
W'eichbild  und  die  weite  Nisavaebene  von  mephitischen  Dünsten;  von  NW.  über 
den  Jastrebac  streichende  Stürme  gestalten  aber  den  früh  eintretenden  Winter 
rauh,  Kälte  und  Schnee  dauern  lang  und  die  Temperatur  sinkt  oft  auf  20—26*  C^ 
während  sie  im  Juli  28 — 35'-'  C.  erreicht 

Nis'  administrative  Bedeutung  wechselte  häufig  und  war  selbst  während 
der  letzten  Dezennien,  bis  es  nach  kurzer  Selbständigkeit  1895  das  Zentrum  des 
grossen  „Xiski  okrug"  wurde,  eine  sehr  verschiedene.  1860  traf  ich  Nis  als 
Paschasitz  des  gleichnamigen,  aus  den  Bezirken  und  Kreisen  Nis,  Prokuplje, 
Kursumlija,  Leskovac,  Pirot  und  Berkovac  gebildeten  Ejalets.  1867  wurde  dieses 
dem  grossen  Tuna-Vilajet  einverleibt  und  von  Ruscuk  regiert  1868  fiel  das 
Paschalik  an  das  Ejalet  Prizren,  denn  nicht  das  Bedürfnis,  sondern  der  mehr 
oder  minder  grosse  Einfluss  der  Gouverneure  entschied  die  Zahl  der  ihnen 
zur  Regierung  oder  richtiger  zur  Ausbeute  unterordneten  Distrikte.  Für  Nis  war 
jedoch  die  zeitweise  Einverleibung  in  die  letzteren,  durch  Mithad  Pasa  regierten 
V'ilajets  von  wohltätigsten  Folgen  begleitet  Vor  1867  war  Nis  eine  alttürkische 
Stadt  gleich  ihrer  grösseren  2^hl,  solange  das  Wetter  trocken  und  orientalischer 
Soimenschein  das  bunte  Linien-  und  Farbengewirr  ihrer  tausend  Bizarrerien  mit 
transparenten  Lichtem  überzieht,  den  Europäer  ebenso  bestrickend,  wie  bei 
dauerndem  Regen  und  im  Winter  zur  Verzweiflung  bringend.  Auch  Nis  besass 
zahllose,  prächtige,  grüne  Scheidewände  von  Haus  zu  Haus  bildende  Gärten, 
13  sein  buntes  Dachgewirr  malerisch  überragende  Moscheen  mit  zierlichen 
weissen  Minarettsäulen  und  lustig  plätschernden  Brunnen,  sowie  auch  den  .Ärmsten 
zugängliche  Bäder.  Zu  den  aber  dem  Fremden  sofort  sich  fühlbar  machenden 
Obelständen  zählten:  der  absolute  A\angel  anständiger  Herbergen,  von  Mietwagen 


Stndt  iiiul  Festung  Nis. 


151 


und  Strassenbeleuch- 

tung,  das  entsetzlich 
schlechte  Pflaster,  der 
unsagbare  Schmutz 
ausserhalb  derHäuser^ 
ihre  schiefwinkeligen 
Fronten,  die  vielen 
unerwartet  zur  Um- 
kehr zwingenden  Sack- 
gässchen  usw.  Etwas 
mehr  Ordnung  und 
leidlich  gute  Häuser 
zeigte  nur  das  christ- 
liche Stadtviertel,  in 
dem  sich  im  Jahre 
1864  auch  ein  besserer  Han  etablierte. 

Mit  besserem  Willen  als  Erfolg 
griff  Mithad  Pa§a,  der  intelligenteste 
der  letzten  Niser  Gouverneure,  in  dieses 
Chaos  ererbter  Übelstände  ein.  Einzelne 
aus  seiner  Initiative  von  1862—1865 
hervorgegangene  Bauten,  wie  die  grosse 
Kaserne  beim  heutigen  Bahnhofe,  die 
Isla  haue  (Handwerkerschule),  das  Post- 
amt,  die   Stadtschule,    das    Haps   hane 

(Gefängnis),  die  Hauptwache,  dann  der  nette  Stadtteil  für  die  1862  emigrierten 
Belgrader  Moslims,  vermochten  aber  den  ungünstigen  Totaleindruck  wenig  abzu- 
schwächen. Dankenswert  erschien  aber,  schon  der  fortwährenden  Feuersgefahr 
wegen,  die  auf  des  Paschas  Befehl  etwas  gewalttätig  durchgeführte  Verbreiterung 
der  Basarstrasse  und  die  Beseitigung  ihres  an  vielen  Stellen  dem  Einstürze 
drohenden  Bretterdaches,  das  längst  nicht  mehr  Schutz  gegen  Sonne  und  Wetter 
gewährte.  Auch  einige  festere  Karaule  bei  den  Durchlässen  des  die  Stadt 
umschliessenden  Erdwalles  entstanden  gleichfalls  unter  Mithad.  Von  den  vielen 
Stadtvierteln  waren  die  Stambol-,  Sozina-  und  Leskovacka  kapija,  Arnaut  pazar, 
Carkadzin  Ciftlik  und  Palilula  die  besten. 

Die  zur  Türkenzeit  in  Nis  wohnenden  8000  Moslims  trieben  nur  wenig 
Handel;  sie  lebten  grösstenteils  von  dem  Ertrage  ihrer  Landgüter  und  von 
Gewerben,  namentlich  als  Büchsenmacher,  Messer-  und  Hufschmiede,  Sattler, 
Bäcker  usw.  Der  regste  Verkehr  herrschte  in  der  „Pokrivena  carsija"  vor  den 
nur  durch  einzelne  Cafes,  Garküchen,  Barbierstuben  und  Brunnen  unterbrochenen 
Läden  mit  denkbar  buntestem  Wareninhalt.  Diese  endlos  sich  dehnende  enge 
Strasse  führte  zur  vom  nahen  hässlichen  Häusergerümpel  vorteilhaft  abstechenden 
Nisavabrücke,  die  der  Ofener  Kommandant  Mehemed  Pasa  mit  65  m  langer 
Holzbahn  auf  3  freistehenden  und  2  Landpfcilern  im  Jahre  1619  erbaute.     Hart  am 


Einzug  des  Fürsten  Milan  in  Nis  im  J;ilirc'  1878. 


152  Stadt  und  Festung  Nis. 

rcclitsuferiffen  Brückenköpfe  bewachten  breitschulterige  Asiaten  in  der  malerischen 
Turkütracht  das  mit  dieser  übereinstimmende,  maurisch  anklingende  und  reich 
verzierte  „Stambol  kapija".  Seine  türkische  Inschrift  verkündete:  „Der  Kaiser, 
so  mächtig  wie  Alexander,  so  berühmt  wie  Dareios,  der  erhabene  Sultan  Ahmed 
Khan  (III.)  usw.  erbaute  dieses  Tor  im  Jahre  1132  (1783)".  Auch  das  westliche 
Belgrader  Tor  erhält  durch  phantasiereich  en  relief  skulptierte  Tierbilder  und 
Ornamente  malerischen  Reiz,  das  nördliche  Vinik-  und  östliche  Vidiner  Tor  zeigen 
schöne  konstruktive  Verhältnisse  bei  einfacher  Dekorierung,  ein  fünftes,  namenloses, 
neben  dem  Stambol  kapu  zur  Nisava  führendes,  blieb  ganz  ohne  Zier. 

Die  Zitadelle  war  das  einzige,  dem  Occidentalen  imponierende  Niser  Bauwerk. 
Aber  auch  dieses  erhielt  seine  planbewusste  Ausgestaltung  erst  während  der 
kurzen  österreichischen  Okkupation  im  Jahre  1737.  Die  etwas  höher  als  die 
jenseitige  Stadt  liegende  Feste  bildet  ein  Polygon,  von  dessen  7  Hauptfronten 
1  Kronwerk  und  5  Bastionen  mit  ungleichen  Kurtinen  vorspringen.  Hohe,  an 
manchen  Stellen  aber  nur  geringen  Bewegungsraum  bietende  Wälle,  starke,  durch 
Schanzkörbe  und  Palisaden  gesicherte  Brustwehren,  mit  Quadersteinen  verkleidete 
Eskarpe-  und  Kontereskarpemauern,  tiefe,  leicht  unter  Wasser  zu  setzende  Gräben 
ohne  Ravelins  und  ein  bedeckter  minierter  Weg  bildeten  ihre  Hauptwehr.  Zu  den 
von  General  Dochat  im  Jahre  1737  angelegten  Verstärkungen  zählen  das  westliche 
grosse  Werk  vor  der  Beogradska  mahala,  einige  in  gleicher  Richtung  erbaute 
Reduits  für  je  3  Geschütze,  ein  kaum  in  den  Linien  erhaltenes  Hornwerk  (tetc 
de  pont)  am  rechtsuferigen  Brückenkopfe  und  einige  gemauerte  Bastionen  an  der 
stark  vernachlässigt  gefundenen  schwach  profilierten  Stadtumwallung. ') 

Der  ausgedehnte  Innenraum  der  Zitadelle  war  vollkommen  überbaut.  Um 
seinen  Mittelpunkt,  den  rotgetünchten,  weitläufigen,  mit  dem  Haremlik  des 
Gouverneurs  verbundenen  Verwaltungskonak  für  die  Stadt  und  Provinz,  gruppierten 
sich  etwas  chaotisch,  dafür  aber  um  so  malerischer  und  allerorts  von  Grün 
durchwachsen,  vier  Moscheen  mit  Minaretts,  einige  Tulbas,  der  Uhrturm,  eine 
Schule,  das  Telegraphenamt,  mehrere  Kasernen,  das  Arsenal,  ein  Spital,  die 
Gefängnisse,  Proviantbäckereien  und  eine  in  die  Hunkiar-  und  Edirneh  Mahala 
geteilte,  ausschliesslich  moslimische  Niederlassung  mit  meist  unansehnlichen  Häusern 
für  Offiziere,  Beamte  und  Handwerker.  Es  waren  zum  grösseren  Teile  Holzbauten, 
und  nur  wenige  militärische  Gebäude  machten  den  Eindruck  grösserer  Wider- 
standsfähigkeit. 

Bei  meinem  zweiten  Besuche  Nis'  (1864)  bestieg  ich  in  Begleitung  eines 
vom  Muavin  mir  beigegebenen  Causes  den  mit  allerlei  Tiergestalten  geschmückten 
Uhrturm.  Sein  Obergeschoss  bildete  ein  das  grosse  Niser  Becken  vollkommen 
übersehendes  Observatorium.  Als  ich  nach  kurzer  Orientierung  mit  der  Peilung 
der  es  umrahmenden  Gebirge  beginnen  wollte,  pfiff  es  wie  eine  Kugel  an  mir 
vorbei;  gleich  darauf  schlug  ein  Stein  an  die  Rückwand,  während  von  unten 
lautes  Schreien  ertönte.  Da  das  Bombardement  und  der  Lärm  stärker  wurde, 
ein    Parlamentieren    von   der    Höhe   aber    unmöglich,    nnisste    ich    den    Rückzug 


')  Relation  im  k.  und  k.  Kriegsarchiv  in  Wien. 


Stadt  und  Festung  Niä. 


158 


antreten.  Nach  ihren  Begriffen  waren  tue  Leute  im  Rechte.  Man  i<ünnte  näiiiHcii 
vom  Turme  in  die  Höfe  der  türl\ischen«Hausciieii  blicken,  in  weichen  sich  Frauen 
und  Kinder  frei  bewegten.  Dieses  Eindringen  eines  fremden  Auges  in  ilir  Heiligstes 
wollten  aber  die  eifersüchtigen  Muslims  nicht  dulden. 


MIthad  Pasa  und  sein  Sekretär  Ciiician  Effendi. 


Der  Muavin  entschuldigte  den  Vorfall  und  bewies  mir  seinen  guten  Willen 
durch  die  Einladung,  in  Gesellschaft  eines  Offiziers  alle  grösseren  Bauten  der 
Feste  zu  besichtigen.  Es  brachte  wenig  Gewinn.  Selbst  das  kurz  zuvor  vollendete 
bescheidene  Arsenal,  dessen  pomphafte  Inschrift  den  regierenden  Sultan  Abdul 
Medzid   als    seinen    Erbauer   pries,    gewährte    kein    besonderes    architektonisches 


154  Stadt  und  Festung  Nis. 

Interesse.  Bei  dem  naticn,  von  Hajdar  Celiaja  errichteten  Brunnen  sali  ich  eine 
Tulba,  welche  die  Gebeine  einer  durch  Mire  wunderbare  Meki<afahrt  berühmten 
Niser  Jungfrau  umschioss,  und  eine  zweite,  in  der  „Deruni  baba"  ruhte,  deren 
Gebete  von  Allah  stets  erhört  wurden.  Als  einst  trotz  aller  Bitten  der  moslimischen, 
christlichen  und  jüdischen  Priester  eine  furchtbare  Trockenheit  zu  Nis  nicht  enden 
wollte,  erwirkte  Deruni  den  ersehnten  Regen.  Auch  Kranke  heilte  sie  mit  ein- 
fachsten Mitteln.  Drei  Tage  vor  ihrem  Tode  kündigte  sie  diesen  dem  Gouverneur 
Mahmud  Pasa  Prizrenac  an  und  befahl  ihm,  ihr  eine  Tckija  und  Tulba  zu  errichten. 
Es  geschah,  und  fortan  zündete  man  in  beiden  an  Freitagen  und  am  Bairam  viele 
Kerzen  an.    Man  sieht,  dass  auch  die  Moslims  ganz  merkwürdige  Heilige  besitzen. 

Weder  der  freundliche  Muavin,  noch  der  misstrauische  Abdur  Rahman  Pasa, 
welchen  ich  im  Jahre  1870  als  Gouverneur  in  Nis  traf,  oder  der  1876  dort 
kommandierende  Sevket  Pasa,  der  die  Verteidigungsfähigkeit  der  Zitadelle  durch 
vorgeschobene  Redouten  auf  der  Gorica  und  dem  Vinik  erhöhte  und  an  die  Stelle 
der  von  den  Kaiserlichen  zurückgelassenen  Rohre,  darunter  meisterhafte  Kunstgüsse 
mit  Figuren,  Wappen,  Emblemen  usw.,  und  glatten  türkischen  Kanonen  weittragende 
gezogene  und  schwere  Kruppgeschütze  treten  Hess,  ahnten  wie  ich  selbst,  welch 
gründliche  Umwälzung  aller  Verhältnisse  sich  in  kurzer  Zeitspanne  zu  Nis  voll- 
ziehen sollte.  Denn  wohl  kaum  in  einer  anderen  Stadt  des  jungen  Königreichs 
trat  der  Kampf  zwischen  Altem  und  Neuem  in  den  ihm  1878  zuerkannten 
Gebietsteilen  so  sprechend  hervor,  wie  in  Nis.  Erst  seit  15  Jahren  herrschte  dort 
das  christliche  Regiment,  und  kaum  mehr  als  ein  Lustrum  brauste  die  Lokomotive 
von  Wien  über  Belgrad  dahin,  und  schon  hatte  sich  die  Physiognomie  der 
Stadt  derartig  geändert,  dass  ihr  geschilderter  orientalischer  Zuschnitt  vollständig 
verschwunden  war. 

Es  fiel  mir  schwer,  das  alte  Nis  zu  erkennen,  als  ich  nach  17  Jahren,  am 
20.  Oktober  1887,  zwischen  zwei  Aussenforts  und  einer  Reihe  neuer  Bauten  über 
die  eiserne  Brücke  in  den  Bahnhof  fuhr.  Staunte  ich  schon  über  dessen  Stattlichkeit, 
so  war  ich  noch  angenehiner  überrascht,  dass  vor  seinem  Portale  viele  Fiaker 
warteten,  deren  einer  mich  auf  22  m  breiter,  geradliniger  Strasse,  vorbei  an  dem 
brunnengeschmückten  Arnaut  Pazar-square,  durch  beleuchtete  Strassen  nach  dem 
„Hotel  Europe"  brachte,  in  dem  gleichfalls  Gas  brannte.  Und  noch  gründlichere 
Veränderungen  fand  ich  am  nächsten  Tage.  Das  war  eine  Stadtregulierung  nach 
zarischem  Muster  im  kategorischen  imperativ.  Ansehnliche  Plätze  und  Strassen  waren 
allerorts  auf  der  Stelle  der  weggeräumten  Moscheen,  Minaretts  und  schieflinigen 
Gässchen  entstanden.  Überall  sah  ich  europäische  Wohnhäuser;  doch  keine 
Zinsburgen,  sondern  meist  durch  Terrakotten  verzierte  freundliche  Hochparterres, 
mit  Küchenanlagcn  im  Souterrain  und  kleinem  Garten  für  den  Eigentümer  und 
manchmal  für  noch  eine  Partei.  Die  von  der  Bahneröffnung  riesige  materielle 
Erfolge  erhoffende  Unternehmungslust  schuf  auf  den  billig  abgelösten  türkischen 
Gründen  nur  allzuviel  Häuser,  Hotels,  Cafes,  Magazine  usw.,  die  nun  allmählich  zu 
Privatwohnungen,  Amtern,  Schulen  usw.  umgewandelt  werden.  Zur  vielgepriesenen 
Zeit  des  Bahnbaues,  welche  viele  fremde  Unternehmer,  Gewerbsleute  und 
Spekulanten   jeder  Art    nach   Nis   führte,    verteuerten    sich    Mieten,    Lebensmittel 


Stadt  imtl  Festung  Ni§.  155 

und  Löhne  ganz  unglaublich.  Man  zahlt  jetzt  für  3  Zimmer  und  Zubehör 
durchschnittlich  500  d  Jahresmiete.  Läden,  die  man  vor  1878  für  50  bis  80  d, 
Häuschen  von  40  bis  70  d  mietete,  kosteten  250  bis  800  d.  Der  Lohn  für  Diener 
stieg  auf  das  vierfache,  der  Tagelohn  von  60  bis  80  c  auf  1.50  bis  2  d.  Der 
Schweinepreis  von  18  bis  22  d  auf  45  bis  liü  d,  ein  Wagen  Heu  von  2  bis  3  d 
auf  8  bis   10  d  usw. 

Gleich  sehr  überraschte  mich  die  Metamorphose  in  der  Ausstattung  der 
Wohnungen  und  Läden.  Nur  Nis'  berühmte  Silberfiligranschniiede,  seine  Schuster 
und  Schneider  für  den  Bauernbedarf,  einige  Klempner,  Glaser  u.  a.  halten  an  der 
Vereinigung  von  Werkstätte  mit  Verkaufsraum  fest.  Sonst  sind  Magazine  mit 
hübschen  Portalen  vorherrschend,  in  deren  oft  geschmackvoll  arrangierten 
Schaufenstern  meist  occidentale  Erzeugnisse  ausgelegt  sind.  In  vielen  herrscht 
noch  das  Allerlei  vor.  Einzelne  Kaufleute,  wie  die  Brüder  Popic  oder  Manojiovic, 
sind  aber  Yiur  Grossisten  in  Manufakturwaren,  Teppichen  und  Galanterieartikcln; 
andere  führen  ausschliesslich:  Eisen,  Porzellan,  Glas,  Papier,  Leder,  fertige  Kleider, 
Schuhe,  Reise-,  Jagd-,  optische  Artikel.  Man  darf  annehmen,  dass  drei  Fünfteile 
dieser  importierten  Waren  aus  Oesterreich-Ungarn  stammen  und  ein  Drittel  teuerer 
als  dort  verkauft  werden.  Wien  liefert  auch  die  hübschen  eisernen  Betten,  von 
welchen  mit  Malereien  ausgestattete  40  d  kosten,  Lampen  aller  Sorten,  Apollokerzen 
zu  1.20  d  per  kg,  die  trotz  der  um  20  c  wohlfeileren,  in  der  Etikettierung 
nachgeahmten,  schlechteren  belgischen  Fabrikate  und  den  gleich  billigen  Pester 
Florakerzen  sehr  gesucht  sind,  ferner  Kaffeesurrogate,  Teigwaren  usw.  Aus  Triest 
bezieht  man  Kaffee  und  Zucker,  der  hier  10  Kreuzer  per  kg  teuerer  als  in  Wien 
ist,  aus  Fiume  viel  Reisstärke,  aus  Pest  grünliches  Fensterglas,  billige  Möbel, 
Öfen  und  andere  Waren  in  Eisenguss,  neuestens  auch  Nägel,  welche  jenen  aus 
Deutschland  erhebliche  Konkurrenz  machen,  das  aber  denn  doch  für  eiserne 
Ketten,  grosse  Scheren,  in  Trops,  kleinen  Zuckerwaren,  Tee  usw.  den  Markt 
gleich  sehr  beherrscht,  wie  England  in  feineren  Garnen,  Russland  und  Rumänien 
für  Petroleum,  das  unraffiniert  mit  40  c  per  kg,  raffiniert  aber  um  54  c,  also 
um  10  Kreuzer  teuerer  als  in  Wien  verkauft  wird.  Von  den  einheimischen 
Industrieartikeln  sind  die  silbernen  pittoresken  Kopfbehänge  zu  6  bis  8  d,  reicherer 
Halsschmuck  zu  30  d,  Broschen  zu  4  bis  6  d,  Filandzeri  von  4  bis  8  d, 
dann  Bauernschürzen  von  1  bis  4  d,  Strümpfe  von  1  bis  2  d,  noch  immer 
stark   begehrt. 

Auf  dem  Wege  durch  die  Carsija  (Basarstrasse)  tritt  uns  in  ihrer  Staffage 
der  seit  1878  vollzogene  Szenenwechsel  am  auffallendsten  entgegen.  Obschon 
viele  Niser  bis  heute  ihr  dem  moslimischen  nachgebildetes  abgeschlossenes 
Familienleben  bewahrten,  haben  die  mit  der  serbischen  Besitznahme  eingezogenen 
Militärs,  Beamten,  Ingenieure,  Ärzte,  Bauunternehmer  und  auch  die  Vizekonsuln, 
welche  Oesterreich-Ungarn,  Deutschland,  England,  Frankreich  und  Italien  hier 
unterhalten,  dem  Strassenleben  einen  mehr  occidentalen  Charakter  aufgedrückt. 
Noch  iiTiiner  ist  dasselbe  bunt;  doch  lange  nicht  so  anziehend  wie  in  türkischer 
Zeit.  Vor  den  Cafes  fehlen  die  behaglich  aus  Cibuk  und  Nargileh  schmauchenden 
Türken,    vor    den    Läden    die    glutäugigen    verschleierten    Frauen,   die    wie    stets 


156  Stadt  und  Festung  Nis. 

Geheimnisvolles  unsere  Neugierde  beschäftigen.  Wir  vermissen  die  gravitätischen 
Effendis  mit  ihrem  Dienertross,  die  schreienden  Telials,  ambulanten  weissbebartcten 
Krämer,  die  befesten  ')  Nizams,  stolzen  Tscherkessen  und  Arnauten,  die  Almosen 
heischenden  Bettler,  Derwische  und  andere  mosliniische  Typen.  Es  fehlen  die 
meist  mit  den  Paschas  auf  Teilung  des  Raubes  arbeitenden,  die  Rajah  im  Medzlis 
vertretenden  Corbadzi  in  ihrer  nun  ausgestorbenen  orientalischen  Tracht;  nur  jene 
der  Bauern  änderte  sich  wenig,  namentlich  fiel  mir  die  kleidsame  nach  Nis 
Übersiedeiter  Montenegriner  auf,  unter  diesen  der  halb  europäisch  gekleidete 
Wojwode  Piletic  mit  scharf  geschnittenem  Kopfe  und  martialischer  Haltung.  Der 
Staat  gab  ihm  eine  bescheidene  Pension  und  seinen  Söhnen  kleine  Anstellungen. 
Sporadisch  tauchen  in  den  Cafes  einzelne  türkische  Dandys  mit  dem  modernen 
spitzen  Fes  auf,  meist  Söhne  oder  Verwandte  der  emigrierten  türkischen  Ciftlik- 
bcsitzer,  welche  die  Ablösung  ihrer  Immobilien  bei  Behörden  und  Privaten 
betreiben  oder  Pachtzinse  von  solchen  einkassieren.  Vom  grossen  ßade  in  der 
Pirotska  ulica  bezieht  beispielsweise  die  reiche,  in  Konstantinopel  lebende  Witwe 
Sükrije  des  Orossgrundbesitzers  Salim  Begovic  als  jährlichen  Pacht  200  Dukaten. 
Im  Jahre  1888  liess  sie  den  zwei  Kuppelräume  für  Frauen  und  Männer  und  ein 
Jevrejski-Bassin  umfassenden  Bau  durch  eine  geräumige  Vorhalle  vergrössern. 
Die  schönen  Tage,  in  welchen  dieses  Bad  den  beliebte'Sten  Sammelpunkt  für  die 
mosliniische  Niser  Damenwelt  bildete,   kehren  aber  nicht  mehr  wieder. 

Die  billigen  Wiener  Modewaren  haben  die  orientalische  Tracht  beinahe 
gänzlich  verdrängt.  Nur  äusserst  selten  sieht  man  ältere  christliche  Frauen  in 
bis  zu  den  Fussknöcheln  geschlossenen  bauschigen  salvare;  solche  tragen  nur 
die  immer  noch  zahlreichen  Zigeunerinnen.  Konservativer  blieben  die  Bauern. 
Ihre  bunten  Kostüme  bringen  Farbe  in  das  Strassentreiben.  Namentlich  ist  die 
Tracht  der  Mädchen  und  Frauen  aus  dem  nahen  Jelasnicn  ebenso  reich  wie 
geschmackvoll.  Den  Mäiuiern  leiht  das  über  die  Kappe  geschlungene  weisse 
Kopftuch  einen  eigentümlichen  Reiz.  Sehr  bequem  kann  man  den  nach  Bezirken 
verschiedenen  Tracht-  und  Schmuckzusclinitt  an  samstäglichen  Wochenmärkten 
studieren,  wenn  die  ländlichen  Verkäufer  auf  den  Plätzen,  in  der  Carsija,  auf 
Wagen  und  mit  Lastpferden  die  Strassen  durchziehend,  ihre  Waren  feilbieten. 
Zur  Türkenzeit  besorgten  die  Männer  alle  Einkäufe  für  die  Küche;  sah  man  eine 
feilschende  Frau,  so  war  es  sicher  eine  Ausländerin.  Nun  geht  aber  auch  die 
serbische  Frau  mit  ihrem  Dienstmädchen  auf  den  Markt,  denn  seit  1878  wich 
die  orientalische  Anschauung  der  occidentalen  auch  in  diesem  Punkte. 

Als  ich  im  Sommer  1860  den  reichsten  Niser  Kaufmann  Nikola  Cohadzi 
besuchte,  küssten  mir  die  im  bunten  cincarischen  Staate  den  Kaffee  kredenzenden 
Frauen  der  Reihe  nach  mit  tiefen  Bücklingen  die  Hand.  Heute  ist  dies  anders. 
Die  Befreiung  der  Frau  von  der  angenommenen  türkischen  Absperrung  und  Sitte 
verrät  nicht  allein  deren  Erscheinen  in  möglichst  reichen  und  modernen  Toiletten 
auf  der  Strasse,  sondern  mehr  noch  ihre  Teilnahme  an  Militärkonzerten,  Sing- 
produktionen, Bällen,  in  den  Cafes  und  öffentlichen  Gärten,  zu  welchen  nun  bald 


')  Fes  ist  die  Kopfbedeckung  der  türkischen  Soldaten  (Nizams). 


Stadt  und  Festung  Nis.  157 

regelmässige  Vorstellungen  in  einem  1901  geplanten,  vom  Staate  subventionierten 
Theater  hinzutreten  sollen. 

Der  meist  in  entlegenen  Gassen  wohnenden,  ziemlich  stark  vertretenen 
Halbwelt  ist,  und  dies  verdiente  auch  bei  uns  Nachahmung,  der  Besuch  derartiger 
Lokalitäten  streng  untersagt.  Die  grösstenteils  aus  dem  Auslande  sich  rekrutierende 
Prostitution,  zu  welcher  auch  alle  in  den  Gasthöfen  dienenden  Mädchen  gerechnet 
werden,  besitzt  in  Serbien  geringe  Freiheit  und  steht  unter  der  strengen  Aufsicht 
der  Kreisärzte,  deren  Einkommen  sie  bedeutend  vergrössert.  Nis  gewann  in 
dem  von  mir  empfohlenen,  zu  Wien  gebildeten  Dr.  Mladen  Grujic  einen 
ausgezeichneten  Kommunalarzt.  Auch  andere  tüchtige  Doktoren  finden  dort  in 
der  Privatpraxis  lohnende  Beschäftigung.  So  hat  sich  dort  die  Hygiene  nach  der 
serbischen  Besitznahme  zum  Besseren  gewendet;  denn  1860  traf  ich  zu  Ni§  nur 
den  griechischen  Arzt  Mileriadis,  der  ein  gleich  zweifelhaftes  Diplom  besass,  wie 
sein  ebenfalls  in  der  Stadt  praktizierender  militärischer  Kollege  Zachariae,  welcher 
die  ihm  mit  Entlassung  drohenden  Vorwürfe  seines  Obersten  über  das  seltene 
Genesen  seiner  erkrankten  Soldaten  durch  Geschenke  von  Pferden  usw.  stets 
zu  beschwichtigen  verstand  und  dabei  zu  zwei  stattlichen  Häusern  kam.  Diese 
Herren  lieferten  den  Privatpatienten  ihre  problematischen  Heilmittel,  weil  es  nur 
eine  Feldapotheke  in  der  Feste  gab,  zu  ungeheueren  Preisen,  während  Nis 
gegenwärtig  drei  wohlausgestattete  Offizinen  besitzt. 

Noch  merkwürdiger  erschien  mir  der  politisch-geistige  Umschwung.  Unter 
dem  türkischen  Regimente  war  das  Niser  öffentliche  Leben  gleich  Null.  Nun  ist 
dieses  in  unglaublicher  Weise  entwickelt  und  in  Parteien  mit  eigenen  Journalen 
organisiert,  die  sich  leider  nur  allzu  sehr  befehden.  Nis'  Deputierte  spielen  eine 
hervorragende  Rolle  in  der  früher  (S.  160)  abwechselnd  dort  und  in  Belgrad 
tagenden  Skupstina.  Auch  Kongresse  aller  Art  wählen  die  freundliche  Stadt 
zum  Versammlungsort.  So  1888  der  durch  König  Milan  eröffnete  erste  Weinbau- 
Kongress,  1889  eine  vom  Metropoliten  Mihail  präsidierte,  von  200  Klerikern 
besuchte  Synode  für  geistliche  Reformen,  der  andere  folgten.  Namentlich  strebte 
Niä  auch,  was  die  Jugendbildung  betrifft,  den  Titel  „Serbiens  zweite  Hauptstadt" 
zu  verdienen.  Zu  dem  schon  1879  eröffneten  Gymnasium,  jetzt  mit  24  Professoren, 
447  Schülern  und  nahezu  95000  d  Kostenaufwand,  kamen  1882  ein  Lehrerseminar'), 
1894  eine  höhere  Mädchenschule.  Für  den  niederen  Unterricht  sorgen  (1895) 
3  Volksschulen  für  Knaben  mit  23  Lehrern  und  1678  Schülern,  eine  Mädchen- 
schule mit  12  Lehrerinnen  und  891  Schülerinnen,  ferner  eine  jüdische  und 
türkische  Schule. 

Auch  in  wirtschaftlicher  Beziehung  machte  Nis  bedeutende  Fortschritte.  Es 
entstanden  vier,  meist  auf  dem  Gegenseitigkeitsprinzip  beruhende,  Handels-,  Spar- 
und  Kreditvereine,  beim  Bahnhofe  eine  technische  Werkstätte  für  die  Erhaltung  des 
rollenden  Materials  und  neben  den  nahen  staatlichen  Salzdepots  eine  militärische 
Dampfmühle;    ferner    eine    Spiritus-Raffinerie    mit    grosser    Kellerei    der    Brüder 


')  Es  siedelte   1897  nach  Aleksinac  über.     1905  hatte  es   14  Professoren,   116  Hörer 
und  kostete  dem  Staate  44555  d. 


158  Stadt  und  Festung  Ni§. 

Tutunovic,  welche  in  letzter  Zeit  auch  die  trefflichen  Niger  Weine  auf  dem 
deutschen  Marl<te  einzubürgern  versuchten.  Am  Fusse  der  Gorica  gründete  der 
Alei<sinacer  Brauer  Appei  hart  am  Schienenstrange  eine  sehr  günstig  liegende 
Bierbrauerei  mit  Halle,  in  welcher  die  Niser  sich  immer  meiir  mit  dem  Gambrinus- 
kult  befreunden.  Von  den  vielen  Ziegeleien  in  Nis'  Umgebung  kann  die  grösste 
Simicsche  Ringofenanlage  jährlich  5  Mill.  Ziegel  erzeugen  und  lieferte  1886 
nahezu  3  Millionen.  Beim  nördlichen  Medosevac  entstand  durch  ausländisches 
Kapital  eine  Kunstmühle  mit  Turbine  und  eisernem  Wehr,  geliefert  von  Ganz  &  Co. 
in  Budapest,  und  1896  kam  endlich  die  grosse  Schweineschlächterei  zustande, 
welcher  der  Staat  grosse  Erleichterungen  gewährte  (111.  Bd.,  Kap.  X). 

Im  allgemeinen  steigerte  sich  aber  Nis'  Verkehr  nicht  in  dem  dort  und  im 
Auslande  von  der  Bahneröffnung  erhofften  Masse,  und  auch  der  Zuwachs  beruht 
leider  nicht  immer  auf  solider  Basis.  Grosses  Aufsehen  erregte  das  im  Mai  1896 
erfolgte  Fallissement  der  angesehenen  Firma  Djordje  Nesic  mit  250000  d;  lange 
zuvor  stellten  zahlreiche  kapitalsarme  Kaufleute  ihre  Zahlungen  ein,  welche  durch 
provisionslüsterne  „Reisende"  unverdienten  Kredit  erhielten  und  bald  Ausgleiche 
zu  40",'o  und  darunter  ansuchten.  Allein  1889  zählte  man  in  Nis  120  derartige 
den  Ruf  des  Platzes  schwer  schädigende  Konkurse. 

Die  Regierung  tut  viel,  um  Nis'  Verbindung  mit  dem  Umlande  zu  fördern. 
Sie  verbesserte  die  nach  Aleksinac,  Supovac,  Gramada  und  in  das  JeJasnicatal 
führenden  Strassen  und  beschäftigt  sich  seit  1890  ernsthaft  mit  Studien  für  eine 
Nis-Timok-Donaubahn  nach  Rumänien.  Auch  eine  Herabsetzung  der  Frachttarife 
nach  Belgrad  und  Salonik  muss  erfolgen,  wenn  Nis'  Handel  sich  heben  soll. 
Für  den  nach  meiner  eigenen  Erfahrung  trefflich  geregelten  Post-  und  Telegraphen- 
verkehr soll  demnächst  ein  neues  Gebäude  errichtet  werden,  weil  das  freundlich 
aussehende,  aber  ganz  unsolid  gebaute  türkische  Postamt  dem  Einstürze  nahe  ist. 
So  verfallen  sämtliche  durch  Mithads  Energie  geschaffenen  Bauten,  bis  auf  seine 
trefflichen  Strassen,  allmählich  dem  demolierenden  Spaten. 

Den  grössten  Teil  seines  raschen  occidentalischen  Zuschnittes  dankt  Ni§ 
zweifellos  dem  1897  leider  früh  verstorbenen  energischen  Beamten  Petar  Bozovic, 
unter  dessen  zweimaliger  Kmetenschaft  das  meiste  für  die  Umgestaltung  des 
türkischen  Chaos  geschah.  Selbstverständlich  konnte  sich  die  durchgreifende 
Stadtregulierung  nicht  ohne  vielfache  Störung  privater  Interessen,  ohne  Streit  und 
Anfeindung  der  beteiligten  Exekutivorgane  vollziehen.  Kreisingenieur  Franja  Bartos, 
der  wesentlich  in  das  Werk  eingriff,  erzählte  mir  viele  ernste  und  komische 
Episoden,  wie  sie  auch  anderwärts  derartige  Umwälzungen  begleiten.  Die  oft 
3  m  hohen  Anschüttungen  zur  Herstellung  des  Strassenniveaus  entwerteten  viele 
dadurch  in  die  Tiefe  versetzte  Häuschen  und  zwang  deren  Besitzer,  welchen  das 
Gesetz  überdies  die  Pflasterung  des  Trottoirs  und  halben  Fahrwegs  auferlegt, 
zu  deren  unfreiwilligem  Verkauf  oder  Neubau. 

Der  vom  Ingenieur  Ivan  Kozlic  geschickt  entworfene  Regulierungsplan  macht 
die  Festungsbrücke  zum  Zentrum,  von  dem  HauptverkehrsHnien  zur  24  m  breiten 
Ring-  und  noch  breiteren  Gürtelstrasse  laufen.  Andere  Brücken  sollen  diese 
Boulevards    mit    den   an   die   Feste    schliessenden    Vierteln   verbinden.     Bei   den 


Stadt  und  Festung  Niä. 


159 


notwendigen  Expropriationen  durch  eine  vom  Nacelnik  ernannte  fünfgliederige 
Kommission  stiegen  die  Ansprüche  oft  ins  Unglaubliche.  Beispielsweise  sah  ich 
1889  am  linksuferigen  Brückenköpfe  eine  alte  Mühle  als  Oase  inmitten  der 
ringsum  vollendeten  Regulierung,  die  längst  verschwunden,  hätte  man  nicht  als 
Ablösungspreis  6000  Dukaten  gefordert.  Hässlicher  als  die  berühmte  Potsdamer 
Mühle,  stört  das  malerische  Gerumpel  den  Kindruck  der  durch  einen  hohen 
Schutzdamm  gesicherten  neuen  Parkanlage  und  des  nahen  seit  1894  wieder 
belebten  Konigskonaks.  Sein  für  den  Hofstaat  bestimmter  moderner  Zubau  ist 
nett,  interessierte  mich  aber  weniger  als  der  ältere  Teil  mit  echt  türkischem  Bade, 
der  so  recht  den  grossen  Umschwung  zu  Niä  seit  1878  illustriert. 

Der  „Kraljev  dvor"  ist  die  Type  eines  komfortablen  moslimischen  Edelsitzes. 
Niemand  Geringerer  als  der  1805  gegen  Karadjordje  entsandte,  später  mit  Miloä 


Kraljev  dvor  zu  NiÄ. 


in  Bruderbund  getretene  Hafis  Pasa  erbaute  ihn;  rote  Inschriften  auf  grünem 
Grunde  erinnern  daran.  Sein  imponierendster  Teil  ist  das  von  zehn  Doppelsäuleri 
aus  Eichenholz  getragene  grosse  Parterregeschoss.  Auf  diesem  ruht  ein  die 
Wohnräume  enthaltendes  Stockwerk  mit  zwei  kurzen  Flügeln.  Der  zur  Nisava 
vorspringende  „Doksat"  gewährt  einen  herrlichen  Blick  auf  die  von  prächtiger 
Landschaft  umrahmte  Zitadelle,  und  auf  dem  luftigen  „Teferidz"  atmet  man  die 
köstlichen  Wohlgerüche  der  Pflanzenbeete  und  exotischen  Bäume  des  in  türkischem 
Stile  angelegten  Gartens.  Im  Zentrum  seiner  lauschigen  Gänge  steht  die  von 
einer  Riesenweide  und  breitblätterigen  Katalpa  beschattete  Kopie  des  berühmten 
„Sadrvan"  im  Perlenkiosk  des  Sultanserails  zu  Konstantinopel.  Es  ist  ein 
kunstreicher  weissmarmorner  Springbrunnen  mit  maurischen  Tcmpelchen  und 
skulptiertem  Getier  von  ausserordentlichem  Reiz,  dessen  aus  vielen  Rührchen 
springende  Wasser  des  Paschas  Odalisken  ergötzten.  Der  Konak  ging  von  Hafis 
auf  Mohamed  Paäa  über,  und  als  das  serbische  Hauptquartier  sich  1878  in 
demselben  etablierte,  war  Becir  Beg   sein  Besitzer.     Der  herabgekommene  Enkel 


160  Stadt  und  Festung  Nis. 

des  Erbauers  liess  das  Gebäude  so  verfallen,  dass  es  kaum  einen  bewohnbaren 
Raum  enthielt;  der  Sturm  heulte  durch  zerbrochene  Scheiben,  und  Schneeflocken 
wirbelten  auf  ungedielle  Estriche  nieder,  nur  die  Eichensäulen  hielten  tapfer  Stand. 
Trotzdem  weigerte  sich  der  verarmte,  aber  stolze  Beg,  den  Hof  an  Milan  abzutreten; 
er  tötete  sich  später  in  Konstantinopel  wegen  zerrütteter  Vermögensverhältnisse. 
Sein  Sohn  Musta  Beg  akzeptierte  endlich  den  ihm  angebotenen  Kaufpreis,  der 
ihn  befähigte,  sich  im  rechtgläubigen  Asien  anzusiedeln.  Das  ganz  wohnlich 
hergerichtete  Haus  wurde  bald  König  Milans  Lieblingsresidenz;  vom  Doksat 
sprach  er  bei  wiederholten  Anlässen  zum  Volke.  Auch  Königin  Natalie,  welche  Nis 
mit  dem  Thronfolger  am  23.  November  1878  zum  erstenmal  besuchte,  weilte  dort 
gern.  Namentlich  zeigen  ihre  Gemächer  erlesenen  Geschmack.  Orientalische, 
reich  geschnitzte  Plafonds  und  Dolabs  (Wandschränke),  Smyrnaer  Teppiche  und 
stilgerechte  Pariser  Möbel  vereinigen  sich  zu  harmonischer  Wirkung.  —  Im  Januar 
1901  bezog  ihre  Nachfolgerin  Draga  dieselben  Räume  anlässlich  der  vom  König 
Alexander  feierlich  eröffneten  Skupstina,  deren  Sympathien  sie  als  liebenswürdige 
Hausfrau,  gleich  jenen  des  sich  ihr  am  13.  Januar  dort  vorstellenden  Bulgaren- 
fürsten Ferdinand  rasch  gewann.  Die  offene  Gegnerschaft  des  Königs  zur 
liberalen  Partei  sollte  bald  darauf  (Juli  1901)  Nis  empfinden,  das  ihren  Führer 
Avakumovic  gegen  des  Königs  Willen  für  die  Skupstina  kandidiert  hatte.  Der 
Bürgermeister  Besevic  wurde  abgesetzt  und  auch  mit  der  Zurückziehung  der 
Garnison  gedroht,  falls  man  ihn  wähle,  wogegen  jedoch  mit  Berufung  auf  die 
verfassungsmässig  gewährleistete  Wahlfreiheit  protestiert  wurde. 

Von  des  Konaks  orientalischer  Zeltarchitektur  sticht  scharf  ab  der  jenseits 
aufragende  1889  vollendete  Kreisamtspalast  durch  seine  abendländische  Bauweise. 
Wir  gelangen  zu  ihm  über  die  auf  Milans  Befehl  verbreiterte  Brücke.  Diese 
Renovation  verkündet  ein  Pfeilerstein,  welcher  in  der  oberen  Hälfte  die  frühere 
türkische  Inschrift  treu  kopiert  und  serbisch  weiter  sagt:  dass  sie  nach  Ni§' 
Eroberung  am  28.  Dezember  1877  erfolgte.  Nahe  trugen  Sträflinge  den  bedeutungs- 
losen Vorwall  der  Feste  zur  Hebung  des  Ufers  und  Verbreiterung  der  Strasse  ab, 
die,  vorbei  am  Österreich-ungarischen  Konsulate,  zum  Nacelstvo  führt.  Dieser 
durch  säulengezierte  Mittel-  und  turmartige  Eckrisalite  monumental  gestaltete, 
250000  d  kostende  Prachtbau  vereinigt  sämtliche  Abteilungen  jeder  serbischen 
Präfektur:  das  Finanz-,  Polizei-,  Bau-  und  Sanitätsamt,  die  staatliche  Sparkasse 
und  die  Gefängnisse.  Die  Innenräume,  namentlich  der  grosse  Sitzungs-  und 
Gerichtssaal,  sind  luxuriös  ausgestattet;  die  reichdekorierten  eisernen  Öfen  und 
bunten  Estrichplatten  kamen  aus  Deutschland.  Selbst  die  Gefängniszellen  sind 
licht  und  human  eingerichtet.  Die  Kosten  für  das  Nacelstvo  und  den  entlang 
seiner  Hauptfront  angelegten  Kai  wurden  durch  die  Umlage  von  32,5  d  auf 
jeden  der  32000  Steuerzahler  des  Kreises  gedeckt.  Kurz  vor  1878  zerfiel  der 
Niser  Kreis  in  drei,  seit  1879  in  die  vier  Bezirke:  Niski,  Zaplanjski,  Vlasotinacki 
und  Leskovacki  srez;  ein  Skupstinabeschluss  von  1890  teilte  diese  aber  den 
Kreisen  Pirot  und  Toplica  (Prokuplje)  zu  und  erhob  Nis  zur  zweiten  autonomen 
Hauptstadt  des  Landes.') 


■)  Seit  1896  ist  Nis  wieder  die  Zentralstelle  der  Niäer  Kreisbehörden. 


Stadt  und  Festung  Nis. 


\CA 


Obschon  eine  Pontonbrücke  das  nordwestliche  Viertel  mit  der  neuen 
Präfektur  verbindet,  klagen  seine  Bewohner,  dass  sie  zu  weit  weg  vom  Geschäfts- 
verkehr in  der  ärmlichen  „Beogradska  mahala"  erbaut  wurde,  in  Walirheit  sieht 
man  dort  zwischen  den  primitiven  Einkehrhöfen  „Zur  Stadt  Ofen"  u.  a.  nur  die 
weissgetünchten  Häuschen  der  zurückgebliebenen  ärmsten  Türkenfamilien.  Bald 
dürften  aber  auch  diese  zum  Wanderstab  greifen,  und  dann  wird  der  Hodza  die 
letzte  bescheidene  Moschee  sperren,  in  welcher  man  zu  Nis  Allahs  Macht  und 
Gerechtigkeit  pries.  Im  Jahre  1887  sagte  mir  der  Niser  Nacelnik  Kosta  Pavlovic, 
dem  nach  Nis'  Eroberung  die  schwierige  Aufgabe  zufiel,  den  Exodus  der  Moslims 
über    die   Grenze   zu    fördern:    Herr,    Sie    könnten    leicht    ein    besonderes   Buch 


Niscr  KrL'isaitit. 


schreiben  über  die  tragischen  Szenen  beim  Abschiede  der  Türken  und  Amanten 
von  dem  langbesessenen  Boden!  Denn  nur  wenigen  gelang  es,  ihren  Besitz 
gleich  zu  veräussern,  und  wo  ich  mit  den  mir  zu  Gebote  stehenden  bescheidenen 
Mitteln  das  Elend  ein  wenig  lindern  konnte,  waren  die  Armen  so  dankbar!  Eine 
Türkin  brachte  mir  ein  Stück  wohlriechende  Seife.  „Gib  es  Deiner  Frau;  es  ist 
das  einzige,  was  mein  gefallener  Mann  mir  Schenkenswertes  zurückliess!"  — 
Wieviel  Menschenelend  erzählt  schon  diese  eine  Episode! 

Die  Stimmen  der  türkischen  Gebetrufer  sind  verstummt,  aus  der  nordöstlich 
der  Zitadelle  wiedererstandenen  Kirche  „Sv.  Panteiejmon"  tönt  aber  leiser  Glocken- 
klang herüber.  Vorbei  an  zwei  neuen  Kasernen  wanderte  ich  durch  das  kleine 
Viertel  „Jagodin -mahala"  zu  ihr  hinaus.  Die  das  Kirchlein  umrahmende  grüne 
Oase  mit  lauschigen  Plätzchen  ist  schon  ihres  im  Niser  Umkreise  seltenen,  einem 
Brunnen  mit  drei  Rohren  entsprudelnden  kristallklaren  Quells  wegen  ein  Lieblings- 
ausflug   der  Städter.     Wahrscheinlich   stiftete    deshalb   dort   Stevan,   der   Ahnherr 

F.  KANITZ,  Serbien.    U.  H 


162  Stadt  und  Festung  Nis. 

der  Nemanjiden,  nachdem  er  Nis  um  1185  den  Byzantinern  entrissen,  ein  Kloster. 
Nun  stellt  dort  die  auf  Kosten  zweier  Bürger  mit  einem  Säulenumgang  am 
8.  August  1878  vollendete  Kirche,  für  welche  der  Raum  gleich  am  ersten  Mari<ustage 
nach  Nis'  Eroberung  geweiht  wurde.  Bei  dieser  bedeutungsvollen  Feier  erscholl  zum 
erstenmal  die  vom  Uhrturme  der  Zitadelle  hierher  übertragene  Glocke.  Als  mich 
14  Jahre  zuvor  die  türkischen  Steinwürfe  aus  seinem  obersten  Geschosse  vertrieben, 
hätte  ich  da  denken  können,  dass  seine  eherne  Stimme  sobald  die  von  den 
Moslims  so  verachtete  Rajah  zum  Gebete  rufen  werde?  —  Viel  erlebt,  wer  lang  lebt. 

Zu  Nis'  beachtenswerten  Denkmalen  in  den  linksuferigen,  weit  ausgedehnten 
Mahalas  zählt  seine  1819  den  hl.  Erzengeln  Mihail  und  Gavriio  geweihte  „Stara 
crkva"  (alte  Kirche).  Sie  steht  vielleicht  auf  der  Stelle  jener  Kirche,  aus  welcher 
die  Ungarn,  nachdem  sie  1072  Nis  erobert,  von  dem  in  ihr  bestatteten  hl.  Prokopios 
eine  Hand  abtrennten  und  nach  dem  sirmischen  Mitrovica  brachten.  Man  erzählt, 
dass  der  siegreiche  Griechenkaiser  Manuel  die  zurückgeholte  Reliquie  dem 
hl.  Leibe  wieder  anfügen  Hess,  und  dass  dieser  vor  Nis'  erster  Türkenbelagerung 
nach  der  heute  noch  fraglichen  Nachbarstadt  Koprian  geflüchtet  wurde  (X.  Kap.). 
Der  hl.  Prokopios  gilt  namentlich  als  Schützer  der  Jugend,  dessen  Namenstag 
nach  Vuk  auch  die  Türken  feiern,  weil  einem  den  Heiligen  schmähenden  Moslim 
die  Kinder  plotzlicii  wegstarben.')  Der  überreiche  Aufwand  von  vergoldetem 
Schnitzwerk  und  Malereien,  mit  dem  Bischof  Grigorije  1837  diese  Kirche  restaurierte, 
ist  nicht  imstande,  ihre  architektonische  Wertlosigkeit  zu  decken.  Immerhin  erinnert 
sie  die  Niser  an  lange  Jahrhunderte,  während  welcher  ihre  Vorfahren  ähnlich  wie 
die  ersten  Christen  ihr  Gebet  in  Krypten  unauffällig  verrichteten;  selbst  den 
Gebrauch  der  „Klepala"  (Symantra)  erhielt  Bischof  Benedikt  für  diese  Kirche 
erst  1843  zugestanden. 

Der  Pariser  Vertrag  von  1856  riss  aber  eine  gewaltige  Bresche  in  die 
Vorrechte  der  sie  beherrschenden  Moslims  zugunsten  der  türkischen  Christenheit. 
Diese  benutzte  die  ihr  gewährleisteten  neuen  Rechte  in  erster  Linie  zum  Bau 
prächtiger  Gotteshäuser.  Die  Niser  begannen  1856  eine  Kathedrale,  welche  das 
gesamte  Gemeindevermögen  verschlang.  Die  höchst  interessanten  religiös-politischen 
Verhältnisse,  unter  welchen  sie  entstand,  insbesondere  die  widerstreitenden 
Einflüsse,  welche  sich  damals  türkischerseits  und  vom  fanariotischen  Klerus  im 
beginnenden  Geistesleben  der  Rajah  geltend  machten,  schilderte  ich  an  anderer 
Stelle.-)  Die  Kirche  ist  ein  Werk  jenes  begabten  cincarischen  Meisters  Andrija 
Damjanov  aus  Veles,  der  auch  die  neue  Smederevoer  schuf.  Sie  blieb  lange 
unvollendet  und  wurde  erst  am  25.  Februar  1878  mit  grossem  Pompe  geweiht.  Über 
den  architektonischen  Wert  beider  Monumente  werde  ich  meine  ausgesprochene 
Ansicht  ■)  im  letzten  Kapitel  des  111.  Bandes  weiter  ausführen. 

Im  ganzen  würde  der  durch  6  Säulen  dreischiffig  geteilte,  tonnengewölbte 
Innenraum  mit  der  Zentralkuppel  und  vier  kleineren  auf  den  Flügelenden  günstig 


')  Rjecnik,  S.  607. 

-)  Donau-Bulgarien  und  der  Balkan.     I.  Auflage.  I.  Bd.,  S.  126  ff. 
')  Über  alt-  und    neuserbische  Kirchenbaukunst.     Sitzungsber.   d.   k.  Akad.  d.  Wiss. 
Wien  1864. 


Stadt  und  Festung  Niä.  Ifi.S 

wirken,  ohne  die  naiie  dem  Eingange  wohl  küiiii  angelegten,  aber  störenden 
Freistiegen  zum  vergitterten  Frauenchor.  Die  Ausstattung  ist  grösstenteils  eine 
provisorische.  So  die  von  hohem  Holzkreuze  überragte  Ikonostasis,  deren 
mittelmässige  Bilder  bald  neue  ersetzen  sollen.  Der  für  den  König  bestimmte 
frühere  hohe  Bischofsthron,  zwei  kleinere  für  die  Königin  und  den  Thronfolger, 
ein  anderer  für  den  Vladika,  die  um  die  linke  Mittelsäule  in  zwei  Spiralen  auf- 
steigende Kanzel  mit  von  einem  Adler  getragenem  Buchpulte  gereichen  der 
heimischen  Holzschnitzkunst  zur  vollen  Ehre.  Die  aus  ganz  schlechtem  Material 
hergestellten  Säulenkapitäle  sind  aber  unverstandene  Nachahmungen  des  römischen 
Kapitals  von  Gradiste,  das  ich  1860  im  Bauhofe  der  Kirche  sah,  und  von  den 
gleichfalls  unsoliden  überkalkten  gezimmerten  Gewölben  hängen  ein  grosser 
böhmischer  Kristallüster  und  kleinere  herab.  Zwei  geschnitzte  Buden  für  den 
Kerzenverkauf  und  ein  eiserner  Kassenschrank  von  Fleischer  in  Wien  vervoll- 
ständigen das  spärliche  Inventar.  Auf  der  rechtsseitigen  Galerie  erbaute  König  Milan 
im  Jahre  1878  eine  dem  hl.  Simeon  (Nemanja)  geweihte,  von  ihm  gern  besuchte 
Kapelle;  Königin  Natalie  stiftete  für  dieselbe  eine  zierliche  Ikonostasis,  auf  welcher 
links  der  hl.  Sava  erscheint.  Die  Hauptkuppel  ist  mit  einem  Christusbilde,  die 
Pendentifs  mit  den  vier  Evangelisten  geschmückt. 

Rechts  vom  Haupteingange  befindet  sich  das  kleine  Marmordenkmal  mit 
photographischem  Bildnis  und  vorhängender  Silberlampe,  welches  Radojko 
J.  Popovic  seinem  am  19.  März  1884  verblichenen  Bruder  Nestor  widmete.  Er, 
aus  Sume  im  Kragujevacer  Kreise  stammend,  früher  Direktor  des  Belgrader 
Priesterseminars,  ersetzte  1883  den  erwähnten  Bulgaren  Deda  Viktor  auf  dem 
NiSer  Stuhle,  weil  er  die  Serbisierung  seines  bulgarischen  Klerus  nicht  energisch 
genug  betrieb,  nach  anderer  Meinung,  weil  er  das  antikanonische  Vorgehen  des 
Ministeriums  gegen  den  Metropoliten  Mihail  (1883)  nicht  billigte.  Er  lebte  zuletzt 
still  zurückgezogen  in  Belgrad,  wo  er  1888  starb. 

Während  des  1883  eingetretenen  Provisoriums  im  Niser  Bistum,  welches 
damals  das  gesamte  1878  gewonnene  Gebiet  umfasste,  während  früher  auch  Pirot 
Sitz  eines  hischiHlichen  Sprengeis  war,  fungierte  dort  als  Bischof-Stellvertreter  der 
Konsistorialrat  Sava,  ehemals  Iguman  des  berühmten  altserbischen  Klosters  Decani, 
welcher  mit  allen  Kräften  dessen  baldigste  Einverleibung  in  seine  neue  Heimat 
anstrebte  und  sich  an  den  Ovationen  für  den  in  gleicher  Richtung  tätigen  russischen 
Generalkonsul  Jastreboff  1889  hervorragend  zu  Nis  beteiligte.  Sava  zeigte  mir 
alles  Sehenswerte  der  „Saborna  crkva".  Definitiv  folgte  auf  dem  Niser  Stuhle 
der  als  treuer  Anhänger  des  Metropoliten  Mihail  mit  diesem  zugleich  aus 
dem  Exil  zurückgekehrte  und  von  ihm  1889  geweihte  Bischof  Jeronim,  der 
an  den  Folgen  einer  Operation  im  Salzburger  St.  Johannspital  1894  verschied. 
Vielleicht  als  letzten  begleitete  das  aus  einer  grossen  Glocke  und  vier  kleineren 
bestehende  Geläute  den  am  13.  August  1894  in  die  Kathedrale  einziehenden 
Bischof  inokentije;  denn  obschon  notdürftig  renoviert,  zeigt  sie  wie  1887 
durch  die  primitive  Bauweise  verursachte  bedenkliche  Schäden,  welche  schon 
damals  den  Ingenieur  Bartos  ihre  Sperrung  beantragen  liessen.  Und  gleiches 
Schicksal   droht   der   nebenan   stehenden,  auf  Mithad  Pasas  Anregung  gleichfalls 

11* 


Iß4  Sindt  und  Festung  Nis. 

um  1860  erbauten  einstöckigen  Schule,  die  für  einige  Skupstina-Sessionen 
benutzt  wurde. 

Es  ist  geplant,  die  alte  Kirche  samt  allen  Häuschen  rings  um  die  Kathedrale 
abzutragen  und  in  dem  neu  anzulegenden  Parke  die  Bischofsresidenz  mit  einem 
Gebäude  für  das  Konsistorium  zu  erbauen.  Von  geistlicher  Seite  wird  aber  die 
Errichtung  dieser  Bauten  auf  der  die  Stadt  übersehenden  Höhe,  nahe  der  ausserhalb 
des  südöstlichen  Stadtwailes  stehenden  Kirche  Sv.  Nikola  „Palilulska"  gewünscht. 
Diese  illustriert  so  recht  den  von  Nis  durchgemachten  häufigen  Herrschaftswechsei. 
Nicht  weniger  als  sechsmal  soll  sie  in  den  letzten  Jahrhunderten  bald  dem 
Christuskult  und  wieder  dem  Islamglauben  gedient  haben.  Während  der  kurzen 
kaiserlichen  Okkupation  (1737)  als  Kirche  benutzt,  sodann  in  eine  Moschee 
umgestaltet,  nach  dem  Verlassen  des  allzu  exponierten  kleinen  Stadtteils  aber  dem 
Verfalle  preisgegeben,  fand  ich  sie  1860  als  Ruine,  unter  deren  von  mir  abgelöster 
Kalktünche  sehr  alte  Fresken  zum  Vorschein  kamen;  auch  der  Imamsitz  zeigte 
deutlich,  dass  er  in  die  ehemalige  Chorapside  später  eingeschnitten  worden  war. 
1864  Hess  Mithad  die  Moschee  für  die  nahe  angesiedelten  Belgrader  Türken  her- 
stellen. Beim  Umbau  stiess  man  auf  ein  Votivbild  und  einen  hölzernen  Kelch,  die  der 
Pascha  dem  Erzbischof  übergeben  Hess.  Vielleicht  veranlasste  dieser  Toleranzbeweis 
die  Serben  (1878),  durch  eine  Deputation  den  Kadi,  Hodza  und  die  türkischen 
Notabein  um  die  Überlassung  der  Moschee  zu  bitten.  Diese  antworteten  mit 
fatalistisch-sarkastischem  Anfluge:  „Wir  wissen  durch  Erfahrung:  wem  Gott  die 
Macht  über  Nis  verleiht,  gibt  er  auch  dieses  Haus  für  seinen  Glauben;  also  nehmt 
es!"  Nun  erscheint  über  dem  Fenster  links  vom  Haupteingang  in  einer  Nische 
der  siegreich  seine  Stelle  wieder  einnehmende  hl.  Nikolaus;  das  verschwundene 
Minarett  ersetzt  aber  ein  einfach  gezimmerter  Stuhl  mit  zwei  kleinen  Glocken,  und 
von  der  Dachspitze  erglänzt  ein  Metallkreuz  statt  des  wohl  niemals  wiederkehrenden 
Halbmonds. 

Auch  von  dem  geschilderten  maurischen  Haupttore  der  Zitadelle  ist  des 
Sultans  Namenszug  einem  serbischen  Adlerschilde  gewichen,  ebenso  suchte  ich 
das  rote  Serai  vergeblich,  in  dem  Abdur  Rahman  Pasa  mich  so  streng  inquiriert 
hatte.  Es  war  rasiert,  wie  die  Türkenquartiere,  deren  Gärten  es  mit  freundlichem 
Grün  verschönten,  wie  die  Tulbas  der  weiblichen  Heiligen,  deren  Gebeine  man 
1883  dem  Hodza  der  nächsten  Moschee  zur  Bestattung  übergab,  und  wie  manches 
andere,  was  Licht,  Luft  und  Bewegungsraum  um  die  wenigen,  der  Erhaltung  wert 
befundenen  Bauten  schaffen  konnte.  Zu  diesen  zählt  das  anheimelnde  kleine 
Kommandanturgebäude,  in  dem  der  Divisionschef  Binicki  mich  mit  gewinnendster 
Herzlichkeit  empfing. 

Begleitet  von  dem  in  Berlin  gebildeten  Festungsinspektor  Artillerie-Oberst- 
leutnant Jakobojev,  erstieg  ich  zunächst  den  schmalen  Wall  über  dem  Stambol-Kapu, 
wo  man  neben  dem  Flaggenbaume  die  Stadt  und  Feste  im  prächtigsten  Vogel- 
schaubilde, umrahmt  von  ihrem  grösstenteils  kahlen,  aber  malerischen  Berggürtel, 
erblickt.  Mauern  und  Wälle  fand  ich  ganz  unbeschädigt;  nur  etwa  2—3  serbische 
Projektile  drangen  in  das  Innere  und  versetzten  die  dort  zusammengepferchte 
Zivilbevölkerung  in  Angst  und  Schrecken.     Unfern  der  aus  Quadern  erbauten,  als 


Stadt  und  Festung  Ni§. 


165 


Pulvermagazin  benutzten  Moschee  sah  ich  viele  den  Türken  abgenommene 
Positionsgeschütze  aller  Zeiten  und  Kaliber,  Bronzemörser  und  Krupps  auf 
eisernen  hohen  Lafetten,  daneben  hohe  Pyramiden  verschiedenartigster  Kugeln 
und  Spitzgeschosse. 

Die  Ausführung-  einiger  Bauten  wurde  wegen  Geldmangels  und  auch  deshalb 
verschoben,  weil  man  sich  bewusst  ist,  dass  Ni5'  Stärke  auf  den  Gorica-  und 
Vinik-Forts  beruht.  Es  entstanden  nur  mehrere  solide  Magazine,  Stallungen,  eine 
Pavillonkaserne,  deren  Korridor  man  mit  schön  skulptierten  türkischen  Marmor- 
Grabplatten  pflasterte,  dann  etwa  15  Minuten  vom  nordwestlichen  Festungsrayon 
ein    unter   der  Ägide   des   Roten    Kreuzes    nach    dem   Vorbilde   des    Budapester 


Grundriss  und  Inneres  eines  allclin^lliclicii  Grabes  bei  .Nis 


Pavillonbaues  „Kaiserin  Elisabeth"  erbautes  Hospital,  das  Ingenieur  Bartos  1888 
vollendete.  Alle  Ni.ser  Demolierungen  und  Planierungen  führten  400  zu  Festungs- 
kerker verurteilte  Robijasi  aus,  unter  welchen  ich  einige  von  unheimlichstem 
Heiduckentypus  sah.  Die  aus  Rohrwerk  hergestellten  Bastionsverkleidungen  siiul 
Übungsarbeiten  der  Pioniertruppe,  welche  bei  heissem  Wetter  unter  Zelten  vor 
dem  Viniktore  biwakiert.  Dort  begruben  die  Türken  ihre  während  der  Belagerung 
Gefallenen  so  seicht,  dass  die  Serben  sie  nach  vorausgegangener  Karbol-Desinfektion 
tiefer  betten  mussten.  Dabei  stiess  man,  1  m  tief,  auf  ältere  Gräber  und  Tonrohre 
von  Wasserleitungen,  welchen  auch  einige  in  der  Ebene  aufragende  türkische 
Steinpfeiler  angehörten. 

Eine  sehr  interessante  altchristliche  Grabstätte  trat  wäiirend  der  Eröffnung  von 
Übungs-Laufgräben  zutage,  ich  besuchte  sie  1887,  kurz  nach  ihrer  sorgfältigen 
Freilegung.  Zu  dem  W.  gerichteten,  gewölbten,  2,30  m  langen,  3  m  breiten,  1,70  m 
hohen  Räume  führt  über  zwei  Stufen  eine  nur  1,12  m   hohe,  0,65  m  breite  Öffnung, 


Hiß  Stadt  und  Festung  Nis. 

die  eine  leicht  aushebbare  Steinplatte  schloss.  An  seiner  Schmalseite,  gleichwie 
im  Innern  am  Gewölbebogen,  sieht  man  rot  aufgemalte  Linien,  an  der  Westmauer 
ein  mit  gleicher  Farbe  roh  aufgemaltes  Kreuz.  Die  Soldaten  fanden  das  Grab 
leer.  Der  aus  doppelter  Steinlage  bestehende  Estrich  zeigt  links  Spuren  gewalt- 
samen Aufrisses  aus  alter  Zeit,  in  welcher  die  Gruft  ihres  Inhalts  beraubt  wurde. 
Ich  gebe  hier  meine  bezüglichen  Aufnahmen  zur  Korrektur  der  unrichtigen 
Zeichnungen  und  flüchtigen  Schilderung  im  „Starinar". ')  Die  Anlage  dieser  Niser 
Grabstätte,  in  deren  Nähe  wohl  noch  andere  in  der  Erde  stecken,  erinnert  an 
einige  Grüfte  der  anlässlich  des  Sobranjebaues  zu  Sofia  aufgedeckten  Katakombe-) 
und  dürfte  wie  diese  aus  den  Jahren   1018-1186  stammen. 

Bei  Übungsarbeiten  durchgrub  die  Genietruppe  1889  an  derselben  Stelle, 
wo  die  Kaiserlichen  schon  1689  beim  Schanzenbau  auf  römische  Mauern  stiessen, 
etwa  200  m  W.  vom  Viniktore  einen  antiken  Kanal,  dessen  Konstruktion  nach 
meiner  Untersuchung  aus  je  zwei  grossen  horizontalen  Deckplatten  und  zwei 
senkrecht  in  ihre  Falze  gestellten  starken  Ziegeln,  auf  breitem  Betonfundamente, 
bestand.  Vor  demselben  Tore  fand  man  1883  den  oberen  Teil  eines  69  cm  hohen, 
63  cm  breiten  Grabsteins  von  Kalkstein  mit  der  Büste  eines  die  Toga  tragenden 
Mannes  zwischen  zwei  Kindern  in  reich  umrahmtem  Bogenfelde,  der  südlich  vom 
Kommandanturgebäude  in  der  Parapetmauer  eingelassen  wurde.  Am  Aufgange  zu 
diesem  sah  ich  einen  1887  ausgehobenen  sechszeiligen  Votivstein  und  eine  Säule, 
am  benachbarten  Mannschaftshause  ein  Inschriftfragment.  Dieses  von  mir  schon 
1860  empfohlene,  allerorts  nachahmenswerte  Beispiel  gab  der  zu  Schweidnitz  in 
Schlesien  geborene  k.  s.  Artillerie-Oberst  Horstig.  Als  Festungskommandant  schuf 
er  auf  der  Stelle  der  abgetragenen  Hunkiar-Moschee  einen  freien  Platz,  um 
dessen  Granitsäule  von  1,25  m  Höhe  und  0,60  m  Durchmesser  im  Zentrum  sich 
zehn  gleichfalls  römische  Werkstücke  im  Kreise  gruppieren;  in  die  Terrasse- 
Stützmauer  vor  dem  Uhrturme  liess  er  zwei  durch  Kqvacevic  publizierte  Inschriften, 
einen  Votivstein  mit  den  Büsten  eines  Mannes,  Kindes  und  einer  Frau,  einen  mit 
zwei  Kindern,  den  Kopf  einer  Statue  und  das  59  cm  hohe,  34  cm  breite  weisse 
Marmorfragment  einer  figurenreichen  Darstellung  einfügen.  Das  ursprünglich  zweimal 
so  grosse  Relief  fanden  und  zertrümmerten  ein  Türkenhaus  demolierende  Sträflinge. 
Der  redselige  Festungsbaupolier  erzählte  weiter,  dass  etwa  60  beim  Abrisse  des 
Türkenquartiers  zutage  gelangte  römische  Skulpturen  und  Inschriften,  weil  niemand 
es  hinderte,  als  Werkstücke  für  Neubauten  verkauft  wurden;  zwei  in  die  Zivilstadt 
gelangte  publizierte  Milicevic. 3)  Die  vielen  antiken  Münzenfunde  wanderten  zu 
Silberschmieden  oder  zu  Spottpreisen  in  verschiedene  Privatsammlungen. 

Während  meiner  Anwesenheit  im  Oktober  1889  stiess  man  im  Ostteile  der 
Zitadelle,  während  der  Aushebung  einer  Kalkgrube,  auf  römische  Rudimente 
von  ungewöhnlicher  Stärke.  Im  Mauerwerke  staken  drei  Inschriftsteine,  darunter 
ein  sechszeiliges,  1,10  m  langes,  0,55  m  breites  Fragment,  mit  aus  einer  Vase  sich 
aufwärts  rankenden  Weinreben.     Oberstleutnant  Jakobojev  versprach,  die  seitdem 


')  V,  S.  119  und  Tab.  X.    Belgrad  1888 
=)  Skorpil,  Sbornik,  II,  S.  56ff.     Sofia  1890. 
")  Kraljevina  Srbija,  S.  39  f 


Stadt  und  Festung  Niä. 


167 


veröffentlichten  Funde')  in  der  Horsti^sciien  Parapetniaiier  einfügen  zu  lassen; 
vielleicht  entgehen  sie  der  Vernichtung,  welcher  leider  die  meisten  bekannt 
gewordenen  Reste  von  Naissus  anheimfielen.  So  die  von  Dernschwamm 
1553  kopierten  11  Inschriften*),  der  von  Schweigger  1577  erwähnte  Inschriftstein, 
der  eifzeilige  Meilenstein,  dessen  Kopie  ein  österreichischer  Offizier  1738  dem 
Nuntius  Passionei  nach  Wien  sandte^),  ein  prächtiges  Gesimsstück,  das  ich 
1860  vor  der  Hunkiar-  Moschee  sah,  eine  skulptierte  Grabplatte  und  ein  Kapital, 
welche  ich  1864  im  Bauhofe  der  neuen  Kathedrale  traf  und  1868  publizierte. 
Von  Niäer  Inschriften  bringt  das  1891  erschienene  Supplement  zu  Mommsens 
„Corpus"  auch  zwei,  dem  Jupiter  und  der  Juno  gewidmete,  welche  Evans  kopierte. 
—  Zuletzt  wurden   im  Februar  1892  während    einer  im    nordöstlichen    Teile    der 


Votivsteine  aus  Niä. 


Zitadelle   bewerkstelligten   Planierung  des  Bodens  das  Hypocaustum  eines  Bades 
freigelegt,  bei  dem  Münzen,  antike  Gefässe   usw.  gefunden  wurden. ^) 

Der  grössere  Teil  aller  zuvor  erwähnten  Funde  stammt  aus  dem  Bereiche  der 
Zitadelle.  Auf  ihrer  Stelle  stand,  wie  die  Aufdeckung  antiker  Fundamente,  Kanäle  usw. 
beweist,  das  starke  Castrum  von  Naissus.  Unmöglich  konnte  aber  seine  beschränkte 
Area  neben  den  Kasernen,  Proviantmagazinen  und  Arsenalen  für  die  Truppen  von 
Dacia  mediterranea,  auch  die  an  Palästen,  Tempeln,  Bädern,  Plätzen  usw.  reiche, 
vielgerühmte  Stadt  Konstantins  umschlossen  haben.  Ich  durfte  daher,  trotz  des 
topographisch  unverlässlichen  Fragments  des  Priscus,  das  Naissus  an  die  Donau 
verlegt,  mit  grösster  Wahrscheinlichkeit  annehmen,  dass,  ähnlich  wie  bei  Viminacium 


')  Starlnar,  VI,  S.  119. 

2)  C.  I.  L.,  Ili,  No.  1673—1683.    Addit.  Moes.  sup.,  S.  1024. 

^)  Arch.-epigr.  Mitt.,  XII.  S.  175.  —  C.  1.  L.,  III,  Suppl.  Fase.  II,  No.  8269. 

*)  Starlnar,  IX,  S.  34. 


168  Stadt  und  Festung  Niä. 

und  Marguin,  unter  dem  Schutze  des  Kastells  sich  auf  dem  linken  Ufer  der  Nisava 
die  Civitas  von  Naissus  ausdehnte,  und  dass  ihre  oft  überbauten  Rudimente  bei 
tieferen  Grabungen  gefunden  werden  konnten.  Nahe  dem  Bahnhofe  kamen  1860  auch 
wirklich,  anlässlich  des  Mithadschen  Kasernenbaues,  zwei  Säulen  und  andere 
Architekturstücke  zum  Vorscheine,  welche  diese  Ansicht  rechtfertigten.  Ich  selbst 
machte  später  —  wie  das  folgende  Kapitel  zeigt,  nicht  erfolglos  —  den  Versuch,  auf 
radialen  Ausflügen  über  Nis'  Peripherie  hinaus,  Reste  der  Lustschlösser,  Bäder 
und  des  Kastellgürtels  der  in  den  Völkerstürmen  gründlich  zerstörten  Geburtsstadt 
des  grossen  Imperators  aufzufinden,  welcher  mit  der  Wahl  Konstantinopels 
zur  Residenz  die  Aufrichtung  des  oströmischen  Reiches  begann.  Anfangs 
September  1900  wurde  bei  dem  neuen  Brückenbau  am  rechten  Ufer  der  Nisava, 
nahe  der  Zitadelle,  ausser  kleineren  Metallobjekten  in  7,5  m  Tiefe  ein  jetzt  im 
Belgrader  Nationalmuseum  befindlicher  prächtiger  Bronzekopf  Konstantins  d.  Gr. 
ausgegraben.  Nach  Professor  Vasics  Untersuchungen  war  er  einst  vergoldet  und 
gehörte  einer  Büste  an.  Die  abwechselnd  mit  Lorbeer-  und  Olivenfrüchten 
geschmückten  quadratischen  Felder  des  vorn  ein  Medaillon  zeigenden,  am  Hinter- 
haupte zusammengebundenen  Diadems  sind  trefflich  erhalten;  der  nur  am  Scheitel 
und  an  der  linken  Wange  verletzte  Kopf  ist  im  Gesichtsprofil  den  bekannten 
Münzen  sehr  ähnlich. 

Nis'  Garnison  zählte  1887:  5  Komp.  Pioniere,  3  Bat.  Infanterie,  2  Komp. 
Festungsartillerie,  1  Reg.  Feldartillerie  und  eine  Telegraphenabteilung;  im  Jahre 
1896:  130  Ober-  und  198  Unteroffiziere,  2035  Soldaten  und  20  Gendarmen, 
welche  viel  Leben  und  Geld  in  die  Stadt  brachten.  Kaum  180  ihrer  Bewohner 
trieben  1896  dort  noch  Feld-  und  Gartenbau,  dafür  aber  verzeichnete  man 
522  Kaufleute  verschiedenster  Zweige  und  grossenteils  in  offenen  Läden  ihr 
Gewerbe  treibend;  351  Schneider,  38  Kürschner  und  276  Schuhmacher  für  Stadt 
und  Land,  230  Gast-  und  Kaffeeschenker,  156  Bäcker,  338  Metallarbeiter, 
Schmiede,  Schlosser,  Klempner  usw.,  11  Waffen-  und  Silberschmiede,  64  Sattler 
und  Wagner  u.  a.  Gewerbe  und  Handel  fördern  die  1885  begründete  Sparkasse, 
welche  1905  nahezu  30  Mill.  d  zu  lO"/«,  und  ein  1888  entstandener  gegenseitiger 
Spar-  und  Hilfsverein,  der  im  nächsten  Jahre  3,4  und  1905  über  23,4  Mill.  d  zu 
12  o/o  in  Umlauf  setzte.  Advokaten  gibt  es  11,  Ärzte  16,  Lehrer  71,  Geistliche 
21  usw.  Unter  den  2986  Häuser  bewohnenden  21056  Niser ')  bezeichneten  sich 
als  fremde  Slaven  141,  Deutsche  242,  Italiener  31,  Arnauten  45,  Rumänen  183, 
Griechen  135,  Ungarn  48,  Zigeuner  1018;  als  Katholiken  419,  Protestanten  26, 
Israeliten  812,  Mohammedaner  (meist  Zigeuner)  1114  Personen. 

Bei  meinem  letzten  Besuche  der  freundlichen  Stadt  im  August  1897  fand 
ich  ihr  Aussehen  nahezu  unverändert.  Neben  der  S.  159  erwähnten  störenden 
Mühle  sah  ich  ein  hübsches  Offiziersbad  im  Strome,  am  Zitadellentore  eine 
Fremden  den  Eintritt  wehrende  Tafel.  In  der  belebten  Hauptstrasse  begann  man 
mit  der  Legung  eines  zeitgemässen  Trottoirs,  welches  das  Flanieren  zu  einer 
geringeren    Qual    als    das    bisherige    zu    machen    verspricht.      Dagegen    war    die 


•)  1905  zählte  Nis  21954  Einwohner  in  3681  Häusern. 


Stadt  und  Festung  Nis. 


1G9 


Strassentaiifc  mit  grösstenteils  altserbisclicn  Städte-  und  Heroennamen,  wie  die 
Numerierung  der  Häuser,  unter  welclien  mir  nur  wenige  Neubauten  auffielen, 
vollendet.  Am  11.  Januar  1898  kamen  die  grossen  Sympathien  der  Niäer  für  den 
sie  eifrig  fördernden  König  Alexander  und  den  „Befreier"  Milan  als  20.  Jahrestag 
seines  Einzugs  in  die  eroberte  Stadt  zum  Ausdruck.  Gleich  begeistert  wurde  der 
junge  König  am  15.  Juni  19Ü0  dort  empfangen.  Der  Bürgermeister  Milovanovic 
äusserte  in  seiner  Anrede,  das  neuerstandene  Serbien  habe  vieles  der  Dynastie 
Obrenovic  zu  danken.  Dem  König  Alexander  sei  die  Aufgabe  zuteil  geworden, 
sein  treues  Volk  auf  die  Bahn  des  wirtschaftlichen  und  gesellschaftlichen  Fort- 
schrittes und  des  Wohlstandes  zu  leiten.  —  König  Alexander  erwiderte,  die  Liebe 
und  das  Vertrauen  des  Volkes,  von  dem  er  sich  während  dieser  Reise  abermals 
überzeugt  habe,  verleihe  ihm  Kraft,  seine  ihm  von  Gott  und  seinem  Volke  anvertraute 


Dlt  .Vlonumentplatz  in  der  Nüer  Zitadelle. 


Aufgabe  zu  erfüllen.  Diese  bestehe  darin,  Serbien  wirtschaftlich,  kulturell  und 
militärisch  zu  regenerieren,  es  zu  einem  Unterpfande  des  Friedens,  der  Ordnung 
und  der  Arbeit  auf  der  Balkan-Halbinsel  zu  gestalten.  Eben  deshalb  hätten  ihn' 
auch  die  neuen  Freundschaftsbeweise  der  Herrscher  heider  Nachbarstaaten,  die 
sich  während  seiner  Reise  durch  besondere  Missionen  vertreten  Hessen,  überaus 
freudig  berührt.  Er  sei  überzeugt,  dass  das  serbische  Volk,  welches  auf  freund- 
nachbarliche Beziehungen  den  grössten  Wert  lege,  diese  neuen  Freundschaftsbeweise 
des  Königs  von  Rumänien  und  des  Fürsten  Ferdinand  von  Bulgarien  gleichfalls 
mit  inniger  Freude  begrUssen  werde. 

Zu  Nis  tagte  häufig  (zuletzt  1901)  die  stets  viel  Leben  in  die  Stadt  bringende 
Skupgtina.  Ihre  dann  allerdings  durch  120  Schreiber  unterstützten  15  Komnumal- 
beamten  sind  während  der  Session  stark  beschäftigt  und  weit  mehr  noch  ein  Teil 
der  150  Staatsbeamten  aller  Ressorts,  welche  die  in  Nis  seit  1896  zentralisierte 
administrative  Verwaltung  des  2558  km  ^  mit  246  Orten  in  88  Gemeinden 
umfassenden,  1905  von  184045  Seelen  bewohnten  Kreises  besorgen.  Von  seinen 
5    Bezirken    sind    der    Niäer    und    Moravaer    mit    70—82    Seelen    per    km^^    die 


170  Stadt  und  Festung  Nis. 

dichtbevölkertsten;  es  folgen  der  Svrljiger  und  der  Aleksinacer  mit  55 — 70  und 
der  Banjaer  mit  47  Seelen. 

Am  Wege  zwischen  dem  Ozren-  und  Devica-Gebirge  sah  icii  oft  prächtige 
Forste,  in  welchen  riesige  Weissbuchen,  Eichen,  Ahorne  und  Eschen  nicht  selten 
waren,  und  überall  zeigten  sich  Spuren  von  Hirschen,  Rehen  und  Wildschweinen, 
die  unsere  Annäherung  verscheucht  hatte.  Füchse,  Dachse  und  Marder,  aber  auch 
den  Herden  grossen  Schaden  zufügende  Wölfe  und  Bären  reizen  hier  gleich 
Adlern  und  Geiern  die  Weidlust.  Bei  Skrobnica,  östlich  von  Soko-Banja,  schiesst 
man  auch  Auerhühner.  In  den  tieferliegenden  Tälern  des  Ozrengebirges  gibt  es 
viele  Zwetschen-,  Äpfel-  und  Birnenpflanzungen,  und  weil  dort  noch  die  Haus- 
kommunion wenig  gelockert,  ist  auch  der  Viehstand  ein  guter.  Entsprechend 
dem  vorherrschend  bergigen  Charakter  des  Svrljiger  und  Banjaer  Bezirks  treiben 
beide  starke  Viehzucht  und  kommen  dort  mehr  als  200  Stück  auf  den  km-,  im 
Aleksinacer  170—200,  im  Moravaer  140  —  170,  im  Niser  aber  nur  120  —  140. 
Im  ganzen  Kreise  zählte  man  1905  nahezu  11000  Pferde,  49100  Rinder,  370  Büffel, 
340  Esel,  49400  Schweine,  300000  Schafe,  65200  Ziegen  und  8600  Bienenstöcke. 

Durch  die  Bodenverhältnisse  bedingt,  steht  andererseits  der  Feld-  und 
Gartenbau  in  den  fruchtbaren  Niederungen  der  Morava  und  Nisava  am  höchsten 
im  Kreise.  Namentlich  gedeihen  in  der  Umgebung  von  Nis  und  Aleksinac 
vortrefflicher  Wein,  der  jenem  der  Krusevacer  Zupa  gleichgestellt  wird;  ferner 
Hanf  und  Tabak,  der  zu  den  besten  Serbiens  zählt;  der  Kartoffelbau  ist  aber 
auch  hier  noch  wenig  entwickelt. 


VII. 

Durch  Nis'  Umgebung  zur  Suva  Planina. 


ICH  erwähnte  schon,  dass  ich  Nis  zur  Zeit  meines  ersten  Besuches  (im  Juni 
1860)  fieberhaft  aufgeregt  fand.  Massendeputationen  aus  der  Umgebung,  in 
malerisch-originellen  Trachten  die  Strassen  füllend,  kamen,  um  dem  Grossvezier 
über  erlittene  Bedrückungen  zu  klagen;  andererseits  waren  griechische  BischiUe, 
türkische  Mudire,  Defterdare  (Steuereinnehmer),  Gemeindevorsteher  und  Medzlis- 
glieder  berufen  worden,  um  sich  wegen  allzu  grosser  Bedrückung  der  Rajah  zu 
verantworten.  In  jenem  Momente  war  Vorsicht  für  jeden  nicht  mit  wirkungs- 
vollen Empfehlungen  ausgestatteten  Fremden  bei  dem  Mangel  dort  residierender 
europäischer  Konsuln  noch  dringender  als  sonst  geboten.  Ich  wagte  es  damals 
nicht,  das  leicht  erregbare  Misstrauen  der  Türken  durch  Forschungen  herauf- 
zubeschwören, die  jedenfalls  mit  der  gründlichen  Untersuchung  der  Festungswerke 
hätten  beginnen  müssen.  Dies  allein  wäre  aber  genügend  gewesen,  um  abermals, 
wie  in  Zvornik,  für  einen  verkappten  russischen  Ingenieur  gehalten  zu  werden 
und  mich  Unannehmlichkeiten,  wenn  nicht  Gefahren  auszusetzen.  Denn  wer  sonst 
als  ein  „Inschenir"  interessiert  sich  für  Festungswerke  und  derlei  Bauten?  denkt 
der  für  Altertumskunde  geringen  Sinn  bekundende  Moslim. 

Begleitet  von  dem  gefälligen  Apotheker  Romuli  Lanzoni  des  IV.  Nizam- 
Regiments  betrachtete  ich  wohl  möglichst  unauffällig  die  Hauptgebäude  der 
Zitadelle,  die  Steinverkleidung  ihrer  Tore,  Moscheen  usw.  Doch,  mit  Ausnahme 
einiger  römischer  Werkstücke  vor  der  Hunkiar-Moschee,  erblickte  ich  nirgends 
bedeutendere  antike  Spuren.  Im  Jahre  1864  ermöglichte  mir  ein  Stambuler 
Bujuruldu,  etwas  freier  den  Resten  von  Naissus  und  seines  kaiserlichen  Lust- 
schlosses Mediana  nachzuforschen.  Als  ich  jedoch  diese  Arbeiten  im  Oktober 
1870  fortsetzen  wollte,  wurde  ich  auf  Befehl  des  Gouverneurs  Abdur  Rahman 
Pa§a  verhaftet  und  zur  Abreise  nach  Serbien  gezwungen.  Wie  ganz  anders  in 
den  Jahren  1887  und  1889,  wo  der  serbische  Ministerpräsident  alle  Behörden 
anwies,  meine  archäologischen  Studien  in  jeder  Weise  zu  fördern,  und  ich  mich, 
dank  der  Erlaubnis  des  Divisionschefs,  mit  vollster  Freiheit  in  der  Niäer  Zitadelle 
bewegen  durfte. 


172  Durch  Niä'  Umgebung  zur  Suva  Planina. 

Meine  Ausflüge  in  Nis'  Umgebung  begannen  1864  mit  einer  Fahrt  durch 
die  östliche  Vorstadt  bei  der  Zitadelle,  wo  sich  Reste  eines  antiken  Tempels 
befinden  sollten.  Ich  traf  aber  nur  loses  Mauerwerk  von  elenden  Ziegeln, 
gemengt  mit  Feldsteinen,  das  von  einem  älteren  Türkenbau  herrühren  mochte. 
Auch  die  von  dem  später  schimpflich  verjagten  griechischen  Bischof  Kalinikos 
empfangenen  Winke  bestätigten  sich  nur  teilweise.  Im  grossen  Hofe  der  Jeni 
Küsla  lagen  wohl  zwei  1,75  m  lange  römische  Säulenstämme,  doch  alles  Fragen 
nach  „gleichzeitig  ausgegrabenen  Steinen  mit  reichen  Verzierungen  und  Inschriften" 
blieb  resultatlos. 

Bessere  Erfolge  lohnten  meine  Exkursion  nach  Brzi  Brod  und  Banja. 
Verschiedene  Mitteilungen,  dass  Niser  Türken  in  dortigen  Ruinen  den  vergrabenen 
Schatz  des  Kaisers  Konstantin  gesucht,  bewogen  mich  zu  ihrer  näheren  Durch- 
forschung. 4  km  von  Nis  liess  ich  vom  Konstantinopeler  Heerwege  nach  dem 
Friedhofe  von  Brzi  Brod  abbiegen.  Antike  Ziegelfragmente  und  Deckplatten  in 
nahen  Feldern  leiteten  mich  hinauf  zur  südlichen,  die  Grundfeste  eines  Römer- 
kastells tragenden  Höhe,  dessen  Material  Mithad  Rasa  zum  Baue  der  Niser 
grossen  Kaserne  abbrechen  liess.  Auf  halbem  Wege  zwischen  dieser  Befestigung 
und  der  Strasse  stiess  ich,  das  Terrain  sorgfältig  rekognoszierend,  auf  Reste  eines 
monumentalen  antiken  Architekturwerks,  des  ersten  und  einzigen,  das  bis  heute 
auf  dem  Territorium  von  Naissus  gefunden  wurde.  Den  antiken  Ursprung  des 
oktogonalen  Hauptbaues  bezeugten  die  vorzügliche  technische  Ausführung  des 
1,7  ni  starken  Mauerwerks,  die  fein  bearbeiteten  weissen  Marmorplatten,  prächtig 
geschlemnite  40  cm  lange,  20  cm  breite  Ziegel  und  die  Güte  des  Mörtels. 
Nach  Abräumung  des  Schuttes  im  kreisförmigen  Innenraume  von  8,65  m  Durch- 
messer kam  ein  leider  stark  beschädigter  Mosaikboden  zum  Vorschein,  mit  aus 
braunen  und  weissen  Sfeinchen  hergestellten  Ornamenfstreifen  von  wirkungsreichem 
Rhythmus.  Auch  von  der  äusseren  Dekoration  fand  ich  Teile  eines  aus  mehreren 
Leisten  und  5  cm  breiten  Pflöckchen  gebildeten  Zahnschnittgesimses,  ferner 
zertrümmerte  Verkleidungsplatten.  Ein  weniger  sorgfältig  durchgeführter,  im 
Mauerwerk  schwächerer,  kreisförmiger  Anbau  von  9,48  ni  Durchmesser  umfing 
drei  gegen  Norden  gerichtete  Fronten  des  Oktogons.  Die  Reste  des  kleinen 
Prachtbaues  bieten  nur  ungenügende  Anhaltspunkte,  um  seinen  einstigen  Zweck 
sicher  zu  bestimmen.  Jude  Hypothese  erschien  mir  früher  gewagt,  obschon  das 
von  Carrara  im  daliuatistischen  Salona  aufgedeckte  frühchristliche  Baptisterium 
eine  solche  nahelegte.  Nach  der  serbischen  neuen  Karte  darf  ich  aber  annehmen, 
dass  diese  Bauten,  das  Kastell  und  andere  von  mir  bei  Brzi  Brod  aufgefundene 
antike  Substruktionen  Mediana  angehörten,  das  Ammian  als  einen  zu  Naissus 
gehörenden,  3  Millien  von  diesem  entfernten  Flecken  und  Lustort  mit  kaiserlicher 
Villa  erwähnt,  den  Kaiser  Justinian,  gleich  32  anderen  Kastellen  in  der  Regio 
Naissatensis,  wiederherstellte  oder  —  wie  sein  Lobredner  Procopius  ihm  nachrühmt 
—  teilweise  neu  errichtete.  Die  landschaftlichen  Reize  und  zwei  nahe  Heilquellen 
von  19  und  38"  C.  mochten  den  Punkt  zur  Anlage  der  kaiserlichen  Sommerresidenz 
empfohlen  haben.  Man  erreicht  die  am  Fusse  eines  frischgrün  bewaldeten  Berges 
liegende  Therme,  über  sanft  ansteigendes  Terrain,  auf  einem  von  der  Hauptstrasse 


Durch  Nis'  Lfmgebuni;  zur  Suva  Pl.uiinn, 


17:5 


SO.  abbiegenden  Vizinalwegc.  Roinische  Ziegel  zwisclien  türkisclien  Mauerresten 
und  häufige  antike  Münzenfunde  sind  Zeugnisse  des  liier  in  der  röniisclien  und 
niosiiniischen  Glanzzeit  gepflegten  Badekultus. 

Das  heutige  runde  Badebassin  für  Männer  ist  von  einem  schlechten  türkischen 
Oberbau  umschlossen,  der  das  Eindringen  des  Lichtes  nur  durch  kleine  Öffnungen 
gestattet.     Bei  der  Vorliebe  der  Muslims  für  heisse  Quellen  gehörte  Banja  zu  den 


Grutidriss  der  antiken  Bauten  bei  Brzi  Brcid. 

Lieblingsausflügen  der  Niser  Türken.  Dass  es  in  einer  früheren  Epoche  bedeutender 
war,  bezeugte  1864  noch  die  Ruine  eines  festen  Baues  mit  spitzbogigen  Fenstern 
und  Türabschlüssen;  ferner  die  Mauern  und  das  Minarett  einer  verlassenen 
Moschee,  welche  traurig  in  die  Luft  ragten.  Als  ich  Banja  im  September  1889 
wieder  besuchte,  waren  die  türkischen  Ruinen  verschwunden,  und  neben  den 
alten  Männer-  und  Frauen -Vollbädern,  für  deren  Benutzung  20  c  bezahlt  werden. 


BRZl  BROD.    Mosail<t)udcn. 


entstand  ein  vom  Belgrader  Juwelier  Popovic  im  Schweizerstil  erbautes  Haus, 
das  ausser  einer  freundlichen  Veranda  und  Restaurationslokalen  12  Marmorbäder 
und  ebensoviel  zu  vermietende  Zimmer  im  ersten  Stockwerk  enthält.  Die 
Regierung  will  überdies,  als  Eigentümerin  des  Bades,  die  ungenügenden  alten 
Bassins  durch  einen  modernen  Bau  ersetzen,  ferner  ein  zweistöckiges  Gäste-  und 
Restaurationsgebäude  aufführen  und  die  heutige  primitive  Badeumgebung  durch 
eine  schöne  Parkanlage  mit  auf  die  nahen  Berge  führenden  Promenadenwegen 
ersetzerK"  So  geht  das  alte  Banja  einer  vielverheissenden  Verschönerung  entgegen. 
Falls   auch   diese   sich  verwirklicht,  dürften  die  beiden  heiltätigen  Quellen  seinen 


174  Durch  Nis'  Umgebung  zur  Suva  Planina. 

Hauptanziehungspunkt  bilden,  welche  als  „Banjica"  im  schmalen  Kalktuffeinschnitt 
malerisch  hinab  zur  gleichnamigen  Bahnstation  fliesscn  und,  weil  nie  zufrierend, 
zwei  Mühlen  treiben,  deren  unausgesetzter  Gang  die  ringsum  herrschende  Stille 
unterbricht. 

Wie  heute  der  Saloniker  Schienenweg,  durchschnitt  die  römische  Strasse 
Naissus — Thessalonica  von  Nis  den  südlichen  Alluvialstreifen  bis  zum  Kurvingrad- 
Defilee.  Kurz  vor  diesem  führt  bei  dem  isolierten  , Kurvin  Han'  ein  Fusspfad 
über  Wiesengrund  und  Steingeröll  hinauf  zur  gleichnamigen  Schlossruine.  Nach 
den  Studien  und  Funden,  welche  ich  in  den  Jahren  1887 — 1889  im  angrenzenden 
Gebiete  gemacht,  ist  es  für  mich  heute  zweifellos,  dass  die  Römer  auf  der 
Kurvingrader  Höhe  ein  Kastell  besassen,  das  ihre  Naissus — Thessalonik-Strasse 
schützte.  Der  von  der  Kurvingrader  Schlossruine  gekrönte  338  m  hohe  westliche 
Ausläufer  der  Selicevica  ist  für  eine  derartige  Aufgabe  wie  geschaffen.  Mit 
der  jenseitigen,  etwas  niedrigeren  Komiga  sperrt  er  vollkommen  das  schmale 
Morava-Defilee,  in  dem  die  heutige,  der  antiken  Trace  folgende  Fahrstrasse  und 
Nis— Vranjaer  Bahn,  auf  nur  1  km  voneinander  entfernten  Brücken,  die  Morava 
und  Toplica  kreuzen.  1413  forderte  der  Sultan  Muhammeds  Partei  ergreifende 
serbische  Despot  Stevan  das  damals  „Koprijan"  genannte  feste  Schloss  vergeblich 
zur  Übergabe  auf;  die  Zeit  seiner  Zerstörung  ist  unbestimmt.  Noch  vor  fünfzig 
Jahren  waren  die  quadratischen  Burgmauern  und  auch  der  Eingang  besser  erhalten, 
über  dem  ein  vierzeiiiger,  mit  zwei  Büsten  gezierter  Römerstein  eingefügt  war; 
der  Oberbau  gehört  jener  Epoche  an,  in  welcher  jeder  serbische  Gau  seinen 
Wojwoden  besass  und  die  lose  verbundenen  Landschaften  sich  nur  durch  den 
gemeinsamen  Gross-Zupan  nach  aussen  als  Staat  darstellten.  Verführt  durch 
den  Namen,  bezeichneten  einige  Historiker  den  König  Mathias  Corvinus  als 
Erbauer  der  Burg,  obschon  unter  seiner  Regierung  nachweisbar  Ungarns  Herrschaft 
sich  nicht  bis  zur  Toplicamündung  erstreckte.  Das  Volk  schreibt  die  Gründung 
der  in  den  letzten  Jahrhunderten  nicht  mehr  genannten  Burg  derselben  Prinzessin 
Nisa,  Schwester  jener  bulgarischen  Fürstinnen,  zu,  welche  die  Donauschlösser 
Vidin  und  Vidbol  erbauten  (S.  136).  Den  Namen  Kurvingrad  leitet  es  aber 
davon  ab,  weil  diese  Nisa  als  Dirne  (Kurva)  mit  den  Mönchen  des  jenseitigen 
Komigaklosters ')  sträflichen  Verkehr  pflog.  Um  diesen  zu  erleichtern,  spannte  die 
lockere  Dame  einen  Leinenpfad  hinüber.  Auf  dem  bezüglichen  Phillithügel  sind 
noch  einige  Mauern  des  Klosters  sichtbar,  dessen  schlimmes  Andenken  im  Volke 
seine  Erneuerung  bisher  verhinderte.  Trotzdem  suchen  es  abergläubische  Leute 
auf  und  kriechen  dort  unter  einem  ausgehöhlten  wundertätigen  Steine  weg,  um 
dadurch  geheilt  zu  werden.  Das  Kurvingrader  Schlossplateau  bot  einen  trefflichen 
Orientierungspunkt  gegen  Leskovac.  Meine  topographische  Ausbeute  überbot 
hier  die  archäologische  in  unerwarteter  Weise. 

Das  römische  Säulenkapitäl,  welches  ich  1860  im  Bauhofe  der  Niser 
Kathedrale  unter  allerlei  Gerumpel  sah  und  schon  1864  dort  vergebens  suchte, 
stammte    aus    Gradiste    auf   dem    linken   Moravaufer,    und    so   richtete    ich    zur 


')  Milicevic,  Kraljevlha  Srbija,  S.  16. 


Durch  Nis'  Umgebung  zur  Suva  Planina. 


175 


Untersuchung  der  Fundstätte  einen  zweiten  Ausflug  dahin.  Die  Dörfer  Medosevac 
und  Novo  Selo  rechts  lassend,  durchschnitt  ich  auf  der  Nis-Prokupljer  Strasse 
in  gerader  westlicher  Linie  die  hier  stark  sumpfige  Ebene  bis  zum  jenseits  der 
Morava  liegenden  Mramor,  bei  dem  eben  eine  von  Mithad  Pasa  angeordnete 
Brücke  auf  Steinpfeilern  vollendet  wurde.  Die  serbische  Regierung  liess  die 
129  m  lange,  7  m  breite  Brücke  mit  eisernem  Oberbau  vollkommen  erneuern, 
forderte  aber,  um  die  aufgewendeten  100000  d  ersetzt  zu  erhalten,  eine  Passagetaxe. 
Als  die  sparsamen  Bauern  infolgedessen  die  benachbarten  Furten  aufsuchten, 
wurde  die  Abgabe  aufgehoben.  Mramor  liegt  am  Steilrande  der  18  km  langen, 
vom  -Jastrebac  sich  abdachenden  Terrasse  „Dobric",  welche  von  Supovac 
südlich  bis  zur  Toplicanuindung  sich  erstreckt.     Auf  weite  Strecken  überwuchern 


BANJA.    Die  Ruine  eines  festen  Baues. 


Paliurushecken  ihren  wenig  bevölkerten  fruchtbaren  Boden,  den  Einwanderer  vom 
Kaukasus  kultivieren  sollten. 

Bei  dem  die  Brücke  überwachenden  Blockhause  stiess  ich  auf  die  nur  wenige 
Minuten  vom  christlichen  Mramor  liegende  erste  tscherkessische  Ansiedelung  mit 
50  Häusern.  Gleich  viele  Gräber  zählte  der  nahe  Friedhof  schon  wenige  Wochen 
nach  ihrer  Ankunft;  viele  andere  der  dem  russischen  Schwerte  entgangenen 
Emigranten  erlagen  der  Strenge  des  folgenden  Winters.  Dank  seiner  günstigen 
Lage  bildete  Mramor  schon  zur  Römerzeit  den  Morava-Übergang  für  den  Weg, 
der  von  Naissus  unter  dem  Kastelle  nördlich  von  Bresnica  über  den  Mali 
Jastrebac,  gedeckt  durch  die  jenseitigen  bei  Vrccnovica  und  Kulina  (S.  105) 
zur  berühmten  Therme  Ribarska  banja,  weiter  nach  Krusevac  lief. 

Ein  gleich  wichtiger  Strassenpunkt  war  das  mit  Balajinac  zusammenhängende 
Gradiste,  das,  gleichfalls  von  der  Merosinska  reka  durchflössen,  früher  der  Hauptort 
des  „Dobric"  war.  In  der  Chorapside  seines  „crkviste"  fand  ich  ein  auf  Feldsteinen 
ruhendes,  dem  zu  Ni§  gesehenen  ganz  ähnliches  Kapital  als  Altar  benutzt;  ein 
drittes  wanderte  nach  dem  nördlichen  Secanica;  alle  drei  sollen  aber,  wie  man 
mir  versicherte,  im  benachbarten  „grad"  gefunden  worden  sein.   Diese  Schlossruine 


176 


Durch  Nis'  Umgebung  zur  Suva  Planina. 


steht  auf  der  südlichen,  mit  Wein  bepflanzten  Hölie.  Ihre  vor  sechzig  [ahren 
noch  liohen  Mauern  niussten,  auf  Befehl  des  damaligen  Niser  Paschas,  wie  einzelne 
der  mich  begleitenden  Bauern  sich  erinnerten,  abgebrochen  und  das  Material, 
gleich  jenem  der  meisten  Schlösser  des  Toplicagebietes,  nach  Nis  zu  Militär- 
bauten geführt  werden.  Vergeblich  forschte  ich  im  „grad"  im  Jahre  1864  nach 
römischen  Spuren.  Milicevic  berichtet  aber  von  dortigen  Substruktionen  mit 
grossen  quadratischen  Römerziegeln.  Dies  und  die  erwähnten  Kapitale  sprächen 
dafür,  dass  auf  der  Stelle  der  mittelalterlichen  Feste  ein  Kastell  stand,  unter 
dessen  Sciiutz  die  Strasse  die  Toplicahohen,  gegenüber  dem  linksuferigen 
Zitoradje,  erreichte.  Die  Ruine  wird  von  Milicevic'),  gestützt  auf  die  iS.  80 
erwähnte  Quelle,  mit  dem  altserbischen  Koprijan'-),  Jirecek  mit  Prokuplje 
identifiziert  ■■*),  die  der  gegen  beide  Ansätze  polemisierende  Hil.  Ruvarac  richtiger 
in  Kurvingrad  erkannte. <)  In  Gradiste  hatte  ich  jedenfalls  den  ersten  festen 
Punkt  an  der  von  Nis  über  Prokuplje  zur  Adria  laufenden  Römerstrasse  gefunden, 


Kurvingrad-Defilec  von  der  Thessaloniker  Strasse. 


was  mir  25  Jahre  später  die  Feststellung  ihres  von  Hahn  u.  a.  falsch  aufgefassten 
Laufes  wesentlich  erleichterte.    (Siehe  X.  Kap.) 

Immer  wieder  gestattete  der  liebenswürdige  Nacelnik  Arsenovic  dem  Ingenieur 
Bartos,  mich  von  dem  für  einen  Monat  zum  Zentrum  meiner  Ausflüge  gewählten 
Nis  nach  den  verschiedensten  Richtungen  zu  begleiten.  Eine  der  genussreichsten 
Exkursionen  war  unsere  Fahrt  nach  dem  Landgute  des  Generals  Horvatovic  bei 
Medosevac.  Einst  gehörte  es  dem  mächtigen  Hafis  Pasa.  Der  schon  genannte 
Erbauer  des  Niser  Königssitzes  verlebte  hier  in  der  einstöckigen  Kula  mit 
prächtigem  Belvedere  und  im  lauschigen  Konak  mit  weissem  marmornen  Kühl- 
brunnen, unter  schattigen  alten  Laubbäumen,  mit  seinen  Frauen  die  heissen 
Sommertage.  Man  nuisste  über  gleich  grosse  Einkünfte  wie  Hafis  verfügen,  um 
diesen,  durch  eine  hohe  Mauer  von  der  Aussenwelt  abgeschlossenen  herrlichen 
Landsitz  in  seiner  ursprünglichen  Schönheit  zu  erhalten.  Auf  60  Hektar  treff- 
lichsten  Bodens,    die   zu   ihm    gehören,    liess   Horvatovic    bei    den    ausgedehnten 


')  Kraljevina  Srbija,  S.  356. 

-')  Koprijan,  Daniele,  Rjecnik,  S.  475. 
")  Heerstr.  v.  Belg.  n.  Sal.,  S.  77. 

■■)  Qlasnik  49,  S.  10.     Auch  Novakovic  hält  Koprijan  mit  Kurvingrad  identisch  (Serben 
und  Türken,  S   358). 


Durch  Nis'  Umgebung  zur  Suva  Planina. 


177 


Obst-  und  Gemüsegärten  auch  Rüben  und  andere  Futtersorten  für  den  kleinen 
Viehstand  bauen.  Doch  welch  ungleich  höheren  Ertrag  müsste  das  Gut  unter 
der  Leitung  eines  rationell  wirtschaftenden  deutschen  Landwirts  abwerfen! 

Vom  nahen  Komren  zieht  der  Wein  hinauf  gegen  Hum,  dessen  Befestigungen 
Fürst  Milan  am  25.  Februar  1878  befehligte,  und  auf  die  in  allen  Kämpfen  um  Ni§ 
vielgenannte  Vinikhöhe.  Vorüber  an  ihren  drei  Schanzen  und  dem  weissen,  festen 
Dynamitmagazin  ritt  ich  mit  Herrn  Bartos  hinauf  zum  nordöstlicheren  Cegr,  berühmt 
durch    Sindjelics   auf  S.  144   geschilderten    Heldentod.      Fürst    Milan    ehrte   seine 


Sindjelic-Denkmul  am  Cegr  hei  Nis. 


Tat  durch  ein  am  3.  Juli  1878  geweihtes  Denkmal.  Es  trägt  auf  einer  Seite 
die  Inschrift:  „Dem  Wojwoden  Stevan  Sindjelici  und  seinen  unsterblichen 
Helden,  die  ruhmvoll  hier  fielen,  am  19.  Mai  1809  Nis  belagernd",  auf  der 
anderen:  „Fürst  Milan  Obrenovic  IV.  und  seine  tapfere  Armee  rächten  sie  am 
28.  Dezember  1877,  Nis  befreiend."  Als  der  junge  König  Alexander  das  Monument 
besuchte,  erschien  dessen  breites,  aus  Ziegeln  erbautes  Piedestal,  auf  dem  die 
senkrecht  stehende  weisse  Marmorplatte  ruht,  so  hinfällig,  dass  er  dessen 
Renovierung  auf  seine  Kosten  anordnete.  Ringsum  reifen  prächtige  Pfirsiche  und 
Trauben;  die  Aussicht  nach  der  Suva  Planina  ist  entzückend.  Schon  des  reichen 
Naturgenusses  wegen  sollte  kein  Besucher  Ni5'  säumen,    den  Cegr  zu  besteigen. 

F.  KANITZ,   Serbien.    11.  12 


178  Durch  Nis'  Umgebung  zur  Suva  Planina. 

Ein  Höhenzug  trennt  das  Nisavabecken  vom  Tinioktal,  aus  dem  leicht 
passierbare  Einsattelungen  und  breit  geöffnete  Einschnitte  nach  Naissus  führten. 
Die  Römer  suchten  diese  Zugänge  tunlichst  zu  sperren.  Ihre  vorgeschobenen 
Befestigungen  des  grossen  Waffenplatzes  scheinen  mit  dem  Kastell  an  der 
nördlichen  Toponica  begonnen  zu  haben,  wo  bei  Miljkovac  Reste  eines  mittel- 
alterlichen, ursprünglich  antiken  Werkes  erhalten  sind  (S.  134).  Ein  anderer 
wichtiger  Punkt  war  das  nordöstliche  Kamenica,  von  dem  eine  Wasserleitung  mit 
mächtigen  Röhren  nach  Naissus  lief.  Die  dortigen  antiken  Werk-  und  Votivsteine ') 
stammen,  wie  ich  hörte,  meist  aus  der  befestigten  Römersiedelung  auf  dem 
420  m  hohen  Weinberge  bei  Gornja  Vrezina  und  von  Camurlija,  dessen  Kastell 
2  m  starke  Mauern  besass,  auch  50  cm  lange  Ziegel,  Deckplatten  und  Münzen 
treten  dort  häufig  zutage.  Bei  Kamenica  wurde  im  Jahre  1888  ein  von  Valerian 
Domitianus  dem  Jupiter  gewidmeter  dreizeiliger  Stein  gefunden.  Den  60  cm  hohen 
und  80  cm  breiten  oberen  Teil  eines  mit  Kränze  haltenden  Genien  und  anderen 
Figuren  geschmückten  Grabsteins  sah  ich  1889  in  der  Nordmauer  der  verfallenen 
Kirche,  welche  auf  der  Metohvorhöhe  der  nördlichen  Slovica,  neben  einer  vom 
Blitze  gespaltenen  Riesenulme,   zwischen  Kamenica   und   Gornji  Matejevac,   steht. 

Die  aus  Ziegeln  und  Hausteinen  hergestellte,  östlich  durch  eine  halbkreis- 
förmige Apside  geschlossene  Kirche  wurde  in  der  Mitte  von  einem  quadratischen 
Oberbau  überragt,  welcher  den  oktogonalen,  nun  stark  zerstörten  Kuppeltambour 
trug.  Vor  dem  Eingange  mit  geradlinigem  Sturze  sind  die  Rudimente  eines  kleinen 
Narthex  sichtbar.  Von  der  äusseren  Dekoration  blieb  am  vierseitigen  Kuppeluntersatz 
nur  ein  aus  über  Eck  gestellten  Ziegeln  gebildeter  Zahnschnitt  erhalten.  Trotzdem 
aber  die  Gewölbe  einzustürzen  drohen,  wird  hier  der  Sabortag  Sv.  Trojica 
(hl.  Dreieinigkeit)    unter    lebhafter    Beteiligung    der    nahen    Orte    festlich   gefeiert. 

Gleiches  Ansehen  geniesst  Sv.  Jovan,  ein  altes  Kloster,  das  man  auf  dem 
Steilpfade  der  Raseva  padina  in  der  vom  750  m  hohen  Temeni  Vrh  und  dem 
niedrigeren  östlichen  Belo  Brdo  gebildeten  Engschlucht  erreicht.  Gegenwärtig 
ohne  Mönche,  verwaltet  seinen  Grundbesitz  von  31  Hektar  Feld-,  Wein-  und 
Waldboden  der  Pfarrer  von  Gornji  Matejevac.  Das  pittoreske  Kirchlein  gleicht 
technisch  der  1838  restaurierten  Christi  Himmelfahrts-Kirche  dieses  wohlhabenden 
Ortes,  zu  dem  wir  an  dem  rauschenden  Bache  Kaludjere  hinabstiegen.  Seine  hart 
aneinander  gerückten  274  Häuser  mit  2628  Seelen  (1900)  erinnern  an  italienische 
Kastelle.  Der  hohe,  zyklopische,  fortartige  Unterbau  birgt  als  Keller  oft,  wie  ich 
staunend  sah,  10  bis  12  Fässer  ä  5000  kg  Wein.  Das  leichte  Holzgeschoss  mit 
Lehmüberzug  und  rotem  Ziegeldach  enthält  den  Wohnraum.  Man  schätzt  den 
Weinertrag  in  Nis'  Umgebung  auf  24000  Hektoliter.  Der  zur  Türkenzeit  mit  6 — 10  d 
per  Hektoliter  bezahlte  Rotwein  kostet  gegenwärtig  15 — 20  d;  der  weisse  ist  etwas 
teuerer.  Früher  führte  Matejevac  gleich  den  Nachbarorten  viel  Wein  und  Getreide 
nach  Bulgarien  und  brachte  dafür  Vieh  zurück.  Dieser  Handel  litt  neuestens  stark. 
Trotzdem  erhält  sich  die  Hauskommunion  so  ziemlich.  Hier  wohnen  drei  wohl- 
habende Popen,  von  welchen  einer  die  Seelsorge  im  östlichen  Knez-Selo  besorgt, 


')  C.  I   L  .  III,  Suppl.  Fase.  II,  No.  8246,  8254. 


Durch  Niä'  Umgebung  zur  Suva  Planina. 


179 


und  wie  zu  Sicevo  gibt  es  einzelne  Gehöfte  mit  20  bis  35  Seelen,  deren  Vermögen 
20000  Dukaten  und  mehr  betragen  soll. 

Vorüber  am  „Copin  grob",  in  dem  ein  im  Kamjife  um  sein  Recht  gegen 
türkische  Dränger  gefallener  Rajah  ruht,  fuhren  wir  nach  Donja  Vrezina.  Es 
besitzt  einen  alten  Fr^edhof.  zwischen  dessen  interessanten  Grabsteinen  innerhalb 
einer  leichten  Umfriedung  von  Feldsteinen  früher  Gottesdienst  gehalten  wurde.  Nahe 
beim  Dorfe  durchfurteten  wir  die  Nisava,  und  die  linksuferige  treffliche  Mithadstrasse 
brachte  uns  bald  zur  Cele  Kula.  Auf  Seite  144  schilderte  ich  die  Vorgänge, 
welchen  das  traurige  Monument  seine  Entstehung  dankt.  Als  ich  es  in  einer 
stillen  Mondnacht  des  Juni  1860  in  Romulus  Lanzonis  Gesellschaft  zum  erstenmal 


Kirchenruilie  bei  Gornji  Matejevac  mit  Roiiierstein. 


besuchte,  zeigten  seine  durch  50jährigen  Verfall  erniedrigten  Mauern  immer  noch 
16  Reihen  mit  je  16  Schädellücken,  also  die  Plätze  von  1024  Köpfen.  Diese 
selbst  waren  bis  auf  einzelne  Reste  verschwunden.  In  dunklen  Nächten  hatte  die 
serbische  Landbevölkerung  sie  allmählich  ausgebrochen  und  in  geweihter  Erde 
begraben.  Auf  den  Schultern  des  Doktors  kletterte  ich  empor  bis  zur  höchsten 
Reihe,  und  es  gelang  mir,  ihr  vielleicht  die  letzten  Reliquien  zur  Erinnerung  an 
den  Opfertod  jener  serbischen  Helden  zu  entnehmen. 

Wieder  sah  ich  1864  und  1870  den  Schädelturm.  Seine  Umrisse  hatten 
sich  wenig  verändert.  Einzelne  humane  Gouverneure  wollten  ihn  rasieren;  doch 
die  Furcht  vor  dem  Niser  moslimischen  Pöbel  hielt  sie  zurück,  der  christlichen 
Bevölkerung  diese  Genugtuung  zu  geben.  Mahmud  Pasa  errichtete  im  Jahre  1860, 
gleichsam  zur  Sühnung,  dass  ihm  die  Zerstörung  des  barbarischen  Denkmals 
nicht  gelang,  neben  demselben  einen  Brunnen,   dessen   klarer   Quell   Türken   und 


180  Durch  Nis'  Umgebung  zur  Suva  Planina. 

Christen  f';leicli  kiililciidc  Labung  spenden  sollte.  1864  entstand  neben  dem  Turme 
ein  kleiner  Konak  zur  Aufnahme  hoher  türkischer  Funktionäre  vor  ihrem  Einzüge. 

Mithad  Paäa  erbaute  dort  ein  Militärspital  mit  80  Betten,  das  seit  der 
serbischen  Eroberung  durch  drei  Pavillons  vergrössert  wurde  und  weitere  drei 
erhalten  soll.  Den  Schädelturm  fand  ich  durch  ein  Gitter  umschlossen  und  durch 
einen  kioskartigen  Oberbau  auch  sonst  gegen  jede  weitere  Verwüstung  geschützt. 
Es  scheint  demnach,  dass  man  das  barbarische  Monument  für  kommende 
Gesciilechter  zur  Erinnerung  an  die  einstigen  türkischen  „schwarzen  Tage" 
erhalten  will. 

Am  Frühmorgen  des  6.  September  1889  bogen  wir  bei  der  „Cele  Kula"  in  das 
Quertal  des  Gabrovacki  potok  ab,  welcher  von  Süd  nach  Nord  am  Osthange  der 
Gorica,  in  diluvialen  Geröllmassen  eingeschnitten,  ihre  Verteidigungsfähigkeit 
wesentlich  erhöht.  Nach  kaum  halbstündiger  Fahrt  zwischen  den  rebenbepflanzten 
Höhen  bemerkten  wir  im  Bachgraben  einen  kauernden  Soldaten,  der  uns  lautlos 
passieren  liess,  während  es  seine  Pflicht  gewesen  wäre,  uns  die  Passage  zu  unter- 
sagen. Gleich  darauf  hörten  wir  Hornsignale  und  ein  unheimliches  Pfeifen  über 
unseren  Köpfen.  Jetzt  erst  bemerkten  wir  auf  der  rechtsseitigen  Höhe  einige  weisse 
Zelte,  vor  welchen  Infanterie  sich  im  Schiessen  nach  einer  auf  der  linksseitigen 
angebrachten  Riesenscheibe  übte.  Unser  Wagen  befand  sich  schon  unter  der 
Schusslinie,  als  uns  das  Gefährliche  unserer  Situation  klar  wurde.  Herr  Bartoä 
sprang  rasch  ab  und  suchte  im  Graben  Deckung;  ich  blieb,  trieb  den  Kutscher 
zur  Eile  und  kam  glücklich  durch.  Der  befehligende  Offizier  musste  uns  bemerkt 
haben,  vertraute  aber  der  Zielkunst  seiner  Soldaten,  sonst  hätte  er  das  Schiessen 
wohl  eingestellt.  Bis  sich  mein  Gefährte  weidlich  ausgeschimpft,  waren  wir  durch 
Gabrovac  zum  gleichnamigen  Kloster  gelangt,  und  angesichts  der  freundlich 
anmutenden  Heilstätte,  deren  Archimandrit  Joanikije  uns  freundlich  begrüsste,  war 
unsere  durch  den  unerwarteten  Zwischenfall  aus  dem  Gleichgewichte  geratene 
Stimmung  wieder  hergestellt. 

Die  Tradition  tat  alles,  um  die  Anziehungskraft  des  der  Sv.  Trojica  — 
nicht  der  Sv.  Bogorodica,  wie  Milicevic  schreibt  —  geweihten  Klosters  zu  erhöhen. 
Sie  lässt  es  durch  einen  Nemanjiden  gründen  und  den  Zar  Dusan  auf  einem 
Kriegszuge  mit  seinem  Heere  hier  die  hl.  Kommunion  empfangen.  Urkundliches 
existiert  darüber  gleich  wenig,  wie  über  des  Klosters  Schicksale  bis  zu  seinem 
Verfalle.  1835  liess  es  Cir  Kosta  aus  Nis  restaurieren.  Noch  jünger  sind  die 
Fresken  der  aus  nur  einem  Langschiffe  bestehenden  Kirche.  In  der  offenen 
Vorhalle  stellte  der  Maler  die  Männer  und  Weiblein  erwartenden  Höllenqualen 
in  drastischer  Weise  dar.  Den  nahen  hübschen  Brunnen  stifteten  die  vereinigten 
Snajderski-,  Terzijski-  und  Abadzijski-Zünfte  von  Nis  im  Jahre  1837.  Das  neue 
Wohnhaus  erbaute  Joanikije  1874,  welcher  den  unmittelbaren  Grundbesitz  von 
16  Hektar,  darunter  7  Hektar  Felder  und  Wiesen,  3  Hektar  Wein-  und  Obstgarten, 
sowie  den  seiner  Metohien:  Sv.  Ivan,  Sv.  Bogorodica,  Curlina  und  Sicevo 
trefflich  verwaltete.  Dem  Staate  bezahlt  das.  Kloster  von  der  1800  d  betragenden 
Einnahme  an  Steuern  250  d.  Ein  grosser  Teil  der  vor  Ni§  im  Dezember  1877 
gefallenen  Serben  wurde  hier  bestattet.    Die  lauschigen  Haine,  in  welchen  sie  ruhen, 


Durcli  Nis'  Umgebung  zur  Suva  t'lniiinn. 


ISl 


bilden  einen  Lieblingsausflug  der  Ni§er.  An  Sonn-  und  Feiertagen  fehlt  es  nie 
an  Gästen,  die  hier  Stärkunij  für  Seele  und  Leib  suciien  und  finden,  üewöiinlicii 
wird  der  Spaziergang  durch  den  Kiosterwald  bis  zum  südlichen  Denska  ausgedehnt, 
wo  neben  alten  Mauerresten  sich  im  dunkelfarbigem  sandigen  Letten  ein  primitiver, 
jüngst  verlassener  Braunkohlenbau  befindet.  Über  ein  hier  ausgegrabenes  Siegel 
von  Silber,  das  nach  dem  altserbischen  Kloster  Decani  gebracht  worden  sein 
soll,  wusste  der  Archiniandrit  nichts  zu  sagen. 

Von   Denska    kletterten    wir   hinauf  zur  von  lier  in    1004  m   kulminierenden 
Seliccvica  NW.   gegen  Nis   sich    vorschiebenden   457  m    hohen  Gorica.     Das   sie 


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Der  Schadclliirni  zu  Nis,  181)0  und    1K97. 

krönende  „Markovo  Kaie"  gilt  seit 
langer  Zeit  als  dessen  wichtigste 
strategische  Position,  die  mit  der  nord- 
östlichen grossen  Redoute  bei  Gornja 
Vrezina  die  Piroter  Strasse  und  Bahn- 
linie unter  Feuer  nimmt.  Zweifellos 
besassen  auch  die  Römer  auf  der  Gorica  ein  Verteidigungswerk;  trotzdem  ich 
aber  die  Erdwälle  und  Reste  der  1878  rasierten  türkischen  Bauten  emsig  durch- 
forschte, gelang  es  mir  nicht,  die  bescheidenste  römische  Spur  aufzufinden.  Das 
Volk  behauptet,  die  wenigen  älteren  Mauern  stammten  von  der  Burg  seines 
Lieblingsheros  Marko  Kraljevic  und  der  anschliessenden  Stadt,  die  sich  bis  zum 
westlichen  Curlina  ausdehnte.  Wirklich  stiess  dort  der  Bauer  Blagoje  Milosevic 
aus  dem  südlichen  Malosiste  1882  auf  feste  Mauern,  die  nach  Abräumung  des 
sie  deckenden  Schuttes  sich  als  Grundfesten  einer  zerstörten  Kirche  erwiesen. 
Sie  musste  einem  sehr  bedeutenden  Gemeinwesen  angehört  haben,  denn  der 
bedeutendste   Bau    der   Nemanjiden,   die  Carska   Lavra    zu  Studenica,  besitzt   nur 


182  Durch  Nis'  Umgebung  zur  Suva  Planina. 

eine  Länge  von  25,5  ni,  bei  9  m  Breite.     Die  Curlinaer  Kirche  ist  aber  mit  dem 
Prostylum  28,5  m  lang  und   16,1  m  breit. 

Sclion  wälirend  der  Aufnahme  des  Grundrisses,  die  den  von  Miiicevic 
publizierten  w^esentlich  ergänzt  und  berichtigt,  fiel  mir  seine  Ähnlichkeit  mit  den 
dreischiffigen  Basiliken  zu  Mesembria  am  Pontus  auf,  sowie  ein  die  ganze  Anlage 
charakterisierender  Gegensatz  zu  den  altserbischen  Kirchen  des  Königreichs. 
Keine  unter  diesen  gleicht  der  Curlinaer  Kirche;  keine  besitzt  einen  gleich  aus- 
gesprochenen, dem  Narthex  vorgelegten,  durch  Pfeiler  und  Säulen  gebildeten 
Prostylos.  Auch  fehlen  alle  Anklänge  an  den  Zentralbau.  Die  3,2  m  breiten 
Seitenschiffe  und  der  nahezu  doppelt  breite,  durch  8  Pfeileröffnungen  mit  diesen 
verbundene  Hauptraum  führen  zu  ihren  halbrunden,  nach  aussen  dreiseitigen 
Apsiden,  von  welchen  die  6  m   lange  Altartribuna   durch   die   zwischen  2  Säulen 


CURLINA.    Giiindriss  der  byzantinischen  Kirclie. 

eingefügte  Bilderwand  abgeschlossen  war  und  ähnlich  wie  die  Mesembrianer 
Johanneskirche  eine  erhöhte  Rundbank  mit  Katheder  für  den  Klerus  enthielt. 
Vor  der  Ikonostasis  gelangte  man  durch  die  Seitenschiffe  in  zwei  kapellenartige 
Anbaue  mit  selbständigen  westlichen  Eingängen  und  verschiedener  östlicher 
Ausgestaltung;  die  nördliche  endet  geradlinig,  die  südliche  aber  in  halbrunder, 
über  das  Seitenschiff  vorspringender  Apside.  Die  Gliederung  des  auch  von  Nord 
und  Süd  zugänglichen  Narthex  entspricht  dem  dreischiffigen  Hallenbau  der  Kirche, 
aus  jedem  seiner  drei  Räume  führte  ein  besonderer  Eingang  in  dieselbe.  Die 
stufenartige  Erhöhung  im  nordwestlichen  Teile  diente  vielleicht  zur  Absonderung 
der  zu  Kirchenstrafen  verurteilten  Büsser;  auch  an  der  nördlichen  Schmalmauer 
des  Prostylos  befindet  sich  eine  ähnliche  Stufe;  an  seiner  Südseite  sind  aber  die 
Grundfesten  von  vier  Pfeilern  sichtbar,  welche  wahrscheinlich  das  gewölbte 
Glocken-  oder  Symantrongeschoss  trugen. 

Die  Bautechnik  und  die  Beschaffenheit  des  Materials  ist  durchgehends 
vorzüglich.  Die  90  cm  starken  Mauern  aus  wechselnden  Kalkstein-  und  Ziegel- 
lagen  mit  gleich   breiten   Mörtelfugen   sind   durchschnittlich   1  m  hoch  über  dem 


Durch  Nis'  Umgebung  zur  Suva  Planina. 


183 


an  vielen  Stellen  sichtbaren  Bodenpflaster  erhalten.  Die  3—5  cm  starken  Ziegel 
messen  durchschnittlich  33  cm  im  Vierecke,  die  zum  Estrich  der  Altarapside 
verwendeten  42X25  cm.  Von  den  granitnen  Säulen  der  Ikonostasis  und  des 
Prostylos  sah  ich  4  Stämme  von  2  m  Länge  und  0,40  m  Durchmesser,  zwei  roh 
gemeisselte  Basen  au-s  rotem,  eine  aus  weissem  Sandstein,  ferner  ein  leider  stark 
beschädigtes  0,75  m  langes  und  0,31  m  hohes  byzantinisch  stilisiertes  Kapital. 
Alles,  auch  die  Fresken,  von  welchen  ich  Spuren  fand,  deutet  auf  das  gleiche 
Alter  dieser  wahrscheinlich  durch  die  Amanten  zerstörten  schönen  Baute  mit  der 
dreischiffigcn  St.  Sophia  zu  Sofia  hin.  Die  Erhaltung  der  vom  Volke  als  geheiligt 
betrachteten  Stätte  dürfte  das  in  ihrer  Mitte  errichtete  hölzerne  Kirchlein  wirksam 
fördern,  in  dem  ein  Mönch  des  Gabrovacer  Klosters  an  Sonn-  und  Festtagen 
die  Liturgie  liest. 

Die  breitkronigen  Pappeln  und  Weiden,  welche  Mithad  Rasa  entlang  seiner 
Piroter  Strasse    pflanzte,  verdichteten   sich   zu    einer   prächtigen    Allee,   in    deren 


CURLINA.     Saulcnkapitiil. 


wohltuendem  Schatten  wir  die  11  km  von  Ni.s  bis  zum  Jelasnica-Defilee  trotz 
des  heissen  Septembertags  angenehm  zurücklegten.  Im  Defilee  liess  der  häufig 
das  Tal  besuchende  König  Milan  den  schlechten  Reitpfad  durch  kostspielige 
Sprengungen  fahrbar  machen.  Während  des  fortwährenden  Uferwechsels  bewunderte 
ich  die  auf  rötlich-lettigem  Sandsteinpicdestal  romantisch  gelagerten  dolomitischen 
Picks,  Hörner,  höhlenreichen  Kuppen,  sowie  zahllose  überhangende  und  aus  dem 
FUissbette  aufsteigende  pittoreske  Felsen.  Zwischen  hochstämmigen  Rotbuchen 
und  Nussbäumen  erscheint  oben,  gegenüber  dem  Kirchlein  Sv.  Petar,  manchmal 
ein  Gehöft,  unten  rauscht  in  tausend  Sprüngen  und  Windungen,  mehr  hüpfend 
als  fliessend,  die  klare  Jelainica. 

Beim  gleichnamigen  Dorfe,  dessen  Frauentracht  als  schönste  um  Nis  gilt, 
kam  uns  Herr  Kosta  Markovic,  der  Eigentümer  des  nahen  Bergwerks,  entgegen. 
Die  Vorrichtungen  zur  Förderung  der  bis  Kurvingrad  streichenden  Kohle  machten 
einen  stark  hinterwäldlerischen  Eindruck.  Nach  300  m  Stollentreibung  stiess  man 
1889  auf  ein  vielversprechendes  3  m  starkes  Flöz,  aus  dem  die  hier  täglich  mit 
1—3  d  bezahlten  80  Arbeiter  wöchentlich  nur  eine  Waggonladung  für  den  Niser 
Ringofen  förderten.  Auch  an  die  Verwertung  des  hier  anstehenden  trefflichen 
Zements  wird   gedacht.     Eine   in   das   Belgrader  Museum  gelangte    17  cm   lange. 


184 


Durch  Nis'  Umgehung  zur  Suva  Planina. 


252   Gramm   schwere   reinkupferne    Spitzhaue   von    seltenem   Typus   stammt  vom 
nahen,  mit  Mauern  gekrönten  Radosinberge. 

Interessant  sind  die  Tuffbildungen  beim  südlichen  Donja  Studena,  welche 
der  vom  670  m  hohen  Rajac  abströmende  Bach  fortwährend  erhöht.  Unmittelbar 
nachdem  seine  neun  dem  Dolomitschutt  entspringenden  Quellen  sich  vereinigt, 
treiben  sie  die  7  Mühlen  des  Dorfes.  Viele  der  prächtigen  Nussbäume,  welche 
den  „vreio"  (Ursprung)  umgeben,  sind  gefallen,  trotzdem  wird  das  immer  noch 
kühle,  lauschige  Plätzchen  von  den  Umwohnern  gern  aufgesucht,  dessen  kristall- 
klares Wasser  von  10"  C.  für  heiltätig  gilt.  Der  Talabschluss  führt  hinauf  zum 
Studenski  Vrh,  den  Fürst  Milan  zum  erstenmal  am  4.  April  1878  bestieg,  um  die 
gepriesene  Aussicht  von  der  Suva  Planina  zu  geniessen;  hierbei  stiess  der  natur- 


CURLINA.    Byzantinische  Kirchenruine. 


liebende  Herrscher  auf  verschiedene  fremdartige  Pflanzen,  von  welchen  er  viele 
in  seinen  Niser  Garten  übertragen  liess.  Auch  König  Alexander  suchte  gern  die 
prächtigen  Schluchten  und  Höhen  des  Suvastockes  auf,  so  im  Herbste  1895  in  der 
anregenden  Gesellschaft  der  Professoren  Lozanic  und  Nikolajevic.  Obschon  seine 
Flora  wegen  der  vielen  unzugänglichen  Schlünde  und  Abstürze  nur  unvollkommen 
bekannt  ist,  verzeichnete  bereits  Pancic  32  seltene  Pflanzen,  darunter  die  Novitäten: 
Orobus  pubiscens,  Ramondia  Nathaliae  und  Ornithogalum  Nyssanum  als  aus- 
schliesslich ihm  angehörend.  Seit  1889  stellte  sich  der  zu  Leskovac  wirkende, 
von  der  Direktion  des  Wiener  Botanischen  Gartens  unterstützte  Lehrer  Djura  llic 
die  eingehendere  botanische  Erforschung  der  Suva  Planina  zur  Aufgabe. 

Sehr  lebendig  erhielten  sich  die  Erinnerungen  an  die  Römerzeit  im 
Jelasnicatale.  An  den  Felsen  bei  Cukljenik  klebende  Mauerreste  werden  einem 
„lateinischen  Kaiser"  zugeschrieben  und  ebenso  die  vom  Kunovica-Defilee  zum 
Jelasnicaer  „greben"  streichenden;  beide  Werke  soll  er  zum  Schutze  seiner 
Hauptstadt  (Naissus)  und  des  Konstantinopeler  Weges    erbaut    haben.      Ein    bei 


Durch  Nis'  Umgebung  zur  Suva  Planina.  ISf) 

Cukljenik  aufgefundener,  einem  Soldaten  der  LEG  VII  CL  gewidmeter  Votivstein ') 
und  ein  anderer  aus  hartem  Sandstein  am  Kozmovacko  tocilo  bestätigen 
die  Anwesenheit  der  Römer  an  diesem  Punkte,  ihre  Befestigungen  am  Eingange 
des  Kunovica-Defilees  und  an  der  Jclasnica  standen  in  Beziehung  zu  jenen  im 
Kutinatale,  in  dem  ich  eine  von  vielen  Kastellen  gehütete  Römerstrasse  feststellte. 
Am  25.  September  1889  trat  ich  von  Nis  den  Ausflug  in  das  grosse  Tal 
der  Kutina  an,  die  nicht  weniger  als  vier  Orten  ihren  Namen  lieh.  3  km  von  ihrer 
Mündung  in  die  Ni§ava  liegt  Eminova-)  Kutina.  Die  Strasse  durchschneidet 
dort  auf  phyllitartigen,  talgreichen  Schiefern  lagernde  rotbraune  Sandsteine  und 
gleichfarbige  Konglomerate,  welche  prächtigen  Mais  und  ausgedehnte  Obstkulturen 
zeitigen.  Seine  hübsche  Mehana  mit  schattigem  Garten  bildet  einen  Lieblings- 
ausflug der  Niser.  Aus  dem  Besitze  des  wohlhabenden  Muhti  Effendi,  der  im 
abseits  zwischen  lauschigen  Birnbäumen  stehenden  Konak  mit  seinen  beiden 
Frauen  und  Kindern  hier  sonnige  Tage  verlebte,  ging  das  Landgut  für  geringes 


Kupfer-Spitzh.Tuc  vorn  R.idosinlierK  (Niser  Kreis). 

Geld  an  den  spekulativen  Niser  Kaisar  Hadzi  Mihail  Pesic  über,  der  nun 
an  Pachtzins  aus  der  Mehana  allein  100  Dukaten  jährlich  zieht.  Im  1  km 
weiter  sich  verengenden  Tale  schneidet  die  Strasse  in  den  rechtsuferigen,  stark 
verwitterten  Glimmerschieferhang  init  steiler,  stetig  auf-  und  absteigender  Trace. 
Ihre  unverantwortlich  schlechte  Anlage  fällt  dem  Bezirkshauptmann  und  seinem 
Schreiber  zur  Last,  welche,  wie  es  leider  noch  heute  oft  in  Serbien  geschieht; 
die  Anordnungen  des  Kreisingenieurs  willkürlich  abänderten,  bis  dieser,  des 
Haders  müde,  den  Bau  im  Stiche  Hess. 

Zwischen  Lazarevo  Selo  und  Draskova  Kutina  verbreitert  sich  das 
schluchtartige  Tal.  Wir  setzten  über  eine  schöne,  durch  Unterwaschung  aber 
stark  bedrohte  Brücke  von  rotem  Sandstein,  der,  mit  Quarzkonglomeraten  hier 
nahe  anstehend,  rechts  und  links,  tief  hinein  in  die  vielen  Einschnitte  der  Suva 
Planina  und  Selicevica  alles  rot  färbt.  In  gleich  steilen,  wie  kurzen,  die  Geschick- 
lichkeit des  Rosselenkers  erprobenden  Kurven  ging  es  nun  immerfort  hart  am 
tief  eingeschnittenen  Bachrinnsal  abwärts  nach  Prokopova  Kutina  oder  richtiger 
zu  seinem  grossen,  an  die  Strasse  vorgeschobenen  „Gadzin  Han",  bei  dessen 
von  einer  hohen  Weide  und  alten  Ulme  beschatteten  Brunnen  stets  reges  Leben 


•)  C.  I.  L.  III,  Suppl.  Fase.  II,  No.  8252. 
-)  letzt  lieisst  der  Ort  Prva  Kutina. 


18fi  Durch  Nis'  Umgebung  zur  Suva  Planina. 

herrscht.  Mit  einigen  Schenken,  dem  Gemeindehaus  und  einer  Mühle  bildet  der 
Han  das  Forum  für  die  umhegenden  Orte:  Draskova  Kutina,  Koprivnica,  Jaglicje, 
Cagrovac,  Dugo  Poije,  Krastavce  und  Celije,  deren  820  Steuerzahler  fortwährend 
Geschäfte  mit  dem  hier  tagenden  gemeinsamen  Knieten  abzuwickeln  haben.  Die 
Diskussionen  setzen  sich  meist  bei  Wein  und  Rakija  im  grossen  Mehanaraume 
fort,  und  da  hier  alles  öffentlich  verhandelt  wird,  hörten  wir,  dass  einige  Insassen 
des  in  einer  östlichen  Lehmschlucht  liegenden  Jaglicje  gekommen  waren,  um  die 
Baurechnung  ihrer  kurz  zuvor  eröffneten  Schule  zu  regeln.  Lange  tönte  die 
lärmende  Beratung  in  unseren  Schlafraum  herüber,  um  sich  am  Morgen  zu 
erneuern. 

Südlich  vom  Gadzin  Han  tritt  die  Strasse  in  das  Cagrovacka-Defilee  und 
steigt  bald  hinter  Marina  Kutina  die  südöstlichen  Höhen  von  Duga  Poljana 
hinan.  Die  neue  Trace  zweigt  oft,  weil  allzu  steile  Stellen  durch  gut  entwickelte, 
aber  zeitraubende  Kurven  umgehend,  von  der  antiken  und  türkischen  ab.  Da,  wo 
der  unterlagernde  Sandstein  zutage  tritt,  zeigte  sich  die  Fahrbahn  leidlich  gut; 
im  leicht  beweglichen  Konglomerat  und  Schieferterrain  liess  sie  aber  viel  zu 
wünschen  übrig;  die  starken  Regen  hatten  streckenweise  den  Boden  aufgeweicht 
und  nahezu  alle  Brücken  fortgerissen.  Bei  dem  vom  Hanwirte  bezeichneten 
Punkte  bogen  wir  nach  einer  südwestlichen  Vorhöhe  des  durch  malerische 
Spitzen  und  Steilabstürze  ausgezeichneten,  1673  m  hohen  Sokolov  Kamen  ab. 
Der  mühsame  Aufstieg  zu  ihrem  scharf  geböschten  Plateau,  zwischen  dessen 
zerklüfteten  Kalkfelsen  ein  Wässerchen  sich  den  Weg  zur  Kutina  bahnt,  blieb 
nicht  resultatlos.  Die  westliche,  130  m  lange,  50  bis  60  m  breite  Kuppe  zeigte 
sich  von  römischen  Mauern  umwallt,  die  zu  dem  durch  einen  natürlichen  Graben 
getrennten,  20  m  höheren  südöstlichen  Cukakopfe  weiterliefen.  Das  ungemein 
stark  verwüstete  Kastell  ist  derartig  von  Gestrüpp  überwuchert,  dass  ich  seinen 
Grundriss,  obschon  auch  Ingenieur  Bartos  eifrig  umherkletterte,  nur  unsicher 
bestimmen  konnte. 

Durch  den  Strassenumbau  wurde  der  nun  tief  unten  liegende  Miljkovacer 
Han  ganz  unbenutzbar,  und  so  fuhren  wir  unter  strömendem  Regen  nach  Donji 
Dusnik.  Der  Kern  dieses  grossen  Dorfes  liegt  auf  dem  linken,  sein  Forum,  Han 
und  Kramladen  aber  nahe  der  Strasse  auf  dem  rechten  Kutinaufer.  Wiederholt 
wollte  man  den  günstig  gelegenen  Ort  zum  Kapetanssitze  des  „Srez  Zaplanjski" '), 
in  dessen  Bezeichnung  der  altslavische  Landschaftsname  „Zaplanje"  fortlebt, 
erheben,  doch  1887  entschied  man,  ihn  in  Nis  zu  lassen  und  blieb  dabei.  Der 
von  Gästen  überfüllte  Han  bildete  den  Mittelpunkt  des  neuesten  politischen 
Ereignisses.  Es  wurde  zum  erstenmal  nach  dem  von  der  radikalen  Skupstina 
sanktionierten  Wahlreglement  gewählt,  und  nicht  weniger  als  vier  Fünftel  aller 
Wahlberechtigten  waren  am  26.  September  zu  dem  mit  allgemeiner  Spannung 
erwarteten  Akte  erschienen;  dieser  spielte  sich  in  der  grossen  Stube  des  kurz 
zuvor  vollendeten,  noch  unbenutzten  Hanbaues  der  Brüder  Marjanov  in  würdiger 
Weise  ab. 


')  1891  wurde  dieser  Bezirk  dem  Niser  einverleibt. 


Durch  Nis'  Umgebung  zur  Suva  Planina. 


187 


y^'*t: 


In  jenen  be- 
wegten Tagen  fiel  es 
schwer,  irgendeinen 
Senator,  Professor, 
Arzt,  Ingenieur  usw.  - 
an  seinem  Berufs- 
orte zu  treffen.  Die 
ganze  Intelligenz  war 

auf  der  Wanderung.  Das  Gesetz  forderte  die  Leitung 
der  Wahlen  in  jedem  einzelnen  Bezirke  durch  ihm 
fremde  Kommissare.  Der  Piroter  Kreisarzt  wurde 
beispielsweise  mit  dem  Umweg  über  Nis,  Leskovnc 
und  Vlasotinci  nach  dem  hoch  im  Gebirge  liegenden 
Crna   Trava   entsendet;   für    unser   Dusnik    hatte   der 

Belgrader  Hochschulprofessor  Stamenkovic  das  mühevolle  Amt  übernommen.  Der 
serbische  Bauer  begreift  leicht;  das  Wahlverfahren  zeigte  sich  aber  sehr  kompliziert. 
Die  Wähler  traten  in  Gruppen  zu  fünf  in  den  Saal;  jedem  einzelnen  wurde  das 
Ballottieren  erklärt,  bevor  er  an  die  Urnen  für  den  liberalen  oder  radikalen 
Kandidaten  trat,  um  beliebig  die  verschiedenfarbigen  Kugeln  in  dieselben  zu 
werfen.  Nachdem  der  Akt  beendigt  war,  wurden  die  Urnen  im  Beisein  der 
Kommission  versiegelt  und  des  Nachts  streng  überwacht.  Bekanntlich  fielen  die 
vollkommen  unparteiisch  geleiteten  Wahlen  mit  grosser  Majorität  zugunsten  der 
Radikalen  aus.  Die  Kosten  für  ihre  Vorbereitung,  für  Urnen,  Kugeln,  Wählerkarten, 
namentlich  aber  an  Diäten  für  die  assistierenden  Kommissare,  von  welchen  in  sehr 
entfernte  Bezirke  entsendete  200  bis  300  d  erhielten,  sollen  300000  d  betragen  haben! 

Mit  dem  zur  Wahl  erschienenen  jungen  Popen  von  Sopotnica,  der 
als  bester  Kenner  des  mächtigen  Längengebirges  gilt,  vereinbarte  ich  alle 
Vorbereitungen  zur  Besteigung  der  Suva  Planina.  Er  bestellte  Proviant  und 
Reitpferde,  und  der  bewegte  Tag  wurde  im  anregenden  Verkehr  mit  Professor 
Stamenkovic  beschlossen.  Der  starke  Frühnebel  hielt  uns  nicht  ab.  Zwischen 
Maisfeldern,  jungen  Eichenständen  und  kleinen  Weingärten  mit  vereinzelten 
Nuss-  und  Obstbäumen,  gelangten  wir  nach  Sopotnica.  Bei  seinem  ärmlichen 
Pfarrgehöfte  stiess  der  bereits  reisefertige  Pope  zu  uns.  Der  im  Beginne  klippige 
Reitpfad  wurde  an  dem  vom  Suva  Planina-Gipfel  abfliessenden  Prpor  zahmer.  Wir 
marschierten  in  der  vom  Gabar,  der  Sokolica  und  Suva  Planina  gebildeten  Mulde 
über  Cukar  zum  Weiler  Krusje.  Von  diesem  zieht  der  stetig  aufstrebende  Weg 
über  die  Sennhütten  „Krst"  mit  nordwestlicher  Kurve  zum  „Grob"  (1372  m)  und 
sodann  auf  dem  östlichen  breiten  Kamme  zur  höchsten  Kuppe  „Trem"  (1822  m), 
auf  welcher  man  durch  ein  prächtiges  Panorama  bis  nach  Albanien  und  ins 
Balkangebiet  belohnt  wird.  Der  Abstieg  kann  vom  „Grob"  nach  Studena 
auf  dem  „Königssteig"  in  4  Stunden  oder  über  den  östlichen,  1761  m  hohen 
Staro  Plandiäte  und  Komin  auf  dem  bei  Krst  mündenden  vielgeschlängelten 
Fusspfade  erfolgen.  Die  Anwohner  benutzen  diesen  Weg,  trotz  seiner  Steilheit, 
meist  auch  zum  Aufstiege,  denn  er  führt  in  nur  2  Stunden  von  Krusje  zum  Gipfel. 


If^f^  Durch  Nis'  Umgebung  zur  Suva  Pinnina. 

Mit  dem  malerischen  „Sokolov  Kamen"  (S.  187)  beginnt  der  westliche,  zugleich 
höchste  Teil  der  45  km  langen,  NW.  bis  SO.  streichenden,  von  jungtertiären  Kalken 
konstituierten  Suva  Planina.  Er  w'nd  von  den  gegen  Banja  sanft  verlaufenden, 
niederen  dolomitartigen  Mosorkuppen  durch  eine  tiefe  Einsattelung  getrennt,  ist 
vollkommen  quellenlos  und  hat  nur  wenige  übersommernde  Schneefelder,  daher 
auch  der  Name:  „trockenes  Gebirge".  Die  stark  verkarstete  Fortsetzung  von 
der  Tremkuppe  über  den  Golemo  Straziste  (1736  m)  zur  1687  m  hohen  Litica 
erfüllen  zahlreiche  Dolinen  (Täler),  welche  zum  nordöstlichen  Rakos  hinüberziehen. 
Zwischen  diesem  und  der  Kostadinca  (1761  m)  wird  das  N.  zur  Nisava  streichende 
Massiv  von  den  tief  eingeschnittenen  Bächen  Crvena  Reka  und  Mokra  durchbrochen, 
wodurch  der  wald-  und  wasserreiche  Nordast  Golas  (1485  m)  isoliert  erscheint. 
Seine  in  der  Tiefe  lagernden  roten  Sandsteine  und  dunklen  Mergelschiefer  treten 
bei  Spaj,  nahe  der  Bahnstation  Crvena  Reka,  zutage;  beim  hochliegenden 
Kosmovac  bergen  sie  ein  gutes  Kohlenlager,  dessen  Abbau  vielleicht  eine  an 
der  Crvena  Reka  anzulegende  Seilbahn  einst  ermöglichen  wird.  Den  nord- 
östlichen Ausläufer  seiner  petrefaktenreichen  Kalkhöhen  bildet  der  hart  zur  Nisava 
vorspringende,  burgartige,  350  m  hohe  „Suplji  Kamen".  Dem  quellreicheren,  im 
Crni  Vrh  1140  m  erreichenden  südöstlichen  Suva  Planina-Flügel  entfliessen  die 
Pusta  Reka,  Jablanica,  Luznica  und  andere  zur  Vlasina  eilende  Wildbäche.  Seine 
waldreichen  mittleren  Partien  mit  würzigen  Wiesen  nähren  den  grossen  Viehstand 
der  in  den  tiefen  Einschnitten  angesiedelten  Dörfer  und  Weiler.  Meinen  Besuch  bei 
den  griechischen  „Crnovunci"  unter  der  Rakoskuppe,  welche  unsere  Karten 
irrtümlich  als  höchsten  Punkt  der  Suva  Planina  verzeichneten,  schildert  das 
folgende  Kapitel. 

Es  war  mir  nicht  beschieden,  die  Tremkuppe  zu  erreichen.  Der  ungünstige 
Südwestwind  verdichtete  stetig  die  Nebelschleier.  Schon  deckten  sie  die  höchsten 
Kalkzinnen;  die  Luft  roch  förmlich  nach  Regen,  und  bald  fiel  er  in  Strömen  herab. 
Da  auf  der  Höhe  keine  Unterkunft  zu  finden,  wurde  schweren  Herzens  die 
Umkehr  beschlossen.  Von  unruhig  über  unseren  Köpfen  kreisenden  Adlern 
begleitet,  ritten  wir  von  Krusa  zum  südlichen  Kaletinac,  bei  dem  mir  ein  „grad" 
signalisiert  worden.  Ich  fand  ein  ansehnliches  Kastell,  über  dessen  antiken 
Ursprung  mich  Material  und  Bauweise  nicht  lange  im  Zweifel  Hessen.  Seine 
unregelmässigen  Wallmauern  schmiegten  sich  dem  Rande  des  706  m  hohen, 
isolierten  Plateaukopfes  in  fünf  Abschnitten  an.  Auf  dem  das  Umland  vollkommen 
übersehenden  höchsten  Teile  erkannte  ich  im  Schutte  die  Rudimente  zweier 
Rundtürme  des  120  m  langen  und  in  grösster  Breite  45  m  messenden  Werkes. 
Seinen  natürlichen  Graben  bildete  die  von  der  höchsten  Suva  Planina-Partie 
abfliessende  Malcevica.  Mit  dem  in  der  Luftlinie  nur  4  Millicn  fernen  Werke  bei 
Celije  (S.  186),  den  südöstlicheren  bei  Veliki  Krcimir  und  Gornji  Prisjan  und 
jenen  bei  Gornje  Vlase,  Dragovlje  und  Stupnica  am  Osthange  der  Babicka  gora 
nahm  das  Kaletinacer  Kastell  den  über  die  Moravascheide  zur  Vlasina  ziehenden 
Römerweg  unter  strenge   Bewachung. 

Als  wir  im  Dusniker  Han  ganz  durchnässt  eintrafen,  hatte  er  seine  alltägliche 
Physiognomie  wieder  angenommen.  Während  der  Weiterfahrt  teilte  sich  das  düstere 


Durch  Nis'  Umgebung  zur  Suva  Pinnina.  IS^t 

Gewölk.  Die  Sonne  war  durchgedrungen  und  schmolz  mit  der  paradiesischen 
Landschaft  den  Stachel  gegen  das  unsere  Partie  vereitelnde  Kismet.  Im  grellsten 
Gegensatze  zu  den  unabsehbar  gedehnten  Kahlrücken  der  Suva  F^lanina,  erschien 
ihre  mannigfach  geformte,  stark  zerschnittene  Vorterrasse  voll  frischesten  Waldgrüns, 
wogender  Maisfelder^  eingestreuter  Nusswäldchen  und  herrlicher  Fruchthäume,  von 
welchen  das  wenig  Weinberge  besitzende  Zaplanje  ihren  trefflichen  Obstwein 
gewinnt.  Dazwischen  traten  durch  den  letzten  Regen  erfrischte  blumige  Triften, 
welchen  nur  die  Staffage  fehlte,  um  das  prächtige  Bild  noch  heiterer  zu  gestalten. 
Beim  „Savarni  Dol"  sass  ich  ab  und  vertiefte  mich  in  die  herrliche  Szenerie. 
Dann  ging  es  weiter  nach  unserem  Nachtquartiere  „Gadzin  Han". 

Von  diesem  noch  heute  wichtigen  Knotenpunkte  zieht  ein  Weg  O.  über 
Prokopova  Kutina  und  den  Karlicki-Pass  der  Suva  Planina  nach  Veta  und 
weiter  am  Crvenabach  durch  das  Kunovica-Defilee  nach  Remesiana  (Bela  Palanka). 
1886  wurde  die  gleichfalls  antike  Strasse  von  Nis  über  Donji  Dusnik  und  Svodje 
zum  bulgarischen  Grenzzollamte  Tri  Kladenca  wieder  dem  Verkehr  geöffnet,  und 
1889  erneuerte  man  auch  die  alte  Route  vom  Gadzin  Han  durch  das  Barbeäkatal, 
die  nun  das  südliche  Selicevica-  und  nördliche  Babickagebiet  mit  der  Ni§er 
Bahnlinie  verbindet.  Diese  vom  Ingenieur  Bartoä  ausgeführte,  von  mir  trefflich 
befundene  Strasse  zieht  über  Grkinja,  mit  grosser  NW.  Kurve  bei  Vilandrica 
im  glimmerreichen  Sandstein-  und  Schieferterrain  östlich  von  der  1858  geweihten 
Kirche  Peter  und  Paul  zu  Gornji  Barbe§  im  weiten  Bogen  an  der  Barbeska  reka 
nach  Donji  Barbes,  um  über  Toponica,  hart  am  Rande  der  Morava,  bei  ihrer 
1889  umgebauten  Cecinabrücke  in  die  Ni§-Leskovacer  Strasse  einzumünden.  Die 
von  Mithad  Pasa  herrührende,  150  m  lange,  8,50  m  breite  Brücke,  mit  9  Pfeilern 
und  15  m  breiten  Öffnungen,  verspricht  durch  ihre  solide  Erneuerung  länger  als 
das  gebrechliche  Türkenwerk  der  Morava-Hochflut  zu  trotzen.  Am  20.  Dezember 
1877  wurde  die  Brücke  nach  heissem  Gefechte  durch  Major  Jovan  Petrovic 
genommen.  Den  Anstoss  zum  Bau  der  Strasse  gab  König  Milans  Wunsch,  seinen 
Jagdforst  in  der  Babicka  gora  leichter  erreichen  zu  können,  was  nun  auch  die 
Verwertung  der  bedeutenden  Frucht-,  Obst-  und  Weinproduktion  der  dicht- 
bevölkerten Selicevica  und  die  Ausbringung  der  grossen  Holzschätze  des 
Babicka-Gebirges  begünstigt.  Von  seinen  nordöstlichen,  wenig  bewohnten  rauhen 
Steilhängen  zieht  dichter  Laubwald  hoch  hinauf  über  die  auf  der  Kriva  Bukva 
1040  m  erreichende  Wasserscheide  und  in  die  oberen  Einschnitte  ihrer  zahlreichen 
Quertäler.  Gegen  die  Morava  verwandeln  sich  diese  in  einen  englischen  Park 
mit  26  km  langem  und  6  km  breitem  Weinberggürtel,  aus  dem  allerorts  die 
roten  Ziegeldächer  wohlhabender  Gehöfte  hervorblicken. 

Eher  lässt  sich  eine  magyarische  Pussta  ohne  Czärda  als  ein  serbisches 
Waldgebirge  ohne  Kloster  denken.  Südwestlich  von  der  höchsten  Kriva  Bukva- 
Kuppe  liegen  an  den  Jasunjaquellen  gleich  zwei.  Das  obere,  der  Sv.  Bogorodica 
gewidmete  Frauenkloster  wurde  nach  einer  Inschrift  von  der  Vorsteherin  Ksenija 
und  drei  Nonnen  1542  vollendet;  das  nur  30  Minuten  südlichere  Sv.  Jovan 
scheint  gleichalterig  zu  sein.  Inschriften  von  1517 — 1553  erwähnen  die  Sultane 
Soliman  und  Selim;  ihre  Jahreszahlen  stimmen  aber  nicht  zu  deren  Regierungszeit. 


190  Durch  NiS'  Umgebung  zur  Suva  Planina. 

Selbstverständlich  fehlt  es  nicht  an  Sagen,  welche  den  Ruf  dieser  Heilstätten 
heben  sollen.  Es  wird  erzählt,  dass  ein  räuberischer  Arnaute  nach  dem  Bilde 
des  Drachentöters  mit  dem  Ryfe  schoss:  „Seht,  wie  ich  Eueren  heiligen  Georg 
töte!"  —  Die  Kugel  prallte  jedoch  von  der  Mauer  ab  und  streckte  den  Moslim 
zu  Boden  (!).  Noch  sieht  man  beim  Portale  den  Stein,  auf  dem  der  Attentäter 
beim  Losdrücken  des  Gewehres  stand.  Der  „Jasunjski  manastir"  besitzt  20  ha 
Feld  und  Wiesen  neben  288  ha  Waldboden,  einen  auf  2000  d  bewerteten 
Viehstand  und  2  Mühlen.  Weltliche  Geistliche  besorgen  die  Seelsorge  der  ihm 
zugewiesenen  6  Orte  mit  etwa  1500  Bewohnern. 

Nördlich  vom  ehemaligen  Frauenkloster  liegt  auf  der  die  beiden  kurzen  Quell- 
arme der  Jasunja  trennenden  Höhe  zwischen  der  Manastirska  und  Bela  Reka  die 
Ruine  eines  Römerkastells,  an  ihrer  Mündung  bei  Zlokucane  jene  eines  zweiten,  auf 
der  444  m  hohen  Cuka  beim  südlichen  Gradasnica  eines  dritten;  die  Reste  eines 
vierten  sind  nordöstlich  von  Stupnica,  eines  fünften  zwischen  Lokoänica  und 
Crkovnica  sichtbar,  und  jene  zweier  anderer  krönen  die  linksuferigen  Barbeska- 
höhen.  Zusammen  also  sieben  Schutzbauten  auf  verhältnismässig  kleinem  Räume. 
Und  gleich  stark  waren  die  nordwestlichen  Suva  Planina-Hänge,  die  Babina  Gorica 
bei  Koprivnica,  sowie  der  „Karlicki  Kamen"  der  burgförmigen  Mosorhöhe  befestigt. 

Unter  der  Führung  des  sehr  intelligenten  Knieten  und  eines  Panduren  von 
Draskova  Kutina  ritten  wir  auf  seine  linksuferige  Höhe,  über  deren  Ruine  aben- 
teuerlichste Sagen  erzählt  werden.  Die  verbreitetste  behauptet,  dass  dem  die 
Burg  belagernden  „lateinischen  Kaiser"  die  Eroberung  erst  gelang,  als  ihm  ein 
Verräter  einen  Weg  auf  den  damals  mit  dichtem  Walde  bedeckten  südlichen  Preslop 
zeigte,  von  dem  er  sie  mit  Kanonen  (!)  bezwang.  Nahezu  alle  von  mir  besuchten 
„Gradi§te",  an  welchen  der  serbische  Süden  so  reich  ist,  erwiesen  sich  mindestens 
im  Unterbau  als  Römerwerke.  Auch  bei  dem  Draskovacer  sprachen  die  Struktur 
der  stark  verwüsteten  Mauern,  die  45  cm  langen  antiken  Ziegel,  viele  Bruchstücke 
zweifellos  römischer  Deckplatten,  der  Mörtel  usw.  dafür,  dass  es  zum  Schutze 
der  das  Kutinatal  durchziehenden  Strasse  in  römischer  Zeit  erbaut  worden.  Die 
äussere  Umfassungsmauer  A  verstärkten  gegen  N.  und  SW.  zwei  Rundtürme,  den 
südlichsten  niedrigeren  Abschnitt  eine  innere  Quermauer  und  nach  aussen  der 
vor  der  Ostfront  angelegte  tiefe  Graben  C.  Zwischen  dem  Nordturme  und 
Südwerke  erhob  sich,  innerhalb  der  grossen  Wallmauer,  auf  dem  höchsten 
Plateaupunkte,  das  in  drei  Abschnitte  geteilte,  durch  zwei  nach  0.  und  S.  gerichtete 
Rundtürme  verteidigte  Reduit  B.  Nördlich  und  südlich  bilden  die  Bäche  Zlodol 
und  Dragusa,  gegen  Westen  der  steilgeböschte  Plateaukopfhang  die  natürliche 
Wehr  des  Kastells,  dessen  Einzelmasse  auf  meiner  Planaufnahme  ersichtlich  sind. 
Dieser  „Draskovacki  grad"  scheint  von  den  Byzantinern  erneuert  worden  zu  sein 
und  noch  im  Mittelalter  eine  Rolle  gespielt  zu  haben.  Ausser  6  cm  starken  nicht 
römischen  Ziegeln  lassen  dies  byzantinische  und  altserbische  Münzen,  dann  auch 
jüngere  Eisenwaffen  annehmen,  welche  hier  neben  zweifellos  römischen  von  den 
nach  Schätzen  grabenden  Anwohnern  gefunden  wurden. 

Die  Form  des  dem  eliptischen  Plateaukopfe  sich  anschmiegenden  Werkes 
erinnert  merkwürdig  an  das  „eiförmige"  auf  dem  „Römerberge"  in  400  m  Seehöhe 


Durch  Niä'  Umgebung  zur  Suva  Planina. 


191 


und  200  m  hoch  über  Kreinbach  in  der  Rheinpfalz,  dessen  früher  stark  angezweifelte 
römische  Anlage  durch  mehrjährige,  überzeugende  Funde  zutage  fördernde 
Grabungen  des  Dr.  C.  Mehlis  (1890-1893)  erwiesen  ist.  Dem  eifrigen  Forscher 
gelang  auch  1893  die  Feststellung  dreier  antiker  Kastelle  an  dem  „womöglich 
direkt  auf  der  Wasserscheide  laufenden  Römerwege"  zwischen  Rheinzabern  —  Mons 
Vosagus — Lauterthal,  „die  selbst  den  Herren  Forstbeamten  unbekannt  waren".')  — 
ich   führe   dies   für   „Stuben-Archäologen"    an,  welche   die  grosse  Zahl   von   mir 


Kastell  bei  Draskova  Kiitina. 


aufgefundener  antiker  Hochburgen  überraschte.  Sie  vergassen,  dass  die  römischen 
Baumeister,  unbekümmert  um  Terrainhindernisse,  den  kürzesten  Weg  für  den 
besten  hielten. 

Der  grössere  Teil  des  in  diesem  Kapitel  zum  erstenmal  geschilderten 
auffallend  starken  Kastellgürtels  zum  Schutze  des  römischen  Naissus  stammt 
wohl  aus  der  Zeit  der  Kaiser  Valentinian  und  Valens,  als  die  Römer  bereits  alle 
Kraft  aufbieten  mussten,  ihre  rechtsuferige  Donaugrenze  gegen  die  anstürmenden 
Barbaren  zu  halten.  Dies  zeigt  schon  die  Anlage  der  meisten  Werke,  im  Gegensatze 
zur  Trajanschen  Übung,  auf  schwer  zugänglichen  hohen  Punkten,  was  ganz  dem 


')  C.  Mehlis,  Ausland,  1890  u.  1891.    Berl.  phil.  Wochenschr.,  No.  37,  1893. 


192  Durch  Nis'  Umgebung  zur  Suva  Planina. 

von  Vegetius  dargestellten,  allmählich  zur  Geltung  gelangten  Prinzip  entspricht, 
zugleich  aber  die  bis  dahin  bevorzugte  regelmässige  oblonge  Quadratform  aus- 
schloss.  Die  Seltenheit  gestempelter  Ziegel  hängt  wohl  damit  zusammen,  dass 
diese  spätrömischen  Kastelle  und  Wachttürme  des  4.  Jahrhunderts  schwerlich 
mehr  von  den  gegen  äussere  Feinde  vielbeschäftigten  Legionen,  sondern  durch 
von  römischen  Oberen  beaufsichtigte  Lokalmilizen  —  man  braucht  nur  an  die 
von  Mommsen  nachgewiesenen  Lokaltruppen  der  Helvetier,  Rhäter  usw.  oder  an 
die  linksrheinischen  Laeti  zu  denken  —  erbaut  und  verteidigt  wurden.  Die 
kleinen  Besatzungen  (castrenses,  auch  castellani)  dieser  durch  Signale  sich  meist 
leicht  verständigenden  festen  Werke  hatten  im  Frieden  gewiss  auch  die  Aufgabe, 
die  widerwilligen  Elemente  der  weniger  stark  romanisierten  Landbauern  im  Zaume 
zu  halten  und  das  reiche,  lockende  Naissus  gegen  ihre  Gelüste  zu  sichern.  Die 
inneren  römischen  Verhältnisse  glichen  im  4.  Jahrhundert  auf  demselben  Boden 
höchst  wahrscheinlich  den  türkischen  vor  dem  Ausbruche  des  russischen  Krieges 
(1877).  Die  numerische  Schwäche  der  herrschenden  Frenidrasse  führte  zur 
Errichtung  zahlreicher  kleiner,  fester  Stützpunkte.  Und  ganz  so  wie  die  eingeborenen 
Slaven  nach  den  ersten  russischen  Siegen  eifrig  zur  Demolierung  der  Karaulen 
schritten,  mochten  die  mit  der  Fremdherrschaft  unversöhnten  Mösier  die  Zwing- 
bauten der  Römer  zerstört  haben,  als  deren  Macht  durch  die  Völkerstürme  ins 
Wanken  geriet. 

Meine  Ansicht  über  diese  teilweise  „innere"  Bestimmung  vieler  niösischer 
Kastelle  reifte  immer  mehr  angesichts  der  zahlreichen  kleinen  Werke,  welche  ich 
oft  weitab  von  den  Heerstrassen  auf  meinen  serbischen  Wanderungen  traf;  ihre 
Berechtigung  erhält  sie  durch  viele  erst  in  letzter  Zeit  aufgefundene,  ähnlich 
situierte  kleine  Römerburgen  im  Rheinlande,  die  unter  analogen  Verhältnissen 
wie  die  musischen  errichtet,  doch  bald  preisgegeben,  bis  auf  die  Grundfesten 
verwüstet  und  später  zum  Aufbau  germanischer  Feudalschlösser  benutzt  wurden. 

Bei  Draskova  Kutina  schloss  ich  meine  Ausflüge  zur  Feststellung  der  Reste 
aus  der  Zeit  des  römisch- byzantinischen  Naissus  und  Nysos  ab.  Auf  dem 
Rückwege  vom  Kastellberge  fand  ich  die  Erklärung,  weshalb  es  mit  dem  Walde 
in  der  Selicevica  so  schlecht  steht.  Allerorts  begegneten  wir  zahllosen  Ziegen- 
herden. Jedes  Gehöft  der  nahen  Orte  besitzt  durchschnittlich  mindestens  40  bis  60 
dieser  forstschädlichen  Vierfüssler.  Die  Rindviehzucht  wird  leider  stark  vernachlässigt; 
vielleicht  deshalb,  weil  nur  sehr  niedrige  Preise  erzielt  werden.  Beispielsweise  stehen 
vier-  bis  fünfjährige  Ochsen  im  Preise  von  80 — 100  d.  Auf  der  Weiterfahrt  trafen 
wir  die  steilen  Böschungen  der  hohen  Strassenbahn  durch  den  heftigen  Regen 
der  letzten  Tage  an  einigen  Punkten  in  die  Trace  stark  gefährdender  Weise  zerstört. 

Der  Mittag  traf  mich  wieder  in  Nis'  französischem  Restaurant,  in  dem  ich 
von  Sir  Macdonald,  dem  englischen  Konsul,  und  Mr.  de  Lagarde,  dem  französischen 
Vizekonsul,  mit  gewohnter  Liebenswürdigkeit  über  die  neuesten  Vorkommnisse  im 
Occident  unterrichtet  wurde,  dafür  aber  von  den  oft  interessanten,  wenn  auch 
nicht  immer  angenehmen  Reiseabenteuern  erzählen  musste,  die  hier,  weil  rein 
persönlicher  Natur,  unberührt  blieben. 


VIII. 


Von  Nis  über  Bela  Palanka,  Pirot 

auf  den  Rakos,  Sveti   Nikola-  und  Ciporovica-Balkan. 


IN  allen  Kämpfen  zwischen  Oesterrelchern,  Türken  und  Serben  standen  die 
Vorgänge  an  der  Morava  mit  jenen  am  Timok  und  an  der  Donau  in  engster 
Beziehung.  Deshalb  machte  sich  auch  in  unserer  Zeit,  ganz  so  wie  unter  Rom 
und  Byzanz,  das  Bedürfnis  nach  einer  beide  Gebiete  verbindenden  direkten  guten 
Strasse  stets  dringend  geltend.  Als  die  Pforte  im  Jahre  1862  gegen  das  aufgeregte 
Serbien  rüstete,  hemmte  der  Umstand,  dass  der  bequeme  Timokweg  zwischen 
Vidin  und  Ni5  teilweise  durch  serbisches  Gebiet  läuft,  ihre  Rüstungen  und  führte 
zur  Anlage  der  155  km  langen  Strasse  Vidin — Belogradcik — Nis.  Noch  im  selben 
Herbste  vollendete  der  energische  Mithad  Pasa  die  70  km  lange  Strecke 
Ni§— Sveti  Nikola-Pass,  während  ihre  jenseitige  Fortsetzung  im  Vidiner  Paschalik, 
wegen  des  schwierigen  Terrains,  erst  1868  dem  Verkehr  übergeben  wurde. 

Die  Trace  des  neuen  Heerwegs  führt  von  Nis  über  die  Vorhühen  der 
Suva  Planina  in  das  Tal  der  Nisava,  übersetzt  diese  bei  Bela  Palanka,  durchzieht 
sodann  das  Quellgebiet  des  Trgoviäki  Timok  und  die  Vorberge  des  Sv.  Nikola- 
Balkans,  übersteigt  diesen,  geht  hinab  in  das  Lom-Quellgebiet,  um  bei  Falkovce 
mit  ihrem  östlichen  Zweige  am  Flusse  die  handelstätige  Donaustadt  Lom  und 
mit  dem  nordöstlichen  über  Belogradcik  und  die  Stoloviberge  das  feste  Vidin 
zu  erreichen.  Die  Pforte  erwarb  sich  durch  die  Einführung  der  Fahrpost  auf 
dieser  hochwichtigen  Strasse  ein  grosses  Verdienst.  Der  dadurch  über  den 
Balkan  geleitete  Personen-  und  Warenverkehr  schädigte  aber  Serbien  sehr 
empfindlich;  einmal  durch  den  F.ntgang  des  von  ihm  erhobenen  Transitzolls, 
dann  weil  auch  Belgrad  und  Aleksinac  gleichviel  an  kommerzieller  Bedeutung 
einbUssten,  als  Vidin,  Lom  und  Nis  gewonnen  hatten.  Die  Grenzverschiebung 
im  Jahre  1878  und  der  Schienenweg  Belgrad  —  Konstantinopel  milderten  den 
fiskalischen  Nachteil,  andererseits  verlor  der  dem  Fürstentum  zugefallene  Strassenteil 
Nis — Sveti  Nikola-Pass  seine  wirtschaftliche  Bedeutung  für  den  Donauverkehr. 

Als  ich  1864  zum  erstenmal  über  den  Sv.  Nikoia-Balkan  zog,  fand  ich  die 
kartographische  Darstellung  dieses  wichtigen  Gebietes  selbst  unmittelbar  am 
Konstantinopeler  Heerwege  so  total  falsch,  dass  mich  ihre  Korrektur  durch  längere 

F.  KANITZ,  Serbien.    U.  13 


194  Von  Nis  über  Bela  Palanka,  Pirnt  auf  den  Rakos  usw. 

Zeit  vollauf  beschäftigte.  Von  Nis  ging  es  zunäctist  am  „Sciiädelturm"  vorbei 
in  gerader  Linie  durch  seine  wagrechte  Ebene;  rechts  blieben  die  niederen 
Ausläufer  der  Selicevica.  Bei  dem  früheren  Posthause  Mahmud  Pa§a-Han, 
wo  im  Sommer  gewöhnlich  Kavallerie  unter  Zelten  lagerte,  tritt  die  Strasse  in 
das  berühmte  Kunovica-Defilee  der  Suva  Planina.  Hier  drängte  sich  mir  bei 
Betrachtung  unserer  damaligen  besten  Karte  die  Frage  auf:  weshalb  folgt  die 
Strasse  nach  Sofia  nicht  dem  bequemen  Nisavalauf  und  überschreitet  ohne 
Notwendigkeit  bedeutende  Höhen?  Bald  erkannte  ich  jedoch,  dass  natürliche 
Hindernisse  dazu  zwangen.  Die  Kartographen  irrten;  nicht  im  breiten  Tale  läuft 
die  Nisava  bis  kurz  vor  Bela  Palanka,  sondern  durch  eine  ganz  unwegsame 
Felsschlucht,  die  bei  Sicevo,  durch  die  senkrechten  Kalkwände  des  1099  m 
hohen  Visegrad  am  rechten  und  die  610  m  hohen  Kusaca-Steilmauern  am 
linken  Ufer  auf  11  m  Breite  verengt,  die  nur  über  unvollkommene  Sprengmittel 
verfügenden  Römer  zu  ihrer  Umgehung  nötigte. 

Vergeblich  suchte  ich  damals  auch  den  Namen  „Suva  Planina"  auf 
unseren  Karten.  Kiepert  benutzte  die  Itinerarien  von  Pirch,  Boue  und  Hahn, 
welche  diesen  selbständigen  Gebirgsstock  „Stara  Planina"  nannten,  obgleich  ihn 
schon  1740  die  „Mappa"  des  k.  Hauptmanns  v.  Rebain  i)  als  „Sucha-Felsengebirge" 
(suh,  suv  ^^  trocken)  verzeichnet  hatte.  Meine  Vorgänger  wussten  nicht,  dass 
„Stara  Planina"  der  von  Serben  und  Bulgaren  gebrauchte  Kollektivnamen  für  die 
türkisch  „Hodza-Balkan"  genannte  Humuskette  sei.  Erst  1870  erschien  der 
Sv.  Nikola-Balkan  und  die  Suva  Planina  auf  Kieperts  Karte  zum  erstenmal  nach 
meiner  Aufnahme  mit  ihrem  wirklichen  Namen  an  der  richtigen  Stelle. 

Vom  Mahmud  Pasa-Han  zieht  die  stetig  ansteigende  Strasse,  vorüber  an 
den  türkischen  Blockhäusern  von  Kunovica  und  der  ersten  Poststation  Ploca 
(iV-i  St.),  östlich  aufwärts,  um  beim  Vuciji  Del  mit  573  m  die  Passhöhe  in 
Steilserpentinen  zu  erklimmen.  Das  geschichtlich  interessante  Kunovica-Defilee 
ist  nicht,  wie  Jirecek  schrieb^),  mit  dem  von  Tamnjanica  an  der  Nisava  identisch, 
sondern  liegt  westlicher,  hoch  über  letzterem,  im  kristallinischen  Kalk  eingeschnitten. 
Seine  strategische  Wichtigkeit  erkannten  schon  die  Römer.  Durch  dasselbe  lief 
ihr  Konstantinopeler  Heerweg,  geschützt  am  westlichen  Zugange  durch  die  Mutatio 
Redicibus  (Radia),  deren  Befestigung  ich  bereits  erwähnt  habe.  7  Millien  weiter 
lag  die  gleichfalls  nur  im  Itin.  Hieros.  genannte  Mutatio  Ulmo,  welche  Lapie  bei 
dem  fiktiven  „Pauvlitz"  ansetzte-^),  deren  Wachtturni  aber  höchstwahrscheinlich 
auf  der  eine  Ruine  tragenden  „Medena  Stena"  stand.  Im  Mittelalter  fiel  das 
oftgenannte  Defilee  1341  mit  Nis  und  Pirot  in  Zar  Dusans  Gewalt.  Es  blieb 
nun  serbisch  bis  zur  ersten  Eroberung  des  Balkangebiets  durch  Sultan  Murads 
Truppen,  welche,  dem  von  Westen  heranziehenden  serbischen  Heere  zuvorkommend, 
den  Pass  besetzten  und  so  den  Fall  von  Nis  herbeiführten  (1386). 

Grosse  Berühmtheit  erhielt  das  Defilee  im  Kriegszuge  des  Königs  Vladislav 
und  Hunyadys  gegen  Sultan  Murad.     Vereint  mit  den  Scharen  des  Serbenfürsten 


')  Wiener  k.  und  k.  Kriegsarchiv. 

-')  Geschichte  der  Bulgaren,  S.  34,  365. 

^)  Smith.  Dictionary,  II,  S.  696. 


Von  Nis  über  Bela  Palankn,  Pirot  auf  den  Rakos  usw. 


195 


Brankovic  war  das  Christenheer  1443  über  Sofia  bis  Zlatica  vorgedrungen.") 
Alle  Eroberungen  mussten  aber  aufgegeben  werden,  als  der  überaus  strenge 
Winter  das  Verbleiben  in  dem  verödeten  sterilen  Bergiande  unmöglich  machte 
und  Murad  mit  einem  starken  Heere  gegen  Sofia  anrückte.  Man  entschioss  sich 
notgedrungen  zum  Rückzuge  über  Pirot  nach  Niä,  wobei  an  einem  der  ersten 
Januartage  die  ihn  deckende,   von  Brankovic   befehligte   Nachhut  von   den   nach- 


Wasserfall  bei  Sicevo. 


drängenden  Türken  an  der  Crvena  Reka  (Rotbach)  in  ein  ernstes  Gefecht  verwickelt 
wurde.  Die  Gefahr  erkennend,  kehrte  der  in  das  Kunovica-Defilee  bereits 
eingedrungene  König  mit  Hunyady  um.  Das  Fussvolk  blieb  dort  zum  Schutze 
des  Trains.  In  dem  bei  Mondschein  geführten  hartnäckigen  Reiterkampfe, 
wahrscheinlich  bei  der  heutigen  Bahnstation  Crvena  Reka,  ergriff  des  Sultans 
Heer  die  Flucht.  Sein  Lager  mit  grosser  Beute  wurde  genommen,  Murads 
Schwager  Mahmud  Celebi  und  mehrere  Paschas  wurden  gefangen,  ein  getöteter 
naher    Verwandter    des    Sultans    mit    Tausenden    gefallener    Moslims    im    noch 


')  Kanitz,  Donau-Bulg.  u.  d.  Balkan.    II.  Aufl.,  II    Bd.,  S.  208. 


13* 


196  Von  Nis  über  Bela  Palanka,  Pirot  auf  den  Rakos  usw. 

bestehenden  Orte  Taniiijanica  begraben.  Die  tapfersten  Krieger  sciilug  der  König 
gleicli  auf  der  Walstatt  zu  Rittern.  Der  rauhe  Winter  verhinderte  die  Aus- 
nutzung des  Sieges;  ja,  man  war  gezwungen,  auf  die  Fortschaffung  des  grössten 
Teiles  der  eroberten  Wagenburg  zu  verzichten.  Anfangs  Februar  hielt  Vladislav 
als  Überwinder  des  Sultans  seinen  feierlichen  Einzug  zu  Ofen.  Der  Kampf  im 
Kunovica-Defilee  wurde  von  den  Poeten,  namentlich  von  den  Dalmatinern 
Gundulic,  Palmotic  u.  a.,  in  schwungvollen  Gesängen  gefeiert. 

im  Jahre  1719  wird  der  strategische  Wert  des  Defilees  erneut  betont:  „Nur 
seine  Wegnahme  ermögliche  das  Vordringen  von  Nis  gegen  Sofia,  weil  schon 
wenige  tausend  Mann  hier  eine  Armee  unschwer  in  ihrem  Vormarsche  aufhalten 
könnten." ')  Damals  gab  es  an  der  Strasse  noch  dichteren  Wald  als  heute;  er 
galt  als  unsicher,  denn  die  von  den  Türken  zu  ihrem  Schutze  errichteten  Karaulen 
wurden  von  der  aufständischen  Bevölkerung  oder  durch  Heiduckenbanden  wiederholt 
zerstört.  Nach  einem  dieser  von  dem  gefürchteten  Buljukba§a  Moralija  aus  Morea 
befehligten  Blockhäuser  wurde  der  Pass  von  den  Anwohnern  „Moralija  Klisura" 
genannt,  und  noch  heute  heisst  ein  Strassenhan  südlich  vom  792  m  hohen  Kuno- 
vacki  Vrh  „Moralija  Han". 

Es  ist  interessant,  wie  sich  manchmal  historische  Verwaltungsgrenzen  vererben. 
Auf  der  „Ploca",  von  deren  Blockhaus  meine  Peilung  Nis  nicht  wie  auf  den 
Karten  N.,  sondern  W.  vom  Defilee  ergab,  betrat  ich  den  Piroter  Kreis,  und  ebendort 
befand  sich  schon  in  Kaiser  Justinians  Zeit  die  Grenze  zwischen  der  „Regio 
Naissatensis",  welche  Nis,  und  jener  von  Remisiana,  welche  Pirot  und  das  Nisava- 
Quellgebiet  umschloss.  Bei  dem  1870  von  Caus  Rakibs  Tscherkessen  besetzten 
Beklemeh  Kozeljokus  senkt  sich  die  Strasse  allmählich  abwärts.  Nahe  einem 
zu  Veta  gehörenden  Ciftlik  zeigten  sich  westlich  in  den  auf  Mergelschiefern 
lagernden  roten  Sandsteinen  tiefe,  unter  Kultur  gesetzte  Einschnitte  der  hier  mit 
Ahornen,  wilden  Birnbäumen,  Weissdornen,  Buchen  usw.  dicht  bewaldeten  Suva 
Planina.  Weiter  ging  es  hinab  zur  in  roten  Sandstein  eingebetteten  Crvena  Reka 
(Rotbach).  Ich  kreuzte  sie  bei  dem  gleichnamigen  Dorfe,  das  1861  25  Tataren-, 
dazu  1864  31  tscherkessische,  nun  verschwundene  Familien  erhielt  und  besuchte 
den  benachbarten  „Suplji  Kamen"  (durchlöcherten  Stein),  an  dem  der  Königssohn 
Marko  Kraljevic  die  Güte  seines  Streitkolbens  erprobte.  Es  ist  Serbiens  südöst- 
lichster Punkt,  an  dem  Traditionen  von  der  Wunderkraft  dieses  volkstümlichsten 
altserbischen  Helden  haften.  Gleich  darauf  betraten  wir  die  von  der  Konstantinopeler 
Strasse  geradlinig  durchschnittene,  bis  4  km  breite  Ebene  des  in  Sicht  getretenen 
Bela  Palanka. 

Bela-  oder  Ak-Palanka  (Weisse  Stadt),  wie  Serben,  Bulgaren  und  Türken 
das  auf  älteren  Karten  als  „Mustafa  Pasa  Palanka"  eingetragene  Städtchen  nennen, 
erreicht  man  von  Nis   zu  Wagen   mit  guten  Pferden  in  4  Stunden,   die   türkische 


')  Herr  Damian  Hugo  des  heyl.  Rom.  Reichs  Graft  von  Virmond,  Kayser:  Scheimbder 
und  Hoff,  Kriegs-Rath,  General  Feldzeugmeister  und  Obrister  über  ein  Regiment  Infanterie. 
Relation  von  der  Reise  der  Rom.  Kayser:  Gross-Bottschaft  an  die  Ottomanische  Pforte,  so 
anno  1719  geschehen,  und  zwar  von  Belgrad  aus,  biss  nach  Constantinopel,  auch  was  langst 
besagten  Marsches  vor  Militärischer  Observationes  zu  machen. 


Von  Nis  über  Bein  Painnkn,  F^irot  auf  den  Rakos  usw. 


197 


Post  rechnete  aber  8  und  liess  sich  ebenso  viele  bezahlen.  Bela  Palanka  steht 
auf  einer  wahrscheinlich  Trajanschen  Gründung,',  die  als  „Respublica  Ulpianorum" 
erwähnt  wird.  Schon  im  Mittelalter  stiessen  hier  Reisende  auf  römische  Reste. 
Graf  Marsigli  kopierte  3  Inschriften,  darunter  eine  aus  der  Zeit  des  Kaisers 
Philippus  Arabs,  unter  dem  Rom  sein  tausendjähriges  Jubiläum  feierte');  1864 
schrieb  ich  diesen  beim  nordwestlichen  Turme  des  Türkenschlosses  eingemauerten 
Stein  richtiger  ab.-)  Monimsen  publizierte  alle  aus  Bela  Palanka  bekannt  gewordenen 
Inschriften''),  die  unter  No.  1688  veröffentlichte  fand  ich  1885  in  einem  ehemaligen 


Kozeljokiis-Karaiila. 


Türkenhause  wieder;  die  anderen  gingen  grösstenteils  verloren,  ebenso  ein 
Säulenstanim  und  Kapital,  die  ich  1864  beim  Kaleh-Haupttore  gezeichnet  hatte. 
Damals  stiess  ich  nach  längerer  Rekognoszierung  an  der  Mokra  auf  antike 
Mauern,  welche  zum  Türkenschlosse  liefen.  Die  Aushebung  von  Grundfesten  für 
Neubauten  ergab  1887  einen  26  m  breiten  Graben  i)  der  ältesten  Befestigung  des 
nach  der  Tab.  Peut.  24  Millien,  im  Itin.  Ant.  25  Millien  und  im  Hin.  Hieros.  (als 
„Romansiana")  28  Millien  von  Naissus  entfernten  Remesiana.-^) 


')  Danubius,  II,  Taf.  63. 

0  C.  I.  L,  111,  S.  1024,  ad  1687. 

')  C.  I.  L.,  III,  No.  1685-1690.  - 

*)  Starinar,  II,  S.  99. 

")  Starinar,  II,  S.  99. 


Suppl.  Pasc.  II,  No.  8257-8259. 


198 


Von  Nis  über  Bela  Palanka,  Pirot  auf  den  Rakos  usw. 


Bei  meinen  letzten  Besuchen  Bela  Palankas  (1887,  1889)  fand  ich  des 
römischen  Remesianas  Ausdehnung  innerhalb  der  Mauern  etwa  viermal  grösser 
als  jene  des  auf  seinem  nordöstlichen  Teile  entstandenen  Türkenschlosses.  Das 
Weichbild  der  Civitas  erstreckte  sich  aber  noch  weit  über  ihr  befestigtes  Zentrum 
hinaus.  Nördlich  von  diesem  wurden  bei  der  Materialaushebung  für  den  Bahndamm 
die  Grundfesten  römischer  Wohngebäude  freigelegt,  durch  deren  Aufnahme  sich 
Ingenieur  Sabovljevic  verdient  gemacht;  ich  ergänzte  sie  durch  einen  Perspektivriss 
am  23.  September  1889.     Von  Remesianas  südlicher  Nekropole  sah  ich  im  Hause 


Ruine  von  Reniesiana  bei  Bela  Palankas  Bahnstation. 


der  Brüder  Zivkovic  ein  Gruftgewölbe,  aus  dem  1888  drei  Bleisärge  gehoben 
wurden.  Kosta  Cincarin  eröffnete  auf  seinem  Weinberge  beim  Kriegerdenkmal 
ein  Grab  mit  männlichem  Skelett  und  Resten  der  seidenen  Umhüllung.  Bleisärge 
und  riesige  keramische  Platten  von  1888  eröffneten  Gräbern  traf  ich  nahe  beim 
Bezirkshause.  Herr  Naka  Pesic  geleitete  mich  hinauf  zu  einem  etwa  700  m  vom 
Schlosse  entfernten  isolierten  Landgute,  auf  dem  man  kurz  zuvor  ein  prächtig 
ausgemauertes,  1,95  m  langes,  0,60  m  breites  und  1,20  m  hohes  Grab  eröffnet 
hatte.  Unfern  stiess  ich  auf  gewölbte  Räume  und  einen  Estrich  von  quadratischen 
Ziegeln.  Auf  Antonije  Milenkovics  Besitz  sah  ich  antike  Grabstätten  und  in 
Jovanca  Pesics  Hause  einen  aus  Ziegeln  erbauten,  dem  Niser  sehr  ähnlichen 
Römerkanal. 

Remesianas  nähere  und  weitere  Umgebung  war  durch  zahlreiche  Werke 
befestigt.  Ausser  den  im  Kunovica-Defilee  erwähnten  befanden  sich  andere  in 
jenem  der  Nisava,  unter  dem  Berge  Visegrad  und  am  Südfusse  der  Rinjska  Planina, 
zwischen  Donji  und  Gornji  Rinj.    Die  Reste  zweier  Türme  auf  dem  südwestlichen 


Von  Nis  über  Bein  Palanka,  Pirof  auf  den  RnkoJ  usw. 


19«1 


Malo  Kurilovo-Berge  stammen  wahrscheinlich  von  dem  an  Remesianas  Steile 
entstandenen  byzantinischen  „Runiisiana".  Procopius  erwähnt  es  als  eine  Stadt  mit 
eigenem  Gebiete,  in  dem  Kaiser  Jiistinian  29  Kastelle  und  Wachttürme  erneuern  liess 
und  jener  alte  Bischofssitz  sich  befand  >),  von  dem  St.  Nicetas,  der  „Bessen-Apostel", 
im  5.  Jahrhundert  die  Christianisierung  des  Umlandes  energisch  betrieb.-)  Auf  dem 
chalkedonischen  Konzil  (452)  unterschrieb  sich  der  die  Diözese  vertretende  Bischof 
als  Episc.  Remessianesis.  Eine  1885  aufgefundene  Marmorplatte  mit  lateinischer 
Inschrift  zeigt,  dass  hier  auch  eine  den  Aposteln  Peter  und  Paul  geweihte  lateinische 
Kirche  bestand.')  Das  byzantinische  Rumisiana  (auch  Mokros)  zog  sich  tief  in 
die  Mokraschlucht  hinein.  Dort  von  mir  aufgefundene  antike  Reste  bespreche 
ich  am  Schlüsse  des  Kapitels.  In  den  altserbischen  Chroniken  erscheint  die  den 
Bulgaren    entrissene   Stadt   als    „Izvori".      In    türkischer  Zeit   entstand    auf  ihren 


BELA   PALANKA.    Das  von  Türken  und  Tscherkessen  verteidigte  Schloss  im  Jahre  1876. 


Resten  der  Weiler  Kurucesme,  den  der  im  Gefolge  eines  kaiserlichen  Gesandten 
nach  Konstantinopel  reisende  Schweigger  (1577)  als  „Dörflein  Guru§ehebce",  in 
dem  man  übernachtete,  erwähnt. ') 

Im  Jahre  1047  der  Hedschra  (1637)  wurde,  wie  Hadzi  Chalfa  erzählt''),  dem 
Richter  von  Sarköi  (Pirot)  der  Bau  einer  Palanka  in  Kurucesme  aufgetragen. 
Sachverständige  schätzten  die  Kosten  der  230  Ellen  lang,  150  Ellen  breit  geplanten 
Baute  auf  36000  Piaster.  Über  Vorstellung  des  Kaimakan  Musa  Pasa  kürzte 
man  30  Ellen  an  der  Länge,  10  Ellen  an  der  Breite,  wodurch  die  Kosten  bedeutend 
vermindert  wurden.  Die  Mauern  sollten  einschliesslich  der  Grundfesten  14  Ellen 
Höhe,  3  Ellen  Breite,  jeder  der  8  Rundtürme  20  Ellen  im  Umfange,  20  Ellen  Höhe, 
der  mittlere  Torturm  1  Elle  mehr  erhalten.    In  allem  waren  30000  Ellen  Mauerwerk, 


')  Mannert,  VII,  S.  95. 

2)  Eine  hier  aufgefundene  Inschrift  mit  lateinischem  Typus  des  5.  Jahrhunderts  soll  aus 
der  von  Nicetas  begründeten  St.  Peter  und  Paulskirche  stammen, 
ä)  Starinar,  II,  Tab.  VI. 

•)  Reise  aus  Deutschland  nach  Konstantinopel  und  Jerusalem.    Nürnberg  1609. 
')  Rumcli  und  Bosna,  157  f. 


200  Von  Nis  über  Bela  Palanka,  Pirot  auf  den  Rakos  usw. 

jede  zu  70  Aspern  Kosten,  veranschlagt,  welche  die  umliegenden  13  Bezirke  auf- 
zubringen hatten. 

Die  Ausführlichkeit,  mit  welcher  Chalfa  den  von  Murad  IV.  angeordneten 
und  niit  geringen  Abänderungen  ausgeführten  Neubau  beschrieb,  zeigt,  dass 
derartige  Werke  im  17.  Jahrhundert  bereits  als  besonders  hervorragende  betrachtet 
wurden. 

Im  Vergleiche  zum  Occident  war  die  Gründung  von  Städten  im  europäischen 
Südosten  äusserst  spärlich.  Unter  der  moslimischen  Herrschaft  entstanden  nur 
wenige  neue  Städte,  wohl  sanken  aber  viele,  unter  Rom,  Byzanz  und  selbst  in 
der  serbisch-bulgarischen  Epoche  berühmt  gewesene  Kulturstätten  zu  elenden 
Dörfern  herab.  Das  nomadisierende  Element  der  asiatischen  Heimat  klebt  auch 
den  nach  Europa  gewanderten  Türken  an.  Zu  Schöpfungen  wie  Mustafa  Pasa 
Palanka,  so  genannt  nach  seinem  zu  Nis  residierenden  Erbauer,  bedurfte  es 
christlicher  Meister;  ganz  so  wie  heute,  wenn  es  sich  um  den  Bau  von  Moscheen, 
Palästen,  Eisenbahnen  usw.  am  Bosporus  handelt.  Die  neue  Palanka  wurde  aus 
dem  zutage  liegenden  Material  der  römisch -byzantinischen  festen  Stadt,  nach 
der  Volkssage  aus  jenem  von  12,  auf  Mustafas  Befehl  niedergerissenen  Kirchen 
in  den  nahen  Dörfern  erbaut.  Wie  eifrig  deren  Bevölkerung  dabei  fronen  musste, 
zeigt  die  Tradition,  dass  für  alle  Kinder  einer  Ortschaft  nur  eine  dieselben  hütende 
Frau  zurückbleiben  durfte. 

Dem  serbischen  Artilleriemajor  Jovan  Brdarski  verdanken  wir  einen  genauen 
Plan  des  Türkenschlosses.  Nach  diesem  war  seine  gegen  NO.  und  SW.  gerichteten 
Langfronten  durchschnittlich  140  m,  die  Piroter  110  m  und  die  Niser  95  m  lang. 
Die  Mauern  schnitten  an  den  Ecken  in  Rundtürme  von  11,5  m  Durchmesser  ein 
und  wurden  nicht  ganz  in  der  Mitte  durch  im  verlängerten  Halbkreise  5,8  m 
vorspringende  Türme  unterbrochen.  An  der  südwestlichen  Hauptfront  befand 
sich  der  ganz  aus  römischen  Quadern  erbaute  starke  viereckige  Mittelturm  mit 
dem  überwölbten  Portale  und  der  Inschrift,  in  welcher  abweichend  von  Hadzi 
Chalfa  das  Erbauungsjahr  um  ein  Jahr  später  angegeben  erscheint.  An  der 
Nordostfront  befand  sich  der  nur  1,5  m  breite  kleinere  Zugang.  Die  Mauern, 
in  welchen  ich  sehr  viel  römisches  Material  bemerkte,  waren  mit  als  Schiess- 
scharten dienenden  Zinnen  gekrönt,  die  Türme  besassen  niedere  Brustwehren, 
Vorwerke  und  Gräben  fehlten. 

Die  hart  unter  dem  äusserlich  imposanten  Türkenschlosse  vorüberziehende 
Konstantinopeler  Strasse  gab  ihm  strategische  Wichtigkeit.  In  den  österreichisch- 
türkischen Kriegen  teilte  es  gewöhnlich  gleiches  Schicksal  mit  Nis  und  Pirot,  in 
deren  Mitte  es  liegt.  Graf  Schmettau,  der  Schilderer  der  Kriegsjahre  1737  —  39, 
äussert  in  seinen  erwähnten  Memoiren:  „Mustapha  Pasa  Palanka  ist  ein  altes 
Schloss,  umgeben  von  einer  starken  Mauer,  flankiert  von  Türmen  und  dominiert 
von  Höhen;  aber  ohne  Artillerie  wäre  es  doch  nicht  zu  nehmen."  Boue')  schrieb 
1840:  „Moustapha  Pasha  Palanka  n'est  qu'un  endroit  palissade."  Nach  dieser 
Äusserung  war  anzunehmen,  dass  die  von  Schmettau  erwähnte  Feste  nicht  mehr 


')  La  Turquie  d'Europe,  II,  S.  348. 


Von  Nis  über  Bela  Palanka,  Pirot  auf  den  Rakoä  usw. 


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existiere.  Sie  bestand  jedoch  bis  auf  unsere  Zeit  iierab  nahezu  so,  wie  sie  von 
den  Oesterreichern  im  Oktober  1737  vor  den  von  Sofia  anrückenden  Türken 
geräumt  wurde;  denn  die  Kaiserlichen  hatten  damals  und  lö88  nur  einige 
Gebäude,  darunter  eine  feste  Karawanserei,  zerstört,  von  der  heute  nocii  die 
63  m  langen  und  31  m  breiten  Grundfesten,  gegenüber  der  Hauptschlossfront, 
sichtbar  sind.  1841  wurde  Bela  Palanka  von  den  gegen  Nis  vorrückenden 
bulgarischen  Aufständischen  genommen;  nachdem  sie  besiegt  waren,  aber  um  so 
eifersüchtiger  gehütet. 

Bei  meinem  ersten  Besuche  1864,  und  auch  1870  und  1871,  fand  ich  das 
Schloss  ausschliesslich  von  Moslims  bcwoimt.  Seine  in  unsauberen  Gässchen 
zusammengepferchten  60  Häuschen,  die  kleine  Moschee,  ihr  Minarett  und  zwei 
Tekija  machten  einen  traurigen  Eindruck,  und  gleich  armselig  sah  die  300  Seelen 


BELA   PALANKA    im   Jahre  1897. 


starke  Bevölkerung  aus.  Die  wenigen  Christen  siedelten  in  einer  dem  Haupttore 
gegenüber  sich  dehnenden  Häuserzeile  mit  elenden  Hauen  und  Kramläden.' 
Abends  wurden  die  Kalehtore  sorgfältig  geschlossen.  Der  erste  serbische  Versuch, 
sich  Bela  Palankas  durch  Überrumpelung  am  12.  Juli  1876  zu  bemächtigen, 
misslang  durch  die  Wachsamkeit  der  Tscherkessen.  Erst  am  24.  Dezember  1877 
wurde  es  nach  einem  vom  Morgen  bis  zum  Abend  andauernden  Gefecht  erobert. 
Die  Serben  zählten  7  Tote  und  44  Verwundete,  drangen  jedoch  trotzdem  noch 
am  selben  Tage  gegen  Pirot  vor.  Das  Städtchen  fand  man  nahezu  leer.  Seine 
Bewohner  flohen  mit  den  geschlagenen  Nizams  über  Vlasotinci  nach  Leskovac. 
Sofort  schritten  die  christlichen  Umwohner  zur  Zerstörung  des  Kaleh.  Seine 
östliche  und  südliche  Front  samt  nahezu  allen  türkischen  Gebäuden  wurden  als 
Steinbruch  für  die  1882  auf  älteren  Grundfesten  erstandene  Chr.  Himmelfahrtskirche 
und  andere  Neubauten  der  zum  Bezirksstädtchen  erhobenen  Bela  Palanka  benutzt. 
1905  zählte  sie  schon  in  455  Häusern  über  2500  Bewohner,  eine  1892  gegründete, 
2  Mill.  umsetzende  Sparkasse,  ein  Post-  und  Telegraphenamt,  zwei  Knabenschulen 


202  Von  Nis  über  Bela  Palanka,  Pirot  auf  dun  Rakos  usw. 

und  eine  für  Mädchen,  ein  Kirchlein,  und  fortwährend  erhält  es  neuen  Zuzug  aus 
der  Umgebung.  1889  traf  ich  dort  nur  mehr  zwei  Türken,  welche  ihren  Grund- 
verkauf abwickelten.  1880  errichtete  der  Archimandrit  des  benachbarten  Klosters 
Sv.  Dimitrije  den  1877  bei  Bela  Palankas  Befreiung  gefallenen  Soldaten  nördlich 
von  der  Nisavabrücke  ein  nettes  Denkmal.  Bei  meinem  letzten  Besuche  (1889) 
wanderten  wir  hinaus  auf  die  westlichen,  mit  Reben  bepflanzten  Höhen,  in  deren 
Boden  auch  römische  Legionäre  ruhen.  Die  Landschaft  atmete  tiefen  Frieden. 
Gegen  SW.  erhoben  sich  der  waldbedeckte  1485  m  hohe  Golas,  daneben  der 
höhlenreiche,  wenig  niedrigere  Preslab,  über  den  ein  Saumpfad  von  Bela  Palanka 
auf  die  höchste  Suva  Planina-Kuppe  führt;  unten  an  der  Nisava  aber  brauste 
die  Lokomotive  hart  vorüber  an  den  aufgedeckten  Grundfesten  des  römisch- 
byzantinischen Remesiana  nach  Sofia. 

Unmittelbar  hinter  Bela  Palanka  tritt  die  Konstantinopeler  Strasse  in  das 
Kalkdefilee  „Cingene  derven"  mit  tief  eingeschnittenen  Steilhängen,  „allwo 
man",  nach  Graf  Vermonds  erwähnter  Schilderung,  „eine  Armee  gar  leicht  arretieren 
könnte".  Die  Berge  fand  ich  an  diesem  Punkte  ganz  entwaldet;  die  tscherkessische 
Besatzung  des  türkischen  Blockhauses  neben  dem  elenden  Han  flösste  wenig 
Vertrauen  ein;  die  ganze  Szenerie  machte  den  Eindruck  eines  Schauplatzes  für 
„Helden  der  Strasse".  Schon  1864  hatte  ich  den  0.  nach  W.  nehmenden  Lauf 
der  Nisava  und  Konstantinopeler  Strasse  in  Karte  gebracht.  Wie  richtig 
meine  Positions-Peilungen  für  Nis,  Bela  Palanka,  Pirot  usw.,  zeigten  die  späteren 
astronomischen  Ortsbestimmungen  für  die  europäische  Gradmessung,  welche  die 
Grenzen  des  Aleksinacer  und  Knjazevacer  Kreises  gleichfalls  eine  volle  Meile 
südlicher  rückten,  wodurch  das  Fürstentum  schon  vor  1878  einen  grösseren 
Flächeninhalt  erhielt,  als  früher  angenommen  wurde. 

Die  Strasse  verfolgt  weiter  den  antiken  Heerweg.  Der  westliche  nahe  Milcin 
Vrh  bei  Tijelovac  trug  das  ihn  hütende  Kastell  und  die  südöstlichere  Bukova 
Padina  jenes  der  im  Itin.  Hieros.  9  Millien  von  Remesiana  angesetzten  Mutatio 
Latina.  Bald  darauf  betrat  die  antike  Trace,  unter  dem  Schutze  eines  Kastells  auf 
der  nördlichen  Höhe  von  Veliki  Suvodol,  am  Hange  des  Jurakalkgebirges  Belava 
(962  m)  sanft  abwärts  ziehend,  das  ebene  Piroter  Becken.  Schon  hinter  Ponor 
erweitert  sich  der  Taleinschnitt  und  südlich  von  Mali  und  Veliki  Suvodol  erschienen 
die  wohlhabenden  Orte  Blato,  Kostur,  Lopatnica  u.  a.,  welche  die  im  Pariser 
Frieden  gewährte  Erlaubnis  1864  zum  Bau  einer  weithin  sichtbaren,  dem  hl.  Hara- 
lampije  geweihten  Kirche  benutzten.  Wie  ich  hörte,  wurde  in  dieser  ein  in  einer 
benachbarten  Ruine  gefundener  „lateinischer"  Inschriftstein  eingemauert  (?).  Die 
von  Ponor  9  km  streng  O.  haltende  geradlinige  Strasse  erreicht  in  4  Stunden 
Pirot.  Wir  kreuzten  die  Bokludza  im  christlichen  Stadtteile,  dessen  von  zwei 
Brüdern  hart  an  der  Nisava  betriebener  „Jeni  Han"  uns  gute  Unterkunft  bot. 

25  Millien  nach  der  Tab.  Peut.,  18  nur  nach  den  Itin.  Ant.  und  Hieros.  lag 
von  Remesiana  entfernt  die  von  Procopius  „Turribas"  genannte  Mansio  Turribus 
(Turres).  Die  Masse  der  zuletzt  angeführten  Itinerarien  fallen  mit  ziemlicher, 
jene  der  Tafel,  wenn  wir  den  Abschreibfehler  25  für  15  Millien  annehmen,  mit 
voller  Genauigkeit  auf  das  befestigte  Pirot,  dessen  durchfliessender  Bokludzabach 


Von  Nis  über  Bela  Palanka,  Pirnt  auf  den  Rakos  usw.  20;l 

die  erst  im  14.  Jalirli.  genannte  Stadt  von  iiireni  niittelaiterliclien  Sclilosse  trennt. 
Die  Anwohner  nennen  als  seinen  Erbauer  den  Wojvvoden  Momcilo,  einen  Onkel 
des  Nationaliielden  Marko  Kraljevic,  und  aueh  den  Sultanstöter  Miios  Obilic,  wie 
es  der  Reisende  Gerlach  dort  1578  iiörte. ')  Jirecek  glaubt,  dass  hier  die  von 
Edrisi  zwischen  Nis-  und  Sofia  erwähnte  Stadt  Atruni  oder  Alrusi  stand.  Die 
Türken  nannten  Pirot  aligemein  „Schir  köi"  oder  kurzweg  „Sarköi".  Von  diesem 
verballhornten  „Scherdire"  erzählte  Schweigger  1577 -):  „Vor  dem  Dorf  steht  ein 
fein  alt  Castell  in  der  Eben  unten  am  Berg,  dabei  sein  etliche  Wasserquellen, 
das  Schloss  hat  fünft  starcke  Thürm.  auf  dem  Berge  sihet  man  viel  alt  Gemäuer, 
die  innwohner  zeigen  an,  das  alte  Schloss  unten  am  Berg  sei  von  Türken  gebaut 
als  eine  Gegenwehr,  weil  sie  das  Schloss  auf  dem  Berg  nicht  kunnten  gewinnen, 
welches  aber  schwerlich  zu  glauben,  denn  die  Türken  bauen  nicht  so  herrliche 
Häuser  als  diess  ist."  —  Nach  Hammers  Angabe'')  hätte  aber  Knez  Lazar  beim 
Heranzuge  der  Türken  das  feste  Pirot  1390  (richtiger  1386)  durch  den  Wojwoden 
Dimitr,  Sohn  des  Vojihna  (Mitar  Vojinovic),  besetzen,  Murad  jedoch  es  durch  Jaksa 
Beg  stürmen  und  schleifen  lassen.  Nach  anderer  Quelle')  nahmen  die  Serben 
das  nächtlicherweise  überrumpelte  Pirot  gleich  wieder  und  hätte  es  Stevan 
Lazarevic  noch  1412  und  1413  gegen  Sultan  Musa  tapfer  verteidigt.  Sicher  ist, 
dass  la  Brouquiere  1433  zu  Pirot  Türken  fand.  König  Vladislav  eroberte  die  wieder 
befestigte  Stadt  1443  mit  des  Serbenfürsten  Brankovic  Hilfe,  der  sie  1444  im 
Szegediner  Frieden  auch  erhielt,  aber  bald  dauernd  an  Sultan  Murad  ausliefern 
musste.  Später  fiel  Pirot,  gleich  Kurucesme  (Bela  Palanka),  unter  Sinan  Pasas 
Statthalterschaft.  Schon  damals  rühmte  man  seine  herrliche  Lage,  lustigen  Gärten 
und  Weinberge,  welche  ringsum  die  doleritischen  Tuffe  bedecken. 

1688  nahmen  die  Österreicher  Pirot,  wobei  sich  die  serbischen  Freiwilligen 
besonders  auszeichneten.  Sie  fielen  gegen  Dragoman  aus,  vertrieben  die  Türken 
aus  dem  Passe,  diese  kehrten  aber  in  grösserer  Zahl  zurück  und  siegten.  Die 
Serben  verloren  ihren  Führer;  30  Offiziere  und  524  Freiwillige  wurden  getötet 
oder  gefangen.  FZM.  Graf  Virmond  fand  1719  zu  Pirot  eine  Fahne  Janitscharen 
als  Besatzung  des  durch  drei  Kanonen  verteidigten  Schlosses.  Über  dessen 
strategischen  Wert  meinte  er*"):  „weile  wegen  des  daran  liegenden  scharfen 
Felsens  die  Canons  nicht  wohl  anzubringen,  einer  kleinen  Corps  diversion  machen, 
es  sei  denn  dass  man  ein  paar  starke  Mortiers  dahin  brächte,  mit  welchen,  weil 
das  Schloss  sehr  enge,  man  die  Besatzung  leicht  herausjagen  könnte,  weile  aber 
auch  eine  Strecke  zwischen  demselben  und  dem  Gebirge  rechter  Hand  vorbei 
gehet,  kann  es  einer  Armee  gar  nicht  schaden,  sondern  leicht  occupiret  werden." 

In  dem  bald  darauf,  1737,  ausgebrochenen  Kriege  zwischen  Österreich  und 
der  Pforte  drang  ein  serbisches  Freikorps,  nachdem  Nis   kapituliert  hatte,  gegen 


')  Tagebuch  d.  v.  zween  ginrwiird.  röni.  Kaysern  Maxinv  u.  Rud.  a.  d.  Ottom.  Pforte 
abgefert.  Gesandsch.    Frankfurt  1674. 

')  Ein  newe  Reyfsbeschr.  aus  Teutschl.  u.  Constant.  u.  Jerus.    Nürnberg  1608. 

')  Gesch.  des  Osman.  Reiches,  I,  S.  205. 

*)  Milicevic,  Kraljevina  Srbija,  S.  224. 

•'•)  Relation.    K.  u.  k   Kriegsarchiv  in  Wien. 


204  Von  Nis  über  Bela  Palanka,  Pirot  auf  den  Rakos  usw. 

Pirot  vor,  nahm  sein  Schloss  und  säbelte  dessen  Besatzung  nieder.  Die  nach- 
rückenden kaiserlichen  Truppen  besetzten  hierauf  die  Stadt  und  schrieben  in 
ihrer  Umgebung  starke  Kontributionen  aus.  Marschall  Seckendorff  scheint  den 
Wert  der  Position  von  Pirot  nicht  genügend  erkannt  zu  haben.  Graf  Schmettau, 
der  Kritiker  jenes  Feklzugs,  schildert  Pirot  als  eine  sehr  hübsche  Stadt,  ihr 
Schloss  aber  als  eng,  alt,  ruiniert  und  von  einem  hohen  Felsen  dominiert.  Man 
warf  nur  60  Mann  deutscher  Infanterie  hinein,  um  die  alle  zur  Stadt  führenden 
Defileen  besetzt  haltenden  serbischen  Freischaren  zu  ermutigen,  unterliess  es 
aber,  seine  Werke  zu  verstärken.  Rasch  kapitulierte  es  im  September  desselben 
Jahres.  Sein  Befehlshaber,  der  Partisan  Botune,  und  die  auf  40  Mann  reduzierte 
Besatzung  erhielten  freien  Abzug  nach  Nis.  1761  erhielt  Pirot  höhere  Bedeutung 
als  Sitz  der  neubegründeten  Nisava-Eparchie,  die  Trn,  Bela  Palanka,  Bresnik  und 
das  Gebiet  der  Suva  Planina  bis  zum  Sv.  Nikola-Balkan  umfasste.  Später 
aufgelassen,  wurde  sie  nach  1821  erneuert  und  ihr  ausser  Bela  Palanka  ein  Teil 
der  Sofiaer  Diözese  zugewiesen.  1836  war  Pirots  Nisavabrücke  der  Schauplatz 
eines  missglückten  Kampfes  bulgarischer  Insurgenten.  Auch  der  1841  dort 
wiederholte  Aufstand  verlief  gleich  ungünstig. 

Zur  Zeit  meines  ersten  Besuchs  (1864)  residierte  zu  Pirot  ein  würdiger 
Mudir  (Bezirkshauptmann),  der,  sobald  er  mein  Bujuruldu  gelesen,  mir  einen 
Zaptieh  als  Begleiter  gab,  um  die  Stadt  und  Feste  unbehindert  besichtigen  zu 
können.  Ich  traf  das  Schloss  im  selben  Zustande,  wie  ihn  Schweigger  beschrieb; 
doch  die  Burg,  welche  er  auf  dem  nahen  westlichen  Hisarberge  sah,  war 
verschwunden  und  durch  eine  verpalisadierte  Schanze  ersetzt  worden.  Wiederholt 
besuchte  ich  seitdem  Pirot,  zuletzt  1889,  aber  nie  gelang  es  mir,  eine  Spur  aus 
seiner  römischen  Epoche  aufzufinden.  Und  doch  wird  behauptet,  dass  man 
oberhalb  der  Burg  auf  „Ziegel,  farbige  Mosaiksteine"  und  in  den  Weingärten 
auf  einen  antiken  „gepflasterten  Weg"  stiess!  Vielleicht  führen  Nachgrabungen 
zu  einem  bestimmten  Resultat. 

Der  ärmlich  aussehende,  grossenteils  türkische  Stadtteil  besass  einen  Uhrturm, 
ein  neues  Kreisamt,  8  Moscheen,  2  Teke,  1  alte  Kirche,  darunter  aber  keine 
einzige  erhebliche  Baute.  Das  etwas  bessere  christliche  Viertel  „Tiha  Bara" 
erhielt  1868  durch  seine  dreikuppelige  Maria  Himmelfahrts-Kirche,  welche  die 
1834  erbaute  bescheidene  Christi  Geburts-Kirche  an  Grösse  und  Schönheit  weit 
übertrifft,  einen  stattlichen  Mittelpunkt,  der  jedoch  wenig  mit  den  kleinen  Häusern, 
schlechten  Herbergen  und  dem  alten  Bischofskonak  übereinstimmte.  Archäologisch 
interessant  erschien  mir  eine,  in  einem  nahen  Dorfe  gefundene  0,79  m  lange, 
0,32  m  breite  Grabplatte,  deren  dargestellte  Personen  in  der  Anordnung  an 
römische  Votivsteine,  in  der  primitiven  Technik  an  ältere  serbische  zu  Paviica 
und  Becevica  (I.  Bd.,  S.  595)  erinnerte.  An  einem  türkischen  Brunnen  bemerkte 
ich  eine  unverkennbar  mit  orientalischen  Motiven  verzierte  Platte,  deren  illyrische 
Lettern  im  unteren  Felde  verraten,  dass  sie  ein  christlicher  Meister  anfertigte. 

Pirots  national  gesinnte  Gemeinde  stand  seit  dem  Beginne  der  antifanariotischen 
Bewegung  im  Kampfe  mit  den  ihr  vom  Konstantinopeler  ökumenischen  Patriarchat 
aufgenötigten  griechischen   Bischöfen.     Die  Anklagen,   welche    1860  gegen    ihren 


Von  Nis  über  Bela  Palanka,  Pirot  auf  den  Rakos  usw. 


205 


Bischof  Antin  bei  dem  die  traurigen  Zustände  im  Tuna-Viiajet  untersuchenden 
Grossvezier  Köprüslü  erhoben  wurden,  überstiegen,  was  Zahl  und  Inhalt  betrifft, 
alle  Begriffe.  Die  Beschuldigungen  konnten  bis  zur  Evidenz  erwiesen  werden 
und  der  geistliche  Verbrecher  wurde  zur  Selbstreinigung  in  ein  Athoskloster 
verbannt.  Schon  nach  zwei  Jahren  erschien  er  aber  in  Konstantinopel,  wo  er 
wahrscheinlich  durch  ausgiebiges  Backschisch  bald  wieder  einen  neuen  Hirtensitz 
erhalten  haben  dürfte. 

Sein  Nachfolger  Sofronije,  den  ich  1864  persönlich  kennen  lernte,  machte 
sich  gleich  bei  seinem  Amtsantritte  durch  ungerechtfertigte  Geldforderungen  bei 
seiner    Gemeinde    verhasst.      Er    flüchtete,    um    sich    tätlichen   Beleidigungen   zu 


Altserbisclier  Urabstcin. 


entziehen,  in  das  nahe  Kloster  Sv.  Jovan  und  konnte  nur  unter  dem  Schutze 
herbeikommandierten  türkischen  Militärs  zurückkehren.  Die  Ignoranz  dieses 
griechischen  Bischofs  ging  so  weit,  dass  er  mir  allen  Ernstes  von  einer  slavischen 
Inschrift  zu  Sv.  Jovan  aus  dem  Jahre  750  erzählte.  Er  wusste  also  nicht,  dass 
erst  im  9.  Jahrhundert  der  Apostel  Kyrill  die  nach  ihm  benannten  Schriftzeichen, 
die  „Kyrillica",  den  Balkanslaven  gebracht  hatte.  Da  ich  von  dem  würdigen 
Kirchenfürsten  nicht  die  bescheidenste  archäologische  Aufklärung  empfing,  schied 
ich  sehr  unbefriedigt  von  ihm  und  Pirot. 

Vom  Sveti  Nikola- Balkan  herabkommend,  besuchte  ich  1870  Pirot  zum 
zweitenmal.  Doch  knüpfen  sich  nur  unangenehme  Erinnerungen  an  die  wenigen 
Stunden,  die  ich  dort  zubrachte  oder  richtiger,  durch  das  Misstrauen  seines 
Kaimakams  zubringen  durfte.  Wesentlich  freundlicher  gestaltete  sich  mein  Aufenthalt 
im  Sommer  1871.     Aus  dem  von   mir  entdeckten  Temskatale   stieg  ich   auf  der 


206  Von  Nis  über  Bela  Palanka,  Pirot  auf  den  Rakos  usw. 

von  Mitliad  Pasa  nach  dem  Berkovica-Balkan  erbauten  schönen  Strasse,  vorüber 
an  der  Schlossruine  Atanas  bei  Gornji  Krupac,  hinab  in  das  breite  Nisavatal. 
Pittoreske  Karawanen  schwer  belasteter  Grautiere  und  Pferde  bedeckten  die 
Strasse,  eine  lustige  Staffage,  welche  der  alljährliche  grosse  „Panajir"  zur  Stadt 
führte,  in  gesonderten  Trupps  karakolierten  auf  behenden,  wahrscheinlich 
gestohlenen  Pferden  auch  Tscherkessen  an  uns  vorüber,  Insassen  des  nahen 
Belo  Polje,  der  einzigen,  nun  auch  verschwundenen  Fremdenkolonie  südlich 
von  Pirot. 

Wir  Hessen  Izvor  und  Berilovac  rechts,  und  bald  darauf  rief  mir  der 
Wirt  des  „Jeni  Han"  zum  drittenmal  „dobro  dosli!"  (glückliche  Ankunft)  zu. 
Diesmal  wohnte  ich  besser  als  in  den  Jahren  1864  und  1870;  da  die  Panajirgäste 
alle  Räume  des  Hanes  bis  zum  Dache  hinauf  füllten,  räumte  der  Hausherr 
für  mich  sein  getäfeltes  Prachtstübchen,  ein  reizendes  Modell  bulgarischer 
Kunst-Ebenistenarbeit,  welches  mancher  Amateur,  bei  der  jetzt  in  Europa 
herrschenden  Vorliebe  für  orientalischen  Komfort,  gern  für  eine  respektable 
Summe  erworben  hätte. 

Die  wichtigste  Neuigkeit  des  plaudernden  Handzi  war  die  mysteriös  verbrämte 
Mitteilung,  dass  die  Paschas  der  Distrikte  Nis,  Sofia  und  Pristina  seit  zwei 
Tagen  zu  Pirot  weilten  und  unausgesetzt  Beratungen  pflegten.  „Gewiss,"  meinte 
er  mit  orientalischem  Augenzwinkern,  „geht  etwas  Wichtiges  vor.  Sollte  jetzt, 
wo  der  Franzose  dem  Prusli  unterlegen  und  machtlos,  der  Moskov  sich  etwa 
unserer  wieder  erinnern?"  Ich  antwortete  ausweichend  und  beschloss,  am 
nächsten  Tage  das  Pascha- Kleeblatt  zu  besuchen,  schon  um  einem  ähnlichen 
Zwischenfalle,  wie  ich  ihn  1870  erlebte,  vorzubeugen. 

Die'  hohen  türkischen  Würdenträger  haben  eine  sehr  rühmenswerte  Seite; 
sie  stehen  zeitig  auf  und  empfangen  jedermann  in  frühester  Stunde.  Ich  befahl 
deshalb,  meine  durch  das  viele  Balkanklettern  stark  mitgenommenen  Pferde  aufs 
beste  herauszuputzen,  und  hielt  schon  um  9  Uhr  morgens  an  der  Spitze  meiner 
kleinen  Suite  am  Tore  des  neuen  Konaks,  der  sich  architektonisch  recht  anmutig 
präsentiert,  doch  ohne  Rücksicht  auf  die  christliche  Bevölkerung  im  entlegensten 
türkischen  Stadtviertel  erbaut  wurde.  Dieser  mir  auch  bei  anderen  neuen 
Administrationsgebäuden  zu  Nis,  Sofia  u.  a.  0.  aufgefallene  Übelstand  erklärte 
sich  dadurch,  dass  die  meist  verheirateten  Beamten  in  den  billigen  türkischen 
Vierteln  wohnten  und  während  des  Tages  gern  nach  ihren  Harems  sahen,  weshalb 
man  bei  der  Auswahl  der  Konakbauplätze  mehr  die  eigene  Bequemlichkeit 
als  das  Bedürfnis  der  Klienten  berücksichtigte.  Eine  andere  Eigentümlichkeit 
der  neuen  Konaks  waren  die  gewöhnlich  an  ihrer  Hauptfront  rysalithartig 
vorspringenden  breiten  Logen,  in  welchen  der  Vali,  Mutessarrif,  Kaimakam,  solange 
es  die  Witterung  zuliess,  auf  hohem  Diwan  thronten.  "Der  das  Rheuma  fürchtende 
Europäer  empfand  stets  ein  Frösteln,  wenn  er  die  zugigen  Empfangsräume  betrat; 
denn  anders  als  in  unseren  schlecht  gejüfteten  Amtsstuben  standen  hier  Fenster 
und  Türen  fortwährend  offen,  und  der  ungehindert  durchziehende  Luftstrom  trieb 
mit  den  grossgeblumten  Vorhängen  sein  Spiel.  Was  würden  unsere  bis  zur  Halsbinde 
zugeknöpften   Hofräte  sagen,  wenn  sie  in  solchen  Räumen  fungieren  sollten? 


Von  Ni§  über  Bela  Palanka,  Pirot  auf  den  Rakoä  usw.  207 

Zu  Ehren  der  im  Kunak  tagenden  Mutessarrife  standen  zwei  Redifs  an 
seinem  Tore.  Sie  salutierten,  als  meine  kleine  Kavalkade  vor  demselben  hielt, 
der  von  der  Loggia  herabblickende  Niser  Pascha  erwiderte  freundlich  meinen 
Gruss,  und  der  von  ihm  herabbeorderte  Piroter  Kaimakam  willkommte  mich. 
Ich  lächelte  über  seine  Phrasen,  denn  es  war  derselbe  Beamte,  der  mich  1870 
Abdur  Rahman  Pasa  als  staatsgefährlichen  Reisenden  telegraphisch  denunziert 
und  mir  viele  Unannehmlichkeiten  bereitet  hatte.  Ich  unterdrückte  jeden  Vorwurf, 
begrüsste  die  Paschas  von  Ni.s  und  Sofia  als  alte  Bekannte  und  wurde  durch 
sie  dem  Priätinaer  Mutessarrif  vorgestellt.  Auch  der  Imain,  Kadi,  einige  Stadt- 
notablen und  Mitglieder  des  Medzlis  waren  zugegen;  doch  spielten  die  christlichen 
„Effendi"  wie  immer  eine  bescheidene  Rolle. 

Das  Gespräch  drehte  sich  anfangs  um  gleichgültige  Dinge.  Der  Mutessarrif 
von  Sofia  fragte  mich  um  den  Fortgang  meiner  kartographischen  Arbeiten,  der 
Pascha  von  Nis,  ob  ich  viele  „eski  scheler"  (alte  Dinge)  gefunden?  Ich  benutzte 
die  günstige  Gelegenheit,  um  zum  nicht  geringen  Erstaunen  der  Herren  vom 
Medzlis  den  hohen  Paschalik- Regenten  unverhohlen  meine  Ansicht  über  den 
schlechten  Zustand  des  Agrar-  und  Schulwesens  und  namentlich  über  das 
zügellose  Treiben  der  Zapties  auf  dem  Lande  auszusprechen.  Sie  antworteten 
mit  dem  matten  Abklatsche  der  zeitweise  von  Konstantinopel  in  die  Welt  gesandten 
Versicherungen  über  bald  einzuführende  Reformen.  „Jawas,  jawas,"  allmählich, 
meinten  die  Effendi,  „würde  die  Türkei  von  einem  ä  la  franca  regierten  Reiche 
kaum  zu  unterscheiden  sein!"  Ich  wusste  genau,  wie  ernst  es  den  respektablen 
Herren  mit  ihren  Phrasen.  Auch  was  für  Pirot  geschehen,  dankte  man  einzig 
Mithad  Pasa,  der  es  durch  eine  19  km  lange  verbesserte  Strasse  mit  Bela  Palanka 
verband  und  die  neuen  Wege  zur  heutigen  bulgarischen  Grenze  über  Krupac  mit 
20  km,  über  Rzana  mit  27  km  und  zum  Sv.  Nikola-Balkan  mit  60  km  bauen  Hess. 
Um  indes  dem  Abschiede  jeden  Missklang  zu  nehmen,  ging  ich  auf  den  Panajir  über, 
dessen  Bedeutung  für  die  Stadt  und  das  Paschalik  nun  allseitig  besprochen  wurde. 

So  lange  das  Schienennetz  der  Balkanländer  unvollendet  und  die  Ent- 
wickelung  ihrer  Städte  durch  verbesserte  Land-  und  Wasserwege  vernachlässigt 
blieb,  spielten  einzelne  grosse  Messen  in  diesen  eine  grosse  Rolle.  Der  Piroter 
Panajir  war  namentlich  wegen  seines  bedeutenden  Teppichverkehrs  berühmt, 
doch  wurden  auch  Manufaktur-,  Quincaillerie-  und  Kolonialwaren  dort  umgesetzt, 
wenngleich  nicht  in  solcher  Menge,  wie  auf  jenen  zu  Uzundzova  und  Eski- 
Dzuma,  für  welche  letztere  die  österreichischen  Dampfer  nach  Rustschuk  allein 
(1874)  über  lüUOO  Zentner  Waren  führten.  Natürlich  bildete  der  Panajir  für 
jede  Messstadt  das  ersehnte  grösste  Ereignis  des  Jahres.  Lange  vor  dem 
18.  August,  an  dem  er  zu  Pirot  begann,  herrschte  bewegtes  Treiben  auf  dem 
sonst  öden  Platze  zwischen  dem  Bokludzabach  und  der  Niser  Strasse;  denn  es 
galt  eine  provisorische  Stadt  für  drei  Wochen  mit  regelmässigen  Gassen  und 
Lokalitäten  von  oft  ansehnlicher  Breite  und  Tiefe  zu  zimmern.  Firmenaufschriften 
gab  es  hier  so  wenig  wie  in  den  festen  türkischen  Basaren;  doch  trennten  sich 
die  Verkäufer  nach  Gilden,  und  jeder  Besucher  versteht,  was  er  benötigt,  leicht 
zu  finden. 


208  Von  Nis  über  Bela  Palanka,  Firot  auf  den  Rakos  usw. 

Auf  den  Strassen  zum  Panajir  und  rings  um  diesen  patrouillierten  Soldaten; 
denn  oft  staute  sich  das  Gedränge,  der  Wagen-,  Lasttier-  und  Menschenknäuel 
verwirrte  sich,  es  brach  mitunter  Streit  aus  und  nicht  immer  waren  die  Zapties 
(Gendarmen)  allein  imstande,  die  Ordnung  zu  erhalten.  Namentlich  benutzten 
Amanten  und  Tscherkessen,  beide  gleich  berühmt  im  Stehlen,  solche  Momente, 
um  sich,  nach  dem  Sprichworte,  auf  Unkosten  der  Streitenden  zu  bereichern. 
Als  eine  für  alle  Teile  bequeme  Einrichtung  verdient  Erwähnung:  dass  alle 
Rechtsstreite  über  Verkaufsabschlüsse,  Mass,  Gewicht,  Münzen,  Falschgeld  usw. 
gleich  auf  dem  Platze  von  eigens  für  die  Messdauer  exponierten  Gerichtsorganen 
entschieden  werden.  Da  ich  gerade  in  der  zweiten  Messwoche,  in  welcher  die 
Landbevölkerung  von  allen  Seiten  heranströmt,  den  Panajir  besuchte,  gestaltete  sich 
das  bunte,  lärmende  Gewoge  wahrhaft  verwirrend.  Die  Drogenhändler,  welche 
auch  Henna  zum  Färben  der  Nägel  und  Handflächen  für  türkische  Frauen 
führen,  die  Verkäufer  von  Kolonialwaren,  Konfekt  und  getrockneten  Früchten, 
von  bunten  Baumwollstoffen,  Kopftüchern,  Bauernschuhen,  Riemzeug  usw.  hielten 
ihre  Ernte. 

Während  bei  uns  nahezu  kein  Dorf  ohne  Krämer  ist  und  der  ausgebildete 
Hausierhandel  die  Konsumenten  bis  zur  höchsten  Alpenhütte  aufsucht,  wird  es 
ihnen  im  Orient  nicht  so  bequem  gemacht.  Kaffee,  Zucker,  Tabak,  Petroleum, 
Salz,  Wachskerzen,  Seife,  nebst  hundert  anderen  Bedürfnissen,  kauft  der  Bauer 
in  der  Stadt,  und  ist  sein  Dorf  weit  entfernt  von  ihr,  alljährlich  einmal  auf  dem 
Panajir.  Auf  diesen  treibt  er  sein  Vieh,  bringt  er  Häute,  Wolle,  Wachs,  Honig  usw.; 
mit  dem  erlösten  Bargelde  wandert  er  sodann  von  Laden  zu  Laden,  von  Zelt 
zu  Zelt,  prüfend  und  feilschend,  das  zu  weit  gehende  Gefallen  von  Frau  und 
Töchtern  an  Putz  und  Flitter  bekämpf&nd.  Denn  nicht  allein  das  Notwendige, 
sondern  auch  Gegenstände  des  Lu.xus  sind  hier  aufs  lockendste  ausgebreitet;  alte 
Ladenhüter  der  Wiener  Fabriken,  Spiegel,  Schmelzperlen,  Glasringe,  Falschschmuck, 
fesseln  das  begehrende  Auge.  Ihre  Verkäufer  sind  grösstenteils  spanische  Juden, 
welche  den  weiten  Weg  von  Nis,  Sofia  und  Philippopel  nicht  scheuten.  Ungleich 
den  Türken  entwickeln  sie  grössere  Beweglichkeit  im  Anpreisen  ihrer  Waren. 
Der  auf  seinem  Teppich  hockende  Moslim  harrt  geduldig  des  fragenden  Käufers; 
er  ist  überzeugt,  dass  alles  vom  Kismet  (Geschick)  abhängt  und  was  kommen 
soll,  auch  ohne  Anstrengung  erreicht  wird.  Der  Handel  mit  Tabak,  Pfeifenköpfen, 
zierlichen  Frauenschuhen  usw.  war  nahezu  ausschliesslich  in  türkischen  Händen 
und  warf  guten  Gewinn  ab. 

Seitwärts  vom  grossen  Verkehrsstrom,  in  den  schmalen  Gassen,  erholte 
ich  mich  vom  betäubenden  Lärm.  Weniger  begehrt,  weil  kostspielig,  sah  man 
hier  mit  schvvarzen  Schnüren  oder  blinkenden  Silber-  und  Goldborten  bedeckte 
Jacken,  Westen,  Beinkleider  und  Caksiren  (Kniegamaschen);  Kleidungsstücke  von 
3  bis  10  Gold-Lira  (1  =  20  Mark)  erschienen  durchaus  nicht  hoch  im  Preise, 
im  Verhältnis  zur  oft  bewundernswerten  Arbeit.  Ihr  Hauptvorzug  besteht  namentlich 
in  der  Symmetrie  und  Präzision  der  aus  Schnurwerk  auf  dem  grünen,  karmesin- 
roten und  drappfarbenen  Tuche  aufgenähten  Arabesken.  Ich  sah  Ornamente  von 
so   erfindungsreicher  Abwechselung,   dass   man   leicht  eine  Mappe   mit  schönsten 


Von  Nis  über  Bola  Palanka,  Pirot  auf  den  Rakos  usw.  20!) 

Vorbildern  für  ein  westliches  Indnstrie-MiisciMii  hätte  füllen  können.  Die  Meiirzahl 
der  Abadzi  (Schneider)  waren  .Amanten  und  kamen  aus  dem  fernen  Priätina,  Frilip, 
Skoplje  u.  a.  0.  Die  Händler  mit  Kupferzeug  kamen  vom  schwarzen  Drin  und 
hielten  kleine  Teller  und  Näpfe  mit  hermetisch  schliessenden  gewölbten  Deckeln 
zum  Auftragen  der  Speisen,  grosse  Pilavschüsseln,  Waschbecken  mit  zierlichen 
Kannen  und  Rauchgefässe  von  zierlichen  Formen  feil.  Hart  an  ihre  Buden  stiessen 
jene  der  Gelbgiesser  und  Messerfabrikanten  aus  dem  Balkan  mit  prächtigen 
Altarleuchtern  und  Hängelampen,  unter  welchen  mir  solche  in  Kreuzform  mit 
dem  Drachentöter  Georg  auffielen;  daneben  hatten  Silberfiligranarbeiter  von  Nis 
reizende  Gegenstände  ausgelegt. 

Auch  einige  Sahatci  hatten  sich  eingefunden;  denn  selbst  der  ärmste 
Muselmann  trägt  eine  Uhr,  und  in  der  Schweiz  gibt  es  Fabriken,  welche  nur  für 
den  Orient  arbeiten;  die  Zifferblätter  tragen  türkische  Zahlzeichen  und  die  Werk- 
teile sind  mit  gepressten  Arabesken  im  orientalischen  Stile  verziert.  So  verstanden 
es  die  rührigen  Industriellen  der  Alpen  auch  auf  diesem  Gebiete,  sich  ohne 
staatliche  Konsuln,  Museen  usw.  den  Markt  zu  erobern,  indem  sie  die  türkische 
Geschmacksrichtung  gleich  richtig  wie  jene  in  Ägypten,  Persien,  Indien  und 
Amerika  studierten.  Das  Eisen  spielte  selbstverständlich  auf  dem  Panajir  keine 
geringe  Rolle;  das  heimische  Erzeugnis  verschwand  aber  neben  den  importierten 
Sensen,  Sicheln,  Türbeschlägen,  Schlössern,  Nägeln  usw.  aus  Österreich,  Öfen  aus 
Ungarn,  kleinen  Rundschlössern  aus  Russland,  feineren  Eisen-  und  Stahlwaren 
aus  rheinischen  und  Shefficider  Fabriken.  Nur  die  landesüblichen  Herdkessel, 
Hängeketten,  Hufeisen,  roh  geschmiedeten  Nägel,  Messer,  Scheren  usw.  trugen 
unverkennbar  heimischen  Stempel. 

Alles,  was  auf  dem  Panajir  von  Wirk-  und  Webwaren  vorhanden,  dann  Fesse, 
geblümte  Kopftücher,  feines  Schuhwerk,  Papier,  Stearinkerzen,  Porzellan,  Glas- 
waren usw.  gelangte  durch  bulgarische  Kommissionare  zu  Wien,  Leipzig,  Marseille, 
London,  Manchester  usw.  über  Lom,  Rustschuk,  Salonik  und  Konstantinopel 
hierher.  Die  türkischen  Bahnen  begünstigten  den  Import  zur  See  aus  dem 
fabrikreichen  Westeuropa  auf  Unkosten  Österreichs;  doch  gab  es  wichtige  Artikel, 
Lampen,  Glas,  Zündhölzchen  usw.,  in  welchen  letzteres  beinahe  ausschliesslich 
von  Norden  herab  den  Markt  bis  Rustschuk,  Tirnova  und  Philippopel  beherrschte. 

Am  nördlichen  Ausgange  der  grossen  Panajirstrasse  hockten  in  Reihen  alte 
verschleierte  Türkenfrauen,  welche  die  Handstickereien  von  in  der  Stadt  gebliebenen 
jungen  Frauen  und  Mädchen,  zarte,  golddurchwirkte  Gazegewebe,  zierliche  Pan- 
töffelchen,  Geld-  und  Tabaksbeutel,  mit  Gold  ornamentierte  Käppchen  usw. 
ausboten.  Weiter  hinaus  bahnte  mir  mein  Zaptie  den  Weg  zu  den  Verkäufern 
keramischer  Waren.  Ganze  Berge  von  Krügen,  Töpfen,  Tellern,  Tonlampen, 
Leuchtern  aller  Formate  und  heimischer  Faktura  lagen  auf  dem  abgemähten 
Rasen.  Wenngleich  weniger  rein  in  der  Ausführung  als  die  bewundernswerten 
keramischen  Fabrikate  Ost-Bulgariens,  sah  ich  auch  hier  Formen,  welche  an 
klassische  Vorbilder  erinnerten. 

Ging  es  überall  lärmend  her,  so  kulminierte  das  hochwogende  Panajirleben 
bei  den  ambulanten  Zelten  und  Herden  spekulativer  Kaffeeschänker  und  Garkoche. 

F.  KANITZ,   Serbien.    H.  14 


210  Von  Nis  über  Bela  Palanka,  Pirot  auf  den  Rakoä  usw. 

Hier  konsumierten  Türken,  Bulgaren,  Tsclierkessen,  Zigeuner,  Albanesen  und 
Tataren  stehend  oder  auf  roh  gezimmerten  Bänken  hockend  im  Schatten  impro- 
visierter grüner  Laubdächer  guten  und  schlechten  Kaffee,  Caj,  Sorbet,  Rakie, 
Wein,  Knoblauch,  Zwiebeln,  Rettiche,  gesottene  Bohnen  und  Rita,  eine  Lieblingssorte 
mit  Kraut  und  Käse  gefüllter  flacher  Kuchen.  Soviel  man  auch  verzehrte,  immer 
wurde  für  neu  zuströmende  durstige  und  hungernde  Gäste  gesorgt.  Volle  Bock- 
schläuche mit  Rotwein  traten  an  die  Stelle  der  geleerten;  unermüdet  wurden 
Schöpse  und  Lämmer  nach  Koranrituell  oder  Christenbrauch,  natürlich  auf 
verschiedenen  Plätzen,  geschlachtet,  ausgeweidet  und  mit  wuchtigen  Hieben 
zerteilt,  um  bald  verkleinert,  mit  Gemüse  in  Pfannen  geschmort  oder  auf  Hoiz- 
stäbchen  gespiesst,  zu  wohlschmeckendem  Kebab  gebraten  zu  werden. 

Durch  die  zechenden  Gruppen  drängten  sich  mit  lauten  Anpreisungen 
zudringliche  Talals,  die  Ausrufer  verkäuflicher  Pferde,  alter  Sättel  und  oft 
wertvoller  Waffen,  hausierende  Krämer  mit  tausend  Kleinigkeiten,  Gebäck-,  Obst- 
und  Eisverkäufer.  Glücklicherweise  war  das  vierbeinige  Sanitätskorps  vollauf 
tätig,  weggeworfene  Abfälle  zu  vertilgen,  denn  sonst  wäre  die  Atmosphäre  auf 
diesem  Platze  in  den  heissen  Augusttagen  unerträglich  gewesen.  In  später 
Nachtstunde,  wenn  das  lärmende  Treiben  erstorben,  hielten  noch  Geier  aus  dem 
nahen  Balkan  eine  ergiebige  Nachernte.  Dass  es  an  ambulanten  Schmieden, 
Zahnreissern,  Gauklern,  Bärenführern,  Musikanten  und  gefälligen  Zigeuner-Preziosas 
nicht  fehlte,  bedarf  kaum  besonderer  Erwähnung. 

Von  den  berühmten  Piroter  Teppichen  sah  ich  auf  dem  Panajir  nur  einzelne 
Stücke;  in  die  Stadt  zurückgekehrt,  führte  mich  mein  Hausherr  in  verschiedene 
Magazine,  wo  die  aus  dem  Ciporovica-Balkan  zur  Messe  gelangten  Vorräte  in 
grossen  Ballen  aufgespeichert  lagen.  Auch  diese  gelangten  als  „Pirotski  Cilim" 
(Piroter  Teppiche)  in  den  Handel.  Es  waren  grösstenteils  ordinäre  Sorten  kleinen 
Formats  zu  äusserst  billigen  Engrospreisen,  durch  vorherrschend  dunkle  Farben 
von  zu  Pirot  gewebten  unterschieden.  Die  groben  Fuss-,  Sitz-  und  Gebet-Teppiche 
aus  dem  Balkan  sind  gewöhnlich  gelb,  blau,  braun  und  schwarz,  jene  aus  Pirot 
weiss,  gelb,  blau,  grün,  hellrot  gemustert.  Letztere  aus  feinerer  Wolle,  dichter 
gewebt,  grösser,  kostspieliger,  machen  dem  asiatischen  Fabrikat  erhebliche 
Konkurrenz.  Prachtexemplare  von  bestimmter  Grösse  werden  voraus  bestellt  und 
bezahlt.  Bei  Jelenska  Rabadzi,  der  berühmtesten  Piroter  Meisterin,  sah  ich  einen 
für  den  Salon  eines  Konstantinopeler  Paschas  bestimmten,  hellfarbig  ornamentierten 
Teppich,  welcher  den  nach  landläufigem  Massstabe  ungemein  hohen  Preis  von 
650  Piastern  (130  Mark)  kostete.  Die  Piroter  Teppiche  grössten  Formats,  5  Arschin 
breit,  6  Arschin  lang,  heissen:  Batal,  mittlere  von  3  zu  4:  Smetenik,  von  2  zu  3: 
Sestak,  von  1 '/a  zu  2:  Sidzade,  und  die  schmalen,  nach  bestellter  Grösse 
angefertigten  Minderluksdecken:  Jan.  Wollfärber  gibt  es  in  der  Stadt  12,  Lein- 
wandweber etwa  70  mit  200  Stühlen;  Wollweber  weniger.  Sajaktuch  und 
Gaitan-Schnürwerk  kommen  von  Kalofer  und  Karlovo. 

Die  letzten  Stunden  meines  Aufenthalts  zu  Pirot  verbrachte  ich  auf  der 
schattigen  Hangalerie  mit  dem  Ordnen  der  auf  dem  Panajir  gesammelten  Notizen. 
Die  junge   Frau  des   Handzi   trippelte   oft  vorüber,  stets   um  Verzeihung   bittend; 


Von  Nis  über  Bela  Palanka,  Pirot  auf  den  Rakoä  usw.  211 

denn  dicht  vor  meinem  Stübchen  legte  sie  enti<ernte  saftige  Pflaumen  auf  Geflechten 
zum  Trocknen  aus.  Piroter  Zwetschken  erfreuen  sich  ihrer  grossen  Süsse  wegen 
einer  gewissen  Berühmtheit  und  werden  gleich  dem  „Ödenburger  Obst"  in 
Schachteln  weit  versendet. 

Nachdem  ich  meinem  wegkundigen  Wirte  noch  einige  Daten  über  die  am 
folgenden  Tage  einzuschlagende  Balkanroute  abgefragt,  eilte  ich  in  den  Konak, 
um  mir  einen  tüchtigen  Führer  vom  Kaimakam  zu  erbitten.  Ich  fand  ihn  unter 
dem  Eindrucke  der  respektvollen  Aufnahme,  welche  mir  von  den  drei  Paschas 
zuteil  geworden,  sehr  gefällig,  und  nachdem  er  meinen  Ferman  durchflogen, 
schien  er  den  Zweck  meiner  Reisen  auf  türkischem  Boden  richtiger  als  ein  Jahr 
zuvor  aufzufassen.  Er  gestand,  dass  er  grosses  Unrecht  gegen  mich  gut  zu 
machen  habe,  begleitete  mich  bis  an  das  Tor,  empfahl  sich  meiner  guten  Nachrede, 
falls  ich  nach  Stambol  käme,  und  band  mich  dem  herbeibefohlenen  Zaptie-Cau§ 
(Korporal)  auf  die  Seele,  der  mich  über  den  Ciporovica-Balkan  bringen  sollte. 

Diesmal  schied  ich  von  Pirot  mit  freundlicheren  Gefühlen.  Ich  dankte  dem 
Handzi  für  sein  mir  abgetretenes  Stübchen,  seiner  hübschen  Frau  für  das  letzte 
treffliche  Mittagsbrot.  Auch  mein  Dragoman  war  freudiger  gestimmt,  er  brummte, 
was  lange  nicht  geschehen,  ein  polnisches  Liedchen  vor  sich  hin;  ging  es  ja  dem 
Endziele  unserer  Reise,  der  Donau  zu.  Gegen  zwei  Uhr  zog  meine  kleine 
Karawane  über  die  Nisavabrücke  durch  das  christliche  Viertel,  dessen  Carsi  aus 
Anlass  des  Panajirs  sehr  belebt  war.  Die  Händler,  welche  ich  besucht  hatte, 
lüfteten  die  Mützen  und  riefen  mir  laute  „srecan  put!"  (glückliche  Reise!)  zu. 
Sie  ahnten  damals  nicht,  dass  nur  sechs  Jahre  später  das  oft  verwünschte 
türkische  Regiment  in  ihrer  Stadt  zu  Ende  gehen  würde,  und  noch  weniger,  dass 
sie,  die  stets  sich  als  Bulgaren  betrachtet,  dem  Fürstentum  Serbien  einverleibt 
werden  sollten. 

Nachdem  Bela  Palanka  genommen  war,  lieferten  die  Serben  am  25.  und 
26.  Dezember  1876  Pirots  Verteidigern  bei  Ponor,  Suvodol,  Blato  siegreiche 
Gefechte  und  besetzten  die  an  diesen  Punkten  zur  Verteidigung  der  Konstan- 
tinopcler  Strasse  aufgeführten  Schanzen.  Am  27.  Dezember  nahm  eine  über 
Temska  auf  dem  rechten  Nisavaufer  vorgedrungene  Abteilung  die  feste  türkische 
Stellung  bei  Nläor.  Als  auch  die  wichtige  Position  auf  dem  Budiii  Del  an 
der  Temskamündung  verloren  war,  gaben  die  Moslims  jede  weitere  ernste 
Verteidigung  auf.  Früher  schon  hatten  die  aus  der  nördlichen  Umgebung  nach 
Pirot  geflüchteten  Türken-  und  Tatarenfamilien  die  Stadt  auf  der  Sofiaer  Strasse 
verlassen.  Am  28.  Dezember  zogen  die  Serben,  welchen  die  erwähnten  Gefechte 
100  Tote  und  583  Verwundete  kosteten,  in  das  sie  jubelnd  begrüssende  Pirot 
ein.  28  Geschütze,  1500  Gewehre  und  200  Gefangene  fielen  in  ihre  Hände. 
Erst  am  5.  August  1878  besuchte  König  Milan  „auf  die  Bitte  der  Piroter"  ihre 
Stadt,  welche  Sitz  der  Kreisverwaltung  blieb.  Früher  gehörten  zum  Piroter  Kaza 
auch  die  1878  zu  Bulgarien  geschlagenen  Bezirke  Trn  und  Breznik;  gegenwärtig 
die  Bezirke:    Vlasotinacki '),    Belopalanacki,    Luznicki    und    Niäavski.      Von    den 


')  Dieser  Bezirk  wurde  1899  dem  Vranjaer  Kreise  zugeteilt. 

14* 


212 


Von  Nis  über  Bcla  Palanka,  Pirot  auf  den  Rakos  usw. 


2500  Moslims,  welche  Pirot  bis  zur  serbisciien  Eroberung  bewohnten,  waren 
1879  neben  7185  Ciiristen  638  geblieben,  aber  auch  diese  wanderten  nach  der 
Türkei;  ihr  stark  empfundener  Abgang  wurde  allmählich  durch  starke  Zuzüge 
aus  der  Umgebung  ersetzt. 

Das  Kriegsjahr  1885  schädigte  Pirot  ungemein.  Nachdem  schon  seine 
Ausfuhr  von  Fett  und  Käse  nach  und  durch  Bulgarien  während  der  Kriegs- 
vorbereitung gelitten,  entschied  sich  unter  seinen  Mauern  der  unheilvolle 
Bruderzwist  zu  Ungunsten  der  Serben.  Als  König  Milans  Truppen  durch  die 
bulgarischen  Siege  bei  Slivnica,  Dragoman  und  Caribrod  zurückgedrängt  waren, 
erschien  die  bulgarische  Armee  vor  Pirot.  Seine  Besetzung  erfolgte,  nachdem 
die  Serben  am  26.  November  nachts  die  Zitadelle  mit  Dynamit  gesprengt  und 
unter  hartnäckigem  Artilleriefeuer  ihren  Rückzug  auf  Bela  Palanka  und  Knjazevac 
angetreten,  am  27.  November  abends,   in   derselben  Nacht  wurde   es  geplündert. 


Flüchtende  Tatiren 


Die  Ankunft  des  Fürsten  Alexander  am  folgenden  Tage  beendete  diese  Aus- 
schreitungen einzelner  Truppenabteilungen;  jene  des  österreichischen  Diplomaten 
KhevenhüUer  aber  den  beklagenswerten  Krieg. 

Der  Ausbau  der  Belgrad  — Niser  Linie  nach  Sofia  brachte  wieder  Leben 
in  die  hartbetroffene  Stadt.  Und  als  der  stark  besetzte  Belgrader  Zug  am 
20.  September  1889  mit  den  Teilnehmern  des  Schützenfestes  auch  mich  in  das 
festlich  geschmückte  Pirot  führte,  erinnerten  nur  wenige  Spuren  an  die  schlimmen 
Kriegstage,  welche  es  durchgemacht.  Die  schlechte  türkische  Nigavabrücke  war 
durch  einen  60  m  langen,  auf  vier  Steinpfeilern  ruhenden  schönen  Oberbau  ersetzt 
worden;  allerorts  erschienen  Neubauten  zwischen  renovierten,  das  Hotel  „Zum 
serbischen  König"  wartete  auf  den  grossen  Fremdenzuzug,  welchen  man  sich 
von  der  Eröffnung  des  Schienenwegs  versprochen  hatte.  Leider  „arbeitete"  es 
nicht,  und  die  nach  einem  frischen  Trünke  lechzenden  Schützen  waren  auf  eine 
benachbarte  Mehana  verwiesen.  Es  gab  heimisches  Bier  und  trefflichen  Rotwein, 
den  man  zum  erstaunlich  billigen  Preise  nach  dem  Gewichte  mit  20  c  die 
Oka  —  K)  Kreuzer  für  1,28  Liter  bezahlte.  Freunde,  die  sich  lange  nicht 
gesehen,  trafen   hier   zusammen.     Sodann    ging    es  zur  Kirche.      Mit   fliegenden 


Von  Nis  über  Bcia  l'alanka,  Pirot  auf  den  Rakns  usw. 


213 


Fahnen,  unter  Hörnerklang  und  Militärmusik  ordneten  sich  bei  dem  seines  Helmes 
und  Schlagwerks  beraubten  Uhrturme  schmucke  serbische  Offiziere  aller  Grade 
mit  Hunderten  aus  Serbiens  Städten  herbeigeströmten  Schützen  zum  Zuge.  Diese 
Pause  bis  zur  Eröffnung  des  Schiessens  benutzte  ich,  um  meine  Erinnerungen 
an  das  seit  1871  nicht  betretene  Pirot  aufzufrischen.  Der  liebenswürdige 
Bezirkskapetan  Proka  Knezevic  widmete  sich  mir  als  kundiger  Begleiter. 

Zunächst  stiegen  wir  zum  Kaleh  hinauf.  A.  v.  Huhn,  ein  Augenzeuge  des 
serbisch-bulgarischen  Krieges,  beschrieb  seine  Sprengung:  „Plötzlich  wurde  die 
ganze  Gegend  in  feurigem  Glänze  erhellt,  ein  Blick  rückwärts  zeigte  eine  ungeheuere 
Feuergarbe,  welche  hoch  zum  Himmel  aufstieg,  einige  Sekunden  stand  und  dann 
in  sich  zusammensank.  Dann  herrschte  wieder  dunkle  Nacht  und  es  währte 
noch  einige  Sekunden,  bis  ein  dumpfer  Knall  sich  hören  liess.  Dieses  Ereignis 
hatte  in  seiner  unerwarteten  Plötzlichkeit  und  Grossartigkeit  etwas  Erschreckendes." 


_J 


PIROT.    Türkische  Brunnenplatte. 


Durch  die  E.xplosion  wurde  das  Haupttor  des  Kastells  zerstört,  seine  Mauern 
und  Türme  barsten;  nur  der  oberste  Teil  blieb  erhalten  und  dient  nun  als 
Pulvermagazin.  Ich  sah  zwei  riesige  Bleikluinpen  von  mit  Bajonetten  und 
Gewehrläufen  zusammengeschmolzener  Munition,  daneben  lagen  zerbrochene 
türkische  Inschriftsteine  und  Embleme,  welche  den  Eingang  geziert  hatten.  Und 
wie  hier  das  furchtbare  Dynamit,  hatte  die  Menschenhand  im  einstigen  Moslim- 
quartier  gewütet.  Die  Sultan  Mehemed- Moschee  wurde  in  ein  Militärmagazin 
verwandelt,  das  zweikuppelige  Bad  halb  zerstört  und  die  lieblichen  Hausgärtchen 
grösstenteils  rasiert.  Auf  der  freigewordenen  Strasse  entstanden  allerdings  mit  Hilfe 
des  1888  gegründeten  Hilfs-  und  Sparvereins,  der  1905  schon  13,8  Mill.  d  umsetzte, 
viele  Privathäuser,  und  in  der  langen  Sofiastrasse  ein  hübscher,  einstöckiger 
neuer  Schulbau  mit  15  Fenstern  Fronte,  zwei  Risaliten,  Glockentürmchen  und 
grossem  Turnplatze  für  die  vierklassige  Volksschule  und   das  Gymnasium. 

Unfern  zeigte  mir  mein  Begleiter  Dr.  Valentas  sechsfensteriges  Parterre- 
geschoss,  das  kurz  nacheinander  König  Milan  und  Fürst  Alexander  bewohnten.  Der 
benachbarte  Kaimakamkonak,   in  dem  ich   1871    die   Paschas  von   Ni.s,    Sofia  und 


214  Von  Nis  über  Bela  Palniikn,  Pirol  auf  den  Rakos  usw. 

Pristina  besuchte,  dient  weiter  als  Bezirksamt  für  den  grossen  Nisavski  srez,  der 
(1905)  in  30  Gemeinden  80  Orte  und  (Pirot  ungerechnet)  50535  Seelen  zählt.  Die 
alte  Kirche  „Rozdestvo  Hristovo"  blieb,  wie  Partenije,  der  letzte  fanariotische 
Bischof  aus  Dibr,  sie  veriiess.  Ihm  folgte  der  Bulgare  Evsfatije  aus  Elena,  welcher 
die  neue  Kirche  Sv.  Trojica  den  national-kirchlichen  Strebungen  dienstbar  machte. 
Noch  heute  steckt  viel  Sympathie  für  das  Bulgarentum  in  der  älteren  Generation, 
was  sie  in  Konflikte  mit  dem  serbischen  Regiment  brachte,  und  auch  der  Kompass 
der  jüngeren  gerät  noch  in  oszillierende  Bewegung.  Vor  wenigen  Jahren  erhielt 
ich  von  einem  zu  Zürich  sich  bildenden  jungen  Piroter  das  schriftliche  Bekenntnis, 
er  finde  sich  in  bedauerlichem  Konflikte  mit  seinem  Nationalgefühl  und  wünsche 
zu  erfahren,  ob  die  Piroter  der  serbischen  oder  bulgarischen  Nationalität 
angehörten!  —  Ich  werde  auf  diese  schwierige  ethnographische  Frage  noch 
zurückkommen,    obschon  sie  politisch  heute  belanglos  ist. 

Auf  dem  nahe  beim  Kastelle  liegenden  Schiessplatze  wurde  die  letzte  Hand 
an  die  Ausschmückung  der  im  Tiroler  Stile  gezimmerten,  mit  Fahnen  und  Reisig 
geschmückten  Halle  und  ihrer  drei  Stände  gelegt.  Als  „Beste"  für  den  vier 
Tage  dauernden  Wettbewerb  hatte  König  Milan  aus  der  Ferne  ein  reich  vergoldetes 
Silberservice  im  Werte  von  tausend  Franken  gesendet.  Den  zweiten  Preis 
bildete  ein  zu  Kragujevac  prächtig  gearbeitetes  Mauser-Koka-Gewehr;  ausserdem 
konnten  10  der  berühmten  Piroter  Teppiche  und  andere  lockende  Objekte 
gewonnen  werden.  Bei  dem  durch  liebenswürdige  Frauen  verschönten  Festmahle 
wurde  auch  auf  mein  Wohl  und  den  glücklichen  Ausfall  meiner  Reise  getrunken. 
Kapetan  Knezevic  hatte  alle  Vorbereitungen  für  dieselbe  getroffen.  Der  bequeme 
Wagen  des  Bezirksarztes  Dr.  Dinic  wartete  vor  dem  Tore,  mein  Begleiter, 
Kreisingenieur  Balta,  erklärte  sich  fertig;  doch  die  Trennung  von  den  vielen 
Freunden,  welche  das  Fest  nach  Pirot  gebracht,  war  nicht  leicht.  In  gehobener 
Stimmung  veriiess  ich  die  Stadt. 

Man  denke,  ein  Schützenfest  nach  occidentalem  Zuschnitte  auf  serbischem 
Boden  und  gar  zu  „Sehir  koi",  in  dieser  einstigen  Hochburg  islamitisch- 
fanariotischer  Herrschaft,  deren  Segnungen  ich  selbst  dort  erfahren!  —  Möge 
der  jähe  Wandel  allezeit  Pirot  zum  Heile  gereichen.  1896')  zählte  es  wieder  in 
1988  Häusern  nahezu  10000  Bewohner,  darunter  230  Ackerbauer  und  Gärtner, 
33  seiner  berühmten  Gold-  und  Waffenschmiede,  154  Leinwand-,  Teppichweber 
und  Färber,  273  Schneider  und  Stickerinnen,  270  Kaufleute,  Spezerei-  und 
Obsthändler,  8  Advokaten,  22  Professoren  und  Lehrer,  4  Aerzte,  9  Geistliche  usw. 
Von  Fremden  leben  dort  40  Slaven,  22  Deutsche,  14  Rumänen,  9  Ungarn, 
5  Italiener  usw.  Katholiken  gab  es  39,  Protestanten  5,  Israeliten  266,  Mohammedaner 
272,  unter  diesen  aber  nur  mehr  13  Türken,  von  welchen  einer  drei  Frauen 
besass.  Die  Garnison,  41  Offiziere,  60  Unteroffiziere,  406  Soldaten,  trägt  viel 
zur  Belebung  der  städtischen  Gewerbe  jeder  Art  bei. 

Das  lustige  Stutzenfeuerecho  der  um  den  Preis  ringenden  Schützen  begleitete 
uns  bis   auf  die   Höhen  von   Blato.     Wir   stiegen    über  300  m    das  Kalkplateau 


•)  Nach  der  Zählung  von  1905  hatte  Pirol  in  2027  Häusern  10010  Bewohner. 


Von  Niä  über  Bein  Palaiika,  Pirot  auf  den  Rakoä  usw. 


215 


aufwärts  bis  zum  neuen  Strassenhan  auf  der  Wasserscheide  und  rollten  sodann 
im  raschen  Tempo  an  Gornje  Krnjino  und  seiner  südöstlichen  Kastellruine 
vorbei,  über  auflagernden  Sandstein  200  ni  südlich  hinab  zum  3  St.  fernen 
Bezirksorte  Babuänica.  Die  auffallend  helle  Beleuchtung  seiner  isolierten 
Mehana  deutete  auf  aussergewöhnlichen  Besuch.  Wahrlich,  das  Kismet  begünstigte 
mich  auffällig  an  diesem  Tage.  Angenehm  überrascht,  traf  ich  in  der  kleinen 
Wirtsstube  den  General  Anta  Bogicevic,  den  Generalstabschef  Oberst  Jovan 
Miskovic,  die  Obersten  Mihail  Magdalenic,  Svetozar  Ljocic  und  Major  Dragomir 
Vuckovic  beim  Abendbrote  versammelt.  Das  Studium  der  bulgarischen  Grenze 
hatte  die  Herren  in  dieses  abseits  liegende  Tal  geführt.  Heitere  Gespräche, 
nützliche  Winke  für  meine  Forschungen  und  köstlicher  Caj  kürzten  den  Abend. 
In  später  Stunde  geleitete  mich  der  sreski  Kapetan ')  in  das  mir  eingeräumte 
Bezirkshaus,  ein  karaulartiger  Bau  mit  zwei  grossen  Räumen  und  niederen  Türen 


Bezirkshaus  zu  Rabusnica. 

im  oberen  Stockwerke.  Es  war  die  einstige  Kula  Abdulah  Begs,  von  welcher 
er  das  grösstenteils  ihm  gehörende  prächtige  Umland  übersah  und  beherrschte. 
Wer  die  Geschichten,  die  sich  in  solch  altem  Türkenkonak  abgespielt,  erzählen 
könnte!  immerhin  liess  Abdulah  ein  besseres  Andenken  als  Suleyman  Beg 
zurück.  Unter  serbischem  Regimente  wollte  er  aber  nicht  leben.  So  verkaufte 
er  seinen  Besitz  dem  Dorfe  für  den  Spottpreis  von  1800  Dukaten  und  zog 
nach  Asien.  Die  aus  7  Orten  bestehende  Gemeinde  Babusnica  zählt  (1905) 
in  350  Häusern  über  2600  Seelen;  das  Bezirkszentrum  selbst  nur  24  mit  etwa 
140  Seelen.  Es  ist,  da  es  keine  eigene  Kirche  besitzt,  zu  der  1847  erneuerten 
alten  Sv.  Trojicakirche  zu  Zlokucane  mit  7  anderen  Orten  eingepfarrt.  An  der 
Babusnica  berührenden,  über  Svodje  nach  Vlasotinci  führenden  trefflichen  Strasse 
liegt  3  km  S.  das  uralte,  1868  renovierte  Kloster  Sv.  Petka,  dessen  1880 
verweltlichte  Kirche  der  Gorcincer  Pfarre  zugewiesen  wurde. 

Der  nächste  Morgen  versprach  das  Beste  für  die  geplante  Ersteigung  des  Rako§. 
Den  Weg  entlang   der  Luznica   und   über  die   durch   Buchen-   und   Eichenstände 


')  Bezirksvorsteher. 


216  Von  Nis  über  BcK'i  Palniikn,  l'irot  auf  den  Rakos  usw. 

verschönte  fruchtbare  Wasserscheide  nach  Mokro  hatten  schon  die  Römer  gei<annt 
und  durch  Warttürnie  j;;eschützt.  Ihre  Ruinen  bheben  auf  den  Vorhöhen  des 
westlichen  1140  ni  hohen  Crni  Vrh,  bei  Provaijenik  und  Resnik  erhalten. 
Östlich  von  letzterem  „Gradiste"  erwartete  uns  der  vorausgeeilte  Bezirkshauptmann 
Tanasije  Rasic  mit  den  Pferden  beim  Gemeindehause  von  Strizevac.  Der  Schreiber, 
wie  gewöhnlich  ein  gedienter  Unteroffizier,  klagte  über  die  grosse  Arbeitslast.  Die 
Gemeinde  zählte  530  Steuerzahler,  welche  sich  auf  noch  7  weitere  Orte  (Sljivovik, 
Beziste,  Resnik,  Bratisevac,  Provaijenik,  Gornje  und  Donje  Krnjino)  im  Umkreise 
von  8  km-  verteilten.  Wir  gingen  auf  das  rechte  Belavaufer  über,  ritten  sodann 
abwechselnd  durch  Wiesengrund  und  für  die  Pferde  gefährliches,  stark  klippiges 
Kalkterrain  6  km  W.  aufwärts  zu  einer  weitgedehnten  trichterartigen  Mulde.  Ihre 
nördliche  Umrandung  bildeten  die  mit  Felsen  besäten  Abstürze  der  Kalkzinnen 
des  1441  ni  hohen  Rakos,  südlich  die  frischgrünen  Buchenwälder  des  Javor  und 
der  Rudovica.  Im  Zentrum  des  stark  zerrissenen  Planes  fliesst  von  der  „Cesma 
Rakos"  auf  der  Suva  Planina  in  solcher  Höhe  seltenes  kostbares  Wasser  ab.  Bei 
diesem  gelangten  wir  zuerst  an  eine  Käserei  und  sodann  in  das  von  „Crnovunci" 
bewohnte  improvisierte  Hüttendorf. 

Janja  Todorovic,  das  aus  Poliros,  nahe  dem  albanesischen  Joanina  (Janina) 
stammende  Oberhaupt  der  interessanten  Niederlassung,  bat  uns  in  der  ihm  wenig 
geläufigen  serbischen  Sprache,  mit  seiner  schlechten  Hütte  vorlieb  zu  nehmen. 
Unsere  Panduren  erhandelten  ein  Schaf  für  5  d.  Während  sie  die  Mahlzeit 
bereiteten,  besuchte  ich  die  Sennwirtschaft  dieser  ethnographisch  im  11.  Kapitel 
des  111.  Bandes  eingehend  geschilderten  gastfreundlichen  „Cincaren".  Der  slavische 
Namen  „Crnovunci"  der  sich  auch  „Grci"  (Griechen)  gern  nennenden  Cobani" 
(Hirten)  stammt  von  ihren  „schwarzwolligen"  Schafen,  die  sie,  weil  stärker  als  weisse, 
bevorzugen.  Auf  meinen  18  Passagen  der  Balkankette  traf  ich  „Crnovunci"  im 
Sommer  1871  nur  im  Zentralbalkan.  Sie  schlagen  aber  ihre  Wanderlager  auch 
auf  der  Rhodope,  am  Südfusse  des  Kopaonik,  im  klassischen  Olympos  und  anderen 
grasreichen  Gebirgen  auf.  In  Serbien  soll  es  im  Toplicaer,  Piroter,  Niser  und 
Vranjaer  Kreise  etwa  135  mazedo-vlachische  Familien  mit  einem  Herdenbesitze 
von  34000  Schafen  und   1900  Pferden  geben. 

Seit  der  Rakos  serbisch  geworden,  beziehen  ihn  alljährlich  am  1.  Mai  (a.  St.) 
14  Crnovunci-Familien,  welche  seine  in  den  Wäldern  zerstreuten,  vier  Dörfern 
gehörenden  Weiden  für  ihre  3000  Schafe  und  180  Pferde  um  150  Dukaten  Jahreszins 
pachteten.  Oben  angelangt,  schlagen  die  Männer  sofort  das  nötige  Holz,  aus 
dem  die  Frauen  für  jede  Familie  eine  besondere  Hütte  mit  grossem  Geschick 
zimmern.  In  drei  Tagen  ist  das  selo  (Dorf)  fertig.  Die  Herden  verteilt  man  in 
den  farnreichen  Buchenwäldern,  wo  sie  ihre  Lieblingspflanzen  Kukurek  (Niess- 
wurz),  Kupina  (Brombeerstrauch),  Mlec  (Wolfsmilch)  usw.  in  Menge  finden.  Der 
grösste  Teil  des  Milchertrags  wird  aber  durch  Unternehmer  zu  „Kaskavalj",  eine 
Art  fester  Schweizerkäse,  für  Salonik,  Adrianopel  oder  Konstantinopel  verarbeitet. 
Auf  dem  Rakos  traf  ich  zwei  Griechen,  welche  von  dem  die  Hirtengenossenschaft 
vertretenden  Janja  die  Milch  zu  13  Cent,  per  Kilogramm  erstanden  und  am 
19.  Mai  in  ihrem  grossen  luftigen  Hüttenbau  die  Käseproduktion  begonnen  hatten. 


Von  Nis  über  Bela  Palnnka,  Pirot  auf  den  Kakcis  usw 


21' 


10  kg  Milch  geben  durchschnittlich  9,5  i<g  Käse  und  0,3  i<g  Schmalz.  Der 
Prozess  bedarf  einer  gewissen  Sorgfalt.  Man  schüttet  600  kg  Milch  in  einen 
Bottich  und  wirft  den  dritten  Teil  eines  Lamm-Magens  als  siriäte  (Käselab)  zur 
Säuerung  hinein.  Nach  einer  Stunde  wird  die  Masse  durch  einen  mit  Leinen 
überspannten  Reif  gedrückt  und  das  Wasser  abgeschüttet.  Die  unten  bleibenden 
festen  Teile  werden  durch  Steine  beschwert,  in  kleine  Stücke  zerschnitten,  diese 
in  einer  Krosnja  (Korb)  durch  eine  Minute  in  siedendem  Wasser  belassen.  Hierauf 
knetet  man  die  durchweichte  Masse  mit  den  Händen,  bis  keine  Risse  in  derselben 
zu   sehen   sind,    und    prcsst   sie    in   Kalups   (hölzerne   Formen)    zu    den    üblichen 


Kaskavaljkäse-Verpackiing  auf  dctu  Rakos. 


niederen  Laiben.  Auf  dem  Rakos  zeigten  sie  die  Initialen:  K.  C.  P.  P.  ^  Kola 
Ciric  &  Poto  in  Pirot.  Wenn  die  Laibe  sechsmal  jeden  dritten  Tag  gesalzen 
und  mit  kaltem  Wasser  gewaschen  worden,  ist  der  Kaskavalj  regelrecht  fertig. 
Am  13.  August  wird  mit  der  Verpackung  in  starken  Leinwandsäcken  und 
dem  Transporte  auf  den  Crnovunci- Pferden  nach  Pirot  begonnen  und  dort 
die  fertige  Ware  mit  1.20  d  per  kg  zum  Weitertransport  übergeben.  Nach 
Konstantinopel  kostet  die  Bahnfracht  per  kg  24  Cent.  Serbien  erhebt  als  Exportzoll 
4,5  Cent,  und  1  Prozent  vom  Werte,  Bulgarien  transito  nichts,  die  Türkei  aber 
11  Cent.  Einfuhrzoll  per  kg,  das  zu  Konstantinopel  durchschnittlich  mit  1.75  d 
verwertet  wird.  Der  Händlergewinn  ist  bescheiden;  doch  summiert  er  sich  durch 
die  bedeutenden  Quantitäten,  welche  einzelne  Firmen  absetzen.  Das  Haus  Djordje 
Kaplanoglu  bezieht  allein  aus  dem  Balkan  und  Mazedonien  200000  kg  Kaskavalj. 


218  Von  Nis  über  Bcla  Painnkn,  Pirot  auf  den  Rakos  usw. 

Der  Verkauf  lebender  Schafe  bildete  früher  eine  Haupteinnahme  der 
serbischen  Crnovunci.  Man  rechnet  auf  500  Stück  einen  jährlichen  Zuwaciis  von 
300,  von  weichen  250  gewöhnlich  im  Herbst  auf  dem  Markt  in  Adrianopel  zu 
12  d  Gold  verkauft  wurden.  Dies  änderte  sich  seit  dem  Kriege,  seit  1885,  als  die 
Bulgaren  den  Viehdurchtrieb  nach  der  Türkei  erschwerten.  Es  blieb  nur  die 
Ausfuhr  über  Vranja  nach  Kumanovo  oder  Skoplje,  wo  höchstens  5—6  d  für 
einjährige  Schafe  bezahlt  werden.  Auch  die  Produktion  von  maslo  (Schmalz)  für 
die  Türkei  litt  stark.  Es  wird  in  Bocksschläuche  eingegossen,  ebenso  die  vom 
Hause  mitgenommene  Tarana  (Maismehl),  welche  während  des  fünfmonatlichen 
Sommerns  auf  den  unwirtlichen  Höhen  die  Hauptnahrung  der  meist  sich  mit  etwas 
sir  (Topfen)  und  maslo  (Fett)  begnügenden  Crnovunci  bildet.  Ausserdem  werden 
dicke  Wolldecken,  Kessel,  Molkereigefässe,  Krüge  und  anderes  unentbehrliches 
Gerät  den  Pferden  aufgeladen.  Einige  Männer  tragen  Waffen,  weil  vom  Balkan 
nach  der  Suva  Planina  wechselnde  Bären  nicht  selten  sind.  Den  Wölfen  zeigen  sich 
die  kampfgeübten  wilden  Hunde  gewachsen;  doch  trotz  strenger  Hut  fügen  die 
häufigen  Raubtiere  den  Herden  in  nächtlichen  Überfällen  grossen  Schaden  zu. 
Hat  man  keine  besonderen  Unglücksfälle  zu  beklagen,  wird  der  Beginn  der 
Schafschur  freudig  mit  Gesang,  Tanz  und  Flintenschüssen  gefeiert. 

Obschon  auch  die  Crnovunci  ihre  Verwandtschaft  mit  der  lateinischen  Rasse 
im  Typus  nicht  verleugnen,  tritt  sie  doch  nicht  so  charakteristisch  wie  bei  den 
Rumänen  auf  dem  linken  Donauufer  hervor.  Die  Männer  sind  meist  von  kleiner, 
gedrungener  Gestalt.  Den  von  zartester  Jugend  an  zu  hartem  Wander-  und 
Arbeitsleben  verurteilten  Frauen  fehlt  die  Schönheit  und  graziöse  Bewegung,  welche 
ihre  rumänischen  Schwestern  den  Italienerinnen  nähert.  Die  häufigen  Wetterstürze 
auf  den  hohen  Alpenweiden  zwingen  die  Crnovunci,  sich  in  warmes  Aba  zu  kleiden. 
Die  Frauentracht  wird  durch  die  vielen  übereinander  angezogenen  dicken  Jacken 
und  Röcke  unschön.  Malerischer  ist  der  aus  weissem  Tuche  gefertigte,  schwarz- 
bebortete  männliche  Anzug,  über  den,  wenn  es  kalt,  noch  ein  dicker,  schwarzer 
Lodenrock  mit  Schlitzärmeln  und  Kapuze  getragen  wird.  Die  ganze  Familie, 
Männer,  Frauen,  Kinder,  schläft  angekleidet  neben  dem  stets  „lebendig"  erhaltenen 
Herdfeuer.  Wenn  im  September  durch  die  Lücken  der  schadhaft  gewordenen 
Hütte  der  Wind  braust  und  Regen  niederfällt,  dann  hüllt  man  sich  überdies  noch 
in  dicke  Wolldecken.  Mitte  Oktober  ist  alle  Lust  und  Qual  dieses  eigentümlichen 
Sennerlebens  vorüber.  Am  13.  November  erfolgt  der  Abzug  nach  den  heureichen 
Talebenen  an  der  Nisava  und  Toplica,  in  welchen  man  bis  zum  Djurdjev  dan 
(Georgstag)  bleibt,  um  dann  wieder  auf  die  grünen  Waldhöhen  zu  wandern. 

Das  heimtückisch  eingebrochene  Unwetter  nagelte  uns  bis  zum  nächsten 
Morgen  in  Janis  Hütte  fest.  Wie  gut,  dass  wir  seinen  Rat  befolgt  und  schon 
mittags,  trotz  der  Schwüle,  die  Rakoskuppe  bestiegen  hatten.  Eine  Stunde  ritten 
wir  aufwärts,  mussten  dann  aber  die  Pferde  wegen  der  immer  häufigeren  scharf- 
kantigen Felsen  zurücklassen.  Ich  betrat  hier  ein  steilgeböschtes,  vegetationsarmes 
„Karstgebiet"  mit  scharfkantigen,  typischen  Karren,  wie  ich  solche  nur  in  Istrien 
und  Montenegro  gesehen.  Über  und  zwischen  glatten  Kalkstufen  ging  es  noch 
40  Minuten  lang  zum  1482  m  hohen  Rakosplateau.    Die  Aussicht  gegen  W.  und  S. 


Von  Nis  über  Bela  Palanka,  Pirot  auf  den  Rakos  usw. 


219 


sperrten  höhere  Suva  Planina-Kuppcn;  um  so  lohnender  war  sie  in  der  Richtung 
des  Balkans  und  Vitoä,  deren  über  2300  m  hohe,  in  Sonnenlicht  getauchte  Spitzen 
über  die  vorlagernden  dunklen  Waldberge  aufleuchteten.  Leider  kürzte  der  aus 
SW.  plötzlich  anbrausende  Sturm  die  Zeit  zur  Aufnahme  des  Gebirgsprofils,  und 
noch  viel  weniger  war  an  die  Erreichung  des  in  der  Luftlinie  kaum  9  km 
fernen  höchsten  „Trcm"  zu  denken.  Nach  den  eingezogenen  Erkundigungen 
hätten   wir   bis   zu   dieser    1 '/2   Stunden   0.  durch    Wald    und   2'/a   Stunden  über 


Crno\'unci  an  det  R.ikK^-Ccsnia. 


klippiges  Gestein  marschieren  müssen.  Bereits  fielen  schwere  Tropfen,  das 
Firmament  verdunkelte  sich  und  der  Wind  pfiff  in  kurzen  Stössen  so  gewaltsam, 
dass  wir  glücklich  waren,  heil  mit  unseren  stark  mitgenommenen  Pferden  wieder 
die  etwas  geschützter  liegende  Mulde  zu  erreichen.  Die  unter  den  durchlässigen 
Kalkschichten  durchgesickerte  Wassermenge  stürzte  tosend  aus  dem  Schlünde  der 
„Cesma"  und  hatte  ihr  Bassin  zur  Freude  der  Regen  ersehnenden  Crnovunci  in 
einen  kleinen  See  verwandelt.  Ganz  unerwartet  hatte  ich  das  von  Cvijic  trefflich 
charakterisierte  „Karstphänomen"  hier  vor  Augen. 

Weniger  günstig,  gelangten   wir   in   unserer  schadhaften   Hütte   buchstäblich 
vom    Regen    in    die   Traufe.      In   die    Lodenmäntel    gewickelt,    das    aufgespannte 


220  Von  Nis  über  Bcla  Palnnka,  Pirot  auf  den  Rakos  usw. 

Schirnidach  in  der  Haiui,  gequält  von  dem  zuriick}:;eschlagenen  Rauclic  des 
Herdfeuers,  dem  nie  ganz  verstummenden  Hundegebell,  von  vor  dem  Unwetter 
durch  den  Torzaun  zu  uns  flüchtenden  Ferkeln,  Hühnern  und  anderem  Kleingetier, 
verbrachten  wir  in  dem  engen  Räume  mit  Jani  und  seiner  Frau  Despa  —  ihre 
Tochter  Lanibra  blieb  bei  Verwandten  —  die  Nacht  mehr  wachend  als  schlafend. 

Der  Abstieg  zu  Fuss  durch  die  zwischen  den  Kalkklippen  entstandenen 
Wassertümpel  gab  unserem  hart  mitgenommenen  Schuhwerk  den  Rest.  Zu 
Beziste  hielten  wir  in  einem  Hause  Mittag,  dessen  Leute  in  Typus,  Tracht  und 
Sprache  mehr  Bulgaren  als  Serben  glichen,  doch  die  „Slava",  das  Fest  des 
Hauspatrons  feierten,  also  zu  letzteren  zählten,  wenn  man  die  „Slava"  als  aus- 
gesprochene serbische  Sfammeseigentümlichkeit  gelten  lässt,  was  bekanntlich 
buigarischerseits  nicht  zugegeben  wird.  Für  den  erblindeten  Staresina  führte  einer 
der  verheirateten  Söhne  das  Regiment  der  zahlreichen  Hauskommunion,  deren 
Frauen  sich  äusserst  tätig  und  freundlich  erwiesen.  Bis  auf  das  unschmackhafte 
schwarze  Urodicabrot  (Buchweizen)  war  das  rasch  bereitete  Mahl  vortrefflich. 
Hier  schied  der  Kapetan.  Mit  Ingenieur  Balta  und  einem  Panduren  setzte  ich 
die  Reise  talabwärts  fort. 

Nahe  einer  Turmruine  auf  der  823  m  hohen  Jovanova  Ornica  kreuzten  wir 
die  eine  pittoreske  Tonschieferschlucht  durchbrausende  Mokra.  Zwischen  Gornja 
und  Donja  Koritnica  gestalteten  Rebenkulturen,  Nussbäume  und  allerorts  von 
wildem  Hopfen  durchwachsenes  Buschwerk  die  Landschaft  freundlicher.  Wieder 
querten  wir  den  Bach  bei  Divljane  und  traten  in  den  prächtigen  Laubwald,  der 
dem  Dorfe  und  nahen,  für  die  Nacht  uns  gastlich  aufnehmenden  Klostei  „Divljanski 
manastir"   ihre  Namen  gab. 

Die  Heilstätte  soll  ursprünglich  eine  Metochije  der  berühmten  Demetrios 
Lavra  zu  Salonik  gewesen  und  nach  den  Forschungen  des  Belgrader  Metropoliten 
Mihail  durch  den  Wojwodcn  Mrnjavcevic,  also  vor  der  Kosovoschlacht,  gegründet 
worden  sein.  Ihr  auf  der  Tinosinsel  geborener,  vielgereister,  1862  aus  Pyrgos 
nach  Pirot  gelangter  Archimandrit  Agatangel  baute  neben  dem  verfallenen  Konak 
einen  neuen  und  begann  1874  eine  Kirche,  deren  Vollendung  der  Krieg  unterbrach. 
1877  zündeten  türkische  Marodeure  das  neue  Wohnhaus  an,  wobei  leider  zwei 
in  der  Bibliothek  bewahrte  Pergament- Handschriften  verbrannten.  Nach  dem 
Frieden  reichte  das  Einkommen  der  nächsten  mageren  Jahre  zur  Herstellung  des 
Hauses,  aber  nicht  zur  Fortsetzung  des  Kirchenbaues.  Vor  wie  nach  ist  das  am 
Hram  Sv.  Dimitrije  und  hohen  Festtagen  stark  besuchte  Kloster  auf  sein  kaum 
10  ni  langes,  mit  Kalkplatten  gedecktes  Kirchlein  angewiesen,  dessen  Turm  über 
dem  Narthex  vielleicht  eine  Glocke  barg.  Der  heute  benutzte  ist  aus  Holz 
gezimmert. 

Im  Pflaster  der  Kirche  entdeckte  ich  das  Bruchstück  einer  römischen 
Inschrift,  an  anderer  Stelle  waren  zwei  Marmorreliefs  mit  Reitern  und  einer 
Najade  eingemauert.  Vor  dem  Portale  lagen  drei  2  m  lange  Säulenstämme  und 
ein  Brunnenständer,  die  aus  Pirot,  dann  antike  Kapitale,  Basen,  Werkstücke,  die 
von  Bela  Palanka  für  den  Neubau  gebracht  wurden.  Den  besten  Besitz  des  stark 
verschuldeten  Klosters  bildet  sein  für  1400  d  vom  Kaimakam  Hali  Beg  erworbenes 


Von  Ni5  über  Bela  Palankn,  Pirnt  auf  den  Rakoä  usw.  221 

Ciftlik  und  eine  Mühle  mit  drei  Gängen.  Sein  mit  300  Hcl<tar  eingeschriebenes 
Grundeigentum,  bestehend  aus  47  Hektar  Felder  und  Wiesen,  2  Hektar  Obst-  und 
Weingärten,  alles  andere  Wald,  ist  mit  1000  d  Steuern  belastet.  Am  Nordhange 
der  Suva  Planina  sind  Buchen,  Steineichen  mit  vereinzelten  Fichten  und  Föhren 
vorherrschend.  Man  schiesst  dort  viele  Rehe,  Wölfe  und  Bären;  „würden  diese," 
äusserte  scherzhaft  der  Abt,  „im  Steueramte  für  Bargeld  angenommen,  dann 
hätte  ich  weniger  materielle  Sorgen!"  Ich  tröstete  unseren,  die  neuen  Verhältnisse 
kostspielig  findenden  Gastherrn  mit  der  beneidenswerten  Naturpracht  seiner 
Residenz,  von  deren  Aussichtswarte  man  über  der  Babina  Glava  die  fernen 
Sv.  Nikola-Balkankuppen  erblickt. 

Unseren  kaum  3  km  langen  Ritt  am  waldreichen  Suva  Planina- Hange 
nach  Mokra  auf  der  antiken  Strasse,  die  von  Bela  Palanka  unter  der  befestigten 
Kurilovohöhe  durch  die  Mokra-Engschlucht  zur  Vlasina  führt,  verschönte  der 
farbenreiche  Zauber  denkbarster  Herbstpracht.  Im  Namen  des  nur  1,5  Millien 
vom  römischen  Remesiana  entfernten  heutigen  Dorfes  Mokra  blieb  jener  der 
byzantinischen  Bischofsstadt  (S.  190)  Mokros  erhalten.  Diese  erstand  zweifellos 
auf  Remesianas  Ruinen,  welche  sich  von  der  Paviovic  Adamova  gradina  bis  zum 
südöstlichen  Robov  Dol  verfolgen  lassen.  Dort  kommen  antike  Grundfesten  mit 
ganz  ausserordentlich  grossen  und  starken  Ziegeln  in  den  Weingärten  zum 
Vorschein.  Andere  Reste  sah  ich  westlich  im  Acker  des  Djordje  Triskov,  wo 
man  (1881)  in  dem  für  die  neue  Strassenanlage  durchschnittenen  Terrain  drei 
60  cm  breite,  zum  Bache  ziehende  Mauern  in  Abständen  von  1 1  m  biossiegte 
und  unfern  (1887)  sieben  römische  Gräber  aufdeckte,  welche  keramische  Gefässe, 
Bronzefibeln,  Kaisermünzen  usw.  enthielten.  Ein  Teil  der  ausgedehnten  Römerstadt 
lag  also  jedenfalls  hier,  an  der  vom  1400  m  hohen  Suva  Planina-Berge  Preslab 
abfliessenden,   Mokra    durchschneidenden  Wasserader. 

Weiter  ging  es  durch  die  wildromantische  Mokra-Kalkschlucht  über  zwei 
abgezweigte  Mühlarme  in  die  dorfartige  Vorstadt  von  Bela  Palanka,  wo  das 
Weichbild  des  römischen  Remesiana  begann.  Leider  verlor  ich  hier  meinen 
angenehmen  Begleiter  Balta  durch  ein  Niser  Telegramm,  das  ihm  auftrug,  für  die 
Crvena  Reka-Brücke,  welche  die  uns  auf  dem  Rakog  so  übel  mitspielende  Sintflut 
weggerissen,  provisorischen  Ersatz  zu  schaffen  uikI  die  gleichfalls  beschädigte 
benachbarte  Bahnbrücke  sofort  tunlichst  zu  sichern. 


„Was  das  Land  von  Nissa  bis  Sofia  anbetrifft,"  bemerkte  Graf  Virmond  in 
seiner  Relation  vom  Jahre  1761,  „so  besteht  dasselbe  rechter  Hand  der  Strasse 
bis  Drogoman  in  lauter  hohem  Gebirge  und  Wald,  welches  aber  dennoch  in 
Tälern  mit  Christen  bewohnt,  und  befindet  sich  von  Nissa  bis  Pirot  das  sehr 
hohe  Gebirge,  in  lauter  Felsen  bestehend;  bei  Drogoman  wendet  sich  das  Gebirge 
von  der  Strasse  etwas  rechter  Hand  ab,  und  ist  oben  meist  kahl,  linker  Hand 
der  Strasse  aber  gehet  das  mit  Wald  bewachsene  Gebirge  nur  bis  Pirot,  allwo 
sich  das  Stara-Planina  oder  alte  Gebirge  anfängt  und  bis  gegen  Konstantinopel 
geht,   besteht  aber   in   puren    todten   Felsen   so    ganz   kahl,  woher   es    auch    den 


222  Von  Nis  über  Bela  Palanka,  Pirot  auf  den  Rakoä  usw. 

Namen  haben  mag,  unten  in  den  Gründen  der  Felsen  aber,  und  bis  auf  die 
Hälfte  hinauf,  sind  die  sehönsten  Felder,  Wiesen,  Weinberge  und  Waldungen,  daher 
es  auch,  wie  dasige  Bauern  selbst  sagen,  durchgehends  stark  soll  bewohnt  sein." 

Als  ich  1864  von  Bela  Palanka  diesen  Teil  der  Balkankette  bereiste,  stimmte 
die  traditionelle  Darstellung  des  Nisavagebiets  unserer  Karten  mit  Virmonds 
Croquis  wenig  überein.  Auf  allen  Karten  zogen  am  rechten  Nisavaufer  von  einem 
„Crni  Vrh"  genannten  Massengebirge  jähe  Steilmauern  herab,  welche  zwischen 
Pirot  und  Bela  Palanka  kaum  für  eine  menschliche  Ansiedelung  Raum  gaben. 
Auf  der  57  km  langen  Uferstrecke  zwischen  Caribrod  und  Sikje  erschien  in 
Kieperts  bester  Karte  von  1855  nur  ein  Ort,  der  zudem  gar  nicht  existierte,  und 
das  ganze  östlichere  Gebiet  mit  einem  Flächeninhalt  von  etwa  20  Quadratmeilen, 
aber  vollkommen  unbewohnt.  Und  doch  war  Graf  Virmond  nicht  falsch  berichtet 
worden.  Ich  verzeichnete  im  Jahre  1864  auf  dem  fraglichen  Gebiete  nicht  weniger 
als  98  Orte,  und  dieses  erschien,  nach  meinem  Manuskriptcroquis,  auf  Kieperts  Karte 
der  europäischen  Türkei  vom  Jahre  1870,  neben  den  weissen  Flecken  der  damals 
noch  nicht  von  mir  bereisten  östlicheren  Balkanterritorien,  wie  früher  Ägypten  neben 
den  zu  jener  Zeit  gleichfalls  unerforschten  Kongoländern.  Man  staunte  namentlich 
über  die  reiche  Gliederung  und  dichte  Bevölkerung  des  westlichen  Sv.  Nikola- 
Balkanhanges.  Der  „Crni  Vrh",  jene  riesige  Bergbarrikade,  welche  dem  Nisavagebiet 
auf  unseren  Karten  den  Stempel  trostloser  Sterilität  aufdrückte,  gehörte  zu  den 
vielen  fiktiven  kartographischen  Gebilden,  an  welchen  die  Karte  der  südwestlichen 
Türkei  selbst  heute  noch  reich  ist.  Auf  der  Karte  des  Oberstleutnants  v.  Weiss 
(1829)  trat  der  „Crni  Vrh"  zum  erstenmal  in  scharf  ausgeprägter  Gestalt  auf, 
und  seitdem  zeigten  ihn  alle  Karten,  bis  auf  jene  des  Obersten  v.  Scheda,  welcher 
dem  fabulösen  Massengebirge  nach  unbekannter  Quelle  noch  den  zweiten  Namen 
„Tori-Stara-Planina"  gab.  Ami  Bou^  fügte  1840  ein  Fragezeichen  zu  dem  fiktiven 
„Crni  Vrh",  liess  ihn  aber  fortbestehen.')  Er  vermochte  sich  nicht  besser  über 
denselben  zu  orientieren,  da  er  nicht  von  der  grossen  Heerstrasse  abbog.  Der 
französische  Akademiker  Blanqui,  welcher  die  Route  Belogradcik— Pirot  zurücklegte, 
lieferte,  wie  schon  Kiepert  in  der  „Erläuterung"  zu  seiner  Karte  bemerkte,  keinerlei 
kartographische  Daten  für  das  durchzogene  Terrain. 

Es  würde  zu  weit  führen,  wollte  ich  die  Irrtümer  hier  erörtern,  welche  der 
fabulöse  „Crni  Vrh"  als  apokryphe  Fortsetzung  der  Balkankette  veranlasste.  Ich 
verweise  auf  eine  Vergleichung  von  Kieperts  oder  Schedas  älteren  Karten  mit 
meiner  Darstellung  dieses  Gebietes,  und  bemerke  nur,  dass  beispielsweise  die 
Timokquellen  aus  den  südlichen  in  die  nördlichen  Vorberge  des  Balkans  hart 
neben  die  Lomquellen  verlegt  wurden;  läge  ferner  der  „Crni  Vrh"  wirklich  in 
jener  Ausdehnung  und  Höhe  als  riesige  Barrikade  an  der  Stelle,  wie  auf  Schedas 
Karte,  so  hätte  die  Strasse  von  Ni§  nach  der  Donau  gleich  nach  ihrer  Abzweigung 
von  Bela  Palanka  mit  grossen  Schwierigkeiten  zu  kämpfen  gehabt  und  wäre 
schwerlich  gebaut  .worden.  So  zieht  sie  aber,  nachdem  sie  die  Nisavaebene  N. 
durchschnitten,    mit   kurzem   NO.-Abbuge,    über  sanft  ansteigende   Höhen,    deren 


')  La  Turquie  d'Europe,  I,  S.  151. 


Von  Nis  über  Rein  Pnlanka,  Pirnt  auf  den  Rakoä  usw.  223 

fruchtbare,  reiclibevvässerte  Taleinschnitte  die  Ansiedelung  zahlreicher  Orte 
begünstigten.  Mühelos  erreicht  Milhad  Paäas  Poststrasse  das  Babina  Glava-Plateau, 
übersetzt  bei  dessen  kreisförmigem,  1876  und  1877  viel  umkämpftem  Biockhause 
auf  zwei  Brücken  die  von  der  Babina  Glava  herabkommenden  Quellen  des  Svrljiäki 
Timoks  und  bleibt  bis  zur  ersten  Pbststation,  Blockiiaus  Miranovac,  auf  seinem 
rechten  Ufer.  Kaum  eine  Viertelstunde  von  der  Karaula  kam  man  zur  serbischen 
Grenzquarantäne  Pandiralo,  von  der  eine  ziemlich  gute  Strasse  über  die  Tresibaba 
nach  Knjazevac  führt.  Die  hier  anstehenden  petrefaktenreichen  Kalke  gehören, 
nach  den  eingeschlossenen  Korallenrestcn  (Stylocoenia  und  Rhabdophyllia),  die 
in  den  von  mir  mitgenommenen  Proben  bestimmt  wurden'),  der  oberen  Eozän- 
formation an. 

Von  Miranovac  zieht  die  Trace  in  Kurven  aufwärts  zur  einen  prachtvollen 
Ausblick  gewährenden  Karaula  Izvor.  Es  öffnet  sich  hier  ein  prächtiges  Vogel- 
schaubild auf  das  südöstliche  Serbien,  welches  die  Rtanjpyramide  beherrscht. 
Gegen  N.  erblickt  man  aber  den  langgestreckten  Rücken  des  Sv.  Nikola-Balkans 
bis  über  seine  nordwestliche  Fortsetzung  „Ivanova  Livada".  Ich  konnte  hier  den 
Lauf  der  Quertäler  bis  zum  Übergange  vom  Timok  zum  Lom  sehr  gut  verfolgen, 
und  die  Höhe,  welche,  wie  Mauern  zeigen,  ein  antikes  Werk  trug,  wird  eine 
treffliche  trigonometrische  Station  bilden.  Sie  wurde  deshalb  von  mir  ganz 
besonders  unter  den  Punkten  hervorgehoben,  die  ich  Ami  Boue  in  dieser  Richtung 
bezeichnete.'^)  Ich  nahm  vom  Blockhaus  ein  Profil  des  Sv.  Nikola-Balkan  und 
Peilungen  seiner  wichtigsten  Spitzen,  unter  diesen  den  „Babin  Zub"  (Gross- 
muttcrzahn)  mit  einer  vielzinnigen  Burg  gleichendem  Gipfel,  dann  den  „Crni  Vrh", 
einen  niedrigen  Vorberg,  welcher  höchst  wahrscheinlich  zu  dem  apokryphen 
gleichnamigen  Massengebirge  älterer  Karten  Anlass  gab. 

Von  der  Karaula  Izvor  zieht  die  Strasse  durch  das  Tal  des  gleichnamigen 
Dorfes,  das  sich  durch  treffliche  Obst-,  Gemüse-  und  Blumengärten  auszeichnet. 
Hier  entspringt  eine  Hauptader  des  „Trgoviäki  Timok",  daher  der  Ortsname  „Izvor" 
(serbisch  und  bulgarisch  ^  Quelle).  Bei  ihrer  Vereinigung  mit  der  aus  einem 
südlichen  Seitentale  kommenden  Stanjanska  reka  nimmt  die  am  Bachrande 
laufende  Strasse  in  scharfer  Wendung  N.  und  tritt  nach  etwa  20  Minuten  in  ein  ' 
enges  Felsdefilee,  aus  dem  man  wie  durch  ein  Tor  in  das  weitgeöffnete  Kalnatal 
gelangt.  Unmittelbar  bei  dem  am  Ausgange  des  Defilees  postierten  Blockhause 
Kalna  vereinigt  sich  die  Izvorska  mit  der  vom  Crni  Vrh  und  Ravno  Bucje  herab- 
kommenden, Kaskaden  bildenden  Crnovr§ka  reka,  der  Hauptquellader  des  Trgoviäki 
Timoks.  Weiter  geht  es  NO.  mit  häufigen  Krümmungen  zur  zweiten  Poststation 
Berilovac,  mit  wohlgebautem  kleinen  Blockhause,  dessen  türkischer  Kommandant 
mich  freundlich  beherbergte. 

Als  ich  im  Herbste  1870  Berilovac  zum  drittenmal  passierte,  fand  ich  es  durch 
ein  von  zwei  wohlhabenden  Dorfinsassen,  den  Brüdern  Cira  und  Mino  Toäovic, 
gestiftetes   Kirchlein    verschönt.     Ich    übernachtete   bei   Cira,   der  die   Ehrenstelle 

')  Verhandl.  d.  k    k.  geolog.  Reichsanstalt.    Wien  1868. 

'-')  Beiträge  zur  Erleichterung  einer  geogr.  Aufnahme  d.  europ.  Türkei.  Sitzungsber.  d. 
k.  Akad.  d.  Wissensch.    Bd.  LV.     Wien  1867. 


224  Von  Nis  über  Bela  Palanka,  Pirot  auf  den  Rakos  usw. 

des  Corbadzi  bekleidete.  Nichts  verriet,  dass  er  zur  Reihe  der  hochgeachteten 
„Hadzi"  zähle,  ein  gut  Stück  Welt  gesehen  und  eine  Pilgerreise  nach  dem  Athos 
vollbracht  hatte.  „Gott  sei  gepriesen,  jetzt  besitzen  wir  eine  Kirche;  Ihr  habt  recht, 
jetzt  wollen  wir  auch  eine  Schule  bauen,  damit  unsere  Kinder  nicht  so  roh  wie 
wir  aufwachsen!"  meinte  der  intelligente  Corbadzi,  dem  ich  wertvolle  Aufschlüsse 
über  die  Form  türkischer  Steuererhebung  dankte,  welche  weit  mehr  als  die 
Steuerhöhe  die  türkische  Administration  bei  der  Rajah  verhasst  gemacht. 

Berilovac  bildet  den  Gabelpunkt  der  von  Nis  und  Pirot  über  den  Balkan 
zur  Donati  führenden  Strasse.  Von  hier  geht  sie  am  Ravno  Bucje-Bache  mit 
häufigem  Uferwechsel  zur  in  Rundform  erbauten  Karaula  Janja;  erst  bei  dem 
gleichnamigen  Dorfe  tritt  sie  bleibend  auf  das  rechte,  um  in  grossen  Kurven 
bei  fortwährend  starker  Steigung  die  dritte  Poststation,  die  hochliegende  Karaula 
Ravno  Bucje,  zu  gewinnen.  Der  Charakter  dieser  letzten  Wegstrecke  ist  steril, 
denn  die  Gebirge  sind  meist  nackt,  die  Wasserabflüsse  spärlich,  die  nur  von 
Hirten  bewohnten  Ansiedelungen  in  hohem  Grade  ärmlich.  Die  Häuschen  aus 
Rohrgeflecht  sehen  vergrösserten  Kolibas  (Fruchtspeichern)  ähnlich,  sind  mit  Stroh 
gedeckt  und  der  Maler  würde  hier  jedenfalls  erfreulichere  Motive  zu  Studien  als 
der  Volkswirt  finden. 

Hier  im  nordöstlichsten  Teile  des  Timokquellgebietes  wartete  meiner  eine 
neue  kartographische  Überraschung.  An  der  Stelle  des  ärmlichen  Dörfchens 
Ravno  Bucje  zeigten  unsere  Karten  eine  Stadt  Isnebol,  welche  in  dieser  Balkan- 
region, soviel  ich  fragte,  ungekannt  war.  Gänzlich  fiktiv,  war  es  zudem  der 
einzige  Namen  auf  dem  mehrere  Quadratmeilen  umfassenden,  ziemlich  bevölkerten 
Gebiete.  Auch  Dr.  Ami  Boue  erwähnte  oft  diese  nicht  existierende  Stadt  in 
seinen  Werken.  Erst  im  Herbste  1868  erfuhr  ich  im  Rustschuker  Regierungskonak 
des  „Tuna-Vilajets",  dass  Isnebol  der  türkische  Name  des  bulgarischen  Kreis- 
städtchens Trn  NW.  von  Sofia  sei.  Wie  hatte  sich  aber  die  Stadt  auf  unseren 
Karten,  von  der  Morava  so  weit  nach  Norden,  in  die  wilden  Balkanschluchten 
verirrt?  Sie  erschien  zuerst  in  der  Hammer-Übersetzung  von  Hadzi  Chalfas  „Rumeli 
und  Bosna"  begleitender  Karte  (1812),  deren  Zeichner  durch  kühne  Benutzung 
der  von  Chalfa  gegebenen  Daten  auf  lange  Zeit  hinaus  grosse  Verwirrung  in  die 
graphische  Darstellung  des  Haemusgebietes  brachte.  Hammer  lehnte  jede  Ver- 
antwortung für  dieses  Machwerk  ab,  das  er  besser  gar  nicht  hätte  publizieren  sollen. 

Es  bedurfte  vollster  Kraftanspannung  für  unsere  kleinen  Pferde,  um  die 
bei  der  Karaula  Ravno  Bucje  beginnenden,  meist  steil  tracierten  Serpentinen  bis 
zum  1444  m  hohen  Passe  zu  erklimmen.  Da  Milicevic  noch  1883  die  von  mir 
schon  1864  bestrittene  Fabel  erwähnt,  sein  Namen  „Sveti  Nikola"  stamme  von 
einer  nahen,  dem  hl.  Nikolaus  geweihten  Kirche'),  so  wiederhole  ich  hier:  dass 
ich  und  niemand  anders  diese  schon  von  der  Tab.  Peut.  in  ihrer  primitiven 
Weise  hervorgehobene,  in  sich  fest  abgeschlossene  Balkanpartie  nach  dem  auf  der 
Passhöhe   stehenden  Sveti  Nikolakreuz  so  taufte,  weil  ich  bei   ihrer  wiederholten 


')  In   „Kraljevina  Srbija"   äussert  Milicevic  (S.  222):    „nazvani  tako  po  crkvi  Svetoga 
Nikole,  koja  je  tu  blizu"  (!),  ohne  mitzuteilen,  wo  die  fabulüse  nahe  Kirche  steht. 


Von  Nis  über  Bela  Palanka,  Pirot  auf  den  Rnkos  usw.  225 

Passage,  weder  im  dies-  oder  jenseitigen  Gebiete  einen  Spezialnamen  für  dieselbe 
in  Erfahrung  bringen  konnte. 

In  ieiclit  gei<rümmter  Linie  tritt  der  Sv.  Nikoia-Bali<an  durch  den  2186  m 
hohen  Midzor  mit  dem  östlicheren  „Ciporovica-Baikan"  in  Verbindung,  während 
seine  Fortsetzung  gegen  W.,  die  „Zaglavacka  Planina"  mit  ihrem  1814  m  hohen 
„Orlov  Kamen",  die  Wasserscheide  und  Grenze  zwischen  dem  serbischen 
Knjazevacer  Bezirk  und  dem  bulgarischen  Belogradciker  Kreise  bildet.  Den  Südhang 
des  Sv.  Nikola- Balkans  konstituieren  dioritische  und  piazitreiche  quarzitische 
Schiefergesteine,  ferner  ein  Amphibol-Andesit  mit  fast  schwarzer  Hornblende, 
verwitterten  grünlichen  Feldspatausscheidungen  und  violettgrauer  felsitischer 
Grundmasse,  ähnlich  dem  von  Breithaupt  als  „Tymazit"  beschriebenen  Trachyt 
am  Mali  Timok.  Der  südliche  kahle  Sv.  Nikola-Balkan  und  seine  Ausläufer  zeigen 
ein  durch  die  grau-grünliche  Farbe  gesteigertes  untröstliches  Aussehen,  seine 
nördlichen  Abhänge  schmückt  eine  prachtvolle  Vegetation  von  Buchen  und  Eichen, 
welchen  in  den  höheren  Partien  Koniferen  folgen;  die  Gipfel  sind  jedoch  nackt 
und  gewöhnlich  schon  Anfang  Oktober  mit  Schnee  bedeckt.  Über  die  jetzt  die 
serbisch-bulgarische  Grenze  bildende  Passhöhe,  die  Fernsicht  von  derselben  und 
ihre  Befestigung  in  türkischer  Zeit  gibt  mein  „Donau-Bulgarien  und  der  Balkan" 
eingehenden  Aufschluss. 

In  den  letzten  serbisch-türkischen  Kriegen  wurde  um  die  Sveti  Nikola- 
Balkanstrasse,  welche  die  leichte  Truppenverschiebung  von  Knjazevac  nach  Bela 
Palanka,  Pirot  und  in  das  Vidiner  Gebiet  ermöglicht,  heftig  gekämpft.  Unmittelbar 
nach  erklärtem  Kriege  beorderte  General  Cernjajeff  in  widerspruchsvollen,  wiederholt 
abgeänderten,  die  Truppen  zu  nutzlos  abmüdenden  Märschen  führenden  Dispositionen 
seinen  äussersten  linken  Flügel  unter  Oberst  Horvatovic  am  2.  Juli  1876,  die 
türkische  feste  Stellung  auf  der  Babina  Glava  wegzunehmen  und  damit  die  Strasse 
nach  Pirot  zu  öffnen.  Am  1.  Juli  überschritt  die  serbische  Vorhut  die  Grenze, 
am  2.  um  8  Uhr  morgens  erfolgte  ihr  Angriff.  Die  SO.  von  der  Vidiner  Strasse, 
auf  den  Höhen  um  die  feste  Pandiraloer  Karaula  angelegten  Erdwerke  wurden 
jedoch  energisch  verteidigt  und  das  Gefecht  blieb  bis  1 1  Uhr  unentschieden. 
Um  diese  Stunde  traf  Oberst  Becker  mit  der  vordersten  Batterie  von  Cernjajeffs 
Kolonne  ein,  etwas  später  dieser  selbst  mit  dem  Gros.  Nun  brachte  das  serbische 
Artilleriefeuer  das  feindliche  bald  zum  Schweigen  und  ein  Bataillon  der  Brigade 
Knjazevac  nahm  um  2  Uhr  die  Verschanzungen.  Die  ermüdeten  Truppen  nützten 
aber  den  gewonnenen  Vorteil  nicht  aus.  Erst  am  nächsten  Tage  wurde  der 
Marsch  nach  Bela  Palanka  und  Pirot  angetreten;  ihre  Eroberung  gelang  aber  nicht. 
Bald  zwangen  schlimme  Nachrichten  vom  Zentrum  sogar  Horvatovics  Truppen 
zum  Rückzug,  und  der  19.  Juli  fand  die  von  der  Babina  Glava  verdrängten  Serben, 
die  eigene  Grenze  bei  Pandiralo  gegen  den  über  Pirot  und  Bela  Palanka 
heranziehenden  stärkeren  Gegner  verteidigend.  Oberst  Uzun-Mirkovic  befehligte 
die  rasch  verschanzte  Stellung.  Am  19.  Juli  morgens  8  Uhr  wurden  die  aus 
2  Brigaden  Jagodinaer  und  Knjazevacer  Infanterie,  einer  halben  schweren,  einer 
leichten  Fcldbatterie,  2  Zwölfpfündern  und  2  Berggeschützen  bestehende  serbische 
Abteilung   von   den    gegen    ihren   linken   Flügel   vorbrechenden  Türken  mit  8  bis 

F.  KANITZ,  Serbien.    II.  15 


226  Von  Nis  über  Bela  Palanka,  Pirot  auf  dun  Rakos  usw. 

10  Bataillonen  angegriffen.  Trotz  des  von  seiner  Redoute,  der  Batterieschanze  im 
Zentrum  und  aus  den  Schützengräben  unterhaltenen  leibhaften  Feuers  wurden  die 
Serben  aus  dieser  Position  am  Abend  verdrängt.  Am  nächsten  Morgen,  unter 
heftigem  Geschützfeuer  stürmend,  gewannen  sie  aber  dieselbe  zurück.  Die  Türken, 
welche  nach  serbischem  Berichte  30  Bataillone  und  2  Batterien  ins  Gefecht 
brachten,  Messen  54  Tote  auf  dem  Felde;  die  Serben  beklagten  42,  darunter 
2  Offiziere,  und  200  Verwundete.  Leider  vermochte  die  auf  dem  serbischen  linken 
Flügel  und  auch  bei  Knjazevac,  Zajecar,  Negotin  usw.  durchschnittlich  bewiesene 
Bravour  die  Verluste  des  von  Cernjajeff  befehligten  Zentrums  nicht  wettzumachen! 

Erfolgreicher  operierten  die  Serben  im  nächsten  Feldzuge,  1877,  in  dem  das 
obere  Timoktal  am  17.  Dezember  genommen  wurde.  Am  19.  erreichte  Hauptmann 
Glisan  Fronic,  ein  tüchtiger,  1862  aus  Österreich  in  serbische  Dienste  getretener 
Offizier,  mit  3  Bataillonen,  2  Gebirgsgeschützen  und  etwas  Kavallerie  über 
Ravno  Bucje  den  Sv.  Nikola-Pass.  Nach  kurzem  Gefechte  wurden  mit  unbedeutendem 
Verluste  die  etwa  500  Mann  zählenden  türkisch-tscherkessischen  Verteidiger  der 
auf  dem  Sattel  angelegten  drei  Redouten  nach  Belogradcik  gedrängt,  wodurch  die 
serbische  Kolonne  mit  den  jenseits  bis  Cupren  vorgedrungenen  Eklaireurs  der 
russischen  Kavalleriedivision  Arnoldi  und  den  Belogradcik  zernierenden  Rumänen 
Fühlung  gewann. 

Die  gleichfalls  viel  umkämpfte,  vom  Trgoviski  Timok  nach  Pirot  abzweigende 
Balkanstrasse  zieht  von  der  in  diesen  mündenden  Stanjanska  reka,  oft  ihre  Ufer 
wechselnd,  zum  gleichnamigen  Orte,  demgegenüber  ein  sehr  pittoresker  Wasserfall 
mit  etwa  30 — 40  m  hoher  Kaskade  und  halbverfallener  Mühle  als  höchst  malerisches 
Motiv  mich  fesselte.  Von  hier  nimmt  die  Landschaft  einen  rauheren  Charakter 
an.  Die  von  Sugrin  und  den  östlichen  Querschluchten  tosend  abströmenden 
Wasser  erschwerten  den  Strassenbau  erheblich.  Bald  erreichten  wir  die  Cerova 
Karaula,  die  mir  als  vorzüglicher  Observations-  und  Peilungspunkt  für  die 
Timok- Nisava- Wasserscheide  diente.  Abwärts  wurde  das  Bild  freundlicher, 
namentlich  bei  Cerova,  dessen  kleines  Rinnsal  der  Temska  zufliesst.  Vorüber 
an  zwei  ehemals  türkischen  Ciftliks  mit  rcichtragenden  Weingärten  kamen  wir 
zur  Temskabrücke,  von  welcher  man  in  einen  nordöstlichen  Einschnitt  blickt, 
dessen  wildromantische  Kalkfelsen  mit  den  nördlich  aufragenden  Abstürzen  des 
Sv.  Nikola  den  grellsten  Gegensatz  zu  seinem  südwestlichen  flachhügeligen 
Vorlande  bilden.  Bis  zum  Jahre  1871,  in  dem  ich  die  35  Dörfer  und  3  Klöster 
dieses  grossen  Balkantals  in  Karte  brachte,  hatte  man  keine  Ahnung  von  seiner 
Existenz  und  ebensowenig  von  seinem  Hauptorte  Temska,  der  mich  nicht  wenig 
überraschte.  Dehnte  er  sich  ja  mit  seinen  roten  Ziegeldächern  weithin  auf  der 
Stelle  aus,  welche  auf  unserer  damaligen  besten  Karte  die  fiktive  riesige  Crni 
Vrh  einnahm. 

Nordöstlich  von  Temska  liegt  in  der  Steilschlucht  das  Kloster  Sv.  Djordje. 
Im  Kirchlein  dieser  alten  Stiftung  sieht  man  von  1576  datierte  Wandinschriften 
und    alte    Manuskripte.      Nach    Ljuba    Kovacevic')    wurde    das    Kloster    1692 


')  Olasnik,  Bd.  56,  S.  357. 


15* 


Von  Nis  über  Bela  Palanka.  Pirot  auf  den  Rakos  usw.  229 

verwüstet;  das  von  Siilcjinan  dem  Despoten  Stevan  entrissene  und  verstärkte 
Schloss  aber,  nach  dem  Zeugnis  des  Konstantin  Filosof,  durcii  den  Gegensultan 
Musa  erobert  und  zerstört  (1413).  Hier  wurde  der  am  27.  Dezember  1877  beim 
südöstlichen  Niäor  gefallene  Hauptmann  Aliiutin  Karanovid  nahe  der  Altarnische 
begraben.  Auf  der  nahen  „Straza"  befindet  sich  das  „dzidsko  groblje",  ein  alter 
Friedhof,  in  dessen  ausgemauerten  Grabkannnern  man  bisher  nur  Skelette  ohne 
Beigaben  traf.  Der  1875  renovierten  Kirche  Sv.  Trojica  sind  Temska  und  Rudinje 
zugewiesen.  Das  Kloster  besitzt  36  Hektar  Felder  und  Wiesen,  5  Hektar  Obst-  und 
Weingärten,  28  Hektar  Wald,  eine  grosse  Mühle,  250  Ziegen,  120  Schafe  usw. 
Ob  die  nahe  angeschürfte  Kohle  abbauwürdig,  ist  noch  nicht  entschieden.  Der 
von  einem  Mönche  unterstützte  Iguman  verfügt  über  ein  Jahreseinkommen  von 
4000  d,  dem  die  Ausgaben  entsprechen. 

Von  der  Ruinenstätte  unterhalb  der  Begbrücke,  welche  ich  besuchte,  geht 
die  Sage,  dass  dort  eine  „grosse  lateinische  Feste"  stand,  Reste  ihrer  vorgeschobenen 
Wachttürme  sieht  man  am  Temska-Oberlaufe.  Auch  auf  der  östlichsten  serbisch- 
bulgarischen Grenzspitze,  wo  vom  1570  m  hohen  Prelesje  der  gleichnamige 
Bach  zur  Temska  abfliesst,  befinden  sich  ausgedehnte  Mauern  nahe  der  Balkan- 
Wasserscheide.  SW.  von  Rosomaca  krönt  am  linken  Klisuraufer  eine  Schlossruine 
den  1170  m  hohen  Grenzberg  Slavej  bei  Rsovci,  und  ebenso  tragen  einige 
Höhen  südlich  von  Paklestica  Mauern  antiker  Werke.  Mysteriöse  Sagen 
umweben  die  zwischen  den  letztgenannten  Orten  befindliche  „Via  dikina  Ploca" 
(Bischofsplatte),  andere  haften  an  der  Stiftung  des  uralten  Sv.  Nikola-Kirchleins 
in  Dojkinci  und  an  dem  „Maria  Geburt"  geweihten  alten  Kloster  bei  Rzana, 
für  dessen  gestattete  Erneuerung  1853  den  Türken  700  Piaster  bezahlt  werden 
mussten.  Es  zieht  sein  karges  Einkommen  von  1800  d  aus  dem  Ertrage  von 
80  Joch  Feldern  und  Wiesen,  einer  Mehana,  kleiner  Mühle  und  frommen  Gaben. 

Von  Temska  führen  einige  Steilserpentinen  hinab  zur  Nisava,  auf  deren 
rechtem  Ufer  mich  die  nahezu  geradlinig  S.  laufende  Strasse  nach  Pirot  brachte. 
Von  diesem  zog  ich  am  28.  August  1871  die  es  besäumenden  nordöstlichen 
Höhen  hinan.  Ein  jetzt  in  Ruinen  liegendes  Schloss  beherrschte  einst  den  Talpfad, 
welcher  an  der  Gradaänica  aufwärts,  vorbei  an  einer  Therme  am  Vitanovfelsen, 
zum  Kastelle  von  Dobridol  führte.  Zur  besseren  Orientierung  über  das  damals 
wenig  gekannte  Terrain  wählte  ich  den  schwierigeren  Hochpfad,  von  dem  ich 
nach  einstündigem  Ritte  nochmals  ins  schöne  Nisavatal  blickte.  Wie  wird  es 
durch  den  solange  verzettelten  Schienenweg  nach  Belgrad  gewinnen.  Fortdauernd 
nördlich  aufsteigend,  hatten  wir  bei  Nisor,  einem  kleinen  Dorfe  von  63  Häusern 
in  prächtiger  Lage,  bereits  456  m  über  Pirot  erklommen.  Der  Weg  ging  nun 
NO.  über  frisches  Weideland  mit  hübschen  Eichenständen;  SO.  beherrschte  der 
Ruinen  tragende,  scharf  profilierte,  1353  m  hohe  „Basarski  Kamen"  das 
prächtige  Landschaftsbild. 

Meine  Leute  verkürzten  sich  die  Zeit,  indem  sie  im  Vorüberritte  die 
Haselnussstauden  am  Wege  plünderten.  Es  war  5  Uhr,  als  wir  über  den  936  m 
hohen  Koprivsticasattel  stiegen,  welcher  die  Wasserscheide  zwischen  der  Nisava 
und  Temska  bildet.     Nun  ging  es   hinab  durch   ein   ungemein   pittoreskes   kurzes 


230  Von  Nis  über  Bela  Palanka,  Pirot  auf  den  RakoS  usw. 

Quertal,  dessen  Kalke  primitive  Oefen  verarbeiten,  an  seinem  rauschenden 
Bächlein  hin,  das,  mehrere  Mühlen  treibend,  bei  Zavoj  in  die.Temska  mündet. 
Diese  nimmt  hier  tosend  ihren  Weg  durch  eine  wildromantische  Schlucht.  Die 
weit  zurückreichende  Besiedelung  des  Temskagebietes  bezeugt  ausser  den  vielen 
schon  früher  erwähnten  alten  Burgen  und  Kirchen  auch  Zavojs  alte,  schöne 
Steinbrücke.  Seine  1870  begonnene  Aufnahme  fortsetzend,  gab  es  fortan  viel 
zu  fragen,  viel  zu  tun,  denn  in  den  tiefen,  wasserreichen  Querschluchten  steckten 
zahlreiche  Orte,  welche  zum  erstenmal  in  Karte  gebracht  werden  mussten.  ^) 

Meine  Zapties  schlugen  vor,  in  Velika  Lukanja  mit  sehr  altem  Kloster- 
kirchlein zu  übernachten,  weil  dieses  bessere  Unterkunft  als  die  folgenden  Orte  böte. 
Ich  widerstrebte  auch  diesmal,  mich  von  meinem  Programm  abdrängen  zu  lassen. 
Den  Weg  streng  N.  im  Quertale  der  Gostusa  fortsetzend,  erschien  auf  ihrem 
rechten  Ufer  eine  etwa  120  m  hohe  Kalkwand,  deren  stark  gewellte  Bänder  eine 
grosse  Störung  in  den  ursprünglich  horizontalen  Schichtungen  zeigte.  Wir 
begegneten  nur  wenigen  von  den  mageren  Feldern  zurückkehrenden  Landleuten. 
Der  Menschenschlag  dieser  Täler  ist  hübsch  und  kräftig,  dabei  massig,  arbeitsam 
und  intelligent.  Für  seine  Religiosität  spricht,  dass  nahezu  jede  Gemeinde  eine 
Kirche  besitzt,  mit  dem  Unterricht  sieht  es  aber  schlimm  aus,  erst  auf  drei 
kommt  eine  Schule. 

Das  Gesamtgebiet  zwischen  der  Balkankette  bis  Ni§,  Caribrod,  Trn  und 
den  Temskaquellen  bei  Gubes  hiess  früher  „Torlak"  und  seine  Bewohner  nennen 
sich  noch  heute  „Torlaci".  Sie  unterscheiden  sich  in  Sprache  und  Tracht  von 
den  vom  Ginci-Balkanpasse  bis  südlich  von  Sofia  wohnenden  „Sopci"  und  auch 
von  den  Bulgaren  am  nördlichen  Ciporovica-Balkan,  welche  in  Torlak  „Zagorci" 
genannt  werden.  Vuk  sagt:  „Die  Torlaci  sprechen  weder  gut  serbisch,  noch 
bulgarisch."  Ihre  Sprache  gleicht  wohl  jener  im  Nisgebiete,  doch  wird  das  k 
und  g  weicher,  wie  c  und  dj,  gesprochen,  so  ruce  für  ruke,  sludje  für  sluge  usw. 
Der  Torlake  trägt  ein  weisses  Hemd  von  Hanfgespinst,  weisstuchene  Benefreci 
(Hosen),  den  kurzen  Jelekrock,  die  ärmellose  Dzuba  und  im  Winter  den  Gunjarock 
mit  Kapuze  und  Ärmeln,  alles  von  Abatuch  und  ausgenäht  mit  schwarzen  Schnüren, 
einen  rotwollenen  Gürtel,  weisse  dicke  Wollstrümpfe,  darüber  Wachstuchgamaschen 
Opanci  aus  selbst  gegerbten  Häuten  und  die  Varetina  (Schaffellmütze). 

Die  Feier  des  Krsno  Ime,  des  Hauspatronsfestes,  unterscheidet  sich  im  Torlak 
wenig  von  der  serbischen;  nur  wird  zum  Mittagessen  mit  Wein,  zum  Abendessen 
mit  Raki  eingeladen.  Bei  der  Hochzeitsfeier  herrscht  der  eigentümliche  Brauch, 
dass  den  Svaten  des  Bräutigams  sich  das  Zauntor  des  Brauthauses  erst  öffnet, 
bis  sie  über  dasselbe  einige  Geldstücke  in  den  Hof  geworfen  haben.  Nun  wird 
nochmals  fest  bestimmt,  was  die  Verlobten  sich  gegenseitig  geben.  Erst  wenn 
dieser  Pakt  klar  gestellt,  wird  die  Braut  durch  ihren  Bruder  dem  abgesandten 
dever  ausgeliefert.  Alles,  auch  die  Braut,  steigt  zu  Pferde  und  reitet  nach  dem 
Hause  des  Bräutigams,  wo  die  Hochzeit  mit  Gesang  und  Trinkgelage  gefeiert 
wird.     Selbstverständlich  lieben  auch  die  Torlaci   gleich   allen  Südslaven   sinnige 


')  Donau-Bulgarien  und  der  Balkan.    2.  Aufl.   II.  Bd.,  S.  289  f. 


Von  Nis  über  Bela  Palanka,  Pirot  auf  den  Rakoä  usw.  231 

Trinkspriiche,  und  einer  der  schönsten,  den  Jungvermählten  ausgebrachten  lautet: 
„Lebet  so  lange  und  werdet  so  weiss  wie  die  Stara  Plaiiina!"  —  wie  der 
schneebedeckte  Balkan.  Die  Torlaci  sind  ungemein  wanderlustig;  teilweise  zwingt 
sie  die  Sterilität  des  mageren  Bodens,  ihr  Brot  in  der  Fremde  zu  suchen.  Im 
Sommer  ziehen  viele  Männer,  Frauen  und  Mädchen  zur  Schnittzeit  auf  10 — 14  Tage 
in  die  serbische  Moravalandschaft  und  nach  Rumänien.  Manche  gehen  nur  Sonntag 
abends  hinab  in  die  Nisavaebene,  arbeiten  dort  die  Woche  und  kehren  am  Samstag 
abends  zu  ihrer  Familie  heim.  Wollweber  (Mutavdzi),  Töpfer  (Grncari)  und 
Ziegelschläger  (Ceremidzari)  wandern  bis  nacii  Kragujevac  und  lehrten  auch  den 
Sumadijern  rationeller  Kohlen  brennen. 

Es  war  spät  am  Abend,  als  unsere  Zapties  in  einem  von  Gostusas  zerstreuten 
Häuschen  gastliche  Aufnahme  für  uns  erhielten,  doch  mussten  die  Pferde,  da  im 
Orte  kein  Stall  vorhanden,  unter  freiem  Himmel  übernachten.  Die  gutmütigen 
Leute  setzten  uns  Brot,  Eier  und  Topfenkäse  vor,  ich  würzte  das  frugale  Essen 
durch  einen  kräftigen  Tee.  Dieser  und  das  Feuer  im  kleinen  Küchenraume 
wärmte  uns  wohltätig.  Um  Mitternacht  wütete  ein  kalter  Nordsturm,  welcher 
durch  die  schlecht  mit  Lehm  verschmierten  Holzwände  über  mein  Lager  strich. 
Zum  Überflusse  waren  die  Ziegen  des  Hauswirts  in  der  anstossenden  Hürde 
meine  Nachbarn;  blieben  sie  einen  Augenblick  still,  begannen  Esel,  Hühner  und 
Katzen  ihr  melodisches  Konzert.  Sehnsüchtig  erwartete  ich  den  Tagesanbruch, 
der  für  den  30.  August  frisch  genug  war;  um  6'/.^  Uhr  verzeichnete  ich  10"  C. 
in  671  m  Seehöhe. 

Unser  Weitermarsch  führte  NO.  über  stellenweise  mit  Mais  bebaute  sanfte 
Höhen.  Bald  stiess  ich  auf  die  auch  hier  am  südlichen  Balkanrand  erscheinende 
Zone  des  Rotliegenden,  deren  ununterbrochene  Erstreckung  vom  Zentralbalkan  bis 
zum  Timok  nunmehr  zweifellos  konstatiert  war.  Allmählich  wurde  der  Weg 
steiler,  wir  ritten  die  hübsch  bewaldete  Turla  hinan,  wo  harter  Kalk  auftrat.  Hier 
begegnete  uns  eine  verspätet  zum  Piroter  Panajir  ziehende  Karawane  aus  dem 
bulgarischen  Zelezna.  Jedes  Pferd  war  mit  zwei  Ballen,  zu  50  Teppichen, 
belastet.  Am  nördlichen  Turlaiiange  lagerte  unter  schiefgestellten  Brettern  ein 
Zaptiepikett,  das  hier  zum  Schutze  der  über  den  Ciporovica-Balkan  ziehenden. 
Kaufleute  für  die  Messdauer  blieb. 

Von  dieser  Vrtibog-Karaula,  1482  m,  erblickte  ich  ein  weites  Amphitheater 
sanftkuppiger  Höhen  mit  schönen  Weideplätzen  und  vereinzelten  Anbauflächen. 
Nordöstlich  trat  zwischen  hochaufstrebenden  Bergen  der  Pass  in  Sicht,  dem  wir  nun 
in  einer  stark  nach  O.  ausgreifenden  Kurve  zustrebten.  Auf  dem  Punkte  angelangt, 
wo  sie  in  N.  übergeht,  sahen  wir  hinab  in  eine  höchst  romantische  Schluciit,  deren 
schäumender  Giessbach  der  Temska  zufliesst.  So  pittoresk  das  Bild,  wurde  es  doch 
von  der  Aussicht  auf  einer  Vorhöhe  des  1897  ni  hohen  „Bratkov  Vrh"  über- 
troffen, welche  nach  der  Aussage  meines  Zaptie  nicht  allein  Bären  und  Wölfe, 
sondern  auch  die  gefürchteten  Heiducken  im  Frühjahre  zum  Stelldichein  wählen. 
Ich  nahm  zahlreiche  Winkel  und  warf  einen  letzten  Abschiedsblick  auf  das  neu 
in  Karte  gebrachte  Temskagebiet,  von  dessen  vor  mir  ungekannten  35  Orten  und 
3    Klöstern    der   Berliner   Kongress    17    Dürfer    und   2    Klöster   dem    Fürstentum 


232  Von  Nis  über  Bela  Palanka,  Pirol  auf  den  Rakos  usw. 

Serbien  zuteilte,  so  dass  gegenwärtig  die  Kamniiinie  des  Westbali<ans  in  einer 
Ausdehnung  von  nahezu  6  geographischen  Meilen  seine  Ostgrenze  gegen  Bulgarien 
bildet.  Das  Pavlov  Krst  (Paulskreuz)  markiert  den  gleichnamigen  Pass,  von 
dem  ich  am  30.  August,  10  Uhr  vormittags,  bei  9»  C.  zwischen  den  „Tri  Cuke" 
(2032  m)  und  der  2026  m  hohen  „Vrazija  Glava"  in  das  jenseitige  bulgarische 
Gebiet  von  Ciporovica  hinabstieg,  ich  beschrieb  dasselbe  und  seine,  einen  höchst 
interessanten  Zweig  der  bulgarischen  Hausindustrie  bildende  Teppichfabrikation 
in  meinem   „Donau-Bulgarien  und  der  Balkan"  (2.  Aufl.,  11.  Bd.,  293). 

Unter  den  serbischen  Balkanspitzen  ist  jene  des  „Midzor"  mit  2186  m  die 
höchste;  hierauf  folgen  N.  die  „Medjova"  (2004  m),  der  „Babin  Zub"  (1996  m),  der 
„Orlov  Kamen"  (1814  m);  gegen  S.  die  „Martinova  Cuka"  (2059  m),  die  „Golema 
Cuka"  (2014  m),  die  „Baicinca"  (1971  m),  der  „Aloviti  Kamen"  (1838  m),  die  über 
2000  m  hohen  Berge  des  vorgeschilderten  „Vrafija  Glava-Passes",  der  „Babisin 
Vrh"  (2115  ni)  und  die  sich  allmählich  ermässigenden  Höhen  (1700—1800  m), 
welche  das  südliche  bulgarische  Ogost- Quellgebiet  von  dem  der  serbischen 
Temska  scheiden.  Die  ausgedehntesten  Hochweiden  befinden  sich  auf  den 
Hochplateaus  der  Berge:  Babin  Zub,  Ponor,  Vrtop,  Slap,  Mucibaba,  Medza 
Planina,  Belan  u.  a.  (zusammen  18),  wurden  von  Mithad  Pasa  als  Staatsgut 
erklärt  und  verpachtet.  Die  serbische  Regierung  folgte  diesem  Vorgange:  Nur 
begünstigt  sie  die  feste  Ansiedelung  der  mazedonischen  Wanderhirten,  nach 
welchen  ein  Weiler  (1471  m)  am  Ponor  Crnovunci  heisst.  Einzelne  dieser  Weide- 
pächter besitzen  riesige  Schafherden.  So  produziert  Dimitrije  Droz  zu  Slap  allein 
im  Sommer  durchschnittlich  80  q  Kaskavaljkäse  für  Adrianopel  und  Konstantinopel. 

In  dem  2419,4  km  -  umfassenden  Kreise  spielt  die  Viehzucht  den  bedeutendsten 
Erwerbszweig.  1905  zählte  man:  202127  Schafe,  79628  Ziegen,  14603  Schweine, 
8959  Pferde,  37  630  Rinder,  83  Büffel,  124  Esel  und  7542  Bienenstöcke.  Auf  die 
am  dünnsten  mit  30—40  Seelen  per  km  -  bevölkerten  Bezirke  Nisava  und  Bela 
Palanka  entfielen  auf  100  Bewohner  320 — 390  Stück  Vieh,  im  Luznicaer  mit 
57  Seelen:  340,  im  Vlasotincer ')  mit  48  Seelen  nur  232  Stück.  Das  Weide-  und 
Wiesenland  wird  auf  etwa  15500  Hektar,  das  Wald  tragende  auf  11960,  das  mit 
Getreide  bepflanzte  auf  38300  Hektar,  die  Obst-  und  Gemüsekulturen  mit  1580 
und  die  Weingärten  mit  1750  Hektar  berechnet.  Von  den  3  Bezirken  dieses 
Kreises  hat  der  Nisavaer  die  meisten  (81)  Orte,  sie  besitzen  durchschnittlich  82, 
im  Bela  Palankaer  60  und  im  Luznicaer  55  Häuser.  Sämtliche  14  922  Häuser 
sind  von  104101  Seelen  bewohnt,  darunter  2600  männliche  mehr  als  weibliche! 
Sämtliche  55  Gemeinden  im  Kreise  mit  174  Orten  besassen  1905  nur  56  Kirchen 
und  53  Volksschulen,  darunter  3  für  Mädchen  (!).  Diese  Zahlen  sprechen  ohne 
weiteren  Kommentar,  wieviel  noch  für  dieses  1878  Serbien  zugeteilte,  bis  dahin 
türkische  Gebiet  kulturell  zu  tun   bleibt. 


')  Dieser  Bezirk  wurde  1899  dem  Kreise  Vranja  zugeteilt. 


IX. 


Von  Leskovac  an  der  Veternica  nach  Vranja. 

Durch  die  Masurica  ins  Viasinagebiet. 


VIERMAL  berührte  ich  während  des  Herbstes  1889  Leskovac  auf  verschiedenen 
Routen.  Von  Nis  erreicht  man  diese  Stadt  auf  dem  Vranjaer  Schienenstrange 
in  zwei  Stunden.  Man  erzählt,  das  alte  Leskovac  stand  einst  auf  der  Ruinenstätte 
bei  Donja  Kopasnica.  An  der  oberen  Medvedja  hörte  ich  aber,  dass  die  vor  den 
Türken  geflüchteten  Bewohner  der  dortigen  Stadt  Dibocica  (richtiger  Glubocica) 
eine  gleichnamige  an  der  Morava  gründeten  (Kap.  X),  die  erst  später  nach  den 
vielen  Haselnusssträuchern  ihrer  Umgebung  „Leskovica"  genannt  wurde  —  diese 
Erklärung  klingt  viel  ungezwungener  als  die  von  Milicevic  mitgeteilte.')  Ihre 
malerische  Lage  gewinnt  durch  ihre,  wechselreiche  Vergangenheit  bekundenden 
Bauten  an  Reiz. 

Hahn  suchte  Leskovac  im  Scunae  der  Tab.  Peut.;  die  Tafel  leidet  aber 
gerade  auf  dieser  Route  an  durch  den  Kopisten  verschuldeten  grossen  Fehlern, 
dass  ich  Hahns  Hypothese,-)  die  ich  bei  Vranja  weiter  erörtern  werde,  nicht 
beizupflichten  vermag.  Nach  meiner  Ansicht  dürfte  aber  Scunaes  Lage  gleich  jener 
von  Arribantium,  das  Ptolemaeus,  und  von  Merion,  das  Hierokles  erwähnt, 
ferner  einiger  von  Procopius  und  der  Tab.  Peut.  in  Dardania  genannten  Orte  3) 
ohne  zufällige  Inschriftenfunde  niemals  festzustellen  sein.  Aus  Leskovac,  das 
zweifellos  ein  wichtiger  römischer  Wegknotenpunkt  war,  weil  dort  die  0.  von 
Turres,  W.  von  Lissus,  SW.  von  Scupi  und  vom  südlicheren  Erzgebiete  kommenden 
Strassen  mündeten,  fehlen  aufklärende  Inschriften.  Keinesfalls  stand  dort  aber, 
wie  Tomaschek  annahm,  Scupi,  <)  das  von  allen  Forschern  bis  herab  auf  Evans 
und  Domaszewski  im  heutigen  Skoplje  erkannt  wurde. 

Drei  Brücken  verbinden  die  von  der  Veternica  durchflossenen  Stadtteile,  in 
welchen  dunkles  Laub  überragende  Minaretts   und  Konakfirste   von   der  einstigen 


•)  Kraijevina  Srbija,  S.  112. 

=)  Reise  v.  Belgr.  n.  Sal.,  S.  235. 

')  Mannert,  a    a   O.     VII,  S.  108. 

■")  Sitzungsber.  d.  k.  Akad.  d.  Wissensch.    Bd.  99,  S.  437  ff. 


234  Von  Leskovac  an  der  Veternica  nacli  Vranja  usw. 

Tiirkenherrschaft  erzählen.  An  diese  mahnt  auch  der  „Hisar",  der  350  ni  hohe 
Schlossberg  auf  dem  linken  Fiussufer.  George  Brown  sah  noch  im  Jahre  1677 
das  ihn  krönende,  die  nahe  sumpfige  Niederung  beherrschende  Kastell.  In 
altserbischer  Zeit  war  es  abwechselnd  bulgarisch  oder  Byzanz  unterworfen,  Kaiser 
Manuel  trat  die  Stadt  und  ihr  Gebiet  an  Stevan  Nemanja  ab,  fortan  teilten  beide 
die  Geschicke  des  Serbenstaates.  Nach  Kosovo  türkisch,  im  Frieden  zu  Szegedin 
(1444)  dem  serbischen  Despoten  Djuradj  Brankovic  wieder  zugesprochen,  wurde 
Leskovac  nach  den  alles  niederwerfenden  Halbmondsiegen  1455  dem  Sultansreiche 
dauernd  einverleibt.  Erst  1689  eroberten  Prinz  Eugens  Scharen  die  Zwingburg, 
und  von  da  ab  verfiel  sie.  Nun  bedecken  köstlichen  Wein  zeitigende  Kulturen 
mit  eingestreuten  edlen  Obstbäumen  den  blutgetränkten  Boden,  der  ursprünglich 
eine  bis  auf  wenige  Ziegelreste  verschwundene  römische  Akropolis  trug.  Kaum 
lässt  sich  deren  einstige  Gestalt  mehr  bestimmen,  denn  ihre  Mauerreste  wurden  zum 
mittelalterlichen  Schlossbau,  für  Moscheen  und  Konaks  verwendet,  die,  obschon  seit 
1878  dem  Verfalle  preisgegeben,  uns  den  im  Schwinden  begriffenen  orientalischen 
Zuschnitt  dieses  einst  vielgepriesenen  Halbmondhortes  vergegenwärtigen. 

Noch  zu  Beginn  unseres  Jahrhunderts  war  Leskovac  das  Zentrum  eines 
ausgedehnten  Paschaliks,  dessen  Grenzen  selbst  die  fernen,  seit  1833  serbisch 
gewordenen  Kreise  Krusevac,  Cuprija  und  Aleksinac  umschlossen.  Später  fiel 
Leskovac  aber  den  Ejalets  Pristina,  Nis,  Rustschuk  und  zuletzt,  als  Mithads  Stern 
in  Nis  glänzte,  diesem  zu.  Das  durch  die  fortgesetzte  arnautische  Einwanderung 
sich  stetig  stärkende  moslimische  Element  übte  wiederholt  solch  starken  Druck 
auf  die  mehr  als  zweimal  so  starke  christliche  Majorität,  dass  es  1841  in  und  um 
Leskovac  zum  lange  vorbereiteten  Rajahaufstande  kam.  Er  gab  dem  Gouverneur 
Mohamed  Pasa  viel  zu  schaffen,  und  lange  nachdem  er  von  den  Albanesen 
blutig  niedergeschlagen  war,  zeigten  Flintenkugelspuren  an  den  Mauern  den 
versuchten  Angriff  auf  das  Regierungsgebäude.  Bald  darauf  sank  Leskovac  zum 
Mudirsitze  herab;  zuletzt  jedoch  amtierte  dort  wieder  ein  Kaimakam. 

Als  Serbien  1877  in  die  russische  Aktion  eintrat  und  seine  Kolonnen  sich 
Leskovac  näherten,  flüchteten  dessen  wohlhabendere  Moslims  nach  Vranja  und 
anderen  Städten  des  Kosovovilajets.  Zu  diesem  Zwecke  requirierten  Spahis  und 
Zapties  in  der  ganzen  Umgegend  alle  auffindbaren  Wagen  und  Gespanne  von  der 
Rajah,  welche  dadurch  über  tausend  nicht  mehr  zurückgekehrte  Ochsen,  Büffel  usw. 
einbüsste.  Die  ärmeren  mohammedanischen  Leskovacer  aber  eilten  nach  der 
schwer  zugänglichen  Grdilicka  Klisura,  wo  sie  mit  Zuzüglern  vom  Lande  durch 
den  Kaimakam  Afis  Pasa  Agic  und  Esat  Beg  zu  Baschibosuks  organisiert  wurden. 
Mit  ihnen  wollten  sich  1500  Amanten  unter  Sumber  und  Suli  Aga  aus  der  Pusta 
Reka  und  oberen  Veternica  vereinigen,  um  das  serbische  Vordringen  abzuwehren. 
Die  christliche  Bevölkerung  schnitt  jedoch  durch  ihre  tapfere  Verteidigung  der  Dilaver 
Begova  Kula  zu  Vucje  dieser  Kolonne  den  Weg  ab.  Beide  erbittert  kämpfenden 
Teile  erlitten  grosse  Verluste.  Hier  fiel  Vladimir  Radenkovic,  der  Führer  der  Auf- 
ständischen, am  3.  Januar  1878.  Mit  ihm  starben  viele  Tapfere  für  die  Befreiung 
des  angestammten  Bodens  und  die  Bewahrung  des  schon  am  23.  Dezember  1877 
von   einer   schwachen   serbischen   Abteilung   besetzten   Leskovac   vor   Brand    und 


Von  Leskovac  an  der  Veternicn  iincli  Vranjn  usw. 


235 


Plünderung.  Ein  Dezennium  genügte,  um  die  Stadt  iiires  türkischen  Charakters 
naiiezu  gänzhch  zu  entkleiden.  Von  den  vor  der  serbischen  Annexion  in  9Ü() 
Häusern  wohnenden  4500  Mohammedanern  traf  icli  im  Herbste  1889  kaum  60  in 
15  Häusern,  von  den  8  Dzamien  mit  6  Minaretts  blieben  3  erhalten,  von  den 
10  Tekies  nur  eines;  selbst  das  Türkenbad  wurde  rasiert.  Auch  die  eine  noch 
„arbeitende"  Moschee  wird  bald  verödet  sein;  denn,  wie  allerorts,  fühlt  sich  der 
Moslim  auch  hier  nicht  wohl  unter  christlichem  Regiment.  Er  verkauft  sein  Haus, 
seine    Landgüter   selbst    zum    halben  Werte    und    zieht   ilahiii,   wo    er   wieder  der 


Türkisches  Pasa-Saraj  zu  Leskovac. 


Vorrechte  des  Echt-  und  Rechtgläubigen  über  die  waffenlose  Rajah  teilhaftig 
wird.  Zu  den  vornehmsten  eingewanderten  Arnautenfamilien  zählte  jene  §aäir 
Pa§as.  Aus  einem  der  angesehensten  Ipeker  Arnautengeschiechter  stammend  und 
mit  der  einflussreichen  Busatlisippe  aus  Skodra  nahe  verwandt,  sammelte  er  zu 
Leskovac  grosse  Reichtümer;  sein  Nachkomme  Sahsuvar  Pasa  und  dessen  Sohn 
Ismail  Pa§a  mehrten  diese  so  sehr,  dass  des  letzteren  Einfluss  zu  Konstantinopel 
bis  vor  wenigen  Jahren  unbestritten  war. 

Sasir  Pasa  erbaute  im  Zentrum  des  rechtsuferigen  Stadtteils  ein  imposantes, 
fünfzig  Schritte  langes  „Saraj"  mit  vorspringenden  Flügeln,  von  welchen  einer  des 
Paschas  Frauen  und  Odalisken  beherbergte,  der  andere  als  Selamlik  diente. 
Der  sie  verbindende  lange  Mittelbau  mit  breitem,  offenem  Cardak  und  grosser 
doppelseitiger   Freitreppe   enthielt   die   Gerichts-   und   Administrationsräume.     Mit 


236  Von  Leskovac  an  der  Vcternica  nach  Vranja  usw. 

echt  orientalisch  gemalten  Ornainentfriesen,  Festons  usw.  geschmückt,  macht  das 
Saraj  noch  heute  einen  guten  Eindruck,  obschon  es  durch  seine  Verwendung  als 
Tabakdepot  viel  gelitten  hat.  Das  von  den  Vlasotincer  und  Leskovacer  Bezirken 
angekaufte  Gebäude  fiel  1892  dem  neuen  Untergymnasiuni  zum  Opfer,  für  welches 
die  notwendigen  Gelder  und  das  Baumaterial  bereits  1889  gesammelt  waren. 
Der  einer  anderen,  reich  begüterten  Familie  entstammende  Paäa  Agic  besitzt  zu 
Pecenjevce  und  Leskovac  zwei  grosse  Liegenschaften;  in  letzterer  befindet  sich 
jetzt  das  Bezirks-Polizeiamt.  Rasa  Agic  verewigte  seinen  Namen  auch  durch  eine 
nun  verlassene  Moschee  mit  Minarett  neben  dem  einstigen  Saraj.  Eine  dritte 
erhaltene  Dzamija  steht  im  Sahat-mahala. 

Der  arnautische  Beg,  dieser  spanische  Hidalgo  und  magyarische  Edelmann 
des  illyrischen  Dreiecks,  ist  nicht  so  koranseifrig,  wie  stolz  und  unduldsam  gegen 
die  seiner  Herrschaft  verfallene  orientalische  Christenheit.  In  noch  höherem 
Grade  als  dem  asiatischen  Moslim  sind  ihm  alle  Klöster  und  Kirchen  verhasst; 
den  Bau  neuer  sucht  er  aber  meist  gewaltsam  zu  hindern.  Konsul  Hahn  erzählte 
ganz  merkwürdige  erlebte  Beispiele  von  unerhörtem  Fanatismus  während  seiner 
albanesischen  Amtskarriere.  Als  die  Leskovacer  christliche  Gemeinde  durch  Bitten 
und  reiche  Bakschisch  zu  Konstantinopel  einen  Ferman  erwirkte,  der  ihr  den  Bau 
eines  grösseren  Gotteshauses  gestattete,  suchten  ihre  arnautischen  Zwingherren 
diesen  durch  Bedrohungen  lange  zu  hindern.  Man  griff  zur  List,  gab  vor,  ein 
neues  Popenhaus  zu  bauen.  So  entstand  im  entlegensten  Südteile  des  Christen- 
quartiers, zwischen  Bäumen  versteckt,  die  von  aussen  kaum  sichtbare,  tiefliegende 
dreischiffige  Basilika  „Sveta  Bogorodica",  ohne  Turm,  Kuppeln  oder  sonstige  aus 
der  Ferne  auffällige  Zierde,  wohl  aber  mit  einem  der  Nordseite  angefügten 
Schornsteine,  der  —  wie  erzählt  wird  —  die  Moslims  über  die  wirkliche  Bestimmung 
des  Baues  täuschen  sollte. 

1839  wurde  die  Kirche,  deren  Länge  ausser  allem  Verhältnis  zur  Höhe  steht, 
gründlich  renoviert.  Ein  breiter,  von  18  Säulen  gebildeter  Arkadengang  an  der 
West-  und  Südfront  bildet  ihren  einzigen  monumentalen  Aussenschmuck.  Sechs 
Stufen  führen  zum  bescheidenen  Haupteingange  hinab,  über  ihm  die  „Rozdestvo 
Presvete  Bogorodice"  im  Bilde  und  ein  später  eingebrochenes  kleines  Fenster. 
Dieses  und  einige  spärliche  schmale  Einschnitte  an  der  Südfassade  lassen  nur 
wenig  Licht  in  das  Innere  der  mit  grossen  quadratischen  Ziegeln  gepflasterten 
Schiffe  dringen.  Man  wähnt  sich  in  einer  Katakombe;  die  starken  Säulen,  der 
dunkle  Freskenschmuck  erhöhen  den  mysteriösen  Eindruck.  Der  Reflex  riesiger, 
vor  der  reichgeschmückten  Ikonostasis  brennender  Wachskerzen  fällt  auf  den 
„Sto  za  Kraljicu"  (Königinstuhl)  und  lässt  auch  hier  die  natürliche  Begabung  der 
Bulgaren  für  das  Kunsthandwerk  bewundern.  Der  thronartige  Betstuhl  ist  eine 
prächtige  Arbeit  des  zu  Vlasotinci  lebenden  Holzschnitzers  Majstor  Zasa  aus 
Samokov.  Krone,  Wappen,  Blumen  und  sonstige  Zier  sind  in  Nussholz  überraschend 
schön  geschnitten;  die  empfangenen  60  Dukaten  waren  wohl  verdient.  Und  gleich 
kunstreich  ist  der  den  Altar  schmückende  Baldachin.  Es  sind  Werke  von  bleibendem 
Kunstwert.  Nahe  der  Hauptfassade  erhebt  sich  seit  1879  ein  ungeschlachter 
sechsseitiger   Glockenturm;    zierlicher   ist  der   Kiosk,   der  den   treffliches  Wasser 


i 

Von  Leskovac  an  der  Veternica  nach  Vranja  usw.  237 

spendenden  Brunnen  überdacht  und  das  Zentrum  des  anlieimelnden,  durtii  das 
Schul-  und  Popenhaus  abgeschlossenen  Platzes  bildet. 

Seit  der  serbischen  Besitznahme  hob  sich  das  städtische  Bildungswesen.  An 
der  sechsklassigen  Normalschule  für  Knaben  und  Mädchen  mit  vielen  Parallelkursen 
erteilen  14  Lehrer  und  4  Lehrerinnen  nahezu  900  Schülern  Unterricht.  Das  1880 
gegründete  vierklassige  Untergymnasium  wird  von  150  mannlichen  und  20  weiblichen 
Zöglingen  besucht.  Es  zählt  einen  Direktor,  fünf  Professoren,  einen  Gesangslehrer, 
einen  Meister  für  Gymnastik  und  militärisches  Exerzitium,  eine  Lehrerin  für 
Handarbeiten;  die  Religion  lehrte  an  beiden  Anstalten  der  gewesene  Pfarrer  im 
sirmischen  Irig,  Luka  Bozovic.  Dieser  gleich  gefällige,  wie  gebildete,  jetzt  in  der 
Bukarester  serbischen  Gemeinde  wirkende  Geistliche  war  mir  ein  stets  bereiter 
kundiger  Begleiter.  In  seiner  Gesellschaft  stieg  ich  an  einem  herrlicii  blauenden 
Sonntagsmorgen  zur  neuen  Kirche  Sv.  Uija  hinan,  deren  weisser  Bau  mit  blinkender 
Metallkuppel  seit  1883  in  herrlicher  Lage  weit  hinein  iiis  Moravatal  leuchtet. 

Er  steht  auf  der  westlichen  Hisarhöhe,  umschlossen  von  einem  neu  angelegten 
Parke  und  Rebengärten,  neben  dem  Friedhofe,  auf  der  Stelle  einer  gleichnamigen, 
im  Volke  als  heiltätig  gepriesenen  Kirchenruine,  zu  der  Kranke  selbst  aus  weiter 
Entfernung  pilgerten  oder  gebracht  wurden.  In  einer  mit  allerlei  Bildern,  Kreuzen 
und  Ampeln  kapellenartig  ausgestatteten  Hütte  kurierte  hier  eine  viel  aufgesuchte 
Baba  durch  Besprechungen,  mysteriöse  Arzneien  usw.  die  schlimmsten  Gebrechen. 
Die  Geistlichkeit  eiferte  vergebens  gegen  diesen  Eingriff  in  ihren  Wirkungskreis, 
denn  die  Bauern  nahmen  die  Partei  der  frommen  Wunderfrau,  die  sich  mit 
kleinsten  Geschenken  begnügte.  Allmählich  wuchsen  diese  zu  einer  bedeutenden 
Summe  an  und  bildeten  den  von  der  Baba  gestifteten  Grundfonds  zum  Baue  des 
neuen  Gotteshauses.  Bald  flössen  Liebesgaben  in  Geld  und  Materialien  von 
allen  Seiten.  Architekt  Ivackovic  vom  Belgrader  k.  Bauamt  entwarf  den  Plan, 
Werkmeister  Radojio  aus  Crna  Trava  führte  ihn  aus,  und  am  Hin  dan  1889  wurde 
die  im  byzantinischen  Stile  gehaltene  Kirche  durch  den  bald  darauf  durch  die 
Radikalen  seines  Amtes  entsetzten  Niser  Bischof  Dimitrije  Pavlovic  feierlich 
geweiht.  Der  ansehnliche  Kuppelbau  zeigt  sehr  harmonische  Verhältnisse  und 
wäre  gelungen  zu  nennen,  wenn  nicht  an  der  Westfassade  der  unansehnliche 
Eingang  zu  auffallend  mit  dem  unmittelbar  über  demselben  angebrachten  riesigen 
Fenster  kontrastierte.  Im  noch  kahlen,  weiss  getünchten  Innenraume  führt  eine 
Stiege  zur  Frauengalerie.  Die  Ikonostasis  zieren  erst  zwei  Bilder  eines  maze- 
donischen Samouks  (Autodidakten),  und  ein  Symantron  in  schlichtem  Holzstuhle 
ersetzt  den  noch  fehlenden  Glockenturm.  Der  Gottesdienst  in  dieser  von  der 
Stadt  etwas  fernliegenden  Kirche  wird  von  einem  ihrer  13  Geistlichen  gehalten. 
Während  der  Muezin  nur  mehr  von  einem  Minarett  Allah  preist,  besitzen  die 
12 100  orientalischen  Christen  von  Leskovac  zwei  Kirchen,  und  seine  140  spanischen 
Israeliten  eine  kleine  Synagoge  mit  Schule. 

Die  Kommunalverwaltung  des  1896  in  2551  Häusern  über  12800')  Seelen 
zählenden    Leskovac    wurde    nach    serbischem    Muster    organisiert.       Wie    alle 


')  Leskovac  zahlte  1005  in  2{)48  Häusern  13712  Einwohner. 


238  Von  Leskovac  an  der  Veternica  nach  Vranja  usw. 

1878  annektierten  Städte,  besitzt  es  vollständige  Autonomie.  Opstinski  sud 
(Genieindegericiit)  zählt:  1  Vorsitzenden,  3  Knieten,  16  Ausschüsse,  8  Beisitzer, 
1  Rechnungsführer,  1  Notar,  mehrere  Schreiber  und  Diurnisten.  Den  Sicherheits- 
dienst versieht  1  Polizeibeamter  mit  4  Gehilfen,  12  Panduren  und  18  Nachtwächtern. 
Die  Feuerwehr  steht  unter  einem  besonderen  Kommandanten.  Für  die  Gesund- 
heitspflege sorgen  2  Ärzte,  1  Geburtshelferin  und  3  Apotheken.  Das  Haupteinkommen 
der  Stadt  aus  den  Abgaben  von  Häusern,  Gewölben,  Kaffee-  und  Gastlokalen, 
Waggeldern,  vom  Jahrmarkte  usw.  mit  60000  d  balancierte  sich  1889  mit  den 
Ausgaben;  das  Barvermogen  betrug  gegen  20  000  d.  Eine  städtische  Sparkasse, 
welche  1895  schon  10,8  und  1905  nahezu  15  Mill.  d  zu  10"/,,  in  Umlauf  brachte, 
macht  den  nur  gegen  riesige  Zinsen  zugänglichen  Geldverleihern  wohltätige 
Konkurrenz.  Sehr  viel  geschah  bereits  für  die  Regulierung  und  Verschönerung 
der  Strassen  und  Plätze;  auch  die  Pflasterung  und  Beleuchtung  machen  gute 
Fortschritte,  und  schon  heute  ist  der  Charakter  dieser  vor  zwei  Jahrzehnten  noch 
halbasialischen  Stadt  ein  mehr  occidentalen  Forderungen  entsprechender. 

An  diesem  überraschend  schnellen  Umschwung  haben  die  aus  dem  Fürstentum 
entsendeten  Offiziere  und  Beamten  grossen  Anteil.  Es  dürfte  interessant  sein, 
den  staatlichen  Apparat  einer  serbischen  Bezirksstadt  kennen  zu  lernen.  Zu 
Leskovac  befanden  sich  im  Herbste  1889:  der  Stab  des  Territorialbataillons 
(4  Offiziere,  50  Soldaten),  das  „Sresko  nacelstvo"  (Bezirksamt)  mit  dem  leitenden 
Bezirkshauptmann,  1  Adjunkten,  7  Praktikanten  für  den  Kanzleidienst,  1  Steuer- 
beamten, 1  Tabakregie -Aufseher  und  seinen  Gehilfen,  1  Bezirksarzt  und 
10  Gendarmen;  eine  Abteilung  des  Niser  Kreisgerichts  für  die  Leskovacer  und 
Vlasotincer  Bezirke >),  bestehend  aus  1  Präsidenten,  3  Richtern,  1  Sekretär, 
1  Rechnungsführer,  2  Schreibern  und  3  Praktikanten;  ferner  Post-  und  Tele- 
graphenamt mit  1   Chef,  2  Beamten  und  4  Telegraphisten. 

Die  Leskovac  mit  Nis  und  Vranja  verbindende  Eisenbahn  gewinnt  stetig 
an  Bedeutung.  Der  Bezirk  führt  ansehnliche  Quantitäten  von  Getreide,  Wein, 
Obst  und  anderen  Bodenprodukten  aus.  In  erster  Linie  steht  aber  der  Verkehr 
mit  Hanf  und  Seilerwaren.  Man  darf  ohne  Übertreibung  sagen:  Leskovac  und 
seine  Umgebung  leben  vom  Hanfbau.  Schon  Herodot  rühmte  den  thrazisch- 
dardanischen  Hanf.  Der  Leskovacer  gilt  allgemein  als  der  vorzüglichste  im  ganzen 
Toplica-  und  Moravagebiete,  denn  die  Pflanze  gedeiht  hier  bis  zu  3,5  m 
Höhe.  Zur  Samengewinnung  wird  der  schwarze,  im  Herbste  geerntete  Hanf 
bevorzugt.  Man  versetzt  ihn  Ende  April;  der  weisse  wird  schon  im  August 
abgeschnitten.  Durchschnittlich  gewinnt  ein  Bauerngehöft  10  q  Hanf,  einzelne 
sehr  wohlhabende  z.  B.  in  Pecenjevce  bis  35  q,  welche  1889  mit  56  frs.  per  q 
bezahlt  wurden.  Anfangs  Oktober,  wenn  aller  geerntete  Hanf  pyramidenförmig 
in  endlosen  Reihen  getrocknet  wird,  erscheinen  die  Ortschaften  wie  von  riesigen 
Zeltlagern  eingehüllt,  die  später  als  Flachs  meist  nach  Leskovac  wandern.  Dieses 
bildet  gewissermassen  die  Börse,  auf  welcher  nach  dem  jeweiligen  Ernteausfall 
und   Zuströmen    der  Ware    ihr   Marktpreis    bestimmt   wird.      Die    leider    in    den 


')  jetzt  ist  das  Gericht  selbständig  für  die  Vlasotincer,  Jablanlcaer  und  Leskovacer  Bezirke. 


LESKOVAC.    Textilindustrie. 
Farbelfoclieii,  Hanfrösten,  Spinnen,  Spulen,  Weben  und  Seiledrelieii. 


Von  Leskovac  an  der  Veternicn  nncM  Vranjn  usw. 


241 


letzten  Jahren  häufig  versuchte  Fälschung  des  Geuiclits  durcli  Befeuchtung  des 
Ballenkcrns  oder  Zusatz  von  Heu  usw.  maclite  die  fremden  Käufer  sehr  vorsiclitig. 
Noch  immer  gehen  aber  grosse  Quantitäten  nach  Ungarn,  Bulgarien,  Rumänien, 
Albanien  usw.  Der  überschüssige  Rest  wird  von  der  ärmeren  Bevölkerung  zu 
Seilen  in  verschiedenster  Stärke  verarbeitet,  für  welche  Skopija  (Skopijc)^ 
Philippopei,  Adrianopel,  Bukarest  und  die  Dobruca  die  bedeutendsten  auswärtigen 
Abnehmer  sind. 

Zu  Leskovac  gibt   es   über  400  Hanfbereiter   und    Seiler,    3  Leinwand-   und 
3  Bockheweber.     In  und    bei   jedem  Hause   der   entfernteren  Quartiere   schnurren 


t,.r-V?-l. 


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5-^?i  -^i«S5i. 


LESKOVAC.     Uriickc  und  His:ir  im  J.Llirt-  I88(t, 


Räder  und  Rädchen;  man  glaubt  sich  in  eine  einzige  riesige  Stricke-  luui 
Schiffstaufabrik  versetzt.  Daneben  ist  man  auf  zahllosen  primitiven  Webstühlen 
tätig,  denn  die  aus  Ziegenhaar  erzeugten  Leskovacer  „Bissage"  und  aus  Wolle 
hergestellten  Pferdedecken,  Kotzen  usw.  erfreuen  sich  gleichfalls  guten  Rufes. 
Die  Leskovacer  Frauen  verstehen  es,  prächtig  gemusterte  gazeartige  Stoffe  aus 
feiner  Baumwolle  mit  eingewebter  selbstgesponnener  Seide  herzustellen,  die 
lohnenden  Absatz  finden.  Die  seitens  der  Regierung  im  Leskovacer  Kreise 
erfolgten  Schritte  zur  Hebung  der  Leinenindustrie  schildere  ich  im  III.  Bande, 
X.  Kapitel. 

Zu  Leskovac  wird  auch  die  Töpferei  schwungvoll  betrieben;  die  beliebten 
Formen  weisen  häufig  Anklänge  an  die  Gefässe  auf,  welche  aus  den  zerstörten 
Römerstätten    der    Umgebung     zutage    gelan_gen.       Sonst     gibt     es     dort    eine 

F.   KANITZ,  Serbien.    I[.  l(j 


242 


Von  Lcskovac  an  der  Veternica  nach  Vranja  usw. 


bescheidene,  als  grosser  Fortschritt  zu  begrüssende  Buchdruckerei,  eine  sehr 
gut  arbeitende  Dampfmühie,  180  Feld-  und  Gartenbauer,  (53  Bäcker,  54  Fleischer 
und  Wurstmacher,  185  Gast-  und  Kaffeewirte,  240  Schneider,  78  Schuhmacher, 
365  Handelsleute,  7  Advokaten  usw. 

Vom  Balkon  des  ganz  europäisch  mit  Cafö,  Billard  und  Speisesaal  ein- 
gerichteten „Hotel  Solun"  (Salonik)  der  Familie  Pasa  Agic  und  jetzigem  Gerichte 
erster  Instanz  blickte  ich  gern  auf  den  Hisar  und  die  zierliche,  ungemein 
malerische  Lepenicabrücke,  über  welche  an  Samstagen  das  rege  Markttreiben  in 
der  langen  Basarstrasse  seinen  Weg  nimmt.  Oft  sperren  endlose  Ochsen-  und 
Bliffelwagenreihen   die   Strasse.     Eine    denkbar  bunte   Staffage,   darunter  einzelne 


I.  Oahelkeil.    2.  Webstuhlfüsse. 
Weberhaum.    5.  Durchscliub. 
9.    Unterlage.      10.    Zettel. 


Alter  serbischer  Wcbstu 


um  Lebane  siedelnde  Amanten,  drängt  sich  lärmend  durch  die  Hecken  der 
ambulanten  Händler  vor  den  ihr  Bestes  in  die  Augen  rückenden  Verkaufsläden, 
bis  am  Nachmittag  sich  der  Knäuel  lichtet  und  die  Stadt  ihr  Alltagsleben  wieder 
aufnimmt,  dessen  Stille  ab  und  zu  die  Übungen  ihres  Schützenvereins  „Kralj 
Milutin"  und  Gesangsbundes  „Branko"  unterbrechen. 

Mit  den  angenehmsten  Eindrücken  trat  ich  vom  aufstrebenden  Leskovac  am 
9.  September  in  Gesellschaft  des  Kreisingenieurs  Bartos  die  Tour  nach  Vranja 
an.  Unser  Pandur  hatte  treffliche  Pferde  besorgt,  der  Himmel  blaute,  und  in 
bester  Laune  schlugen  wir  den  alten  Römerweg  zum  südlichen  Rudarski  manastir 
durch  die  Niederung  „Kavgalija"  ein.  Dass  sie  schon  in  prähistorischer  Zeit 
bewohnt  war,  zeigt  ein  bei  dem  rechts  bleibenden  Sinkovce  gefundener 
Spinnwirtel.     Links   ragten    über  dje   mit  wogenden   Mais-   und    Hanfpflanzungen 


\'on  Leskovac  an  der  Veternica  nach  Vranja  usw. 


243 


bedeckte   Ebene  drei  riesige  Ulmen  auf,  weiche  die   Umzäunung  als   dem  Voli<e 
geheiligte  „zavetina"  kennzeichnete. 

Bald  darauf  betraten  wir  einen  frischgrünen  Laubhain,  aus  dem  das  1799 
renovierte  weisse  Gemäuer  der  Sv.  Petkakirche  hervorlugte.  Dieses  ehemalige 
Kloster  ist  ein  Licblingsausflug  der  Leskovacer  und  nunmehrige  Pfarre  für 
14  Orte  mit  zwei  Geistlichen.  Nach  beendeter  Liturgie  geht  es  an  Sonn-  und 
Festtagen  zur  leiblichen  Stärkung  aus  den  mitgebrachten  Vorräten.  Namentlich 
am  Tage  der  Schutzpatronin  des  schmucklosen  Kirchleins  gleicht  das  Wäldchen 
einem  grossen,  durch  Gesang  und  Tanz  belebten  Feldlager.  Eine  Sage  erzählt, 
dass  beim  nahen  Rudare  eine  „latinska  varoÄ"  sich  befand.  Aus  ihren  Kirchen 
sollen  die  Architekturreste  neben  dem  Haupteingange  herrühren.  Ich  zeichnete 
eine   altbyzantinische    Säulenbasis    und    ein    Kapital    von    hartem    Sandstein,    mit 


RUDARE,     Hiiuscrhau. 


scharf  untcrsclinittenem  Blattwerk,  Voluten  und  Kreuz.  Der  die  Kirche  umgebende 
Friedhof,  auf  dem  die  Orte  Rudare,  Trnjane,  Jajino,  Guberevac,  Mala  und 
Velika  Grabovnica  ihre  Toten  bestatten,  birgt  einzelne  sehr  alte  Grabsteine  von 
interessanten  Formen.  Das  ungemein  stimmungsvolle  malerische  Ganze  hütet  ein 
von  den  genannten  Dörfern  bestellter  Küster. 

Die  Ortschaften  um  Leskovac  sind  meist  geschlossen.  In  den  auf  Rudare 
an  unserer  Route  folgenden  Trnjane,  Presecina,  Sajinovac  stand  Haus  an 
Haus.  Westlich  blieb  Palikuca,  bei  dem  Pesa  Prsic  schon  vor  hundert  Jahren 
einen  Aufstand  versuchte,  worauf  die  Türken  das  Dorf  verbrannten;  daher  sein 
Namen.  In  dem  II  km  von  der  Stadt  fernen  Strojkovce  besuchte  ich  die  erste 
serbische  Gajtanfabrik.  Unter  Leitung  zweier  Bulgaren  aus  Karlovo  werden  hier 
mit  flottem  Maschinenbetriebe  meist  blaue,  weniger  rote  Schnüre  ganz  in  derselben 
Weise  gefertigt,  wie  ich  sie  in  den  Balkanstädten  Kalofer,  Trevna  u.  a.  O.  sah.  Die 
Wolle  wird  während  des  Winters  von  den  Frauen  gesponnen  und  wandert  sodann 
durch   die   Färberei    des   Bulgaren    Stevan    Dobra   Bujedzov,   der   jährlich    200  kg 


Kj» 


244 


Von  Leskovac  an  der  Veternica  nach  Vranja  usw. 


Indigo  verarbeitet,  auf  die  siiinreiciien  i<ieinen  Rotationsapparate.  Hier  und  in  der 
Gajtanfabrik  der  1889  im  benachbarten  Vucjc  errichteten  Fihale  waren  24  Arbeiter 
und  110  Spindeln  tätig.  Der  erzielte  Umsatz  betrug  im  selben  Jahre  120000  d. 
Vorüber  an  der  höher  liegenden  netten  Mehana  zogen  wir  an  dem  zahllose 
Mühlen  treibenden  Bache  aufwärts  über  Nakrivanj  nach  Cukljenik.  Dort  wird 
das  von  Strojkovce  gegen  SO.  sich  dehnende,  sanft  undulierte  Terrain  von 
den  waldgrünen  Ausläufern  der  nahezu  1200  m  hohen  Vlahinja  umgrenzt,  deren 
romantische,  wasserreiche  Schluchten  zur  Gründung  zahlreicher  Heilstätten  ein- 
luden. Im  südlicheren  Nakrivanjer  Kloster  steht  neben  der  Grundfeste  des 
zerstörten  Kirchleins  Sv.  Nikola  (Grundriss,  Star.  VllI)  ein  erhaltener  tonnen- 
gewölbter niederer  Bau  mit  konventionellem  byzantinischen  Freskenschmuck, 
überragt  von  einem  stattlichen  einstöckigen  Konak  und  Nebenhause,   in  dem  die 


Denkmal  bei  Sv.  Nikola. 


hierher  pilgernden  Frommen  und  Ausflügler  gastliche  Aufnahme  finden;  es  wird 
zu  klein,  wenn  der  Nakrivanjer  Pope  hier  an  bestimmten  Tagen  Gottesdienst 
hält.  Wir  verbrachten  unsere  Mittagsrast  im  schattigen  Nussbaumhain,  nahe  dem 
3  m  hohen  Granitobelisken,  mit  dem  der  auf  S.  234  erwähnte  Vladimir  Radenkovic 
aus  Golesnica  (geb.  1850,  gest.  1878  im  Gefechte  zu  Vucje)  geehrt  wurde. 
Auch  unfern  dem  westlichen  Rasin  Laz  zieht  eine  dem  hl.  Spas  gewidmete  alte 
Heilstätte  viele  Besucher  an. 

Am  Rückwege  über  Nakrivanj  sah  ich  auf  den  östlichen  Hügeln  die  letzten 
grösseren  Rebenkulturen  des  südwestlichen  Serbien;  wo  der  Boden  mehr  flach, 
war  die  Maisernte  schon  im  vollsten  Gange;  nur  die  zwischengepflanzten 
Kürbisse  liess  man  länger  reifen.  Das  Terrain  stieg  allmählich  gegen  S.  wieder  an 
und  zeigte  guten  Waldstand.  Wir  kreuzten  den  tiefen  Selskaeinschnitt  und  erreichten 
das  bedeutende,  interessante  Vucje  am  gleichnamigen  Bache.  Dieser  entspringt 
auf  dem  1437  m  hohen  Ruzin  Grob  der  kristallinischen  Kukavica,  fliesst  parallel 
mit  der  4  km  entfernten  Cukljenicka  reka  von  S.  nach  N.  und  bildet  neben  dieser 
den  zweiten  grösseren  östlichen  Zufluss  der  Veternica.     Von  dem  nach  Milicevic 


Von  Lcskovac  an  der  Veternica  nach  Vranja  \is\v. 


245 


zwischen  Beli  Potok  und  Vucje  angeblich  existierenden  See  fand  ich  keine  Spur; 
im  Frühjahre  sind  wohl  die  Wiesen  überschwemmt,  das  Wasser  verschwindet  aber 
meist  schon  in  den  ersten  Sommermonaten.  Die  vorerwähnte  Diiaver  Begova 
Kuia  (S.  234),  welche  von  den  Anwohnern  am  3.  Januar  1878  so  tapfer  gegen 
die  Amanten  verteidigt  wurde,  dass  diese  flohen  und  140  Tote  zurückliessen, 
stand  unfern  der  Mehana  mitten  im  Dorfe.  An  der  Stelle  des  abgetragenen,  mit 
hohem  palisadierten  Walle  umgebenen  Turmes  liegt  heute  ein  Bauerngehöft,  an 
dem  vorüber  der  Weg  nacii  der   1858   zuerst  von  Hahn    besuchten   Klisura   führt. 


Der  Teulciskessel  der  Vucjansk.i  reka. 


Sic    gehört   in   Wahrheit    zu    den    hochromantischsten    Schluchten    des    an    land- 
schaftlichen Schönheiten  reichen  serbischen  Südens. 

Durch  abenteuerlich  sich  aufbauende  Steilmauern,  herrlich  bewaldete  Hänge 
und  frischgrüne  Matten  rauscht  die  18  Mühlen  und  2  Walkwerkc  treibende  Vucjanska 
reka  in  zahllosen  Kaskaden  herab  zum  von  malerischen  Felsen  umschlossenen  tiefen 
„Dev  Kazan"  (Teufelskessel),  in  dem  munteres  kleines  Fischvoik  sein  Spiel  treibt. 
Nur  selten  streift  ihn  die  Sonne,  und  der  böse  Dämon  sucht  ihn  allnächtlich  auf, 
um  sich  da  seine  Suppe  zu  kochen.  Der  zum  südlichen,  2  km  fernen  Zbeziste 
ziehende  Bauer  meidet  es,  den  Dev  zu  stören,  der  auf  verzauberten  Mühlen  in 
der  Untiefe  sein  Korn  mahlt;  Feinde  wünscht  er  hinab  zum  gefürchteten  „dev"; 
er  selbst  drückt  sich  scheu  vorüber  und  schlägt  auch  am  Tage  ein  Kreuz,  wenn 


246  Von  Leskovac  an  der  Vetcrnica  nach  Vranja  usw. 

er  zum  „Teufels-Suppentopf"  kommt.  Dagegen  betrachtet  man  die  Ruine  des 
„crkviste",  eines  nahen  Kirchleins,  für  geheiligt,  in  dem  der  grosse  Nationalheld 
Nikola  Skobaljevic  stets  die  Liturgie  sich  lesen  Hess,  bevor  er  zum  Kampfe  gegen 
die  Ungläubigen  auszog.  Seine  3,6  m  breiten,  4,8  m  langen  Mauern,  mit  1,7  m 
vorspringender  halbkreisförmiger  Chorapside  und  1  m  breitem  Eingange,  zeigen 
eine  wahre  Musterkarte  von  Bruchsteinen  und  Geschieben  der  im  Umkreis 
anstehenden  Gesteinsarten;  Gneis  und  Glimmerschiefer  herrschen  vor.  Etwas 
weiter  SO.  bildet  die  kristallklare  Vucjanska  reka  unter  der  vom  1034  m  hohen 
Kita  vorspringenden  Steilwand  des  „Ramni  Kamen"  einen  prächtigen  Wasserfall. 

Südwestlich  von  Skobaljevics  Kirchlein  führt  ein  schwieriger  Pfad  hinan 
zu  seinem  300  m  höher  liegenden  Schlosse.  Zwischen  jungem  Laubholze,  das 
einzelne  höhere  Buchen  überragen,  und  dichtem,  den  Kleidern  gefährlichem  Wach- 
holdergestrüpp,  das  Zeitlosen  stellenweise  bläulich  färben,  erkletterte  ich,  geführt 
von  einem  gemsenartig  alle  Hindernisse  nehmenden  ortskundigen  Hirtenjungen, 
das  schmale  Plateau,  das  die  2  m  starken  und  12  m  langen,  teilweise  trefflich 
erhaltenen  Fronten  eines  quadratischen  Werkes  mit  verschütteter  Zisterne  trägt. 
Die  Grundform  und  der  überaus  harte  Mörtel  der  aus  Bruchsteinen  und  Ziegeln 
hergestellten  Mauern  sprechen  dafür,  dass  hier  ein  römischer  Wartturm  stand, 
der  das  weithin  übersehbare  unterworfene  Umland  überwachte. 

Das  ist  die  Burg,  auf  welcher  das  Volk  seinen  vielbesungenen  Helden  Nikola 
Skobaljevic  residieren  lässt.  Historisch  erwiesen  ist,  dass  er  die  von  Novo  Brdo 
vordringenden  Türken  am  6.  Oktober  1454  bei  Vranjska  Banja  schlug,  bald  darauf 
aber,  am  28.  November,  mit  seinem  gleich  tapferen  Vetter  an  der  Trepanjska  reka 
besiegt  wurde  und  fiel.  Eine  vielverbreitete  Legende  macht  den  Grosswojwoden 
Nikola  zum  Sohne  eines  Mädchens  Nikolina  des  nahen  Vina,  das  durch  einen 
lebend  verschlungenen  Fisch  gesegnet  wurde,  daher  auch  sein  Name  Skobaljevic 
(Fischsohn),  in  allen  Kämpfen  mit  den  Türken  blieb  er  Sieger,  bis  ein  Verwandter 
schmählichen  Verrat  an  ihm  übte.  Er  verlor  die  Schlacht,  doch  konnten  ihn  die 
Moslims  nicht  erreichen,  denn  er  flog  auf  seinem  schnellen  Rosse  in  die  Lüfte, 
und  deshalb  kennt  man  auch  nicht  seine  Grabstätte.')  Von  Vucje  führt  auf  dem 
linken  Ufer  auch  ein  besserer  Weg  zur  Burg,  der  in  römischer  Zeit  über  Zbeziste 
und  den  Crni  Vrh  (1005  m),  vorbei  an  einer  zweiten  auf  dem  764  m  hohen 
Koprive,  durch  das  obere  Veternicatal  nach  Vranja  zog,  was  die  Anlage  beider 
Werke  in  so  unwirtlicher  Waldgegend  erklärt. 

Zu  meinem  grössten  Leidwesen  lief  erst  1890  die  Frist  ab,  welche  den 
Mehandzijas  des  1878  annektierten  Landesteils  zum  Um-  oder  Neubau  ihrer 
Gasthäuser  nach  den  Kristicschen  Vorschriften  bewilligt  wurde.  Der  Han  zu 
Vucje  entsprach  gleich  den  meisten  der  südlichen  Kreise  kaum  bescheidenster 
Anforderung;  dank  den  Mühen  des  Tages  schlief  ich  auf  dem  frischen  Heulager 
des  ungedielten  feuchtkalten  Raumes  trotzdem  vortrefflich,  und  zeitig  morgens 
ritten  wir  am  nördlichen  Kukavicahange  W.  über  Brza  nach  Gorina.  Dort  fiel 
mir    ein  festes   Haus   mit  turmartigem   Anbau   auf.      Es  war  die   das  Dorf   einst 


')  Milicevlc,  Kraljevina  Srbija,  S.  61  ff 


Von  Lcskovac  an  der  V'ctcrnicn  nach  Vranja  usw. 


247 


beherrschende  Kula  des  nrnaulisclien  Be^s  Dciiiir  Barjam,  dessen  Christin  gewordene 
hübsche  Witwe  den  Serben  Kosta  Kocic  heiratete.  Die  dem  Beg  Untertanen 
10  Rajahfamihen  lösten  den  Zehnten  mit  500  d  ab.  Diese  zinstragend  im  Leskovacer 
Waisenamt  angelegte  Summe  fällt  samt  dem  Haus  und  Landbesitz  dem  Sohne 
Milan  zu,  sobald  er  grossjährig  wird.  Der  kaum  sechzehnjährige  aufgeweckte 
Bursche  galt  als  reiche  Partie  und  wurde  trotz  seiner  Jugend  von  schlauen,  mit 
Töchtern  gesegneten  Müttern  zum  Heiraten  gedrängt. 

Bei  der  Mühle  von  Bukova  Glava,  das,  ähnlich  wie  Gorina,  Brza  und 
Vucje,  am  Ausgange  einer  südlichen  Schlucht  lagert,  schieden  wir  von  der  gegen 
N.  sich  dehnenden  breiten  Ebene,  welche  die  Veternica  durchfliesst,  und  traten 
in  ihr  sich  bald  verengendes  Defilee,  dessen  wenig  gekrümmte,  nahezu  streng 
südliche  Fortsetzung  wir  erst  am  nächsten  Tage,  kurz  vor  Vranja,  verliessen. 
1  km  N.  von  Bukova  Glava  liegt  Mirosevce,  bei  dem  1878  zur  Plünderung  von 
Leskovac  ausgezogene   arnautische   Banden  von   den   Serben   zersprengt  wurden. 


Demir  BarjaniKula  zu  Gorina. 


Im  ganzen  Tale  der  Veternica,  wo  es  vor  1878  viele  aibanesische  Orte  gab, 
blieb  nicht  ein  Arnaute  zurück.  Alle  übersiedelten  mit  ihrer  beweglichen  Habe 
freiwillig  oder  gezwungen  auf  türkischen  Boden  und  verhandelten  lange  wegen 
der  im  Prinzip  zugesagten  Ablösung  des  im  Stiche  gelassenen  Grundbesitzes 
mit  ihrer  ehemaligen  Rajah  und  dem  serbischen  Staate,  die  sich  rasch  desselben 
bemächtigt  hatten. 

Zu  Vina,  dem  ersten  Dorfe  am  Oberlaufe  der  Veternica,  wurden  wir  gastlich 
empfangen.  Der  Kmet  und  einige  Ortsinsassen  lagerten  mit  uns  unter  mächtigen 
Nussbäumen  und  sprachen,  trotz  der  posti  (Fasten),  den  für  uns  gebratenen 
Hühnern  und  Kacamak  eifrig  zu.  „Pop  daleko  stanuje!"  —  der  Pope  wohnt  weit 
—  meinte  der  aufgeweckte  Kmet  und  Hess  es  sich  trefflich  munden.  Ich  leitete 
die  Unterhaltung  auf  Nikola  Skobaljevic.  Einige  kannten  das  Märchen  von  dem 
in  die  Luft  geflogenen  Helden;  doch  die  traditionelle  Sage,  dass  er  in  ihrem  Dorfe 
geboren  sei,  war  auch  den  ältesten  Tafelgästen  fremd.  Um  so  mehr  erzählten 
sie  von  Marko  Kraljevic,  „der  von  seiner  heute  noch  teilweise  erhaltenen  Kula  auf 
dem  nur  wenige  Minuten  vom  Dorfe  fernen  Umac  (447  m)  mit  mächtigem  Satze 
seines  Sarac  hinab  zum  crkviäte  sprang,  das  er  am  Fusse  des  Hügels  dem 
hl.  Prokopius  errichtete.    Im  Felsen  erkenne  man  Markos  breite  Fussspur  mit  dem 


248  Von  Lcskovac  an  der  Vctcrnica  nach  Vranja  usw. 

Spornabdruck  und  den  Huf  seines  Rosscs!"  Die  Aufgetclärteren  bezweifelten  aber 
kopfscliültcind  diese  fabulösc  Geschichte. 

Elfmal  kreuzten  wir  die  abwechselnd  durch  Wiesengrund,  zwischen  Felsen, 
prächtigen  Buchenständen,  gemischt  mit  goruna  (Eichenart)  und  kleinen  Nusshainen, 
lustig  hinrauschende  Veternica.  Auf  beiden  Ufern  lagen  bis  zur  Kaludjerska  livada 
(Mönchswiese)  Hunderte  mächtiger  Nussbaumstämme.  Wie  im  Kriege  die  kräftigsten 
Männer,  wurden  hier  die  gesündesten  Bäume  leidiger  Gewinnsucht  geopfert.  Ein 
spekulativer  Tscheche  sandte  gegen  tausend  nach  Österreich  zur  Anfertigung  von 
Gewehrschäften.  Am  Wege  erschienen  vereinzelt  ärmliche  Gehöfte,  mit  Stroh 
gedeckte  Häuschen  und  Kolibas,  mit  aus  Lehm  bestrichenen  Zweiggeflechtwänden, 
in  welchen  früher  Arnauten,  jetzt  Serben  aus  der  westlichen  Poljanica  siedelten. 
Die  Gegend  ist  als  sehr  unsicher  verrufen.  In  Crcavac  schloss  sich  der  Kniet 
mit  zwei  Bewaffneten  unserem  Geleit  an.  Bei  diesem,  in  einem  stark  bewaldeten 
Bergkessel  malerisch  liegenden  Orte  endet  der  auf  S.  246  erwähnte,  von  Vucje 
über  den  Crni  Vrh  und  Bunatovac  (1210  m)  nach  Vranja  führende  Hochweg. 
Wieder  durchfurteten  wir  sechsmal  die  vielgekrümmte  Veternica  bis  zur  Mühle 
des  in  einer  östlichen  Schlucht  liegenden  Lalince  und  betraten  den  Poljanicacr 
Bezirk.  Am  Wege  steht  eine  Riesenbuche,  in  deren  Bereich  viele  griechische 
Landschildkröten  heimisch  geworden.  Auf  nackte  Sandstein-  und  Glimmerschiefer- 
felsen folgte  frischgrüner  Buchenwald,  das  Tal  erweiterte  sich,  war  gut  bebaut, 
belebt,  denn  man  erntete  den  Hanf  zur  Samengewinnung.  Nachdem  wir  eine 
stark  zerrissene  Enge  passiert,  erschien  westlich  zwischen  hohen  Baumkronen  die 
Ruine  des  Klosters  Sv.  Prokop.  Meine  Begleiter  erzählten,  dass  es  Zar  Lazar 
gestiftet,  und  seit  es  die  Türken  verwüstet,  noch  angesehener  beim  Volke  sei. 
In  der  reinlichen  Mehana  des  bald  darauf  erreichten  Golem o  Selo  begrüsste  uns 
der  zu  meiner  Begleitung  durch  den  Vranjaer  Kreis  eingetroffene  Ingenieur  Josef 
Riener.  Das  nach  des  Popen  Angabe  240  Gehöfte  zählende  Golemo  Selo  erbaute 
1876  auf  der  Stelle  des  zerstörten  Sv.  Nikola- Kirchleins  ein  dem  hl.  Prokop 
geweihtes,  das  mit  dreibogiger  Vorhalle  und  hochgezimmertem  Glockenstuhle 
weithin  im  breiten,  fruchtbaren  Tale  sichtbar  ist.  Seine  Gehöfte  sind  durchschnittlich 
von  10 — 15  Seelen  bevölkert,  und  obschon  die  Kommunionen  sich  auch  hier 
häufig  teilen,  zählen  einzelne  25  Familienglieder.  Mit  dem  Unterrichtswesen  ist 
es  im  Vranjaer  Kreise  noch  schlimm  bestellt.  In  den  60  Orten  des  Poljanicaer 
Bezirks  gab  es  1884  nur  3  Schulen,  darunter  die  erst  1879  gegründete,  zurzeit 
meiner  Anwesenheit  (1889)  von  44  Knaben  und  gar  keinen  Mädchen  besuchte 
zu  Golemo  Selo.  Die  dort  und  bei  Vlase  im  Januar  1878  heftig  bekämpfte 
albanesische  Bevölkerung  des  Bezirks  verliess  ihn  gänzlich;  einige  ihrer  rasierten 
Orte,  so  Dobrojance,  Devotin  u.  a.,  sind  verödet. 

Am  nächsten  Frühmorgen  durchfurteten  wir  die  Veternica  und  gelangten 
auf  dem  in  der  serbischen  Karte  noch  nicht  eingetragenen  Fahrwege  von  Vina 
über  Barje,  Gagince,  Mijovce  durch  die  erwähnte  Enge  am  rechten  Bachufer 
hinauf  zur  Quellenscheide  und  sodann  abwärts  nach  Gradnja  (570  m),  dessen 
Namen  schon  auf  eine  alte  befestigte  Ansiedelung  hinweist.  Es  war  jedenfalls 
ein  strategisch  wichtiger  Punkt,  weil  hier  der  von  Gilan  zur  Morava  W.  nach  0. 


Von  Leskovac  an  der  Vcternica  nach  Vranja  usw.  249 

ziehende  direkte  Hochweg  die  Veternica  i<reuzte,  auch  ein  Kastell  auf  dem  nord- 
östlichen 1337  m  hohen  Lisac  deckte  ihn.  Zu  Gradnja  ergab  meine  Untersuchung, 
dass  seine  für  sehr  alt  geltende  Sv.  Nikolakirche,  von  welcher  der  Pope  zu 
Golenio  Selo  mir  viel  vorgefabelt,  ähnlich  wie  die  Sv.  Petka  im  südlicheren 
Smiljevac,  vor  etwa  ßO  Jahren  auf  alter  Grundfeste  entstanden  sein  mochte.  Auch 
die  gerühmten  Kirchenruinen  zu  Vlase,  Sikirije  und  Drenovce,  bei  dessen 
nördlichen  Sv.  Arandjelniauern  und  verwitterten  inschriftlosen  Grabsteinen  die 
Bauern  beten  und  Lichter  anzünden,  bieten  gleich  geringes  kunsthistorisches 
Interesse.  Bei  Drenovce  (691  m)  betritt  die  neue  Trace  mit  scharfer  Ostkurvc 
am  Jezerski  potok  das  Defilee,  durch  welches  wir  zwischen  dem  987  m  hohen 
Goc  und  100  m  hiiheren  Sirinc  über  die  nur  etwas  niedrigere  Einsattelung 
Cubre  ins  Vranjskatal  abstiegen.  Die  zurückgelegte  Strecke  von  Golemo  Selo 
bis  zum  Passe  beträgt  13  km.  Weitere  3  km  an  der  vom  Goc  abfliessendcn 
Dcvotinska  reka  brachten  uns  vorbei  am  gleichnamigen,  einst  albanesischen,  nun 
verlassenen  Orte  durch  eine  Bngschlucht  mit  starkgeboschten  Steilabstürzen  zur 
in  Ruinen  liegenden  einstigen  Wegsperre,  dem  liüchst  romantischen  Schlosse  des 
Nationalhelden  A^arko  Kraljevic. 

Vor  230  Jahren  zog  der  englische  Arzt  Edward  Brown,  der  einzige  Forscher, 
welcher  vor  mir  das  obere  Lepenicagebiet  betrat,  den  geschilderten  Weg  von 
Leskovac  nach  Vranja.  Die  von  ihm  als  „Lyperitza"  erwähnte  Lepenica  nannte 
er  den  Mäander  Müsiens,  weil  er  „innerhalb  zwölf  Stunden  Zeit  neuntzigmal  (!) 
denselben  kreuzen  musste".  Von  der  südlichen  Wasserscheide  „Clissura",  welche 
Brown  als  einen  Ausläufer  des  Hämus  betrachtete,  bemerkt  er:  „Die  Felsen  und 
Steine  dieses  Gebürges  scheinen  gleich  als  Silber,  und  geben  bei  Sonn-  und 
Mond-Schein  ein  anmuthiges  und  gläntzendes  Ansehen,  indem  sie  aus  Moscowitischen 
Glass  (Frauen-Eyss),  davon  ich  etwas  mitnahm  und  nach  Hauss  brachte.  Wir 
giengen  abwärts,  und  hinunter  auf  einen  engen  felsichten  Weg,  längs  dem  vesten 
Schloss  Colombots  oder  Golombotz  her,  und  kamen  nach  Urania,  welches  unten 
am  Boden  oder  Fuss  des  Berges  lieget:  Dieses  ist  ein  vester  Pass,  über  welchen 
das  Schloss  commandiret,  und  über  diese  Passagie  hinsihet."  ')  In  Browns,  die 
damalige  wissenschaftliche  Beobachtungsweise  charakterisierender  Schilderung 
erscheint  besonders  interessant:  der  alte,  nun  vergessene  Namen  des  Schlosses, 
der  die  fortlebendi;  Tradition  beglaubigt,  dass  einst  die  nahe  Stadt  Vranja,  nach 
ihrem  Gründer  Golub,  „Golubinje"  hiess.  Obschon  aber  die  in  Danicics  „Rjecnik" 
benutzten  alten  Quellen  kein  Golubinje  oder  Golubac  an  der  oberen  Morava 
kennen,  lässt  die  Volkstradition  den  auf  diesem  residierenden  vielbesungenen 
Königssohn  dieses  nach  ihm  genannte  „Markov  grad"  tapfer  gegen  die  Türken 
verteidigen.  Als  er  aber  doch  ihrer  Übermacht  weichen  musste,  sprang  er  mit 
seinem  Heldenrosse  Sarac  vom  Felsen,  auf  dem  dessen  riesiger  Hufeisenabdruck 
zurückblieb,  auf  die  östliche  „Placevica",  so  genannt,  weil  Marko  dort  weinte, 
und  von  dieser  auf  die  westliche  „Krstilovica"  (Kreuzberg),  wo  er  beim  jetzt 
verfallenen    Sv.  Trojica-Kirchlein    sich    bekreuzte.      Im    tief  unten   rauschenden 


')  Reise  von  Belgr.  m.  Sa!.,  S.  235. 


250 


Von  I.eskovac  an  der  Vcternica  iiacli  Vranja  usw. 


Bache  sieht  man  seine  Badewanne  und  am  Ufer  seinen  riesigen  „Furun"  (Back- 
ofen). Meine  am  Orte  gezeichnete  Skizze  zeigt  die  Nordseite  der  Bnrgruine  und 
ihr  von  der  Devotinska  reka  umflossenes  Piedestal,  der  mit  Ingenieur  Riener 
gemeinsam  gefertigte  Plan  die  Gesamtanlage  der  vier  Abschnitte  des  in  seiner 
Nordpartie  noch  1 1  m  hoch  erhaltenen  Werkes.  Dass  seine  meist  aus  Gneis  und 
Ton-Glimmerschiefern  hergestellten  Mauern  dem  Mittelalter  entstammen,  ist  sicher; 
gleich  zweifellos  erscheint  es  mir  aber,  dass  sein  Unterbau  teilweise  auf  antiken 
Rudimenten  entstand.  Das  Römerkastell  befand  sich  im  südlichen  Burgteile  A. 
Dort  konstatierte  ich  antikes  Gusswerk  und  Deckplatten  unter  den  sonst  spärlich 


verwendeten  Ziegeln  der  Wallfronten,  welche  der  Konfiguration  des  gegen  W. 
steilgeböschten  Tonschieferfelsens  sich  anschmiegen.  Ausser  dem  gut  erhaltenen, 
stark  befestigten  Südzugange  B  ist  die  am  nördlichen  Felsgrate  zum  Hochturme 
laufende  krenelierte,  sehr  starke,  50  m  lange  Mauer  C  interessant,  welche  den 
hart  unter  ihr  vorbeiziehenden  alten  Weg  deckte.  Bei  seiner  jüngst  erfolgten 
Umgestaltung  in  eine  Fahrstrasse  wurde  seine  Steiltrace,  nördlich  von  der  Burg, 
durch  eine  sanftere,  aber  zeitraubende  Kurve  in  das  Mala  Reka-Tal  geleitet. 

Zwischen  der  östlichen  Placevica  und  der  durch  ihre  heiltätige  „Vierzig 
Märtyrer-Quelle"  berühmten  westlichen  Krstilovica  gelangten  wir  über  Tonschiefer 
und  Sandsteine  des  linken  Vranjskarandes  hinaus  in  die  vom  Saloniker  Schienen- 
strange durchschnittene  Ebene.  Die  südliche  Umrahmung  des  Vranjaer  Beckens 
bilden  viele  ineinander  geschobene  Kulissen  der  serbisch-bulgarisch-türkischen 
Grenzberge,  durch  deren  stark  unduliertes  Vorland  einige  Wasseradern  zur 
vielgeschlängelten  Morava  fliessen.      Der   nahezu    1300  m  hohe  Kljuc  (Schlüssel) 


Von  Leskovac  an  der  Vetcrnica  nach  Vranja  usw. 


:öi 


schliesst  das  schöne  Landscliaftsbild,  dessen  Vorgrund  die  roten  Dächer  von 
Vranja  füllen.  Sein  ganz  occidcntal  eingerichtetes  „Hotel  Europe"  stimmte  nicht 
gut  mit  dem  es  umgebenden  orientalischen  Gerumpel.  Das  von  108()()  Seelen 
bewohnte  „Vranje"   —  so  nennen  es  die  Eingeborenen  —  macht  eben  denselben 


Plan  des  Marko  Kraljcvic  grad  bei  Vranja. 


Häutungsprozess  durch,  wie  alle  im  Berliner  Frieden  an  Serbien  gefallenen 
Türkenstädte;  nur  währt  er  hier  länger  als  zu  Nis  und  Leskovac,  wo  er  sich 
erstaunlich  rasch  vollzog. 

Die   Vergangenheit   dieser   schon    von    Anna    Komiiciia    im    11.  Jahrhundert 
genannten   Stadt  ist   gleich  wenig   aufgehellt,    wie   jene    der  zuvor   geschilderten 


252  Von  Lcskovac  an  der  Veternica  nacli  Vranja  usw. 

Hochburg.  Dass  diese  zur  römisclien  Ansiedelung  gehörte,  welche  höchstwahr- 
scheinlich an  der  Stelle  des  Vranjaer  Konaks  stand,  ist  ziemlich  sicher,  dass  sie 
aber,  wie  Hahn  und  Tomaschek  annehmen,  mit  dem  „Anausarum"  der  Tab.  Peut. 
identisch,  halte  ich  für  irrig.  Denn  dieser  Ansatz  beruht  auf  willkürlicher  Ver- 
*  Schiebung  der  Millienzahl  Xli  zwischen  Anausarum  und  Ad  fines  gegen  N.,  die 
nicht  zu  rechtfertigen  ist;  könnte  man  es,  fiele  die  in  der  Tafel  ungenannte 
Station  an  der  Moravastrasse  auf  Stubal,  am  Hochwege  nach  Gradnja  (S.  248), 
keinesfalls  aber  auf  Vranja. 

Nemanja,  der  Gründer  des  altserbischen  Reiches,  entriss  Vranja  und  sein 
Gebiet  im  12.  Jahrhundert  den  Byzantinern.  Gleiches  tat  Kralj  Milutin.')  Sein  Sohn 
Stevan  Uros  111.  soll  südlich  vor  der  Stadt,  bei  Toplac,  gelagert  haben,  als  er 
gegen  den  Bulgarenzar  Mihail  und  die  mit  ihm  verbündeten  Rumänen,  Griechen 
und  Tataren-)  nach  Köstendil  zog,  wo  er  am  28.  Juni  1330  einen  grossen  Sieg 
erfocht.  Erwiesen  ist,  dass  er  selbst  vom  Sar  über  Kumanovo  und  Egri  Palanka, 
wahrscheinlich  nur,  dass  ein  Teil  des  Serbenheeres  durch  das  Vranjska  Banja- 
Defilee  hinüber  ins  obere  Strymontal  marschierte.  An  den  grossen  Zaren  Dusan 
erinnert  dort  das  Grab  seines  Schatzkämnierers  Baldovin.  Auch  nach  der 
Kosovoschlacht  nannte  sich  Kesar  Ugljesa,  Sultan  Bajazids  serbischer  Vasall, 
„Herr  von  Vranja,  Inogosta  und  Presevo".  Sein  Biograph  Hilarion  Ruvarac 
schildert  dessen  politisches  Doppelspiel.^)  Als  der  serbische  Despot  Stevan 
Lazarevic  mit  den  Türken  bei  Gracanica  kämpfte  (1402),  verriet  ihm  Ugljesa  die 
türkischen  Pläne,  und  doch  befand  dieser  sich  noch  1413  zu  Vranja,  als  Sultan 
Musa  von  Sofia  durch  Vranja  nach  Novo  Brdo  zog,  um  dessen  an  Edelmetall 
reiches  Minengebiet  den  Serben  wegzunehmen;  ja,  er  scheint  sogar  noch  1423 
in  Vranja  residiert  zu  haben,  da  Ruvarac  aus  jenem  Jahre  eine  Urkunde  zitiert, 
in  der  Ugljesa  das  südlich  von  der  Stadt  liegende  Dorf  Vranje  dem  Athoskloster 
Hilandar  verschrieb.  Ob  er  sich  bis  zu  seinem  Tode  dort  behauptete,  ist  um 
so  fraglicher,  als  seine  Grabstätte  im  fernen  nördlichen  Kloster  Ljubostinja 
(Bd.  I,  S.  633)  sich  befindet.  Dauernd  wurde  Vranja  jedenfalls  erst  im  Juni  1455 
unter  Sultan  Mohammed  II.  erobert  und  mit  Ausnahme  der  Jahre  1688—1690, 
1737  —  1739,  in  welchen  Kaiser  Leopolds  und  Karls  Heere  es  besetzten,  vom 
Halbmond  festgehalten. 

Die  gegen  Stürme  geschützte  Lage  der  vom  frischen  Vranjskabache  durch- 
flossenen  Stadt  und  die  grosse  Nähe  einer  heilkräftigen  Therme  bewogen  viele 
vornehme  Türken,  sich  dort  anzusiedeln.  Obgleich  aber  die  Majorität  der 
Bewohner  beim  Christentum  verharrte,  drückten  bald  zahlreiche  Moscheen,  Bäder, 
Konaks  und  Karawansereien  der  von  prächtigen  Obst-  und  Weingärten  umgebenen 
alten  Bischofsstadt  den  orientalischen  Stempel  auf,  auch  die  einzige  Kirche  der 
Ambar-mahala  wurde  in  eine  Tekija  verwandelt,  und  als  1739  ein  Teil  der 
christlichen    Stadtbevölkerung    mit    dem    Patriarchen    Arsenije    IV.    nach    Ungarn 


')  Danicic,  Rjecnik,  I,  S.  154. 

')  Sreckovic,  Primedbe  na  izvestaj  V.  V.  Makuseva.    (Glasnik,  Bd   52,  S.  268  ff.) 

■')  Glasnik,  Bd.  47,  S.  190  ff. 


Von  Leskovac  an  der  V'cternica  nach  Vrnnja  usw.  253 

emigriert  war,  drückten  die  zahlreich  eingewanderten  Aibanesen  bald  die  zurück- 
gebliebene Rajah,  welche  aber,  weil  kaufmännisch  tüchtiger  und  sparsamer, 
trotzdem  zu  beneidetem  Wdiilstand  gelangte.  Die  sie  vertretenden  Corbadzi 
erkauften  periodisch  den  Schutz  der  türkischen  Behörden  durch  allerlei  reiche 
Geschenke;  dies  bewirkte,  dass,  wie  zu  Leskovac  und  Nis,  seit  Beginn  des  vorigen 
Jahrhunderts  das  Gouverneursamt  in  derselben  rajahfreundlichen  Familie  forterbte. 
Unter  Hussein,  Sohn  und  Nachfolger  Mehemed  Pa§as,  schritt  Vranjas  christliche 
Gemeinde  in  den  fünfziger  Jahren  eben  zur  Vollendung  des  ihr  durch  Sultans- 
ferman  gestatteten  Kirchenbaues,  als  die  Amanten  wegen  der  ihnen  zugemuteten 
Rekrutierung  revoltierten,  die  Cliristenquartiere  plünderten  und  die  Kirche  in  Brand 
steckten.  Der  ihren  Bau  begünstigende  Hussein  Beg  flüchtete  erschreckt  nach 
Veles.  Als  der  Aufstand  gedämpft  war,  erstand  die  Kirche  aufs  neue,  und  seit 
1858  blickt  sie  von  der  470  m  hohen  Vorterrasse  der  Krstilovica,  auf  welcher 
die  grössere  Stadthälfte  steht,  mit  ihrer  glänzenden  Kuppel  alle  Moscheen  über- 
ragend, weit  ins  Land  hinaus. 

Im  Jahre  1858  war  Vranja  der  Sitz  eines  dem  Prizrener  Pascha  unterstehenden 
Mudirs  und  zählte  in  14  mahale  (Viertel)  neben  1000  christlichen  Häusern  600 
meist  albanesisch-moslimische  und  50  Zigeuner-Familien.  Die  von  Hahn  auf 
8000  Seelen  geschätzte  Bevölkerung  trieb  starken  Hanfhandcl  und  versorgte  die 
Umgebung  mit  aus  Belgrad,  Seres  und  Salonik  bezogenen  Importartikeln.  Auch 
zu  Vranja  fehlte  es  nicht  an  einzelnen  lebhafter  empfindenden  Patrioten,  welche 
das  Ende  des  Türkenregiments  und  Arnautendrucks  herbeiführen  wollten.  Zu 
den  bekannteren  zählte  Alisa  Sijakovic,  der  sein  Streben  mit  dem  Tode  in  einem 
der  berüchtigten  Gefängnisse  Konstantinopels  büsste.  Erst  im  Januar  1878,  als 
die  mit  den  Russen  verbündeten  Serben  heranzogen,  wurde  das  Schicksal  der 
Stadt  entschieden.  Der  sie  verteidigende  Divisionär  Asaf  Pa§a  und  seine  Feriks 
Ibrahim  und  Esad  säumten  wohl  nicht,  die  umliegenden  Hohen  in  ein  stark 
verschanztes  Lager  zu  verwandeln.  Die  vom  General  Beli-Markovic  entsandte, 
von  den  Majoren  Putnik  und  Mihail  Sreckovic  geführte  Nordkolonne  warf-  aber 
die  sie  am  30.  Januar  morgens  unerwartet  bei  Devotin  heftig  angreifenden  Türken 
erfolgreich  zurück,  wobei  der  Offizier  Djordje  Stojicevic  fiel.  Auch  der  auf  dem 
linken  Moravaufer  operierende  Oberst  Nicifor  Jovanovic  vertrieb  den  Gegner 
vom  Kamen  bei  Brezina,  und  die  drei  Bataillone  des  Majors  Radovan  Miletic 
kamen  immer  näher  der  Cevrljugaschanze,  welche,  auf  einer  von  der  Placevica 
zwischen  dem  Suvodolski  und  Meckovacki  potok  vorspringenden  Terrasse 
angelegt,  den  Schlüsselpunkt  der  feindlichen  Stellung  bildete.  Das  vom  Major 
Milovan  Pavlovic  wirksam  unterhaltene  Geschützfeuer  erleichterte  ihre  Erstürmung 
und  jene  der  anderen  Schanzen  durch  den  Oberleutnant  Dimitrije  Djuriö. 
Am  folgenden  Morgen  begnügten  sich  die  in  Schlachtordnung  aufgestellten 
Türken,  drei  Kanonenschüsse  auf  das  gegen  Vranja  vorgehende  Freiwilligen- 
bataillon  abzugeben  und  hierauf  gegen  Giljan  und  Kumanovo  abzuziehen. 
Zwei  auf  der  Placevica  im  Stiche  gelassene  Abteilungen  ergaben  sich  den 
Serben,  die  selbst  5  getötete  Offiziere,  345  tote  und  verwundete  Soldaten 
beklagten. 


254 


Von  Leskovac  an  der  Veternica  nach  Vranja  usw. 


An  der  Spitze  seiner  „Dobrovoljci"  zog  Major  Radomir  Putnik  am  31.  Januar 
durch  das  sie  jubelnd  begrüssende  Vranja.  Ohne  sich  und  seinen  Leuten  längere 
Rast  zu  gönnen,  langte  diese  Vorhut  der  von  Oberst  Ljuba  Jovanovic  befehligten 
Sumadija-Division  unter  grössten  Schwierigkeiten  auf  der  im  Schnee  pfadlosen 
Strasse  und  stetig  von  sie  umschwärmenden  Amanten  bedroht,  am  5.  Februar  im 
altberühmten  Kloster  Gracanica  an,  um  mit  Oberst  Lesjanins  über  den  Prepolac 
am  Lab  gleichfalls  gegen  Pristina  marschierender  Rudniker  Brigade  bei  Mramor 
Fühlung  zu  gewinnen.  Der  energische  Putnik  hatte  wohl  die  Genugtuung,  vom 
Klosterabt  unter  grosser  Beteiligung  der  serbischen  Rajah  ein  Tedeum  feiern 
zu  lassen,  in  dem  Fürst  Milan,  seine  Gemahlin  und  Kronprinz  Alexander  genannt 


Der  Mehined  und  Hussein  Pasa-Konak  zu  Vranja. 


wurden;  der  in  jenen  Tagen  abgeschlossene  Präliminarfriede  beendete  aber  seine 
auf  jedem  Schritte  sich  schwieriger  gestaltende  Aufgabe. ') 

Mit  den  Vranja  ohne  Widerstand  preisgebenden  türkischen  Truppen  ver- 
liessen  es  auch  die  gegen  ihre  christlichen  Mitbürger  am  meisten  kompromittierten 
Arnauten.  Der  in  den  folgenden  Monaten  sich  rasch  vergrössernde  moslimische 
Exodus  wurde  durch  Zuzüge  vom  Lande  ersetzt,  so  dass  Vranja  1879  schon 
8000  Seelen  zählte.  Viele  Gewaltakte  und  angestrengte  Prozesse  von  selten  der 
plötzlich  zur  Macht  gelangten  Rajah  gegen  ihre  früheren  Herren  veranlassten 
diese  zum  gänzlichen  Abzüge,  unter  Preisgebung  ihrer  Immobilien,  die  rasch  teils 
ohne  oder  mit  kaum  nennenswerter  Ablösung  in  den  Besitz  des  Fiskus  und 
serbischer  Käufer  übergingen.  Das  alte  Kazagebäude  im  „grad",  in  dem  Mehmed 
und  Hussein  Pasa  residierten,  wurde,  nachdem  man  seine  oberen  zierlich  getäfelten 
Innenräume  im  ersten  Wuttaumel  verwüstet  hatte,  zum  Kreisspitale  für  30  Kranke 
notdürftig  eingerichtet.  Die  mich  begleitenden  Beamten  bedauerten  den  unverant- 
wortlichen Barbarismus,  der  selbst  das  Bad  und  den  anschliessenden  Park  nicht 
schonte,  in  dessen  kühlendem  Schatten  des  Paschas  Frauen  und  Kinder  sich  einst 


')  Mil.  Sandic,  Dolazak  srpske  vojske  na  Kosovo.     Ratnik,  XXIil.     1890 


Von  Leskovac  an  der  Vctcrnica  nach  Vranja  iisw  255 

fröhlich  ergötzten.  Ramis  Pa§a,  der  Sohn  und  Haupterbe  Husseins,  führt  heute 
nocii  wegen  seines  ihm  streitig  gemachten  Ciftiiks  Jovac  bei  der  Bahnstation 
Priboj  Prozesse  in  Belgrad,  sein  Bruder  Suleiman,  der  verjagte  Besitzer  des 
stark  verwüsteten  Ciftiiks  Rataj  bei  Zibevce,  übersiedelte  nacii  Konstantinopel, 
und  der  jüngste  Br-uder  Atta  Beg  starb,  wie  man  sagt,  aus  Gram  über  den 
Niedergang  seines  Hauses.  Gleich  schlimm  wie  dem  moslimischen  Privatbesitze, 
zu  dessen  Regelung  sowie  zur  Passvisierung  die  Pforte  hauptsächlich  ein 
Vizekonsulat  in  Vranja  etablierte,  erging  es  den  Moscheen,  Bädern  und  Friedhöfen. 
In  der  Tumba-mahala  sah  ich  eine  14  Schritte  im  Geviert  messende  Dzamija 
mit  aus  je  einer  Quadersteinlage  und  zwei  Ziegelreihen  sorgfältig  ausgeführtem 
Mauerwerk,  deren  Minarett  gleich  dem  ohne  Tore  und  Fenster  belassenen  Innen- 
raum schon  stark  verfallen  war.  Von  den  zwei  mächtigen  Holzpfeilern,  auf 
welchen  die  Decke  ruht,  hatte  man  einen  angebrannt,  um  deren  Einsturz  zu 
beschleunigen.  An  einem  Stabe  hingen  noch  bunte  Fetzen,  welche  fromme 
Pilgrime  von  ihrer  Kleidung  abgerissen  und  nach  moslimischem  Brauche  pietätvoll 
geopfert  hatten.  Ein  etwas  nördlicher  liegendes  Bad  fiel,  obschon  der  feste  Bau 
lange  noch  hätte  gute  Dienste  leisten  k(innen.  Die  gegen  alles  Türkische  gerichtete 
Zerstörungswut  ereilte  auch  eine  schöne  Moschee  in  der  Srednja  carsija.  Man 
schonte  überhaupt  nur  die  Brücken,  weil  man  sie  benötigte.  Ich  zählte  sechs 
steinerne  und  zwei  hölzerne;  von  ersteren  erbaute  Hadzi  Hussein  Pa§a  zwei, 
andere  zwei  seine  Frau  Emina,  eine  ist  neu. 

Im  Chaos  halb  oder  ganz  verwüsteter  Türkenviertel  ersteht  inmitten  der 
Stadt,  um  das  von  Ramis  Pasa  begonnene,  von  den  Serben  vollendete  einstöckige 
Kreisamt,  ihre  „Velika  pijaca",  die,'  seit  das  stark  orientalische  Menzil  hane  mit 
arg  verfallenen  Baracken  durch  einen  netten  Neubau  für  Post  und  Telegraph 
und  durch  die  Baumanlage  mit  Brunnen  vor  dem  Hotel  Europe  ersetzt  wurde, 
europäischen  Zuschnitt  erhielt.  Westlich  von  diesem  Platze  gelangte  ich  durch  eine 
lange  Strasse  mit  in  allen  Häusern  zum  Trocknen  ausgehängten  Tabaksblättern 
zum  einstigen  „grad".  Dort  befand  sich  das  hochliegende  türkische  Hauptviertel 
mit  gegen  die  Weinpflanzungen  von  Saprance  sich  dehnenden  Gärten  und  der 
nun  verwüstete  grösste  moslimischc  Friedhof,  um  dessen  stehen  gebliebenes 
viersäuliges  Türbeh  einzelne  beturbante  Grabsteine  traurig  gen  Himmel  blickten. 
Zuvor  von  tiefer  Ruhe  erfüllt,  exerzierte  dort  unter  Hörnerklang  das  14.  Bataillon 
der  Timok-Division  und  trieb  der  Nachwuchs  der  einstigen  Rajah  seine  lustigen 
Spiele.  Aus  der  sehr  primitiven  Schule,  auf  die  er  in  türkischer  Zeit  angewiesen 
war,  bildete  sich  allmählich  eine  Normalschule  heraus,  mit  vielen  Parallelklassen, 
an  welcher  15  Lehrer  über  600  Schüler  unterrichten.  Dazu  kommen  eine 
Mädchenbildungsanstalt  und  ein  mit  38000  d  erhaltenes  Gymnasium  mit  12  Pro- 
fessoren und   über   170  Schülern;  gewiss  ein  riesiger  erziehlicher  Fortschritt! 

Auf  einem  470  m  hohen  Punkte  des  Stadtgebietes  erhebt  sich  Vranjas 
grösste  architektonische  Zierde,  seine,  wie  erwähnt,  in  bewegter  Zeit  auf  alter 
Grundfeste  entstandene  Sv.  Trojicakirche,  welcher  das  alte,  nahe  Saprancer 
Kirchlein  als  Filiale  dient.  Den  höchsten  Rang  unter  ihren  sieben  Pfarrern 
bekleidet    ein    Prota,    der   zugleich    Mitglied    des    Konsistoriums    zu    Ni§   ist,   mit 


256  Von  Leskovac  an  der  Veternica  nach  Vranja  usw. 

dessen  Diözese  das  Vranjaer  Vladikat  vereinigt  wurde.  Die  kuppelgekrönte 
Kirche  umgeben  an  drei  Fronten  offene  Bogenhallen  mit  je  sieben  freistehenden 
Sandsteinpfeilern.  An  der  Ostseite  treten,  entsprechend  den  durch  zwölf  Säulen 
getrennten,  flachgewölbten  inneren  drei  Schiffen,  gleichviele  Apsiden  hervor.  Die 
drei  flachen  Kuppelwölbungen  schmücken  Bilder  des  Pantokrators,  des  Erlösers 
und  der  heil.  Jungfrau;  die  durch  die  ganze  Kirchenbreite  geführte  reichvergoldete 
Ikonostasis  bedecken  byzantinisch  gehaltene  Gemälde,  an  der  linksseitigen  vierten 
Säule  befindet  sich  das  Predigtpult,  und  rings  an  den  Mauern  zieht  eine  vergitterte 
Empore,  welche  die  Frauen  nach  altorientalischem  Brauche  männlichen  Blicken 
entzieht.  Die  Aussicht  vom  freistehenden  Glockenstuhle  nach  dem  Vranjska- 
Defilee  und  Markovo  Kaleh,  gegen  die  südlichen  Grenzberge  und  auf  das  von 
Grün  durchwachsene  rote  Dachgewirr  der  1905  in  2100  Häusern  10800  Einwohner, 
darunter  nur  mehr  zwei  Türken,  aber  300  Zigeuner,  bergenden  Stadt  ist  entzückend. 
Ungern  schied  ich  von  dem  interessanten  Rundbilde. 

Obschon  ich  Vranjas  Regulierung,  Pflasterung  und  Beleuchtung  während 
der  zwei  zwischen  meinen  Besuchen  liegenden  Jahre  bedeutend  fortgeschritten 
fand,  boten  die  Orientierungsgänge  durch  seine  langgedehnte  Carsija  (Basarstrasse) 
noch  oft  Gelegenheit  zu  gymnastischen  Übungen.  Gerne  ruhte  ich  in  grösseren 
Läden  und  Werkstätten  aus,  deren  Eigner  mir  meist  bereitwillig  über  Bezugsquellen, 
Warenpreise,  Rohstoffe  und  Hantierungen  eingehend  Auskünfte  erteilten.  Alles  in 
allem  erfuhr  ich,  dass  die  Eröffnung  der  Saloniker  Bahn  auch  Vranja  ebensowenig 
wie  Nis  den  erhofften  zauberhaften  Verkehrsumschwung  gebracht  habe.  Noch 
immer  bezogen  die  wenigen  Grosskaufleute  ihre  Manufakturen,  Tücher,  feineren 
Glas-,  Porzellan-  und  Quincailleriewaren,  Papier,  Lampen,  Ofen  usw.  über  Belgrad 
aus  Österreich -Ungarn.  Der  höhere  Zoll-  und  Frachtsatz  der  über  Salonik 
importierten  Artikel  beschränkt  diese  auf  belgisches  und  schwedisches  Eisen, 
mazedonischen  Wein,  billige  Marseiller  Kerzen,  griechische  Seife  und  Speiseöle 
(letztere  1  d  per  kg)  usw.  Gut  raffiniertes  russisches  Petroleum  kostet  die 
Kiste  ^^31  kg  (inkl.  Zoll)  17  d.  Deutsche  Textil-  und  Eisenwaren  finden  stetig 
grösseren  Absatz.  Von  der  1890  erfolgten  Aufhebung  des  Ausfuhrzolls  in  der 
Richtung  nach  Salonik  versprach  man  sich  die  Belebung  des  überseeischen 
Verkehrs,  der  sich  noch  immer  in  sehr  bescheidenen  Verhältnissen  bewegt. 

Von  der  heimischen  Industrie  fällt  die  Verarbeitung  des  viel  an  der  oberen 
Morava  gebauten  Hanfes  am  meisten  ins  Gewicht.  Vranja  gilt  als  zweiter 
Hanfstapelplatz  des  Landes.  1896  zählte  man  dort  243  Hanfbereiter  und 
30  Bockhaarweber,  welche  treffliche  Decken,  Bissacke,  Pferdezäume  usw.  ver- 
fertigen. Gute  Arbeiten  liefern  auch  seine  25  Kesselschläger,  9  Klempner, 
96  Schmiede,  Schlosser  usw.,  40  Wachsarbeiter,  147  Kleider-  und  95  Schuhmacher, 
sowie  viele  andere  Gewerbe,  welche  gleich  dem  217  Vertreter  zählenden  Handel 
durch  die  1889  gegründete  Sparkasse  und  den  seit  1892  bestehenden  Spar-  und 
Hilfsverein  bedeutend  gefördert  wurden.  Beide  brachten  1895  nahezu  17  Millionen  d 
zu  10 o/o  in  Umlauf.')    Die  57  Ober-  und  Unteroffiziere  des  Divisions-Kommandos 


')  1905  die  Sparkasse   11,1,  der  Spar-  und   Hilfsverein  7,6  Millionen  d  zu  10— 12",». 


Von  Leskovac  an  der  Vctcrnicn  nach  Vranja  usw.  257 

und  der  230  Soldaten  starken  Garnison  bilden  für  die  besseren  der  65  Gast-  und 
Kaffeehäuser  eine  gute  Kundschaft,  zu  welcher  auch  die  Jüngeren  der  zaiilreichen 
Beamtenschaft  gehören. 

Im  allgemeinen  fand  ich  die  Vranjaer  mit  dem  serbischen  Regiment  zufrieden. 
Um  so  überraschender  i<lang  die  Nachricht,  dass  auch  dort  im  Jahre  1894  Spuren 
direkter  Beteiligung  an  dem  „Cebinacer  Komplott",  nämlich  für  dieses  bestimmte 
grosse  Quantitäten  Munition  usw.  gefunden  wurden.  Wohl  klagte  man  allgemein, 
dass  der  Wegzug  der  stark  konsumfähigen  Moslims,  der  Wegfall  des  früher  auf 
Vranjas  Magazine  angewiesenen,  dem  Sultan  verbliebenen  Südwest-Moravagcbietes, 
ferner  die  alle  Verfrachtung  stark  verteuernde  2,5  km  lange  bergige  Strasse  von 
der  Stadt  zum  Bahnhofe  diese  gleich  sehr  schädige,  wie  der  Mangel  billigen 
Kredits.  Die  k.  Staatssparkasse  zahle  nur  50/0  und  nehme  8"/o,  Private  forderten 
aber  sogar  20— 30"  o-  Seither  besserten  sich  diese  höchst  ungünstigen  Verhältnisse, 
und  die  am  Geburtstage  des  Königs  (14.  August  1892)  eröffnete  Produkten- 
und  Industrie-Ausstellung  des  Kreises  erwies  schon  äusserst  ,  bemerkenswerte 
Fortschritte  auch  im  städtischen  Gewerbe.  Leider  wurde  Vranja  am  15.  Februar 
1897  durch  ein  heftiges  Erdbeben  heimgesucht,  das  grossen,  auf  300  000  d 
geschätzten  Schaden  anrichtete;  doch  reicher  Erntesegen  glich  diesen  wieder  aus, 
und  am  31.  Januar  1898  wurde  in  Anwesenheit  des  geladenen  Königs  Milan 
und  einiger  Minister  der  20.  Jahrestag  der  unter  seiner  Regierung  erfolgten 
Einverleibung  Vranjas  in  Serbien  unter  lauten  Loyalitätsversicherungen  für  die 
Obrenovic  enthusiastisch  gefeiert. 

Der  Vranjaer  Kreis  umfasst  4342  km-  und  88  Gemeinden  mit  540  Orten  und 
230700  Seelen  (1905)  in  6  Bezirken.  Von  diesen  sind  der  Leskovacer  und 
Pcinjaer  mit  60 — 80  Seelen  per  km^  die  dichtbevölkertsten;  im  Vlasotincer 
kommen  48  (S.  232),  im  Jablanicaer  43,  im  Masuricaer  37,  im  Poljanicaer  nur 
30  Seelen  auf  den  km^.  Dementsprechend  ist  in  den  stark  gebirgigen  drei 
letzten  die  Viehzucht  mit  280 — 330  Stück  per  100  Seelen  vorherrschend;  im 
Vlasotincer  zählte  man  232,  im  Pcinjaer  215,  im  fruchtbaren  Leskovacer  nur 
180  Stück  auf  100  Bewohner.  Im  ganzen  Kreise  gab  es  1905:  15  257  Pferde, 
91166  Rinder,  5986  Büffel,  197  Esel,  40267  Schweine,  272  1 17  Schafe,  102  187  Ziegen 
und  6523  Bienenstöcke.  Von  den  119775  ha  trugen  1905:  86650  ha  Mais, 
Weizen  usw.,  2204  ha  Gemüse,  5104  ha  Wein,  5888  ha  Obst,  19927  ha  dienten 
als  Wiesen  und  Weideland.  Ein  nicht  unbedeutender  Teil  des  Bodens  gehörte  in 
altserbischer  Zeit  den  zahlreichen  Klöstern  des  Kreises.  Ihre  grössere  Zahl 
liegt  heute  in  Ruinen  oder  dient  bis  auf  drei  noch  bestehende  als  Pfarrkirchen, 
deren  es  1905  erst  73  gab.  Weit  schlimmer  noch  steht  es  mit  dem  Volks- 
unferricht,  welcher  (von  Vranja  und  Leskovac  abgesehen)  nur  an  56  Orten 
in  drei-  bis  vierklassigen  Elementarschulen  erteilt  wurde  und  sich  nur  sehr 
langsam  hebt. 

Auf  dem  Ausfluge  zur  nahen  türkischen  Grenze  gelangte  ich  7  km  aufwärts 
von  der  Preobrazenska  reka-Mündung  zum  Dorfe  Preobrazenje,  das  Zar  Dusan 
der  Prizrener  Erzengelskirche  schenkte.  Nahezu  ganz  von  mazedonischen  Walachen 
bewohnt,  bildete  es  inmitten   der   albanesisch-slavischen   Bevölkerung  früher  die 

F.  RANI  TZ,  Serbien.    U.  IT 


258  Von  Leskovac  an  der  Veternica  nach  Vranja  usw. 

nördlichste  geschlossene  cincarische  Oase,  aus  der  viele  tüchtige  Wirte  der 
benachbarten  Strassenhane  stammten.-  Am  Oberlaufe  des  Baches  stand  das 
1852  erneuerte  grösste  Kloster  des  Kreises:  Sv.  Pantelije.  Nun  verwaltet  seinen 
einst  beträchtlichen  Grundbesitz  ein  Weltgeistlicher,  und  seine  Kirche  dient  ebenso 
als  Pfarre  für  Lepcince  und  vier  Nachbarorte,  wie  jene  des  linksuferigen 
ehemaligen  Klosters  Sv.  Stevan  für  Donje  Trebesinje  und  drei  andere  Orte. 
SO.  bei  Margance  (90ü  m)  wartet  noch  ein  Kohlenflöz  seiner  Wertbestimmung. 
4  km  von  Pavlovces  „Katunska  crkva"  erreichten  wir  die  Grenze  und 
erblickten  beim  Einflüsse  der  südlichen  Krsevica  das  gleichnamige  türkische 
Kirchdorf,  dessen  Bevölkerung  unter  Pop  Zivko  im  Feldzuge  1737  mit  den 
Kaiserlichen  gegen  den  Sultan  kämpfte  und  dessen  Pope  Nesa  sich  als  eifriger 
Glaubensheld  einen  Namen  gemacht.  Mein  im  18.  Kapitel  geschilderter  Besuch 
der  Grenzstation  Ristovac-Zibcvce  verlief  nicht  ohne  kleine  Zwischenfälle. 
Nachdem  wir  uns  von  den  türkisch-serbischen  Bahnbeamten  verabschiedet,  ging 
es  auf  Mithads  durch  serbische  Ingenieure  verbesserter  Nis-Kumanovoer  Strasse 
zurück  nach  Vranja.  inmitten  der  Trace  blieb  auf  Mithads  Befehl  eine  vom 
Volke  als  heilig  verehrte  Riesenpappel  erhalten. 

Am  13.  September  1889  setzte  ich,  begleitet  von  den  Ingenieuren  Barto§ 
und  Riener,  meine  Reise  von  der  südlichsten  Stadt  des  Königreichs  nach  seinem 
Südosten  fort.  Während  die  Bahnlinie  auf  dem  rechten  Ufer  der  NO.  fliessenden 
Morava  bleibt,  zieht  die  breite  Landstrasse  mit  ihr  parallel  an  den  1878  viel 
umkämpften  Vorhöhen  der  Krstilovica  hin.  Auf  die  türkische  Hauptposition  am 
Cevrljuga  folgt  etwas  östlicher,  gegenüber  dem  jenseitigen  stark  vorspringenden 
Kumarevska  Cuka-Felsen  bei  Suvi  Do,  die  sanftere  Terrasse  „Dva  Brata", 
so  genannt  nach  zwei  Brüdern,  die  sich  aus  von  der  Tradition  verschieden 
erzählten  Gründen  an  zwei  Weiden  erhenkten.  Hier  griff  Cizmic  mit  seinen 
Freiwilligen  in  den  geschilderten  Kampf  um  Vranja  energisch  ein.  Zwischen 
Ranutovac  und  Bresnica  kreuzten  wir  die  Morava  und  Bahnlinie  nahe  dem 
Punkte,  wo  die  1888  erbaute  neue  Strasse  in  den  südöstlichen  Einschnitt  von 
Vranjska  Banja  abzweigt. 

Ein  scharfer  Ritt  auf  der  3,5  km  langen,  mit  Kastanien  bepflanzten  Chaussee 
brachte  uns  zur  im  Bachbett  aufgehenden,  heissesten,  zum  Merzerieren  des  Hanfes 
benutzten  Quelle  mit  86,2"  C.  nach  der  Untersuchung  des  Dr.  Marko  Leko  (1888). 
Hochgeschürzte  flinke  Mädchen,  welche  die  breiten,  weissen  Pflanzen  zeltförmig 
zu  langen  Reihen  aufschichteten,  boten  ein  hübsches  Bild  voll  fremdartigen  Reizes, 
in  das  nur  die  am  Ufer  promenierenden,  europäisch  kostümierten  Badegäste  gleich 
wenig  passten,  wie  die  mit  schweren  Ketten  belasteten,  das  Material  für  Neubauten 
zuführenden  Sträflinge.  Lozanic  analysierte  die  Hauptbadequelle  als  klares, 
geschmack-  und  geruchloses  Wasser  von  85,6"  C.  Sie  entspringt  aus  von  Granulit, 
Mikaschicht,  Gneis  und  eruptiven  Trachiten  konstituierten  Felsen  und  wird  im  aus 
Quadern  erbauten  alten  Gesellschaftsbade  auf  56,  im  kleineren  auf  61  und  71"  C. 
ermässigt.  In  den  letzten  Jahren  entstanden  auf  dem  linken  Bachufer  kleine 
Gasthöfe  mit  etwa  20  Wannenbädern.  Der  Staat,  als  Eigentümer  der  Therme, 
will  Banja  in  einen  ihrer  gerühmten  Heilkraft  gegen  gichtige  Leiden  entsprechenden 


Von  Leskovac  an  der  Veternica  nach  Vranja  usw.  259 

angenehmen  Badeort  umwandeln.')  1889  zählte  man  schon  500  Kurgäste,  doch 
konnten,  obschon  selbst  die  Zigeuner  ihre  Häuschen  vermieteten,  kaum  200  gleich- 
zeitig in  dem  schon  eine  Kirche  und  Schule  besitzenden  Orte  untergebracht 
werden.  Das  soziale  Leben  konzentrierte  sich  in  einem  am  rechten  Vranjskaufer 
befindlichen  Gasthof,'  in  dem  ich  liebe  Bekannte,  den  zweiten  Regenten  Protid 
und  den  k.  Baurat  Bugarski,  traf;  den  ersten  Regenten  Ristic  und  viele  der  zuletzt 
angekommenen  Besucher  hatte  das  unerwartete  Erscheinen  eines  berüchtigten, 
verwegenen  Räubers  fortgescheucht.  Wie  man  sieht,  entbehrt  auch  das  serbische 
Badeleben   nicht  ganz  einer  eigentümlichen  Romantik. 

Vor  einigen  Jahren  wurden  zu  Banja  ein  der  Badenymphe  gewidmeter 
römischer  Inschriftstein  von  weissem  Marmor,  kannelierte  Säulenstücke  und  andere 
Baureste  gefunden.  -)  Am  Wege  von  der  Brücke  zum  unbeachtet  gebliebenen 
„Kaleh  bair"  sah  ich  ein  im  Boden  steckendes  riesiges  Gefäss,  das  auf  eine  alte, 
vielleicht  prähistorische  Urnenstätte  an  diesem  Punkte  hindeutet;  etwas  höher 
stiess  ich  auf  feste  Mauern,  deren  Verfolgung  mich  auf  das  schmale  Plateau 
des  80  m  über  dem  rechten  Banjskaufer  ansteigenden  „Izom"  brachte.  Auf 
meine  Bitte  Messen  die  Panduren  acht  mit  Sprengungen  beschäftigte  Sträflinge 
ihre  schwere  Arbeit  aussetzen,  und  bald  ergab  meine  Untersuchung  ein  starkes, 
im  Rechteck  angelegtes  antikes  Kastell,  dessen  60  m  messende  Langfronten 
vom  obersten,  10  m  breiten  Abschnitte  300  Schritte  abwärts  zum  Bache  liefen 
und  dort  in  einem  Werke  mit  1,4  m  dicken  und  45  m  langen  Quermauern  ihren 
Abschluss  fanden.  Bachaufwärts  traf  ich  die  Grundfeste  eines  Rundturmes  von 
2,5  m  Durchmesser  und  ein  stark  verschüttetes  Gewölbe,  das  einer  westlicheren 
Kirchenruine  angehörte.  Meine  Grundrissaufnahme  ergab  einen  15  m  langen, 
3  m  breiten  Bau  mit  Narthex,  halbkreisförmiger  Altarapside  und  0,80  m  starken 
Mauern.  Weiter  konstatierte  ich,  dass  unter  dem  Römerkastell  ein  Hochweg  über 
das  heute  durch  einen  türkischen  Grenzstein  auf  der  Patarica  gekennzeichnete 
triple.x  confinium  in  das  Strimon-  und  Hebrus-Gebiet  führte,  von  dessen  Schutz- 
werken bei  Prvonek  und  Stari  Glog  Reste  erhalten  blieben. 

Aus  meiner  archäologischen  Schürfarbeit  im  Vranjska  Banja  resultiert  dem- 
nach, dass  seine  Therme  von  den  sie  benutzenden  Römern  durch  starke  Werke 
beschützt  wurde,  dass  unter  ihrem  Kastell  ein  befestigter  Heerweg  nach  Thrazien 
lief,  und  dass  schon  zur  Zeit,  als  Nikola  Skobaljevic  dort  die  Moslims  schlug, 
eine  altserbische  Niederlassung  mit  Kirche  zu  Banja  bestand.  So  waren  es 
nicht  die  Ahnen  der  am  26.  Januar  1878  durch  die  christlichen  Aufständischen 
nach  blutigem  Gefechte  an  der  Brücke  verdrängten  Türken,  welche  zuerst  den 
Heilwert  der  Vranjskaer  Quelle  erkannten,  und  vielleicht  erweist  sogar  die  nähere 
Untersuchung  der  erwähnten  Urnenstätte,  dass  sie  schon  vor  der  römischen 
Epoche,  in  prähistorischer  Zeit,  benutzt  wurde. 

Von  dem  an  seiner  tiefsten  Stelle  315  m  hoch  liegenden  Morava-Tertiär- 
becken  behaupten  die  Anwohner,  dass  es  zwischen  Vranja  und  Banja  ein  riesiger 

')  Vranjska  Banja  wurde  1895  einem  Konzessionär  abgetreten,  und  1905  zählte  es 
1099  Kurgäste. 

«)  Starinar,  1,  S.  81. 

17* 


200  Von  Leskovac  an  der  Veternica  nach  Vranja  usw. 

See  einst  füllte,  der  seinen  Abfluss  gegen  Leskovac  nahm.  Der  Volksglaube  traf 
hier  das  richtige;  denn  zweifellos  durchbrach  die  Morava  den  kristallinischen 
Gebirgszug,  welcher  durch  die  1947  ni  hohen  bulgarischen  Grenzberge  mit  dem 
südöstlichen  Urgebirgsmassiv  des  rumeliotischen  Rhodope  zusammenhing.  Auf 
dem  linken  Ufer  dehnt  sich  zwischen  Priboj  und  Suva  Morava  trachitischer 
Tuff  aus,  der  sich  vorzüglich  für  Bauten  eignet  und  in  noch  grösseren  Massen 
auf  das  rechte  Ufer  hinübergreift.  Zwischen  kristallinischen  Sandsteinen,  Mika- 
schicht, Gneis,  Granulit  und  Chlorotoschicht  kommen  namentlich  auf  dem  östlichen 
Ufer  Kohle,  Eisen,  Blei,  Antimon  usw.  in  oft  reichen  Gängen  vor  und  wurde  dort 
der  seit  alter  Zeit  betriebene  Metallabbau  neuestens  rationeller  aufgenommen. 
Den  Waldstand  fand  ich  aber  an  vielen  Orten  in  unglaublicher  Weise  verwüstet. 
Ausgedehnte,  gut  erhaltene  Buchenwaldungen  gibt  es  mehr  nur  am  Kopiljak 
und  auf  der  Poljana  an  der  türkischen  Grenze,  wo  es  früher  an  Strassen  zu 
ihrer  Verwertung  fehlte;  dann  auf  dem  rechten  Moravaufer  zwischen  dem 
Jelasnica-  und  Masuricagebiete,  nach  dem  ich  meine  Reise  von  Banja  in 
nördlicher  Richtung  fortsetzte. 

Nach  8  km  langem  Ritte  auf  der  parallel  mit  der  Morava  und  Bahnlinie 
NO.  ziehenden  Strasse  erreichten  wir  Korbevac.  Der  Aufstieg  zu  seinem 
„gradiste"  über  das  GeröUe  eines  ausgetrockneten  Wassergrabens,  zwischen 
jungem  Buchen-  und  Haselnussgestrüpp,  war  nicht  erfolglos.  Auf  dem  etwa 
350  m  über  der  Morava  liegenden  Plateau  traf  ich  Reste  eines  stark  verwüsteten 
Baues,  dessen  Fronten  im  alles  überwuchernden  dichten  Unterholze  kaum  mehr 
erkennbar  waren.  Viel  Material  ist  entführt  oder  abgeschwemmt  worden,  doch 
lagen  allerorts  Römerziegel  und  grössere  Mörtelstücke  am  Wege,  der  uns,  vorbei 
an  verrasten  Halden,  hinab  zum  nördlichen  „Logor"  brachte.  Dort,  am  rechten 
Korbevacka  reka-Ufer,  auf  der  die  alte  Moravastrasse  beherrschenden  Hochebene 
„Cagoljski  rid"  (Gefrorene  Erde),  sah  ich  lange,  einen  riesigen  Lagerraum 
umschliessende  Wälle,  die  wahrscheinlich  mit  dem  auf  der  Höhe  angelegten 
Kastell  von  Slaven  und  Türken  zu  Angriff  oder  Verteidigung  benutzt  wurden. 
Die  Sage  erzählt,  das  schwer  zugängliche  Schloss  sei  von  den  Türken  mit 
starkem  Verluste  erobert  worden,  nachdem  eine  verräterische  baba  (alte  Frau) 
sie  auf  geheimem  Wege  in  dasselbe  einliess.  Der  einstige  gewaltige  Mauerpanzer 
des  Lagers  wird  von  den  Anwohnern  zu  Haufen  geschichtet  und  im  Winter  auf 
Schlitten  weggeführt.  Was  die  Menschenhand  verschonte,  dürften  die  Elemente 
in  wenigen  Jahrzehnten  bis  auf  die  letzte  Spur  nivelliert  haben,  und  der  Pflug 
wird  dann  seine  Furchen  über  diese  alte  Kriegsstätte  ziehen,  an  welcher  heute 
zwei  Kilometer  W.   das  Symbol  der  neuen   Zeit,   die   Lokomotive,   vorüberbraust. 

Bei  den  stark  vorspringenden  Trachitfelsen,  gegenüber  dem  unansehnlichen 
Prevalac,  ritten  wir  nahe  der  Bahnbrücke  durch  die  Morava  auf  ihr  linkes  Ufer 
zum  Priboj  han.  NW.  von  diesem  konstatierte  ich  auf  der  Orana  Njiva  und 
1032  m  hohen  Baltina  Cuka  antike  Werke,  welche  mit  jenen  zu  Korbevac 
und  Banja  den  grossen  Moravaheerweg  zur  Römerzeit  schützten.  Der  Trachit 
setzt  zur  westlichen  Oblikgruppe  fort,  deren  1360  m  ansteigenden  Kuppen 
weithin    die   Umgebung   beherrschen.     Von    einer   solchen   warf    der    auch    hier 


Von  Lcskovac  an  der  Vctcrnica  nach  Vranja  usw.  261 

auftretende  mystische  Königssohn  Marko,  wie  uns  ganz  ernstiiaft  versichert 
wurde,  seinen  Buzdovan  (Streitkoiben)  den  Mönchen  zu,  als  iiir  nun  in  Ruinen 
liegendes  Kloster  bei  Priboj  von  den  Amanten  angegriffen  wurde.  Mit  dieser 
zauberhaft  wirkenden  Waffe  vertrieben  sie  ilire  erschreckten,  fortan  die  gefeite 
Heilstätte  nicht  mehr  betretenilen  Bedränger. 

Hart  an  Pribojs  kleinem  Balinhofe  vorüber  führt  die  geradlinige  Strasse  nach 
Stubalj.  Sein  leicht  bearbeitbarer  weisser  Bimssteintuff  zieht  von  der  Siroka 
Padina  tief  hinein  in,  die  Jovackaschlucht  und  konstituiert  auch  den  Bell 
Kamen  (Weisser  Stein),  von  dessen  antiker  Befestigung  sich  einzelne  Ziegel  oft 
herab  ins  Tal  verirren.  2  km  weiter  steht  auf  steilgebösclitem  Felsvorsprung 
das  weisse  Kirchlein  Sv.  Prcobrazenje,  dessen  ürundfeste  traditionell  Marko 
Kraljevic  legte,  was  seinem  jedenfalls  jüngeren,  bescheidenen  Oberbau  grösseren 
Nimbus  leiht.  Noch  geheiligter  erscheint  dem  Volke  eine  sehr  mysteriöse  Höhlen- 
kirche im  nördlicheren  Lepenicatale.  Da  die  Stubaljer  meinten,  ich  müsste  sie 
unbedingt  sehen,  bogen  wir  bei  Gramadja  W.  ab  und  Hessen  uns  von  dem 
Eigner  der  nahen  Mühle  über  ihren  tiefen  Graben  weg  zu  der  dem  Wasserheiligen 
Nikolaus  geweihten  Stätte  führen.  Mitten  in  frischem  Baumgrün  hatte  sich  hier 
ein  des  sündigen  Welttreibens  satter  Anachoret  in  der  hoch  aufstrebenden  Tuff- 
wand eine  Celija  ausgemeisselt,  die  in  Zeiten  stärkeren  Arnautendrucks  als 
religiöser  Vereinigungspunkt  benutzt  und  mit  gleich  mysteriösem  Sagenkram 
ausgestattet  wurde,  wie  das  nahe  dem  gefürchteten  Donnerer  Sveti  llija  geweihte 
„Kacapunski  manastir"  am  Mittellaufe  des  Baches,  zu  dessen  noch  heute 
arbeitendem  alten  Kirchlein   12  Orte  eingepfarrt  sind. 

Von  der  Lepenicamündung  führt  ein  fahrbarer  Hochweg  durch  den  alt- 
serbischen  Gau  Inogosta  über  die  840  m  ansteigende  Trpezica  in  die  westliche 
bergige  Poljanica.  Die  Anwohner  glauben,  dass  eine  fromme  Prinzessin,  bis  der 
schwierige  Strassenbau  vollendet  war,  siebzig  unfruchtbare  Kühe  für  die  Arbeiter 
schlachten  liess.  Das  zum  Wegschutze  auf  der  Felshöhe  über  dem  Kloster 
Sv.  llija  errichtete  antike  Kastell  spricht  aber  dafür,  dass  diese  einzige  nach 
Gradnja  führende  Querverbindung  des  Veternicagebietes  mit  der  Morava  von  den 
Römern  angelegt  wurde. 

Die  bei  Suva  Morava  hart  an  den  Fluss  tretenden  Gneis-  und  Glimmer- 
schieferhänge Hessen  so  wenig  Raum  für  den  Schienenweg,  dass  er  bis  Repince 
zweimal  die  Fahrstrasse  durchschneidet.  Trotzdem  diese  topfebene,  mit  Weiden 
und  Ulmen,  Mithads  Lieblingsbäumen,  bepflanzte  Chaussee  sehr  breit  ist,  waren 
wir  wegen  ihrer  starken  Vernachlässigung  doch  froh,  als  im  rasch  eingebrochenen 
Nachtdunkel  die  plötzlich  vor  uns  erscheinenden  Lichter  von  Vladicin  Hau 
nach  dem  arbeitsreichen  Tage  eine  erquickende  Herberge  versprachen.  Wir 
fanden  sie  im  besten  der  um  die  kleine  Bahnhaltestelle  und  das  freundliche 
Bezirkshaus  gereihten  Haue.  Das  aus  einer  vom  Vranjaer  Vladika  Pajsije  hier 
begründeten  Karawanserei  entstandene  Verwaltungszentrum  des  Poljanicki  srez 
spielte  wegen  seiner  sehr  günstigen  Lage  gegenüber  dem  fruchtbaren  Vrlatale 
und  der  Moravabrücke  schon  im  alten  Verkehrsleben  eine  bedeutende  Rolle. 
Traditionell    rasteten    hier    die    aus    dem    rechtsuferigen    reichen    Masurica-    und 


262 


Von  Lcskovac  an  der  Vetcrnica  nach  Vranja  usw. 


Viasinagebiete  kommenden  Warenkolonnen  und  Reisenden,  bevor  sie  nord-  oder 
südwärts  auf  der  grossen  Moravastrassc  weiterzogen.  Im  Gegensatze  zu  den 
meist  geschlossenen  Dörfern  des  breiten  Masuricatales  erscheinen  die  Engtäler 
der  von  zahlreichen  Wasseradern  durchschnittenen  Poljanica  bis  hoch  auf  den 
römische  Kastcllreste  tragenden  Lisac  (1337  m)   und  langgedehnten  Kukavica- 


Einsiedler-Celija  an  der  Preobrazenska  reka. 


rücken  (1437  m),  dessen  gleichnamiges  Dorf  bis  1878  dem  erwähnten  Ramis 
Pasa  gehörte,  mit  den  zerstreuten  Gehöften  zahlreicher  Orte  bedeckt.  In  der 
Poljanica  ist  mehr  der  Mais-  und  Hanfbau,  jenseits  der  Weizenbau  entwickelt; 
in  beiden  Landschaften  sah  ich  aber  noch  ganz  unkultivierte  grosse  Bodenflächen. 
Die  früher  auf  dem  rechten  Moravaufer  in  den  elf  geschlossenen  Dörfern 
Kalimance,  Prekodolce,  Zitoradje,  Alakinci,  Masurica,  Surdulica,  Binovice,  Kalabovce, 
Dlugojnica,  Jelasnica   und  Vrbovo   siedelnden  Amanten   leisteten   den    durch   das 


Von  Lcskovnc  an  der  Vetcrnicn  nach  Vranja  usw.  263 

nördliche  Fliissdcfilce  vurdriiif^enden  Truppen  des  Generals  Beli-Markovic  im 
Januar  1878  iiet'tigen  Widerstand.  Bei  Vladicin  Han  endiicii  zur  Unterwerfung 
gezwungen,  zogen  sie  bald  darauf  den  E.xodus  nach  Albanien  der  dauernden 
Beugung  unter  serbische  Herrschaft  vor.  Ihre  verlassenen  Sitze  bevölkerten 
längst  begehrlich  nach  der  fruchtbaren  Ebene  blickende  Bergbewohner  aus 
•  Altserbien.  Die  Masurica  war  nun  ihrer  sich  wenig  um  Sultan  und  Gesetz 
kümnrernden  feindlichen  Eindringlinge  ledig,  und  als  wir  am  nächsten  Frühmorgen 
die  Morava  neben  den  alten  Brückenpfeilern  beim  Bahnhofe  gcquert  und  die 
Leni  endieliöhe  über  dem  einstigen  Albanesendorfe  Prekodoice  erstiegen  hatten, 
boten  das  reiche,  breite  Vriatai,  die  weisse  Gebäudereihe  von  Vladicin  Han  mit 
dem  gegen  Westen  sich  auftürmenden  Gebirge  der  Poijanica  ein  tieffriedliches, 
in  Linien  und  Farbe  prächtiges  Landschaftsbild,  dem  nur  die  vermehrte  Staffage 
fehlte,  um  noch  freundlicher  zu  wirken. 

Man  ahnt  wohl  kaum,  wie  stark  bewohnt  das  heutige  Südserbien  vor 
dem  grossen  E.xodus  nach  Ungarn  war.  Die  allerorts  über  dasselbe  zerstreuten 
Ruinen  kleiner  Kirchen  lassen  auf  eine  zahlreiche  glaubenseifrige  Bevölkerung 
schiiessen,  der  es  wohl  schwer  geworden  sein  musste,  den  prächtigen  angestammten 
Boden  zu  räumen.  Auch  die  Lemendzer  Höhe  krönen  von  alten  Steinkreuzen 
umgebene  malerische  Mauern  eines  18  Schritte  langen  Baues  mit  Narthex,  dessen 
3,8  m  hohes  Tonnengewölbe  von  den  Arnauten  gesprengt  wurde.  Zwischen 
den  sorgfältig  bearbeiteten  Tuff-  und  Sandsteinquadern  stecken  antike  Ziegel, 
die  von  einem  örtlichen  Wachtturme  oder  vom  jenseitigen  Kastell  auf  der  Straza 
stammen,  welches  die  von  der  Vrlamündung  zur  Vlasina  ziehende  Strasse 
schützte. 

Auf  diesem  auch  durch  N.  von  Vladicin  Han,  gegenüber  von  Dzep 
(XVlll.  Kap.),  im  Jahre  1897  gefundene  Grabstätten  bezeugten  Römerwege  ritten 
wir,  vorbei  an  Zitoradjes  „latinsko  groblje"  mit  unbeschriebenen  Steinen,  nach 
Zaguzane,  wo  Ingenieur  A'\ilialck  ein  aufg&gebenes  Arnautenciftlik  mit  grossem 
Grundbesitz,  Mühle  und  Han  um  den  Spottpreis  von  400  Dukaten  erstand. 
Gegenüber  bei  Alakinci  mündet  in  die  Vrla  der  starke  Masuricabach,  nach  dem 
das  flache  südliche  Talgebiet  „Masuricko  polje"  heisst.  Der  gleichnamige  Hauptort 
bildete  das  Zentrum  der  hier  seit  alter  Zeit  schwunghaft  betriebenen  Eisenindustrie. 
Seine  Arnauten  führten  eine  4  km  lange  Wasserleitung  von  der  Ronianovska 
reka  nach  ihrem  aus  mehreren  Öfen  bestehenden  „Samokov".  Dort  wurde  der 
durch  die  angeschwollenen  Bäche  herabgetragene  reine  Eisensand  geschmolzen 
und  sodann  von  den  ringsum  siedelnden  300  Zigeunerfamilien  zu  Hufeisen, 
Nägeln  usw.  verarbeitet.  Unterhalb  Kijevac,  wo  Eisen-  und  Bleilager  angeschürft 
wurden,  genoss  ich  einen  prächtigen  Ausblick  auf  die  südöstliche,  1637  m  hohe 
Vardenikalpe,  deren  reiche  Triften  der  mazedonische  Krösus  Vandjel  Mariolovic 
für  seine  15000  Schafe  und  200  Pferde,  vom  Djurdjev  dan  bis  Mitrov  dan, 
für  nur  300  d  vom  Staate  gepachtet  hatte. 

Der  paradiesische  Reiz  des  Vrlatales  steigert  sich,  je  enger  es  oben  wird. 
Seine  gesegnete  Talsohle  produziert  noch  in  höherer  Lage  Weizen,  Gerste,  Mais, 
am  meisten  aber  würziges  Heu,  das  am  Orte  nur  2  d  per  q  kostet.     Man  begreift. 


264 


Von  Lcskovac  an  der  Vcternica  nach  Vranja  usw. 


Vladicin  Han,  gesellen  vom  Leniendz^. 


dass  die  Albanesen  sich  zuerst 
in  diesem  Gebiete  des  rechten 
Moravaufers  einnisteten,  von  dem 
aus  sich  ihnen  die  Möglichkeit 
bot,  leicht  weiter  gegen  Nord  und 
Süd  vorzudringen.  Surduiica, 
das  wir  durch  ein  pittoreskes, 
kaskadenreiches  Felstor  erreich- 
ten, bildete  ihre  Hauptburg.  Hier 
befanden  sich  ihre  grösste,  nun 
in  eine  Schule  umgewandelte 
Moschee  und  die  schönsten, 
nach  ihrem  Exodus  rasch  zu 
wahren  Spottpreisen  verschleu- 
derten Gehöfte.  Abwesenden 
geschieht  immer  Unrecht.  Bei  der  Abrechnung  erhielten  die  Emigranten  durch 
ihre  serbischen  Agenten  unter  verschiedenen  Titeln  stark  reduzierte  Beträge,  mit 
welchen  kaum  die  prächtigen  Hausgärten  voll  herrlicher  Fruchtbäume  bezahlt 
waren.  Den  besten  Teil  unseres  bescheidenen  Diners  bildeten  Karamanka,  eine 
grosse  Birnsorte  von  erlesenstem  Geschmacke  aus  einem  ehemals  arnautischen 
Garten.  Unter  den  neuen  Einwanderern  befinden  sich  auch  Familien  aus  dem 
mazedonischen  Veles.  Es  scheint  ihnen  gut  zu  gehen.  Zahlreiche  stattliche 
Bauten  zeigen,  dass  Surduiica  wieder  aufblüht.  Treffliche,  mit  roter  Wolle 
plüschartig  gemusterte  Stoffe,  welche  einzelne  Frauen  hier  anfertigen,  erregten  auf 
der  Pariser  Ausstellung  grosses  Staunen,  sind  aber  seither  auch  erheblich  teuerer. 
Die  beiden  Tracen,  welche  sich  in  Surduiica  zu  einem  über  die  bulgarischen 
Grenzberge  in  das  Nisavagebiet  führenden  Wege  vereinigten,  wurden  jedenfalls 
zur  Erleichterung  der  schon  von  den  Römern  betriebenen  Eisengewinnung  in  der 
Masurica  und  auf  dem  Cemernik  angelegt.  Kastelle  SO.  und  NO.  von  Surduiica 
schützten   sie;   das   3  km   entfernte   erste,  rechteckige,   mit    120  m   langen,  40  m 


Von  Leskovac  an  der  Veternica  nach  V'ranja  usw.  205 

breiten  Fronten,  lag  über  Donje  Romanovce,  auf  dem  Plateau  der  1126  ni  hohen 
Tresnja.  An  ihrem  Westfusse  fand  ich,  auf  der  baumreichen  Vorterrasse, 
ausgedeiinte  Mauern  einer  Niederlassung,  deren  Bestand  zur  Römerzeit  antike 
Deckziegel  und  andere  technische  Merkmale  verrieten.  Das  nordöstliche  Strassen- 
kastell  stand  zwischen  dem  Glocki-  und  Gradski  potok,  auf  der  1419  m  hohen 
Cuka  bei  Bitvrdja,  inmitten  natürlicher  Felsenwälie,  an  welchen  seine  starken 
Mauern  lehnten.  Ein  drittes,  in  der  Luftlinie  nur  4  km  fernes  Römerkastell 
krönte  den  südwestlichen,  1305  m  hohen  Kostiljnik  zum  Schutze  der  von 
Surduiica  durch  das  Masuricko  poljc,  über  Gramadja,  Vrbovo  und  Korbevac 
(S.  260),  direkt  nach  Vranja  führenden  rechtsuferigen  Moravastrasse. 

Auf  dem  Rückwege  von  dieser  archäologischen  Exkursion  kamen  wir  durcli 
prächtige  Nussbaumhaine,  die  nicht  lange  mehr  das  Auge  erfreuen  sollten.  Sie 
waren  bereits  kontraktlich  der  Fiumaner  Firma  Goldner  verschrieben,  welche  den 
Bauern  für  den  4  m  langen  Stamm  von  75  cm  Durchmesser  14  d  bezahlt  und 
das  kostbare  Material  nach  Amsterdam  und  Marseille  ausführt.  Ich  besuchte  noch 
Surdulicas  aus  Trachitgestein  gefügtes,  10  m  langes,  6  m  breites  Kirchlcin 
Sv.  Roman,  von  dessen  90  cm  starken  Mauern  eine  halbkreisförmige  Apside 
vorspringt,  und  setzte  sodann  meinen  Ritt  im  oberen  Vrlalaufe  0.  nach  dem 
4' 2  Stunden  fernen  Vlasina  fort.  Bei  dem  bald  erreichten  Weiler  Curkovac 
schliessen  die  Talwände  eng  zusammen.  Aus  frischem  Waldgrün  hervortretende 
kristallinische  Felsen,  allerorts  niederrauschende  Wildadern  mit  vorgelagerten 
kleinen  Mühlen  an  der  bald  ruhig  und  wieder  in  lärmenden  Kaskaden  eilig 
hinstürzenden  Vrla,  das  Fehlen  jeder  menschlichen  Wohnung  und  Staffage 
gestalteten  den  Aufstieg  durch  das  wildromantische  Defilee  unsagbar  reizvoll. 
Kurz  nachdem  wir  zum  drittenmal  den  Bach  gekreuzt,  öffnete  sich  bei  den  Resten 
einer  kleinen  Befestigung  am  Gradskaeinfluss  ein  prächtiger  Blick  auf  das 
hochthronende  Bitvrdja-Kastell,  das  einst  mit  ersterer  ein  unterirdischer  Gang 
verbunden  haben  soll;  2  km  weiter  folgt  ein  noch  reizvollerer  auf  die  im 
Streser  bis  1930m  aufsteigenden,  metall-  und  kohlenreichen  serbisch-bulgarischen 
Grenzberge,  welche  die  waldreiche  südliche  Vrlaschlucht  ringförmig  umschliessen. 
Der  die  Steilufer  fortwährend  wechselnde  Pfad  führt  durch  die  Enge  aufwärts 
zum  Vrlaursprung  am  1704  m  hohen  Viljokolo,  den  die  Anwohner,  als  eine 
von  den  Vilen  erkorene  Lieblihgsstätte,  nur  ungern  betreten,  denn  an  ihrer 
kristallklaren  Viljokostica  liegt  zwischen  zauberhaften  Laubhainen  der  Tanzplatz 
der  schönen  Waldjungfrauen,  und  wehe  dem  Sterblichen,  der  ihren  Frieden 
stört!  Deshalb  weigerten  sich  die  Bauern  1878,  an  der  Aufrichtung  des 
serbisch-bulgarischen  Grenzzauns  über  den  Viljokolo  teilzunehmen;  es  musste 
durch  Soldaten  bewerkstelligt  werden.  Die  vom  Vilenplatze  zum  südwestlichen 
Prosenik  (1765  m)  streichenden  Höhen  bilden  die  Wasserscheide  zwischen 
der  Masurica  und  Struma,  dem  Strimon  der  Römer,  an  dessen  Viljokosticaquelle 
auf  dem  jenseitigen  bulgarischen  Boden  antike  Kastellmauern  die  Felshöhe 
zwischen  Gornja  und  Donja  Rzana  krönen. 

Das  ganze  zuletzt  geschilderte  Gebiet  gehört  der  riesigen  Erzzone  zwischen 
dem  Iskcr,   der  Vlasina  und  Morava  an,   als   deren   reichste  Eisenlagerstätte   das 


'-6ü  Von  Lcskovac  an  der  Vctcrnica  nach  Vraiija  usw. 

bulgarische  Saniokov  gilt.  Auf  die  verrasten  Sclilackenlialdcn  eines  licsclieideneren, 
in  der  österreichisciien  Karte  unrichtig  als  Dorf  erscheinenden  „saniol<ov" 
(Schmelzwerk)  stiess  ich  an  der  letzten  Vrlakreuzung,  bei  welcher  der  Anstieg 
auf  die  Viasinascheide  beginnt.  Den  ersten  zwei,  für  Wagen  viel  zu  steil 
tracierten  Serpentinen  folgen  fünf  sanftere,  und  beim  stattlichen  Bogdangehöffe 
war  der  905  m  betragende  Niveau-Unterschied  zwischen  der  Vrlaniündung  und 
dem  Südrande  des  „Vlasinsko  Blato"  überwunden.  In  1230  m  Höhe  kreuzten 
wir  die  Vlasinaquellen:  Jarcev  potok  und  Ljuta  Bara  hart  bei  ihrer  Mündung 
in  das  vor  uns  liegende,  von  S.  nach  N.  streichende  riesige  Sumpfbecken. 
Dieses  wird  im  Frühjahr  durch  zahlreiche,  den  es  umrandenden  Mikaschifthöhen 
entfliessende  Bächlein,  unter  welchen  der  drei  Mühlen  treibende  Sokolovski 
potok  das  grösste,  zum  6,5  km  langen  und  0,5  — 1,5  km  breiten  wasserreichen 
Sumpfe,  dessen  gänzliches  Zufrieren  bis  10"  C.  warme  Quellen  verhindern.  Ich 
fand  den  „See"  aber  durch  den  ungewöhnlich  regenarmen  heissen  Sommer  in 
eine  nahezu  ganz  trockene  Tiefebene  verwandelt,  auf  der  viele  Landleute  das 
Ausbringen  des  auf  tausend  Wagen  geschätzten  Grasertrags  beschäftigte.  Auf 
dem  einst  grösseren  alten  Seeboden  reihten  sich  hochgetürmte  Heuberge, 
dazwischen  weideten  Ochsen,  Schafe  und  Ziegen.  Nur  nördlich  traten  einzelne 
von  der  sinkenden  Sonne  glutrot  gefärbte  Wasserstreifen  auf.  Es  waren  die 
50  m  tiefen  Punkte  des  stark  undulierten  Terrains,  das  südöstlich  die  fernen 
Kuppen  des  bulgarischen  Ruj  und  Snegpolje  überragten.  Der  Tag  ging  zur 
Rüste;  verschiedene  Fragen  an  die  bereitwillig  Auskünfte  erteilenden  intelligenten 
Anwohner  über  das  damals  nur  wenig  gekannte  Viasinagebiet  blieben  für  den 
folgenden  verspart.  Rasch  mussten  wir  vorwärts.  Noch  waren  hart  am  Grenz- 
zaune 7  km  bei  angebrochenem  Dunkel  auf  und  ab  zu  klettern,  bevor  wir  über 
das  halb  auf  bulgarischem  Boden  liegende  Popova  Mahala  in  später  Nacht 
das  Grenzzollamt  erreichten. 

Unser  Empfang  seitens  der  Finanzbeamten  und  Buljukbasas,  welche  hier 
mit  einigen  Panduren  das  fiskalisch-polizeiliche  Recht  Serbiens  wahrten,  liess  an 
Herzlichkeit  nichts  zu  wünschen  übrig.  Um  so  schlimmer  sah  der  Han  aus,  in 
dem  wir  übernachten  sollten.  Er  glich  einer  verrussten  Räuberhöhle,  und  was 
uns  an  Trank  und  Speise  vorgesetzt  wurde,  war  völlig  ungeniessbar.  Ingenieur 
Bartos  liess  ein  wahres  Fluchiiagelwetter  über  den  Mchandzija  niedergehen,  der 
auf  alle  Vorwürfe  kurz  angebunden  erwiderte,  sein  Han  wäre  für  Bauern,  aber 
nicht  für  Stadtherren  eingerichtet,  v;elche  niemals  diese  Strasse  zur  Reise  nach 
Bulgarien  benutzten.  Ingenieur  Ricner  suchte  den  in  bösen  Worten  fortgesetzten 
Streit  zu  beschwichtigen;  er  endete  aber  erst,  als  der  Schreiber  uns  den  einzigen 
wohnlichen  Raum  seines  Häuschens  anbot.  Wir  übersiedelten  sofort  dahin,  und 
mein  Cajkochapparat  hätte,  wie  schon  oft,  das  gestörte  Seelengleichgewicht  des 
Freundes  Bartos  hergestellt,  wäre  er  nicht  infolge  seiner  Erregung  und  Neigung 
zu  Fiebern  von  heftigem  Schüttelfrost  gepackt  worden,  den  bald  starke  Hitze 
ablöste.  Ich  schritt  zu  den  an  mir  oft  bewährten  hydropathischen  Heilmitteln. 
Es  war  für  uns  beide  eine  verlorene  Nacht;  doch  erfreulicherweise  ging  es  am 
Morgen  schon  bedeutend  besser. 


Von  Leskovac  an  der  Veternica  nach  Vranja  usw. 


267 


Meine  Skizze  macht  den  Leser  mit  der  1327  m  hoch  liegenden  Skela 
Goleme  Bukve  bekannt.  Rechts  im  Vordergrunde  erscheint  neben  dem  serbischen 
Flaggenstocke  das  Schreiberhäuschen,  daneben  die  Pandurenkaserne,  hinter  dieser 
das  Dach  der  geschilderten  Mehana  und  über  der  Strasse  links  die  bulgarische 
Zollstätte.  Der  Verkehr  zwischen  den  Besatzungen  beider  Grenzämter  war  ein 
streng  gemessener.  Im  serbischen  herrscht  in  allem  und  so  auch  in  der 
Pandurentracht  grössere  Zwanglosigkeit;  das  bulgarische  fand  ich  aber  ganz 
militärisch  organisiert.  Der  befehligende  Unteroffizier  licss  während  unseres 
zuvor  angemeldeten  Besuchs  seine  gut  uniformierte  kleine  Truppe  antreten, 
auch  der  Kaffee  wurde  von  einem  salutierenden  Marssohne  gereicht,  und  in  dem 
bescheidenen  Amtsraume  waltete  ainnutende  Ordnung.     Im    allgemeinen  gibt  der 


Scrbiscli-bulgarisclies  Orenzanil  Goleme  Biikvc. 


geringfügige  Grenzverkehr  hier  wenig  Schreibarbeit.  Der  Export  nach  Bulgarien 
durch  diese  Zollstätte  beschränkt  sich  jährlich  im  Durchschnitt  auf:  4000  kg 
Seilerwaren,  10000  Stück  Schleifsteine  aus  Kopasnica,  200  Mühlsteine  aus 
Darkovac,  150000  kg  Obst,  hauptsächlich  Birnen  aus  Kunovo,  100000  kg 
Heu  aus  Vlasina  und  etwa  50  Pferde.  Die  früher  bedeutende  Weinausfuhr 
hörte  gänzlich  auf,  seit  der  Zoll  per  kg  auf  1  d  erhöht  wurde.  Noch  unbedeutender 
erscheint  der  bulgarische  Export  nach  Serbien.  Er  bestand  aus  500  kg  Schafwolle 
und  einer  grösseren  Quantität  Gajtan  (Schnüre).  Dagegen  wird,  weil  der  hohe 
serbische  Einfuhrzoll  eine  lohnende  Prämie  bietet,  viel  Tabak  in  das  Vriagebiet 
geschwärzt. 

Unerklärlich  blieb  es  mir,  wozu  hier  während  der  ersten  Baron  Hirsch'schen 
Bahnstudien  eine  Zweiglinie:  Sofia,  Trn,  Vlasina  zur  Morava  geplant  und  sogar 
traciert  wurde.  Nun  liegt  das  Projekt,  wegen  seiner  schwierigen,  unrentablen 
Durchführung,  wohl  für  lange  Zeit  begraben.  Obschon  von  Sofia  über  Breznik 
und  Trn   sehr  gute  Wege  in  das   Isker-Nisava-   und   Struma-Gebiet  führen,  fand 


26cS  Von  Lcskovac  an  der  Vetcrnicn  nach  Vraiija  usw. 

icli  auch  den  Personenvcrkelir  über  die  Grenze  gleich  NuH.  Nur  manchmal 
überschreiten  Bauern,  deren  Waldbesitz  teilweise  auf  serbischem  oder  bulgarischem 
Gebiete  liegt,  zum  Zwecke  des  Holzfällens  die  Grenze.  Dabei  kam  es  im  März 
1895  zum  vielbesprochenen  Zwischenfall,  als  Bewohner  des  bulgarischen  Dorfes 
Nasalevci  sich  weigerten,  die  angeblich  von  ihnen  schon  für  den  April  bezahlte 
serbische  Holzfälltaxe  nochmals  zu  entrichten,  und  deshalb  von  den  Panduren 
erschossen  wurden.  Die  serbische  Regierung  sühnte  das  schuldtragende  Vorgehen 
des  Zollamtschefs  Kundovic  mit  seiner  Entlassung;  ich  glaube  aber,  dass  eine 
Grenzregulierung  bei  Descani   Kladenac  geboten  sei. 

Bevor  wir  das  serbische  Zollamt  verliessen,  musterte  ich  noch  den  bunten 
Inhalt  seines  Konterbande-Magazins.  Da  gab  es  sehr  viel  Gajtan  und  noch 
mehr  in  verschiedensten  Hüllen,  in  Säcken,  Beuteln,  Tüten  usw.  konfiszierten 
Tabak  und  Zigaretten  ordinärer  bis  feinster  Sorte,  welche  in  Surdulica  für  den 
Fiskus  und  die  auf  ihren  Anteil  sich  freuende  Mannschaft  versteigert  werden 
sollten.  Eine  Abschiedssalve  begleitete  unseren  Abstieg  zu  den  „tri  bukve", 
welche  durch  ihre  auffällige  Grösse  dem  Kastell  seinen  Namen  gaben.  Unter 
der  mächtigsten,  als  „zavetina"  verehrten,  schied  der  mit  seinen  Panduren  nach 
Vranja  zurückkehrende  liebenswürdige  Riener  von  uns,  während  ich  mit  Ingenieur 
Bartos  und  den  Leskovacer  Gendarmen  nördlich  weiterzog. 

Über  die  prächtige  Taraijawiese  und  den  Caricin  Kladenac  gelangten  wir 
an  wasserreiche,  von  zahllosen  Dohlen  und  Riesensperlingen  bevölkerte  Moore, 
durch  welche  unser  eingeborener  Führer  auf  vielgekrümmtem,  ziemlich  trockenem 
Pfade  voranschritt.  Es  war  erstaunlich,  wie  genau  er  die  Namen  jedes  grösseren 
Wiesenfleckes,  jeder  Untiefe  und  Wasserader  des  ausgedehnten  Seebodens 
kannte.  Plötzlich  bekreuzigte  er  sich  und  erzählte,  auf  ein  breites  Moor  deutend, 
in  diesem  lebe  der  „Jezerski  bik",  ein  schwarzer  Seestier,  der  früher  oft  nächt- 
licherweise sein  feuchtes  Versteck  verliess  und  alles  ihm  in  den  Weg  kommende 
männliche  Rind  tötete.  Da  kam  einem  alten  Zigeuner  der  glückliche  Gedanke, 
dem  stärksten  Dorfstier  eiserne  Hornspitzen  aufzuschmieden,  worauf  dieser  das 
ihn  angreifende  Ungetüm  derartig  verwundete,  dass  es  fortan  im  Wasser  blieb. 
Nur  vor  dem  Ausbruche  von  Pest  oder  Krieg,  so  1829,  1877  und  1884,  wollen 
einige  Viasinacer  den  „bik"  gesehen  oder  brüllen  gehört  haben  (!).  Der  einst 
weit  ausgedehntere  See  ist  sichtlich  im  Schwinden  begriffen.  Seine  Sphagnumrasen 
und  einige  abseits  liegende  kühle  Bäche  enthalten  viele  Pflanzenraritäten.  Auf  den 
Höhen  gibt  es  auch  den  Bereich  des  Wassers  fliehende  seltene  Zerophyten. 
Von  aufgefundenen  ganz  neuen  Pflanzen  nannte  Pancic  (1887)  als  diesem 
Gebiete  ausschliesslich  eigen:  Avena  rufescens,  Allium  melanantherum  und 
Knautia  flavescens  var. 

In  1203  m  Höhe  querten  wir  die  einer  mit  Bryonia,  Clematis  und  anderen 
Sträuchern  durchwachsenen  südlichen  Waldschlucht  entfliessende  Vlasina  (S.  266) 
bei  Mali  most,  wo  sie  das  Seebecken  kristallklar  verlässt.  Etwas  südlicher  liegt 
das  Crkvena  Mahala  mit  dem  auf  ehemaligem  Klostergrunde  1838  erbauten 
Kirchlein  Sv.  Ilija  und  der  1878  nach  dem  Aufhören  des  Türkenregiments 
begründeten    Schule    von   Vlasina.      Hier   wohnte    der    noch    heute    im    besten 


Von  Leskovac  an  der  Veternicn  nach  Vranja  usw.  269 

Andenken  gebliebene  Miliail  Krstic,  welcher,  von  der  zur  Türkenzeit  einige 
Vorrechte  geniessenden  Viasinalandschaft  zum  Knezen  erwählt,  oft  mutig  gegen 
Ausschreitungen  der  moslimischen  Ciftlikherren  auftrat.  Die  darüber  erbosten 
Arnauten  des  Vrlatales  brachten  ihn  wegen  angeblicher  Aufstandsgelüste  vor 
den  Vali  von  Prizren,  von  wo  er  nach  dreimonatlicher  Haft  nach  Konstantinopel 
gebracht  wurde.  Als  1851  ein  sultanlicher  Ferman  das  Willkürregiment  der 
moslimischen  Grundherren  eindämmte,  blieb  nur  ein  die  Kopfsteuer  erhebender 
Buljukbasa  in  der  Landschaft  zurück.  Einer  ihrer  heutigen  drei  Pfarrer,  Toma 
Mihajlovic,  Sohn  des  verstorbenen  Knezen,  rächte  die  seinem  Vater  widerfahrene 
Unbill,  indem  er  beim  Anzüge  der  Serben  im  Januar  1878  an  der  Spitze  einer 
Schar  energisch  zur  Hinausdr'ängung  der  Arnauten  beitrug.  Die  erlangte  Frei- 
zügigkeit benutzend,  wanderten  bald  darauf  einige  Hundert  Vlasinaer  Familien 
in  den  Toplicaer  Kreis.  Trotzdem,  und  obschon  von  den  28  um  den  See 
zerstreuten,  5—40  Gehöfte  zählenden  Weilern  3  Bulgarien  zugefallen,  besass  die 
Gemeinde  1896  nahezu  3200  Seelen  in  423  Häusern.') 

Der  geringe  Wohlstand  in  der  Vlasina  zwingt  alljährlich  nahezu  250  Männer, 
als  „dundjeri"  (Häuserbauer)  im  Frühling  nach  Ober-Serbien  und  Rumänien  zu 
gehen,  um  mit  dem  gewonnenen  Gelde  ihre  Familien  zu  erhalten.  Ausgedehnteres 
Weideland  Besitzende  treiben  Molkerei  und  produzieren  den  wegen  seines 
Wohlgeschmacks  viel  gesuchten  Schafkäse.  Weshalb  er  so  trefflich,  darüber 
erzählte  uns  der  Zollschreiber  folgende  hübsche  Sage:  „Als  der  hl.  Sava  um 
zu  predigen  im  Lande  umherzog,  führte  er  einen  prächtigen  Hahn  mit  sich,  der 
ihn  täglich  zum  Frühgebete  weckte.  Zu  Vlasotinci  stahl  man  ihm  diesen.  Der 
erzürnte  Heilige  fluchte  dem  Dorfe:  .Euere  Hähne  mögen  Tag  und  Nacht  krähen!' 
und  so  geschieht  es  noch  heute.  In  Grdelica  stahl  man  ihm  seinen  vrg,  das 
Kürbis -Schöpfgefäss.  Der  hl.  Sava  fluchte:  ,Dass  den  Grdelicaern  der  vrg  am 
Halse  herabhänge',  und  seitdem  gibt  es  dort  viele  mit  Kropf  behaftete  Leute.  Zu 
Vlasina  wurde  der  Heilige  aber  mit  grosser  Ehrfurcht  empfangen,  auch  setzte 
man  ihm  den  besten  Käse  vor.  Erfreut,  segnete  er  ihre  Schafe:  ,Dass  sie  allezeit 
vielen  und  guten  Käse  geben'!"  Wirklich  wurde  dieser  bald  vielberühmt  und  ging 
sogar  bis  nach  Konstantinopel.  Vasilje,  ein  Bruder  des  reichen  mazedonischen 
Viehzüchters  (S.  263),  Hess  1889  Tausende  Schafe  auf  dem  Cemernik  weiden, 
wo  gleichzeitig  auch  Spagnuolen  mit  einem  Prokupljer  Herdenbesitzer  rituellen 
Kaskavalj  für  Salonik  produzierten.  Im  Kreise  selbst  wird  nur  minderwertiger 
Käse  verzehrt. 

Die  den  Vlasina-See  umschliessenden  Berge  bauen  sich  grösstenteils  aus 
Silikaten  auf,  nur  die  südliche  Grenzkuppe  Strbi  Kamen  besteht  aus  Kalk.  In  der 
türkischen  Epoche  gab  es  hier  eine  starke  primitive  Eisenindustrie,  welche  die 
Anwohner  durch  das  mittels  Frone  betriebene  Schlämmen  und  Schmelzen  des 
Magnetitsandes  stark  beschäftigte;  der  Arbeitslohn  war  aber  niedrig.  Der 
„Kulucar"  (Froner)  erhielt  für  das  25  Arbeitstage  beanspruchende  Schlämmen 
und  Zuführen  von  500  Oka -^  6,5  q  Erzen  nach  den  Schmelzhütten  in  Zaguzane, 


')  1905  zählte  die  Uemeinde  361G  Seelen  in  491  Häusern. 


270  Von  Leskovac  an  der  Veteriiica  nach  Vranja  usw. 

Masurica,  Mrka  Poljana  u.  a.  0.  nur  15  d.  Hussein  Pasa  soll  vor  fünf  Dezennien 
aus  25  kleinen  Hüttenwerken  hier  jährlich  1300  q  Roheisen  gezogen  und  dadurch 
bedeutende  Summen  gewonnen  haben.  Seit  dem  Abzüge  der  Türken  und  Arnauten 
ruht  der  Eisenbetrieb  an  der  Vlasina.  Allerorts  stösst  man  auf  zurückgelassene 
Spuren.  Gleich  jenseits  am  Westfusse  des  Cemernik  liegt  an  der  Garvanica 
das  verlassene  Werk  Vignje,  und  als  wir  an  seiner  Ostseite  den  Steilweg  durch 
die  pfadlose  Vlasinska  Klisura  zur  Höhe  verfolgten,  erschien  das  rote,  eisen- 
schüssige Terrain,  in  dem  stellenweise  riesige  Quarzstücke  auftraten,  von  vielen 
tief  ausgehobenen  Gräben  durchschnitten. 

Bei  Teskovo  betraten  wir  wieder  den  Piroter  Kreis  und  gelangten  an 
hier  seltenen,  nur  in  wenigen  Einschnitten  erhaltenen  Baumständen  vorüber,  zur 
berühmtesten  Erzstätte  „Kozlica".  Auf  ihrem  ganz  durchgrabenen  Terrain  fand 
ich  eine  alte  Wasserleitung  zum  Waschen  der  Erze,  dann  Reste  eines  gepflasterten 
Weges  zum  Ausbringen  derselben.  Alles  deutete  auf  den  einstigen  starken 
Betrieb.  Dass  dieser  schon  in  der  Römerzeit  begann,  zeigen  ausser  antiken 
Münzen  und  Gefässen  unter  der  1483  m  hohen  Skela  am  Karaguzov  Del 
aufgefundene  Ziegel  und  Inschriften,  von  welchen  eine  achtzeilige  die  LEG  Vll  CL 
erwähnt')  und  vom  Crna  Travaer  Protojerej  Stevan  Popovic  kopiert  und  von 
mir  veröffentlicht  wurde.  -) 

Das  eisenführende  Terrain,  auf  dem  wir  über  die  grasreiche  Popova  Cuka 
nach  Crna  Travas  Hauptweiler  abstiegen,  setzt  sich  15  km  W.  bis  zu  der  von 
den  Römern  befestigten  Leskova  Padina  fort.  1885  wurde  auf  dem  Gebiete 
von  Ruplje,  wo  sich  42  alte  Gräber  befinden  sollen,  durch  den  Industriellen 
Weifert  mit  dem  Advokaten  Aleksa  Novakovic  in  rationeller  Weise  der  Abbau 
auf  die  in  mächtigen  Gängen  vorkommenden  reichen  Bleierze,  konzessioniert, 
mit  282  Feldern  (1  =  100000  m=)  zu  Crveni  Breg  autgenommen,  doch  wegen 
der  schlechten  Kommunikationen  bis  auf  einige  Aufschlussarbeiten  wieder 
eingestellt.  Nicht  minder  reich  an  Erzgängen  wie  diese  „Djurina  Sreca" 
(Georgs-Glückzeche)  und  der  „Debeli  Del"  sind  die  nördlicheren  Vorkommen 
bei  Guzevje  und  die  südlichen  zu  Mrka  Poljana.  Alle  liegen  durchschnittlich 
in  1000  m  Seehöhe  an  den  Betrieb  erleichternden  starken  Bächen,  und  eine  7  km 
lange  Schleppbahn  von  Crveni  Breg  entlang  der  von  0.  nach  W.  fliessenden 
Predejanska  reka  zum  Morava-Schienenweg  ist  traciert.  Da  bei  dem  westlichen 
Predejane  auch  Kohlen  angeschürft  wurden,  wären  alle  Bedingungen  für  die 
erfolgreiche  Fortsetzung  dieser  hüttenmännischen  Unternehmung  vorhanden. 

Das  am  Einflüsse  der  Cemeretica  in  die  Vlasina  liegende  Hauptdorf  der  in 
weithin  zerstreuten  10  Orten  in  362  Häusern  nahezu  2600  Seelen  zählenden 
Gemeinde  Crna  Trava  sieht  mit  seiner  geschlossenen  langen  Strasse  stattlich 
aus.  Viele  der  oft  ansehnlichen  Häuser  und  Mehanen  mit  auffallend  steilen 
Ziegeldächern  waren  aber  leer,  weil  der  fruchtbare  Boden  und  leichtere  Verdienst 
144    Familien    nach    dem    Toplicaer    Kreise   zog,    wo    sie   ihren    guten    Ruf   als 


')  Starinar,  VI,  S.  120. 

■)  Kanitz,  Römische  Studien,  S.  151. 


Von  Leskovac  an  der  Veternica  nach  Vranja  usw.  271 

tiiclilige  Häiiserhauer  glänzend  bewahrten.  Da  wir  den  sonst  stillen  Ort  am 
Sonntage  und  Hochzeitsfeste  eines  wohlhabenden  Paares  betraten,  herrschte  dort 
frohes  Treiben.  Unter  Pistolenschüssen  ordnete  sich  der  Zug  beim  Hause  des 
Protas,  der,  obschon  „naprednjak",  weil  er  1878  im  Freiheitskampfe  sich  tapfer 
hielt  und  die  Ortsschule  begründete,  hohes  Ansehen  geniesst.  Er  bat  uns, 
einzutreten  und  stellte  auf  den  Tisch  frischen  Käse,  Obst  und  Forellen,  deren 
besonderen  Wohlgeschmack  schon  die  Türken  so  sehr  schätzten,  dass  Crna 
Trava  seine  Steuern  mit  16  kg  getrockneter  Fische  für  des  Sultans  Tafel  ablösen 
durfte.  Im  Pfarrgärtchcn  sah  ich  zum  erstenmal  den  durch  Pancic  bekannt 
gewordenen,  hier  aus  jungen  Trieben  gezogenen  serbischen  Kirschlorbeer,  dessen 
eigentlichen  Standort  ich  zwei  Tage  später  kennen  lernte. 

Die  immer  lärmendere  Trommel-  und  Pfeifenmusik  mahnte  zum  Aufbruche 
nach  der  Kirche.  Ein  barjaktar  (Fahnenträger)  schritt  voraus,  die  hübsche, 
festlich  geschmückte  Braut  war,  was  ich  bei  Bauern  nie  zuvor  gesehen,  mit 
einem  Rosagewebe  leicht  verschleiert;  der  Bräutigam  und  die  djever  trugen  bimte 
Tücher  an  der  linken  Schulter  aufgenestelt,  die  Eltern,  Verwandten  und  Freunde 
des  Paares  folgten.  Ich  fand  die  Frauentracht  hier  sehr  kleidsam.  Den  eng- 
anliegenden blauen,  an  Brust  und  Schultern  weit  ausgeschnittenen  Leibrock  mit 
buntem  Bortenbesatz  hält  um  die  Mitte  ein  roter  Gürtel  fest,  das  langärmelige 
Hemd  tritt  unter  ihm  über  farbigen  Strümpfen  breit  hervor,  den  Kopf  deckt  ein 
graziös  übergeworfenes  Tuch,  die  Mädchen  schmücken  ihr  meist  dunkles  Haar 
mit  Blumen,  und  reihen  um  den  Hals  so  viele  Münzen,  als  das  Haus  entbehren 
kann.  Das  Männerkleid  ist  minder  bunt.  Sie  tragen  braune  oder  weisse,  schwarz 
umrandete  Suknatuchröcke,  das  weitgeschnittene  Beinkleid  verengt  sich  gamaschen- 
förmig  unter  dem  Knie,  eine  kleine  Subara  (Pelzkappe),  Bundschuhe  und  zur 
Winterszeit  eine  mit  Lammfell  besetzte  Jacke  vervollständigen  den  Anzug. 

Wir  hatten  das  am  nördlichen  Dorfende  stehende  Sv.  Nikola-Kirchlein 
erreicht,  welches  man  1835  auf  der  Ruine  eines  älteren  erbaute.  Nach  der 
kurzen  Trauungszeremonie  eilte  die  muntere  Jugend  zum  Kolo,  der  nun  unermüd- 
lich unter  einem  altehrwürdigen  Zavetinabaum  am  Gradacki  potok  getanzt  wurde. 
Der  Beinamen  des  Wässerchens  deutete  auf  ein  nahes  grad,  und  wirklich  trägt  die. 
westliche,  1200  m  hohe  Kuppe  zerstörte  Mauern  eines  Römerkastells,  das  100  m 
lange,  60  m  breite  Fronten  und  eine  jetzt  verschüttete  Zisterne  besass,  bei  der 
ein  leider  verschwundener  Metallhammcr  und  andere  Objekte  gefunden  wurden. 
Aus  allen  Querschluchten  tosend  abstürzende  Wildbäche  schwellten  das 
Viasinabett  zwischen  den  sie  begleitenden  Steilwänden  derartig,  dass  wir  den 
hochliegenden  Reitpfad  nördlich  weiter  verfolgen  mussten.  Schwer  gelangt  man 
auf  die  jenseitige,  baumreiche  Vorhöhe  des  1417  in  hohen  Srp,  deren  von  unserem 
Führer  signalisierte  Befestigung  ich  mit  80  m  im  Quadrate  messenden  Steinwällen 
in  Karte  brachte.  Beide  Kastelle  legten  die  Römer  wahrscheinlich  zum  Schutze 
ihrer  hier  betriebenen  Eisengruben  an.  Das  bezügliche  Terrain  fällt  in  den  Bereich 
von  Brod,  zu  dessen  gleichnamigen  Hauptweiler  wir  tief  hinabstiegen.  Links 
blieb  ein  prächtiges  Buchenwäldchen;  rechts  erschienen,  obwohl  es  schon  Mitte 
September,  erst  halbreife  Korn-  und  Hirsefelder,  die  wie  der  magere  Boden  des 


272  Von  Leskovac  an  der  Veternica  nach  Vranja  usw. 

gesamten  Gebiets  durchschnittlich  zur  vierten,  mit  8  d  per  Hei<tar  bemessenen 
Steuerklasse  zahlen.  Der  vom  21.  bis  60.  Jahre  als  „Steuerkopf"  eingeschriebene 
Bauer  besitzt  wohl  gewöhnlich  hier  8 — 20  ha  Wald-  und  Wiesenland,  aber  wenig 
Ackergrund.  Dies  zwingt  die  jüngeren  Söhne  seit  jeher  zum  Betriebe  von 
Gewerben,  um  ihr  Brot  als  dundjeri  (Häuserbauer)  in  der  Fremde  zu  finden. 
Neben  einer  für  Pferde  gefährlichen  Holzbrücke  durchfurteten  wir  die  Vlasina  und 
rasteten  jenseits  im  von  vielem  Volke  umlagerten  Forum  der  „Brodska  opstinska 
kuca".  Dort  hörte  ich  von  den  zu  einer  Beratung  versammelten  Knieten,  dass 
es  in  Brod  (151  Häuser  mit  1100  Seelen)  170  Steuerköpfe,  im  nördlicheren 
Dobro  Polje  (148  Häuser  mit  1085  Seelen)  150  und  im  rechtsuferigen,  durch 
tüchtige  Baumeister  und  treffliche  Mühlsteine  bekannten  Darkovac  (117  Häuser 
mit  882  Seelen)  139  Steuerköpfe  gäbe.  Die  Gehöfte  liegen  hier  so  weit 
auseinander,  dass  kaum  80  Seelen  auf  dem  km-  wohnen,  und  noch  dünner  sind 
die  nördlichen  Gemeindegebiete  Gare  und  Javorje  bewohnt. 

Die  prächtigen  Buchenstände,  durch  welche  wir  vom  1168  m  hohen 
Krsticeva  Mahala  zur  lärmende  Kaskaden  bildenden  Babinca  abwärts  ritten, 
sind  reich  an  Wild.  Man  schiesst  es  jedoch  sehr  wenig  und  schont  besonders 
die  alten  Hirsche,  „weil  sie  den  Erntesegen  hüten".  Vorüber  an  einem  alten 
türkischen  Eisenbau  kletterten  wir  einige  Steilkurven  hinauf  zur  Crkvena 
Mahala  des  erwähnten  Dobro  Polje.  Bereits  am  Nachmittag  hatte  sich  ein 
empfindlicher  Temperaturwechsel  vollzogen.  Der  Horizont  umdüsterte  sich 
eisiggrau,  der  Abend  wurde  kühl,  um  so  wohliger  fühlten  wir  uns  in  dem  1200  m 
hoch  liegenden  Pfarrhofe,  der  höchsten  menschlichen  Wohnung  auf  viele  Meilen 
im  Umkreise.  Obschon  es  am  nächsten  Morgen  in  Strömen  regnete,  unternahm 
ich,  da  Herr  Bartos  wieder  fieberleidend,  nur  vom  Popensohn  begleitet,  den 
Ritt  zum  „gradac",  dessen  Untersuchung  mich  auf  diese  Wetterhöhe  geführt 
hatte.  Der  heulende  Sturm  schlug  die  Mantelkapuze  immer  zurück.  Gründlich 
durchnässt,  ging  es  auf  stellenweise  furchtbar  abschüssigem  Wege  und  wieder 
durch  hemmendes  Gebüsch  vorwärts  zur  3  km  fernen,  hoch  über  der  tief  unten 
hinbrausenden  Vlasina  liegenden  Burgruine.  Ich  fand  ein  Rechteck  mit  150  m 
langen,  60  m  breiten,  stark  verwüsteten  Mauern,  dessen  römischen  Ursprung 
zahlreich  verstreute  charakteristische  Deckplatten  bekundeten.  Unter  dem  Kastell 
lag  eine  künstliche  Grotte  und  20  m  tiefer  ein  16  m  langes,  5  m  breites,  mit 
antiken  Ziegeln  gepflastertes  „crkviste",  aus  dessen  halbkreisförmiger  Apside  eine 
47  cm  lange,  28  cm  breite  Steinkiste  nach  der  grossen  Dobropoljer  Ortskirche 
gebracht  wurde.  Ausser  den  drei  Befestigungen,  welche  ich  am  Oberlaufe  der 
Vlasina  feststellte,  zeigen  Kastellreste  an  ihren  östlichen  Zuflüssen  auf  dem 
Strbica  am  Ursprünge  der  Gradska  reka,  dann  auf  zwei  Höhen  über  Crvena 
Jabuka  und  Spaj  an  der  furtenreichen  Tegostica,  ferner  auf  dem  Radov  Trn  bei 
Strelac  an  der  Mursovica  und  bei  Svodj,  wo  die  von  Dobro  Polje  mit  stark 
östlicher  Kurve  durch  Orah  fliessende  Vlasina  die  gleichfalls  durch  Kastelle  bei 
Modra  Stena  und  anderen  Orten  überwachte  Luznica  aufnimmt,  die  Bedeutung, 
welche  die  Römer  dieser  bis  zum  bulgarischen  Trn  ausgedehnten  reichen  Erzregion 
beilegten.     Aber   auch   auf   dem    10   km   westlich   von    Crna  Trava    zur  Morava 


Von  Leskovac  an  der  Vcternica  nach  Vranja  usw.  273 

Streichenden,  grosse  Erzschätzc  bergenden  Terrain  fehlt  es  nicht  an  alten  Resten 
hüttenniännischer  und  fortifikatorischcr  Tätigkeit.  Dies  beweisen  drei  Kastelle, 
welche  ich  am  nächsten  Tage  an  der  Kozarska  reka  in  Karte  brachte. 

In  das  Pfarrhaus  zurückgekehrt,  fand  ich  um  sein  loderndes  Herdfeuer  die 
gesamte  Familie  versammelt.  Unser  Oastfreund  Pop  Stojko  hatte  sich  mit  dem 
Tapferkeitskreuz  geschmückt,  das  er,  gleich  seinem  Kollegen  Hadzi  Andjelko  zu 
Ruplje,  im  Januar  1878  erworben;  sein  ältester,  gleichfalls  im  Kampfe  gewesener, 
martialisch  aussehender  Sohn  und  Nachfolger  im  einträglichen  Popenamte  stellte 
uns  seine  Sprosslinge  vor,  deren  jüngstem  seine  sclunie  Frau  Sevdeiina ')  ganz 
ungeniert  die  Brust  reichte.  Im  jüngeren  Bruder  Sima,  welcher  als  Geniesoldat 
den  bulgarischen  Feldzug  mitgemacht,  begrüssten  wir  den  Broder  Genieinde- 
schreiber, der  mir  am  Tage  zuvor  bereitwilligst  statistische  Daten  gab.  Auch 
die  Popenfrau  und  ihre  beiden  unverheirateten  Töchter  hatten  sich  festlich 
herausgeputzt,  denn  alle  glaubten,  die  Stunde  des  Abschieds  sei  gekommen. 
Das  Kismet  verfügte  jedoch  anders.  Herr  Barto.s  fühlte  sich  noch  nicht  reisefähig, 
der  ruhelustige  Pandur  meldete,  die  übermüdeten  Pferde  bedürften  eines  Rasttages, 
und  auf  dem  Hofe  wirbelten  die  Schneeflocken  so  dicht  umher  wie  zur  lieben 
Weihnachtszeit.  Ich  hielt  es  für  ratsam,  die  herrschende  freundliche  Stimmung 
durch  antizipierte  Verteilung  des  üblichen  Gastgeschenks  zu  mehren  und  unseren 
spekulativ  angelegten  geistlichen  Hausherrn,  der  uns  wiederholt  die  grossen  Kosten 
seines  Neubaues  vorgerechnet,  über  unser  verlängertes  Bleiben  zu  beruhigen.  Im 
allgemeinen  wird  bei  dem,  trotz  der  stark  vernachlässigten  Kinderpflege,  kräftigen, 
schönen  Menschenschläge  dieser  armen  Täler  gern  Gastfreundschaft  geübt.  Wohl 
kann  man  dem  Fremden  nur  wenig  bieten.  Selbst  im  Popenhause  fand  ich  den 
Sinn  für  Komfort  und  Schicklichkeit  schwach  entwickelt.  Auch  da  gab  es  weder 
Knecht  noch  Magd,  die  Töchter  mussten  alle  Arbeit  im  Hause  und  im  nicht  sehr 
reinlich  gehaltenen  Viehstalle  verrichten.  Serbiens  Süden  ist  gegen  seine  älteren 
Landesteile  um  ein  halbes  Säkulum  zurück.  Als  die  Türken  1878  den  Vlasotincer 
Bezirk  räumten,  besassen  von  seinen  22  Gemeinden  mit  106  Orten  nur  drei, 
Konopnica,  Krusevica  und  Crvena  jabuka,  kaum  zehn  Jahre  zuvor  ent- 
standene Schulen,  seither  kamen  eine  fünfklassige  in  Vlasotinci  und  sechs 
andere  in  Dedina  Bara,  Crna  Trava  u.  a.  O.  hinzu.  Die  Volkserziehung  steht 
also  hier  auf  denkbar  tiefster  Stufe,  und  der  angeborene  Intellekt  der  Leute 
erwartet  in  jeder  Richtung  noch  seine  Ausbildung. 

Der  kalt  angebrochene  18.  Septembermorgen  fand  unsere  Karawane,  geführt 
von  dem  gefälligen  Popensohne  Sima,  auf  dem  Marsche  NW.  durch  Babinas 
noch  nicht  erntereife,  vorzeitig  in  vollstes  Winterkleid  gehüllte  Kulturen.  Im 
prächtigen  Buchenwalde  der  1452  m  hohen  Wasserscheide  lag  der  Schnee  hoch 
zusammengeweht.  Der  Abstieg  gestaltete  sich  auf  hartgefrorenen  Stellen  sehr 
unangenehm.     Graue  Nebelschleier  jagten  sich,  und  nur  auf  Augenblicke  erschien 


')  Dieser  im  nördlichen  Sert^ien  ungekannte  Name  —  etwa:  Gegenstand  der  Liebe  — 
kommt  gleich  mehreren  anderen  nur  bei  den  serbo-bulgarischen  Bewohnern  des  Königreichs 
vor  (s.  Kap.  XII). 

F.  KANITZ,   Serbien.    U.  18 


274  Von  Leskovac  an  der  Veternica  nach  Vranja  usw. 

die  1527  in  hohe,  vollkommen  weisse  Spitze  des  Ostrozub.  Seine  gegen  S. 
und  W.  mit  prächtigen  Weiden  bedectcten  Hänge  litten  zwei  Monate  früher 
(Juli  1889)  durch  einen  riesigen  Heuschreckenschwarm,  der  seinen  verheerenden 
Weg  über  Vlasina  S.  nach  Bulgarien  nahm.  Gegen  N.  und  O.  besitzt  der 
Ostrozub  aber  herrliche  Buchenwälder,  in  welchen  hart  am  Wege,  am  zur 
Kozarska  reka  abflicssenden  Zelenicki  potok,  der  von  Pancic  1887  untersuchte 
„Laurocerasus  Primus" ')  in  ziemlich  dichtem  Schlüsse,  als  immergrünes  Unterholz, 
wächst.  Dieser  serbische  Kirschlorbeer  scheint  hier,  an  der  Grenze  seines 
natürlichen  Verbreitungsgebietes,  die  Fähigkeit,  zu  blühen  und  Früchte  zu  tragen, 
eingebüsst  zu  haben.  Sein  nur  mit  den  grünen  Teilen  aufrecht  stehender  Stamm 
streckt  sich  nämlich  bald  nieder,  schlägt  stellenweise  Nebenwurzeln  in  den 
Boden,  und  indem  er  sich  an  der  Spitze  fächerartig  verzweigt,  überzieht  er  mit 
seinem  stetig  weiter  ausgreifenden,  lebhaft  grünen  Blattwerk  dicht  das  Gelände. 
Welcher  der  bekannten  Kirschlorbeerarten  die  vom  Volke  einfach  „zelenika" 
(Immergrün)  genannte  serbische  zugehört,  wagte  Pancic  nicht  zu  entscheiden. 
Da  mehrere  in  die  botanischen  Gärten  von  Belgrad,  Wien,  Zürich  usw.  verpflanzte 
Stöcke  sich  rasch  verzweigten,  empfiehlt  sie  sich  besonders  zur  Verschönerung 
schattiger  Wasserpartien  in  nördlichen  Parks.  Stöcklinge  aus  dem  nur  drei 
Stunden  von  der  Bahnstation  Grdelica  fernen  „Zelenicki  Do"  wären  unschwer 
zu  erhalten  und  bezügliche  Verlangen  an  den  Wirt  Popovic  der  bei  seinem 
Ursprünge  stehenden  Dobro  Poljer  Mehana  zu  richten. 

Stark  durchfroren,  hielten  wir  bei  diesem  „Zum  Kraljevic  Marko"  benannten 
stattlichen  Strassenhan.  Djordje  Andjelkovic,  ein  künstlerisch  veranlagter  Dobro 
Poljer  dundjer,  verewigte  hier  al  fresco  den  selbst  in  solch  hoher  Bergöde 
populären  Königssohn,  wie  er  dem  schwarzen  Statthalter  von  Kosovo  die 
„svadbarina"  (Heiratssteuer)  mit  der  Keule  bezahlt.  Wir  hatten  Grüsse  an  den 
Hanwirt  von  seinem  Vater,  dem  Popen,  zu  bestellen,  dessen  Familie  ich  nun 
vollzählig  kennen  gelernt.  Nachdem  heisser  Caj  uns  frisch  belebt,  drängte  es 
mich,  das  originelle  Bild,  in  dem  Markos  Gegner  schlecht  wegkommt-),  treu  zu 
kopieren.  Hier  verabschiedeten  wir  uns  von  Sima  und  ritten  über  die  1442  m 
hohe  Ogorela  Cuka  NW.  zur  650  m  tiefer  liegenden  Lopuska  mehana,  die 
wegen  ihres  unsagbar  elenden  Gastraumes,  in  dem  aller  Schilderung  spottende, 
unreinliche  Menschen  Rakija  brannten,  gleichfalls  ihr  Konterfei  verdient  hätte. 
Den  niederen  Zugang  verbarrikadierte  ein  mit  zwei  Öchslein  bespannter  Schlitten, 
der  ein  Fass  Birnen  zur  Verwandlung  in  den  beliebten  Nationaltrank  brachte. 
Man  rechnet:  1  q  Obst  gebe  13  kg  Rakija,  von  welchen  1,3  kg  als  Vergütung 
dem  Brenner  bleiben.  Der  schon  (Bd.  1.,  S.  601)  geschilderte  Apparat,  dessen 
sonst  metallener  Kessel  hier  durch  einen  von  Ton  ersetzt  war,  kostet  deshalb  auch 
nur  12  d.  Als  wir  mehr  geräuchert  als  erwärmt  dieses  selbst  Höllenbreughels 
ausschweifende  Phantasie  übertreffende  Interieur  verliessen,  meinte  Herr  Bartos: 
„Im   nächsten  Jahre,  wo  unser  Mehanagesetz   auch   für  den   neuen  Landesteil   in 


')  Der  Kirschlorbeer  im  Südosten  von  Serbien.    Belgrad  1887. 
=)  Vuk,  Srpske  narodne  pjesme,  II.   69.    S   417. 


Von  Leskovac  an  der  Veternica  nach  Vranja  usw. 


275 


Kraft  tritt,  lasse  ich  das  Schmutznest  aus  tiirkisciier  Zeit  einfach  niederhrcnnen." 
Wenige  Monate  darauf  meldete  mir  der  vielleicht  zu  pflichttreu  vorgehende  Tscheche 
seine  Versetzung  in  den  Sabacer  Kreis;  folgte  ihm  ein  nachsichtigerer  Kollege, 
so  besteht  wahrscheinlich  das  hässliche  Gerumpel  noch  heute. 

Der  weitere  Abstieg  durch  den  „Bukovik",  wie  die  Landschaft  ihrer  vielen 
Buchen  wegen  genannt  wird,  gestaltete  sich  geradezu  lebensgefährlich.  Die 
primitive  Strasse  war  durch  den  zweitägigen  Regen  in  einen  halben  Meter  tiefen 
Morast  verwandelt  worden,  durch  den  unsere  Pferde  nur  behutsamsten  Schrittes 
vorwärts  kamen.  Bei  dem  zur  Gemeinde  Gradiste  gehörenden  Samarnica 
konnte  ich  am  A\oric  (868  m)  noch  Steinwälle  eines  antiken  Werkes  konstatieren; 
der  Besuch  zweier  anderer  mir  signalisierter  Kastellruinen  bei  Ostrica  und 
Dadinci  erschien  aber,  obschon  sie  auf  den  nahen  Kozaricahöhcn  liegen,  wegen 


Freske  an  der  Kraljevit  Marko-Mehana. 


des  im  tiefen  Morast  verschwundenen  abschüssigen  Pfades  ganz  unmöglich.  Bei 
dem  durch  ein  altes  Steinkreuz  bezeichneten  „Beljkicev  grob"  zeigte  mir  der 
Mehandzija  auf  der  Kuppe  des  stark  bewaldeten  Stojanov  Trap  den  Standort 
des  Dadincer,  dessen  ausgedehnte  Mauern  aus  Ziegeln  und  Steinen  bestehen 
sollen.  Wir  hielten  beim  gleichnamigen  Strassenhan,  wo  die  550  m  hohe,  durch 
prächtige  Buchen  verschönte  Wasserscheide  einen  weiten  Ausblick  über  Leskovac 
bis  zu  den  Prokupljer  und  Niser  Bergen  bietet.  Hier  zeitigt  die  rote  Erde  und 
der  Tonschiefer  auch  wieder  Reben,  die  Luft  wurde  mild,  zwischen  die  immer 
niedriger  werdenden  Ziegeldächer  traten  mit  Stroh  gedeckte  Häuser.  Alles 
kündete  die  nahe  Ebene  und  grösseren  Wohlstand  an.  Elend  und  im  stark 
kupierten  Terrain  halsbrecherisch  zeigte  sich  nur  die  zwischen  Weinkulturen 
nördlich  nach  Vlasotinci  abbiegende  Strasse.  Es  war  Mittag,  als  wir  seine 
langgestreckte  Carsija  nach  vierstündigem,  höchst  unangenehmem  Ritte  erreichten. 
Der  Bezirkshauptmann  Rista  R.  Matic,  bewährte  sich  während  unseres 
kurzen  Aufenthalts  als  liebenswürdiger  Cicerone.    Im  Lebenslaufe  des  noch  jungen 

18* 


276  Von  Leskovac  an  der  Veternica  nach  Vranja  usw. 

Mannes  spief^elt  sich  der  stetige  serbische  Parteienkampf  charakteristisch  ab. 
Matic  war  zuerst  Lehrer  in  Zajecar,  beteiligte  sich  1883  an  der  dort  unter 
Pasics  Führung  ausgebrochenen  Revolution,  wurde  später  begnadigt  und  Steuer- 
kontrolleur, als  die  Radikalen  aber  das  Regiment  führten,  mit  der  Kapetansstelle 
im  stets  freiheitlich  gesinnten  Viasotinci  belohnt.  1809  erhoben  sich  die  Stadt 
und  Landschaft  unter  dem  aus  Gradiste  stammenden,  sich  Wojwode  von  Leskovac 
nennenden  ilija  Strelja  gegen  die  Türken.  Einige  Hundert  Aufständische  blieben 
bei  Dedina  Bara,  Strelja  wurde  in  Viasotinci  gehenkt,  ermahnte  aber  noch  auf 
dem  Richtplatze  das  Volk,  im  Kampfe  auszuharren.  Mit  Feuer  und  Schwert 
wurde  dieser  erstickt  und  Viasotinci  verwüstet.  Nicht  glücklicher  endete  1821 
die  zweite  Erhebung  und  jene  dritte,  auch  das  Niser  Gebiet  ergreifende  (1841) 
unter  Stanko  Bojadzija,  dessen  Sohn  ich  als  Mehandzija  zu  Viasotinci  traf.  Als 
Mehemed  Pasa  1860  nach  Nis  zog,  Hess  er  den  Popen  Stanoje  mit  noch 
sieben  anderen  Vlasotinciern  wegen  angeblicher  Zettelungen  mit  Serbien  an 
den  Galgen  1<nüpfen.  Trotz  alledem  vermochten  die  Türken  niemals,  sich  im 
„Bukovik"  festzusetzen,  und  Latif  Beg  aus  Leskovac,  der  Besitzansprüche  auf  die 
der  Stadt  gehörenden  Weinberge  «erhob,  musste  sich  auf  deren,  wahrscheinlich 
durch  Bakschisch  in  Konstantinopel  unterstützte  Klage  mit  einer  Abfindungssumme 
begnügen.  Von  Moslims  lebten  1877  hier  nur  der  Mudir,  sein  Schreiber,  ein 
Buljukbasa  und  sieben  Zapties. 

Am  5.  Januar  1878  endete  das  Türkenregiment  zu  Viasotinci.  Die  zu 
seiner  Stützung  erschienenen  Amanten  wurden  von  den  Aufständischen  im 
Kampfe  über  die  Morava  gedrängt,  wobei  christlicherseits  12  Tote  und  viele 
Verwundete  blieben.  Gleich  darauf  zogen  serbische  Beamte  ein,  der  Sitz 
des  nun  42057  Seelen  zählenden,  viehreichen  Bezirks  und  das  Cadre  des 
Territorial-Bataillons  wurden  hierher  verlegt  und  die  erste  Mädchenschule  des 
Viasinagebietes  dort  errichtet.  Die  über  die  Vlasina  sich  ausdehnende,  ärmlich 
aussehende  Stadt  besitzt  nur  ein  historisches  Monument:  die  wahrscheinlich  auf 
der  Grundfeste  eines  Romerkastells  stehende  ehemals  türkische  „Kula".  Bei  dem 
südlicheren  „Suplji  Kamen"  befindet  sich  die  1858  geweihte  hl.  Geistkirche, 
das  gleich  unbedeutende  Bezirksamt,  die  fünfklassige  Schule  und  die  mit  buntem 
Kram  gefüllte  lange  Carsistrasse.  Die  nahezu  4500  Bewohner  zählende  Stadt 
treibt  bedeutenden  Wein-  und  Viehhandel.  Kosta  llic  Mumdzija,  der  auf  600000  d 
geschätzte  Krösus  von  Viasotinci,  erwarb  sein  Vermögen  durch  das  hier  gestattete 
Geldverleihen  zu  6"/,,  per  Monat.  So  dürfte  der  1895  gegründete  Hilfs-  und 
Sparverein  dem  Bezirke  zu  grossem  Nutzen  gereichen. 

Von  Vlasotinces  jenseits  der  Brücke  liegendem  bestem,  aber  wenig  Gutes 
bietendem  Gasthause  ritten  wir,  begleitet  von  dem  sich  für  meine  Studien  lebhaft 
interessierenden  Kapetan,  durch  die  stark  undulierte,  von  Weinbergen  umrandete, 
250  m  hohe  Ebene  nach  dem  W.  bei  Konopnica  35  m  hoch  aufragenden 
Glimmerschieferhügel,  der  sie  wie  ein  riesiger  Tumulus  beherrscht.  Dort  hielten 
wir  am  einsam  liegenden,  1866  erbauten  ältesten  Schulhause  des  Bezirks,  in  dem 
40  Kinder  unterrichtet  werden.  Der  sehr  junge,  aufgeweckte  Lehrer  und  seine 
ihn    unterstützende,    noch   jugendlichere   Schwester   empfingen    uns   in   ihrem   mit 


Von  Leskovac  an  der  Veternica  nach  Vranja  usw.  '277 

Bildern  und  Büchern  ausj;;estatteten  kleinen  Pruni<geniacii  unj^eniein  herzlich. 
Nach  langer  bJitbehrung  gab  es  hier  auch  ein  grösseres  Blatt,  das  mich  über 
die  politischen  Ereignisse  ausserhalb  der  serbischen  Grenzberge  orientierte. 
Gemeinsam  besuchten  wir  das  nahe  Ortskirchlein  mit  isoliertem  Glockenturme 
am  „Gradac  breg"  und  erklommen  sodann  am  steilgeböschten  Westhange  das 
35  m  höhere,  künstlich  geschaffene  Plateau.  Die  es  umrandenden  starken 
Mauern  erwiesen  sich  als  Frontenreste  eines  135  m  langen,  15  m  breiten,  recht- 
eckigen Kastells,  über  dessen  römischen  Ursprung  ausser  seinem  Gusswerk 
antike  Ziegelfragmente  keinen  Zweifel  liessen.  Unter  dem  Schutze  dieser  Feste 
lag  am  Südfusse  des  Hügels  eine  kleine  Zivil-Ansiedelung,  von  der  gleichfalls 
Reste  vorhanden  sind,  und  an  der  vorbei  die  Strasse  über  Leskovac  mit  einem 
Zweige  nach  Ad  Fines  (Kursumlija),  mit  einem  zweiten  aber  nach  Vicianum 
(Pristina)  und  den  altberühmten  Janjevocr  Gold-  und  Silberminen  lief  (Kap.  Xi). 
Wir  durchfurteten  die  7  km  NW.  in  die  Morava  mündende,  stark  geschwellte 
Vlasina  vor  dem  grossen  Dorfe  Batulnvac,  das,  wie  alle  in  der  flachen  Umgebung, 
einen  festgeschlossenen  Komplex  bildet.  Der  Kapetan  schied  hier,  während  wir 
auf  der  trefflichen,  topfebenen  Strasse  der  Morava  zuritten.  Diese  hatte  kurz 
zuvor  das  aus  Lehm  und  Konglomeraten  bestehende  rechte  Ufer  durchbrochen 
und  den  tiefen  Arm  geschaffen,  über  den  ein  provisorischer  schmaler  Steg  uns 
auf  die  1  km  lange,  neu  entstandene  Insel  und  zu  Mithad  Pasas  Brücke  brachte. 
Statt  beider  Holzbrücken  ist  oberhalb  Prilepac  ein  Bau  mit  soliden  Stein- 
pfeilern geplant.  Vorbei  an  dem  malerisch  zwischen  Bäumen  steckenden  Badincer 
Strassenhan  gelangten  wir  in  später  Stunde  auf  die  Vranjaer  Strasse.  Die  helle 
Nacht  begünstigte  den  beschleunigten  Ritt  durch  die  uns  von  Leskovac  noch 
trennende  Weidenallee.  Unsere  braven  Pferde  rochen  den  heimatlichen  Stall 
und  schienen  die  vielen  Hunderte  mit  uns  auf  denkbar  schlechtesten  Wegen 
zurückgelegten  Kilometer  kaum  mehr  zu  fühlen.  Schon  wurden  die  hellbeleuchteten 
Haue  nahe  dem  Bahnhofe  sichtbar;  dieser  lag  aber  noch  in  schläfrigem  Halb- 
dimkel,  obgleich  der  Vranjaer  Zug  bereits  signalisiert  war.  Er  brachte  wenige 
Reisende  aus  weiterer  Entfernung,  von  Salonik  sogar  nur  zwei;  die  Räume  erster 
Klasse  waren  ganz  leer.  Unerwartet  bequem  gelangten  wir  nach  Nis,  wo  ich 
sofort  Vorbereitungen  für  meine  Reise  in  das  Arnautengebiet  traf. 


X. 


über  Prokuplje  durch  die  Jankova  Klisura 

und  Kursumlija  aut'  den  Prepolac. 


AM  29.  September  1889  trat  ich  von  Nis  die  Reise  in  das  südwestliche 
^  Morava-Gebiet  an.  Über  seine  seit  dem  Berliner  Frieden  in  Fluss  geratene 
ethnographischen  Verhältnisse  konnte  ich  selbst  in  Niser  Beamtenkreisen  nichts 
Sicheres  erfahren;  niemand  wusste,  woher  die  Leute  kamen,  welche  von  den 
1878  verlassenen  Hunderten  Arnautenorten  Besitz  ergriffen  hatten. 

Zuerst  ging  es  parallel  mit  der  Bahnlinie,  auf  Mithads  durch  riesige  Pappeln 
beschatteter  Strasse,  vorbei  an  Donje  Stopanjes  altem  Kirchlein,  aus  dem  eine 
kurz  zuvor  aufgefundene  Pergamenthaiidschrift  unbekannt  wohin  verschwand, 
sodann  geradlinig  N.  über  topfebenes  Diluvium,  das  sich  baumlos,  aber  ausser- 
ordentlich fruchtbar  acht  Stunden  von  N.  nach  S.  und  durchschnittlich  zwei 
Stunden  von  0.  nach  W.  zwischen  der  Jablanica  und  Veternica  ausdehnt. 

Von  den  vielen  seeartigen  Sümpfen,  welche  nach  den  Frühjahrsaustritten 
der  Morava  zurückbleiben,  gilt  der  „Crni  Vir",  östlich  vom  Bahnwächterhause  174 
bei  Kumarevo,  als  heiltätig  für  Menschen  und  Tiere.  An  der  Jablanica  sah 
ich,  hart  am  Wege  bei  Dupljane,  prachtvolle  Eichen  mit  5 — 7  m  Stammunifang. 
Früher  trugen  auch  die  den  Bach  begleitenden  Hänge  der  Dobra  Glava  dichten 
Wald,  doch  die  ihn  stets  als  gefährlichsten  Protektor  der  unzufriedenen  Rajalr 
erblickenden  Türken  taten  nichts  für  seinen  Schutz. 

Nach  10  Kilometer  Fahrt  hielten  wir  bei  dem  300  m  hohen  östlichen  Dobra 
Glava-Sporn.  Am  Fusse  des  für  Leib  und  Seele  sorgenden  Hügels  steht  eine 
Mehana,  oben  aber  das  malerische  Kirchlein  des  nahen  Pecenjevce  zwischen 
prächtigen  Rebengärten.  Der  Name  „Bratendorf"  des  wohlhabenden  Dorfes  soll 
von  einem  serbischen  Wojwoden  stammen,  der  sich  im  nahen  Kloster  ein  Mahl 
bereiten  liess,  während  desselben  aber  von  den  Türken  überfallen,  sich  tapfer 
wehrte  und  sie  zur  Flucht  zwang.  Mein  liebenswürdiger  Begleiter,  Professor 
Bozovic,  erzählte  auch  von  Burgresten  auf  dem  Vanosplateau,  doch  trotz  gemein- 
samen eifrigen  Forschens  bis  zum  Medeno  Gumno  (Honigtenne)  auf  der  treffliche 
Sandsteinbrüche  bergenden  Höhe  fanden  wir  nirgends  Mauerspuren  oder  verstreutes 
Baumaterial,  wohl  aber  unerwartete  Streiflichter  auf  das  Verhältnis  zwischen  dem 
emigrierten  Feudaladel  und  seinen  christlichen  Grundholden. 


280       Über  Prokuplje  durcli  die  Jankova  Klisiira  und  Kursunilija  auf  den  Prcpolac. 

Das  unter  dem  Metropoliten  Joanikije  durch  den  Baumeister  Andrija  aus 
Vcles  1844  erbaute  Kirclilein  Sv.  Ilija  mit  seinen  von  sechs  Sandsteinsäuien 
jicteiltcn  drei  Schiffen  ist  eine  bescheidene  Reprodui<tiün  der  älteren  Leskovacer 
Sv.  Bogorodica-Kirche  und  wie  diese  überreich  mit  ernst  wirkendem  dunklen 
Bilderschmuck  bedeckt.  Der  rechtsseitige,  in  der  den  Narthex  ersetzenden 
kleinen  offenen  Vorhalle  wurde  gleich  nach  dem  Einzüge  der  Serben  mit  blauer 
Farbe  überstrichen.  Nach  der  bezüglichen  Ursache  fragend,  hörte  ich  staunend: 
dass  dort  auf  Befehl  des  moslimischen  Pecenjevcer  Grundherrn  „Muhammeds 
Verherrlichung"  hingemalt  werden  musste,  da  er  sonst  die  Einweihung  der  Kirche 
nicht  erlaubt  hätte!  Es  wäre  interessant,  den  Überzug  zu  entfernen,  um  zu  sehen, 
wie  der  christliche  Künstler  diese  seltsame  Aufgabe  löste!  Nun  rufen  aus  dem 
hölzernen  Glockenstuhle  drei  eherne  Stimmen  die  ehemalige  Rajah  zum  Gebet; 
der  einstige  Konak  des  die  Glorifizierung  des  Propheten  fordernden  Mehemed 
Pasa  Agic  wurde  von  den  Pecenjevcern  1878  für  630  Dukaten  angekauft  und  in 
ein  Gemeindehaus  mit  vierklassiger  Schule  umgewandelt;  er  .selbst  wohnt  jetzt  in 
Salonik,  fern  von  den  ihm  einst  zinsbaren  18  Dörfern,  von  seinen  vielen  Häusern 
und  der  Allah  zu  Ehren  erbauten  Leskovacer  Moschee,  die  ihn  verewigen  sollte, 
nun  aber  verödet  dasteht. 

Von  den  680  Steuerköpfen  der  neun  Orte,  welche  mit  3380  Seelen  in 
435  Häusern  die  Gemeinde  Pecenjevce  bilden,  war  die  Mehrzahl  dem  Krösus 
Pasa  Agic  tributär.  Man  unterschied  zwei  Klassen  „Rajah".  Die  bevorzugte 
stand  in  einem  mit  gewissen  Rechten  ausgestatteten  Vertragsverhältnisse  zum 
moslimischen  Gutsherrn,  erhielt  von  ihm  nur  den  Boden  zur  Bearbeitung,  besass 
aber  Haus  und  Vieh  als  Eigentum  und  musste  für  den  Samen  selbst  sorgen. 
Solche  hatten  von  bereits  früher  unter  Kultur  gestandenem  Boden  den  Zehent 
dem  Staat  und  ein  Dritteil  des  Grundertrags  dem  Gutsherrn  abzuliefern;  wenn 
sie  aber  das  Terrain  selbst  urbar  gemacht,  ausser  dem  sultanlichen  Zehent,  dem 
Grundherrn  nur  den  neunten  Ertragsteil  abzuführen.  Schlimmer  stand  es  mit 
dem  Rajah  Cifcije  (sahibije),  der  vollkommen  besitzlos,  alles  vom  Gutsherrn 
empfangend,  als  recht-  und  willenloser  Kolone,  mit  Weib,  Kindern  und  dem 
ganzen  Arbeitsertrag  von  dem  guten  Willen  und  der  allerdings  oft  sehr  gerühmten 
Humanität  des  Bodeneigners  abhängig  war.  Die  serbische  Regierung  löste  Pasa 
Agics  Bodenrechte  zu  Pecenjevce  für  7000,  im  nördlicheren  Cekmin  für  3200, 
im  südlicheren  Kastavar  (für  11  Häuser)  mit  400  Dukaten  ab  und  bedingte 
sich  von  den  Gemeinden  die  Rückerstattung  der  ausgelegten  Beträge  samt 
Interessen  in  20  Jahresterminen.  Zwei  Termine  wurden  richtig  bezahlt,  dann 
geriet  aber  die  Schuldabtragung  „wegen  schlechter  Zeiten"  ins  Stocken,  und  der 
Staat  nimmt  nun  statt  Bargeld  die  Bodenprodukte  zur  Militärverpflegung  für 
bestimmte  Preise  „in  Rechnung"  an. 

In  und  weit  um  Pecenjevce  gedeihen  Hanf  und  Getreide  sehr  vortrefflich. 
Wie  ich  von  dem  lange  dort  angesiedelten  Kaufmann  Mladen  M.  Marinkovic 
aus  dem  sirmischen  Ruma  erfuhr,  erscheinen  seit  1889  fremde  Agenten  in  Nis 
und  Leskovac,  welche  mehr  über  Salonik  als  über  Ungarn  exportieren.  Schöner 
Weizen    erzielte    in    jenem    Jahre    12,    Gerste    10,    Mais    8—9    d    per    q.     Bei 


über  Prokiipljc  durch  die  Jankovn  Klisura  und  Kiirsunilija  auf  den  Prepolac.       281 

rntionellcrciii  Betrieb  niiisste  der  Ackerbau  auf  dem  vorzüglichen  Boden  eine 
lohnende  Rente  abwerfen.  Noch  ist  aber  alles  Arbeitsgerät  höchst  primitiv  und 
mit  Ausnahme  des  eisernen  „raonik"  (Pflugschar)  von  Holz.  Der  früher  nur  an 
der  Morava  gepflegte  Weinbau  wurde  seit  der  serbischen  Kolonisation  auch  in 
die  Pusta  reka  eingeführt;  der  dort  von  den  Albanesen  bevorzugte,  hochentwickelte 
Obstbau  ging  aber  bedeutend  zurück.  Reichen  Gewinn  bringt  die  Schweinezucht 
an  der  Morava  bis  abwärts  nach  Grdelica.  Pecenjevce  allein  führt  jährlich 
200  fette  Tiere  zu  100-130  kg,  mit  65—80  d  per  q,  und  500  magere  zu  60  d 
das  Paar  zur  nahen  Bahnstation.  Weniger  gut  steht  es  mit  der  Rinderzucht.  Der 
Ochsenschlag  ist  klein,  kurzhörnig,  struppig,  scheckig  und  zum  Fleischverkauf 
ungeeignet,  wird  jedoch  durch  die  eingeführte  langhornige,  ungarische  Rasse 
allmählich  verbessert;  auch  der  Büffel  ist  unansehnlicher  als  in  Mazedonien,  die 
Milch  schmeckt  aber  trefflich.  Die  kleinen  Pferde  sind  ungemein  ausdauernd 
und  kräftig,  die  Schafe  leiden  in  Leskovac'  sumpfiger  Umgebung  viel  durch  die 
nietilja  (Egelwurm);  ihre  gut  verwendbare  Wolle  wird  mit  1.30  d  per  kg  exportiert. 
Dem  Verkehr  dieser  reichen  Landschaft  kommt  der  Weg  sehr  zustatten,  den 
König  Milan  1885  durch  die  Weingärten  über  den  Bell  Kamen,  Siljegarnik, 
Dzaverov  Lug  und  die  wildreichen  Kuppen  der  Dobra  Glava  ins  westliche 
Pusta  reka-Tal  anlegen  liess. 

Bei  der  Bahnstation  Pecenjevce  kreuzten  wir  die  Jablanica  und  den 
Belgrader  Schienenstrang,  bogen  hierauf  bei  einem  riesigen  Zapis  (Kreuzbaum) 
nach  Lipovica  ab,  übersetzten  vor  der  Haltestelle  Brestovac  die  Pecenjevacka 
reka  und  lenkten  bei  Kutles  nach  dem  gleichnamigen  „gumniste".  So  heissf  der 
letzte  nördliche  Ausläufer  der  Dobra  Glava,  den  seit  1844  die  auf  allen  Kirchen- 
resten erbaute  „Kutleska  Kapela  Sv.  Petka"  krönt.  Vor  ihrer  dreibogigen 
Vorhalle  steht  ein  hoher  roher  Steinklotz,  der  Wunder  wirkt.  Zu  ihm  pilgern 
an  Freitagen  kranke,  ihre  Heilung  zuversichtlich  erwartende  Frauen.  Oleich 
neben  der  Kapelle  erbauten  die  Kutleser  ihr  vierklassiges  Schulhaus.  In  diesem 
traf  ich  ganz  vereinsamt  wohnend  die  Lehrerin  Persida  Jovanovic  aus  dem 
sirmischen  Mitrovica;  welcher  Entsagung  und  Berufsliebe  bedarf  es,  um  hier 
auf  dieser  Wetterhöhe,  abgeschnitten  von  aller  Welt,  ja  selbst  von  dem  tief  unten . 
liegenden  Dorfe,  den  langen  Winter  zu  verbringen!  Allerdings,  grünt  und  spriesst 
es  wieder  in  der  weiten  Moravaebene,  blaut  der  Himmel  und  wird  die  Aussicht 
auf  die  nördlich  aufragenden  Hochkuppen  der  Suva  Planina  und  die  vorlagernde 
waldreiche  Babicka  frei,  dann  lässt  sich  wohl  schwerlich  ein  aussichtsreicheres 
Heim  mit  Naturgenuss  in  Fülle  denken.  Uns  wurde  das  Zimmer  eingeräumt,  in 
dem  der  hier  an  Festtagen  die  Liturgie  lesende  Pope  übernachtet;  für  ein 
frugales  Abendbrot,  Wein  und  Pferdefourage  sorgte  der  Kutleser  Kniet.  Als  wir 
uns  auf  die  frischen  Heulager  hinstreckten,  wurde  es  draussen  laut.  Bald  pochte 
es  kräftig  an  der  Türe,  und  in  ihrem  Rahmen  erschien  eine  jugendliche  Hühnengestalt 
in  hohen  Reiterstiefeln,  mit  Sturmhut  und  Hahnenstoss,  so  recht  amerikanisch- 
hinterwäldlerisch ausgerüstet  mit  Hinterlader,  Revolver,  Weidmesser,  Jagdtasche, 
Patronenbüchsen  usw.,  gefolgt  von  zwei  prächtigen  Hunden  und  zwei  Gendarmen 
in  voller  Rüstung.     „Guten  Abend,    meine   Herren!     Kreisingenieur   Valenta    aus 


282       Über  Prokuplje  durch  die  Jankova  Klisurn  und  Kursumlija  auf  den  Prcpolnc. 

Prokuplje,  abgesendet  vom  Nacelnik  zur  Begleitung  des  Herrn  Kanitz.  Ihr 
Telegramm  traf  verspätet  ein,  Teufel,  das  war  ein  scharfer  Ritt,  pardon,  wollte 
mich  nur  vorstellen,  morgen  besprechen  wir  das  Weitere."  So  führte  sich  der 
stattlich  herangewachsene  Sohn  meines  verstorbenen  Freundes  Dr.  Valenta  bei 
mir  ein;  als  flotter  Nimrod  und  fröhlicher  Gesellschafter  gibt  er  sich  stets 
natürlich  und  gewann  damit  alle  Herzen. 

Zeitig  morgens  waren  wir  reisefertig,  auch  Ingenieur  Barto§,  der  nach  Nis 
zurückkehrte.  Wir  begleiteten  ihn  bis  zur  Pecenjevacka  reka  und  fanden,  dass  dieser 
bedeutende  Bach  nicht  wie  auf  der  neuen  serbischen  Generalstabskarte  in  die 
Pusta  reka,  sondern  direkt  zur  Morava  fliesst,  ein  Fehler,  den  ich  gleich  anderen 
auch  auf  der  österreichischen  Karte  fand  und  berichtigte. 

Wir  schieden,  umritten  den  „Kutleski  Drenak"  und  zogen  auf  dem  vom 
Sarlinski  potok  stark  versumpften  Uferstreif  „gradiste".  Vorüber  am  westlichen 
Dobra  Glava-Ausläufer  „Tri  Usi"  (Drei  Ohren),  ging  es  durch  dichtes  Eichenholz 
hinauf  zu  einem  304  m  hohen,  aus  Sandstein  konstituierten  Vorberge  des 
„Siljegarnik",  von  dem  man  zu  Kutles  erzählte,  dass  er  ein  Kaleh  trage.  Wirklich 
fand  ich  die  Kuppe  von  Mauern  umwallt,  deren  Steinpanzer  bis  auf  wenige 
Platten  fortgeschleppt  worden  war.  Schon  das  charakteristisch  feste  Gusswerk 
verriet  eine  römische  Anlage,  falls  sie  nicht  die  zerstreuten  Fragmente  antiker 
Deckziegel  bezeugt  hätten.  Das  stark  verfilzte  Unterholz  und  die  starke  Ver- 
wüstung des  ziemlich  ausgedehnten  Werkes  erschwerten  mir  die  Bestimmung  der 
einstigen  Kastellform;  doch  scheint  es,  dass  sie  sich  dem  undulierten  Plateaurande 
angeschlossen  hatte. 

Der  Siljegarnik  bildet  einen  Teil  der  Dobra  Gora  (780  m),  welche  mit 
dem  anschliessenden,  meist  kahlen  oder  von  Jungwald  bestandenen  niedrigeren 
Kremen  (Kiesel)  den  S.  nach  N.  nehmenden  Unterlauf  der  an  ihrem  Westhange 
vorüberfliessenden  Pusta  reka  bedingt.  Ihre  breiten  Diluvialufer  sind  sehr  fruchtbar; 
besonders  Weizen  gedeiht  vortrefflich.  Der  Staat  behielt  deshalb  gegen  2500  ha 
des  ehemaligen  Arnautendorfes  Kacabac,  um  dort  eine  agrikole  Musteranstalt 
mit  Gestüt,  ähnlich  der  Ljubicevoer,  für  die  südlichen  Landesteile  zu  errichten. 
Auf  kürzerem  Wege  stiegen  wir  durch  das  sumpfige  Vorland  hinab  nach  Medja, 
wo  mein  geistlicher  Begleiter  einen  billig  erworbenen,  früher  arnautischen  Grund- 
besitz von  Banater  Serbenfamilien  auf  halben  Ertrag  bewirtschaften  Hess.  Das 
Anwesen  machte  einen  stark  vernachlässigten  Eindruck,  das  Interieur,  die 
hübschen,  dunkeläugigen  Kinder  sahen  unreinlich  aus,  und  doch  sprach  der 
uns  angebotene  frische  Schafkäse  für  treffliche  Weiden,  deren  es  auch  in  den 
Niederungen  der  Pusta  reka,  zwischen  ihren  ausgedehnten  Sümpfen,  in  Fülle  gibt. 

Mein  Leskovacer  Freund  blieb  zur  Ordnung  von  Geschäften  zurück.  Wir 
aber  ritten  über  das  linksuferige  Draskovac  nach  dem  wohlhabenden  Pukovac 
und  nach  kurzer  Mittagsrast  in  seiner  reinlichen  Mehana  auf  der  es  durch- 
ziehenden Prokupljer  —  Brestovacer  neuen  Strasse  NW.  über  eine  mit  jungen 
Rebenkulturen  bedeckte  Hochebene,  in  welchen  man  eben  die  erste  Weinernte 
hielt.  Vor  Kocane  überholten  wir  ein  malerisch  aussehendes  Gefährt,  auf  dem 
eine  reizende  Gruppe  bunt  kostümierter  Frauen  und  mit  Weinlaub  geschmückter 


über  Prokuplic  durch  die  Jaiikova  Klisiira  und  Kursumlija  auf  den  I'repolac.       283 

Mädchen  sich  mit  Gesang  ergötzte.  Nebenher  marschierten  zwei  in  weisses  Abatuch 
gekleidete  Manner,  das  Fes  mit  bunten  Tüciiern  umwickelt,  ein  Zeiciien,  dass  sie 
erbangesessene  Leute,  die,  gleich  den  Bauern  des  angrenzenden  Kru§evacer 
Kreises,  das  Kopttuch  mit  Vorliebe  tragen,  obschon  es,  weil  von  den  Amanten 
angenommen,  behördlich  verboten  wurde.  Unsere  Gendarmen  verlangten  scherzend 
von  den  jungen  Bacchantinnen  einige  Trauben,  diese  erwiderten:  „Recht  gern, 
doch  nur,  wenn  Ihr  sie  bezahlt!"  —  Man  sieht,  wenige  Jahre  genügten,  um  aus 
der  unterwürfigen  Rajah  selbstbewusste  Menschen  zu  machen. 

Bei  Duljevac  erreichten  wir  die  Toplica.  Der  Saloniker  Schienenstrang 
durchschneidet  hier  den  sie  von  der  Pusta  reka  trennenden  schmalen  Alluvialstreifen 
und  tritt  NO.  nahe  der  Toplicamündung  in  das  von  der  Morava  durchzogene 
enge  Kurvingrad-Defilee  (S.  174),  dessen  charakteristische  Umrisse  jeder,  der  sie 
nur  einmal  gesehen,  leicht  wieder  erkennt.  Am  linken  Toplicaufer  breitet  sich 
das    Hochplateau    Dobric    aus,    über  welches    die    Römer    ihre   Naissus   mit   dem 


ZiegelnuisterunK  an  Sv.  Petar  zu  Zitoradje. 

adriatischen  Lissus  verbindende  Heerstrasse  führten.  Meine  Wiederaufnahme  von 
Hahns  missglücktem  Versuche,  ihre  Trace  festzulegen,  rechtfertigte  sämtliche  in 
der  Tab.  Peutingeriana  überlieferten  Entfernungen  der  einzelnen  Stationen  an 
dieser  von  mir  persönlich  bis  zur  türkischen  Grenze  verfolgten  wichtigsten 
dardanischen  Verkehrsader  mit  der  Adria. 

Die  noch  im  Mittelalter  fahrbare  Römerstrasse  durchschnitt  die  Enceinte 
von  Nis  zwischen  Mithads  grosser  Kaserne  und  dem  Bahnhofe  in  der  Richtung 
auf  die  Medjurovska  crkva  bei  Mramor,  kreuzte  dort  die  Morava  und  Hef 
in  gerader  Linie  über  das  topfebene  Dobric-Terrain  weiter  nach  Gradiste, 
unter  dessen  Kastell  sie  über  die  Merosinska  und  Bugarinovacka  reka  bei 
Djakus  nach  den  linksuferigen  Toplicaer  Höhen  gegenüber  Zitoradje  zog. 
Auf  letzteren  fand  ich,  nach  unserer  Durchfurtung  des  hier  seichten  Flusses,  eine 
etwa  300  Schritte  lange  römische  Befestigung,  deren  starke  Walimauern  das 
Material  für  die  Fundamente  der  Ortskirche  lieferten.  Auch  Zitoradjes  kleine 
Kunstmühle  ist  aus  den  quadratischen  Kastellziegeln  erbaut.  Die  Tab.  Pcut. 
verzeichnet  an  dieser  Strasse  als  erste  Station  zwischen  Naissus  und  Lissus  mit 
13  Millien  Ad  Herculem,  von  dem  Jornandes  erwähnt,  dass  man  es  auf  der  Reise 
von  Naissus  nach  Ulpiana  (Lipljan,  südlich  von  Pristina)  berührte.     Die  von  der 


284       über  Prokupljc  durch  die  Jankova  Klisiira  inul  Kiirsiinilijn  auf  den  Prcpolac. 

Tafel  gegebene  Entfernung  zwischen  Naissus  und  Ad  Hercuieni  stimmt  genau 
mit  jener  zwischen  Nis  und  Zitoradjes  Kastell,  und  somit  ist  die  Lage  dieser 
ersten  inutatio  zweifellos  klargestellt. 

Auf  einer  östlicheren  Höhe  steht,  inmitten  alter  Grabsteine,  die  schon  aus 
weiter  Ferne  sichtbare,  vom  Volke  hochgehaltene  Ruine  des  Kirchleins  Sv.  Petar. 
Nur  7  m  lang  und  4  m  breit,  zeigt  es  mit  gleich  breiten  Ziegeln  wie  Mörtellagen  und 
romanischem  Zahnschnitt-Dachgesimse  ausgesprochen  byzantinischen  Mesenibria- 
Typus,  den  ich  bei  den  Prokupljer  Denkmalen  noch  weiter  traf  und  charakterisieren 
werde.  Der  Unterbau  besteht  aus  grossen  Sandsteinplatten,  der  Narthex  fehlt, 
das  Tonnengewölbe  ist  dem  Einsturz  nahe.  In  einer  Nische,  links  vom  Altar, 
erhielten  sich  Freskenreste.  In  der  Mitte  lagen,  überdeckt  von  vielleicht  geopferten(?) 
Fessen,  zertrümmerte  Trapezateile  und  ein  reich  skulptiertes,  antik  aussehendes 
Architekturstück.  Nur  Ausgrabungen  könnten  Gewissheit  bringen,  ob  die  dem 
grossen  Apostel  geweihte  Kirche  auf  der  Grundfeste  des  Heraklestempels  entstand, 
der  diesem  Strassenpunkte  seinen  römischen  Namen  „Ad  Herculem"  gab. 

Der  Chronist  des  „Carostavnik"  erzählt,  dass  Stevan  Uros  111.  1330  auf 
dem  Dobric-Plateau  seine  Scharen  sammelte,  als  er  gegen  den  Bulgarenfürsten 
Sisman  zog.  Einige  serbische  Schriftsteller  glaubten,  dass  dies  beim  Dorfe  Toplac 
nahe  bei  Vranja  geschah;  ich  teile  aber  Milicevics  begründete  Ansicht,  dass  die 
Vereinigung  der  Heeresteile  an  der  Toplica  erfolgte.  Auf  dem  Dobric-Plateau 
sollen  auch  König  Vladislav  von  Ungarn  und  der  serbische  Despot  Brankovic 
nach  der  siegreichen  Schlacht  bei  Nis  (1443)  mit  Sultan  Murad  einen  Waffen- 
stillstand abgeschlossen  haben,  in  der  als  „trocken  und  mit  Paliurus  bedeckt" 
geschilderten  Dobric-Landschaft  entstehen,  seit  der  Türke  fort,  allerorts  neue 
Orte,  in  dem  3  km  von  der  Morava  fernen  Aleksandrovac  siedelten  sich 
70  Banater  Familien  aus  St.  Djuradj  an;  jede  erhielt  30  a  Haus  und  Gartengrund, 
5  ha  Felder  und  10  Jahre  Steuerfreiheit.  Bald  darauf  (1888)  konnte  das  Dorf 
gemeinsam  300  ha  für  den  lohnenden  Getreide-  und  Weinbau  ankaufen.  17  andere 
Familien  erhielten  Grund  und  Boden  zu  Kosancic,  30  gleichfalls  aus  Pancevo 
in  Bozurnja  usw.  Am  kleinen  Oblacinsko  jezero  (See)  wächst  bereits  Wein, 
und  in  den  westlicheren  Einschnitten  hübscher  Wald,  der  N.  zum  Jastrebac 
hinaufzieht. 

Von  Ad  Herculem  fand  die  am  linken  Toplicaufer  fortlaufende  Römertrace 
in  ihrer  Westrichtung  gegen  Prokuplje  kein  Terrainhindernis.  Bei  Zitoradje  kreuzte 
sie  die  Toplica  und  folgte  den  jetzt  mit  Wein  bepflanzten  Nordhängen  der 
Pasjaca,  ganz  so,  wie  die  1888  trefflich  umgebaute  Strasse.  4  km  vor  Prokuplje 
erreichten  wir  das  ehemalige  Arnautendorf  Berilje,  wo  der  1866  oft  genannte 
herzegowinische  Insurgentenführer  „Serdar"  Peko  Pavlovic  die  erste  Montenegriner- 
Kolonie  in  diesem  Kreise  anlegte.  Ihre  gut  gebauten  stattlichen  fünf  Gehöfte 
enthalten  hohe,  luftige  Räume  mit  Cardaks  und  verkünden  einen  gewissen  Grad 
von  Wohlhabenheit  dieser  anfänglich  ungern  zum  Ackerbau  sich  bequemenden 
einstigen  Bewohner  der  „schwarzen  Berge".  Nachdem  Peko,  wegen  Ermordung 
eines  Popen  gerichtlich  verfolgt,  es  vorzog,  nach  Montenegro  zu  flüchten,  wurde 
sein  Bruder  Krsta  das  Haupt  dieser  Emigranten,  welche,  gleich   den   zu  Gajtan 


über  Prnkiiplje  durch  die  Janknva  Klisura  und  Kiiriiiimlija  auf  den  Prepolac.       285 

angesiedelten  dreissig  Familien,  durch  ihre  Unbotniassigkeit,  Arbcitsunlust  und 
hohen  Ansprüche  der  Kreisbeiiürde  schon  vor  der  1889  nachgefolgten  grossen 
montenegrinischen  Einwanderung  sehr  viel  zu  schaffen  gaben. 

Weiter  ging  es  nun  auf  der  den  rechtsuferigen,  kristallinischen  Hängen 
abgewonnenen  Strasse  zum  „Markov  Kamen",  durch  den  man  ihre  Trace  so 
sprengte,  dass  sein  zum  Flusse  abstürzender  nördlicher  Teil  monolithartig  stehen 
blieb.  Es  dunkelte  bereits,  als  wir  vorbei  an  den  Lehmbaracken  des  militärischen 
Sommerlagers  über  die  dreibogige  Toplicabrücke  in  das  hellbeicuchtete  Prokuplje 
einzogen.  Noch  am  selben  Abend  besuchte  mich  der  von  meiner  Ankunft  unter- 
richtete   Kreishauptniann.      Es    war   einer    der   intelligentesten,    pflichtgetreuesten 


PROKUPLJE.    Kastellplan. 

Beamten,  die  ich  in  Serbien  kennen  lernte.    Durch  die  liebenswürdigste  Förderung 
meiner  Forschungszwecke  in  seinem  schwierig  zu  bereisenden  Kreise  verpflichtete 
mich   Herr  Petar   Bozovic,   dessen  Verdienste   um   Nis   ich   bereits    gedachte,   zu' 
bestem  Dank. 


Prokupljes  Lage  erinnert  an  die  vielgerühnite  romantische  Bulgaren-Metropole 
Tirnovo.  Wie  dort  in  den  bizarr  gekrümmten  Jantralauf  haben  sich  hier  die  Stadt 
und  Feste  in  von  der  Toplica  umflossene  Sporne  angenistet.  Das  heutige  Weich- 
bild dehnt  sich  mit  vielen  regelmässig  angelegten  Strassen  in  der  Längenrichtung 
von  SW.  nach  NO.  auf  der  linksuferigen  weinbepflanzten  Vorterrasse  des  452  m 
hohen  Vrsnik  aus.  Einst  erstreckte  es  sich  aber,  wie  alte  Mauerreste  zeigen,  auf 
das  rechte  Flussufer;  die  Stadt  besass  einen  beträchtlich  grösseren  Umfang,  und 
diesem  entsprach  die  Ausdehnung  des  starken  Schlosses  auf  dem  isoliert 
aufragenden,  392  m  hohen  Hisar.  Von  den  beiden  alten  Kirchen  ihres  Südvierteis 
soll  eine,  nach  Katancics  gewagter  Vermutung,  auf  der  Ruine  des  Jupitertempels 


28()       über  Prokupljc  diirili  die  Jankovn  Klistirn  und  Kiirsiimlijn  auf  den  Prepolac. 

von  Ad  Herculeni  entstanden  sein.  Unbegreiflicher  erscheint  es,  wie  auch  der 
nun  über  bessere  Karten  verfügende  Oberst  Dragasevic  dieses  in  der  Tab. 
Peut.  13  Minien  von  Naissus  (Nls)  angesetzte  Ad  Herculem  mit  dem  schon 
16  Milllen  in  der  Luftlinie  von  Nis  entfernten  Prokuplje  identifizieren  konnte. ') 
Statt  mit  sachlichen  Gründen  stützte  er  seine  Hypothese  darauf,  „dass  die 
Römer  hier  wegen  der  tief  eingeschnittenen  Toplica  herkulische  Arbeiten  zu 
bewältigen  hatten".  Nachdem  ich  aber  im  vollsten  Einklänge  mit  der  Tafel 
Ad  Herculem  in  den  Römerresten  bei  Zitoradje  festgestellt,  durfte  ich  die  6  Milllen 
weiter  folgende  Mansion  Hammaum  bei  Prokuplje  ansetzen,  weil  die  Entfernung 
zwischen  den  antiken  Resten  auf  seinem  Hisar  und  jenen  von  Zitoradje  und 
Kursumllja,  bei  dem  Ich  die  Ruinen  der  dritten  Station  Ad  Eines  auffand,  mit  den 
bezüglichen  Massen  der  Tab.  Peut.  genau  übereinstimmt. 

Drei  scharf  markierte  natürliche  Abschnitte  erleichtern  die  Orientierung  in 
dem  stark  verwüsteten  Mauergürtel  der  Prokupljer  Hochburg,  an  deren  bisher 
fehlende  Planaufnahme  ich  gemeinsam  mit  Ingenieur  Valenta  schritt.  Ihre  ursprüng- 
liche antike  Anlage  hat,  nachdem  sie  in  den  Völkerstürmen  zerstört  und  durch 
Justinian  erneuert  wurde,  manche  Veränderung  erlitten.  Dem  eiförmigen  Plateau 
des  kristallinischen  Felsberges,  mit  nach  NW.  und  S.  abstürzendem  Steilhange, 
schmiegt  sich  die  einen  auffallenden  Parallelismus  zeigende  Grundform  der  drei 
Kastellabschnitte  an.  Der  Längendurchmesser  des  Kastrums  beträgt  280  m,  seine 
Breite  180  m.  Das  25  m  breite  und  doppelt  so  lange  Reduit  A  auf  dem 
höchsten  Punkte  umschloss  ein  tiefer  Graben;  vom  Walle  des  niedriger  fort- 
setzenden 140  m  langen,  85  m  breiten  Abschnittes  B  sprangen  nach  dem  sanfteren 
östlichen  Plateauhange  drei  gegen  O.,  SO.  und  S.  gerichtete  quadratische  Türme 
mit  6  m  breiten  Facen  vor.  44  m  vom  Südostturme  erhob  sich  im  Innern  ein 
freistehender  starker  Donjon  mit  9  m  breiten  Fronten,  17  m  NW.  ein  quadratischer 
Turm  von  7  m  Durchmesser,  und  10  m  weiter,  am  korrespondierenden  Punkte 
des  Abschnitts  B,  verstärkte  die  Aussenmauer  ein  am  Steilhange  rechteckig 
vorspringendes,  halbturmartiges  Vorwerk,  das  ein  unterirdischer  Gang  mit  dem 
an  der  Toplica  stehenden  „Wasserturm"   D  verbunden  haben  soll. 

Vom  Hisar  ist  dieser  Turm  nur  auf  schwierigem  Steilpfade,  von  der  Stadt 
bei  niederem  Wasserstande  nur  am  rechten  Toplicaufer  zugänglich.  Von  diesem 
12  m  entfernt,  erhebt  sich  der  wohlerhaltene,  14  m  hohe,  fensterlose  Bau,  in 
den  von  der  Eelsselte,  2,80  m  über  dem  Boden,  ein  1,70  m  hoher,  0,75  m  breiter 
Eingang  mit  .geradem  Sturze  führte.  Seine  dreizinnigen  Krönungen  sind  an  drei 
Seiten  erhalten,  ebenso  die  Löcher  für  die  einst  in  14  Reihen  eingezogenen 
Querbalken  der  6,10  m  breiten,  1,40  m  starken  Mauern,  deren  Gusswerk,  gleich 
dem  der  durchschnittlich  1,20  m  dicken  des  Kastells,  mit  Kalksteinen,  Quarz- 
blöcken usw.  verkleidet  erscheint.  Ganze,  horizontal  verbaute  Ziegel  traf  ich 
nirgends,  dagegen  Fragmente  römischer  Deckplatten  allerorts  und  auch  am 
Wasserturm  umherliegend.  Das  Kastellplateau  dominiert  weithin  die  Umgebung 
und  gewährt  namentlich  gegen  W.  einen  prächtigen  Fernblick   in   das  Toplicatal. 


')  Glasnik,  Bd.  43,  S.  60. 


über  Prnkuplje  durch  die  Jankova  Klisura  und  Kursuiulija  auf  den  Prepolac.       287 

Seine  Wahl  zur  Hut  des  hart  unter  ihm  vorbeiziehenden  Heervveges  war  zur  Zeit 
auf  i<urze  Distanz  wirkender  Geschosse  vortrefflich.  Hammeums  burgus  stand 
auf  der  Stelle  der  heutigen  Stadt  Prokuplje,  in  welcher  man  wiederholt  antike 
Grundfesten,  Münzen,  Schmuckgegenstände  von  Bronze,  Kupfer,  Edelmetall,  ferner 
Beinnadeln,  keramische  Gefässe  usw.  fand. 

Jirecck  glaubte,  dass  Prokuplje  in  der  byzantinischen  Epoche  „Komplos" 
und  während  der  altserbischen  vom  14.  bis  15.  Jahrhundert  „Koprijan"  hiess. 
Dem  widerspricht  der  eifrige  Quellenforscher  Ruvarac.     Er  weist  darauf  hin,  dass 


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PROKUPLJE.     RiMiicrturiii. 

Koprijan  nicht  mit  Prokuplje  identisch  sein  kann,  weil  beide  im  ersten  Artikel 
des  Szegediner  Friedensvertrags  vom  Jahre  1444  in  der  Reihenfolge  der  dem 
serbischen  Despoten  zu  übergebenden  festen  Plätze  als  die  zwei  ganz  ver- 
schiedenen Städte  „Koperhanum"  und  „Prokopiam"  aufgezählt  werden;  ferner, 
weil  Koprijan  nach  den  alten  Itinerarien  nur  im  Niäavagebiet,  also  auf  dem 
rechten  und  nicht  auf  dem  linken  Moravaufer  gesucht  werden  dürfe.')  Damit 
fällt  auch  Jireceks  weitere  Ausführung:  „Nach  der  Einnahme  von  Nis  durch  die 
Türken  übertrug  man  den  Heiligen  (den  Leib  des  hl.  Prokopios)  in  das  benachbarte 


■)  Glasnik,  Bd.  49,  S.  10. 


288       über  [^rokiipljc  durch  die  Jankova  Klisiira  und  Kursumlija  auf  den  Prcpolac. 

Koprijan,  das  seitdem  Prokopje  lieisst."  In  Wahrheit  wird  Prokupljes  heutigei 
Name  von  seinen  Bewohnern  nicht  im  Sinne  dieser  Hypothese,  sondern  von 
dem  „prokopavanje"  (liefer  Graben)  abgeleitet,  welchen  die  Toplica  im  städtischen 
Weichbilde  durchfliesst,  und  nach  anderer  Auslegung,  weil  der  hl.  Prokopios  um 
das  Jahr  290  von  dort  den  Christusglauben  im  Toplicagebiete  weit  verbreitet 
haben  soll. 

Der  Umstand,  dass  sich  am  Aufgang  zum  Hisar  zwei  alte  Kirchen  befinden, 
von  welchen  eine  „Jug  Bogdanova  crkva"  heisst,  trug  gewiss  dazu  bei,  dass 
traditionell  dem  gleichnamigen  populären  Wojwoden  auch  die  Erbauung  der  ihn 
krönenden  Feste  zugeschrieben  wird.  Das  Lied,  in  dem  der  sirmische  Wojwode 
Rajko  die  Befehlshaber  der  Serbenschlösser  beim  Heranzuge  der  Türken  aufzählt, 
nennt  als  solchen  von  Prokuplje  den  „alten  Jug  Bogdan".  Wäre  es  erwiesen, 
dass  er  noch  die  Stadt  hielt,  als  die  Feinde  schon  Nis  besetzt  hatten  (1386), 
und  dass  er  von  Prokuplje  mit  seinen  neun  Söhnen  zur  Entscheidungsschlacht 
zwischen  Kreuz  und  Halbmond  auf  das  Kosovofeld  zog,  dann  wäre  die  Stadt 
erst  1389  von  Sultan  Bajazid  erobert  worden.  Ihre  Bezwingung  soll  den  Türken 
viele  Streiter  und  sieben  Führer  gekostet  haben,  welchen  als  „Glaubensmärtyrern" 
an  den  Stellen,  wo  sie  fielen,  prächtige  Tulbas  errichtet  wurden.  Die  Reste  von 
dreien  konstatierte  ich  1889  in  der  Stadt,  bei  der  „Incar  dzamija",  bei  der 
Kafana  „Jug  Bogdanova",  am  Brunnen  der  „Velika  pijaca";  eine  stand  auf  der 
nordöstlichen  „Guba",  eine  SO.  bei  der  „Garicka  cesma",  eine  W.  vor  der 
Stadt,  auf  dem  linken  Toplicaufer,  und  das  siebente,  noch  ziemlich  gut  erhaltene 
Denkmal  an  der  Trnavska  reka- Mündung,  woraus  sich  die  Länge  der  von  W. 
nach  0.  gedehnten  serbischen  Verteidigungslinie  auf  4  km  bestimmen  lässt. 

Das  von  Türken  und  Albanesen  „Urkup"  genannte  Prokuplje  musste 
zufolge  des  Szegediner  Vertrags  1444  den  Serben  ausgeliefert  werden;  1455 
wieder  türkisch,  wurde  es  gleich  Glubocica  von  Mehemed  der  Sultanswitwe  Mara 
überlassen.  Unter  dem  Schutze  dieser  Christin  gebliebenen  (?)  Tochter  des 
Serbenfürsten  Brankovic,  deren  Grabtulba  auf  dem  Brussaer  moslimischen  Friedhof 
gezeigt  wird,  scheint  die  Stadt  sich  von  den  Kriegsschlägen  erholt  zu  haben. 
Ihre  Kirchen  blieben  unangetastet,  auch  residierte  dort  weiter  der  Toplicaer 
Bischof,  im  16.  Jahrhundert  befand  sich  dort  noch  eine  ragusäische  Kolonie,  die 
ihr  eigenes  Kaufhaus  (fondacco)  besass,  und  den  Strassenzug  nach  Novi  Pazar 
belebten  viele  Handelskarawanen.  Im  17.  Jahrhundert  gehörte  die  Stadt  zum 
Sandschak  Aladza-hisar  (Krusevac). ') 

Der  1688  zwischen  dem  Sultan  und  Österreich  ausgebrochene  Krieg  führte 
1689  eine  Abteilung  des  Grafen  Piccolomini  vor  Prokuplje,  die  es  nach  kurzem 
Gefechte  besetzte  und  verpalisadierte.  Fusstruppen,  hannoveranische  Reiter  und 
serbische  Freiwillige  unter  dem  Hauptmann  Ruschambach  bildeten  die  Garnison, 
als  die  Türken  mit  grosser  Übermacht  1690  die  Stadt  angriffen.  Nach  einem 
durch  den  Kapetan  Antonije  zurückgewiesenen  Überfall  wurde  sie  verwüstet 
und  während  des  Rückzugs  der  Kaiserlichen  verlassen.     Die  Besatzung  erreichte. 


■)  Hadzi  Chalfa,  Runieli  und  Bosna,  S.  146. 


über  Prokupljc  durch  die  Jankova  Klisura  und  Kursumlija  auf  den  IVepolac.       2H9 

die  türkischen  Angreifer  fortwährend  blutig  zurückweisend,  auf  schwierigen 
Gebirgswegen  das  nördliche  Krusevac. ') 

Während  des  nun  beginnenden  serbischen  Exodus  nach  Ungarn  leerte  sich 
auch  das  Toplicagebiet,  und  die  längst  lüstern  von  ihren  Steilbergen  auf  seine 
fruchtbaren  Täler  hcrabblickenden  Albanesen  drangen  in  diese  ein.  Der  folgende 
Krieg  unter  Prinz  E-ugen  im  Jahre  1718  Hess  Prokuplje  unberührt.  Dagegen 
arbeitete  sein  Bischof  Mihail  §umen  lebhaft  an  der  Vorbereitung  der  vom  Wiener 
Kaiserhofe  geforderten  Massenerhebung,  welche  als  Hauptbedingung  des  von  der 
bedrängten  Rajah  in  vielen  Petitionen  dringend  erflehten  neuen  Kampfes  zu  ihrer 
Befreiung  hingestellt  wurde.  Dieser  \TM  begonnene  Krieg  endete  1739  unglücklich 
für  die  kaiserlichen  Waffen  und  führte  zum  zweiten,  noch  grösseren  serbischen 
Exodus.  Selbstverständlich  flüchtete  auch  der  stark  kompromittierte  Bischof 
Mihail,  und  die  Prokupljer  „Metropolija"  blieb  seitdem  verwaist. 

Das  von  den  Christen  nahezu  ganz  verlassene  Toplicabecken  zog  die 
Arnauten  der  westlichen  Gebirge  mehr  noch  als  früher  an.  Durch  die  türkische 
Regierung  begünstigt,  gewann  das  albanesische  streitbare  Element  zwischen  dem 
Kopaonik  und  der  Morava  immer  breiteren  Boden.  Die  Orte  Biljeg  und  Krajkovac 
mit  noch  erhaltenen  Kirchlein  bezeichnen  so  ziemlich  die  Grenze,  welche  es  bis 
1878  im  östlichen  Dobric  erreicht  hatte.  1858  gab  es  auch  auf  dem  rechten 
Moravaufer  elf  rein  arnautische  Orte.  Allmählich  siedelten  sich  Sippen  vom 
Stamme  Klementi  bei  Kursumlija  und  Dedic  an,  ferner  von  dem  angesehenen 
Eis  Krasnic,  dessen  greiser  Chef  gegenwärtig  in  Pristina  residiert,  die  sich  mit 
solchen  der  Beris,  Gas  und  Sob  von  Lcskovac  bis  Vranja  und  in  die  Masurica 
ausbreiteten.  Sie  zahlten  dem  Sultan  nur  geringfügige  Steuern  und  regierten 
sich  autonom,  und  ihrem  energischen  Wesen  wich  die  ihnen  schutzlos  preis- 
gegebene Rajah. 

Zur  Zeit  des  ersten  serbischen  Aufstandes  erhofften  die  zurückgebliebenen 
Christen  vergebens  ihre  Befreiung  durch  Karadjordje.  Als  dieser  1809  gegen 
Novi  Pazar  vorging,  marschierte  sein  tapferer  Genosse  Stanoje  Glavas  —  eine 
bisher  wenig  gekannte  Tatsache  —  durch  die  Jankova  Klisura  über  Mala  Plana, 
dessen  Krnin-Moschee  er  zerstörte,  gegen  Prokuplje  und  nahm  seine  Vorstadt;  die 
Palanka  jedoch  widerstand,  und  auf  die  Hiobsposten  aus  Nis  musste  er  sich 
zurückziehen.  Bald  darauf,  als  die  Arnauten  einen  Selbsthilfeversuch  der  zum 
äussersten  getriebenen  Rajah  mit  Handschar  und  Feuer  erstickt  hatten,  zwangen 
sie  die  stark  zusammengeschmolzene  Prokupljer  Serbengemeinde,  die  weithin 
sichtbare  Kuppel  ihrer  am  Hisar  liegenden  Kirche  zu  entfernen;  die  Minaretts 
mehrten  sich  auf  fünf,  und  1858  besass  die  Stadt  etwa  500  moslimische  Familien 
neben  300  christlichen,  10  israelitischen  und  20  Zigeunerhäusern,  zu  welchen 
1864  jene  der  hier  angesiedelten  Tscherkessen  kamen. 

Am  18.  Dezember  1877  nachmittags  schlug  endlich  für  Prokupljes  bedrängte 
Christen   die   langersehnte   Befreiungsstunde.     Wie   mir  der   gewesene   Stadtkniet 


')    Die  freiwillige  Teilnahme   der  Serben    und   Kroaten   an    den   vier   letzten   Kriegen. 
Wien  1854. 

F.  KANITZ,   Serbien.    II.  19 


290       über  Frokupljc  durch  die  Jankova  Klisura  und  Kursumlija  auf  den  Prcpolac. 

mitteilte,  gab  es  damals  620  arnaiitisch  -  tscherkessische,  50  türkisclie  und 
36  Zigeunerhäuser  neben  325  serbisciien  und  3  jüdischen  Famihen.  Die  starke 
moslimische  Bevölkerung  räumte  nach  kurzem  wirksamen  Artilleriefeuer  die  von 
ihr  angezündete  Stadt.  Die  Schule,  25  Häuser  und  Magazine  brannten  nieder. 
Weit  mehr  schädigte  ihren  Wohlstand  der  noch  lange  nicht  ersetzte  Verlust  des 
wohlhabendsten  Teiles  ihrer  Bewohner.  Auch  die  reichste  Türkenfamilie  Hassan 
Begovic,  bestehend  aus  den  Brüdern  Jusuf,  Mithad,  Esad  und  Malic  Beg,  welche 
ausser  vielen  Häusern  und  Gründen  in  Prokuplje  die  zinspflichtigen  Dörfer 
Balicevac,  Lepaja,  Badnjevac,  Sajinovac  und  Potok  besass,  verliess  die  Stadt. 

Nach  dem  Einzüge  der  serbischen  Truppen  wurde  ein  feierlicher  Gottes- ' 
dienst  in  der  Sv.  Prokop -Kirche  abgehalten.  Diese  ist  eine  Basilika  mit 
tonnengewölbtem  Hauptschiffe,  das  durch  acht  Pfeiler  von  den  niedrigeren 
Seitenhallen  getrennt  wird,  mit  entsprechenden  Apsiden  und  dreibogigem  Vor- 
räume, aus  dem  man,  über  drei  Stufen  abwärts  schreitend,  das  Innere  betritt. 
Im  Tympanon  der  mittleren  Eingangspforte  erscheint  das  Bild  des  hl.  Prokopios 
mit  Lanze  in  der  linken  Hand,  darüber  eine  figurenreiche  Gruppe,  in  deren  Mitte 
die  hl.  Jungfrau.  Die  östliche  kreisförmige  Wölbung  des  Hauptschiffes  zeigt  den 
Pantokrator,  die  mittlere  Christus,  die  westliche  die  hl.  Maria,  umgeben  von 
Figuren  und  kleinen  Darstellungen  aus  dem  alten  und  neuen  Testament.  Die 
linksseitige  Altarnische  enthält  einen  mit  beiden  Händen  segnenden  Christus,  die 
hl.  Jungfrau  zur  linken,  den  hl.  Johannes  zur  rechten  Seite.  Die  Bilder  in  der 
Tribuna  und  rechtsseitigen  Nische  sind  aber  gleich  jenen  an  den  Wänden  und 
im  nördlichen  rundbogigen  Zubau  unter  einer  weissen  Kalktünche  verschwunden. 
Eine  bunte  Ikonostasis  schliesst  vor  dem  ersten  Pfeilerpaare  den  Altarraum  ab. 
in  der  Mittellinie  des  Estrichs  erscheinen  drei  kreisförmige  Mosaiks  von  Ziegeln 
und  weissen  Steinen.  Das  Gesimse  des  auch  den  Zubau  einbeziehenden 
Giebeldaches  und  der  halbrund  vorspringenden  Apsiden,  bestehend  aus  zwei  über 
Eck  gestellten,  durch  ein  Horizontalband  getrennten  Ziegellagen  von  guter  Wirkung, 
bildet  den  einzigen  Aussenschmuck  des  aus  Bruch-  und  Backsteinen  aufgeführten 
Gotteshauses,  das  von  Jug  Bogdan  kurz  vor  der  türkischen  Invasion  erbaut  sein 
soll,  wahrscheinlicher  aber  auf  den  Grundfesten  eines  weit  älteren  zerstörten 
Baues  entstand.  Auf  dem  die  Kirche  umgebenden  Friedhofe  bezeichnet  eine 
Steinplatte  mit  lateinischer  Inschrift  das  Grab  Mato  Ivanovics,  eines  wahrscheinlich 
ragusäischen  Kaufmanns,  der  hier  1668  unter  Symantraschlägen  begraben  wurde. 
Heute  tönt  die  eherne  Stimme  des  neu  gezimmerten  Glockenturms  unbehindert 
weit  ins  Land  hinaus. 

Jug  Bogdan,  Knez  Lazars  treuer  Partisan,  wird  auch  traditionell  als  Stifter 
des  nahen  Kirchleins  bezeichnet,  welches  das  Volk  auch  „latinska  kapela"  nennt. 
Gleich  nach  der  serbischen  Eroberung  wurde  der  mit  Apsis  und  Narthex  10,5  m 
lange,  3  m  breite  Bau  überdacht,  um  ihn  vor  weiterem  Verfall  zu  schützen.  Das 
Tonnengewölbe  liegt  in  Trümmern,  die  Fresken  sind  verwüstet;  nur  in  der 
Tribuna  ist  über  zwei  Bilderreihen  eine  segnende  Maria  erkennbar.  Auch  das 
überhöhte  Tympanon  über  dem  Eingange  zeigt  Spuren  einstigen  Freskenschmucks. 
Das    Mauerwerk    zeigt    hier,    wie    bei    den    meisten    Kirchenbauten    Bulgariens, 


über  Prokiiplje  durch  die  Jankova  Klisurn  und  Kuisiimlijn  auf  den  Prepolac.       291 

Süd-  und  Altserbiens,  eine  interessante  Nachaiinuing  des  röniisciien  {^rossen  und 
mittleren  Steinverbandes,  die  zwischen  Bruchsteine  im  breiten  Mürtellager  senk- 
recht eingeschobenen  Ziegel,  eine  Technik,  welche  die  christlichen  Werkmeister 
bei  Moscheen  dieser  Epoche  anwendeten.  Sie  erscheint  auch  hei  dem  stark 
verwüsteten  Kirchlein  im  von  Prokuplje  siclitharen  Einschnitte  zu  Dobrotic.  Das 
Volk  schreibt  den  6,5  m  langen,  4  ni  breiten  Bau  mit  Tonnengewölbe  und 
halbkreisförmiger  Apside  gleichfalls  den  „Latini"  zu,  ohne,  wie  stets  in  solchem 
Falle,  stichhaltige  Gründe  dafür  angeben  zu  können. 

Vorüber  an  der  jetzt  als  Gemeindeamt  benutzten  türkischen  Karaula,  stieg 
ich  hinab  in  das  ehemalige  moslimische  Hauptviertel.  Sein  prächtigstes  Denkmal 
bildete  die  neben  dem  ungeschlachten  Uhrturm  elegant  sich  erhebende  „Jncar 
dzamija".  Der  heute  als  A\iJitärdepot  dienende  15  m  lange,  10  m  breite,  in  der 
zuvor  beschriebenen  Technik  ausgeführte  Bau  soll  früher  eine  Kirche  gewesen 
sein.  Dem  widerspricht  nicht  allein  die  ursprüngliche,  mehr  nach  rechts  und 
gegen  SO.  gerichtete  Kibla,  sondern  auch  die  organisch  eingefügte,  reich 
dekorierte  Nische  der  Vorhalle,  neben  dem  Aufgange  zu  dem  gleichfalls 
ursprünglich  entstandenen  Minarett,  das  auf  massigem  quadratischen  Piedestal 
mit  reich  geschmücktem  Galeriekranze  hoch  in  die  Luft  ragt.  Gegenüber  diesem 
Ergebnis  meiner  eingehenden  kritischen  Untersuchung  kann  die  aus  dem  Moschee- 
nanien  abgeleitete  Tradition  nicht  bestehen;  „incar"  muss  in  diesem  Falle  eine 
andere,  als  die  sie  stützen  sollende  Bedeutung  besitzen. 

im  benachbarten  „Serai"  fand  ich  zwei  grössere  einstöckige  und  mehrere 
kleine  Gebäude,  welche  einen  weiten  Hof  umschliessen.  Der  wachhabende 
Unteroffizier  des  hier  bequartierten  2.  Bataillons  der  Morava-Division  geleitete 
mich  in  die  sonst  abgesperrten  Prachträume  des  „Konak",  in  dem  die  turbulenten 
Medzlisberatungen  der  stolzen  arnautischen  Begs  sich  abspielten.  Meine  Auf- 
merksamkeit fesselten  ganz  besonders  zwei  kunstreich  getäfelte  Holzplafonds, 
von  4,30  m  im  Gevierte,  mit  prächtig  geschnitztem,  teils  geometrischem,  teils 
ornamentiertem  Füllwerk,  die  jedes  unserer  orientalischen  Museen  gewiss  gern 
als  wertvolle  Bereicherung  erwerben  würde.  Sie  sind  aber  gleichwenig  feil, 
wie  die  aus  fünf  originell  skulptierten,  übereinander  vorragenden  Eichenpfählen 
gebildeten  Träger  des  nach  der  Strasse  gehenden  breiten  Balkons. 

Im  Vergleiche  zu  diesen  stattlichen  Bauten  ist  das  Gebäude,  in  dem  sich 
das  „Nacelstvo"  des  „Toplicki  okrug"  befindet,  mehr  als  bescheiden;  es  wird 
jedoch  bald  durch  ein  neues  ersetzt  werden,  das  auch  die  Kanzleien  für  den 
Prokupacki  und  Dobricki  srez  aufnehmen  soll.  Durch  die  Neuorganisation  im 
Jahre  1890  wurde  der  Jablanicaer  Bezirk  vom  Toplicaer  Kreise  abgetrennt,  dafür 
wurden  ihm  aber  die  früheren  Bezirke  Nis  und  Zaplanje  zugewiesen.  Durch  diese 
Neuerung  der  Mittelpunkt  eines  der  wohlhabendsten  serbischen  Landesteile,  blüht 
die  durch  den  Abzug  ihrer  Moslims  schwer  geschädigte  Stadt  rasch  empor,  und 
obschon  der  Kreis  1896  auf  die  Bezirke:  Dobric,  Kosanica  und  Prokuplje 
beschränkt   wurde,    zählt    sie    in    917    Häusern')    über    5200    Bewohner,   darunter 


')  1905  hatte  sie  1137  Häuser  und  5571  Einwohner. 

19* 


292       über  Prokuplje  durch  die  Jankova  Klisura  und  Kuräumlija  auf  den  Prepolac. 

27  Griechen,  8  Ungarn,  nur  6  Türken,  56  Juden  und  132  meist  mosiimische 
Zigeuner.  Die  sechsklassige  iiübsclie  Normaischule  mit  9  Abteilungen  und  gleich 
vielen  Lehrern  wird  von  320  Knaben,  die  vierklassige  Mädchenschule  von  nahezu 
100  A^ädchen  besucht.  Fünf  Geistliche  sorgen  für  das  Seelenheil.  Der  einzige 
Arzt  und  ein  Advokat  sind  stark  beschäftigt  und  gelangten,  wie  viele  der  mehr 
Ackerbau  als  Gewerbe  und  Handel  Treibenden,  zu  grossem  Wohlstand,  wozu 
die  38  Ober-  und  Unteroffiziere  der  inklusive  Gendarmen  216  Soldaten  zählenden 
Garnison,  sowie  der  1888  begründete  Spar-  und  Hilfsverein,  der  jährlich  bereits 
5  Miil.  d  zu  8— IC/o  in  Umlauf  bringt'),  wesentlich  beitragen. 

Die  Regulierung,  Pflasterung  und  Beleuchtung  der  zur  Türkenzeit  stark 
orientalischen  Stadt  hat  während  des  kurzen  Serbenregiments  anerkennenswerte 
Fortschritte  gemacht.  Am  wenigsten  hat  sich  bisher  die  nördliche,  ärmeren 
Zuzüglern  eingeräumte  Cerkeska  mahala  entwickelt.  In  der  langen  Hauptstrasse 
und  auf  dem  grossen  Platze  entstanden  viele  nette  Bauten,  ein  Kasino  mit  Cafe 
und  Speisesälen,  eine  Apotheke  und  einzelne  gut  assortierte  Läden.  Im  grössten, 
„Zum  Thronfolger",  traf  ich  österreichische  ordinäre  Glas-,  Eisen-,  Galanterie- 
und  Textilwaren;  die  besseren,  teueren,  echtfarbigen  Kattun-  und  Plüschtücher, 
Leinen,  Garne  usw.  waren  auch  aus  Belgrad  bezogen,  stammten  aber  aus 
England,  Deutschland,  und  die  Waffen  aus  Belgien.  Das  wachsende  Bedürfnis 
führte  zur  Niederlassung  sehr  primitiv  arbeitender  kleiner  Gewerbsleute;  die 
Industrie  erscheint  nur  durch  eine  Kunstmühle  vertreten.  Die  Ausfuhr  der  in 
den  westlichen  Staatsforsten  von  meist  ungarischen  Unternehmern  erzeugten 
Fassdauben  nimmt  ihren  Weg  durch  Prokuplje,  dessen  Oberförster  mit  zwei 
Kreis-  und  vier  Bezirksförstern  bemüht  ist,  die  oft  unbotmässigen  neuen  Ansiedler 
der  Umgebung  an  die  serbischen  Vorschriften  zur  Erhaltung  der  sehr  stark  in 
Anspruch  genommenen  Wälder  zu  gewöhnen.  Stetig  steigender  Nachfrage  erfreut 
sich  der  auf  den  nahen  Höhen  gepflanzte,  als  „Prokupac"  in  den  Handel 
gelangende  Wein;  jener  vom  südlichen  Berg  Bamburek  mit  14 — 17»  Alkoholgehalt 
gilt  als  der  edelste  und  wurde  trotzdem  1889  am  Orte  zum  unglaublich  billigen 
Preise  von  12  Centimes  ^^  6  Kreuzer  per  kg  und  als  Speisetraube  sogar  nur 
mit  8  Centimes  per  kg  verkauft.  1888  wurde  auch  die  südlich  vom  Hisar 
liegende  Sokolica  mit  Reben  bepflanzt.  Die  Lese  wird  im  ganzen  Prokupljer 
Kreise  am  18.  Oktober  begonnen.  Die  raschere  Ausbreitung  des  Rebenbaues 
und  die  Hebung  anderer  wirtschaftlicher  Zweige  hat  der  Präfekt  Pera  Bozovic 
in  seinem  Amtsbereiche  sehr  gefördert;  was  er  aber  für  die  Neubesiedelung  des 
nahezu  entvölkert  übernommenen  Gebietes  zwischen  dem  Jastrebac,  Kopaonik 
und  der  Medvedja  geleistet,  war  ungleich  schwieriger  zu  vollbringen  und  erscheint 
im  Hinblick  auf  die  geringen  Hilfskräfte  und  Mittel,  über  welche  er  verfügte, 
hoch  verdienstlich. 

Die  verschiedenartigen  Elemente  zu  betrachten,  welche  offen  und  geheim 
unter  mehr  oder  weniger  bekannten  Führern  im  Toplicaer  und  Vranjaer  Kreise 
eine  neue  Heimat  suchten,  die  Schritte  zu  berühren,  welche  zur  Rückwanderung 


')  1905  betrug  der  Umlauf  7,2  Mill.  d  zu  127„. 


über  Prokiiplje  durch  die  Jankova  Klisura  und  Kursumlija  auf  den  Prepolac.       293 

einiger  tausend  Albanesen  nach  Serbien  geführt,  und  den  politischen  Kalkül  aus 
dieser  merkwürdigen  Stäninieverschiebung  an  einem  durch  seine  geographische 
Lage  hochwichtigen  Punkte  des  illirischen  Dreiecks  zu  ziehen,  dazu  wird  sich 
Gelegenheit  anlässlich  der  foigeiuien  Schilderung  des  wenig  bekannten  Gebietes 
bieten,  auf  dem  sich  diese  moderne  kleine  Völkerwanderung  abspielte. 


Der  von  zwei  feurigen  Pferden  gezogene  Wagen  des  Nacelniks,  auf  dem 
am  2.  Oktobermittag  ausser  diesem  und  mir  der  Prokupljer  Bezirkskapetan 
Dimitrije  Pavlovic  Platz  genommen,  folgte  so  rasend  schnell  den  Kurven  der 
hart  am  Toplicalaufe  geführten  Kursumlijaer  Strasse,  dass  unsere  vorauseilenden 
Gendarmen  galoppieren  nuissten,  um  nicht  überholt  zu  werden.  An  der 
Trnavska  reka-Mündung  besichtigten  wir  die  quadratische,  in  der  beschriebenen 
Bautechnik  ausgeführte  Tulba  für  einen  der  bei  Prokupljes  erster  Eroberung 
gefallenen  sieben  Paschas,  und  erstiegen  dann,  durch  Jungwald  nach  NW. 
abbiegend,  das  Huniacplatcau,  auf  dem  die  [:5aniburekh(ihen  rechts  Wein  trugen, 
die  westlichen  aber  baumlose,  riesige  Hutweiden  bedeckten.  Weder  Menschen 
noch  Herden  waren  zu  sehen.  Erst  nachdem  wir  14  km  zurückgelegt,  zeigten  sich 
östlich  von  Mrselj  elende  Hütten  der  im  Frühjahre  aus  Debr  am  albanesischen 
schwarzen  Drin  hierher  übersiedelten  Serben.  Die  Männer  arbeiteten  auswärts; 
alle  Mühe  daheim  lastete  auf  ihren  verkümmert  aussehenden,  mit  blondhaarigem 
Nachwuchs  reich  gesegneten  Frauen.  Der  Nacelnik  tröstete  sie,  dass  er  alles 
vorbereitete,  um  ihnen  recht  bald  Ackergründe  aus  dem  staatlichen  Landbesitze 
zu  übergeben.     Nun  zählt  es  schon  über  2ÜÜ  Seelen  in  35  Häusern. 

Einen  Kilometer  weiter  kreuzten  wir  den  Planabach  nahe  bei  seinem 
wohlhabt^dcn  Hauptorte  Velika  Plana  mit  160  Gehöften,  deren  Bewohner 
1878  aus  der  Umgebung  von  Novi  Pazar  kamen.  Für  ihren  Bildungssinn  sprach, 
dass  sie  sofort  eine  von  40  Knaben  eifrig  besuchte  Schule  erbauten  und  den 
Nacelnik  dringend  um  sein  Fürwort  wegen  baldigster  Zuweisung  einer  tüchtigen 
Lehrerin  für  ihre  Mädchen  beim  Ministerium  baten.  Bei  der  nahezu  fertigen, 
doch  erst  1890  dem  hl.  Nikolaus  geweihten  Kirche  traf  ich  einen  bulgarischen 
Werkmeister,  welcher,  da  man  alles  Material  beistellte,  für  den  Bau  nur  80  Dukaten 
erhielt.  Heute  zählt  Velika  Plana  durch  weitere  Zuzüge  schon  224  Häuser  mit 
1550  Seelen,  und  die  gleichnamige  Gemeinde  in  acht  Orten:  766  Häuser  mit 
4834  Seelen. 

Über  eine  gut  kultivierte  Höhe  steuerten  wir  im  folgenden  Westeinschnitte 
unserer  Nachtstation  Donja  Bresnica  zu,  das  auf  der  serbischen  Generalstabs- 
karte zu  weit  SW.  verlegt  erscheint.  In  Wirklichkeit  liegt  es  dort,  wo  auf  der 
Karte  Gornja  Bresnica  eingezeichnet  wurde,  letzteres  aber  1,5  km  nördlicher 
am  gleichnamigen  Bache,  auf  dessen  beiden  Ufern  seine  45  Häuser  sich  weit 
hinauf  ausbreiten.  —  Der  Tag  schloss  herrlich  ab.  Die  Sonne  verglühte  auf  den 
weit  mehr  als  1560  m  hohen  Pogled-  und  Djuricagipfeln  des  N.  in  langer 
Linie  sich  dehnenden  Jastrebac.  Auf  seiner  vor  uns  liegenden,  vom  Staate 
verpachteten  Golaca-Alp  weiden  mazedonische  Crnovunci  ihre  schwarzwolligen 


-!)l        ('her  ProUiipljc  cliirch  die  janknvn  Klisiira  iiiul  Kiirsiniilija  mit  tlfn  Prepolnc. 

Schafe.  Zwischen  den  }i;rasreichen  Triften  steigen  hier  allerorts  gut  erhaltene 
liefdunklc  Eichen-  und  Buchenwälder  tief  herab  bis  zum  langgestreckten  Dobric- 
lliichplateau,  dessen  von  zahllosen  Toplicazuflüssen  durchschnittenen  fruchtbaren 
Boden  bis  1878  hoch  hinauf  in  die  Waldregion  nahezu  ausschliesslich  albanesische 
Orte  bedeckten.  Die  wenigen  eingestreuten  Serbendr)rfer  litten  nach  Prokupljes 
Fall  (S.  290)  von  den  das  Kommende  ahnenden  Amanten  sehr  viel.  Am  15.  und 
16. Januar  1878  griffen  sie  die  beim  Toplicaursprung,  am  Orlic  und  Knezevo  Brdo 
sich  sammelnden  Serben  an.  Unterstützt  von  den  Aufständischen  aus  dem  jenseitigen 
Ibartale  warfen  diese  sie  zurück,  und  als  gleichzeitig  die  serbischen  Truppen 
Kursunilija  und  die  Kosanica-Landschaft  nahmen,  flüchteten  jene,  für  ihre  Rückzugs- 
linie besorgt,  hinüber  in  das  Gebiet  von  Novi  Pazar.  Als  sie  nach  dem  Berliner 
Frieden  ihre  verlassenen  Dörfer  wieder  aufsuchen  wollten,  waren  diese  bereits  in  den 
Besitz  der  rasch  von  der  türkischen  Raska  herbeigezogenen  Serben  übergegangen. 

Mijailo  Prolovic,  der  Rajahführer  im  Kampfe  gegen  Türken  und  Amanten, 
war  auch  Vermittler  und  Leiter  des  ersten  aus  2100  Kommunionen  zu  10  bis 
30  Köpfen  bestandenen  Exodus.  Diese  besiedelten,  wie  er  mir  ipitteilte,  folgende 
jetzt  rein  serbische  Orte:  das  schon  geschilderte  Velika  Plana,  Mala  Plana, 
Gornja  und  Donja  Bresnica,  Zdravinje,  Koncic,  Mrselj,  Omerovac, 
Gornja  und  Donja  Josanica,  Svarca,  Gornja  und  Donja  Dragusa, 
Pretezana,  Beloljin,  Gornja  imd  Donja  Konjusa,  Bejasnica,  Prekadin, 
Gojinovac,  Djusince,  Obrtinci,  Piskalj,  Siroke  Njive,  Gornje  und 
Donje  Tocanje,  Plocnik,  Vlase,  Tulare,  Kaludra,  Barbatovac,  Tniava, 
Suvi  Dol,  Vica,  Resinac,  Spance,  Grgure,  Visescio,  Blace,  Trbunjc, 
Rasica,  Kutlovac,  Stubal,  Sibnica,  Cucale,  Dzepnica,  Madjare, 
Popovo,  Prebreza,  Vrbovac,  Pridvorica,  Siljomane,  Medjuana,  Suva  ja, 
Alabana,  Pretresnja,  Gornja  und  Donja  Recica.  Andere  Einwartderer  aus 
dem  Kosovofelde  begründeten  das  neue  Lazarevac  mit  26  und  Milosevac 
mit  17  Familien.  Die  Mehrzahl  der  genannten  60  Orte  ist  über  die  erste  harte 
Zeit  hinaus.  Dragusa  erbaute  seither  wie  Plana  eine  Kirche  und  Schule,  andere 
Gemeinden  wie  Blace,   Recica  u.  a.  nur  Schulen. 

Grossen  Anteil  an  dieser  gelungenen  Einwanderung  nahmen  der  für  seine 
Dienste  mit  dem  Posten  eines  Waldaufsehers  karg  belohnte  Andrija  Atanasovic, 
der  1875  den  Aufstand  in  der  Herzegowina  vorbereitet,  ferner  der  mit  der 
Pfarre  Svarca  entschädigte  Vujica  Mileta  Simonovic  aus  Mekinic  am  Kopaonik, 
welcher  die  Erhebung  1876  gefördert  hatte.  Schon  von  Velika  Plana  hatte  der 
Nacelnik  beide  Führer  durch  Eilboten  für  den  nächsten  Frühmorgen  nach  Bresnica 
entboten,  und  mit  Tagesanbruch  erschienen  sie  im  Gehöfte  des  kurzweg  „Mijailo" 
genannten  „Wojwoden"  Prolovic.  Dieser  wegen  seiner  besonderen  Intelligenz 
zum  Knieten  gewählte,  auch  schon  militärischen  Rang  bekleidende  junge  Mann 
empfing  und  bewirtete  uns  nicht  allein  mit  vollendeter  Gastlichkeit,  sondern 
beantwortete  unermüdet  meine  vielen,  den  Exodus  streifenden  Fragen.  Auch  der 
Pope  und  der  nahezu  zwei  Meter  hohe  Atanasovic,  mit  ausdrucksvollem,  von 
schwarzem  Vollbart  umrahmten  Kopfe,  wussten  in  spannender  Weise  viel  über 
Entstehung  und  Verlauf  der  bezüglichen  Vorgänge  zu  erzählen. 


über  Prokiipljc"  durch  die  J.uikovn  Klisiirn  und  Kuisiimlij.i  auf  den  Prcpolac        '2fl5 

Ihr  Beginn  liegt  weit  zurück,  in  der  1875  ganz  Bosnien  bis  Novi  Pazar 
erfassenden  Erliebinifj;  der  Rajah  f^egen  die  Pforte  oder  riclitiger  gegen  den  von 
iiir  geduldeten  harten  Druck  der  mosliniischen  Begs  und  Agas.  Andrija  kam 
aus  der  gärenden  Herzegowina  in  das  obere  Ibargebiet,  um  dort  den  Aufstand 
zu  organisieren,  wurde  aber  von  den  wachsamen  Türken  auf  drei  Monate  ins 
Gefängnis  gesteckt.  Kaum  frei,  warb  er  im  Herbste  eine  Cefa  von  50  ent- 
schlossenen Leuten  als  Cadre  für  den  im  Frühjahre  beabsichtigten  allgemeinen 
Aufstand.  Zu  Vracevi  schworen  sie  am  Bozic  (Weihnachtstag)  auf  das  Kreuz, 
dass  keiner  etwas  verraten  und  jeder  in  seinem  Dorfe  für  die  Ausbreitung  der 
Befreiungsidee  wirken  werde.  Unter  den  Eingeweihten  befand  sich  der  Pope 
Vujica,  ein  Mann  von  gedrungenem  Wuchs,  energischem  Gesichtsausdruck,  klugen 
Augen  und  rötlichem  Barte,  der  nun  seinerseits  erzählte,  wie  er  seine  Schar  mit  der 
Andrijas  vereinigte,  wie  sie,  1700  Mann  stark,  im  Frühjahre  1876  auf  der  Borova 
Glava  ihr  verschanztes  Lager  aufschlugen,  es  gegen  die  Angriffe  der  Türken  und 
Arnauten  tapfer  verteidigten,  doch  vergebens  auf  die  zugesagte  montenegrinische 
Hilfe  wartend,  sich  nach  dem  unglücklichen  Ausgange  des  serbischen  Krieges 
genötigt  sahen,  ihre  Position  zu  verlassen.  Viele  schlössen  sich,  weil  die 
türkische  Raciie  fürchtend,  im  September  dem  Milojevicschen  Streifkorps  an. 
Im  Herbste  des  nächsten,  den  Türken  unheilvollen  Jahres  lebte  die  Ceta  der 
„Ibarski  ustasi"  wieder  auf.  Diesmal  trat  „Wojwode  Mijailo"  an  die  Spitze. 
Ais  wollte  er  sagen:  „Das  sagt  alles!"  wies  er  auf  das  seine  Brust  schmückende 
serbische  Tapferkeitskreuz  und  schwieg. 

Die  von  den  Emigranten  verlassenen  Wohnsitze  bei  Novi  Pazar  nahmen 
grösstenteils  mohammedanische  Bosniaken  ein,  welche  der  österreichisch- 
ungarischen Okkupation  sich  nicht  fügen  wollten.  Ob  sie  ihre  Lage  im  selben 
Masse  verbesserten,  wie  die  von  dort  nach  Serbien  gewanderte  Rajah,  ist  fraglich. 
Von  seinem  neuen  Vaterlande  wurde  Mijailo  mit  Landbesitz  begabt,  der,  sich 
stetig  mehrend,  zur  Zeit  meines  Besuchs  schon  60  ha  Acker  und  Wiesen  betrug. 
Letztere  allein  brachten  ihm  gleich  im  ersten  Sommer  160  Wagen  Heu,  die  er 
zu  Prokuplje  mit  12,  in  Nis  aber  mit  20  d  verkaufte.  Er  besass  auch  20  Stück 
Rinder,  15  Schweine,  80  Schafe  und  Ziegen,  ferner  Geflügel  und  Obstbäume  in 
Menge.  Seine  Reutermaschine  stellt  er  den  Nachbarn  gegen  Rücklass  von  5  "/o 
des  gereinigten  Getreides  zur  Verfügung.  In  Mijailos  wohnlich  mit  Eisenbetten, 
Stühlen,  Teppichen  usw.  ausgestattetem  Gehöfte  leben  seine  Frau  mit  fünf 
Kindern,  seine  betagten  Eltern  und  drei  jüngere  Brüder,  also  zwölf  Seelen.  Diese 
Kommunion  ist  klein  gegen  jene  des  Popen  Simonovic,  die  ausser  seiner  Mutter 
und  eigenen  Familie  aus  sechs  Brüdern,  von  welchen  fünf  verheiratet,  besteht 
und  zusammen  33  Köpfe  zählt.  Der  ihm  zugeteilte  Grundbesitz  nährt  ihn 
reichlicher  als  seine  Pfarre,  obschon  diese  sieben  Orte  mit  1200  Seelen  umfasst. 

Von  einem  ansehnlichen  Reiterschwarm  begleitet,  durchfurteten  wir  die 
Bresnicka  reka.  Auf  der  rechtsuferigen  Höhe  zeigte  uns  Pope  Vujica  NW.  in 
der  wildreichen  Zdravnicaschlucht  die  1884  restaurierte  alte  „ Ajdanovacka" 
hl.  Georgskirche,  welche  bis  1889  das  einzige  Gotteshaus,  wie  Planas  Schule 
die  einzige  Bildungsanstalt  des  grossen  Sprengeis  zwischen  Prokuplje,  Kursumlija 


2!)f)       über  Prokiiplje  durch  die  Jaiikova  Klisiirn  und  Kiirsiimlija  auf  den  Prepolac. 

und  dem  ehemaligen  serbischen  Grenzgebirge  war.  Die  anderen  acht  Pfarrer 
dieses  Gebietes  lasen  die  Lithurgie  in  „crkviäte",  das  sind  Ruinen  der  während 
der  altserbischen  Epoche  im  Topiicagebiete  zahlreich  gegründeten  Heilstätten. 
Noch  häufiger  als  bessere  Kirchen  wurde  aber  allerorts  die  baldige  Gründung 
von  Schulen  beim  Nacelnik  erbeten. 

Die  drei  Führer  der  „Ibarski  ustasi"  sprengten  neben,  die  Gendarmen  mit 
angedrückten  Karabinern  vor  und  hinter  unserem  Wagen  her.  Es  war  eine 
prächtige  Kavalkade,  in  welcher  auch  der  martialisch  sich  haltende  Pope  eine 
gute  Figur  machte.  Der  Schauplatz  seiner  Kämpfe,  die  südwestlichen  türkischen 
Grenzberge  Suvo  Rudiste,  Treska  und  Stava,  traten  immer  deutlicher  hervor. 
Dort,  zwischen  beiden  Hauptadern  der  Toplica,  liegt  bei  Gradac  eine  Kastell- 
ruine, und  südlicher  an  ihrem  Zuflüsse  Lukovska  reka  das  alte  Kirchlein  Stavska 
crkva  mit  einer  Inschrift,  nach  welcher  „als  Kir  Paisije,  Pecer  Patriarch  und 
Erzbischof  aller  serbischen  Küsten-  und  unteren  Donauländer,  der  Gracanicaer 
Metropolit  Silvester  es  gründete".  Da  dieser  Paisije  erst  1614  —  1647  Patriarch 
war'),  fällt  die  von  Milicevic  mitgeteilte  Tradition,  dass  die  Kirche  37  Jahre 
nach  der  Kosovoschlacht,  also  schon  1426,  gestiftet  wurde.-)  Der  12  m  lange, 
6  m  breite  Bau  ist  aussen  mit  Bildern  von  Heiligen  geschmückt,  welchen  die 
Arnauten  die  Augen  ausstachen.  Einer  unserer  Begleiter  wollte  wissen:  der 
Staver  Dorfinsasse  Vasa  Stevic  besass  einen  Berat  (Freibrief)  und  wertvollen 
Becher,  die  sein  bergbaukundiger  Urahn  von  einem  Sultan  für  einen  aus  purem 
Kopaonikgolde  geschmiedeten  Apfel  und  dafür  erhielt,  weil  er  für  ihn  einen 
reichen  Goldbau  in  Asien  entdeckt  hatte. 

Dem  Nordosthange  des  1471  ni  hohen  Grenzberges  Tumba  entfliesst  bei 
Lukovo  eine  schwefelsauere  Therme  von  55"  C,  und  5  km  SW.  steht  auf 
türkischem  Boden  an  der  Labquelle  Bela  Voda,  unfern  der  1705  m  hohen 
Karaula  Pilatovica,  ein  „Jerinin  grad"  mit  ziemlich  erhaltenen  Türmen,  auf 
antiker  Grundfeste,  das  die  nun  verlassene  Strasse  nach  Podujevo  schützte. 
Auch  NW.  sieht  man  auf  dem  Strasnik,  beim  türkischen  Dorfe  Koporic,  eine 
alte  Strassentrace,  die  noch  in  altserbischer  Zeit  aus  dem  Ibargebiet  über  eine 
hohe  Kopaonik- Einsattelung  hinab  in  das  obere  Toplicatal  (Topliza  stretta) 
führte.  Mit  diesem  Wege  parallel  lief  ein  den  Ibar  bei  der  Burg  und  Ragusaner 
Kolonie  Ostraci  überschreitender,  auf  dem  man  bei  Kostimpolje  (Casal  de 
Constantina)  in  das  mittlere  Toplicatal  (Toplica  larga)  und  östlich  vom  heutigen 
Spance  (Spanza)  an  den  nach  Nis  hinausleitenden  unteren  Flusslauf  gelangte. 
Diese  im  Mittelalter  vielbenutzten  Strassen  beschrieb  der  1553  von  Venedig 
nach  Asien  reisende  Ramberti.  Von  Ragusa  grossenteils  durch  unwirtliches 
Gebirgsland  ziehend,  atmete  er  im  unteren  Topiicagebiete  zum  erstenmal  frei 
auf,  „weil  es  breit  und  allerorts  mit  prächtigen  Triften,  Wein-  und  Obstkulturen 
bedeckt  ist".  Ich  fand  des  verwöhnten  Venezianers  Urteil  gleich  richtig,  wie 
jenes  unseres  Hahn  (1859),  der  das  Tal  als  entzückend  schön  schilderte. 


')  Hllarion  Ruvarac,  O  Peckim  Patrijarsima  usw. 
-)  Kraljevina  Srbija,  S.  359. 


über  Prokuplje  durch  die  Janknvn  Klisurn  und  Kiirsumlijn  auf  den  Prepolnc.       297 

Noch  viele  andere  lieute  verlassene  Routen  zogen  von  den  reichen  Bergarten 
am  Kopaonik  und  jenen  des  seit  dem  letzten  Rajah-Exodus  ziemlich  verödet 
gebliebenen  oberen  Ibar  in  das  von  seiner  ganz  zwecklosen  Verwüstung  im 
Kriegsjahre  1878  sich  schwer  erholende  Toplicagebiet  herüber.  Dies-  und  jenseits 
mehren  sich  bis  in  die  Ebene  frech  sich  vorwagende  Wölfe  und  andere  Raubtiere. 
Bei  Gornja  Svarca  sass  hart  am  Wege  ein  mächtiger  Geier,  dessen  Flügel 
der  jagdeifrige  Nacelnik  mit  einer  wohlgezielten  Schrotladung  aus  seinem  Doppel- 
stutzen lähmte.  Durch  verschont  gebliebene  alte  Obstkulturen  und  1883  neu 
angelegte  Rebenpflanzungen,  die  letzten,  welche  ich  auf  dem  früher  arnautischen 
Territorium  bis  zur  Südgrenze  sah,  kamen  wir  zu  Gornja  Dragusns  schicksals- 
reicher  Moschee,    die,  auf    den    Alauern    eines    von    dichtem    Wald    umgebenen 


Dorlteil  zu  Bresniciö. 


Kirchleins  entstanden,  nun  durch  Holzwände  untergeteilt,  als  Gemeindehaus  dient. 
Sein  aus  Lepojevic  am  Ibar  stammender  junger  Pisar  hält,  trotz  der  auch  hier 
eingezogenen  bureaukratischen  Vielschrciberei,  das  umfangreiche  Archiv  in  muster- 
hafter Ordnung.  Zur  Gemeinde  gehört  auch  das  weisse  Büffel  züchtende 
Siljomane  (österr.  Karte:  Sulemanj).  Die  Männer  tragen  hier  zu  ihrer  vom  Ibar 
mitgebrachten  Tracht,  wie  einst  die  österreichischen  „Grenzer",  die  kleidsame 
blaue  „sajkaca"  (Soldatenmütze). 

Vom  tiefen  Dragu§a-Rinnsal  führte  unsere  W.  gerichtete  Route  über  die  es 
von  der  Zdravica  trennende  breite  Hochebene,  deren  riesige  Hutweiden  noch 
Raum  für  Tausende  neuer  Ansiedler  bieten.  Gegen  Mittag  erreichten  wir  Blace, 
den  Hauptort  der  716  Gehöfte  mit  4700  Seelen  umfassenden  gleichnamigen 
grossen  Gemeinde.  Zwischen  seinen  140  ziegelgedeckten  Häusern  steht  die 
massigen  Ansprüchen  genügende  Mehana  mit   kleinem  Laden,   der   über   Belgrad 


29S       über  ProkiiplJL'  ciiircli  die  Jaiikovn  Klisiiia  und  Kiirsumlija  auf  den  IVcpolac. 

bezogene  österreicliische  Apollokerzen,  Glaswaren,  billigen  Gablonzer  Falsch- 
schmuck, englische  Oarne,  sächsische  Flanelle,  Stuttgarter  Farben,  amerikanisches 
Petroleum  in  Zinkblechkisten  usw.  enthielt.  Der  sich  bald  vorstellende  Ortskmet 
Petar  llic  stutzte,  als  er  meinen  Namen  hörte,  und  fragte,  ob  ich  derselbe 
Reisende  sei,  den  er  1860  in  seinem  Vaterhause  zu  Brzece  am  Kopaonik  bedient 
habe.  Erfreut  durch  dieses  merkwürdige  Zusammentreffen  nach  29  langen  Jahren, 
erzählte  er  mir  viel  von  seiner  verlassenen  Heimat  (S.  66).  Unser  treffliches 
Huhn -Paprikas  würzten  gebratene  Champignons,  welche  die  des  Nacelniks 
Vorliebe  für  „pecurke"  kennenden  Gendarmen  am  Wege  in  Menge  gesammelt 
hatten.  Als  wir  zum  schwarzen  Kaffee  die  Zigaretten  anzündeten,  meldete 
Korporal    Simo,    dass    alles    zum    Aufbruche  nach    der  Jankova  Klisura  fertig  sei. 


Die  von  Blace  mit  NW.-Kurve  zur  nördlichen  Rasina  fliessende  Blatasnica, 
welcher  wir  auf  der  breiten,  aber  unbeschotterten  Strasse  fpigten,  ist  die  einzige 
Wasserader,  welche  den  86  km  langen,  von  W.  nach  O.  streichenden  Gebirgszug 
zwischen  dem  Ibar  und  der  Morava  durchbricht  und  sein  mit  prächtigen  Feldern, 
Wiesen  und  Wald  bedecktes,  stark  unduliertes  Vorland  bewässert.  Links  blieben 
die  früher  ausschliesslich  von  Albanesen  bewohnten  Orte  Djurevac,  Sibnica 
und  Cucales  grosse  Ziegelöfen;  rechts  Dzepnica.  Hinter  diesem  betraten  wir 
die  durch  schroffe  Abstürze  des  896  m  hohen  Javorac  und  der  772  m  hohen 
Varnica  gebildete  Klisura.  Zwischen  ihren  Steilwänden  lagen  im  tosend  sich 
durchzwingenden  Bache  abgestürzte  kolossale  Felsstücke  der  aus  Tonschiefer, 
Quarz  und  Sandstein  konstituierten,  vorherrschend  mit  Buchen  bedeckten  Hänge. 

Von  der  eine  Stunde  dauernden  raschen  Fahrt  entfielen  zehn  Minuten  auf 
das  an  manchen  Stellen  ungemein  enge  Defilee  „Jankova  Klisura".  So  romantisch 
dasselbe,  so  wehmütig  stimmend  sind  die  Erinnerungen,  so  traurig  sieht  die 
Umgebung  des  Kirchleins  aus,  das  ihm  den  Namen  gab.  Gleich  am  nördlichen 
Ausgange  der  Enge  erblickt  man,  nahe  der  verfallenen  serbischen  Quarantäne 
am  früheren  Grenzzaun,  beschattet  vom  Gezvveige  eines  Ahornbaums,  die  noch 
aufrecht  stehende  hohe  Chorapside  der  „Jankova  crkva".  Sie  verewigt  den  Zug 
des  grossen  „Sibinjanin  Janko"  (Hunyädy  Jänos)  durch  das  Defilee  auf  das  ihm 
verhängnisvoll  gewordene  Kosovofeld  im  Oktober  1448.  Mit  34000  trefflichen 
Kriegern  ging  er  zur  Rächung  des  bei  Varna  getöteten  Königs  Vladislav  auf 
einer  riesigen  Caikenflotte  über  Smederevo  die  Morava  aufwärts  bis  Kruäevac, 
und  von  dort  auf  das  für  die  orientalische  Christenheit  so  unheilvolle  Amselfeld. 

„Stradao  kao  Janko  na  Kosovu!"  —  gelitten  wie  Janko  auf  Kosovo  — 
heisst  es  noch  heute  im  Toplicagebiet,  will  man  unsagbaren  Schmerz  andeuten. 
Traditionell  vererbte  sich  der  Glaube:  „die  Kirche  wurde  von  Hunyady  während 
einer  Nacht  erbaut,  damit  sein  Heer  vor  der  nahen  Entscheidungsschlacht  noch 
die  Kommunion  empfange",  nach  anderer  Version  aber  erst  später  als  „spornen" 
(Denkmal),  weil  er  lebend  aus  derselben  heimgekehrt.  Beide  Sagen  sind  gleich 
unstichhaltig!  Nehmen  wir  das  „während  einer  Nacht"  auch  nicht  wörtlich,  so 
hat  doch  sicher  Hunyady  die  Vorbereitung  des  grossen  Kampfes  während  seines 


über  Prokupljc  durch  die  Jnnkova  Klisiirri  und  Kursunilijn  .uif  den  l'rcpoinc.       299 

Zuges  durch  die  Klisura  so  sehr  beschäftigt,  dass  er  an  einen  derartigen  Bau 
niciit  denken  i<onnte,  und  nocii  weniger  dürften  die  siegreiclien  Mosiinis,  nach 
Hunyadys  Niederlage,  die  Erlaubnis  für  diesen  erteilt  haben.  Wohl  fehlt  ihm 
der  nahezu  allen  orientalischen  Kirchen  eigentümliche  Narthex;  aber  auch  bei 
benachbarten  kleinen  „crkviste"  traf  ich  Vorhallen  selten.  Das  5  m  lange,  kaum 
3  m  breite,  aus  Tuff  und  Sandstein  erbaute  Jankos-Kirchlein  gehörte  wahrscheinlich, 
gleich  den  auffallend  zahlreichen  zerstörten  Kapellen  des  Toplicagebietes,  einer  zur 


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Oherst  SIevan  Binicki. 


Zelt  des  grossen  serbischen  Exodus  verlassenen  Ortschaft;  gab  es  ja  damals  nach 
der  Tradition  vom  Jankos-Passe  bis  zur  Nisava  77  Kirchen! 

Wie  die  Römer  dasselbe  Defilee  von  S.  her  zur  Eroberung  des  nördlichen 
Moravagebietes  und,  nachdem  sie  sich  in  diesem  festgesetzt,  es  als  bequemste 
und  kürzeste  Wegverbindung  ihrer  Adriastrasse  mit  dem  grossen  obermösischen 
Rüstplatze  Horreum  Margi  benutzten,  und  wie  Knez  Lazar  1389,  drangen  stets 
auch  die  Ungarn,  Kaiserlichen  und  zuletzt  die  Serben  durch  die  Klisura  gegen 
Kursumlija  vor.  In  den  ersten  Julitagen  1876  wurde  Hauptmann  Binicki  mit 
5  Bataillonen  aller  drei  Aufgebote  der  Krusevacer  Brigade,  einer  halben  Eskadron 


'^00       (Jber  Prokiiplje  diircli  die  Jankova  Kiisiirn  und  Kursiinilija  auf  den  Prcpolac. 

und  4  Geschützen  vom  rechten  Flügel  des  Moravakorps  zur  Verteidigung  des 
wichtigen  Passes  entsendet.  Als  die  zur  Offensive  schreitenden  Türken  die 
Klisura  am  17.  September  zu  nehmen  suchten,  ging  der  vom  Javor  dahin  geeilte 
Oberst  Colak-Antic  am  8.  Oktober  durch  diese  gegen  Kursumlija  energisch  vor, 
wobei  mehrere  Arnautendörfer  verbrannt  wurden.  Bald  musste  er  aber  vor  den 
von  Pristina  herangezogenen  Verstärkungen  kämpfend  zurückweichen.  Einige 
schmucklose  Kreuze  und  solche  mit  Inschriften  unter  einem  hohen  Apfelbaum 
bezeichnen  die  Grabstätten  der  hier  gefallenen  Krieger.  Lautlose  Ruhe  umgab  das 
an  historischen  Erinnerungen  reiche  Durchzugstor.  Seinen  tiefernsten  Eindruck 
erhöhten  die  dichten  staatlichen  Eichen-  und  Buchenforste,  welche,  von  den 
Hohen  tief  herab  in  das  Defilce  ziehend,  schon  im  Abenddunkel  lagen,  als  ich 
die  Skizze  und  den  Grundriss  der  „Jankova  crkva"  vollendete. 


Angespornt  durch  des  Nacelniks  launiges,  wohl  von  der  türkischen  Bakschisch- 
übung  stammende:  „Kakvo  pecenje,  onako  i  rcsenje!"  —  wie  der  Braten,  wird 
das  Urteil  lauten!  —  stellte  unser  Mehandzija  ein  trefflich  mundendes  Abendbrot 
auf  den  Tisch.  Das  Hauptthema  der  lebhaft  geführten  Unterhaltung  bildete  die 
Neubesiedelung  des  vom  Staate  für  600000  d  den  Amanten  abgelösten  Hochlandes. 
Allgemein  wurden  die  Kolonisten  von  der  Vlasina  und  besonders  die  30  Crna 
Travaer  Familien,  welche  neben  27  Vranjaern  zu  Bresnicic  wohnen,  als  beste 
gerühmt.  Sie  brachten  viel  Vieh  und  Geld  mit,  bauten  ihre  Häuser  selbst, 
akklimatisierten  sich  rasch  in  der  Ebene  und  hielten  streng  auf  Moral  ihrer 
Frauen.  Die  Ansiedler  vom  Drin,  Novo  Brdo  und  Novi  Pazar  ta.xierte  man,  was 
Fleiss  und  Anstelligkeit  betrifft,  auf  gleicher  Linie;  weniger  gut  wurden  die  Banater 
beurteilt  und  am  schlimmsten  die  Montenegriner,  welche  als  herrisch,  händelsüchtig 
und  faul  charakterisiert  wurden.  Gemeinsam  ist  allen  Einwanderern,  dass  sie 
äusserst  ungern  ihre  Mädchen  aus  dem  Hause  entlassen.  Erklärt  wird  dies  durch 
die  ungemeine  Schwierigkeit,  eine  verlorene  tüchtige  Arbeitskraft  in  diesem 
menschenleeren  Landstriche  zu  ersetzen.  Selbst  alte  Mädchen  werden  oft  nur 
nach  heftiger  Auseinandersetzung  und  nur  für  bares  Geld  heiratslustigen  jungen 
Männern  zugesprochen.  Die  durchschnittliche  Entschädigung  beträgt  10  bis 
15  Dukaten;  verweigern  die  Eltern  ihre  Zustimmung,  dann  kommt  es  zu  Ent- 
führungen und  Rechtsstreiten,  welche  die  Behörden  schlichten  müssen. 

Am  nächsten  Morgen  überschritten  wir  die  kaum  kenntliche  Rasina-  und 
Toplicascheide  SO.  von  Blace.  Links  erglänzte  der  gleichnamige  kleine  See, 
dessen  oft  2  kg  schwere,  wohlschmeckende  Karpfen  und  Kien  (Squalius  cephalis  L., 
deutsch:  „Döbel";  kleinere  Sorte  ~^  Chondrostoma  Knerii  Heckel)  schwer  zu 
fangen  sind.  Rechts  dehnt  sich  eine  mit  jungem  Eichenwald  und  unkultiviertem 
Ackerboden  bedeckte  Stubaler  Hochebene  aus,  die  ihre  stärkere  Wieder- 
bevölkerung noch  erwartete.  Die  Pforte  hatte  1864  zur  Mehrung  des  moslimischen 
Elements  viele  tausend  Tscherkessen  entlang  der  serbischen  Grenze  bis  auf  das 
Kosovofeld  angesiedelt.  Mehr  als  die  Hälfte  der  Kaukasier  erlag  aber  dem 
ungewohnten    Klima,    dem   Hunger  und   Fieberseuchen;   der   Rest  revoltierte   und 


über  Prokiiplje  durch  die  Jankova  Klisura  und  Kursumlija  auf  den  Prepolac.       '^01 

verlangte  in  stürmischen  Szenen,  nach  der  Krim  zurückwandern  zu  dürfen.  Die 
Bajonette  der  von  Nis  abgesendeten  Bataillone  zwangen  jedoch  die  Bedauerns- 
werten zum  Verbleiben  auf  dem  ihnen  unheilvollen  Boden,  und  was  nicht  starb, 
fiel  auf  den  Schlachtfeldern  1877  oder  emigrierte  1878  nach  Kleinasien.  Nun 
erfreuen  bei  dem  einst  tscherkessischen  Suvi  Dol  neue  Weinpflanzungcn  und 
hübsche  Häuser  das  Auge,  ebenso  beim  folgenden  Tulare,  dessen  von  Decani 
und  anderwärts  eingewanderte  Insassen  mit  dem  Einbringen  ihrer  reichen  Heuernte 
beschäftigt  waren. 

Gegenüber,  auf  dem  rechten  Toplicaufer,  steht  bei  Vica,  auf  dem  Duvari 
brdo  (Mauernberg),  die  Ruine  eines  Kastells,  das  den  Vereinigungspunkt  der 
jankova  Klisura-Strasse  mit  dem  von  Prokuplje  nach  Kuräumlija  ziehenden  antiken 
Heerweg  überwachte.  Diese  Position  blieb  auch  weiter  strategisch  wichtig. 
Hier  schlugen  Zar  Lazars  und  Kralj  Tvrtkos  vereinigte  30000  Serben  und 
Bosniaken  die  geschwächten  türkischen  Streitkräfte  im  Jahre  1387,  während  Sultan 
Murad  den  karamanischen  Fürsten  Ali  Beg  in  Asien  bekämpfte.  Es  war  der 
letzte  grosse  Sieg,  welchen  sie  über  den  Halbmond  errangen.  Die  Schlacht  zog 
sich  zum  südlich  hart  am  Flusse  liegenden  Plocnik  hin.  In  seinem  unteren 
Teile  siedelt  neben  sieben  altserbischen  Familien  die  vielköpfige  Hauskommunion 
dreier  verheirateter  Brüder  aus  dem  Studenicaer  Bezirk;  im  44  Gehöfte  zählenden 
oberen  Dorfteil  befindet  sich  das  stark  verwüstete  crkviste,  eine  der  vielen  religiösen 
Stiftungen,  durch  welche  die  altserbischen  vlastela,  ähnlich  den  griechischen 
und  vvalachischen  Grossen  damaliger  Zeit,  sich  ein  Andenken  sichern  wollten. 
Der  Boden  ist  hier  voll  alter  Traditionen.  Vom  nordwestlichen  Barbatovac 
behaupten  die  Anwohner,  dass  die  dort  den  Ausgang  der  Kosovoschlacht 
erwartende  Zarin  Milica,  als  sie  die  Trauerbotschaft  von  Lazars  tragischem  Tode 
erhielt,  17  Wagen  mit  Gold  in  den  dortigen  See  (!)  versenken  Hess;  bisher  gelang 
es  aber  nicht,  den  Schatz  zu  heben! 

Von  Donji  Plocnik  führte  die  aufgelassene  alte  Bergstrasse  über  Barlovo, 
das  westliche  Belo  Polje  und  Mackovac  hinunter  nach  Kursumlija.  Kurz 
vor  1876  wurde  sie  ins  Tal  hinab  verlegt.  Die  neue,  unausgesetzt  über  die  zum 
Flusse  vorspringenden  Ton-  und  Sandsteinschiefersporne  auf-  und  absteigende 
Trace  Hess  unserem  hurtigen  Fahrsoldaten  seine  Kunst  glänzend  erproben.  Wir 
betraten  hier  ein  gegen  S.  sich  dehnendes  riesiges  Waldgebiet  mit  dichtem 
jungen  Eichenwuchs  in  den  unteren,  und  altem  in  den  höheren  Lagen.  Rechts 
blickten  die  rotdachigen,  gut  gebauten  Häuser  von  Pepeljevac  herab;  bei 
Krcmar,  wo  die  Toplica  zwischen  malerischen  Felsgruppen  fliesst,  erregten 
wahrscheinlich  von  einer  älteren  Befestigung  stammende  Mauern  mein  Interesse; 
gleich  darauf  trat  der  prächtige  Kalkstein  auf,  der  ihren  festen  Mörtel  lieferte 
und  noch  heute  hart  am  Wege  gebrannt  wird.  Zwischen  den  Ruinen  zweier 
romantisch  am  Flusse  und  auf  der  Höhe  liegenden  Kirchen  des  ersten  Nemanjiden- 
fürsten  betraten  wir  das  Bezirksstädtchen  Kursumlija. 

Dieser  auf  dem  rechten  Ufer  der  Toplica  angenistete,  ehemals  stark 
verrufene  Arnautenhorst  wirkt  noch  heute  auf  den  Fremden  gleich  unheimlich 
wie  vor  30  Jahren,    als    Konsul    v.   Hahn    ihn    zum    erstenmal    schilderte.      Sein 


;W2       über  Prnkupljc  durch  die  Jankova  Klisiira  und  Kursumlija  auf  den  Prcpolac. 

Gasthof  zum  populären  altserbischen  Wojvvoden  „Kod  Strahinjica  Bana"  milderte 
nicht  den  schlimmen  Eindruck.  Die  Qualität  der  Gäste  stimmte  zu  seinem 
Schmutze,  und  der  neue  Mehanabau  war  noch  nicht  vollendet.  Dazu  kam  für 
mich  die  unangenehme  Botschaft,  dass  der  Bezirkskapetan  Tosa  Stankovic,  auf 
dessen  Begleitung  ich  bei  den  geplanten  Ausflügen  rechnete,  von  Belgrad  zur 
Grenzberichtigung  nach  Vranja  entsendet  worden  sei;  der  Kreischef  sicherte  mir 
jedoch  seine  weitere  Begleitung  zu.  Während  wir  das  ungeniessbare  Mittagessen 
an  uns  vorbeigehen  Hessen,  hatte  der  Amtsschreiber  ein  verlassenes  Türkenhaus 
aufgestöbert  und  notdürftig  ausgestattet,  das  Firmament  blaute  wieder,  und  als 
auch  Ingenieur  Valenta  angesprengt  kam,  der  einen  ihn  an  Prokuplje  nagelnden 
Fieberanfall  rasch  überwunden  hatte,  verblassten  die  dunklen  Punkte. 

Nach  Dragasevics  Hypothese  stand  auf  Kursumlijas  Stelle  das  von  mir  in 
Prokuplje  nachgewiesene  Hammaum,  das  westlichere  Ad  Fines  aber  auf  dem 
Mrdarberge  bei  dem  gar  nicht  vorhandenen  Dorfe  Prepolac. ')  Meinen  Vorstudien 
zufolge  fiel  aber  das  auf  der  Tafel  mit  20  Millien  von  Hammaum  verzeichnete 
Ad  Fines  auf  Kursumlija.  Der  Beweis  dafür  war  allerdings  nur  auf  dem  Terrain 
zu  erbringen,  denn  keine  Schilderung  des  Städtchens  erwähnte  dortige  antike 
Reste.  Es  musste  aber  dort  solche  geben,  dies  verriet  schon  seine  hervorragend 
strategisch  wichtige  Lage  am  Gabelpunkte  zweier  grosser  Talgebiete.  Ich  suchte 
und  fand  sie  bald. 

Eine  Rekognoszierung  auf  dem  rechten  Toplicaufer  führte  mich  zur  richtigen 
Stelle.  Gegenüber  der  jenseitigen  Kaserne  stiess  ich  auf  Ziegelfragmente  von 
römischem  Aussehen,  welche,  da  keine  Spur  von  Mauern  in  der  Nähe  zu  finden 
war,  nur  von  der  Stadtterrasse  sich  herab  verirrt  haben  konnten.  Ich  erstieg 
sie  und  war  angenehm  überrascht,  oben  nicht  nur  Stücke  antiker  Deckplatten, 
sondern  auch  einen  ansehnlichen,  sorgfältig  geschichteten  Haufen  36  X  27  cm 
grosser  römischer  Ziegel  zu  erblicken,  deren  nach  ihrem  Fundorte  befragter 
Eigentümer  mich  zum  Hause  seines  Nachbars  Vukoje  Ristic  führte.  Hart  neben 
diesem  erschien  der  12  m  hohe  Terrassenhang,  in  etwa  30  m  Ausdehnung  zur 
Gewinnung  des  prächtigen  Baumaterials  freigelegt;  so  war  die  nördliche  Umwallung 
von  Ad  Fines  sichergestellt.  Seine  befestigte  civitas  fand  ich  130  Schritte  vom 
Toplicaufer,  auf  der  vom  heutigen  Kursumlija  eingenommenen  Anhöhe,  im  linken 
Banja-Mündungswinkel  etwa  250  Schritte  W.  nach  0.  sich  dehnend;  ihr  gewiss 
bedeutend  grösserer  Längendurchmesser  N.  nach  S.  wird  sich  aber  erst  bei 
künftigen  Grundaushebungen  bestimmen  lassen.  Das  Kastrum  oder  vielleicht  nur 
ein  starker  Wachtturm  stand  höchstwahrscheinlich  auf  dem  durch  die  Toplica 
von  der  Stadt  getrennten,  sie  beherrschenden  Sandsteinfelsen,  dessen  Sv.  Nikola- 
kirche  ins  Tal  herabblickt. 

Als  Mittelstation  zwischen  Ad  Fines  und  Vicianum  lag,  nach  der  Tab.  Peut., 
von  ersterem  20,  von  letzterem  19  Millien  entfernt,  Vindenae.  Dieses  fällt  auf 
die  seit  altersher  befestigte  und  bis  zuletzt  strategisch  wichtig  gebliebene  Position 
beim  Podujevoer  Han.    Der  Römerweg  dahin  führte  von  Ad  Fines,  zuerst  am  linken, 


')  Glasnik,  Bd.  45,  S.  62.  —  Es  gibt  einen  Berg,  aber  keine  Ortschaft  dieses  Namens 


über  F^rokiiplje  durch  ilic  Jankovn  Klisiir.i  und  Kursumlija  auf  den  Prcpolac.       303 

sodann  am  rediten  Ufer  der  von  S.  der  Toiilica  zustrinnenden  Banjska  reka,  zur 
6  Millien  fernen  Prepolacer  Tliernie,  deren  Benutzunji  in  römischer  Zeit  durcii 
einen  der  Brunnennympiie  gewidmeten  siebenzeiligen  Votivstein  bezeugt  ist '),  von 
dort  weiter  —  wie  die  iieutige  Pristinaer  Strasse  —  aufwärts  im  Banjska  reka-Tal, 
über  die  serbisch-türkische  ürenzscheide  Prepolac  und  Podujevo  (Vindenae),  am 
Lab  hinab  in  das  Kosovofeld.  Dort  lag,  6  km  S.  von  Pristina,  die  auf  Vindenae 
folgende  Station  Vicianum  bei  dem  heute  noch  ihre  Ruinen-)  bergenden  Dorfe 
Caglavica.     Den    Punkt,    an    dem    die    Strassen    nach    Lissus    und    Ulpiana    sich 


Knstcllpl.m  von  All  Fines. 

trennten,   sowie    ihre  von   Vicianum   bisher   nur  hypothetisch   bestimmten   Tracen 
werden  künftige  Forschungen  auf  dem  Terrain  feststellen. 

Kur§umlija  teilte  während  der  byzantinisch-altserbischen  Epoche  gleiches 
Schicksal  mit  Nis  und  Pristina,  zwischen  welchen  es  in  der  Mitte  liegt.  Anfänglich 
hiess  es  serbisch:  „Toplica",  später  „Bela  Crkva",  nach  der  prächtigen  Kuppel- 
kirche, welche  Nemanja  dort  für  seinen  Sohn  Sava  erbaute,  der  als  erster 
nationaler  Erzbischof  im  13.  Jahrhundert  das  Niäer  Bistum  mit  dem  Toplicaer 
vereinigte.     Diese  „weisse"  hochliegende  Sv.  Nikolakirche-'),   in   iler  Sava   seinen 


')  Starlnar,  I.  S.  82.  -     C.  1.  L.  III,  Suppl.  l'asc.  II,  No.  «IGT. 

-)  Glasnik,  zemaljskoga  muzeja  u  Bosni  i  Hcrcegovini,  III.  S.  152. 

')  Daniele,  Rjtcnik,  III,  S.  300. 


304       über  Prokupljc  durcli  die  Jankova  Klisiira  und  Kursiiiulija  auf  den  Prepolac. 

ersten  Diözesan  weihte,  bildet,  trotz  starken  Verfalls,  durch  doppelte  Ttirnianlage, 
den  reich  gegliederten  oktogonalen,  einst  mit  Blei  gedeckten  Kuppeltanibour, 
ihre  nach  aussen  an  den  Tag  tretenden  Wölbungen  und  vorzügliche  technische 
Ausführung,  eines  der  wirkungsvollsten  Werke  altserbischer  Backstein-Architektur, 
dessen  malerischen  Eindruck  der  glücklicherweise  tiefer  stehende,  moderne,  roh 
gezimmerte  Glockenturm  und  die  stark  vernachlässigte  Umzäunung  nur  wenig 
beeinträchtigen.  Dürfte  man  der  Tradition  vertrauen,  dass  Nemanjas  Prachtbau 
seinen  älteren  Bruder  so  erzürnte,  dass  er  mit  ihm  in  einen  blutigen  Streit  geriet, 
der  seine  Oberherrschaft  über  die  bis  dahin  lose  verbundenen  brüderlichen 
Erbgaue  entschied,  so  müsste  die  Kirche  vor  1159  entstanden  sein.  Denn  in 
jenem  Jahre  war  Nemanja  bereits  das  von  Byzanz  anerkannte  Oberhaupt  aller 
serbischen  Länder. 

Die  Freilegung  des  Ostteils  der  Kirche  durch  den  Ingenieur  Kuczinski  ergab, 
dass  sie  in  keinem  Teile,  wie  serbische  Archäologen  annahmen,  mit  Benutzung 
römischer  Tempelreste,  sondern  nach  einheitlichem,  vielfach  an  die  unregelmässige 
Anlage  der  Kuppelkirche  im  kleinasiatischen  Kassabatal  erinnernden  Plane  erbaut 
wurde.  Wie  mir  von  verlässlicher  Seite  erzählt  wurde,  stürzte  vor  damals  45  Jahren 
der  quadratische  Nordturm  durch  einen  Blitzschlag  ein.  Auf  seinen  Resten  steht 
heute  ein  Häuschen,  in  dem  getauft  und  getraut  wird.  Im  erhaltenen  Südturme 
wurde  durch  eine  eingefügte  Decke  eine  Kapelle  geschaffen.  Die  Narthexmauern 
fand  ich  bis  auf  geringe  Teile  zerstört,  ebenso  den  an  den  Hauptraum  gelehnten 
südlichen  Vorbau.  Im  nördlichen  sah  ich  eine  roh  profilierte  Steinplatte,  neben 
Ihr  ein  unmittelbar  nach  der  serbischen  Besitznahme  geöffnetes,  zwei  in  schwarzen 
Seidenstoff  gehüllte  Skelette  enthaltendes  Grab;  im  Estrich  des  Hauptschiffs  einige 
unvollständig  lesbare  Votivsteine  aus  dem  14.  Jahrhundert.  Am  dreigeteilten  Ost- 
fenster des  Kuppeltambours  erkannte  ich  reich  verschlungenes  gemaltes  Ornament. 
Den  einstigen  figuralischen  Bilderschmuck  bedeckt  ein  dicker  Kalküberzug,  was 
die  Überlieferung  bestätigt,  die  Kirche  sei  durch  längere  Zeit  als  Moschee  und 
ihr  Südturm  als  Minarett  benutzt  worden.  Die  zierlich  konstruierte  Tribuna  wurde 
erst  kurz  vor  Kursumlijas  Eroberung  (1878)  von  den  Amanten  zur  Gewinnung 
des  schönen  Materials  teilweise  zerstört,  und  ohne  das  Einschreiten  des  Niser 
Bischofs  Deda  Viktor  beim  dortigen  Gouverneur  wäre,  wie  Augenzeugen  mir 
versicherten,  das  ganze,  nun  eine  Brutstätte  zahlloser  Schlangen  bildende  schöne 
Denkmal  dem  gleichen  Schicksal  verfallen. 

Als  nicht  länger  aufschiebbaren  Pietätsakt  möchte  ich  dem  serbischen 
Bautenminister  empfehlen,  den  Zustand  der  interessanten  Nemanjidenkirche  auf 
die  Frage  eingehend  prüfen  zu  lassen,  ob  er  nicht  ihre  dem  Staate  zur  Ehre 
und  der  Stadt  zur  Zierde  gereichende  Wiederherstellung  in  alter  Pracht  gestatte, 
und  ist  dies  der  Fall,  sie  tunlichst  rasch  ins  Werk  zu  setzen. 

Rettungslos  verloren  für  alle  Zeit  ist  die  zweite,  1  km  östlicher,  gleichfalls 
von  Stevan  Nemanja  auf  dem  linken  Flussufer  erbaute  Kirche.')  Sie  gehörte 
einem  gegenüber  d-er  Kosanica-Mündung  der  hl.  Jungfrau  gewidmeten  Kloster  an, 


■)  Danieid,  RjeJnik,  111,  S.  300. 


KUF^SfAII.IIA.     Sv.  BouoriHlici. 


JAN  Kl)  VA    KI.  I  SU  RA.    Hunyady-Kirchc. 


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Kirchenruinen  zu  Kursunilija  und  in  der  Jaiikova  Klisura. 
F.   KANITZ,  Serbien.    II. 


20 


über  Prokupljc  tlurcli  die  Jniikova  Klisiir;i  uiuf  Kiirsuiiilija  niif  den  ['rcpolac.       307 

in  das  seine  Gemahlin  Ana  als  Nonne  Anastasija  sich  zurückzog,  als  er  1195  zu 
Stuilenica  Mönch  geworden.  Von  den  Gebäuden  dieses  Frauenstifts  blieb  wenig 
erhalten;  seine  Kirche  traf  ich  im  westlichen  Teile  verschüttet,  vor  der  Tribuna 
steht  ein  hoch  aufragendes  dreibogiges  Mauerstück  mit  wechselnden  Bruch-  und 
Backsteinlagen  von  oft  25  X  35  cm  messenden  Prachtziegeln,  das  mit  den  Grund- 
mauern, soweit  sie  freiliegen,  auf  eine  grosse  Ähnlichkeit  der  Bauanlage  mit  der 
berühmten  Marmorkirche  zu  Manasija  hindeutet.  Rings  um  den  höheren  Mittel- 
bogen sind  auf  dem  Mörtelanwurfe  figurenreiche  Freskenreste  sichtbar,  unter  den 
Querbalken  an  den  Pfeiler-Schmalseiten  solche  von  Heiligen  mit  Nimben  und 
Umschriften. 

Das  Volk  nennt  die  nur  wenige  Schritte  sütilicli  von  der  Prokupljer  Strasse 
zwischen  jungem  Eichwald  in  schattigem  Tiefgrunde  liegende  Ruine  „Sv.  Petka". 
An  Freitagen  besonders  erscheinen  viele  Gläubige,  die  hier  ihre  Leiden  durch 
Gebete  und  Opfer  heilen  wollen.  Ich  sah  in  der  halbkreisförmigen  Altarnische 
der  Heiligen  dargebrachte  Glasperlen,  Messingringe,  Medizinfläschchen,  Knöpfe, 
römische  Kupfermünzen,  Blumen,  Weizenkörner  usw.  Leicht  wären  die  pittoresken 
Überbleibsel  dieses  einst  prächtigen  altserbischen  Denkmals  durch  eine  feste 
Umzäunung  gegen  die  drohende  gänzliche  Verwüstung  zu  schützen.  Wohl  erzählt 
man,  dass  die  von  einem  Amanten  aus  entführtem  Kirchenmaterial  erbaute  Mühle 
zur  Strafe  durch  die  Toplica  fortgerissen  wurde;  dies  hindert  jedoch  selbst 
christliche  Anwohner  nicht,  Ziegel  wegzutragen  oder  nach  Schätzen  zu  suchen, 
wozu  nicht  wenig  die  Sage  beiträgt,  vor  50  Jahren  wäre  in  der  Tribuna  eine 
von  der  Zarin  Ana  vergrabene,  mit  Silber  und  Gold  gefüllte  Truhe  gefunden 
worden. 

Der  den  moslimischen  Eroberern  wenig  gefallende  Stadtname  Bela  Crkva 
(Weisse  Kirche)  wich  bald  dem  türkischen  „Kursumlja",  der  traditionell  von  der 
Bleibedachung  der  Nikolakirche,  wahrscheinlicher  aber  von  den  reichen  Blei- 
lagern stammt,  deren  noch  im  17.  Jahrhundert  erwähnter  Betrieb  vermuten  lässt, 
dass  Bela  Crkva  zu  Altserbiens  Bergstädten  gehörte.  Während  der  österreichischen 
Invasion  gössen  die  Türken  die  Bleidächer  von  Sv.  Nikola  zu  Kugeln  um,  und 
seit  dem  Einzüge  der  fanatischen  Albanesen  schmolz  Kursumlijas  Christenzahl 
stetig  mehr  herab.  Hahn  fand  dort  1858  neben  50  moslimischen  Häusern  nur 
15  christliche,  deren  serbische  Insassen  „sich  kaum  zu  atmen  getrauten"  —  ihn 
selbst  bat  der  türkische  Mudir,  das  Haus  nicht  zu  verlassen!  Der  Arnaute 
mutete  Hahn  hier  „wilder,  selbstbewusster  und  unternehmender  an,  als  in  irgend- 
einem Teile  des  eigentlichen  Albaniens".  So  ist  es  nicht  zu  verwundern,  dass 
1877,  beim  Hcranzuge  der  Serben,  nur  zwei  Christen,  ein  Bäcker  und  ein  Töpfer, 
dort  wohnten! 

Am  24.  Dezember  1877  nahm  unter  Oberstleutnants  Binickis  Führung  der 
Major  llija  C.  Zivkovic  die  Kursumlija  heftig  verteidigende  Schanze;  serbischer- 
seits  blieben  15  Tote  und  37  Verwundete.  Am  11.  Januar  besetzten  die  Türken 
jedoch  wieder  die  Stadt,  wobei  die  Cetaführer  Milan  Petrovic  und  Mijat  Crnoglavac 
schwer  verwundet  in  ihre  Hände  fielen.  Der  Kampf  setzte  sich  über  Mackovac 
zum  östlichen  Beloljin  fort,  worauf  die  Angreifer  zurückgingen.    Dauernd  wurde 

20* 


-iOH       über  F'rokiiplje  duich  die  Jankova  Klisiira  iiiul  Kiirsiitnlija  auf  den  I'rcpolac. 

Kursumlija  erst  am  19.  Januar  1878,  durcli  üliLMSt  Milojko  Lesjanin,  serbisch. 
Die  einziehenden  Soldaten  fanden  es  leer,  die  Köpfe  der  am  11.  Januar  von  den 
Arnauten  ermordeten  zwei  Unteroffiziere  aber  auf  den  Medzlis-Konak  gespiesst! 
Die  städtische  Bevölkerung  bestand  lange  nur  aus  einer  Infanteriekompanie, 
einigen  serbischen  Beamten  und  Handwerkern.  Am  18.  Mai  1879  kehrten  die 
früher  dort  wohnenden  Arnauten  unvermutet  aus  dem  nahen  türkischen  Grenzlande 
zurück,  steckten  die  als  Munitionsdepot  dienende  Moschee  in  Brand,  plünderten, 
bis  das  Militär  sich  sammelte,  in  der  ersten  Verwirrung  die  wenigen  Läden  und 
Amtshäuser,  wobei  der  Konak  des  vornehmsten  Albanesen  Ali  Aga  Karinianovic 
angezündet  wurde. 

Unter  dem  Eindrucke  dieses  Ereignisses  wollten  sich  keine  neuen  Ansiedler 
in  dem  verrufenen  Raubneste  niederlassen.  Im  Herbste  1878  war  das  weibliche 
Geschlecht  dort  nur  durch  eine  einzige  Frau  vertreten,  so  dass  die  feinere  Wäsche 
der  Beamten  und  Offiziere,  wie  Miliceviti  erzählt,  nach  Nis  zur  Reinigung  gesendet 
werden  musste.  Doch  1883,  nachdem  der  befestigte  Grenzkordon  gezogen  war, 
zählte  das  Städtchen  ausser  dem  Garnisons-Bataillon  bereits  752  Seelen,  eine 
Schule  mit  einem  Lehrer  und  50  Schülern,  und  als  ich  es  1889  besuchte: 
180  Häuser  mit  285  Steuerköpfen,  5  Lehrern,  welche  164  Knaben  und  Mädchen 
unterrichteten,   was  für  ein  Dezennium  einen  riesigen  Fortschritt  bedeutete. 

Da  viele  der  früher  mit  starken  Steinplatten  gedeckten  Arnautenhäuser, 
gleich  allen  Neubauten,  rote  Ziegeldächer  erhielten,  mildert  dies  den  umheimlichen 
Eindruck  der  winkelig  und  eng  gebliebenen  Basarstrasse,  doch  wird  es  noch 
vieler  Jahre  bedürfen,  bis  das  herrlich  liegende  Kursumlija  sein  schlechtes 
Pflaster,  seine  schrecklichen  Garküchen  und  Läden  ä  la  turka,  mit  einem  Worte 
sein  altes  Kleid  gänzlich  abstreifen  wird.  Die  Bezirkshauptmannschaft,  das 
Zollamt  und  Militärspital  behelfen  sich  mit  alten  Gebäuden.  Der  südliche,  noch 
etwas  wüst  aussehende  grosse  Platz,  scheint  sein  künftiges  Zentrum  werden  zu 
wollen.  Schon  umsäumten  die  weite  Grasfläche  ausser  der  alten  türkischen 
Karaula  das  Post-  und  Telegraphenamt,  die  fünfklassige  Schule,  das  1889 
vollendete,  gross  angelegte  Gast-  und  Kaffeehaus,  hinter  dem  die  hochliegende, 
fünf  Kompanien  bequartierende  weisse  Kaserne  aufragte. 

An  letztere  schliesst  sich  an  der  Pristinaer  Strasse  der  ärmliche  Vorort 
Palilula,  dessen  grosse  Jahrmärkte  am  21.  Mai  und  6.  Oktober  viele  Besucher 
aus  der  Kursumlijaer  Pfarre  herbeiziehen.  Diese  bildet  ein  buntes  Mosaik  von 
Kolonisten  aus  verschiedensten  Landschaften  des  türkischen  Altserbien  und  zählt, 
wie  mir  der  aus  dem  stark  arnautisierten  Prizren  stammende  Pope  mitteilte,  ausser 
dem  Städtchen  25  grössere  und  kleinere  Orte  mit  550  Steuerköpfen.  Das  Tauf- 
register verzeichnet  jährlich  140 — 150  Geburten  gegen  80 — 100  Todesfälle,  was 
neben  der  dauernden  Zuwanderung  eine  rasche  Vermehrung  der  städtischen 
Bevölkerung  verspricht;   1896  betrug  sie  schon  über  1700  Seelen  in  212  Häusern. 


über  Prokupljc  durch  die  Jankova  Klisiira  und  Kiirsumlija  auf  den  Prepolai;.       1309 

Ganz  vcrkehrslos  und  menschenleer  erschien  die  16  km  lange  Strasse,  auf 
der  wir  am  5.  Oktober  1889  von  Kursmniija  zum  serbisch-türkischen  Grenzberge 
Prepolac  ritten.  Von  den  Türken  erbaut,  ist  sie  mit  Ausnahme  einiger  kurzen 
Kurven  gut  traciert  und  trcffiicii  erlialten.  Da  die  waldreiche  Gegend  im  höchsten 
Grade  unsicher,  wurden  an  den  gefährdetsten  Steilen  des  oft  nur  wenige  Schritte 
breiten  Defilees  starke  Karaule  errichtet.  Beim  ersten  Blockhause,  neben  der 
Tiovacer  Mühle  und  dem  etwas  höher  liegenden  zerstörten  Kirchlein,  geht  die 
Strasse  auf  das  rechte  Ufer  der  prächtig  klaren  Banjska  reka  über.  Die  nahe, 
salzhaltige  Quelle  wird  von  den  hier  zahlreichen  Rehen  gern  aufgesucht.  Raubtiere 
aller  Art,  besonders  Wölfe  und  selbst  Bären,  vegetieren  in  dieser  Wildnis  ganz 
ungestört,  in  welcher  man  den  mit  Pristina  verbundenen  Telegraphendraht  meist 
an  Bäumen  befestigte. 

Ununterbrochen  zieht  hochstämmiger  Buchenwald  hinauf  zu  den  Kuppen 
des  erzreichen  Samokov.  Als  die  Serben  Kursumlija  1878  genommen,  setzten 
sich  seine  verdrängten  Nizams  hier  fest  und  verteidigten  mit  grosser  Zähigkeit 
die  wichtige  Pristinaer  Strasse.  Vergeblich  waren  wiederholte  mehrtägige  Angriffe. 
Am  3.  Februar  ging  aber  die  von  Oberst  Milojko  Lesjanin  befehligte  Rudniker 
Brigade  mit  aller  Kraft  gegen  die  stark  befestigte  Position  erfolgreich  vor,  nahm 
das  untere  Vorwerk  und  einige  Schützengräben.  Der  eingebrochene  Abend  endete 
unter  dem  Hauptwerke  die  blutige  Aktion,  und  am  nächsten  Morgen  wurde  sie 
auf  die  Nachricht  von  dem  abgeschlossenen  Waffenstillstand  eingestellt.  Die 
tapferen  Offiziere  Jovan  Praporcetovic,  Aksentije  Jakovijevic,  Branko  Vasiljevic 
und  Sava  Petkovic,  deren  Truppen  hier  und  auf  der  östlichen  Sokolska  Planina 
143  Tote,  827  Verwundete  und  107  Vermisste  verloren,  gingen  in  ihre  Ausgangs- 
stellung zurück,  ohne  ihre  weitere  Aufgabe  am  Lab:  in  das  Kosovogebiet 
einzudringen  und  Pristina  zu  besetzen,  lösen  zu  können  (Kap.  XI). 

Am  Vereinigungspunkte  der  von  den  nordwestlichen  Bergen  abfliessenden 
starken  Banjska  reka  mit  der  von  S.  kommenden  Prepolacka  reka  gelangten  wir 
zum  kleinen,  von  der  Regierung  erbauten  Badhause  der  gleichnamigen  Therme. 
Staunend  hörten  wir,  dass  dort,  angezogen  durch  die  vielgerühmfc  Heiltätigkeit 
der  primitiv  gefassten  Quellen,  etwa  50  Personen  unter  dem  Schutze  der  stark 
bemannten  Karaula  11  in  der  grossen  Mehana  gesommert  und  oft  selbst  Spazier- 
gänge zu  dem  allerdings  nur  einen  Büchsenschuss  entfernten  „crkviste"(?)  im 
westlichen  Banjska  reka-Tal  unternommen  hatten.  Bei  näherer  Untersuchung  der 
dortigen  Baureste  dürften  die  Mauern  der  römischen  Badeanlage  gefunden  werden, 
die  durch  einen  der  Thermennymphe  gewidmeten  Votivste'n  bezeugt  wird. ')  Von 
den  beiden  Quellen  mit  44"  C.  ist  eine  kohlensauer,  die  andere  schwefelhaltig. 
Zur  Zeit  unseres  Besuchs  waren  die  modernen  Neubauten  nahezu  verödet.  Dafür 
gab  es  Bewegung  in  der  Karaula,  denn  auf  des  Nacelniks  Befehl  sollten  zwei 
ihrer  Panduren  unserer  schon  acht  Gewehre  zählenden  Eskorte  sich  anscliliessen. 

Das  abwechselnd  in  Tonschiefer,  Sandstein  und  Kalk  eingeschnittene 
Defilee  verengte  sich  bald   zu  einer  ganz   unheimlich   aussehenden  Waldschlucht. 


')  Starinar,  Bd.  1,  S.  82. 


310       Über  Prnkiipljc  durch  die  Jankova  Klisura  und  Kursumlija  auf  den  Prepolac. 

Zur  leichteren  Überwachung  der  Strasse  hatte  man  die  dicht  zum  Bache  herab- 
ziehenden Buchen  auf  100  ni  beiderseits  gefällt  und  teilweise  zur  Versicherung 
seines  Wildbettes  verwendet.  Tausende  Prachtstämme  vermodern  ungenutzt; 
das  Holz  hat  hier  gar  keinen  Wert.  Auch  die  medvedja  leska  (Bären-Haselnuss- 
baum),  deren  Stämme  auf  dem  Jastrebac  mit  45 — 60  d  bezahlt  wurden,  weil  man 
ihr  treffliches  Holz  für  Möbel,  Gewehrschäfte,  Cuturas  usw.  verwendete,  bleibt 
unbenutzt.  Gleich  selten  fällt  man  die  brekinja  (Eberesche),  die  mukinja,  ein 
Baum  mit  essbaren  blauen  Früchten,  die  Roteiche,  deren  Stamnipreis  an  anderen 
Orten  13  d  beträgt,  oder  den  Ahorn,  dessen  edlere  Art  hier  allerdings  seltener 
ist.  Dagegen  tritt  in  der  reichen  Flora  häufig  Herniaria  hirsuta  und  glabra  auf, 
welche  das  Volk  in  starken  Abgüssen  gegen  Blasenleiden  erfolgreich  trinkt. 

Unfern  der  von  Albanesen  angezündeten  Karaula  III  begegnete  uns  der 
„jeden  Vogel  im  Fluge  sicher  mit  der  Kugel  treffende"  Buljukbasa  von  Karaula  II. 
Der  allgefürchtete,  besonders  gern  auf  Arnauten  zielende  Schütze  berichtete,  dass 
diese  zwei  Tage  zuvor  einen  Mehandzija,  dem  sie  30  Dukaten  abgenommen,  mit 
durchschnittener  Kehle  liegen  Hessen.  Etwas  weiter  zeigte  uns  einer  der  Grenz- 
panduren  den  Baum,  bei  dem  vor  drei  Wochen  sein  jüngerer,  patrouillierender 
Bruder  von  einem  am  jenseitigen  Bachufer  versteckt  ihm  auflauernden  Heiducken 
erschossen  wurde;  am  Stamme  sah  man  deutlich  die  Spur  der  Kugel,  die  seinem 
rasch  Deckung  suchenden  Kameraden  zugedacht  war.  Gleich  darauf  passierten 
wir  die  Stelle,  auf  der  ein  Arnaute  den  auf  seinem  früheren  Hofe  siedelnden 
serbischen  Bauer  tötete.  Dessen  erbitterter  Bruder  rächte  ihn.  Mit  einigen 
beherzten  Genossen  überfiel  er  den  Hochzeitszug  des  hart  an  der  Grenze 
wohnenden  Mörders  und  machte  alle  seine  Teilnehmer  erbarmungslos  nieder. 
Die  Panduren  ermüdeten  nicht  im  Erzählen  derartiger  grauser  Bluttaten,  und 
fortan  wunderte  es  mich  nicht  mehr,  dass  die  wenigen  uns  begegnenden,  meist 
berittenen  Bauern  ihr  Martinigewehr  schussfertig  ans  Knie  gedrückt  hielten.  Einer 
der  blutigsten  Arnauteneinfälle  am  20.  Juli  1897  bei  Karaula  Lokvica  und  Block- 
haus Tresnjica,  kostete  beiderseits  viele  Opfer. 

Nochmals  kreuzten  wir  auf  einer  Brücke  die  Banjska  reka,  es  folgte  Karaula  iV, 
wir  waren  heil  am  Ziele.  Vor  uns  lagen  die  873  m  hohe  Wasserscheide  und 
die  Häuser  des  serbischen  Grenzamtes  Prepolac.  Wieder  empfand  ich,  wie 
auf  mancher  meiner  Balkan-Passagen,  das  freudige  Gefühl,  wenn  nach  langem, 
beschwerlichem  Anstiege  durch  die  keinen  Ausblick  gestattende  Waldregion  auf 
der  endlich  erreichten  Kammhöhe  das  südliche  Land  sich  weithin  dem  über- 
raschten Blicke  öffnete.  Leider  befand  sich  der  das  serbische  Prepolac-Kastell 
kommandierende  Vukoje  fern  auf  der  Kordonsinspeklion.  Der  Nacelnik  befahl 
dem  Bericht  erstattenden  Polizeibeamten  die  Meldung  seiner  Ankunft  im  türkischen 
Zollhause.  Darauf  stiegen  wir  ohne  Rast  zur  noch  74  m  höher  liegenden  Haupt- 
karaula des  verschanzten  nördlichen  Plateaus  hinauf.  Die  Luft  war  klar,  die 
Aussicht  von  überraschender  Weite  und  Schönheit. 

Dimitrije,  ein  Enkel  des  tapferen  Rudniker  Wojwoden  Antonije  Rakic  und 
„Ältester"  der  zehn  ihre  Gewehre  schulternden  Panduren,  erwies  sich  als  treff- 
licher Cicerone.     Mein  Fernrohr  suchte    in   dem   breit    aufgerollten   Relief  zuerst 


über  Prokuplje  durch  die  Jankova  Klisura  uiul  Kursumlija  auf  den  Prepolac.       311 

am  scharf  markierten  Lablaufe  seinen  geschichtlich  interessantesten  Punkt,  das 
54  km  ferne,  350  m  tiefer  liegende  „Kosovo  poljc"  auf.  Obschon  man  18  Stunden 
bedarf,  um  es  nach  der  Länge  zu  durchreiten,  und  acht,  es  zu  durchqueren,  sah 
ich  nur  einen  verschwommenen  Lichtstreif,  auf  dem  Dimitrijes  scharfes  Auge 
sogar  in  einem  dunklen  Punkte  die  Tulba  erkennen  wollte,  bei  der  Sultan  Murad 
fiel  und  der  Serbenknez  Lazar  vor  dessen  ersterbendem  Blicke,  angesichts  des 
fliehenden  Heeres,  am  St.  Veitstage  1389  Leben  und  Reich  verlor.  Eine  etwas 
westlichere  massige  Erhebung  sollte  die  „Goles  Planina"  sein,  auf  welcher  Lazars 
treuloser  (?)  Eidam,  Vuk  Brankovic,  mit  12000  Panzerreitern  das  Schlachtfeld  im 
Augenblicke  der  Entscheidung  verliess. 

1389  —  1889!  Genau  fünfhundert  Jahre  waren  seit  jenem  Sedantage  der 
orientalischen  Christenheit  verflossen.  Welche  Gestaltung  hätte  ohne  jenen 
verhängnisvollen  15.  Juni  der  europäische  Osten  genommen,  der  Bajazid  die 
Herrschaft  über  denselben  auslieferte!  Die  Völkergeschicke  hängen  nun  einmal 
an  der  Entscheidung  des  Schwertes,  und  daran  werden  alle  gegenteiligen 
Bestrebungen  der  Gegenwart  und  Zukunft  schwerlich  etwas  ändern!  Mein  Blick 
haftete  wie  festgebannt  auf  dem  sonnig  vergoldeten  und  doch  traurig  stimmenden 
Unglücksfelde,  das  gleich  ernst,  wie  der  Charakter  der  es  umschliessenden,  meist 
nackten  Berge. 

Gegen  SSW.  beherrscht  das  Bild  der  langgestreckte  Sar,  mit  schneeigem, 
bis  Salonik  sehenden  Ljubotingipfel,  etwas  weiter  erscheinen  die  WSW.  zwischen 
Prizren  und  Djakovo  aufstarrenden,  scharfprofilierten  Kalkzinnen,  westlicher  die 
im  heissen  Mittagsdunste  verschwimmenden  Konturen  der  montenegrinischen 
Grenzberge  mit  der  das  Amselfeld  begrenzenden  Cecevica,  an  deren  Hängen  der 
grosse  ungarische  Johann  Hunyady  derartig  geschlagen  wurde,  dass  die  Serben 
noch  heute  bei  hart  treffendem  Unglück  sagen:  „Es  erging  ihm  wie  dem 
Hermannstadter  Johann  auf  Kosovo!"  —  Noch  heute  bleibt  das  weite  Schlachtfeld 
unbebaut,  denn  sowohl  Türken  wie  Christen  scheuen  sich,  den  Boden  zu  bearbeiten, 
der  das  Blut  ihrer  Ahnen  so  reichlich  trank.  Den  Mittelgrund  füllen  die  zahmen 
Hochplateaus  des  vielverästelten  Kopaoniks  und  der  Ljesnica,  zwischen  welchen 
der  Lab  an  Pristina,  der  aufstrebenden  Hauptstadt  des  Kosovo -Vilajets  vorüber, 
der  Sitnica  zufliesst.  Die  waldreichen  Berge  Markov  Vis,  Sekiraca,  Djak, 
Ivanovo  Brdo,  Veliki  und  Mali  Sokolov  Vis  im  Südosten  und  der  nordwestliche 
Jastrebac  sind  serbisches  Gebiet.  Von  den  Grenz-Blockhäusern  waren  das  nahe 
Orliste  unter  dem  931  m  hohen,  scharf  zugespitzten  Previticki  Vis,  ferner  das 
türkische  Orenzamt  Prepolac  und  seine  nördlichste  Karaula  Susnjak  ohne  Glas 
deutlich  erkennbar.  Ich  zeichnete  das  orographische  Profil  dieses  wichtigen  Teiles 
von  Alt-Serbien,  dessen  Studium  mich  lange  auf  dem  947  m  hohen  Punkte  festhielt. 

Während  unseres  bescheidenen  Mahles  in  der  reinlichen  Mehana  besuchten 
uns  der  Zollbeamte  Suleiman  (Djumrukcija)  und  der  den  türkischen  Nizam- 
Grenzkordon  befehligende  Offizier  aus  Arabestan.  Nach  kurzer  Vorstellung  lenkte 
der  Nacelnik  das  Gespräch  auf  die  das  freundschaftliche  Nachbarverhältnis 
störenden  arnautischen  Raubeinfälle.  Der  Djumrukcija  erwiderte,  dass  die  Arnauten 
nur    die    meist  von    den    serbischen    Grenzbewohnern    ausgehenden   Angriffe    auf 


312       über  Prokiiplje  chircli  tlic  Jankova  Klisura  und  Kursumlija  auf  den  Prepnlac. 

Menschen  und  Vieh  abwehrten  oder  räcliten.  Die  heftij^en  Bewegunj^en,  mit 
welchen  er  einige  Fälle  erzählte,  stachen  grell  ab  von  dem  vornehm  ruhigen 
Wesen  des  arabischen  Offiziers.  Wirklich  stellte  sich  heraus,  dass  er,  ein 
fanatischer  Bosniake,  seine  Heimat  erst  anlässlich  der  österreichisch-ungarischen 
Okkupation  erbittert  gegen  die  Njenici  (Deutschen)  verlassen  hatte.  Die  erregte 
Diskussion  endete  mit  dem  gegenseitigen  Versprechen,  jede  Ausschreitung  an  der 
Grenze  durch  strenge  Ahndung  tunlichst  zu  hindern. 

Die  Etikette  erforderte  die  Erwiderung  des  Besuchs.  Unter  Nizameskorte 
passierten  wir  die  durch  zwei  Pfähle  auf  der  Pristinaer  Strasse  markierte  Scheide 
des  serbischen  vom  türkischen  Territorium.  Das  Aussehen  des  sultanlichen, 
nur  wenige  hundert  Schritte  entfernten  Grenzamtes  in  der  baumlosen  Fläche  und 
der  Empfang  in  demselben  durch  die  erwähnten  Herren  und  den  Passapordzija 
Mehemed  Ali  Effendi,  der  sich  „zur  Erinnerung"  türkisch  in  mein  Tagebuch 
schrieb,  war  in  allem  ein  Klischee  des  im  Bd.  I  auf  S.  576  geschilderten  auf  der 
Vasiljina  Cesma.  Die  Bedürfnisse  der  ziemlich  starken  Nizamtruppe  deckt  der 
kleine  Kramladen  eines  Pristinaer  Albanesen,  von  dem  wir  mehrere  charakteristische 
arnautische,  gestrickte  weisse  „celepus"  (Kopfmützen)  und  aus  Baumwolle  gepresste 
„culav"  kauften.  Der  Warenverkehr  durch  das  Prepolacer  Kastell  beschränkt 
sich  auf  serbischen  Rakija  und  einige  Hundert  von  Mitrovica  nach  Serbien  gehende 
Mühlsteine;  Pässe  gelangen  etwa  600  jährlich  zur  Vidierung,  und  die  Gesamt- 
einnahme beträgt  türkischerseits  kaum  20000  Piaster  =  4000  Franken. 

Die  meisten  der  in  den  Prokupljer  Kreis  einwandernden  Rajahs  suchen  sich, 
um  allen  Auseinandersetzungen  mit  ihren  moslimischen  Grundherren  zu  entgehen, 
auf  Nebenpfaden  über  die  Grenze  zu  schleichen.  Man  unterscheidet  in  dieser 
Gegend  noch  immer  Ciftlik  sahibi,  Gutsbesitzer,  welche  ihre  Rajah  beliebig  von 
Grund  und  Boden  treiben  können,  was  jedoch  selten  geschieht,  weil  sie  den 
vierten  Teil  vom  Ertrag  erhalten;  dann  „Agaluks",  auf  welchen  der  Grund  und 
Haus  besitzende  Rajah  dem  Gutsherrn  den  siebenten  oder  neunten  Teil  bezahlt. 
Ausserdem  haben  sämtliche  Rajah  dem  Sultan  29  Piaster  (5  Piaster  --  1  Frank.) 
für  jeden  männlichen  Kopf  als  bedelieh  (Ablösung  des  Kriegsdienstes),  4  Piaster 
von  je  1000  Piaster  Feldwert,  4  Piaster  für  jedes  Stück  Grossvieh,  4,5  Piaster 
für  jedes  Schwein  usw.  zu  bezahlen.  Trotz  der  Vielfältigkeit  und  Höhe  dieser 
Lasten  sind  es  aber  nicht  diese,  sondern  das  Gefühl  der  Rechtlosigkeit  gegenüber 
dem  arnautischen  Grundherrn,  welches  den  Rajah  vom  heimatlichen  Boden  nach 
Serbien  treibt,  wo  er  gleich  5  pluzi  (Joche)"  Ackerboden  und  längere  Steuerfreiheit 
mit  der  Aussicht  erhält,  den  allmählich  durch  Fleiss  vergrösserten  Besitz  als 
allen  gleichgestellter  Staatsbürger  seinen  Kindern  zu  vererben. 


Obschon  die  Regierung  die  Wiederbesiedelung  des  1878  nahezu  entvölkert 
übernommenen  Toplicaer  Kreises  in  jeder  Weise  begünstigt,  zählte  man  1905 
auf  seinen  2839  km-  in  37  Gemeinden  mit  341  Orten  nur  102954  Bewohner, 
also  36  Seelen  per  km^  Am  dünnsten  von  den  3  Bezirken:  Prokuplje,  Dobric 
und  Kosanica  ist  letzterer  mit  kaum   19  Seelen  per  km-  bewohnt;  auf  1307  km- 


über  Prnkuplje  durch  die  jankuva  Klisiua  iiiul  Knrsuinlija  auf  deu  Prepolac.       313 

siedeln  dort  24989  Seelen  in  130  Orten,  darunter  nur  11  mit  Geistlichen  und 
5  mit  Schulen.  Dabei  ist  im  Kreise  das  männliche  Geschlecht  mit  3920  Seelen 
iU^erwie^end.  Diese  unerfreulichen  Verhältnisse  werden  sich  rascher  bessern, 
sobald  im  angrenzenden  türkischen  Grenzgebiete  befriedigende  soziale  Zustände 
dauernd  geschaffen  würden,  denn  der  Boden  ist  im  allgemeinen  hier  besser,  als 
in  den  anderen  neu  erworbenen  Gebieten,  und  zu  jeglicher  Kultur  geeignet. 

Von  den  283880  ha  des  Kreises  standen  1905  nur  58382  ha  unter  Kultur. 
13942  ha  trugen  Mais,  13997  Weizen,  6625  Gerste,  2704  Gemüse  usw.,  neu 
angelegte  Weingärten  gab  es  1416  ha,  und  die  von- den  Amanten  mit  besonderer 
Vorliebe  betriebene  Obstzucht  gelangte  auf  1439  ha  in  Aufnahme.  Ausserdem 
verzeichnete  man  über  100000  ha  Wald,  9855  ha  Wiesen  und  Weiden  für  den 
über  262  000  Stücke  betragenden  Viehstand.  1905  zählte  man:  7265  Pferde, 
53119  Rinder,  287  Esel,  23669  Schweine,  132783  Schafe,  45889  Ziegen  und 
2760  Bienenstöcke.  Auf  100  Seelen  entfielen  im  Bezirke  Kosanica  290,  Dobric  288 
und  Prokuplje  192  Stücke  Vieh,  ein  vergleichsweise  sehr  gutes  Verhältnis  zum 
benachbarten  Niser  und  Leskovacer  Bezirk,  in  welchen  nur  180  Stücke  auf 
100  Seelen  kommen.  Besonders  reich  ist  der  Toplicaer  Kreis  an  wild  wachsenden 
Birnbäumen,  welche,  noch  heute  von  den  Albanesen  „darda"  genannt,  der  illyrisch- 
riimischcn  Provinz   „Dardania"   ihren  Namen  gaben. 


XI. 


Von  Kursumlija  durch,  die  Kosanica, 

Pusta  Reka  und  denjablanicaer  Arnautenbezirk  nach  Leskovac. 


MEIN  nächster  Ausflug  von  Kursumlija  mit  Ingenieur  Valenta  und  dem  weg- 
kundigen Gendarmen  Simo  galt  dem  südlichen  Kosanicatale.  Sein  Beginn 
erscheint  unheimlich  wüst,  das  Baciigelände  zerrissen;  zwei  hundertjährige,  durch 
barbarische  Menschenhand  oder  Blitzschläge  verwüstete  Riesenpappeln  senkten 
melancholisch  ihr  verdorrendes  Geäste  zur  grasreichen  Ebene,  auf  der  aber  das 
Auge  vergeblich  ein  lebendes  Wesen  suchte.  Erst  wo  die  emigrierte  arnautische 
Bevölkerung  durch  Kolonisten  aus  Altserbien  ersetzt  wurde,  übt  der  prächtigen  Mais 
zeitigende  Boden  einen  freundlicheren  Eindruck  aus.  Ruinen  zerstörter  Häuser 
und  Moscheen  verraten  aber  auch  dort,  dass  er  kurz  zuvor  der  Schauplatz 
heftiger  Kämpfe  war,  die  sich  hoch  hinauf  in  die  gutbewaldeten  Berge  zogen. 
Wie  die  feste  türkische  Position  auf  dem  westlichen  Samokov  das  Vordringen 
der  Serben  durch  das  Banjskatal  gegen  Pristina  aufhielt,  setzte  ihm  die  von 
Amanten  verteidigte  auf  der  Sokolska  Planina  einen  schwer  üherschreitbaren 
Damm  entgegen.  Vom  13.  bis  30.  Januar  1878  kämpften  hier  und  auf  den 
benachbarten  Bergen  Trha,  Trpeza,  Donja  Hrtica  starke  Abteilungen  der 
von  Lesjanin  geführten  Donaudivision.  Jeder  Schritt  vorwärts  kostete  sehr  viel 
Blut.  Die  Albanesen  wussten,  dass  es  sich  um  Sein  oder  Nichtsein  für  sie 
handle  und  verteidigten  jeden  Zoll  ihres  Bodens.  Die  Serben  beklagten  hier 
allein  220  Tote,  Verwundete  und  Vermisste! 

Auf  die  kleinen  Ansiedelungen  Kastrat  und  Visoka  folgte  die  grössere 
Rudare.  Nicht  wenig  überraschte  mich,  hier  viele  Leute  für  die  Budapester 
Firma  Leopold  Kern  mit  der  Fabrikation  von  Fassdauben  beschäftigt  zu  finden. 
Der  Beginn  war  etwas  schwierig,  die  eingebrochenen  Amanten  erschlugen  den 
ersten  fremden  Werkführer;  seitdem  wird  nur  bewaffnet  gearbeitet.  Die  Regierung, 
der  heimische  Spekulanten  durchschnittlich  per  Eiche  nur  10  d  bezahlten,  erhält 
nun  hier  und  auf  der  östlichen  Arbanaska  Reka  18  d  per  Stamm  von  45  cm 
Durchmesser.  1889  waren  schon  auf  dem  1007  m  hohen  Sokolovo  Brdo 
3000  Bäume  zu  50  -245  cm  langen  „duge"  (Dauben)  verschnitten.  Der  unglaub- 
lich niedrige  Tagelohn  der  einheimischen  Arbeiter  beträgt  nur  0.25  d  während  der 
Kampagne  vom   Oktober   bis    Februar.      Das    Ausbringen    der   Dauben    bis   zum 


316  Von  Kiirsiimlija  durch  die  Kosanicn,  Piista  Reka  usw.  nach  Leskovac. 

Ladeplatze  beträgt  per  Akov  (Eimer)  0.25  d,  von  Rudare  bis  zum  Niäer  Bahnhofe 
für  den  500—600  kg  fassenden  Wagen  1.60  d  per  100  kg.  Grosse  Dauben- 
niengen  lagen  neben  der  von  einer  deutschen  Frau  geführten  Mehana  zum  Export 
aufgespeichert.  Ich  wünschte  iiir  und  dem  landsmännischen  Werkmeister  alles 
Glück  für  den  anbrechenden  Winter.  Beide  meinten,  sie  fürchteten  die  Amanten 
ebenso  wenig,  wie  die  hier  oft  grimmige  Kälte;  gegen  erstere  besässen  sie 
Hinterlader,  gegen  letztere  aber  Holz  in  Menge. 

Nahe  der  Mündung  des  Lubnicki  potok,  an  dessen  Ursprung  bei  Donja 
Pupavica  alte  Baureste  sichtbar,  verengt  sich  das  Tal.  Dort  kreuzten  wir  dreimal 
die  Kosanica  und  den  wasserreichen,  Mühlen  treibenden  Dorfbach.  Überall  lugten 
vereinzelte  Gehöfte  zwischen  hübschen  Obstgärten  hervor;  bald  folgten  tiefere 
Einschnitte  mit  romantischen  Kalkfelsen,  welche  die  Strasse  zu  fortwährendem 
Wechsel  der  Ufer  zwingen.  Die  einstige  ansehnliche  Moschee  bei  Raca  dient 
nun  als  Gemeindehaus,  ^obwohl  die  Amanten  diese  Profanierung  blutig  zu  rächen 
iJrohten.  Die  wenigen*  im  Sonntagsstaate  zur  Stadt  ziehenden  Bauern  trugen 
„Kasikare"  (Löffelflinten)  genannte  Peabody  und  erzählten,  dass  selbst  Ihre 
Knaben  nicht  unbewaffnet  zur  Weide  zögen.  Dieses  allerorts  im  Toplicaer 
Kreise  herrschende  Unsicherheitsgefühl  Hess  keinen  auf  „Vergessen  seines  Selbst" 
beruhenden  freudigen  Genuss  in  der  an  Naturschönheiten  reichen  Landschaft 
aufkommen. 

Ernst  gestimmt  kamen  wir  zum  „Sastanci",  zur  Vereinigung  der  Velika 
und  Mala  Kosanica.  An  letzterer  führt  ein  alter,  heute  noch  fahrbarer  Weg, 
mit  stellenweise  künstlichen  Einschnitten  und  erhaltenem  Pflaster,  vorbei  an  dem 
lange  schon  in  Ruinen  liegenden  Kloster  Degrmen,  zwischen  den  Karaulen 
Reponja  und  Mirovacer  Plateau  am  Wege  nach  Podujevo.  Auf  diesem  drang 
eine  starke  Abteilung  des  Obersten  Lazar  Jovanovic  am  1.  Februar  1878  in  das 
Labgebiet  ein  und  drängte  die  Türken  bis  Sajkovac  zurück.  Dies  kostete  den 
Serben  23  Tote  und  42  Verwundete. 

Wir  wandten  uns  SO.  und  verfolgten  die  bei  der  204  m  hoch  liegenden 
„Sastavcimühle"  in  das  Tal  der  Velika  Kosanica  abbiegende  Römerstrasse.  Im 
nahen  Gehöfte  des  Milos  Ristovic,  dessen  acht  Kopfe  zählende  zadruga  aus  den 
Familien  zweier,  vom  serbischen  Ivanjica  hierher  übersiedelten  Brüder  besteht, 
verriet  alles  schon  einen  gewissen  Wohlstand.  Man  lobte  die  neue  Heimat,  doch 
auch  hier  ertönte  das  alte  Lied,  Leben  und  Gut  seien  stets  gefährdet,  das  beste 
Vieh  holten  die  über  den  Djak  Brdo  einbrechenden,  alle  Stege  kennenden 
Arnauten.  „Wohl  gab  die  Regierung  uns  Gewehre,  aber  Patronen  müssen  wir  zu 
13  Centime  kaufen,"  klagte  der  Staresina.  2,5  km  weiter  sahen  wir  am  Mehanski 
potok  die  Gräber  von  am  30.  Januar  1878  bei  der  vom  Oberst  Lesjanin 
genommenen,  800  m  hoch  liegenden  Mehane  gefallenen  Serben.  Östlicher  trat 
der  stark  verrufene  Djak  Brdo  mit  scharf  profiliertem,  1400  ni  hohem  Gipfel  in 
Sicht.  Von  allen  Seiten  strömten  hier  Wildwässer  zum  Wege  herab.  Bald  langweilte 
es  mich,  zu  zählen,  wie  oft  wir  die  Kosanica  bis  zur  Zebicamühle  queren  mussten. 
Nach  25  km  langem  Ritte  erschien  endlich  zwischen  Nuss-,  Birn-  und 
Apfelbäumen    das    von    15    altserbischen    Familien    besiedelte    Ivan    Kula,    in 


Von  Kiirsimilija  durcli  die  Kosaiiica,  Pusta  Reka  usw.  nach  Leskovac. 


:U7 


prächtiger  landschaftlicher  Lage,  beherrscht  von  der  auf  isoliertem  hohen  Rücken 
stellenden  „Ivanova  Kiila".  Der  dichte  Überzug  ihres  Piedestals  mit  Weiss-  und 
Schvvarzbuchen,  Eichen,  Eschen,  verfilzt  mit  jungem  Kornelkirschenholz  und 
dornigem  Gestrüpp,  erschwerte  den  Aufstieg.  Die  Ehre  des  Pfadfinders  blieb 
Simo.  Mit  Preisgebung  unserer  Kleider  folgten  wir  ihm  auf  die  aussichtsreiche 
Höhe,  um  deren  Besitz  die  türkischen  Mitglieder  der  internationalen  ürenz- 
regulierungs-Konimission  am  12.  Juli  1879  heftig  stritten.  Sie  stützten  sich  auf 
die  Bestimmung  des  Berliner  Vertrags,  nach  welcher  der  Djak  Brdo  die  Grenze 
bilden  sollte,  doch  stellte  sich  heraus,  dass  dieser  auf  der  österreichischen  Karte 
falsch  eingetragen  und,  nach  der  Absicht  der  Mächte,  als  Wasserscheide  zwischen 
dem  Lab  und  der  Toplica  zu  gelten  habe,  und  bei  dieser  Entscheidung  blieb  es. 


Gehüft  altserbischcr  Ansiedler  zu  Sastavci. 


Oben  angelangt,  schwand  bald  jeder  Zweifel,  dass  der  14  m  hoch  erhaltene, 
rechteckige  Turm,  mit  7,78  in  langen,  5,80  m  breiten  Fronten,  auf  römischen 
Fundamenten  stand,  deren  1,34  m  starkes  Mauerwerk  von  rohen  Sandsteinblöcken 
und  durch  Ziegelstückchen  gefestigten  Mörtel  noch  einer  Ewigkeit  trotzen  zu 
wollen  scheint.  Nördlich  schliesst  ein  bis  auf  die  Grundfeste  verwüsteter,  56  m 
im  Umkreis  messender  mittelalterlicher  Bau  an.  Auch  südlich  stiess  ich  auf  Reste 
jüngerer  Bauten.  Das  nach  allen  Seiten  steilgeböschte  Plateau  war  für  einen 
„Luginsland"  wie  geschaffen.  Man  überblickt  von  dem  1076  in  hohen  Punkte  die 
meisten  vom  jenseitigen  Labgebiet  über  die  südliche  Kammlinie  herabführenden 
Wege  mit  den  Karaulen:  Sikiraca,  Skrep,  Markov  Vis  (1224  m),  Mokri 
Kamen,  Mokri  Kremen,  Vulovo  Brdo  (Trpeza),  Macija  Stena,  ferner  den 
Hrtica  Brdo,  bei  dem,  nur  durch  den  Grenzzaun  getrennt,  sich  ein  serbisches 
Panduren-  und  türkisches  Nizampikett  gegenüberstehen,  um  den  Weg  nach 
dem    Kosovo    polje    zu    überwachen,    dessen     Snltansgrab    man    deutlich     sieht. 


318 


Von  Kursumlija  durch  die  Kosanica,  Pusta  Reka  usw.  nach  Leskovac. 


Weiter  nördlich  die  Karaiila  auf  dem  Vasiljevac,  die  Prepolacschanzc,  NO. 
den  Sokolov  Vis  und  Djak  Brdo,  0.  das  Hochtal  von  Zagradje,  überragt 
vom  Madan,  und  W.,  in  weiter  Ferne,  die  höchste  Spitze  des  europäischen  Ostens, 
den  Ljubaten. 

Nach  traditioneller  Arnautensage  residierte  auf  der  Kula  der  vom  Sultan 
Bajazid  nach  dem  Kosovosiege  zum  Herrn  der  Kosanica  eingesetzte  mächtige 
Ivan  Beg,  welcher  auch  die  prächtigen  Nussbäume  im  Tale  pflanzen  Hess.  Dieser 
angebliche  Ivan  Beg  erinnert  an  Ivan  Kosancic,  den  grossen  Wojwoden,  der  mit 
seinem  in  der  Nachbarschaft  begüterten  jugendlichen  Bundesbruder  Milan  Toplica 
in  serbischen  Volksliedern  als  Tapferster  unter  den  vielen  tapferen  Kämpfern  auf 
dem  Amselfelde  verherrlicht  wird.  Auf  der  Hochebene  unter  der  Ivanova  Kula 
sammelten  beide  Helden  ihre  Streiter  aus  dem  Toplica-  und  Kosanicagebiet  und 
führten  sie  durch  die  südwestlichen  Trpeza-  und  Trhaschluchten  auf  denselben 
Wegen    hinüber  zur   Entscheidungsschlacht   ins    Labtal,    die,   wie    Befestigungen 


Zagradska 


Skreb. 


Markov  vis. 


Mokri  Kamen. 


Die  Ivanova  Kula. 


an  der  Trpeza,  beim  jenseitigen  Ladovce  und  an  der  Brvenica  zeigen,  schon 
die  Römer  als  kürzeste  Verbindung  zwischen  Turres  (Pirot)  und  Vicianum  benutzten. 
Gleich  zahlreich,  wirr  und  meist  unstichhaltig  wie  die  Sagen  über  die 
Vorgänge  während  der  Schlacht  auf  dem  Amselfelde,  sind  jene  über  den  Weg, 
den  Knez  Lazar,  dahin  nahm.  12  km  SW.  von  Prokuplje  steht  eine  „iatinska 
crkva"  mit  Narthex,  halbkreisförmigen  Altar-  und  Seitenapsiden,  an  der  Stelle, 
wo  traditionell  Zar  Lazar  auf  seinem  gemeinsamen  Zuge  mit  Jug  Bogdan  über 
Dobrotic  von  der  ihn  begleitenden  Volksmenge  Abschied  nahm,  weshalb  später 
zur  Erinnerung  diese  „Rastavnica  crkva"  (Abschiedskirche)  erbaut  wurde.  Weiter 
wird  erzählt,  Zar  Lazar  habe  von  diesem  Punkte  seinen  Marsch  über  Kosmaca, 
Ponor,  die  Ivanova  Kula  und  Mrdar  Planina,  durch  das  Labgebiet  gegen  Pristina 
fortgesetzt.  Zur  Beglaubigung  dieser  von  M.  Valtrovic  kritiklos  abgedruckten 
Legende  wird  bemerkt,  „dass  man  auf  diesem  Wege  mit  guten  Pferden  Pristina 
in  1 7-2  Tagen  erreichen  kann  (sie),  während  man  über  den  Prepolac  3  Tage 
dahin  benötige".')     Und  gleich  irrig  ist  auch  Milicevics  Behauptung:  „Zar  Lazars 

')  Starinar,  V,  S.  125  ff. 


Von  Kursiinilija  diircli  die  Kosnnica,  l^usla  Reka  usw.  nach  Leskovac  319 

Heer  zog  von  Prokuplje  diircli  Bela  Voda,  Dobrotic,  Biicinac,  Vlase,  weiter  über 
den  Djak  Brdo,  die  Ivanova  Kiila,  Trpeza,  den  Vasiljevac  und  Podujevo  nacii 
dem  Kosovo  polje,"  ferner:  „diese  Route  könne  in  7  Fussstunden  (!)  zurückgelegt 
werden  (!),  jene  über  den  Prepolac  beanspruche  aber  12  Stunden."') 

Schon  bei  flüchtiger  Betraciitung  einer  iinibwcgs  richtigen  Karle  ist  tias 
Unsticiilialtige  beider  Traditionen  leicht  zu  erkennen.  Denn  selbst  ein  mittel- 
niässiger  Feldherr  wird  nicht,  falls  seine  Armee  nicht  aus  „Globetrotters"-)  besteht, 
die  fraglichen,  fortwährend  hohe  Wasserscheiden  und  tief  eingeschnittene  Schluchten 
quercndcn,  nach  meiner  Berechnung  85  km  langen  Wege  von  Kursumlija  nach  dem 
Amselfelde  wählen,  solange  ihm  die  bequeme,  durchaus  gute  Verproviantierung 
bietende,  nur  50  km  lange  Strasse  an  der  Banjska  Reka  über  die  sanften  Prepolac- 
iHilien  ins  Labtal  offen  steht.  Und  dass  diese  Route  1389  in  Lazars  Hand  war, 
zeigt  schon  ihre  und  Pristinas  Lage,  dessen  nordöstliches  Gebiet  kein  Türkenfuss 
bis  dahin  betreten  hatte.  Nach  meinen,  auf  persönlicher  Kenntnis  des  fraglichen 
Terrains  beruhenden  Studien  können  demnach  nur  kleine  Kontingente  aus  dem 
oberen  Nisava-  und  Moravatale  durch  die  unwirtliche  Kosanica  in  das  Labgebiet 
gelangt  sein,  Lazars  Hauptmacht  aber  gewiss  ebensowenig,  wie  Hunyadys  Heer 
im  Jahre  1448.  Beide  zogen,  wie  1688  auch  Graf  Piccolomini,  wie  Secken- 
dorff  1737  und  Oberst  Lesjanin  1877,  von  Krusevac  am  Rasinabach  durch  die 
Jankova-Klisura,  Blace,  Barbatovac,  Kursumlija,  an  der  Banjska  Reka  über  den 
Prepolac  ins  Labtal,  wo  Kreuz  und  Halbmond  um  die  Herrschaft  am  Balkan 
kämpfen  wollten. 

Von  Radivoj  Jovanovics  prächtiger  Wiese  zeichnete  ich  die  Ivanova  Kula 
mit  ihrer  südwestlichen  Umgebung.  Da  es  Sonntag  war,  sammelten  sich  die 
aufgeweckten  Männer  der  nächsten  Gehöfte  bald  um  mich.  Obschon  erst  vor 
wenigen  Jahren  aus  dem  fernen  Gebiete  des  einstigen  altserbischen  Patriarchen- 
sitzes Pec  eingewandert,  kannten  sie  schon  die  Namen  aller  Bergspitzen.  Die 
guten  Leute  glaubten  offenbar,  wir  seien  zur  Auskundschaftung  der  besten  Wege 
nach  Altserbien  abgesendet.  „Wann  geht  es  an  die  Befreiung  der  Daheim- 
gebliebencn  von  ihren  arnautischen  Drängern?"  fragten  sie.  „Bog  znaje!" 
(„Gott  weiss  es!")  antworteten  wir  und  kehrten,  als  meine  Arbeit  getan  war,  in 
beschleunigtem  Tempo  nach  Kursumlija  zurück. 


Mit  demselben  Geleitc,  vermehrt  durch  noch  einen  Gendarmen  des  nach 
Prokuplje  abberufenen  Nacelniks,  verfolgte  ich  am  nächsten  Morgen  die  Hochstrasse 
zum  nördlichen  Mackovac.  Wie  es  den  Jäger  rasch  in  den  Forst  treibt,  wenn 
er  von  der  Spur  eines  seltenen  Wildes  hört,  zog  mich  die  Nachricht  von  römischen 
Bauten  dahin.  Was  ich  fand,  entsprach  aber  nicht  der  gehegten  Erwartung.  Trotz 
aller  Umfrage  gab  es  da  nichts,  als  kaum   1  m  hohe,  0,75  m  starke,  wohlgefügte 


')  Kraljevina  Srbija,  S.  375. 

')  Ein  serbischer,  H.  Milovan  O.  Milovanovii,  berührte  auf  seinem  zweijährigen  Fuss- 
marschc  auch  Wien  (III    Bd  ,  II.  Kap.). 


:V2() 


Von  Kursumlijn  durch  die  Kosanicn,  Piista  Rcka  usw.  nncli  I.cskfjvac. 


Quadermauern  eines  6  in  langen,  3,5  ni  breiten  „cri<viste",  in  dessen  halbkreis- 
förmiger Apsis  ein  antiker  Granitsäulenstuinpf  die  Altarplatte  trug,  ihr  eisernes, 
stark  verbogenes  Kreuz,  die  vergilbten  geopferten  Blumen,  die  überragenden 
herbstelnden  Baumkronen  und  hohen,  eigenartig  geschnitzten  Grabkreuze,  an  welche 
verwandtschaftliche  Pietät  nun  von  Sonne  und  Wetter  gebleichte  Tücher  befestigt, 
verklärten  poetisch  diese  der  Sv.  Petka  geweihte  Stätte,  ihre  Kuppel  bildete 
dasselbe  blaue  Himmelszelt,  unter  dem  die  hi.  Brüderapostei  den  Slaven  das 
Evangelium  verkündeten.  So  mögen  ihre  ersten  Kirchen  ausgesehen  haben,  und 
vielleicht   steht   das   graiiitne   antike    Säulenfragment    noch    aus  jener  fernen   Zeit 


'"■  v^'   ^''^  •  ■■■    .M 


Das  crkvistc  zu  Mackovac, 


auf  dem  Weiheorte,  welchen  die  Frauen  namentlich  an  Freitagen  gern  aufsuchen, 
um  der  angesehenen  Heiligen  ihr  Leiden  und  Hoffen  im  Gebet  zu  empfehlen. 

Ein  ähnliches  crkviste  steht  auch  an  der  Toplica  in  Donji  Krcmar,  zu 
dem  wir  über  Novo  Selo  und  Pepeljevac  hinabritten.  An  der  südwestlichen 
Quelle  der  Grabrovacka  Reka  blieb  zu  Kosmaca  ein  Kirchlein  mit  Narthex  und 
Granitpfeilern  vor  der  halbrunden  Apsis  und  von  1535  datierter  Inschrift  ziemlich 
gut  erhalten,  ebenso  im  Südosteinschnitt  ein  „crkviste"  aus  nahe  anstehenden, 
horizontal  geschichteten  Sandsteinschieferplatten  mit  ähnlicher  Altaranlage. 
Angesichts  dieser  vielen,  einander  auffällig  gleichenden  „ckrviste",  bei  welchen 
keine  Spur  gewaltsamer  Zerstörung  sichtbar,  überkam  mich  der  Gedanke:  ob 
überhaupt  ihr  Ausbau  beabsichtigt  gewesen,  und  wenn  es  der  Fall,  ob  nicht  eine 
gleichzeitig  über  sie  gekommene  Katastrophe  ihre  Vollendung  vereitelte? 

Rings  um  das  crkviste  zog  von  dem  prächtigen  Weideboden  junger  Eichenwald 
zum  nahen  Donji   Dedinac  hinauf,  dessen  nördliche  Höhe  eine  stark  verwüstete 


Von  Kiirsumlija  durch  die  Kosanica,  Pusta  Reka  usw.  uacli  Leskovac. 


:i2i 


Kastellruine  krönt.  Ihre  Lage  deutete  darauf  liin,  und  meine  östliche  Rekognoszierung 
stellte  es  vollends  klar,  dass  ein  antiker  Strassenzweig  von  Ad  Fines  (Kursunilija) 
direkt  durch  das  Gebiet  der  Pusta  Reka,  über  Gornji  Statovac,  Zitni  Potok  und 
Zlata  zum  wichtigen  Morava-Knotenpunkte  Leskovac  lief.  Schon  Hahn  vermutete 
dies,  glaubte  aber  irrig,  es  wäre  die  von  Lissus  nach  Naissus  führende  Strasse. 
Ausser  dem  Dedinacer  Kasteile  wurde  dieser  Rümerweg  durch  ein  anderes  bei 
Pestis,  ein  drittes  bei  Zitni  Potok  und  das  grösste,  vierte  bei  Zlata  geschützt,  das 
ich  ausführlicher  schildern  werde.  Ein  bewaffneter  junger  Hirte,  der  unter 
Tovrljan  in  wunderbar  ruhiger,  aber  menschenleerer  Bergidylle  einige  Kühe  und 
Ziegen  weidete,  erzählte  uns,   dass  die  Kursumljcr,  wenn  sie  in  Leskovac  zu  tun 


DEDINCE.     Ariiautenhaus. 


hätten,  noch  immer  diesen  „stari  put"  (alter  Weg)  benutzten.')  Auf  dem  Rückwege 
wanderte  die  Skizze  eines  erhalten  gebliebenen  arnautischen  Hauses  in  mein  Buch, 
dessen  Mauern  und  Dach  aus  geschichteten  Sandsteinplatten  in  sauberer  Technik 
ausgeführt  waren.  Unfern  warteten  Stösse  von  Fassdauben  aus  der  westlichen 
Arbanaska  Reka  des  nächsten  Schnees  zur  Reise  nach  Nis.  Weiter  ging  es 
durch  Grabovnicas  zerstreute  Gehöfte  zur  Bogujevacer  Mühle  des  Prokupljer 
Kaufmanns  Melentije  Simic,  der  8  von  100  kg  verarbeiteter  Frucht  seinen  Kunden 
als  Mahllolin  abnimmt.  Fünf  Gänge  waren  vollauf  beschäftigt  für  die  hier  aus 
dem  altserbischen  Sjenica  angesiedelten  Einwanderer.  Um  lodernde  Feuer  mit 
kleinen  Ochsengespannen  unter  gewiss  zweihundertjährigen  Riesenpappeln  lagernd, 
um  abwechselnd  die  Umwandlung  ihres  Getreides  in  Mehl  zu  kontrollieren,  hätten 
die  malerischen  Gruppen  unserem  Gause  dankbaren  Stoff  geboten.     Dem  erregten 


')  Glasnik,  Bd    56,  S.  358. 
F.  KANITZ,  Serbien.    U. 


21 


322  Von  Kursumlija  durch  die  Kosanica,  Pusta  Reka  usw.  nach  Leskovac. 

Treiben  folgte  unheimliclie  Stille  auf  der  bald  erreichten  Hauptstrasse.  Der  Abend 
war  angebrochen,  und  noch  hatten  wir  18  km  bis  Prokuplje. 

Im  scharfen  Trabe,  vorüber  an  Plocnik  und  dem  in  sumpfiger  Gegend 
liegenden  Kondzelj,  gelangten  wir  zwischen  Drenovac  und  A\ala  Plana  an  die 
lange  schon  mit  ihren  scharfen,  dunklen  Konturen  vom  flimmernden  Nachthimmel 
sich  abhebende  „  Krnjina-Moschee"  des  einst  vorhandenen  Tscherkessendorfs. 
Ihr  helmloses  Minarett  ragte  so  melancholisch  in  die  Luft,  als  trauerte  es  seinem 
herabgestürzten  Halbmond  nach.  Zuletzt,  im  Sommer  1888,  wurde  an  seinem 
Fusse  Mino  aus  Vucitrn,  das  die  ganze  Gegend  von  Pristina  bis  Nis  in  Schrecken 
setzende  Haupt  einer  grossen  Bande,  mit  zweien  seiner  Gesellen  erschossen,  im 
Prokupljer  Gefängnis  hatten  sie  bereits  ihre  Ketten  durchgefeilt,  die  Gitterstangen 
waren  aber  zu  stark.  Mit  unverbundenen  Augen,  in  Gegenwart  von  nah  und  fern 
herbeigeströmten  Volkes,  sah  der,  wie  ihm  das  Urteil  vorrechnete,  mit  63  Untaten 
belastete  Heiduck  furchtlos  acht  Gendarmen  die  todbringenden  Gewehre  anlegen. 
Unser  Simo,  der  ihn  ins  Jenseits  befördern  half,  rief  voll  Ekstase:  „Mino  starb 
wie  ein  Held,  schade  um  solchen  Menschen!"  So  entsprach  das  Finale  genau 
der  Ouvertüre  meiner  Exkursion:  Räuber-  und  Mordgeschichten  vom  Anfang  bis 
zum  Ende.  Man  gewöhnt  sich,  der  Puls  schlägt  gleichniässig  fort;  doch  der  tiefe 
Seelenfriede,  den  wir  sonst  in  sternenheller  Nacht  empfinden,  die  ruhige  poetische 
Beschaulichkeit,  welche  in  Töpfers  Wanderbildern  auf  Schweizer  Boden  dem 
Leser  anheimelnd  entgegentritt,  sie  stellt  sich  bei  diesen  ununterbrochenen 
Erzählungen  von  menschlicher  Bestialität  nicht  ein. 

Das  Tal  verengte  sich,  die  Strasse  zieht  dicht  am  Humac-Hang,  an  der 
wasserlosen  „Suva  cesma"  vorüber,  und  auf  dem  rechten  Ufer  trat  die  Vidovica 
planina  näher.  Am  27.  Juni,  am  Vidov  dan,  der  als  Tag  der  Kosovoschlacht  den 
Serben  als  „schwarzer"  gilt,  zieht  das  Volk  zu  ihrer  in  ein  grosses  Felsbecken 
fliessenden  Quelle  hinauf,  der  Pope  segnet  sie,  man  opfert  einige  Para,  wäscht 
sich  mit  dem  heiltätigen  Wasser,  das  ein  Jahr  lang  vor  jeder  Krankheit  behütet. 
Solcher  Anklänge  an  heidnischen,  auch  im  aufgeklärten  Frankreich  neuestens 
wieder  aufgelebten  Brauch  gibt  es  in  Serbien  in  Menge. 

Wir  streiften  das  flüsternde  Laub  der  Mithadschen  Alleepappeln.  Endlich 
erschien  die  ersehnte  Pasa-Tulba,  bei  welcher  wir  vor  wenigen  Tagen  nach  Norden 
abbogen,  bald  darauf  die  scharfe  Silhouette  des  Hisars  von  Prokuplje  und  das  hart 
zur  Strasse  tretende  Bett  der  vom  Monde  mit  Silberlicht  gestreiften  Toplica.  Ihr 
Rauschen  begleitete  uns  in  die  schlafende  Stadt.  Die  zehnte  Stunde  schlug  vom 
massigen  Uhrturm,  als  wir  das  gastliche  Ingenieursheim  betraten. 


Am  nächsten  Vormittag  traf  der  Nacelnik  telegraphisch  Anordnungen  für 
meinen  Besuch  des  Albaneser  Bezirks.  Auf  dem  Cardak  des  von  Herrn  Bozovic 
bewohnten  Türkenhauses,  dessen  prächtigster  Schmuck  farbenfrische  Piroter 
Teppiche  und  eine  Trophäe  alter  und  moderner  Schiesswaffen,  kredenzte  uns  die 
gastliche  Hausfrau  dunklen  Negotiner.  „Also  auf  fröhliches  Wiedersehen  über- 
morgen  bei   den   Amanten!"     Damit  verliessen  wir   die  Stadt   des   hl.  Prokopius, 


Von  Kiirsumlija  durch  die  Kosanica,  Pusta  Reka  usw.  iinch  Leskovac.  323 

dein  icli  das  seinen  besorgten  Vater  zurüci<haltende  fiebernde  Nacelniksöiinlein 
ganz  besonders  empfahl! 

Der  bereits  schon  geschilderten  Toplicastrasse  folgend,  machten  wir  bei 
Zitoradjes  Mühle  knrzen  Halt.  Der  aus  Prag  dort  nach  allerlei  Wanderungen 
angesiedelte  Jovan  Novak  nimmt  lü  von  100  kg  des  zu  vermählenden  Getreides, 
klagte  aber,  dass  der  Weizenpreis  sehr  tief  stehe.  Im  830  Bewohner  zählenden 
geschlossenen  Dorfe  besitzen  einzelne  Zadruga  20  —  27  Seelen.  Das  Geläute 
seiner  1815  geweihten  Maria  Himmelfahrts-Kirche  begleitete  uns  auf  das  südöstliche 
Hochplateau.  Zwischen  Studenac  und  Crnatovo  bildet  dieses  eine  riesige 
Hiitweide  mit  niederem  Eichengebüsch,  das,  zu  Jungwald  verdichtet,  auch  die 
westlichen  Hohen  bedeckt.  Wieviel  fruchtbaren  Boden  könnten  fleissige  Hände 
nur  hier  allein  in  ein  gottbegnadetes  Paradies  umwandeln,  wo  heute  das  Wild 
kaum  Nahrung  findet!  Magere  Hasen,  Schlangen,  Geier  sahen  wir  in  Menge, 
Singvögel  wenige,  Menschen  gar  keine.  Erst  bei  dem  13  km  fernen  Dubovo 
stiessen  wir  auf  von  seinem  crkviste  zurückkehrende  Frauen. 

Über  sanft  gesenktes  Terrain  stiegen  wir  hinab  nach  Zlata,  in  dem 
25  Familien  aus  der  Vlasina  eine  neue  Heimat  fanden.  Fruchtbares  Land  dehnt 
sich  weit  gegen  Osten  aus;  die  Leute  sind  zufrieden,  oft  schon  wohlhabend,  dabei 
aber  unglaublich  bedürfnislos.  Das  Haus  des  Mijailo  Petrovic,  eines  der  besten, 
das  uns  für  die  Nacht  aufnahm,  besass  nur  zwei  Räume.  Der  kleinere,  das 
Tageslicht  durch  die  Tür  empfangende,  mit  niederer  Herdstelle  und  kaum  not- 
wendigstem Gerät  zum  Kochen  und  Backen,  dient  der  Familie  als  gemeinsamer 
Schlafplatz;  Männer,  Frauen  und  Kinder  strecken  sich  da  im  Halbkreise  um  das 
brennend  erhaltene  Feuer  auf  den  gestampften  Erdboden  hin.  Der  anstossende 
grössere,  mit  zwei  im  Winter  durch  Papierrahmen  und  Holzdeckel  geschlossenen 
Öffnungen  wird  zur  Aufbewahrung  von  Kleidern,  Mehl,  Kartoffeln,  Geschirr,  Eiern, 
Fett,  Öl,  Petroleum,  Flachs,  Wolle  usw.  benutzt.  Inmitten  dieser  verschieden 
duftenden  Vorräte  wurde  für  uns  frisch  gemähtes  Gras  auf  die  Erde  gebreitet, 
und  nach  einem  lukullischen  Souper  von  gebratenen  Kartoffeln,  Eiern  und  frischem 
Käse  schliefen  wir,  in  unsere  Mäntel  gehüllt,  bald  so  fest  wie  auf  raffiniertesten 
Matratzen. 

Mit  dem  ersten  Sonnenstrahl  zog  es  mich  hinaus  „zu  den  Resten  der  alten 
Festung",  die  Konsul  Hahn  und  Major  Zach  im  Jahre  1859  „wie  römisch  angemutet", 
von  deren  Gestalt  und  Umfang  sie  aber  keine  deutliche  Vorstellung  gewinnen 
konnten.  Angesichts  der  wirren  Mauern  auf  dem  von  SO.  nach  NW.  streichenden, 
40  m  hohen  Plateau,  zwischem  dem  Glasovicki  potok  und  der  Zlatna  Reka,  erging 
es  mir  anfangs  wie  meinen  Vorgängern.  Dass  sie  römisch,  darüber  war  ich  wohl 
bald  ausser  allem  Zweifel;  aber  erst  als  ich  nach  längerem  Rekognoszieren  W. 
von  in  gerader  Linie  zum  Bache  ziehenden  Mauerresten  auf  Spuren  ausgedehnter 
parallel  streichender  Querwälle  stiess,  ergab  sich  allmählich  die  klar  umgrenzte 
Gestalt  eines  riesigen  Kastrums.  Nun  konnte  Ingenieur  Valenta  zur  Aufnahme  des 
Grundrisses,  ich  selbst  an  jene  ausserhalb  der  Wälle  liegender  Ruinen  schreiten. 

Unsere  Aufzeichnungen  ergaben  für  das  Kastrum  ein  der  Plateaugestalt 
folgendes,  NW.  nach   SO.  streichendes  unregelmässiges  Parallelogramm   mit  460, 

21* 


n24 


Von  Kursiimlija  durch  die  Kosanica,  Piista  Reka  usw.  nach  Lcskovac. 


400,  180  und  150  Schritte  langen,  durchschnittlich  2  ni  starken  Mauerfronten. 
Auf  dem  nordöstlichsten  höchsten  Punkte  des  220  Schritte  langen,  150  Schritte 
breiten  Mittelabschnittes  B  zeigten  sich  Rudimente  eines  starken  Zwingers,  dessen 
starke  Verwüstung  die  nähere  Bestimmung  ohne  Freilegung  seiner  Fundamente 
unmöglich  macht.  Von  der  Nordwestecke  des  Abschnittes  C  setzt  eine  auf 
76  Schritte  gut  verfolgbare  Mauer  D  diagonal  fort.  In  der  Mitte  der  SW.  weiter 
laufenden,  75  m  langen  Wallmauer  des  Abschnittes  A  stehen,  32  m  vom  Kastrum 
entfernt,  die  3,50  m  hoch  aufragenden,  aus  Ziegeln  mit  gleich  breiten  Mörtellagen 
hergestellten  abgetreppten  Pfeiler  des  Tores  E  für  die  von  Ad  Fines  (Kursumlija) 


Kastellplan  von  Zlata- 


herabkommende  antike  Strasse.  22  m  0.  von  der  bis  auf  die  Grundfesten 
zerstörten  Tormauer  zieht  eine,  am  Wasser  noch  8,50  m  hohe,  2,30  m  starke, 
35  m  lange,  aus  36x30  cm  grossen  Ziegeln  mit  Qusswerk  aufgeführte  andere 
Mauer  /^  zur  Zlatni  potok  (Goldbach),  die,  über  dem  Bachbette  geborsten,  jenseits 
65  m  fortläuft,  dort  in  der  Mitte  eine  rundbogige  Oeffnung  und  am  3  m  breiten 
Ende  G  aber  zwei   1,70 — 2  m  tiefe,  gewölbte  Räume  enthält. 

Hahn  und  Zach  hielten  diese  technisch  meisterhaft  vollendete  Backsteinbaute 
für  eine  Brücke;  mir  lag,  da  Zlata  zur  Römerzeit  wahrscheinlich  gleichwenig  gutes 
Trinkwasser  wie  heute  besass,  der  Gedanke  an  einen  unterirdisch  fortgeführten 
Aquädukt  näher,  der,  durch  das  Wasser  des  gestauten  Baches  gespeist,  dieses  auf 
der  vielleicht  als  Leitung  benutzten  Mauer  E  in  die  Feste  und  zum  grösseren 
Teil  abwärts  zur  Stadt  trug.  Sollte,  wie  ich  annehmen  darf,  eine  künftige 
eingehende  Untersuchung   meine  Vermutung   über  den  Zweck   der  Mauer  in   der 


Von  Kursiinilija  durch  die  Kosanica,  Piista  Rcka  usw.  nach  Lcskovac. 


325 


Hauptsache  bestätigen,  so  besässe  das  an  römischen  Resten  überreiche  Serbien 
auch  eines  der  erhaltenen  römisclien  Wasserwerke,  ähnlich  jenem  des  Arnotals, 
wo  Kaiser  Nerva  oberhalb  Serbiaco  bei  Rom  den  Bach  durch  eine  Mauer  seeartig 
anstauen  liess,  oder  den  von  Moltke  anschaulich  geschilderten  Staubauten  des 
Kaisers  Konstantin  M.  und  Valens  zu  Konstantinopel'),  deren  System  (türkisch 
bend)  von  den  schon  zu  ihren  religiösen  Übungen  viel  Wasser  benötigenden 
Arabern  und  Türken  durch  „Suterasi"  (Wasserwagen)  usw.  weiter  ausgebildet 
wurde.  -) 

Zlatas  heutige,  dem  Wasserkomfort  als  Getränk  und  Reinigungsmittel  weniger 
huldigende  Anwohner  glauben  wohl  auch,  dass  die  Mauern  einst  zusammenschlössen. 


Ansicht  und  Plan  des  Kastelltorcs  zu  Zlata. 


doch  nur  zur  „Auffangung  der  einst  ungemein  goldhaltigen  Zlatna  Reka",  und  selbst 
das  Schloss  hätte  Zlata,  eine  Schwester  jener  Prinzessinnen,  welche  die  Burgen 
zu  Kurvingrad  und  Svinjare  an  der  Caricina  gegründet,  nur  deshalb  hier  erbaut, 
um  die  aus  dem  gewaschenen  Goldsande  geschmolzenen  Barren  in  seinen  festen 
Türmen  bis  zur  Versendung  an  ihren  Vater,  den  fern  wohnenden  Zaren,  zu 
verwahren;  als  Sultan  Murad  diesen  besiegt,  zerstörte  er  aber  das  grad  und  die 
nahe,  gleichfalls  „Zlata"  genannte  grosse  Stadt,  welche  unterhalb  des  heutigen 
Dorfes  auf  den  Feldern  des  Veljko  Sreckovic  und  Radisav  Vuckovic  lag,  wo 
beim  Ackern  ausgedehnte  starke  Mauern  zum  Vorschein  kamen. 

Diese  auch  hier  auftretende  Tradition  von  den  Burgen  bauenden  serbischen 
Prinzessinnen    ändert    selbstverständlich    nichts    an   der  Tatsache,    dass  zu   Zlata 


»)  Briefe  über  Zustände  u.  Begebenheiten  i.  d.  Türkei.     Berlin  1841.    S.  85-92. 
')  Strzugowski,  Die  byzantinischen  Wasserbehälter  in  Konstantinopel.    Wien  1893. 


3'2fi 


Von  Kursumlija  durch  die  Kosanica,  Piista  Reka  usw.  nach  Leskovac 


ein  römisches  Kastrum  stand,  über  dessen  verlorenen  Namen  ')  ich  auf  die 
bei  Leskovac  gemachte  Bemerkung  verweise.  Aus  an  verschiedenen  Orten  von 
mir  kontrollierten  Aussagen  schliesse  ich,  dass  Zlata  der  wichtige  römische 
Wegknotenpunkt  war,  an  dem  die  von  Ad  Fines  (Kursumlija)  zur  Morava  ziehende 
Strasse  durch  eine  zweite,  von  12  Kastellen  rerteidigte,  gekreuzt  wurde.  Diese 
ging  von  Hammaum  (Prokuplje)  unter  dem  Kastell  bei  Bucinac  über  die  befestigte 
Pasjaca,  vorüber  an  Momcilovo,  wo  ein  latinsko  groblje  sich  befinden  soll, 
nach  Zlata.  Dort  vereinigt  sie  sich  mit  dem  kurzen  von  Hammaum  und  lief 
unter  den  Kastellen  zu  Bojnik,  Frekopcelica,  Rajinkovac  weiter  SW.  mit 
einem  Zweige  über  den  Mrkonj  nach  Vicianum  (Pristina)  und  mit  einem 
zweiten,  entlang  der  Banjska  Reka,  nach  dem  durch  seine  Edelmetalle  berühmten 


Backsteinmauer  zu  Zlata. 


Distrikt  von  Novo  Brdo.     Die  Kastelle  dieser  südwestlichen  Tracen   werde   ich 
noch  ausführlicher  schildern. 

Südlich  von  Zlata  betrat  ich  die  heutige  Vranjaer  Kreisgrenze  und  bei 
Crkvina,  am  Zusammenfluss  der  Konjuvska  und  Golenia  Reka,  das  mittlere  Gebiet 
der  Landschaft  „Pusta  Reka".  Diesen  gegenwärtig  ganz  unpassenden  Namen 
„verödetes  Tal"   erhielt   sie,   als   ihre   serbische   Bevölkerung  1738   nach    Ungarn 


•)  Artur  John  Evans  setzte,  Hahns  irriger  Ansicht  folgend,  ohne  Rücksicht  auf  die 
Masse  der  Tab.  Peut.,  Hammaum  bei  Zlata  an  (!"),  dem  einzigen  Punkt  in  Serbien,  mit  dessen 
Römerresten  Evans  sich  eingehender  beschäftigte.  Seine  bezügliche  Schilderung  imd  die  sie 
begleitenden  Pläne  leiden  jedoch  an  grosser  Ungcnauigkeit,  die  ein  Vergleich  mit  meinen 
Aufnahmen  allerorts  hervortreten  lässt.  Schon  die  Grundform  des  Kastrums  erscheint  verfehlt, 
seine  Zwischenmauern  sucht  tnan  vergeblich,  die  Pfeilermasse  des  irrig  „Porta  Naissitana" 
getauften  Tores  stimmen  schlecht  mit  der  Wirklichkeit,  auch  existiert  nicht  der  „Zitni  Potok", 
welcher,  flösse  er  an  jener  Stelle,  den  Zweck  der  zwischen  ihm  und  der  „Zlatna  Reka" 
erscheinenden  Mauer  unenträtselbar  gestalten  würde.  (Vergl.  A.  J.  Evans,  Antiqu.  Res. 
in  llliricum,  Archaeol.  Res.  XLIX,  S.  157  ff.) 


Von  Kursumlija  durch  die  Kosanica,  Ptista  Rcka  usw    nach  Leskovac  327 

Übersiedelte.  Dass  ihr  Boden  fruciitbar,  zeigt  der  ältere  Name  des  NO.  von 
Zlata  liegenden  Dorfes  und  lierabkommenden  „2itni  potok"  (Weizenhach);  dass 
er  vor  dem  Exodus  auch  stark  bewohnt  war,  beweisen  zahlreiche  altserbische 
Ortsnamen,  Ruinen,  Traditionen  und  Mythen.  Auch  der  romantische  Nationalheld 
Marko  lebt  hier  in  Liedern  und  an  bestimmte  Orte  geknüpften  Sagen  fort.  Die 
sitzartige  Aushöhlung  am  Crveni  Breg  und  das  Loch  für  den  Streitkolben  eines 
mächtigen  Riesen  bei  Statovac  spielen  ihre  Rolle  im  Legendenkreise  vom 
Königssohn. 

Am  Ursprung  der  Bucumetska  Reka  steht  unter  dem  956  m  hohen  Zahac 
ein  altes  Kirchlein,  auf  dem  Mrvez  polje  eine  malerische  Ruine  mit  halbzerstörten 
Bildern  von  Heiligen,  zu  Obrazda  am  Majkovacki  potok  eine  dem  gleich- 
namigen Flurenpatron  dieser  Gegend  geweihte,  nur  durch  das  Altarfenster  erhellte 
Kirche.  Auf  dem  Golubac  bei  Ivanje,  beim  Maciner  „Heiligenwasser"  und 
N.  von  Bublica  sieht  man  ebenfalls  vielbesuchte  Heilstätten  und  crkvista.  Unter 
den  alten  Dörfern  gibt  es  das  genannte  Crkvina  (Kirchdorf),  Bogojevac 
(Gottesdorf)  usw.  Dies  alles  bekundet  den  frommen  Sinn  der  dem  Albanesen- 
druck  gewichenen  slavischen  Bevölkerung.  In  der  schwersten  Prüfungszeit  für 
das  rasch  bis  zur  Vereinigung  der  Konjuvska  mit  der  Golema  Reka  arnautisierte 
Pusta  Reka-Westgebiet  nuissten  seine  wenigen  Christen  auf  allen  religiösen  Kult 
verzichten.  Zu  Ostern,  Pfingsten  und  Weihnachten  bestieg  ein  mutiger  Pope  die 
höchste  Petrova-Gora-Spitze,  schwang  dort  ein  Kreuz  nach  den  vier  Himmels- 
gegenden und  rief:  „Damit  ist  jeder  Geborene  getauft,  jedes  Paar  vermählt,  jedes 
Grab  gesegnet!" 

Als  ältestes  Serbendorf  der  Pusta  F^eka  gilt  Dragovac,  auf  dessen  aus- 
gedehnter Hochebene  traditionell  die  von  Kosovo  flüchtenden  Christenscharen 
den  nachdrängenden  Türken  eine  letzte  unglückliche  Schlacht  lieferten.  Das  lange, 
blutige  Rmgen  zog  sich  bis  zum  später  entstandenen  nördlichen  „Bojnik",  daher 
sein  Name  „Schlachtort";  die  Arnaulen  nannten  ihn  „Buje".  Für  die  Arbeits- 
tüchtigkeit  dieser  ethnographisch  hochinteressanten  Rasse  sprach  in  dem  durch 
reiche  Kulturen  und  kleine  Waldpartien  ausgezeichneten  einstigen  albanesischen 
Hauptorte  der  Pusta  Reka  die  schon  1859  von  Hahn  gerühmte  Schönheit  ihrer 
Häuser,  Gärten,  Kleider,  Waffen  und  Pferde,  auf  welchen  sie  die  überraschendsten 
Reiterkünste  ausführten.  Fr  hob  aber  auch  die  freche  Zudringlichkeit  ihres  jungen 
Nachwuchses  und  das  stark  entwickelte  Hochgefühl  dieser  Bauernaristokraten 
selbst  gegenüber  christlichen  Reisenden  von  hohem  amtlichen  Range  hervor  und 
Hess  das  schlimme  Verhältnis  dieser  Abkömmlinge  der  alten  Illyrer  zu  ihrer 
Zehentpflichtigen  Rajah  erraten.  Besser  lernen  wir  es  kennen  durch  gerade  zu 
Bojnik  in  frischer  Erinnerung  fortlebende  Traditionen.  Denn  dort  empfand 
nicht  allein  der  serbische  Christ,  sondern  auch  der  herrschende  Türke  den 
unbeugsamen  albanesischen  Geist.  In  Bojniks  festem  Konak  und  in  einer 
wahrscheinlich  aus  antikem  Material  erbauten  starken  Kula  sassen  die  türkischen 
Grundherren  Abdur  Rahman  und  Ali  Alijatja,  weithin  bekannt  durch  gleich  grossen 
Reichtum  wie  gewalttätigen  Sinn.  Jeder  Reiter  sollte  vom  Pferde  absteigen,  wenn 
er  an   ihren   Sitzen   vorbeizog.      Die    über  diese    Zumutung    erbitterten   Arnauten 


328  Von  Kursumlija  durch  die  Kosnnica,  Piisfa  Reka  usw.  nach  Leskovac. 

töteten  beide;  ihre  Kinder  rettete  eine  mitleidige  Serbin  vor  gleiclieni  Lose. 
Seibstverständiicii  iiätte  unter  dem  arnautisciien  Drucke  zu  [k)jiiik  an  den 
beabsiciitigten  Bau  der  von  Zivanovic  entworfenen,  auf  29000  d  veransclilagten 
Kuppelkirciie  nicht  gedacht  werden  können. 

Die  kriegstüchfigen  Amanten  leisteten  1878  dem  Vordringen  der  Serben 
auch  in  der  Pusta  Reka  energischen  Widerstand.  Am  18.  und  19.  Dezember 
wurden  sie  aber  aus  Brijanje,  Kacabac  und  Pridvorica  vertrieben,  und  bald 
mussten  sie  auch  Bojnik  räumen,  dessen  Kuia  und  Moschee  zerstört  wurden. 
Erst  am  25.  Januar  aber  erfolgte  nach  einem  blutigen  Gefechte  bei  Slisane  ihr 
Rückzug  über  die  Petrova  Gora  nach  dem  Djak  Brdo.  Den  Flüchtenden  folgten 
bald  ihre  Weiber  und  Kinder  mit  der  beweglichen  Habe.  Rasch  ging  es  nun 
an  die  Besiedelung  der  verödeten  Orte  durch  Zuzügler  aus  den  verschiedensten 
serbischen  Gebieten.  An  der  westlichsten  Pusta  Reka -Quelle  entstand  damals 
unter  dem  1258  m  hohen  Sokolovac  das  erste  Montenegrinerdorf  Novo  Vlase, 
bei  Gornje  Brijanje  das  neue  Dorf  Kosancic  durch  Banater  Serben,  deren  Frauen 
für  tugendhafter  als  ihre  Mädchen  gelten,  was  die  schon  berührten  Verhältnisse 
erklären. 

Der  an  der  unteren  Pusta  Reka  von  ihren  alten  Bewohnern  gesprochene 
Dialekt  gleicht  jenem  des  angrenzenden  Leskovacer  und  Niser  Flachlandes, 
während  der  an  der  oberen  Toplica  gesprochene  vom  Krusevacer  nur  wenig 
abweicht.  Charakteristisch  ist  der  häufige  Ausgang  der  Ortsnamen  auf  „ce",  der 
vierten  Endung,  statt  ersten  auf  „ci".  Philologen,  welche  serbische  Dialekte  aus 
Nord  und  Süd  studieren  wollen,  finden  in  der  Pusta  Reka  und  Medvedja  alle;  doch 
müsste  dies  bald  geschehen,  bevor  sie  durch  enges  Mit-  und  Durcheinandericben 
ihre  Eigentümlichkeiten  einbüssen. 

Südlich  von  Bojnik  bot  die  weitgedehnte  Hochebene  „Mrvez"  —  das 
gleichnamige  Dorf  der  österreichischen  Karte  traf  ich  verödet  —  einen  höchst 
instruktiven  Ausblick  auf  die  das  Pusta  Reka-Gebiet  umrandende,  prächtige  Buchen 
und  Eichen  tragende  nordwestliche  Pasjaca  mit  dem  896  m  hohen  Orlov  Kamen, 
ferner  auf  die  westliche,  1452  m  erreichende  Radan  Planina,  deren  Buchen- 
forste gut  erhalten  sind,  auf  die  südwestliche,  1172  m  hohe,  zweigipfelige 
Petrova  Gora,  welche  stellenweise  dichte  Eichenwälder  bekleiden,  südlich  auf 
den  nur  620  m  hohen,  von  der  Rafunska  (721  m)  überragten  Kurmuszug  im 
Medvedjatal,  der  gegen  die  NO.  auftretenden  hohen  Suva  Planina-Kuppen  sehr 
zahm  erscheint.  Nachdem  ich  das  interessante  Profil  krokiert,  ging  es  SO.  weiter 
durch  von  mächtigen  alten  Eichen  überschatteten  jungen  Laubwald  und  schöne 
Maiskulturen  zur  Preko  pcelica.  Zwischen  diesem  Bache  und  der  westlichen 
Caricina  (arnaut.  „Starisina")  liegen  bei  Svinjarica  die  Reste  einer  römischen  Feste. 
Ihre  Anlage,  nur  10  Millicn  vom  Zlataer  Kastrum,  erklärt  ein  von  Vicianum  in 
das  mittlere  Nisavagebiet  führender  antiker  Pusta  Reka-Strassenzug,  der  Bojnik 
berührte  und  es  zum  wichtigen  Wegpunkt  gestaltete.  Die  Ruinen  einer  anderen 
römischen  Feste  mit  Warmbad,  am  Punkte  „Padina"(?)  in  der  Petrova  Gora, 
wo  angeblich  der  Steintorso  einer  Brunnenfigur  gefunden  wurde,  empfehle  ich 
gleichfalls  zur  näheren  Erforschung. 


Bezirksort  LebaiiL*;   Friuien  aus  Altserbien;   Hotl/.a,  l'ope,  ürenzwachotliziu-r ;  Arnaute  üsnian; 

Kirchicin  zu  Dediö. 


Von  Kuräumlija  durch  die  Kosanicn,  Pusta  Reka  usw    nacli  Leskovac.  331 

Im  westlichen  Siisane  fand  ich  Milicevics  angebliciicn  „F'etrovo  Jezero"  (See) 
nicht;  hingegen  in  Prekopcclica  ein  wahrscheinlich  auf  alten  Mauern  entstandenes 
neues  Kirclilein  mit  halbrunder  Altarapside,  über  dessen  Eingang  das  Bild  des 
hl.  Nikola  prangt.  Während  wir  neben  dem  hölzernen  Glockenturme  zwischen 
originell  geformten  Grabkreuzen  im  Schatten  malerischer  Riesenulmen  ruhten  und 
nur  bedauerten,  dass  nicht  ein  erquickender  Quell  diese  reizende  Idylle  vervoll- 
ständigte, erschien  der  zu  meiner  Begriissung  vom  Prokupljer  Nacelnik  entsendete 
Lebaner  Bezirkskapetan  Milutin  llic  in  Begleitung  zweier  Panduren.  Unser  Weg 
folgte  dem  Dorfbacli,  an  dessen  im  gneisartigen  Glimmerschiefer  eingeschnittenen 
Bette  sich  halbwilde  Schweine  unter  wilden  Birnbäumen  umhertummelten.  Die 
Sonne  warf  ihr  rötliches  Licht  auf  die  Gräber  dreier  rechts  am  Wege  erschossener 
arnautischer  Heiducken,  welche  den  dichter  werdenden  Wald  auf  der  Pusta 
Reka-Scluide  unsicher  gemacht;  die  wenig  anheimelnde  Landschaft  wurde  durch 
einfallende  Purpurstrahlen  verschönt,  und  bald  ging  es  auf  schlecht  tracierten 
Steilkurven  hinab  in  das  jenseitige  Jablanicatal  nach  imsereni  Ziele  Lebane. 

Den  Kern  des  erst  im  Werden  begriffenen  Städtchens  bildet  eine  mit  der 
hier  45  m  breiten  Jablanica  parallel  laufende  niedere  Häuserzeile,  die  mit  dem 
bescheidenen  Bezirksamt  endet.  Sein  Wahrzeichen  bilden  .zwei  Riesenpappeln 
von  10  m  Stammumfang  neben  drei  mächtigen  Nussbäumen  am  rechtsuferigen 
Brückenstege.  Seit  alter  Zeit  ist  Lebane  ein  Christendorf  mit  etwa  40  wohlhabenden, 
auf  der  Höhe  zerstreuten  Gehöften.  1900  zählte  dieser  Ort  67  Häuser  mit 
460  Einwohnern.  In  der  es  beherrschenden,  früher  türkischen  Karaula  mit 
hohem  Cardak  hatte  sich  Kapetan  llic  recht  anheimelnd  eingerichtet  imd  hiess 
uns  seine  liebenswürdige  Gemahlin  Jelena  mit  gewinnendster  Herzlichkeit  will- 
kommen. 

Zieht  man  von  der  bei  Lebane  von  N.  nach  S.  fliessenden  Sumanska  reka  eine 
senkrechte  Linie  über  Dragovac— Bojnik  zum  Pasjacagebirge,  so  erhält  man  die 
Grenze,  von  welcher  bis  zum  2  Stunden  NO.  von  Pristina  liegenden  Grastica 
früher  ausschliesslich  Albanesen  wohnten.  Östlich  dieser  Linie  gab  es  nur  isolierte 
Arnautenorte,  westlich  keine  einzige  christliche  Niederlassung.  Der  Arnaute  fühlte 
sich  seit  jeher  wohler  im  waldreichen,  dabei  fruchtbaren  Mittelgebirge,  als  in  der 
topfebenen  Fläche.  Als  die  serbischen  Truppen  im  Januar  1878  gegen  die 
„Medvedja"  vordrangen,  schloss  sich  die  Rajah  der  eroberten  „Pusta  Reka"  ihren 
Stammesgenossen  und  Befreiern  an,  um  den  seit  Dezennien  gegen  ihre  moslimischen 
Bedränger  aufgespeicherten  Hass  zu  kühlen  und  das  einst  ihnen  gehörende  prächtige 
Weideland  zurück  zu  gewinnen.  Die  Albanesen  verteidigten  tapfer  jeden  Zoll. 
Von  Höhe  zu  Höhe  zog  sich  der  erbitterte  Kampf.  Am  20.  Januar  nahm  Ljuba 
Ivanovic  die  feindliche  Stellung  westlich  von  Lebane  zwischen  Krivaca  und  der 
Tekija  mit  geringem  Verlust.  Er  trieb  die  Arnauten  über  die  Petrova  Gora  nach 
Gajtan,  am  21.  Januar  aber  von  dort  nach  heftigem  Gefecht  und  bis  zum  28. 
fortgesetzten  Scharmützeln  über  Vrtop,  Sviliäte  und  die  Madan  F^lanina  gegen 
die  Ivanova  Kula  zurück.  Gleichzeitig  ging  die  von  Lazar  Jovanovic  befehligte 
Abteilung  gegen  den  SW.  von  Lebane  liegenden  Crni  Vrh  vor.  Die  dort  verjagten 
Arnauten   ralliierten    sich    bei   Macedonci   an   der   Medvedja,   wurden   aber   am 


332  Von  Kursumlija  tiiircli  die  Kosanica,  Pusta  Reka  usw.  nach  Lcskovac. 

2.  Februar  geschlagen  und  zersprengt.  Die  Serben  beklagten  5  Tote  und  32  Ver- 
wundete, unter  letzteren  den  Offizier  Jevdjenije  Jurisic  (Eugen  Sturm). 

Der  abgeschlossene  Waffenstillstand  machte  dem  in  Niederbrennung  der 
widerstrebenden  Arnautenorte  und  Verjagung  ihrer  Bevölkerung  ausartenden  Kampfe 
kein  Ende.  Wiederholt  drangen,  während  in  Berlin  über  das  Schicksal  dieses 
allmählich  verödenden  Gebietes  verhandelt  wurde,  Arnauten  in  dasselbe  ein.  Am 
7.  Juni  überfielen  sie  ein  serbisches  Detachement  bei  Lapastica  und  töteten 
den  Offizier  Dragutin  Arandjelkovic  aus  Pozarevac;  die  Serben  blieben  die 
Antwort  nicht  schuldig.  So  entwickelte  sich  ein  fortgesetzter  kleiner  Krieg  mit 
gegenseitigem  Totschlag  und  Viehraub,  der  selbst  nach  der  Aufrichtung  des 
serbischen  Blockhauskordons  entlang  der  im  Berliner  Vertrage  festgestellten  Grenze 
unausgesetzt  fortwucherte.  Neben  der  von  Belgrad  mit  grossem  Eifer  betriebenen 
Neubesiedelung  der  verlassenen  Ortschaften  des  Toplicaer  Kreises  versuchte 
man  serbischerseits  endlich  die  im  ersten  Übereifer  vertriebenen  Arnauten  in  ihre 
alten  Wohnsitze  zurückzuführen. 

Am  folgenden  Morgen  machte  mich  der  pünktlich  eingetroffene  Nacelnik 
in  der  kleinen  Lebaner  „Kafana"  mit  dem  am  Vortage  dahin  geladenen  Haupt- 
vermittler in  der  schwierigen  Reiseangelegenheit  bekannt.  Dieser  Vollblut-Arnaute 
Sajid,  unter  dessen  moralischem  Schutze  wir  den  stark  verrufenen  Lebaner 
Albanesenbezirk  besuchen  sollten,  war  der  älteste,  damals  etwa  sechzigjährige 
Sohn  des  kurz  zuvor  verstorbenen  hundertjährigen  Osman  Saliovic.  Im  nahen 
Lapastica  geboren,  wo  seine  Familie  althergebrachtes  Ansehen  genoss,  kämpfte  Sajid 
1878  gegen  die  eindringenden  serbischen  Truppen  am  Crni  Vrh,  wobei  er  den 
rechten  Zeigefinger  verlor  und  über  Vranja  emigrierte.  Vor  die  Wahl  gestellt,  als 
Feind  Serbiens  auf  albanesischem  Boden  zu  vegetieren  oder  als  Untertan  des 
Königs  Milan  sein  väterliches  Erbe  unverkürzt  wieder  zu  erhalten,  entschied  er  sich 
für  das  letztere  und  wird  seither  allgemein  als  Chef  der  durch  ihn  und  mit  ihm 
in  das  Königreich  zurückgekehrten  Arnauten  betrachtet.  Obschon  Sajid  keinen 
systemlsierten  Militär- oder  Zivilposten  bekleidet,  er  ist  nur  „Pocastni",  Titularoffizier, 
erhält  er  einen  Monatsgehalt  von  92  Dinaren,  auch  ist  ihm  das  Tragen  seiner 
türkischen  Uniform  mit  Tscherkeska  und  Säbel  gestattet.  Von  Sajid  erfuhr  ich, 
dass  die  zurückgekehrten  Arnauten  ziemlich  ruhig  die  Orte:  Vrabce  (5  Gehöfte), 
Svirce  (40  Gehöfte),  Radinovac  (16  Gehöfte),  Lapastica  (3  Gehöfte),  Kapit 
(22  Gehöfte),  Tupale  (35  Gehöfte),  Sijarina  (30  Gehöfte),  Radevci  (20  Gehöfte), 
Ravna  Banja  (20  Gehöfte),  Grbavci  (13  Gehöfte)  und  Vlase  (14  Gehöfte) 
bewohnen.  Ausser  dem  Drvodelja  (5  Gehöfte)  gibt  es  auch  in  Nis  und  Leskovac 
etwa  30  arnautische  Familien.  Alles  in  allem  sollen  nach  Sajids  etwas  hoch- 
gegriffener Schätzung  4000  Albanesen  in  Serbien  leben. 

Ich  sagte  Sajid  einige  verbindliche  Worte  und  begrüsste  sodann  den  zum 
Führer  unserer  Eskorte  berufenen  potporucnik  (Leutnant)  VukojeTodorovic.  Er  wurde 
mir  vom  Nacelnik  als  „Hauptteufel"  vorgestellt,  der  furchtlos,  ganz  allein  durch  die 
Arnautenberge  reite  und  beim  Inspizieren  der  langen  Grenzkordonlinie  schon  so 
manchem  allgemein  gefürchteten  Heiducken  den  Lebensfaden  gekürzt.  Wenige 
Wochen    zuvor    wurde    aus    sicherem    Hinterhalte    zweimal    auf    ihn    vergeblich 


Von  Kiirsiiiiilija  durch  die  Kosanica.  Pusta  Reka  usw.  nacli  Leskovac.  333 

geschossen.  Er  gilt  als  kugelfest  und  scheint  ganz  aus  dem  Stoff,  iiiii  bald  in 
Volksliedern  gefeiert  zu  werden.  Den  interessanten  Kreis  vergrösserten  der 
Rittmeister  a.  D.  Petar  Rajkovic,  der  gleichfalls  aus  Ungarn  stammende  Postmeister 
Panta,  den  das  radikale  Regiment  vom  fretuullichen  Cacak,  wo  ich  ihn  1888  traf, 
in  dieses  „elende  Nest"  versetzte,  dann  ein  martialischer  Montenegriner,  der  hier 
im  süssen  Nichtstun  eine  kleine  Pension  verzehrt. 

Gegen  Mittag  meldete  der  elastische  potporucnik  Vukoje,  es  sei  alles  zum 
Aufbruche  fertig.  Der  Nacelnik  und  Sajid  ritten  an  der  Tete;  der  Kapetan  zog  es 
vor,  die  Tour  im  Wagen  zu  machen  und  bot  mir  den  Ehrensitz  an.  Valenta  und 
Vukoje  mit  ihrem  Dutzend  Gendarmen  und  Panduren  schwärmten  um  uns  her. 
Westlich  von  Lebane  betraten  wir  das  Tal  der  Medvedja,  das,  im  Beginne  schmal, 
sich  allmählich  erweitert  und  auf  beiden  Ufern  von  prächtigem  Kulturland, 
triftenreichen,  auch  hübschen  Laubwald  tragenden  Höhen  bekleidet  wird.  Nach 
zweimaliger  Querung  des  Flusses  erschien  das  alte  Christendorf  Silovo,  das  als 
wohlhabendstes  im  weiten  Umkreise  gilt.  Seine  ausgedehnten  Felder  und  Wiesen 
umhüllen  herrliche  Nussbäume,  Linden,  wilde  Ölbäume,  Kornelkirschen,  Weiden, 
Christusgrün  (Hristovina)  usw.  Der  hier  trefflich  gedeihende,  2,5  m  hohe  Hanf 
lag  teilweise,  flossartig  geschichtet  und  luit  Steinen  beschwert  zur  Erweichung 
im  Bachbett,  oder  stand  schon  in  langen  Zeltreihen  zum  Trocknen  am  Ufer 
aufgestapelt.  Allerorts  tummelten  sich  fleissige  Leute,  auch  vor  den  Ziegelöfen, 
welche  die  „ceramidi"  (Rundziegel)  liefern,  die  das  frühere  dichte  Strohdach  dieser 
Gegend  allmählich  verdrängen.  Bei  dem  von  Lebane  8  km  fernen,  durch  sechs 
serbische  Familien  aus  der  türkischen  Kriva  Reka  wieder  besiedelten  Radinovac 
stiessen  wir  auf  die  ersten  arnautischen  Häuser.  Ihre  Bewohner  stammen,  wie 
alle  zurückgekehrten  Albanesen,  von  dem  grossen  Fis  (Stamm)  Sob  und  Krasnic 
bei  Djakovo  in  Altserbien.  Sein  grosses  Ansehen  geniessender  Chef  Suleiman 
Aga  residiert  in  Pristina  auf  dem  Aniselfelde.  Soviel  ich  bemerken  konnte, 
reinigten  die  arnautischen  Frauen  mit  serbischen  im  besten  Einvernehmen  gemeinsam 
ihre  Wäsche.  Die  vorbeiziehende  bunte  Kavalkade  erregte  ihre  Neugierde;  doch 
die  unverschleierten  moslimischen  Damen  blickten  ihr  nur  verstohlen  nach. 

Am  Ursprünge  des  ein  Dutzend  Mühlen  treibenden  rechtsuferigen  Zabrdjski 
potok  steht  unter  dem  721  m  hohen  Rafunski  Vis,  bei  Lapasticas  Moschee, 
Sajids  grosses  Gehöft.  Als  trefflichster  Kenner  dieser  Gegend  machte  er  mich 
am  Bacheinfluss  auf  Reste  eines  Turmes  aufmerksam,  welcher  zweifellos  das 
Vorwerk  des  antiken  Kastells  bildete,  dessen  noch  teilweise  meterhohe  Mauern 
von  Bruchstein  und  grossen  Ziegeln  auf  der  südöstlichen  Höhe  stehen.  Die 
Anwohner  glauben,  dass  auch  das  zerstörte  Kirchlein  des  jenseitigen  serbisch- 
arnautischen  Rajinkovac  zum  „grad"  gehörte  (?).  Bei  einem  crkviäte,  deren 
es  hier  in  Menge  gibt,  schlössen  sich  zwei  Sajid  befreundete  arnautische  Reiter 
in  stark  verbrauchten  malerischen  Kostümen  unserer  Eskorte  an.  Gleich  darauf 
wurde  diese  durch  eine  Cefa  Fussgänger  vermehrt,  die  ein  Montenegriner  befehligte. 
Die  flink  kletternden,  meist  jungen  Burschen  hatten  den  im  schlechtesten  Rufe 
stehenden  Crni  Vrh  an  unserer  Route  abgestreift,  doch  nichts  Verdächtiges  gefunden. 
Wir  reisten  nun   „paäajiäte"   mit  eineiu  Geleite  von  dreissig  Gewehren. 


334  Von  KurSumlija  diircli  die  Kosanicn,  F'iista  Reka  usw.  nach  Leskovac. 

Etwa  4  km  weiter  gewann  die  Landschaft  wildromantiscliL-n  Ciiarakter.  Die 
Kulturen  wurden  seltener,  nur  manclimal  sehr  komisch  aussehende,  das  abgemähte 
Gras  tragende  Bäume,  weidende  Schafe  und  Ziegen;  bald  aber  mehr  steiniges 
Terrain,  dessen  nackte  Sandsteinklippen  das  Bachbett  auf  einer  kurzen  Strecke  stark 
verengten  und  vertieften.  Einige  von  den  Gendarmen  hier  in  den  smaragdnen 
Spiegel  geschleuderte  Dynaniilpatronen  zeigten,  wie  fischreich  die  Medvedja; 
kleinere  und  grössere  Barben,  krkuske,  skobalje,  kleni  usw.  füllten  in  wenigen 
Minuten  ihre  bissage.  Unser  Wagenlenker  nahm  mit  grösster  Bravour  die  steilsten 
Uferhänge  und  brachte  uns  auch  heil  durch  die  oft  klippenvollen  Furten,  deren  ich 
bis  zum  Einflüsse  der  Grabovnicka  reka  über  zwanzig  zählte.  An  ihren  12  km 
fernen  nordwestlichen  Quellen  bei  dem  schon  vor  1889  durch  30  montenegrinische 
Familien  neubesiedelten  Gajtan  stand  unter  dem  Gipfel  der  Petrova  Gora,  auf 
einer  von  Laubwald  umschlossenen  kleinen  Ebene,  die  ansehnliche  Kirche  eines 
dem  hl.  Petrus  geweihten  Klosters,  dessen  Mönche  es  wegen  der  fortgesetzten 
arnautischen  Brandschatzungen  verliessen,  nur  die  Grundmauern  und  ein  Brunnen 
blieben.  5  km  südlicher  sieht  man  am  Zusammenflusse  zweier  westlicher  Medvedja- 
bäche  unterhalb  Drajinci  in  500  m  Höhe  die  Ruine  eines  Römerkastells,  das 
mit  vielen  anderen,  früher  ungekannten,  zum  Schutze  eines  wohlkombinierten 
Wegsystems  gehörte,  über  welches  ich  mir  am  nächsten  Tage  volle  Klarheit 
verschaffte.  Erst  abends  erreichten  wir  den  vom  Gasthause  und  der  Schule 
gebildeten  Kern  des  neubesiedelten,  jetzt  Medvedja  genannten  Dedic.  Vor 
und  in  der  einzigen,  von  Tabaksqualm  und  Rakijadünsten  erfüllten  Stube  seiner 
kleinen  Mehana  hatte  sich  ein  wirrer  Nationalitätenknäuel  zu  unserer  Begrüssung 
eingefunden.  Jeder  wollte  den  Nacelnik  sehen,  ein  Anliegen  vorbringen.  Die 
meisten  wurden  „auf  morgen"  vertröstet.  Widerstrebende  schoben  die  Panduren 
einfach  zur  Tür  hinaus;  nur  die  Gemeindevorsteher  durften  bleiben.  Der 
etwas  laut  geführten,  verschiedenste  Verhältnisse  der  neuen  Ansiedler  streifenden 
interessanten  Unterhaltung  entnahm  ich,  dass  diese  noch  immer  nicht  gefestet  waren 
und  der  Behörde  viel  zu  tun  blieb,  um  Besitzansprüche,  Grundablösungen  usw. 
zu  ordnen. 

Als  der  wissenschaftliche  Pionier  v.  Hahn  1858  in  Dedic  notgedrungen  Halt 
machte,  weil  sein  arnautischer  Protektor  Rani  Buco  behauptete,  die  argwöhnischen 
Sijariner  würden  ihn  kaum  unangefochten  durch  ihr  Gebiet  ziehen  lassen,  ahnte 
er  sicher  nicht,  dass  die  Ortsmoschee  zwanzig  Jahre  später  den  Serben  als  Schule 
dienen  werde,  und  als  ich  auf  Wunsch  meines  verewigten  Freundes  die  zweite 
Ausgabe  seiner  „Reise  von  Belgrad  nach  Salonik"  1868  mit  Noten  edierte,  hätte 
ich  gleichfalls  —  obschon  niemals  an  eine  lange  Dauer  des  Türkenregiments  in 
Europa  glaubend  —  nicht  gedacht,  dass  es  hier  so  rasch  enden  und  ich  selbst 
1889  im  einzigen  Gebäude  schlafen  werde,  das  den  Untergang  des  stolzen 
Arnautenhorstes  Dedic  überlebte.  Nun  wohnt  in  der  einstigen  Moschee  eine 
mutige  Lehrerin,  die  Medvedjas  jungem  Nachwüchse  das  elementarste  Wissen 
beibringt.  Ohne  ihre  Gastfreundschaft  hätten  wir  die  Nacht  in  der  unsauberen 
Mehana  zubringen  müssen  —  Gott  vergelte  der  braven  Uciteljica  (Lehrerin)  die 
erwiesene  Wohltat! 


Von  Kuräumlija  durch  die  Kosanica,  Pusta  Reka  iisw   nach  Leskovac.  335 

In  frühester  Morgenstunde  staute  sich  schon  vor  der  Mehana  eine  bunte 
Menge,  Bittsteller  aller  Art,  Albanesen  aus  Kapit,  Männer  von  der  türkischen 
Pcinja,  die  im  südöstlichen  Drvodeija,  mit  Arnauten  gemengt,  angesiedelt  wurden, 
Staresiiias  der  50  Pecer  Hauskonimunionen,  an  die  man  das  verödete  Dedicer 
Territorium  verteilt  hatte.  Für  letztere  sprach  ihr  Pope,  der  Insurgentenführer 
Radoslav  Stefanovic,  der  im  April  1883  den  Exodus  150  serbischer  Familien  des 
Pecer  Bezirks  geleitet,  in  dem  sich  die  alte  Patriarchenstadt  Ipek  und  das  1890 
durch  die  Arnauten  hart  mitgenommene  Kloster  Decani  befinden.  Da  die  Spahis 
den  Wegzug  ihrer  christlichen  Kolonen  gewaltsam  verhindert  hätten,  musste  dieser 
vorsichtig  bewerkstelligt  werden.  Die  Emigranten  nahmen  nur  ihr  wertvolles 
Grossvieh  mit,  verbargen  sich  am  Tag  in  den  Wäldern,  marschierten  bei  Nacht 
und  erreichten  erst  nach  qualvoll  verlebten  vier  Tagen  die  serbische  Grenze. 
Dies  und  mehr  erzählte  mir  mit  feuriger  Sprache  und  drastischen  Details  der  aus 
Mali  Djurdjevic  stammende  Pope,  dessen  zadruga  24  Köpfe  stark  und  doch  nicht 
die  grösste  ist,  denn  einzelne  zählen  30  Seelen.  Gern  folgte  ich  dem  energischen 
Manne  zu  seinem  Kirchlein,  das  König  Milan  1888  auf  der  linksuferigen  Hohe 
mit  Benutzung  eines  alten  crkviste  auf  eigene  Kosten  herstellen  liess.  Etwas 
nüchtern  aussehend,  bildet  es  trotzdem,  namentlich  am  Spasovdan-Sabor  (Christi 
Himmelfahrtstag),  den  weithin  sichtbaren  Anziehungspunkt  für  die  vielen  ihm 
zugepfarrten  Weiler  der  Umgebung.  Gegenüber  liegt  das  stattliche  weisse  Popenhaus 
hoch  bei  Kapit,  über  dessen  gutbebauten  Einschnitt  der  Dukatski  Vis  (827  m), 
weiter  nach  S.  die  trachitischen  waldreichen  Berge  von  Tu  pale  und  Sijarina 
erscheinen. 

Unten,  wo  die  Lapastica  im  breiten,  fruchtbaren  Plane  in  die  Medvedja 
mündet,  soll  die  altserbische  Stadt  Dibocica  gestanden  haben,  deren  Bewohner 
nach  einer  verlorenen  Schlacht  hinaus  zur  Morava  flüchteten,  wo  sie  das  gleichfalls 
„Dibocica"  genannte  heutige  Leskovac  gründeten.  Diese  Sage  steht  wahrscheinlich 
in  Beziehung  zu  dem  von  Kaiser  Manuel  nach  heftigen  Kämpfen  mit  den  Serben 
ihrem  Gross-2upan  1149  überlassenen  „Glibocka"  im  Veternicatale.  i)  Meine 
Nachforschungen  ergaben  einige  hundert  Schritte  vom  Schulhaus  auf  dem  rechten 
Ufer  der  Lapa§tica  ein  weit  gegen  N.  und  W.  in  die  Schlucht  sich  dehnendes 
Ruinenfeld  mit  Substruktionen  eines  römischen  Kastrums,  zwischen  dessen  starken 
Wallmauern  und  Gebäuderesten  allerorts  antike  Deckplatten  zum  Vorschein  kamen. 
Dort  befand  sich  jedenfalls  die  grösste,  durch  Kastelle  auf  der  nahen  Harzovina 
und  auf  dem  14  km  fernen  Zubni  Vis  geschützte  römische  Ansiedelung  des 
Medvedjatals. 

Während  meiner  archäologischen  Exkursion  hatte  der  Nacelnik,  ähnlich  den 
montenegrinischen  Wojwoden,  unter  einer  schattigen  Linde  zahlreiche  Anliegen 
erledigt  und  lange  schwebende  Streite  im  kurzen  Wege  geschlichtet.  Ich  sah, 
wie  er  einem  um  Land  bittenden  armen  Montenegriner  den  Stempel  seines 
Gesuchs  zurückstellte,  weil  es  dessen  nicht  bedürfe,  welch  humanen  Zug  die 
Umstehenden  mit  gleich   grosser  Genugtuung   bemerkten,  wie   die   zum  Abschied 


')  Jire£ek,  Handelsstrasse,  S.  32. 


336 


Von  Kuräumlijn  iliiicli  die  Kosanicn,  Piista  Rcka  iisw    nacli  Leskovac. 


an  die  Slrazari  (Karaulwächter)  gerichtete  ernste  Maiinimg,  sich  streng  an  ihre 
Dienstvorschrift  zu  halten,  sich  nie  in  die  Angelegenheiten  der  Bevölkerung  zu 
mengen  und  dieser  keinen  Anlass  zur  Klage  zu  geben,  da  er  sonst  unnach- 
sichtiich  Schuldige  entlassen  müsste.  Zur  Aneiferung  ernannte  er,  auf  Vukojes 
Empfehlung,,  einige  im  letzten  Kriege  dekorierte  diensteifrige  Leute  zu  Buljukbaäen 
für  mehrere  neue  Karaule.  Der  Nacelnik  schien  durch  das  anhaltende  Sprechen 
etwas   ermüdet   und   glücklich,   als  wir  das  zum   Forum   avancierte  Medvedje   im 


Montenef^rinerinnen,  ein  Fort  verproviantierend. 


Rücken  hatten.  Als  wir  3  km  weiter  die  Banjska  reka  bei  Macedonci  gekreuzt, 
begrüssten  uns  die  Staresina  von  4  Pecer  und  16  aus  Darkovac  an  der 
Vlasina  dort  angesiedelten  serbischen  Familien.  Das  bald  sich  verengende  und 
wieder  erweiternde  Tal  behielt  den  gleichen  landschaftlichen  Charakter:  einzelne 
Nussbäume,  Riesenpappeln,  Weiden  am  Bache,  und  auf  den  Höhen  armselige 
Arnautengehöfte.  in  der  bunt  zusammengewürfelten  Staffage  fielen  die  montene- 
grinischen Frauen  durch  Behendigkeit  auf. 

Zwei   weitere    Kilometer  brachten    uns    beim   arnautischen   Vrapce  an    die 
Einmündung  der  Mrkonjska  reka,  welche  zur  Türkenzeit  die  Grenze  zwischen  den 


Von  Kursumlija  durch  die  Kosnnica,  Pusta  Reka  usw.  nacli  Leskovac. 


337 


Mudirliks  Leskovac,  Gilan  und  Pristiiia  und  schon  unter  der  Römerherrschaft 
einen  wichtigen  Strassen -Gabelpunkt  bildete.  Der  in  seiner  antiken  Trace 
stellenweise  erhaltene,  von  Turres  (Pirot)  über  Leskovac  und  Lebane,  zwischen 
den  Kastellen  bei  Radinovac  und  Popovac  an  der  Sumanska  reka  laufende 
Hochweg  führte  von  Vrapces  Kastell  an  der  Tularska  reka,  geschützt  durch  Befesti- 
gungen auf  dem  750  m  hohen  Brajinski  Vis  und  dem  Mrkonj  (1045  m),  W.  nach 
Vicianuin  (Pristina),  mit  seinem  südlichen  Zweige  aber,  unter  den  vier  Kastellen 
bei  Sijarina  und  Svirce,  zu  den  Thermen  und  Eisenwerken  von  f-^avna 
Banja  und  zum  durch  seine  reichen  Gold-  und  Silberminen  bis  ins  Mittelalter 
berühmt   gebliebenen   Novo  Brdo.     Nach   allem   besass   das   Medvedjagebiet   in 


Ruine  Ravna   Banja. 


seiner  antiken  Epoche  eine  starke  autochthone  Bevölkerung,  die  einst  von  vielen 
Römerfesten,  wie  heute  die  arnautische  durch  türkische  Karaule,  im  Zaume 
gehalten  wurde.  Die  Details  für  vorerwähnte  antiken  Wege  erhielt  ich  von  Vukoje 
und  Sajid,  den  trefflichsten  Kennern  des  Jablanicagebiets;  die  Kastelle  an  der 
Banjska  reka  aber  berührte  ich  selbst  auf  unserer  in  ihrem  SO.  streichenden 
Defilee  fortgesetzten  Reise. 

Die  an  einigen  Punkten  wildromantisch  aneinander  gerückten  bewaldeten 
und  felsigen  Ufersporne  zwangen  uns,  die  über  ihr  klippiges  Bett  hintosende, 
prächtig  klare  Banjska  reka  bis  zum  berühmten  „Sijarina  banja"  achtmal  zu  kreuzen. 
Hoch  aufsteigender  Wasserdampf  verriet  fern  schon  den  Ausfluss  seiner  heissen 
Quellen.  Zuerst  kamen  wir  in  der  eiförmigen,  von  herrlichstem  Waldgrün 
umrahmten  Talausweitung  an  die  Ruine  eines  N.  nach  S.  gerichteten  türkischen 
Bades.  Nur  20  m  lang,  7  m  breit,  Hesse  sich  das  technisch  der  Prokupljer 
Incar-Moschee    gleichende   Gebäude    mit   sehr   zierlichen    Spitzbogen -Eingängen 

F.  KANITZ,   Serbien.    M.  22 


ol5iS  Von  Kiiisiimlija  durcli  die  Kosanica,  Piista  Reka  usw.  iiaLli  Lcskovac. 

dIiiic  grosse  Kosten  leicht  wieder  herstellen.  An  seiner  Südmauer  lehnte  ein 
kaum  3  m  langer  Vorbau,  aus  dem  das  heisse  Wasser,  durch  einen  kalten  Zufluss 
gemildert,  in  den  Baderaum  für  Männer  mit  5,75  m  breitem  quadratischen 
Bassin,  und  durch  ein  6  m  langes  Zwischengemach  in  das  nördliche,  runde 
Frauenbad  von  5,75  m  Durchmesser  geleitet  wurde.  80  Schritte  südlicher  bricht 
auf  dem  rechten  Banjskaufer,  hart  am  Bache,  ein  mächtiger  Quell  unter  heftigem 
Gebrause  hervor,  der  Eier  in  20  Sekunden  weich  siedet.  In  seiner  Nähe  ist 
alles  mit  Kalkmilch  bedeckt  und  versintert;  40  Schritte  weiter  entspringt  auf  dem 
linken  Ufer  eine  dritte,  weniger  heisse  Quelle. 

Im    südlicheren,   vielgekrümmten    Engdefilee    steht    auf    zur    Banjska    steil 
abstürzendem,  690  m  hohem  Kalkzylon  eine   pittoreske  Kirchenruine   mit  an   der 


Qrundriss  der  Kirchenruine  bei  Sijarina. 


Südfront  noch  6  m  hohen  und  1  m  starken  Mauern.  Den  Portalsturz  ihres  in 
das  15  m  lange,  6  ni  breite  Schiff  eingeschlossenen  Narthex  tragen  zwei 
mächtige  Steinpfeiler.  Auch  der  1  m  breite  Sockel  besteht  aus  Quadern,  und 
solche  wechseln  im  ganzen  Bau  mit  ein-  und  mehrfachen  roten  Lagen  von  meist 
36X28  cm  grossen  Backsteinen.  In  besonders  schöner,  rhythmischer  Wirkung 
erscheint  diese  byzantinische  Technik  an  der  pentagonalen  Altarapsis,  deren 
halbkreisförmiger  Innenraum  durch  ein  1,80  m  hohes,  0,80  m  breites  Fenster  sein 
Licht  erhielt.  Das  prächtige  Monument  stand,  wie  ich  bei  näherer  Untersuchung 
des  Plateaus  fand,  im  Mittelpunkte  eines  bis  auf  die  Rudimente  verwüsteten 
antiken  Kastells,  das  mit  einem  westlichen,  nur  5  km  fernen  die  gewiss  von  den 
Römern  benutzte  nahe  Therme  und  die  über  Svirce  nach  Janjevos  Minendistrikt 
führende  antike  Strasse  schützte. 

Gleich  unter  dem  Ruinenfelsen  traten  wir  hinaus  auf  die  schöne,  taufrische 
Hochebene  mit  dem  weissen  Hodzahaus   und  der  zierlichen  Moschee,  die  König 


Von  Kursuiiilija  durch  die  Kosanicn,  Piista  Rek.n  usw.  nacli  Leskovac. 


339 


Milan  dem  Jahiaiiicaer  Arnautenbezirke  zu  Sijariiia  aus  eij^encn  Mitteln  erbaute. 
All  der  Stelle  des  abwesenden  Mehiiied  Hodza  hielt  sein  Sohn  den  Freitags- 
Gottesdienst,  welcher  Vertreter  aller  nahen  niosliniischen  Orte  hier  zusammenführte. 
Ihre  „Gjobaren"  (Ältesten)  begrüssten  uns  freundlich  in  der  rasch  mit  Teppichen 
und  Sitzkissen  ausgestatteten  Vorhalle.  Der  Nacelnik  sprach  die  Vornehmsten 
an,  Sajid  machte  den  Dolmetsch;  so  hörten  wir,  dass  es  zwischen  den  in  fort- 
währenden Grundstreiten  miteinander  befindlichen  Amanten  von  hüben  und 
drüben    am    Tage    zuvor    zu    einem    ernsten    Scharmützel    kam.      Die    serbischen 


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Ziegelnuisleruiig  vom  Sockel  und  von  der  Kirclienapsis  bei  Sijarina. 


Amanten  lagen  im  Hinterhalt,  um  den  türkischen  das  ihnen  von  der  Weide 
abgetriebene  Vieh  wieder  abzujagen,  wobei  Schüsse  gewechselt  wurden  und 
einer  der  erkannten  Räuber  fiel.  Der  Nacelnik  suchte  beruhigend  einzuwirken 
und  versprach,  den  Fall  mit  dem  Pristinaer  Kajmakam  auszutragen.  Ähnlich 
wird  es  sich  mit  dem  viel  Staub  aufwirbelnden  Arnauteneinfall  bei  der  südlicheren 
Karaula  Crna  Cuka,  der  zum  Kampfe  zwischen  türkischen  und  serbischen  Regulären 
führte,  am    14.  Juni    1899  verhalten  haben. 

Im  auf  andere  Verhältnisse  geleiteten  Gespräche  wurde  der  Wunsch  nach 
einer  besseren  Schule  laut,  die  man,  sobald  der  junge  Leskovacer  Hussein  Suleiman 
Babic   vom    Niser   Lehrerseminar    heimgekehrt,   gründen   wolle.     Man    sieht,   der 

22* 


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Von  Kursuinlija  durch  die  Kosanica,  Pusta  Reka  usw.  nach  Leskovac. 


serbische   Arnaute    ist   schon    biidungslustig,   obgleich   aucii   er   die   Vorliebe    für 
das  Waffenhandwerk  mit  allen  seinen  Stammesgenossen  teilt. 

Die  prächtige  Hochvviese,  auf  welcher  unter  jungen  Weiden  ein  ganzer 
Hammel  für  uns  gebraten  wurde,  bot  ein  Bild  voll  Leben  und  Farbe.  Das 
kleidsame  Kostüm,  die  rote,  oft  goldgestickte,  die  Brust  vollkommen  deckende 
Weste  (dzamadan),  die  braune  oder  gelbe,  weitgeschnittene  Abatuchhose,  die 
gleichfarbigen  Gamaschen  (desluk),  der  rote  Leibgürtel  (silaj)  für  Handschar  und 
Pistolen,  das  rote  Fes  mit  lose  umwundenem  heilen  Tuch  oder  weisse  Kopf- 
mützchen  (celepus),  hob  die  elastischen,  oft  kraftigen  Gestalten,  in  deren  Mitte 
wir,  auf  Teppiclien  gelagert,  das  durch  Topfenkäse,  Eier,  Brot  luid  Rakija  vervoll- 


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Die  von  König  Milan  erbaute  Moschee  zu  Sijarina. 


ständigte  Mahl  uns  trefflich  munden  Hessen.  Während  der  dieses  abschliessende 
Mokka  gereicht  wurde,  bereitete  uns  Sajid  ein  höchst  interessantes  Intermezzo. 
Pfeifer  und  Pauker  stimmten  eine  schrill  tönende  kriegerische  Melodie  an. 
Die  am  schattigen  Waldsaum  gelagerten  Männer  gruppierten  sich  rasch  zu  einem 
koloartigen  Reigen,  in  dessen  Zentrum  Sajids  herkulischer,  185  cm  hoher  Bruder 
Hussein  mit  dem  zum  Zweikampf  aufgeforderten  Gegner  traten.  Nach  gegen- 
seitigen höhnischen  Zurufen  zogen  sie  ihre  Handschare  blank  und  nahmen  unter 
getanzten  Tempi  die  Klingen  wechselnd  in  den  Mund,  bald  in  die  Hand.  Die 
Musik  wurde  immer  heftiger  und  die  von  ihren  roten  Dolamaärnieln,  gleich 
griechischen  Clamis,  umflatterten  Kämpfer  rückten  sich,  mit  katzenartigen  Sprüngen 
geschickt  der  gegnerischen  Handscharspitze  ausweichend,  stetig  näher,  bis  zuletzt 
der  scheinbar  getroffene  Hussein  auf  den  Rasen  hinsank  und  der  Sieger  ihm 
sein  Messer  an  die  Kehle  setzte.  Das  Aufregende  dieses  von  mordiustigen 
Pantomimen  begleiteten,  in  einzelnen  Kampfstellungen  an  klassische  Fechter- 
skulpturen  mahnenden  „Handschartanzes"   ist   schwer  zu   schildern.     Allgemeiner 


Von  Kiirsiiiiilija  durch  die  Kosanicn,  Piista  Rckn  usw.  nach  Leskovac.  ^41 

lauter  Beifall  beloiiiite  beide  stark  erhitzte  Kampfer.  Wer  dieses  Schauspiel 
aber  gesehen,  begreift  die  Bewunderung,  welche  die  im  letzten  thessalischen 
Kriege  bewiesene  Todesverachtung  dieser  Amanten  den  fremden  Militärattaches 
abzwang.  „Ich  kenne,"  äusserte  Grumbckow  Paäa,  „nichts  Vollkommeneres  als 
den  preussischen  Soldaten.  Aber  allen  Respekt  vor  diesen  Albanesen,  wenn  sie 
im  Granatenhagel    der  Griechen   singend  wie  zum  Tanz   auf  die  Wälle  klettern." 

Nachdem  wir  dem  Gemeindevorstand  für  den  freundlichen  Empfang  gedankt 
und  die  Bewirtung  aus  dem  Hodzahause  mit  einem  entsprechenden  Geldgeschenk 
erwidert  hatten,  machten  wir  noch  einen  Ausflug  nach  dem  zur  fernen  Pfarrkirche 
Prekopcelica  gehörenden  Ravna  Banja,  wo  drei  Stollen  und  Schlackenhalden 
auf  einen  alten  Hüttenbetrieb  hinweisen.  Er  befand  sich  am  Nordhange  des 
erzreichen  Gebirges,  dessen  Kamm  hier  die  Grenze  zwischen  dem  Königreich 
und  Altserbien  bildet. 

Nur  10  Kilometer  Luftlinie  trennen  die  serbische  Lisacka-Karaula  auf  der 
1193  m  hohen  Kitka  von  dem  berühmten  „Novo  Brdo",  aus  dem  das  schon 
von  Plinius  gerühmte  „auruni  dardanicum"  stammte.  Ein  volles  Jahrhundert  vor 
der  türkischen  Eroberung  (1441  und  1455)  zählte  Novo  Brdo  zu  den  berühmtesten 
Städten  Europas.  Gewiss  befand  es  sich  unter  den  „gemischten",  sowohl  Gold 
wie  Silber  enthaltenden  Bergwerken,  von  welchen  der  französische  Mönch  Brocard 
1332  berichtet.  Die  altserbischen  Regenten,  und  besonders  Djordje  Brankovic, 
zogen  den  grössten  Teil  ihres  Einkommens  aus  dieser  mit  Janjevo  und  Kratovo 
an  Ragusa  verpachteten  und  durch  Deutsche  (Sachsen,  sasi)  betriebenen  Mine. 
Der  die  Türkei  durchziehende  Vertraute  Philipps  von  Burgund,  Bertrandon  et  la 
Broquiere,  hörte  1433,  dass  sie  jährlich  einen  Reinertrag  von  200000  Dukaten 
liefern.  Ebenso  behauptete  der  Byzantiner  Kritobulos  1453,  dass  Gold  und  Silber 
zu  Novo  Brdo  frei  am  Tage  lägen.  Bald  darauf  (1466)  wurde  aber  die  katholische 
„Sachsenkirche"  in  eine  Moschee  verwandelt  und  die  Rajah-Bevölkerung  1467 
zum  Exodus  nach  Konstantinopel  gezwungen.')  Mit  dem  gleichzeitigen  Wegzuge 
der  vornehmsten  ragusanischen  Familien  verfiel  die  Stadt.  Über  ihre  Ausbeute 
im  17.  Jahrhundert  erwähnt  kurz  Hadzi  Chalfa:  „In  Novo  Brdo  befinden  sich  die 
meisten  Minenpachtungen  der  Bergwerksinspektion  zu  Skopje  (Üsküb)."  1859 
fand  der  Konsul  v.  Hahn  dort  nur  noch  eine  serbische  neben  15  türkischen 
Familien,  und  das  auf  1104  m  hohem  Berge  thronende  starke,  auf  unzählige 
verraste  Schlackenhalden  und  verlassene  Schachte  herabblickende  Schloss, 
gleich  den  benachbarten,  zum  Schutze  der  reichen  Bergstadt  erbauten  Schlösser 
Priljepac  und  Prizrenac,  als  Ruine! 

Auf  dem  Rückwege  nach  Medvedja  begegnete  uns  ein  vom  westlichen 
Svirce  herabkommender  Beg,  dessen  gleichfalls  reitende  Frau  mit  rotem  Feredza 
und  weissem  Gesichtstuch  eine  ihren  schlafenden  Sprössling  bergende  Wiege 
sorgsam  balancierte.  Sajid  tauschte  einige  Worte  mit  dem  vorneluncn  Stammes- 
genossen. Der  unsere  ganze  Eskoite  an  hoher  Gestalt,  prächtigem  Kostüm  und 
reichem   Waffenschmuck   überragende   Hussein   rezitierte   das   auch   im   Arnautluk 


')  Dani£ic,  Rjeinik,  S.  170. 


342  Von  Kursunilijn  clurcii  die  Kosanica,  Pusta  Reka  usw.  nach  Leskovac. 

populäre  Lied  von  Anta  Bogieevic  mit  halblauter  Stimme  vor  sich  hin.  Auf- 
gefordert, ein  aibanesisches  zu  singen,  begann  er  mit  einem  sein  Echo  in  den 
Bergen  findenden  langgedehnten,  schrillen  Oho!  das  Omer  Pasas  berühmten  Feldzug 
in  den  vierziger  Jahren  gegen  die  arnautischen  Rebellen  erzählende  Epos,  wie 
der  Wali  vom  Sultan  Abdul  Medjic  ausser  der  „Goldenen  Bosna"  auch  die 
Paschaliks  Fee  und  Prizren  zum  Regieren  verlangt,  der  Sultan  aber  antwortete: 
„Du  bist  viel  zu  gewalttätig  mit  meinem  tapferen  Arnautenvolk  verfahren,  als  dass 
ich  Dir  es  anvertrauen  könnte!"  Das  ganze  lange,  in  der  auch  bei  den  Albanesen 
gebräuchlichen  arabisch-türkischen  Sangweise  vorgetragene  Poem  klang  in  einen 
den  arnautischen  Unabhängigkeitsdrang  von  jedem  Fremdjoche  verherrlichenden 
Hymnus  aus,  der  allerdings  nicht  ganz  zur  Stellung  passte,  in  welcher  die 
serbischen  Amanten,  speziell  der  Sänger,  sein  Bruder  Sajid  und  der  uns  nach- 
geeilte würdige  Mehmed  Hodza,  sich  befanden. 

Kurz  vor  Medvedja  übergab  ein  uns  wie  rasend  entgegensprengender  Pandur 
dem  Nacelnik  ein  Telegramm,  das  ihm  am  12.  Oktober,  also  im  schon  weit 
vorgerückten  Herbste,  ganz  lakonisch  anzeigte:  „es  würde  im  selben  Monat  die 
Ansiedelung  von  6000  Montenegrinern  in  seinem  Kreise  stattfinden,  und  ein 
bereits  von  Belgrad  abgereister  Sekretär  bringe  die  näheren  Weisungen."  — 
„Gott  helfe  uns  allen,"  rief  der  wie  von  einer  Bombe  getroffene,  die  Depesche 
seinem  Bezirkshauptmann  und  Ingenieur  reichende  Präfekt.  „Das  fehlte  noch!" 
Mir  sagte  er:  „War  es  schon  zuletzt  schwierig,  von  den  alten  Dörfern,  und  selbst 
von  den  auf  Staatsboden  angesiedelten  neuen,  Gründe  für  einzelne  zuwandernde 
Familien  zu  erhalten,  obschon  die  kleinsten  Weiler  oft  zwei  Stunden  lange  „utrine" 
(Hutweiden)  besitzen,  die  sie  nicht  brauchen,  wie  soll  ich,  wo  gar  nichts  vorgesorgt 
ist,  Unterkommen  und  den  Bedarf  für  viele  Tausende  anspruchsvolle,  arbeits- 
scheue Crnogorcen  bei  anbrechendem  Winter  schaffen?" 

Wirklich  fiel  diese  in  allen  Richtungen  gänzlich  unvorbereitete,  in  der 
ungünstigsten  Jahreszeit  vollzogene  Kolonisation  von  7500  Seelen  genau  so  aus, 
wie  es  der  erfahrene  Nacelnik  vorhergesehen.  Ein  Belgrader  Bericht  vom  7.  April 
1890  im  „Budapester  Lloyd"  lässt  ahnen,  welche  Summe  menschlichen  Elends 
dieselbe  über  den  Jablanicaer  Bezirk  gebracht,  obgleich  Herr  Bozovic  und  seine 
Beamten  ihre  Kräfte  bis  zur  Erschöpfung  aufrieben,  um  es  zu  mildern.  Im 
Eingang  erzählt  das  Blatt:  „Vor  kurzem  sind  hier  drei  Abgesandte  der  montene- 
grinischen Kolonisten  eingetroffen,  um  bei  der  Regierung  Klage  zu  führen  über 
die  nach  ihrer  Aussage  unerträglichen  Bedrängnisse  und  Grausamkeiten,  welchen 
sie  in  ihren  Ansiedelungsorten  ausgesetzt  sind.  Die  Abgesandten  erklärten,  dass 
die  zur  Verzweiflung  gebrachten  Montenegriner  nur  zwischen  gänzlicher  Aufreibung 
oder  Wiederauswanderung  zu  wählen  haben.  Nicht  weniger  als  ein  Dritteil  sei 
bereits  dem  Hunger  und  allerlei  Krankheiten  erlegen.  Glücklich  schätzen  sich 
jene  wenigen,  welchen  es  gelang,  über  türkisches  oder  bosnisches  Gebiet  sich 
in  die  alte  Heimat  zu  schleichen.  Unter  den  Zurückgebliebenen  seien  die  Verhältnisse 
wahrhaft  trostlos.  Wohl  sind  aus  Serbien  selbst  und  zum  Teil  auch  aus  Russland 
Geld  und  Liebesgaben  zur  Unterstützung  der  armen  Expatriierten  eingelangt, 
trotzdem    leiden   die   Leute    aber   Hunger  und   gehen    massenhaft   an   Entkräftung 


Von  Kursumlija  durch  die  Kosanica.  Piista  Reka  usw    nach  Lcskovac.  I54I3 

zugrunde.  In  dieser  verzweifelten  Situation  greifen  sie  zur  Selbsthilfe  und  verbinden 
sich  zuweilen  mit  den  benachbarten  Arnauten,  um  die  heimische  serbische 
Bevölkerung  zu  bestehien.  Diese  fühlt  sich  durch  die  ungebetenen  Gäste  aufs 
äusserste  bedrückt  und  ist  schon  nahe  daran,  selbst  zum  Wanderstabe  zu  greifen; 
denn  es  bleibt  ihr  kein  Stück  Nutzvieh  im  Stall."  Wenn  auch  die  weiter  in 
dieser  Korrespondenz  mitgeteilten  entsetzlichen  Details  übertrieben  waren,  schädigte 
diese  schlecht  inszenierte  Einwanderung  doch  Serbiens  Ansehen  bei  den  alten 
Bewohnern  des  Toplicaer  Kreises.  Zweifellos  gewann  es  aber  andererseits  eine 
die  Arnauten  an  der  Grenze  in  Schach  haltende  streitbare  Bevölkerung,  und  als 
im  Herbste  1895  der  fanatische  Mollah  Seka  Biber,  den  Ferik  Halil  Pasa  1889, 
weil  er  die  Angriffe  der  Fis  Krasnic  und  Istinic  auf  das  reiche  Kloster  Decani 
verschuldet  hatte,  zur  Verantwortung  nach  Konstantinopel  gesendet,  von  dort 
nach  Prizren  zurückkehrte  und  neue  arnautische  Ausschreitungen  zu  befürchten 
waren,  bewaffnete  der  serbische  Kriegsminister  die  aufgeregten  Montenegriner  zu 
ihrer  Zurückweisung  mit   1200  Gewehren  und   lüOOüO  Patronen. 

Mit  Pistolenschüssen  begrüsste  man  unsere  glückliche  Rückkehr  in  Lebane. 
Dort  erwartete  uns  ein  Bild,  wie  man  es  ausserhalb  des  von  so  verschiedenen 
Nationen  gebildeten  Österreich -Ungarns,  Russlands  und  der  Türkei  in  keinem 
europäischen  Staate  sehen  kann.  Es  gewährt  einen  geradezu  überraschenden 
Anblick,  wenn  die  Buljukbasen  der  zahlreichen  Blockhäuser,  Arnauten,  Pecaner, 
Montenegriner  in  ihren  kleidsamen  Nationaltrachten,  mit  reichem  Medaillenschmuck 
am  letzten  jedes  Monats  sich  vor  dem  Bezirkshause  versammeln,  um  den  Sold  für 
sich  und  ihre  Mannschaften  in  Empfang  zu  nehmen.  Alle  erscheinen  bis  an  die 
Zähne  bewaffnet  und  mit  54  Patronen  für  ihre  im  Gürtel  steckenden  belgischen 
Revolver.  Als  Hahn  um  1860  hier  reiste,  erregte  sein  „fünfläufiges  Pistol"  bis 
nach  Pristina  grösste  Sensation  bei  den  waffenliebenden  Arnauten;  seitdem  gesellte 
es  sich  aber  zu  den  mittelalterlichen  Handscliars  und  oft  wertvollen  türkischen 
Krummsäbeln.  Entlang  der  Toplicaer  Kreisgrenze  gab  es  56  Karaule  mit  ebenso 
vielen  Buljukbasen  und  290  „Strazaren"  (Wächter).  Erstere  erhielten  monatlich 
25  d,  letztere  20  d  Sold.  Im  ganzen  wurde  die  Auslage  für  den  Toplicaer 
Kordon  1889  mit  89000  d  budgetiert;  sie  erhöhte  sich  in  den  letzten  Jahren,  weil 
das  albanesischen  Einbrüchen  stark  ausgesetzte  Gebiet  die  Vermehrung  der 
Karaulen  dringend  forderte  und  die  Türkei  gleichfalls  den  Bau  soliderer  Wacht- 
häuser  entlang  der  serbischen  Grenze  begann. 

Diese  500  m  voneinander  entfernten,  von  Nizams  des  III.  Korps  besetzten 
Karaulen  sollten  zugleich  den  Grossmächten  den  ernsten  Willen  der  Pforte  bezeugen, 
dass  sie  die  vom  Gesandten  Novakovic  behaupteten,  in  türkischen  Gegennoten 
aber  als  gänzlich  entstellt  bezeichneten  120  Gewalttaten  der  moslimischen  Grenz- 
arnauten  verhindern  wolle,  falls  einige  wirklich  vorgekommen  sein  sollten. 
Interessant  ist  Saad  Eddin  Pasas  in  dieser  Note  zitierter  Bericht,  welcher  sagt; 
„Der  Unterschied  der  Religionen  sei  in  der  Türkei  nie  eine  Ursache  von  Uneinigkeit 
gewesen.  Gewalttätigkeiten  zwischen  Bekennern  derselben  Religion  seien  sogar 
zahlreicher  als  solche  zwischen  Andersgläubigen.  Die  Gewalttaten  entsprängen 
der  Blutrache  und  anderen  Landessitten,   seien  übrigens   geringer  an  Zahl    als  in 


344  Von  Kiirsiimlija  diircli  die  Knsanica.  Piista  Rcka  usw.  nach  Leskovac. 

zivilisierten  Ländern.  Das  Vorkommen  von  Vergehen  j^egen  die  Sittlichkeit  sei 
bei  den  strengen  Sitten  der  Albanesen  nahezu  ausgeschlossen,  die  bezüglichen 
Angaben  seien  daher  unwahr.  Ebenso  seien  die  Angaben,  dass  christliche  Kirchen 
Angriffen  ausgesetzt  gewesen  seien,  unbegründet;  trotzdem  sie  in  vereinsamten 
Gegenden  situiert  seien,  waren  diese  seit  fünf  Jahrhunderten  nie  Gegenstand  von 
Angriffen.  Dagegen  wurden  in  Leskovac,  Vranja  und  zehn  anderen  Ortschaften 
Moscheen  geplündert  und  demoliert.  Die  serbischen  Behörden  hätten  in  sechs 
mohammedanischen  Ortschaften  sogar  das  Hausrecht  verletzt  und  ganze  Familien 
misshandelt.  Die  Note  gibt  der  Hoffnung  Ausdruck,  dass  man  in  Hinkunft  einer 
Verletzung  der  Interessen  derjenigen  vorzubeugen  wissen  werde,  welche  die 
zwischen  den  beiden  Ländern  glücklicherweise  bestehenden  Bande  aufrichtiger 
Freundschaft  gekräftigt  zu  sehen  wünschen!" 

Zur  Erleichterung  des  Verkehrs  zwischen  Lebane  und  der  Leskovacer 
Bahnstation  wurde  1887  die  teilweise  Umlegung  der  alten  Strasse  begonnen. 
Vorbei  an  sieben  rasch  sich  folgenden,  meist  grösseren  Orten  gelangten  wir  im 
durchschnittlich  3—5  km  breiten  Jablanicatale  nach  dem  reichen  Bosnjaci,  dessen 
stattliche  Kirche  und  Schule  in  umfriedetem,  prächtigem  Laubparke  stehen;  die 
nahe  fischlose  Wasserfläche  von  kaum  60  Ares  heisst  „Cerina".  Die  von  Lebane 
seit  altersher  flussabwärts  ansässige,  ungemengt  gebliebene  christliche  Bevölkerung 
treibt  vorherrschend  sehr  einträglichen  Hanfbau;  auf  der  Strasse,  in  den  Dörfern, 
auf  den  Feldern,  allerorts  tritt  dies  hervor.  Über  eine  schlechte  Brücke  ging  es 
auf  dem  alten  Wege,  vorbei  an  Pertates  kleinem  crkviste  und  Spuren  einer  antiken 
Ansiedelung,  zur  Leskovacer  Bezirksgrenze.  Auf  der  vom  Kapetan  Todor  Stankovac 
1877  begonnenen,  nach  der  Mitte  ungewöhnlich  hoch  gewölbten  neuen  Strasse 
mit  sehr  tiefen  Abzugsgräben  kündigten  vom  Samstagsmarkte  zurückkehrende 
Karawanen  in  allen  denkbaren  Vehikeln  und  Kostümen  die  nahe  Stadt  an,  in 
deren  freundlichem  „Hotel  Solun"  (Salonik)  ich  mit  meinen  liebenswürdigen 
Reisebegleitern  und  Leskovacer  Freunden  den  Abend  genussreich  verbrachte. 

Nochmals  dankte  ich  dem  mit  seinem  Ingenieur  nach  Prokuplje  zurück- 
kehrenden Nacelnik  für  die  mir  in  seinem  wenig  erforschten,  in  jener  Zeit  schwer 
zu  bereisenden  Kreise  unausgesetzt  gewidmete  Fürsorge.  Herr  Bozovic  erwiderte: 
„Auch  ohne  die  besondere  Empfehlung  meines  Ministers  war  es  mir  eine  angenehme 
Pflicht,  möglichst  für  die  Sicherheit  des  alten  Freundes  des  Serbenvolks  zu 
sorgen;  ich  bedauere  nur,  dass  wir  für  Ihre  Bequemlichkeit  nicht  mehr  tun  konnten. 
Gott  erhalte  Sie,  damit  Ihr  Werk  zum  Nutzen  unseres  Landes  erscheine!"  — 
Er  selbst  erlebte  es  nicht  —  vorzeitig  starb  der  treffliche  Mann  im  Frühjahr  1897.') 


')  Leider   war    es    auch    dem    Verfasser    dieses    Werkes    nicht    vergönnt,    sich    des 
Erscheinens  desselben  zu  freuen. 


XII. 


Von  Nis  über  Knjazevac,  Soko-Banja 

und  Zajecar  nach  Negotin. 


DIE  Weigerung  des  türkischen  Passapordzi,  meine  Reiselegitimation  am 
Freitag,  dem  mosiimischen  Sonntag,  zu  visieren,  hätte  bald  die  unfreiwilhge 
\'eriängerung  meines  ersten  Besuchs  zu  Nis  verursacht,  wäre  es  nicht  einfluss- 
reicher Verwendung  gelungen,  die  religiösen  Skrupel  des  glaubenseifrigen  Beamten 
zu  besiegen,  ungern  verfügte  er  sich  in  sein  Amt  und  drückte  meinem  Passe 
das  grossherrliche  Siegel  auf.  So  fuhr  ich  am  20.  Juli  1860  durch  das  an  die 
Festung  sich  anschliessende  elende  Barackenviertel  am  rechten  Niäavaufer  den 
serbischen  Grenzbergen  zu.  Südlich  tauchte  in  der  damals  wenig  bebauten 
Ebene  die  Silhouette  der  traurigen  „Cele-Kula"  auf,  der  grause  „Schädelturm", 
an  dem  kein  Rajah  in  türkischer  Zeit  unbewegt  vorüberging,  und  der  nur  erhalten 
bleibt,  damit  künftige  Geschlechter  sich  der  Leiden  ihres  Vaterlandes  und  des 
Martyriums  seiner  Befreier  erinnern.  Wohl  bedarf  die  Mahnung  an  jene  Epoche 
keiner  künstlichen  Denksteine,  denn  lange  nachdem  der  Türke  den  europäischen 
Boden  verlassen  haben  wird,  werden  die  Länder  zwischen  dem  Pontus  und  der 
Donau  die  nicht  leicht  zu  tilgenden  Spuren  seines  Regiments  tragen  Die 
Geschichte  wird  aber  die  Überflutung  des  europäischen  Südostens  durch  die 
Turanier  in  gleicher  Linie  mit  den  Hunnen-  und  Avarenzügen  verzeichnen. 

Die  erste,  II  km  lange  Strassenstrecke  hält  sich  durchschnittlich  1,5  km 
entfernt  von  der  die  Nisava  begleitenden  220  m  hohen  unbewohnten  Fläche. 
Auf  dem  nördlich  rasch  bis  zu  820  m  ansteigenden  Terrain  blicken  von  den  mit 
prächtigen  Kulturen,  Weingärten  und  kleinen  Wäldchen  übersäten  Höhen  die 
roten  Ziegeldächer  der  italienischen  Charakter  tragenden  grossen  Ortschaften 
Gornja  und  Donja  Kamenica,  Gornji  und  Donji  Matejevac  und  Knez-Selo  herab, 
deren  interessante  geschichtlichen  Denkmäler  ich  1889  besuchte  und  im  VII.  Kapitel 
schilderte.  Bald  hinter  Gornja  Vrezina  steigt  die  Strasse  N.  an  und  gewinnt 
bis  Vrelo  auf  weiteren  8  km  200  m;  ihre  ^  km  lange  letzte  Strecke  brachte  uns 
mit  vielen   Serpentinen   auf  den   512  m   hohen   Gramadasattel.     Nachdem   der 


^46  Von  Nis  über  Knjazevac.  Soko-Banja  und  Zajecar  nach  Negotin. 

„Passapordzi"  in  der  türkischen  Karaula  mein  Reisedokunient  geprüft,  pochte  ein 
martialischer  Zaptie  an  den  serbischen  „Karantinpiot",  dessen  starkes  Pfahltor 
sich  auch  bald  öffnete. 

Erleichtert  atmete  ich  auf.  Nun  erst  begriff  ich  vollends  die  Stelle  in 
Ritters  Reisebriefen:  „Ich  habe  Europa  wieder  betreten,  lebe  wieder  in  der  lieben 
Christenheit,  habe  den  Gefahren  des  bösen  Festlandes  mit  Gottes  Hilfe  und 
Gnade  den  Rücken  gekehrt  und  bin  mm  hier  in  einen  sicheren  Hafen  eingekehrt." 
Der  berühmte  Berliner  Geograph  schrieb  diese  Worte  nieder,  als  er  am  1.  Dezember 
1837,  Rustschuk  gegenüber,  bei  Gjurgjevo  die  walachische  Quarantäne  betrat.  Seit 
Ritters  Besuch  waren  die  türkischen  Zustände  ziemlich  unverändert  geblieben; 
die  beiden  Donaufürstentünier  und  Serbien  hatten  aber  durch  Nacheiferung 
occidentaler  Kultur  anerkannte  Fortschritte  gemacht.  Man  begreift  also  meine 
tiefe  Befriedigung,  als  ich  die  türkischen  Grenzpfähle  hinter  mir  wusste  und  auf 
einem  Boden  stand,  der  europäischer  Zivilisation  und  dieser  entsprechenden 
Rechtsbegriffen  ungehinderten  Eingang  gestattete. 

Auf  der  „Gramada"  erwartete  Karadjordje  1811  mit  den  Knezen  MIaden, 
Jevta  und  Mileta  von  Katun  den  mit  8000  Mann  heranziehenden  Rusid  Pasa 
und  wehrte  ihm  siegreich  den  Einbruch  in  die  Crna  Reka.  Trotzdem  wurde  sie 
erst  1833  Serbien  definitiv  einverleibt.  Sogleich  ging  man  an  die  Aufrichtung 
des  „plot"  (Grenzzaun)  und  Gramadas  Kastell.  Noch  1860  bestand  hier  eine 
Quarantäne  zweiten  Ranges  mit  kleinen  Häusern  für  die  fürstlichen  Beamten  und 
eine  Mehana.  Im  bescheidenen  Amtsgebäude  unterzog  ich  mich  der  üblichen 
Prozedur.  Der  Fremde  hatte  damals  beim  Eintritt  in  Serbien  entlang  der  trockenen 
Grenze  den  Wert  seiner  Effekten  und  eingeführten  Barsumme  anzugeben;  nach 
diesem  Bekenntnis  wurden  die  Zollgebühren  bemessen.  Die  Erhebung  dieser 
gleich  unpraktischen  wie  primitiven  Steuer  sollte  aber  bald  abgeändert  werden; 
ich  murrte  nicht,  bezahlte  gern  meinen  Beitrag  für  den  Strassenbau  und  Sicher- 
heitsdienst des  Landes  und  empfand  gleich  darauf  die  Wohltat  der  von  dem 
tüchtigen  Ingenieur  Mihalovski   „gemachten  Strasse". 

Die  bis  auf  den  Gramadasattel  sichtbar  gebliebenen  Suva  Planina-Gipfel 
waren  bald  verschwunden.  Denn  Terrain  und  Strasse  fielen  rasch  zum  Svrijiski 
Timok  ab.  Nach  passabwärts  zurückgelegten  8  km  kreuzte  ich  bei  Derven 
diesen  fischreichen  Arm  des  „Veliki  Timok".  Die  ihn  begleitenden  Kalke 
charakterisieren  bei  Gulijan  prächtige  Ammoniten,  östlich  vom  über  1300  m 
hohen  Crni  Vrh  viele  Dolinen  und  im  allgemeinen  ein  selten  grosser  Höhlen- 
reichtum. Bei  dem  hart  am  Wege  liegenden  Prekonoge  führt  ein  niedriger, 
schlundartiger  Gang  durch  die  „Sakrna  strana"  in  eine  Höhle  mit  schlüpferigem 
Boden  und  teilweise  eingestürzter  Decke.  Ein  dritter,  nur  auf  Strickleitern  erreich- 
barer Raum  enthält  prächtige,  an  Adelsberg  mahnende  Tropfsteingebilde  und 
gleicht  einem  säulenreichen  Kuppelbau  mit  Altären,  Hängelampen  usw.  Auch  in 
den  Nebengrotten  gibt  es  auffallend  starke  Stalaktiten,  und  in  allen  stösst  man  auf 
die  Reste  ausgestorbener  Tierarten.  1880  fand  Bergingenieur  Felix  Hofmann  in 
dem  grossen,  400  m  ausgedehnten  Raum  unter  der  feuchten  Schuttdecke  in 
einer  mit  Resten  kleiner  Tiere  und  Kohle  gemengten  Kulturschicht  viele  Scherben 


Von  Nis  über  Knjazevac,  Soko-Banja  und  Zajccar  nach  Negotin.  ;?47 

von  keramischen  Gefässen  nebst  Knochen  vom  Höhlenbaren,  was  die  Existenz 
des  Menschen  in  weit  zurückliegender  Zeit  auf  serbischem  Boden  beweist. ') 

Die  Römer  überzogen  das  Timokgebiet  mit  einem  Netze  befestigter  Ansiede- 
lungen, die  in  naher  Beziehung  zur  auf  der  Tab.  Peut.  verzeichneten,  91  Millien 
langen  Donaustrasse  standen.  Dass  diese  NO.  bei  Naissus  vom  Konstantinopeler 
Heerweg  abbog  und  hierauf  dem  oberen  Tinioklaufe  folgte,  erriet  schon  vor 
nahezu  90  Jahren  der  scharfsinnige  Mannert;  ihre  von  Naissus  27  Millien 
entfernte  Mansion  Timachum  majus  vermutete  er  aber  bei  einem  Dorfe  „Isperik" 
(wahrscheinlich  Izvor  beim  Derven),  wo  jede  Spur  einer  antiken  Niederlassung 
fehlt.  Die  unglaubliche  Mangelhaftigkeit  der  gleichzeitigen  Karten  erklärt  auch, 
dass  Forbiger  dieses  Timachum  beim  fiktiven  Dorfe  „Timok"  ansetzte.  Auf  einem 
Krokis  im  k.  und  k.  Wiener  Kriegsarchiv  fand  ich,  dass  ein  rekognoszierender 
Fähnrich  Pokorny  1784  auch  eine  alte  gepflasterte  Strasse  bei  Nisevci  (Nisevac) 
verzeichnete.  Dies  und  im  Derven  empfangene  Winke  führten  mich  1864 
nach  diesem  Orte,  dessen  Entfernung  von  Nis  genau  dem  Masse  der  Tafel  von 
Naissus  bis  Timachum  majus  entsprach,  und  meine  dortigen  Funde  ergaben  als 
gesichertes  Resultat,  dass  die  gesuchte  Zwischenstation  an  seiner  Stelle  lag. 

Die  auf  der  Tab.  Peut.  10  Millien  östlicher  folgende  Mansion  „Timachum 
minus",  das  justinianische  Timaccolum,  stand  auf  der  von  Niäevci  nahezu  gleich- 
weit entfernten  „Baranica",  am  strategisch  wichtigen  Vereinigungspunkt  beider 
Veliki  Timok-Arme,  wo  ich  ganz  zuverlässige  Beweise  für  eine  römische  Nieder- 
lassung fand.  Dies  bestätigt  sein  Ansatz  durch  Mannert  bei  Knjazevac,  zu 
dessen  Stadtgebiet  die  Baranica  gehört.  Jirecek  nahm  meine  Feststellung  beider 
Rümerorte  an-),  verlegte  aber  Timachum  majus  nach  Knjazevac  und  Timachum 
minus  nach  Ni§evci.  Dies  beruht  wohl  nur  auf  einem  Schreibfehler,  denn 
schwerlich  dürfte  er  Dragasevics  Umstülpung  der  Reihenfolge  dieser  Orte  auf  der 
Tafel  ■^)  und  dessen  im  groben  Widerspruch  mit  ihren  Massen  stehenden  Ansatz 
der  dritten  Zwischenstation  Conbustica  gerechtfertigt  finden. 

Die  Gegend  zwischen  dem  eine  Therme  von  14"  C.  besitzenden  Nisevci, 
dem  Bezirksorte  Derven')  und  Knjazevac  sieht  recht  unwirtlich  aus.  Die  Strasse 
zieht  über  die  durch  viele  Dohnen  zerrissenen,  petrefaktenreichen  Kalke  der  809  m 
hohen  Tresibaba,  welche  1876  der  Schauplatz  heisser  Kämpfe  zwischen  Türken 
und  Serben  war.  Auf  ihrem  stark  undulierten,  spärlich  bewaldeten  Terrain, 
das  vom  fernen,  vielgezackten  Magien  und  scharfgeschnittenen  Rtanj  überragt 
wird,  entschied  sich  das  Schicksal  des  an  seinem  Fusse  liegenden  Knjazevac,  des 
oberen  Timoktais  und  des  ganzen  Feldzugs.  Der  Chef  des  serbischen  Generalstabs, 
General  Jovan  Miskovic,  veröffentlichte  ein  Tagebuch  über  die  Vorgänge  auf  dem 
linken  Flügel  derMorava-Armee'),  welches  durch  seine  Objektivität  viele  gleichzeitige 
Darstellungen  berichtigt  und  deshalb  hier  im  kurzen  Auszug  eine  Stelle  verdient. 


')  Glasnik,  Bd.  51. 

2)  A.  a.  O.,  S.  162. 

■')  Glasnik,  Bd.  45,  S.  52  ff. 

*)  Dieser  Ort  heisst  seit  1904  Sorijij,'  und  wurde  zugleich  zum  Städtchen  erhoben. 

'•)  Glasnik,  Bd.  49. 


348  Von  Niä  über  Knja^evac,  Soko-Baiijn  und  Zajccar  nach  NcKotin. 

Am  29.  Juli  wurden  die  Gramadahöhen  von  der  Pozarevacer  Brigade  erster 
Klasse,  dem  Svrljiger  Bataillon  zweiter  Klasse,  dem  Timoker  erster  Klasse, 
4  schweren  Geschützen  und  4  leichten  Batterien,  unter  dem  Kommando  des 
Oberstleutnants  Laza  Jovanovic,  gegen  den  von  Nis  mit  10  Bataillonen  Nizams, 
1  Feld-  und  1  Gebirgsbatterie  und  800  tscherkessischen  Reitern  heranziehenden 
Hafis  Pasa  verteidigt.  Gegen  Mittag  überrumpelte  dieser  die  serbische  rechte 
Stellung  und  nahm  die  Redoute  auf  dem  durch  das  Mlava-Bataillon  und  eine 
halbe  schwere  Batterie  besetzten  Debeli  Del,  was  die  Serben  um  4  Uhr  nach- 
mittags veranlasste,  sich  nach  Derven  und  nach  einem  leichten  Gefecht  am 
30.  Juli  auf  die  Tresibaba  zurückzuziehen,  wo  sie  sich  mit  der  Knjazevacer 
Brigade  unter  dem  Oberbefehl  des  Obersten  Horvatovic  vereinigte.     Der  31.  Juli 


General  Hon'atoviö. 

traf  dort  beide  Knjazevacer  Brigaden,  die  Pozarevacer  Brigade  mit  ihren  leichten 
Batterien,  einer  schweren  und  einem  Freiwilligenbataillon  in  Schützengräben,  den 
30  Bataillonen,  6  Eskadronen,  2000  Tscherkessen  und  6  Batterien  des  persönlich 
erschienenen  Musirs  Ahmed  Ejub  Pasa  gegenüber.  Um  8  Uhr  morgens  wurde 
der  aus  3  Bataillonen  und  einer  leichten  Batterie  bestehende  serbische  rechte 
Flügel  auf  der  Ploca  heftig  angegriffen,  doch  hielt  er  sich  tapfer;  weniger 
glücklich  der  um  3  Uhr  nachmittags  attackierte,  mit  der  Pozarevacer  Brigade 
und  einer  schweren  Batterie  die  Tresibaba  besetzt  haltende  linke  Flügel,  welcher 
um  5  Uhr  zurückgedrängt  wurde.  Am  heftigsten  entbrannte  der  Kampf  im 
Zentrum  bei  dem  von  6  Bataillonen,  den  Freiwilligen  und  1  Batterie  verteidigten 
höchsten  Tresibaba -Punkte  „Brkina  Vrtaca".  Auch  hier  entschied  die 
türkische  Übermacht.  Mit  einem  Verlust  von  30  Gefangenen,  500  Verwundeten 
und  130  Toten,  von  welchen  auf  das  tapfer  streitende  zweite  Reservebataillon 
allein  80  kamen,  mussten  die  Serben  den  Rückzug  auf  die  letzten  Höhen  vor 
Knjazevac   antreten.     Auf  diesem   begegneten   sie   der    über   Zajecar  angelangten 


Von  Nis  über  Knjazevac,  Soko-Banja  und  Zajecar  nach  Negotin.  'U!) 

Branicevoer  Brigade,  ihr  folgten  •  3  Bataillone  der  Kragujevacer  Brigade;  sie 
kamen  viel  zu  spät,  um  die  wichtige  Position  zu  halten. 

Während  der  leichten  Gefechte  am  1.  und  2.  August  raillierten  sich  die 
Serben  in  folgender  Aufstellung:  der  rechte  Flügel  mit  der  Knjazevacer  Brigade 
II.  Klasse  und  I  leichten  Batterie  auf  dem  Lastavicko  polje  und  ürohatljevica 
podvis,  das  Zentrum  mit  der  Pozarevacer  Brigade  I.  Klasse  und  1  schweren 
Batterie  auf  der  Glavicica,  der  linke  Flügel  mit  der  Branicevoer  Brigade,  den 
3  Kragujevacer  Bataillonen  und  Freiwilligen  auf  den  Baranicaer  Höhen,  die 
Reserve  auf  dem  Ibisov  Zabran.  Dieser  nur  12-13000  Mann  zählenden  Macht 
standen  türkischerseits,  einschliesslich  der  unter  Suleiman  Pa§a  erschienenen 
Verstärkungen,  42  Bataillone,  6  Eskadronen,  2500  Tscherkessen  und  9  Batterien 
zu  6  Geschützen,  zusammen  32—34000  Kämpfer,  gegenüber.  Die  am  3.  August 
vollends  aus  ihrer  stark  verschanzten  Tresibabaer  Position  hervorbrechenden  Türken 
überschütteten  den  serbischen  linken  Flügel  mit  einem  furchtbaren  Geschütz- 
hagel, besetzten  und  befestigten  den  Berg  Lipovica,  von  dem  sie  gegen  die 
rechte  serbische  Stellung  vordrangen.  Ihre  Infanterie  wurde  jedoch  von  den 
tapferen  Suniadijern  und  ebenso  ihre  über  Rgoste  vorgehende  Kavallerie  zurück- 
geworfen, eine  gegen  das  Zentrum  sich  zu  weit  vorwagende  Eskadron  aber 
aufgerieben. 

Auf  die  falsche  Nachricht,  dass  General  Cernjajeff  dem  stark  bedrängten 
Aleksinacer  Korps  über  das  südwestliche  Sv.  Arandjel  zu  Hilfe  ziehe,  Hess 
Horvatovic  seinen  rechten  Flügel  zur  Offensive  übergehen,  die  er  jedoch  bald 
aufgeben  musste.  Um  so  heftiger  bedrängten  nun  die  Türken  sein  Zentrum;  ihr 
ganzes  Geschützfeuer  konzentrierte  sich  auf  dasselbe,  während  ihre  Infanterie 
ununterbrochen  stürmte  und  stetig  Terrain  gewann.  Um  8  Uhr  abends  über- 
schritten die  türkischen  Freiwilligen  den  Timok,  das  Gros  folgte;  die  Glavicica 
fiel  in  ihre  Hand,  bald  musste  auch  der  Ibisov  Zabran  geräumt  werden, 
um  9  Uhr  war  die  Rückwärtsbewegung  der  Serben  eine  allgemeine.  Um 
Mitternacht  zog  der  Stab,  gegen  Morgen  das  serbische  Gros  durch  das  seinem 
Schicksal  überlassene  Knjazevac.  Horvatovic  besetzte  mit  der  Knjazevacer 
Brigade  und  den  Suniadijern  die  Klisura,  die  Branicevoer  Brigade  ging  nach- 
Vlasko  Polje,  die  Pozarevacer  nach  Bucje.  Der  blutige  Gefechtstag  kostete 
den  Serben  260  Tote,  1600  Verwundete  und  die  Hauptstadt  des  der  plündernden 
türkisch -tscherkessischen  Soldateska  preisgegebenen  Knjazevacer  Kreises.  Ani 
29.  August  räumte  Ahmed  Ejub  endlich  Knjazevac,  um  am  Angriff  auf  Aleksinac 
teilzunehmen,  worauf  es  Horvatovic  am   18.  September  wieder  besetzte. 

Von  einer  Vorhöhe  der  seit  1896  die  Grenze  zwischen  dem  Ni.ser  und  Timoker 
Kreise  (Zajecar)  bildenden  Tresibaba  erblickt  man  die  1  Stunde  ferne  nunmehrige 
Bezirksstadt  Knjazevac  tief  unten  in  der  vom  Svrlji§ki  Timok  durchschnittenen 
Hochebene,  welche  bei  seiner  Mündung  am  Trgoviski  Timok  sanft  verflacht. 
Auf  vielgewundenem  Wege  geht  es  im  blumenreichen  Tale  von  Oresac  hinunter. 
Plötzlich  biegt  die  Strasse  östlich  von  diesem  hübschen  Dorfe  ab,  und  gleich 
darauf  erscheinen  die  ersten  Häuser  des  hochliegenden  südlichen  Stadtteils,  den 
zwei    Brücken    mit    dem    anderen    nördlichen    verbinden.      In    diesem    liegt    das 


350  Von  Nis  über  Knjazevnc.  Snko-Bnnja  und  Zajecar  nach  Ncgotin. 

Kreishospital,  dessen  Chefarzt  Dr.  Macsay  mich  1860  in  gastfreundlichster  Weise 
aufnahm,  in  den  komfortablen  Räumen  seines  Hauses  fand  ich  eine  Bibliothek, 
Bilder  und  Zeitungen,  deren  Entbehrung  einem  an  geistige  Anregungsmittel 
gewöhnten  Mittel-  und  Westeuropäer  auf  die  Dauer  schwerer  fällt,  als  sonstige 
Kasteiungen  jeder  Art. 

Meine  Vermutung,  dass  Knjazevacs  treffliche  natürliche  Lage  schon  den 
römischen  Strategen  nicht  entgangen  sein  konnte,  wird  durch  den  Fund  antiker 
Reste,  von  Säulen  usw.  bestätigt,  welcher  neuestens  auf  der  „Kulahöhe"  bei  dem 
Divisionsgebäude  gemacht  wurde.  Dort  erhob  sich  in  mittelalterlicher  Zeit  auch 
die  kleine  Feste  von  „Gurgusovac".  Der  Ursprung  dieses  altserbischen  Namens 
wird  nach  einer  bisher  historisch  unerhärteten  Tradition  von  Grgur,  dem  Sohne 
Djuradj  Brankovics,  abgeleitet,  unter  dessen  Regierung  die  Stadt  wahrscheinlich  zu 
neuer  Blüte  gelangte.  Im  österreichisch-türkischen  Kriege  1737  wird  Gurgusovac 
unter  den  durch  Palanken  verteidigten  Orten  erwähnt,  doch  als  die  Kaiserlichen 
heranrückten,  verliessen  sie  die  Türken  ohne  Kampf.  Als  sie  aber  im  nächsten 
Jahre  vom  albanesischen  Drin  zur  Donau  wieder  siegreich  vordrangen,  wurden 
Gurgusovac  und  der  Timokdistrikt  furchtbar  verwüstet.  Die  Neubesiedelung  der 
von  den  Türken  schlechtweg  Timocka  Palanka  genannten  Stadt  soll  durch  Serben 
aus  Temesvar  erfolgt  sein.  Zu  Beginn  des  Freiheitskampfes  im  Jahre  1808 
entriss  sie  ihnen  der  Wojwode  Veljko,  welcher  den  Führer  Tosa  zum  Bezirks- 
wojwoden  ernannte;  doch  nach  der  Niederlage  bei  Nis  fiel  sie  mit  dem  ganzen 
Bezirk  erneut  unter  den  Halbmond,  im  November  1810  zog  Graf  Orurk  mit 
den  russischen  Hilfstruppen  den  Timok  aufwärts,  bombardierte  die  Palanka  mit 
18  Geschützen,  und  trotz  tapferer  Gegenwehr  niusste  ihre  800  Mann  starke 
Besatzung  mit  Zurücklassung  von  4  Geschützen  und  aller  Handwaffen  kapitulieren. 
Nochmals  besetzten  die  Türken  1813  die  Stadt  und  blieben,  bis  auch  dieser  Teil 
des  Timokgebietes  1833  dem  Fürstentum  ausgeliefert  wurde. 

Knjazevac  umgibt  ein  reizender  Naturpark,  begrenzt  von  reben-  und  baum- 
bepflanzten Höhen,  welche  zahlreiche  Wasseradern  durchrieseln.  Auch  vor  dem 
unheilvollen  Kriege  vom  Jahre  1876  fehlten  ihm  architektonisch  hervorragende 
Gebäude;  doch  sein  hochliegendes  Kreisamt,  die  um  dasselbe  und  auf  beiden 
Timokseiten  gruppierten  netten  Häuser  mit  Veranden  und  Terrassen,  durchwachsen 
in  italienischer  Weise  von  saftigem  Grün,  übten  gleich  freundlichen  Eindruck, 
wie  die  nach  den  Höfen  geöffneten  Bogenhallen,  in  welchen  man  die  malerisch 
gekleideten  Frauen  mit  der  Anfertigung  von  den  Pirotern  wenig  an  Güte 
nachstehenden  Teppichen  beschäftigt  sah.  Den  höchsten  Punkt  krönt  die  Ruine 
der  berüchtigten  „Gurgusovacer  Kula",  in  welcher  man  einige  1857  als  „Gegner 
der  Karadjordjevic"  verhaftete  Senatoren  bis  zur  Rückkehr  der  Obrenovic  gefangen 
hielt.  Auf  Milos'  Befehl  musste  der  Stadtnamen  sofort  mit  „Knjazevac" 
(Fürstenstadt)  vertauscht  und  die  Kula  vertilgt  werden.  1859  wollte  man  sie  mit 
Pulver  sprengen;  der  Fürst  bestand  aber  darauf,  dass  Feuer  an  dieselbe  gelegt 
werde.  Auf  der  Veranda  seines  Hauses  wartete  —  wie  mir  Augenzeugen 
erzählten  —  der  rachedürstende  Greis,  bis  die  Flammen  aus  First  und  Fenstern 
schlugen.     Das  grelle   Schauspiel   ergötzte  ihn,   die   geborstenen  Mauern  liess   er 


Von  Nis  über  Knjazevac,  Soko-Banjn  und  ZaJL-car  nach  Negotin. 


351 


tags    darauf    tier    Erde    gleich     machen;     die     Nebengebäude    wurden    für     das 
Telegraphenanit  eingerichtet. 

Knjazevac,  dessen  Umfang  sicii  einst  bis  zum  östhciien  Trgoviste  und  seiner 
Burg  Golubac  auf  dem  „Kozarnik"  erstreckt  haben  dürfte,  besass  1859  nur 
527  Häuser  mit  2417  Seelen,  ferner  mehrere  Gebäude  für  die  Kreisäniter,  zwei 
Knaben-  und  eine  Mädchenschule,  eine  Post-  und  Telegraphenstation,  einen 
Leseverein  und  eine  architektonisch  unbedeutende  Kirche,  neben  der  ein  grösserer 


Rote  Kreuz-Station  im  Spital  zu  Knjazevae. 


Neubau  projektiert  war,  für  welchen  die  Gemeinde  schon  1864  einen  durch 
Verzinsung  sich  mehrenden  Baufonds  von  150000  Piastern  besass.  Das  Kreis- 
spital wurde  1852  für  24  Betten  errichtet,  um  der  häufigen  Syphilis  möglichst  zu 
steuern,  die  man  früher  in  Serbien  nur  in  Studenicas  Umgebung  kannte  und, 
wie  es  heisst,  eine  traurige  Hinterlassenschaft  der  russischen  Hilfstruppen  vom 
Jahre  1810  ist. 

Dr.  Mäcsays  Spital  und  Apotheke  gehörten  zu  den  besten  des  Landes  und 
bewährten  sich  trefflich  während  des  Krieges  im  Jahre  1876.  Nur  wenige  Kreise 
des  Landes  wurden  durch  diesen  gleich  stark  wie  der  Knjazevacer  geschädigt. 
Er  hatte  im  ganzen  7265  Mann  mobilisiert,  welche  nach  der  Schlacht  auf  der 
Tresibaba   teilweise   auch   an   den   Gefechten   des  9.  August   bei   Zitkovac,   des 


352 


Von  Nis  über  Knjazevac,  Soko-Banja  und  Zajecar  nacli  Negotin. 


12.  August  bei  Sumatovac,  des  13.  und  14.  August  bei  Rzavci,  des  18.  September 
bei  Gredelina  teiliialimeii  und  1  Stabsoffizier,  3  Ober-,  17  Unteroffiziere 
und  390  Soldaten  an  Toten,  dann  78  Vermisste  und  740  Verwundete  verloren. 
35  blieben  Krüppel  an  Händen  oder  Füssen.  Durch  Knjazevac  zogen  20000  Serben 
und  35000  Türken  hin  und  zurück.  Die  Dörfer  litten  nicht  minder.  In  12  Orten 
blieben  von  865  Häusern  nur  64  erhalten.  Die  Frauen  von  Aldinac  und 
Dejanovac  töteten  13  Kinder,  damit  sie  nicht  in  tscherkessische  Hände  fielen. 
Die  Bewohner  von  Pricevac  flüchteten  in  eine  benachbarte  175  m  lange,  4  m 
breite,  6  m  hohe  Höhle,  deren  Eingang  der  später  durch  die  silberne  Tapferkeits- 
medaille ausgezeichnete  Buljukbasa  Dina  Radojkovic  mit  einigen  Soldaten  gegen 


Plünderung  eines  Dorfgehöfts. 


die  Öfters  anrückenden  Türken  heldenhaft  verteidigte.  Die  von  der  Knjazevacer 
Bevölkerung  bewiesene  patriotische  Aufopferung  geht  aus  vorstehenden  Daten 
ohne  weiteren  Kommentar  hervor  und  wird  durch  ein  den  Gefallenen  gewidmetes 
bescheidenes  Denkmal  verewigt. 

Überraschend  schnell  erstand  die  von  den  Türken  in  einen  Schutthaufen 
verwandelte  Stadt.  Als  ich  sie  am  11.  August  1897  wieder  besuchte,  erinnerten 
nur  wenige  provisorische  Lehmhäuser  und  unaufgebaute  Ruinen,  bei  deren 
Durchsuchung  man  auf  stark  verkohlte  menschliche  Skelette  stiess,  an  die  Katastrophe 
von  1876.  Die  eingeäscherten  Magazine  und  Wohnhäuser  erstanden  in  soliderer 
Gestalt.  Das  von  den  Tscherkessen  als  Pferdestall  benutzte  Kirchenschiff  erhielt 
eine  von  Markovic  trefflich  gemalte  Ikonostasis,  ihr  hoher  Turm  wurde  erneuert, 
das  einstige  Nacelstvo  zum  Pukkommando  bestimmt,  auf  dem  Kulaplatz  erbaute 
man  mit  dem  Kostenaufwande  von  500000  d  ein  hübsches  Gebäude  mit  Vorgarten 
für    den    1888   von    Paracin    dahin    verlegten    Stab    der    II.    Division,    andere   für 


Von  Nis  über  Knjaievac,  Soko-Banja  und  ZajeCar  nach  Negotin.  353 

3  Batterien,  und  nachdem  der  Trgoviäki  Timok,  welcher  den  unteren  Stadtteil 
früher  oft  überflutete,  reguliert  worden,  an  der  Zajecarer  Strasse,  bei  den  Resten 
des  Goiubac-Schlösschens,  4  Pavillons  für  die  starke  Infanterie-Garnison. 

1896  zählte  Knjazevac  schon  in  840  Häusern  über  5000  Bewohner,  unter 
diesen  47  Gast-  und  Kaffeewirte,  2  Ärzte,  3  Geistliche,  19  Professoren  und  Lehrer, 
8  Advokaten,  157  Kaufleute  und  Krämer,  welche  gleich  den  sehr  zahlreichen 
Gewerbetreibenden  durch  die  1888  begründete,  zuletzt  12  Millionen  d  zu  10 »/o 
in  Umlauf  setzende  Sparkasse  sehr  gefördert  werden.  Der  dort  fabrizierte 
„Sajak"-Schafwollstoff  wird  sehr  gerühmt,  und  Crampton-^ivkovicschc  Webstühle 
sind  oft  im  Gebrauch.  Die  46  Offiziere,  500  Soldaten  und  vielen  Pensionäre 
geben  dem  in  Gasthöfen  und  Cafes  chantants  sich  abspielenden  öffentlichen  Leben 
stark  militärischen  Anstrich.  Die  in  Gesellschaft  des  Bezirks-  und  Stadtvorstandes, 
mit  Oberst  Jakobljev,  dem  Advokaten  Uros  Gavrilovic  und  dem  für  Archäologie 
sich  interessierenden  Lehrer  Ristic  verbrachten  Stunden  verflossen  rasch.  Alles  in 
allem  wird  die  freundliche  Stadt,  wenn  ihr  1889  vom  Zajecarer  Ingenieur  Mata 
Dimic  entworfener  Regulierungsplan  durchgeführt  sein  wird,  zu  den  schönsten 
Serbiens  zählen,  und  auch  die  Bevölkerung  ihrer  Umgebung  dürfte  bald  wieder 
an  Wohlstand  sich  wie  früher  mit  dem  der  gerühmten  Sabacer  Landschaft 
messen  können. 

Im  Juni  1900  bereitete  Knjazevac  dem  König  Alexander  einen  gleich 
sympathischen  Empfang,  wie  er  ihn  auf  seiner  Rundreise  bis  Nis  in  ganz  Ost- 
serbien gefunden,  was  für  mich  und  andere,  die  daselbst  zuletzt  reisten,  nichts 
Überraschendes  hatte.  Denn  bis  1883,  wo  sich  der  Kreis  dem  Aufstande  gegen 
das  Regiment  der  „Naprednjaci"  (Fortschrittspartei)  anschloss,  was  mehrere 
Knjazevacer  mit  Tod  oder  Gefängnis  zu  Zajecar  büssten,  galten  seine  Bewohner 
als  unbedingt  herrschertreu.  Noch  1881  rühmte  Miäkovic'),  dass  sie  ungleich  den 
fortwährend  politisierenden  Sumadijern  einzig  der  Arbeit  lebten,  gerne  singen, 
tanzen,  doch  sehr  abergläubisch  seien.  „Fleissig  wie  ein  Zaglavcanin",  sagt  ein 
Volkswort,  und  dem  entspricht  auch  das  Aussehen  der  Dörfer.  Ihre  Häuser  sind 
mit  Ziegeln  gedeckt;  jedes  wohlhabendere  hat  einen  podrum  (Keller),  ambar 
(Maisspeicher),  einen  kos  (Art  Scheuer  von  Flechtwerk)  für  Weizen  und  kosara 
(Stall  von  Flechtwerk)  für  das  Vieh. 

Im  Gesichtsschnitte  der  Männer  will  Miäkovic  türkische  Züge  entdecken; 
ich  sah  sie  aber  als  solche  des  bulgaro-slavischen  Typus  ihrer  serbisierten 
Vorfahren,  der  „Timociani",  an-),  von  welchen  ich  noch  sprechen  werde  (III.  Bd., 
11.  Kap.). 

Die  Burschen  heiraten  hier  oft  mit  16—18  Jahren;  stark  bebartete  finden, 
weil  „drt"  (verbraucht),  schwer  tüchtige  Mädchen.  Diese  werden  im  Gegenteil, 
als  wertvolle  Arbeitskräfte,  selten  vor  dem  25.  Jahr  aus  dem  Elternhaus  entlassen. 
Ich  selbst  sah  zu  Knjazevac  am  22.  Juli  1860  den  Hochzeitszug  eines  alten 
Mädchens,  das,  vom   Fürsten  wegen  Kindesmords  begnadigt,  ihren  weit  jüngeren 

')  Glasnik,  Bd.  49,  S.  98  ff. 

')  Safarik,  Slavische  Altertümer,  II.  Bd. 

F.  KAM  TZ,   Serbien.    II.  23 


n54  Von  Nis  über  Knjazevac,  Soko-Banja  und  Zajetar  nach  Negotin. 

Burschen  heiratete.  Das  Fest  verlief  sehr  lustig.  Alle,  auch  die  Braut,  trugen 
Fahnen  und  bunte  Tücher  an  den  Schultern;  ein  Dudelsackpfeifer  und  Qajde- 
spieler  —  man  kennt  hier  die  echt  serbischen  Ouslc  nicht  —  spielten  heitere 
Weisen.  Unter  den  vielen  Vorbedeutungen  für  die  Zukunft  der  Wöchnerin  und 
des  neugeborenen  Kindes  spielt  die  Nabelschnur  wie  mir  Dr.  Mäcsay  erzählte  — 
eine  grosse  Rolle.  Auch  der  zu  gebende  Name  erscheint  wichtig;  er  weicht  oft 
von  den  üblichen  zentralserbischen  ab.  Die  gebräuchlichsten  für  Knaben  sind: 
Bojko,  Djergo  (serbisch  Djordje,  Georg),  Janos,  Pavun  (Paun),  Puja  (serbisch  Prvul), 
Selimir,  Sevdelin'),  Sibin,  Sokol,  Strahin,  Subota  (Samstag),  Trandavil  u.  a.;  für 
Mädchen:  Budimka  (Ofnerin),  Divna  (Wunderschöne),  Dobra  (Gute),  Dunja 
(Quitte),  Jabuka  (Apfel),  Jagoda  (Erdbeere),  Kita  (Blumenstrauss),  Krstava 
(abgeleitet  von  Kreuz),  Kadivka  (Samtblume),  Kosuta  (Hirschkuh),  Latinka 
(Lateinerin),  Nena  (bosnisch  Mutter),  Moravka  (Flussname),  Mira  (Friedliche), 
Solunka  (Salonikerin),  Rusa  (Rose),  Trena  (Augenblickliche),  Vesela  (Lustige), 
Vukana  (altslavischer  Name),  Zlata  (Goldene)  u.  a.  Auch  in  Sprache,  Brauch 
und  Tracht  unterscheiden  sich  die  Serben  im  Timokgebiet  auffällig  von  jenen 
im   nördlichen  Königreich.     Milicevic  bringt  hierfür  viele  überzeugende  Beispiele.-) 

Während  meiner  eingehenden  Reise  im  serbischen  Südostgebiet  im  Jahre 
1864  führte  mich  ein  mit  Dr.  Mäcsay  von  Knjazevac  unternommener  Ausflug 
in  einer  Stunde  S.  zum  ausgedehnten  Ruinenfelde  „Baranica"  am  Timok.  Dort 
fand  ich  neben  den  Fundamenten  antiker  Bauten  zwei  beim  nahen  Zukovac 
ausgegrabene  weisse  Marmorsäulen  und  römische  Inschriften.  Nach  meiner  auf 
S.  347  berührten  Untersuchung  stand  hier  die  Zivilniederlassung  von  Timacum 
minus,  auf  der  Höhe  ihr  Kastell.  Beide  lieferten  das  Material  für  zwei  Burgen, 
welche  im  Mittelalter  das  dort  sich  verengende  Timokdefilee  beherrschten.  Ihre 
auf  hohen,  Kalkfelsen  stehenden  Ruinen  boten  mit  der  wild  zerklüfteten  Schlucht 
ein  pittoreskes  Bild,  dessen  Umrisse  ich  rasch  skizzierte. 

Viele  antike  Münzfunde  im  benachbarten  Terrain  beweisen,  dass  Timacum 
minus  ein  lebhafter  Verkehrspunkt  der  antiken  Donaustrasse  nach  Ratiaria  war. 
Um  ihre  weitere  Trace  zur  dritten,  noch  festzustellenden  Zwischenstation  Conbustica 
zu  bestimmen,  schlug  ich  die  eine  Viertelstunde  N.  hinter  Knjazevac  auf  das 
linke  Timokufer  tretende  alte  Zajecarer  Strasse  ein.  Die  nach  Ratiaria  zur  Donau 
führende  Trace  musste  jedenfalls  das  Serbien  gegen  O.  von  Bulgarien  trennende 
Gebirge  gekreuzt  haben.  Dass  dieses  nicht,  wie  auf  Schedas  Karte,  ununterbrochen 
zur  Timokmündung  ziehe,  wurde  mir  schon  1862  klar,  als  ich  vom  Vrska  Cuka- 
Kastell  über  die  dort  beginnende  Hochebene  nach  Vidin  fuhr;  die  zeitkürzende 
Abzweigung  musste  aber  noch  vor  dem  nach  Zajecar  führenden  „Passo  Augusto" 
erfolgt  sein,  sollte  nicht,  falls  es  vom  Feinde  genommen,  jede  Verbindung  mit 
der  Donau  verloren  sein. 

Empfangenen  Andeutungen  über  von  Knjazevac  nur  7  km  entfernte  Baureste 
bei  Ravna  folgend,  beschloss  ich,  zunächst  diese  zu  besichtigen.    Nach  Safariks 


')  S.  Fussnote  auf  S.  273. 
')  Kneievina  Srbija,  S.  857  ff. 


Von  Nis  über  Knjnzevac,  Soko-Banja  und  Zajecar  nach  Negotin. 


355 


Lebensbeschreibung  von  Neinaiija  hatte  Stevan  der  Erstgekrönte  im  festen  Ravna 
eine  Zusammenkunft  mit  dem  Ungarkönig  Andreas,  bei  welcher  die  Fürsten 
nach  geschlossenem  Frieden  sich  gegenseitig  mit  prächtigen  Pferden,  wertvollen 
Bechern  usw.  beschenkten.  Ich  traf  bei  Ravna  gegen  alle  Erwartung  wenig 
Mittelalterliches,  dagegen  aber  ein  Kastrum  von  bedeutender  Grösse,  dessen 
Galerien  und  Kasematten  bergende,  137  m  lange,  114  m  breite  Fronten  vier 
im  Mauerweik  1  m  starke  Ecktürmc  und,  wie  General  Anta  Bogicevic  später 
feststellte,  auch  gegen  N.,  W.  und  S.  je  drei  vorspringende  Rundtürme  verstärkten. 
Sein  Hauptzugang  befand  sich  an  der  Flussfronte,  der  Brunnen  im  Zentrum. 
Leider  verschleppten  die  Dorfbewohner  das  Material  des  Oberbaues  zum  Häuserbau; 


Aus  iler  Tr^oviski  Tiinok-Sclilucht. 


zahlreiche  Inschriftsteine  wanderten  in  Kirchen-  und  Brückenfundamente.  Aus 
Ravna  stammt  auch  neben  neueren  Funden  die  Inschrift,  welche  auf  einem 
mit  Delphin  und  Dreizack  verzierten  Marmorsteine  die  I.  der  „cohortes  Thracum 
Siriacae"  zum  erstenmal  bezeugt.')  Etwa  100  m  NO.  vom  Kastrum  stiess  ich 
auf  zwei  nun  trocken  liegende  Köpfe  einer  antiken  Brücke  über  den  früher 
westlicher  fliessenden  Timacus. 

Dieser  unerwartet  gefundene  römische  Timokübergang  gab  mir  den 
erwünschten  Fingerzeig  für  die  weitere  Richtung  der  antiken  Hauptstrasse,  und 
eine  an  den  nahen  östlichen  „Kadibogazpass"  geknüpfte  Tradition  liess  mich 
ihre  Wegabzweigung  durch  diesen  zur  Donau  vermuten.     Der  Name  des  Defilees 


')  Arch.-epigr.  Mitteil.  1884,  S.  84  f.        Starinar,  iil,  S.  27. 
No   8261,  8263  und  eine  dritte  Inschrift  No.  8262. 


C.  I.  L.  111,  Suppl.  Fase.  II, 


23* 


^5ß  Von  Nis  über  Knjazevac,  Soko-Banja  und  Zajecar  nach  Negotin. 

Stammt  von  einem  Kadi,  der,  vom  jenseitigen  Beiogradcii<  l<omniend,  hier  über- 
fallen, todesmutig  in  das  unten  hintosende  Wasser  sprang  und  entkam,  was  auf 
eine  Strasse  im  Einschnitt  iiindeutete.  Wirklich  stiess  ich  bei  dem  von  Bulgaren 
bewohnten  Novo  Korito  auf  Stellen  eines  gepflasterten  Weges,  der  mich  in  drei 
Stunden  an  den  verbarrikadierten  Defileeausgang  brachte.  NW.  von  diesem  krönt 
die  zwischen  Korito  und  Osljane  sich  erhebende  „Gradska  Glama"  die  Ruine 
eines  KasteHs,  das  mit  dem  südlicheren,  auf  der  907  m  hohen  „Gradiska  Cuka" 
an  der  Jelasnica,  den  Pass  überwachte.  Bis  zum  Ende  des  vorigen  Jahrhunderts 
war  der  Kadibogazweg  sehr  belebt;  Pasvan  Oglu  Pasas  Vidiner  Regiment,  die 
Dahienstürme  und  serbischen  Freiheitskämpfe  hatten  aber  das  Timokgebiet  so 
verödet,  dass  dieser  ursprüngliche  Römerweg  alle  Bedeutung  verlor.  Er  büsste 
sie  vollends  ein,  als  Fürst  Milos  den  Pass  sperrte  und  die  Verbindung  mit  Vidin 
nur  durch  die  Quarantäne  Vrska  Cuka  gestattete. 

Nur  Schmuggler  und  passlose  Gesellen  suchten  sich  durch  das  Korito-Defilee 
nach  Serbien  und  Bulgarien  zu  schleichen.     Vor  wenigen  Jahren  bewältigten  dort 


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Römerbrücke  am  Timok  bei  Ravna  im  Jahre  IStK). 

serbische  Gendarmen  nach   schwerem  Kampfe   sechs  bulgarische  Heiducken,  bei 
welchen  man  tausend  türkische  Goldlira  in  den  Schuhsohlen  eingenäht  fand. 

Der  zur  Türkenzeit  gänzlich  gesperrte,  erst  im  Herbste  1897  dem  Verkehr 
wieder  geöffnete  Kadib  ogaz-Grenzzaun  unterbrach  bedauerlicherweise  meine 
jenseitige  Verfolgung  des  gefundenen  römischen  Donauwegs.  Einige  Wochen 
später  stellte  ich  vom  türkischen  Arcar  aus,  am  gleichnamigen  Flusse  W. 
ziehend,  eine  scheinbar  zum  Kadibogaz  laufende  antike  Strasse  fest  und  stiess 
an  dieser  bei  Kladrup  auf  eine  römische  Niederlassung;  doch  wagte  ich  nicht, 
sie  mit  Conbustica  zu  identifizieren,  weil  die  Tafelmasse  nicht  mit  diesem  Punkte 
stimmten.  1)  Ebensowenig  wagte  ich  es,  bei  der  Unverlässlichkeit  der  damaligen 
kartographischen  Behelfe,  die  von  mir  im  südlicheren  Belogradcik  nach- 
gewiesenen römischen  Reste  mit  diesem  Conbustica  zu  identifizieren.-)  Heute 
darf  ich  aber,  auf  Grundlage  der  neuen  serbischen  Karte,  mit  grosster  Wahr- 
scheinlichkeit annehmen,  dass  diese  seit  Mannert  vergeblich  gesuchte  Mansion 
an  Belogradciks   Stelle   lag,  und   dass   die   römische   Trace   von  Timacum   minus 


')  Donau-Bulgarien  und  der  Balkan,  II    Auflage,  I.  Bd.,  S.  1(X). 
=)  Ihid.,  S.  51. 


Von  Nis  über  Knjazevac,  Soko-Banja  und  Zajecar  nach  Negotin.  357 

(Baranica)  östlich  an  der  Zukovacka  reka,  unter  Gradiätes  Kastell,  bei  dem  man 
silberne  Getasse  usw.  fand,  über  die  Ivanova  Livada,  das  27  Millien  entfernte 
Cünbustica,  und  mit  weiteren  27  Millien,  über  Kladrups  befestigte  mutatio,  die 
Donaustadt  Ratiaria  erreichte.  Sollte  die  weitere  Untersuchung  auf  dem  Terrain 
diesen  Strassenzug  vollends  festlegen,  wird  damit  ein  neuer  Beweis  für  die 
Verlässlichkeit  der  Peut.  Tafel  erbracht  sein  und  der  Römerweg  im  „Kadibogaz" 
sich  als  eine  nördlichere  Verbindung  des  Veliki-  mit  dem  unteren  Tiniok  darstellen. 

Die  vom  südwestlichen  Sv.  Nikola- Balkan  zur  Vrska  Cuka  streichenden 
Zaglavak-Grenzberge  bilden  einen  mächtigen  kristallinischen  Zug,  dessen  Kitka 
und  Tresak  (1025  m)  sich  aus  Syenit,  der  anschliessende  1150  m  hohe  Babin 
Nos  aus  Grünstein,  die  südlichen  Höhen  bis  zur  Ivanova  Livada  aber  aus  Sylikaten 
konstituieren.  Von  Korito,  wo  ich  das  Bd.  111  mitgeteilte  Gebirgsprofil  nahm, 
auf  die  Hauptstrasse  zurückgekehrt,  sah  ich  bei  Novi  Han  noch  Reste  der 
„Adlija  Kula",  welche  der  Subasa  Omer  1833  trotz  des  klaren  Sultanfermans 
nicht  räumen  wollte,  bis  die  Anwohner  sie  anzündeten  und  ihn  töteten.  1897 
fand  ich  in  dem  1560  Bewohner  zählenden,  seither  „Kraljevo  Selo"  genannten 
und  zum  Amtszentrum  des  Timoker  Bezirks  erhobenen  Novi  Han  ein  stattliches 
Administrationsgebäude  mit  Schule  und  eine  gute  Mehana,  in  der  wir  den  auf  den 
sonnigen,  nahen  Tiniokhöhen  wachsenden  Rotwein  kosteten   und  trefflich  fanden. 

Auf  Kieperts  früher  anerkannt  bester  Karte  erschien  die  von  uns  durchquerte 
nördliche  fruchtbare  Hochebene  wenig  bewohnt,  ich  verzeichnete  jedoch  an  der 
Strasse  bis  Zajecar  nicht  3,  sondern  20  Orte,  darunter  einige  durch  besondere 
Grösse  und  Wohlhabenheit  ausgezeichnete.  Am  linken  Timokufer  begleitete  uns 
das  1020  m  hohe,  scharfprofilierte  Gebirge  Magien,  dessen  Plateau  kaum  200  m 
breit  ist.  Die  nördlichere,  1135  m  hohe  Tupiznica  besitzt  wie  der  benachbarte 
Rtanj  (S.  118)  eine  durch  Eisbildung  in  der  warmen  Jahreszeit  berühmte  Höhle. 
Der  ganze  „Lasovacka  Planina"  genannte  Gebirgszug  kulminiert  im  1210  m 
hohen  Glogovacko  Brdo.  An  seinem  südöstlichen  Fusse  stehen  bei  Kozelj 
auf  einem  etwa  180  m  aufragenden  Kalkfelsen  die  100  m  langen,  50  m  breiten 
Reste  des  „Koziji  grad",  auch  „Kozjak"  genannten  Schlosses,  dessen  bis  auf 
unsere  Zeit  ziemlich  wohlerhaltene  Kirche  am  Zusammenflüsse  der  Veliko  und 
Malo  2drelo  zum  Baue  der  Knjazevacer  abgetragen  wurde,  ein  Barbarismus,  den 
Milicevic  mit  Recht  tadelte.  Der  bei  ihrer  Ruine  gefundene,  von  mir  veröffentlichte 
römische  Votivstein ')  und  andere  Anzeichen  machen  es  fraglich,  ob  nicht  „Kozelj"-) 
auf  den  Rudimenten  eines  Römerkastells  entstand.  Nach  der  Volkssage  hatte 
das  erwiesen  von  Stevan  Nemanja  1185  den  Byzantinern  entrissene  Schloss  durch 
eine  türkische  Beschiessung,  nacii  anderer  Meinung  aber  durch  eines  der  in 
dieser  Gegend  häufigen  Erdbeben  stark  gelitten;  auch  am  19.  September  1858 
und  ebenso   1867  erschreckten  heftige  Erdstösse  die  Anwohner. 

Gleich  nachdem  wir  die  Selacka  reka  überschritten,  bogen  wir  0.  in  ihr 
Defilee  ab.    Auch  das  Eindringen  in  dieses  enge  Quertal  suchten  die  Römer  durch 


')  Arch.-eplgr.  Mitt.  1884,  S.  86.  -     C.  I.  L.,  Siippl    Fase.  II,  No.  82(35. 
-')  Daniele,  Rjecnik,  I,  S.  432. 


■?5tS  Von  Nis  über  Knjazevac,  Soko-Banja  und  Zajccnr  nach  Nogotin. 

Kastelle  auf  der  vom  Kloster  südwestlichen  997  m  hohen  Janosica  und  auf  dem 
nordöstlichen  500  m  hohen  Vetren  zu  hindern.  Ihre  Rudimente  sind  noch 
sichtbar.  Gemeinsam  mit  den  Sperrforts  auf  dem  linken  Timokufer  zwischen 
Zagradje  und  Vrbica  •)  hatten  sie  mit  der  geschilderten  grösseren  Feste 
bei  Ravna  die  von  Tiniacuni  minus  zum  Vratarnica-Defilee  laufende  Strasse 
zu  schützen. 

Selten  sah  ich  eine  pittoreskere  Schlucht.  Die  auf  beiden  Selacka  reka-Ufern 
näher  tretenden  Kalkfelsen  reflektierten  ihr  helles  Gestein  mit  saftigfrischer  Vegetation 
im  kristallklaren  Bache.  Immer  lauteres,  geheimnisvolles  Tosen  eines  in  mehreren 
Kaskaden  herabstürzenden,  über  20  m  hohen  Wasserfalls  begleitete  uns  bis  zu 
dem  von  seinem  Plateau  herabblickenden  „Manastir  Suvodol".  Wir  stiegen 
hinan,  und  ein  „Sveti  otac"  (hl.  Vater)  begrüsste  uns  an  seiner  Pforte.  Das  der 
„Sveta  Bogorodica"  (hl.  Mutter  Gottes)  geweihte  Kloster  zählt  zu  Serbiens  alten 
frommen  Stiftungen,  doch  fehlen  Inschriften  und  Urkunden,  welche  über  sein 
Gründungsjahr  sichere  Aufschlüsse  geben.  1810  war  es  der  Schauplatz  eines 
Kampfes  zwischen  Serben  und  Türken.  Diese  plünderten  das  Kloster  und  kühlten 
ihr  Mütchen  auch  am  mittelmässigen  Freskenschmucke  seiner  Kirche,  indem  sie 
mit  ihren  Handscharspitzen  den  Heiligen  die  Augen  ausstachen.  Der  Grundriss  der 
seither  wieder  geweihten  Kirche  erinnert  an  Zica;  denn  an  den  schmalen  Narthex 
lehnen  auch  hier  zwei  Kapellen,  der  kuppellose  Hauptraum  wird  aber  durch  ihre 
drei  Apsiden  kleeblattförmig  geschlossen  und  durch  wenige  Fenster  nur  spärlich 
erhellt.  Bemerkenswert  fand  ich  die  bei  serbischen  Kirchen  seltene  Anlage  eines 
Peristyliums  an  der  Stirnfassade.  Drei,  von  zwei  vortretenden  Wand-  und  zwei 
freistehenden  Pfeilern  getragene  Bogen  bergen  das  in  der  Wölbung  befestigte 
harmonische  Geläute.  Nach  den  Umschriften  wurde  die  Glocke  zu  Pest,  die 
zweite  1858  zu  Vrsac  im  Banat  gegossen.  Seither  entstand  auf  der  Stelle  des 
abgetragenen  Kirchleins  ein  wieder  „Maria  Geburt"  1889  geweihter  grösserer 
Kuppelbau.  Als  ich  die  Kirche  verliess,  wäre  ich  beinahe  auf  ein  Mädchen 
getreten,  das  anscheinend  bewusstlos  vor  dem  Portale  lag.  Seine  Gesichtszüge 
waren  wenig  entstellt,  das  Leiden  äusserte  sich  nur  in  den  krampfhaft  zuckenden 
Extremitäten.  Neben  der  Kranken  kauerte  mit  stumpfsinnigem  Blicke  die  ächzende 
Mutter,  welche  ihre  Tochter  in  das  Kloster  gebracht,  damit  seine  Mönche  den  sie 
quälenden  djavo  (Teufel)  bannen  möchten!  „So  pfuscht  man  uns  hier  und  allerorts 
ins  Handwerk!"  meinte  Dr.  Mäcsay.  Auch  der  Knjazevacer  Kreis  besass  früher 
mehrere  derartige  Brutstätten  krassesten  Aberglaubens,  die  mit  reichen  Stiftungen 
begabt  waren.  Suvodol  besitzt  noch  heute  55  Hektar  Felder  und  Wiesen,  7  Hektar 
Obst-  und  Weingärten,  715  Hektar  Wald,  2  Mühlen,  50  Bienenstöcke,  bedeutenden 
Viehstand  usw.  Das  ausgewiesene  Einkommen  beträgt,  trotz  des  grossen  Grund- 
eigentums und  dass  der  Kirche  3  Pfarren  mit  7  wohlhabenden  Dörfern  zugeteilt, 
nach  dem  Steuerbekenntnis  jährlich  nur  2850  d. 

Ich  sehnte  mich  hinaus  aus  der  dunkel  gewordenen  Klosterschlucht  und 
wartete    nicht   ab,    welchen    Erfolg   der   angewendete    Exorzismus    erzielte.      Die 


')  Ibid.,  Inschrift  von  Vrbica,  No.  8266. 


Von  Nis  über  Knjnzevnc.  Soko-Banja  und  Zajecar  nach  Negotin. 


:{5!) 


Pracht  der  vsestlich  auftretenden,  mit  rötlichem  Abendglanz  übergossenen  Ebene 
verscheuchte  bald  den  Eindruck  der  erlebten  grellen  Szene.  Auf  der  Strasse  und 
den  erntereifen  Feldern  herrschte  noch  volles  Leben.  Zwischen  den  mannshohen 
Maisstauden    trieben    sich    fn>li!ich    singende    Menschen     umher.      Heimziehende 


SUVODOL.     Kliistci   iiiiil  VV.isscrfall  im  Jahre  18(>Ü. 


Landlcute  in  kleidsamen  Trachten,  die  Frauen  in  dem  hier  charakteristischen 
enganliegenden  schwarzen  Tuchrocke,  die  Haare  aufgelöst,  den  Fes  mit  Hahnen- 
federn geschmückt,  bewegten  sich  zum  Vratarnica-Pass,  und  lange  Karawanen 
mit  kleinen  Ochsen  bespannter,  Salz  führender  Karren  gegen  Knjazevac. 


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Von  Nis  über  Knjnzevac,  Soko-Banja  und  Zajecar  nach  Negotin. 


Der  meine  Forschungen  unermüdlich  fordernde  Dr.  Mäcsay  begleitete  mich 
auch  auf  dem  dritten  Ausfluge  zur  richtigeren  Eintragung  des  Trgoviski  Timok. 
Von  Knjazevac  führte  uns  die  wenig  belebte  Strasse  durch  das  allmählich  sich 
erweiternde,  von  gut  bewaldeten  Bergen  umschlossene  Strpcital,  an  dessen 
interessante  Kirchenruine  sich  folgende,  vom  Knjazevacer  Gymnasiallehrer  Ristic 
mitgeteilte  Erzählung  knüpft.')  Am  Vorabend  des  Sv.  Toma  (Thomas)  1888  erschien 
dort  einer  Frau  im  Traume  ein  Geist,  der  ihr  versicherte,  ihr  schwer  krankes  Kind 
würde  solange  nicht  gesunden,  bis  sie  nicht  die  hl.  Jungfraukirche  an  dem  ihr 
bezeichneten  Punkte  aus  der  Erde  grabe.  Da  die  Erscheinung  sich  wiederholte, 
machte  sich  die  Frau  mit  ihren  Leuten  ans  Werk.     Wirklich  stiess  man  bald  auf 


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Backsteinteclinik  von  der  Kirchenkuppel  zu  Kameiiica. 

Mauern,  die  mit  Hilfe  der  Nachbarn  freigelegt  wurden,  worauf  das  Kind  gesundete. 
Der  im  Innern  20  m  lange,  7,50  m  breite  Bau  besitzt  an  der  Ostseite  eine 
halbrund  vorspringende  Apside,  gegen  W.  einen  narthexartigen  Vorraum,  aus  dem 
man  in  gegen  N.  und  S.  vorspringende  kleine,  nahezu  quadratische  Kapellen 
gelangt.  Die  durchschnittlich  1,20  m  hoch  erhaltenen  Mauern  sind  0,70—0,75  m 
stark.  Im  Innern  wurden  sechs  marmorne  antike  Säulenstämme  und  vier  Kapitale 
von  verschiedener  Form  und  Verzierung  gefunden.  Die  Kirche  scheint  ein 
schlichter  Hallenbau  aus  der  byzantinischen  Epoche  gewesen  zu  sein. 

Von  Strpci  ging  es  auf  dem  rechten  Timokufer  nach  Donja  Kamenica. 
Hatte  ich  früher  bedauert,  dass  seine  vielgerühmte  Kirche  in  meinem  Werke 
„Serbiens  byzantinische  Monumente"  fehlte,  lehrte  mich  nun  der  Augenschein, 
dass  Alter  und  architektonische  Bedeutung  des  kleinen  Baues  stark  überschätzt 
worden  waren.     Der  erste  überraschende  Eindruck  seiner  originellen  Anlage  wich 


')  Starinar,  VI,  S.  75  ff. 


Von  Nis  über  Knjazevac,  Soko-Banja  und  ZajeCar  nach  Negotin  'MW 

bei  näherer  Betrachtung  der  misslungenen  Verhältnisse  und  schlechten  technischen 
Ausführung  bald  der  Überzeugung,  dass  der  überdies  durch  ein  schweres 
Steinplattcndach  beeinträchtigte  Bau  niciit  allein  konstruktiv  und  dekorativ  kein 
Muster  altserbischer  Baukunst,  sondern  eher  eine  Type  ihres  Verfalls  im  15.  Jahr- 
hundert bilde;  denn  damals  verstand  man  es  nicht  mehr,  das  byzantinische 
Zentralsystem  mit  der  occidentalen  Turmanlage  organisch  zu  verbinden.  In  der 
ganzen  Narthe.xbreite  erhebt  sich  ein  nach  oben  wenig  verjüngter,  turmartiger 
Vorbau,  der  ungeschlacht,  von  vorn  gesehen,  die  Kuppel  deckt  und  weit  mehr 
einem  Verteidigungs-  als  Glockenturme  gleicht.  Der  in  Serbien,  Studenica 
ausgenommen,  überhaupt  nicht  besonders  gepflegte  Portalbau  erscheint  hier  ganz 
vernachlässigt,  der  schmale,  niedrige  Eingang  durch  das  Tynipanon  über  dem 
Querbalken  des  glatten  Türstocks  wenig  gehoben,  die  auf  diesem  schwer  lastende 
Mauerniasse  nur  durch  einige  unsymmetrische  Lichtöffnungen  durchbrochen,  und 
gleich  ärmlich  sind  die  Seitenfassaden  und  Altarapsiden  dekoriert.  Die  reizvollere 
Gliederung,  der  doppelte  romanische  Zahnschnitt  am  Gesimse,  die  abwechselnd 
aus  Trompeten-  und  Ziegelhändern  konstruierten  Umrahmungen  der  Fenster  und 
die  sorgfältigere  technische  Behandlung  des  Bruch-  und  Backsteinmaterials  gestalten 
die  Kuppel  jedenfalls  zum  anmutigsten  Teile  des  Kirchleins. 

Der  auch  in  der  halben  Turmhohe  das  schwere  Mauerwerk  in  Horizontal- 
streifen durchbrechende  Trompetenziegel  bildet  eine  von  mir  zuerst  am  rechte:i 
Donauufer  bis  nach  Mesembria  am  Pontus  beobachtete  charakteristische  Zierde 
der  altbulgarischen  Kirchen.  Gestützt  auf  dieses  am  Kamenicaer  Kirchlein 
verwendete  Dekorationsmotiv  und  eine  Inschrift,  in  der  „Mihail  Despot"  lesbar, 
glaubte  Kustos  Valtrovic,  entgegen  der  bisherigen  Annahme,  dass  Mihail  Abogovic, 
Mitregent  der  serbischen  Despotenwitwe  Jelena  (um  1459),  sein  Gründer  sei,  als 
solchen  den  bulgarischen  Vidiner  Teilfürsten  Mihail  (f  1330)  bezeichnen  zu 
dürfen');  folgerichtig  hätte  Valtrovic  auch  die  benachbarte,  mit  Trompetenziegeln 
geschmückte  Dzanjevoer-)  Kirche,  als  deren  Stifter  Zar  Dusan  gilt  (Kap.  XV.),  einem 
bulgarischen  Gründer  zuschreiben  müssen.  Nach  meiner  Ansicht  kann  aber  aus 
dem  Trompetenziegel  oder  anderen  dekorativen  Motiven  allein  nicht  das  Alter  von 
Bauwerken  bestimmt  werden,  denn  die  Erfahrung  lehrt,  wie  leicht  architektonische 
Formen  über  politische  Grenzen  wandern,  mu  nach  längerem  Verschwinden  oft 
wieder  aufgenommen  und  fortgebildet  zu  werden  (III.  Bd.,  Kap.  XVIII). 

Die  innere  Ausstattung  des  Kirchleins  entspricht  gleichfalls  nicht  ihrem  Rufe. 
Bei  den  teilweise  restaurierten  Fresken  vermisste  ich  jene  Strenge  der  Zeichnung, 
welche  bei  altbyzantinischen  das  Schablonenhafte  mildert.  Im  Narthex  erblickt 
man  links  vom  Eingang  einen  Christus,  rechts  den  noch  zweimal  abgebildeten 
Despoten  Mihail')  mit  Zepter  in  der  rechten  Hand  und  seine  Gemahlin,  über 
cjenselben  den  Tempelgang  Maria.  Auch  das  Bild  der  hl.  Jungfrau  kehrt  an 
verschiedenen  Stellen  des  Hauptschiffes  wieder,  auch  in  der  Apsis  thronend  mit  zwei 

')  Starinar,  IV,  S.  106  ff. 
-)  jetzt  heisst  dieses  Dorf  üusanovac. 

^)  Kanitz,  Tirnovos  altbulgarische  Baudenkniale.  Sitzungsber.  d.  phil.-hist.  Kl.  d. 
Akad.  d.  Wiss     LXXXIl.  Bd.,  S.  15.    Wien  1876. 


<^62  Von  Nis  über  Kiijazcvac,  Soko-Banja  und  Zajecar  nach  Negotin. 

Engeln  zur  Seite.  Die  südliciie  und  nördliche  Hauptwand  sind  mit  Darstellungen 
des  Abendmahls  und  der  Kreuzabnahme  geschmückt;  am  grossen  Scheidbogen 
erscheint  das  Schweisstuch  Christi. 

Nahe  dem  durch  Erdbeben  arg  mitgenommenen  und,  wie  es  scheint,  baldigem 
Untergange  geweihten  Kirchlein  steht  die  freundliche  kleine  Dorfschule,  welche 
die  vom  benachbarten  Kloster  Sv.  Trojica  unter  der  Türkenherrschaft  bewahrten 
spärlichen  Bildungskeime  weiter  zu  entwickeln  strebt.  Auch  diese,  kein  besonderes 
archäologisches  Interesse  bietende  Baute  soll  aus  dem  15.  Jahrhundert  stammen, 
als  Stifter  wird  Lazar  (1446—1458),  Sohn  des  Fürsten  Djuradj  Brankovic,  genannt. 
Sein  Grundbesitz,  bestehend  aus  12  Hektar  Felder  und  Wiesen,  4  Hektar  Wein- 
und  Obstgärten,  14  Hektar  Wald,  neben  gutem  Viehstande  und  4600  d  Barkapital, 
wirft  ein  die  Ausgaben  balancierendes  Einkommen  von  jährlich  2650  d  ab.  Ob 
der  beim  östlichen  Pricevac  aufgefundene  alte  Bleibau  abbauwürdig,  ist  noch 
nicht  entschieden;  der  Nussbaumwald  von  Gornja  Kanienica  wird  lohnend 
verwertet. 

Einen  weiteren  Ausflug  widmete  ich  dem  Schlosse  Svrljig,  Nisevci  und  Sv. 
Arandjel.  Spaso,  der  älteste  und  angesehenste  Pandur  des  Kreises,  wurde  zur 
Führung  bestimmt.  Am  Frühmorgen  umgingen  wir  westlich  von  Knjazevac  die  1876 
viel  umkämpfte  Glavicica.  Ob  die  nahe  Rgostes  Numulithenkalken  entquillende 
Therme  die  an  sie  geknüpften  Hoffnungen  rechtfertigen  wird,  blieb  bis  heute 
unentschieden;  dasselbe  gilt  von  dem  Kohlenflöze,  das  bei  Vasilj  angeschürft 
wurde.  Für  die  Intelligenz  seiner  Bewohner  spricht,  dass  sie  unfern  der  1835 
geweihten  hl.  Nikolauskirche  jüngst  ein  hübsches  Gebäude  für  ihre  vierklassige 
Schule  errichteten,  was  ich  bei  der  noch  immer  spärlichen  Zahl  von  Unterrichts- 
anstalten in  dieser  Landschaft  gern  hervorhebe.  Vom  rechten  Svrljiski  Timok-Ufer 
stiegen  wir  über  die  Preseka  und  den  665  m  hohen  Milenov  Vrh  hinab  zum 
wohlhabenden  Topla,  bei  dem  sich  das  Tal  gegen  W.  zu  einer  von  sanftgewellten 
Bergen,  gegen  S.  aber  durch  ruinengekrönte  Felswände  abgeschlossenen  Hochebene 
erweitert.  Der  Gemeindeausschuss  ihres  Hauptortes  Varos  empfing  und  bewirtete 
uns  gastlich;  doch  wusste  er  nichts  von  dem  Brunnen  mit  lateinischer  Inschrift, 
von  der  Moschee  mit  antikem  Pflaster,  dem  Römerbad  und  anderen  Bauresten, 
deren  Besichtigung  mir  der  frühere  Physikus  Dr.  Kiko  empfohlen  hatte.  Die  von 
mir  gesehenen  Mauern  stammten  aus  jüngerer  Zeit  und  gehörten  zweifellos  dem 
türkischen  Isferlik  (Svrljig)  an,  das  zuletzt  schlechtweg  „varos"  (Stadt)  genannt 
wurde,  während  sein  serbischer  Namen  nur  der  hochliegenden  Burg  verblieb. 
Nach  Hadzi  Chalfa')  war  Isferlik  im  17.  Jahrhundert  der  Sitz  einer  Gerichtsbarkeit, 
also  Hauptort  des  gleichnamigen  Bezirks;  seine  Angabe,  dass  die  Stadt  auf 
einer  vom  Schlosse  durch  ein  Tal  getrennten  Bergspitze  lag,  beruht  aber  gewiss 
nicht  auf  Autopsie,  denn  nur  ein  kleiner  Teil  ihrer  Häuser  stand  hart  unter  der 
nördlichen  Burgmauer,  der  grössere  aber  unten  beim  heutigen  Varos. 

Chalfas  weitere  Mitteilung:  „Hier  sieht  man  die  Gestalt  eines  Weibes  aus 
gehauenem  Stein",  ferner  die  mit  einer  kleinen  Herosstatue  im  Defilee  gefundene 


')  Rumeli  und  Bosna,  S.  47  f. 


Von  Nis  über  Knjazcvac,  Soko-Banja  uiul  Zajecar  nacli  Neyntiii.  'i'i3 

fünfzeilige  griechische  Inschrift  von  dem  Strategen  Claudius  Theoponipos  '),  dann 
häufige  römische  Miinzenfunde  deuten  auf  eine  an  diesem  Puni<te  liestandene 
antike  Niederlassimg  iiin,  nacii  deren  Mauern  ich  aber  vergeblich  unten  suchte. 
Auch  ein  goldener  Ring  mit  dem  Monogramm  \/  im  Belgrader  Museum  stammt 
villi   hier.-) 

Auf  felsigem  Steilpfade  kletterten  wir  zum  Horte  der  hier  kaum  dem  Timok 
Raum  gebenden  Schlucht  zwischen  dem  üblik  und  der  Bogdanica  hinan.  Die 
kühne  Schlossanlage  nötigte  uns  Staunen  ab.  Nur  ein  90  cm  breites,  in  zwei 
mächtige  Felsen  gezwängtes  Tor  gestattete  von  W.  her  den  Eintritt  in  den  höher 
ansteigenden  dreiseitigen  Vorhof,  welchen  dem  Felsrande  sich  anschmiegende  Mauern 
mit  einer  ni'irdlichen,  halbkreisförmigen  Bastion  abschlössen.  Aus  diesem  schmalen 
Propugnaculum  gelangte  man  erst  durch  einen  cjuadratiscliL'u  Tmiu  mit  im  Jahre 
1864  noch  ganz  unverdorbenen  Holzbalken  in  den  höchsten,  selbst  die  jenseitige 
706  m  hohe  Bogdanica  dominierenden  breiteren  Burgteil,  dessen  durchschnittlich 
1  m  starke  Mauern  sich  in  einem  am  Nordostrande  des  Plateaus  kühn  vorspringenden 
vierstöckigen  Rundturm  vereinigten.  Die  südliche  Langfront  war,  wie  Mauerreste 
zeigen,  durch  weitere  Vorwerke  verstärkt;  vor  der  nördlichen  sah  ich  Spuren 
tiefer  liegender  Gebäude.  Aller  Wahrscheinlichkeit  nach  ist  die  Svrljigburg  auf 
der  Stelle  eines  Römerkastells  entstanden.  Ihre  heutigen  Reste  gehören  vielleicht 
teilweise  der  altserbischen  Epoche,  zum  grösseren  Teil  gewiss  aber  der  türkischen  an. 

Der  Name  Svrljig  soll  aus  dem  Thrazischen  stammen,  dem  viele  Tier-  und 
Pflanzennamen  der  Sprachen  des  illyrischen  Dreiecks  entlehnt  sind.  Im  10.  Jahr- 
hundert gehörte  Svrljig  zur  Niser  Eparchie;  1185  wurde  es  von  Stevan  Nemanja 
den  Byzantinern  entrissen,  im  Ausgang  des  13.  Jahrhunderts  fiel  es  an  Bulgarien. 
Später  abermals  serbisch,  und  wie  es  scheint  eine  Stätte,  auf  der  man  das  Schrifttum 
pflegte  ■),  zerstörte  es  1413  der  Usurpator  Sultan  Musa,  dessen  Bruder  Mohammed 
es  dem  Despoten  Stevan  zurückgab;  doch  1454  fällt  es  dauernd  unter  die  türkische 
Herrschaft.  In  ihrer  letzten  Epoche  gehörte  „Isferlik"  zum  Sandschak  Vidin;  während 
der  österreichischen  Kriege  wird  das  Schloss  nur  vorübergehend,  im  serbischen 
Freiheitskampf,  wahrscheinlich,  weil  es  bereits  verfallen  war,  gar  nicht  erwähnt, 
um  so  häufiger  aber  im  Herbste  1876,  als  sein  Defilee  von  Serben  und  Türken 
wiederholt  durchzogen  wurde. 

Am  2.  Juni  klettert  alt  und  jung  der  Orte  Varos  und  Paliluia  auf  das 
Schlossplateau  und  feiert  dort  mit  Sang  und  Tanz  den  Sv.  Nikola. 

Von  den  zahlreichen,  schwer  zugänglichen  Oblikhöhlen  wird  eine  grössere 
unter  der  Burg  „Posrana"  genannt.  Zwischen  den  Ruinen  des  Svrljig-  u\m.\ 
des  am  Defilee-Ausgang  liegenden  Podvisschlosses,  bei  dem  südlich  Kohle 
und  in  der  nördlichen  Syenitregion  Magneteisensteine  anstehen,  stiess  ich  auf 
Spuren  der  einst  von  ihnen  gehüteten  alten  Strasse.  Sie  verfiel  und  verwandelte 
sich    in    einen    lioch   über   dem   Flusse   ziehenden  Reitweg.     Bei    jeder  Krümnumg 

')  Epigr.  MIttl.,  X,  S.  239  f. 

-)  Slarinar,  XI,  S.  97. 

')  Svrljiski  cullomci  evandjelija,  Glasnik,  Bd  20,  S.  244  ff. 


364 


Von  Nis  über  Knjazevac,  Soko-Banja  und  Zajecar  nach  Negotin. 


der  von  Adlern  umkreisten  Engsclilucht  boten  die  stark  erosierten  Kalkmauern 
neue,  überraschend  malerische  Bilder.  Als  wir  nach  Nisevci  hinabkletterten,  warf 
ich  einen  letzten  Blick  auf  die  prächtige  Silhouette  der  vom  klaren  Horizont  sich 
scharf  abhebenden  Svrljiger  Burgtürme. 

Am  nächsten  Tage  übernahm  Kosta  Jovanovic,  der  Kapetan  von  Nisevci, 
die  Führung.  Während  Diener  und  Packpferd  unter  Spasos  Aufsicht  den  Weg 
gegen  Slivjes  Weinberge  einschlugen,  ritten  wir  durch  die  sich  ausweitende 
Hochebene    zur  Trümmerstätte   von   Timacum    minus,    die    jedoch,    weil    allerorts 


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SVRI.JIO.    Südliches  Schlossdefilce. 


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durchwühlt,  geringe  Anhaltspunkte  für  seine  nähere  Bestimmung  bot.  Hierauf 
suchten  wir  gleichfalls  die  westlichen  Höhen  zu  gewinnen  und  stiessen  nach 
Übersetzung  der  Lalinacka  reka  zu  unserer  Karawane.  SW.  blieb  Grbavce, 
zwischen  dem  und  Prekonoge  Ruinen  alter  Gebäude  und  Kirchen  sich  befinden; 
die  grösste,  „Miletina  crkva",  flog  nach  der  Volkssage  vom  Podvisberge  herab, 
weil  sie  dort  entweiht  wurde. ') 

In  zwei  Stunden  erreichten  wir  die  Vetrilahöhe,  weiche  eine  höchst 
instruktive  Fernsicht  auf  das  Kohlen  führende  südwestliche  Gebirge  gewährt  und 
die  Peilung  der  bedeutenderen  Berge  von  der  Gulijanska  Planina  bis  zum  Ljuti  Vrh 
gestattete.     NW.  ging   es   durch   dichten   Laubwald  weiter  zu   einer  Lichtung   mit 


')  J.  Mlskovic,  Giasnik,  Bd.  49. 


'  Von  Nis  über  Knjaievac,  Soko-Banja  und  Zajefar  nach  Negotin.  365 

prächtigem  Ausblick  über  Kravije  nach  ticin  Jastrebac  nnii  Kopaonils.  Wir 
lietratcn  liier  den  in  herbstlicher  Schönheit  prangenden  Korst  des  ehemaligen 
Klosters  Sveti  Arandjel,  dessen  weisses  Kirclilein  sich  gar  freundlicii  vom 
grünen  Laiibrahmen  abhob.  Traditionell  dankt  es  seine  Entstehung  einem  schönen 
Zuge  serbischer  Geschwisterliebe.  Von  den  Brüdern  Vuja  und  Gruja  Radojlovic 
aus  der  Minenstadt  Rudnik  (1.  Bd.,  S.  445)  zog  zur  Nemanjidenzeit  der  eine  in 
die  weite  Welt;  der  andere  blieb  daiieim,  erwarb  viel  irdisches  Gut,  wurde  aber 
von  namenloser  Sehnsucht  erfasst,  seinen  in  Konstantinopel  lebenden  Bruder 
aufzusuchen.  Am  Wege  traf  er  einen  von  dort  kommenden  Reisenden,  der  als 
sein  Ziel  Rudnik  nannte,  wo  er  seinen  Bruder  wiederzusehen  hoffe.  Vuja  und 
Gruja  erkannten  sich,  und  voll  Freude  über  die  unverhoffte  glückliche  Begegnung 
gelobten  sie,  nahe  dem  Han  ein  Kloster  zu  bauen.  So  entstand  Sveti  Arandjel, 
die  dem  hl.  Erzengel  Gabriel  geweihte  Heilstätte. 

Bald  hätte  ich  den  mazedo-walachischen  Baumeistern  schweres  Unrecht 
getan.  Ich  glaubte,  die  Renovation  der  Kirche  rühre  von  einem  solchen  her, 
doch  nach  der  Inschrift  an  ihrer  Nordseite  wurde  sie  aber  1863  unter  Fürst 
Mihail  Obrenovic  111.  durch  das  offizielle  Bauorgan  des  Kreises  umgebaut.  Ein 
occidentaier  Architekt  (?)  hatte  also  die  Narthexmauer  ausgebrochen,  was  durch 
das  Bedürfnis  nicht  gefordert  wurde,  auch  die  gemauerte  Ikonostasis  zerstört,  die 
alten  Profile  verschmiert  und  quadratische,  breite  Fenster  in  den  byzantinischen 
Bau  eingeschnitten,  was  ein  sprechendes  Zeugnis  für  die  Ignoranz  der  alle  Pläne 
der  Kreisingenieure  begutachtenden  damaligen  Belgrader  Bautenleitung  gab,  die 
sich  nicht  entblödete,  alle  diese  schweren  Stilsünden  inschriftlich  mit  dem  Namen 
des  Fürsten  Mihail  zu  verbinden. 

Auch  hier  fand  ich  den  mehrfach  charakterisierten  Grundriss,  der  sich  im  alten 
Serbien,  auf  der  orientalisch-occidentalen  Religionsscheide,  ausgebildet  hatte.  Auf 
den  Widerlagern  der  Vierung  des  Hauptraumes  mit  zwei  halbkreisförmigen  Seiten- 
apsiden erhebt  sich  ein  quadratischer  Bau,  auf  dem  der  oktogonale  Kuppeltambour 
ruht.  Das  Hauptschiff  war  ursprünglich  von  der  halbkreisförmigen  Altarapside 
durch  eine  steinerne  Ikonostasis  getrennt,  welche  man  bei  der  Restauration  ganz 
zwecklos  zerstörte,  was  um  so  bedauerlicher,  da  sie,  soviel  mir  bekannt,  die 
einzige  erhaltene  Serbiens  war  und  schon  deshalb  hätte  erhalten  werden  müssen. 
Noch  sind  die  Pfeilerreste  sichtbar,  welche  das  Königsfor  von  den  zwei  kleineren 
Seiteneingängen  schieden,  und  die  Widerlager  erkennbar,  auf  welchen  die  Bogen 
der  letzteren  ruhten.  An  die  Stelle  der  monumentalen  Ikonostasis  trat  eine 
geschmacklose,  reich  vergoldete  Holzwand.  Wunderbarerweise  schonte  der 
occidentale  Baumeister,  dessen  Namen  ich  der  Vergessenheit  übergebe,  zwei  vor 
der  Ikonostasis  freistehende,  1,37  m  hohe,  reich  profilierte  und  verzierte  Kerzen- 
träger, deren  obere,  säulenförmige  Hälfte  sich  aus  dem  achtseitigen  Fusse  sehr 
hübsch  entwickelt.  Sie  scheinen  gleich  alt  wie  das  Kirchlein  und  sprechen  mit 
dafür,  dass  sein  Bau  in  die  beste  Periode  serbischer  Kunsttätigkeit  fällt. 

Hart  neben  der  Kirche  steht  ein  roh  gezimmerter  hölzerner  Glockenturm. 
Ruft  seine  bescheidene  Metallstimme  zum  Gebet,  so  ladet  das  gegenüberstehende 
Schulhaus  die  Jugend  der  Nachbarorte  ein,   sich  dort  das  selbst  in  Serbien  vom 


366  Von  NiS  über  Knjazevac.  Soko-Banja  und  Zajecar  nach  Negotin.  ^ 

Bauer  geforderte  Minimum  von  Kenntnissen  zu  erwerben.  Mir  bereitete  es  aber 
noch  die  unerwartete  Überraschung,  dass  sich  aus  der  national-serbischen 
Kleiderhülle  des  gastfreundlichen  Lehrers,  dessen  trefflich  gepflegter  Obstgarten 
saftige  Pfirsiche  auf  unseren  Tisch  lieferte,  ein  ehemals  österreichischer  Offizier 
entpuppte,  der  hier  eifrig  an  der  Verpflanzung  europäischer  Zivilisation  arbeitete. 
Zur  Kirche  gehören  zwei  Pfarren  mit   13  Orten. 

Das  Jahr  1876  erfüllte  das  stillbeschauliche  Kloster  mit  wüstem  Kriegslärm. 
Serben  und  Türken  stellten  an  dasselbe  grosse  Forderungen,  und  die  terrain- 
kundigen Mönche,  welche  ich  schon  1864  erprobt,  gaben  bei  Beratungen  über 
einzuschlagende  Wege  usw.  oft  erbetenen  Rat.  Bei  Sv.  Arandjel  kreuzte  ich 
die  Quellen  der  zur  Morava  fliessenden  Toponica,  an  welcher  unter  dem 
Miljkovacer  Schloss  eine  alte  befestigte  Strasse  über  Nisevci  nach  Svrijig 
führte.  Diese  starke  Halbniondsfeste  verband  ein  zweiter  Weg,  von  dem  stellen- 
weise das  türkische  Pflaster  und  die  Brücke  „Lovcin  most"  über  die  Galibabinacka 
reka  erhalten  blieben,  mit  dem  gleichstarken  „Soko  grad".  Dahin  ziehend,  kam  ich 
an  Davidovac  vorüber,  als  dessen  Begründer  der  Heiduckenführer  David  gilt, 
aus  dessen  Ehe  mit  einer  schönen  Albanesin  die  heute  100  Köpfe  starke  Familie 
„Arnauti"  stammen  soll.  An  seinen  Genossen  Garca  erinnert  die  „Garcina  Cuka"; 
dieser  befreite  David  aus  dem  Svrijiger  Schlossgefängnis.  Seine  anderen  Gefährten 
Zdravko,  Nejo  und  Vlaho  gründeten  die  Weiler:  Zdravkovci,  Nejinci  und 
Vlahovci.  Auf  dem  ganzen  Wege,  namentlich  zwischen  Nisevci,  Lalinac  und 
Grbavce,  sieht  man  auffallend  viele  künstliche,  um  Holzkreuze  oft  2  m  hoch 
aufgeworfene  Steinhügel.  Das  Volk  nennt  sie  „prokletije"  (Fluchhügel);  es  sind 
alte  Richtstätten,  auf  welchen  unbekannt  gebliebene  Übeltäter  im  Beisein  sämtlicher 
Hausvorstände  in  grässlichster  Weise  verflucht  wurden.  Die  Kirche  verbot  den 
neuestens  von  Trojanovic  kommentierten  Brauch.') 

Über  die  Berge  von  Radenkovac  und  Novo  Selo  (900  m)  ging  es  nach 
kurzem  W.  Abbug  bei  Jezero  weiter  über  die  starkbewaldete  1211  m  hohe 
Ostra  Cuka  auf  unwegsamem  Pfad  endlich  abwärts  zum  geschilderten  Schlosse 
von  Soko-Banja  (S.  114),  von  dem  ich  am  18.  Oktober  1870  auf  der  vorzüglichen 
Strasse  im  fruchtbaren  Tale  der  Moravica  ihren  Lauf  bis  zu  deren  vom  Devica- 
Gebirge  abfliessenden  Quellen  verfolgte.  Auf  den  etwas  sehr  steil  fracierten 
Serpentinen  gelangten  wir  zur  755  m  hohen,  landschaftlich  prächtigen  Wasser- 
scheide, und  auf  noch  gefährlicheren  hinab  zum  Filipov  Han  (594  m),  in  dem 
ich  leidliches  Nachtquartier  fand.  Dass  schon  die  Römer  diese  Strasse  zur 
Verbindung  der  West-Morava  mit  der  Donau  benutzt  haben,  deutete  ich,  bereits 
an.  Nordöstlich  von  ihrem  höchsten  Punkte  stehen  auf  der  Straza  (Wache)  die 
Reste  eines  Kastells  bei  Slatina,  aus  dem  einige  dort  aufgefundene  Skulpturen 
in  das  Knjazevacer  Nacelstvo  gelangten.  Auch  am  Westhange  der  Lasovacka 
Planina  krönt  oberhalb  Bucje  eine  „Latinska  Kula"  den  731  m  hohen  Strazaberg. 
Sie  zeigt  mit  anderen,  wie  aufmerksam  in  römischer  Zeit  alle  zur  Strasse  führenden 
Nebenwege  bewacht  wurden. 


')  Lapot  i  prokletije  u  Srba,  S.  20  ff.    Beograd  1898. 


Von  Nis  über  Knjazevac,  Soko-Banjn  und  Zajecar  nach  Net;otin.  'Ki? 

Vom  Filipov  Han  östlich  steht  bei  Oresac  am  „Dugacki  Trap"  Braunkohle  an, 
die  wahrscheinlich  einen  Zweit;  des  östlichen  Haiiptflözes  „Dobra  Sreca"  bildet, 
das,  1,5  ni  mächtig  und  10  Felder  umfassend,  von  dem  Knjazevacer  Industriellen 
Stevan  Sibinovic  erworben  wurde.  Die  unter  sandiger  Oberschicht  im  Paraffin- 
schiefer eingebettete  Kohle  zeigt  in  der  Analyse  C  -  64,56",,,  H  4,18»/ip, 
Asche  9,82  "  0,  und  hat  6160  Kalorien.  1891  wurde  die  von  Schmieden 
vielbegehrte  Kohle  mit  einem  Schacht  und  445Ü  m  langen  Galerien  von  zehn 
Arbeitern  im  bescheidenen  Umfange  von  2150  q  ausgebracht,  mit  1,80  c  per  q 
an  der  Grube  verkauft  und  oft  bis  Kragujevac  transportiert.  Der  weite,  kostspielige 
Transport  verteuert  dieselbe,  und  erst  wenn  das  projektierte  Schienensystem  im 
an  Naturschätzen  so  reichen  Timokbecken  ausgebaut  sein  wird,  dürfte'  die  Aus- 
beutung dieser  Mine  und  ihres  wertvollen  Paraffins,  das  bisher  ganz  unbenutzt 
blieb,  sich  lohnend  gestalten.  Gleiches  gilt  von  der  7  km  S.  bei  Vasilj  unter 
ähnlichen  Verhältnissen  lagernden  Kohle  des  noch  schwächer  betriebenen  Werkes 
„Podvis".  Es  gehörte  zur  Masse  des  Knjazevacer  Beamten  Mihailo  Djordjevic. 
1891  wurde  seine  schwache  Ausbeute  von  rund  1000  q  nach  Knjazevac  verkauft. 
Die  schwarzfarbige  glänzende  Kohle  steht  dort  in  einer  Mächtigkeit  von  0,5 — 7  m 
an  und  umfasst  24  Felder. 


Nach  kurzer  Rast  in  Knjazevac  setzte  ich  mein  Routier  N.  auf  der  bis 
Selacka  reka  (S.  357)  geschilderten  Zajecarer  Römerstrasse  zum  Vratarnica-Engpasse 
fort.  Kurz  vor  diesem  rücken  die  Kalkberge  auch  am  rechten  Ufer  näher  an  das 
Rinnsal  des  Veliki  Timok.  Wir  kreuzten  den  kurzen  Bach  Toplik,  von  dem 
mir  Dr.  Mäcsay  erzählte,  dass  er  einer  10  m  hohen,  geräumigen  Hiihle  der  Golina 
mit  1 1  °  C.  entfliesst,  in  deren  Mitte  ein  oben  einbrechender  Wasserstrahl  einen 
schon  4  m  breiten,   1  m  hohen  säulenförmigen  Stalaktiten  bildete. 

Gezwungen  durch  die  steilgeböschten  Kalkmauern,  läuft  die  Strasse  hinter 
Izvor  hart  am  rechten  Uferrande,  kreuzt  den  Bach  Toplik  und  tritt  hierauf  in 
ein  Engdefilee,  das  nach  dem  an  seineni  nördlichen  Ausgange  liegenden  Vratarnica 
genannt  wird.  Dass  schon  die  Römer  den  strategischen  Wert  dieses  in  den 
österreichisch-serbisch-türkischen  Kriegen  vielumkämpften,  mit  seinen  Kurven 
nahezu  4  km  langen  Passes  erkannten,  dafür  spricht  ja  auch  sein  älterer  Beiname 
„Augusto"  und  die  ihn  von  der  Südseite  verteidigenden  antiken  Werke.  Sein  Besitz 
sichert  die  leichteste  Verbindung  zwischen  dem  Timok  und  der  Donau,  denn  nur 
durch  dieses  natürliche  Tor  ist  es  möglich,  von  Niä  über  Zajecar  nach  Negotin 
und  Vidin  Norzudringen.  Aus  Misstrauen  gegen  Serbien,  welches  diesen  wichtigen 
Sperrschlüssel  in  Händen  hielt,  erbaute  endlich  Mithad  Pasa  vor  30  Jahren  den 
im  VIII.  Kapitel  geschilderten,  Nis  mit  Lom  und  Vidin  verbindenden  Strassenzug 
über  den  Sv.  Nikola-Balkan.  Es  gab  wohl  einzelne  Hochwege,  und  im  Kadibogaz 
sogar  einen  fahrbaren,  welche  auf  die  Vidiner  Donauterrasse  führten,  doch  für  eine 
Armee,  die  in  dem  geringe  Hilfsquellen  bietenden  Lande  sich  von  ihrem  Train 
nicht    trennen    kann,    besassen    diese    Wege    nur    für    detachierte    Abteilungen 


368 


Von  Nis  über  Knjaievac.  Soko-Banja  und  Zajecar  nach  Ncijotiii. 


einigen  Wert,  das  Gros  war  aber  auf  die  j^^rosse  Tiniokstrasse  durcli  das  Vratarnica- 
Defilee  angewiesen. 

Noch  1737  schrieb  der  dem  i<.  Hauptquartier  zugeteilte  Graf  Schmettau;  „Mit 
100  Mann  ist  das  Vratarnica-Defilee  leicht  gegen  eine  Armee  zu  verteidigen.  Ein 
ziemlich  steil  abfallender  Felsen  lässt  neben  dem  Timok  kaum  Raum  für  die  Strasse. 
Im  Besitze  des  Hochplateaus,  kann  man  den  Pass  gegen  jeden  Feind  halten."  Das 
traurige  Geschick,  welches  in  jenem  Feldzug  einige  Hundert  tapfere  österreichische 
Krieger  im  „Passo  Augusto"  ereilte,  ändert  nichts  an  der  Richtigkeit  dieses 
Ausspruchs,  denn  nach  Schmettaus  Zeugnis  ward  es  einzig  durch  die  verfehlten 
Dispositionen  des  Hauptquartiers  verschuldet.  Man  vergass  nämlich,  bei  den 
Dispositionen  für  den  Rückzug  nach  Belgrad  das  im  Vratarnica-Defilee  belassene 


Grundriss  der  zweitürmigen  Kapelle  zu  Vrafarnica. 


Bataillon  Bayreuth  rechtzeitig  abzuberufen;  am  9.  Oktober  mit  Übermacht 
angegriffen,  fielen  die  Tapferen  bis  auf  zwei  Mann,  denen  es  zu  entkommen  glückte. 

Eine  dunkle  Tradition  von  dieser  Niedermetzelung  österreichischer  Krieger 
erhielt  sich  auf  ihrem  Schauplatze,  denn  nach  einer  bei  den  Anwohnern  verbreiteten 
Sage  war  die  „Latinska  crkva"  genannte  Kapelle  in  Vratarnica  dem  Andenken 
der  Gefallenen  gewidmet.  Ich  bezweifle  dies;  denn  bekanntlich  gelang  es  Österreich 
seit  1737  nicht  mehr,  festen  Fuss  in  Serbiens  Süden  zu  fassen.  Wer  sollte  also 
unter  türkischem  Regimente  dieses  Denkmal  christlichen  Kriegern  errichtet  haben? 
Die  6  m  lange,  3  m  breite,  aus  Feldsteinen  ganz  schmucklos  erbaute  Kapelle  mit 
halbrunder  Altarapsis  besitzt  wohl  keinen  Narthex,  was  allerdings  für  einen 
„lateinischen  Bau"  spräche;  doch  gibt  es  auch  viele  serbische  Kirchlein  ohne 
solchen. 

Weit  interessanter  fand  ich  eine  zweite,  unter  dem  „Bezded  Kamen"  an  der 
Strasse  stehende  Kirchenruine,  deren  3,80  m  langer,  3  m  breiter  kreuzförmiger 
Hauptraum  mit  halbrunder  Chorapside  und  Narthex  über  der  Vierung  durch  eine 
Kuppel  überragt  wird  und  —  vielleicht  das  einzige  in  Serbien  —  über  dem  kaum 
für  eine  Person   genügenden  Eingang  zwei,   wahrscheinlich   für  das   Glockenspiel 


Von  Nis  über  Knjazevac,  Soko-Banja  und  Znjecnr  nacli  Negolin. 


369 


bestimmte,  turmartige  Aufsätze  trägt.  In  dem  aus  Brucii-  und  Backsteinen 
aufgeführten  Mauerwerk  stecken  auch  römische  Ziegelfragmente.  Ich  halte  den 
Bau  für  älter  als  die  „Latinska  crkva",  doch  keinesfalls  in  das  14.  Jahrhundert 
zurückreichend.  Auch  Vratarnica  erholte  sich  auffallend  rasch  von  den  1876 
erlittenen  Kriegswunden.  1893  erbaute  sich  der  in  290  Häusern  nahezu  1670  Seelen 
zählende  Ort  eine  dem  hl.  Gavril  geweihte  Kirche,  und  als  ich  ihn  1897  wieder 
berührte,  überraschte  mich  die  Wohlhabenheit  seiner  Gehöfte,  und  dass  seine 
Frauen  schon  mit  Nähmaschinen  arbeiten. 

Im  von  Vratarnica  sich  gegen  N.  ausweitenden  Tale  zieht  die  Strasse  vorüber 
an  der  pittoresken  Querschlucht  des  „Sadni  Kamen"  und  den  Weinbergen  des 
westlichen  Grljiste,  wo  man  neolithische  Geräte  fand,  über  den  Timok  nach 
Grljan.  Dessen  Walachen  nennen  sich  gleich  jenen  des  westlicheren  Sljivar 
und  östlichen  Prlita  „Ungurani"  und  wollen  vor  etwa  130  Jahren  aus  Sieben- 
bürgen,   um    den    dortigen    grossen    Kriegslasten    und    drückenden    Abgaben    zu 


Präliislorrsclic  l'unde  bei  Grljiste. 


entgehen,  eingewandert  sein.  Zuerst  zogen  sie  als  Wanderhirten  auf  die  Berge, 
später  stiegen  sie  aber  in  die  Täler  herab,  walachisierten  die  früher  serbischen 
Orte  Slatina,  Luka  u.  a.  Es  vollzog  sich  hier  demnach  derselbe  Prozess  wie  im 
Mlava-  und  Moravagebiet,  im  Temeser  Banat  und  allerorts,  wo  der  Walache 
mit  Slaven  und  Deutschen  in  nahe  Berührung  tritt. 

Unterhalb  der  Grljaner  Brücke  zweigt  ein  Weg  ab,  der,  den  westlichen 
Balkan-Ausläufer  „Vrska  Cuka"  umgehend,  durch  das  gleichnamige  Rasteil  über 
die  wasserreiche  Kulaer  Hochebene  nach  Vidin  führt.  Sonst  ist  Grljan  auch 
interessant  durch  den  1831  auf  seinem  Friedhof  bestatteten  tapferen  Freiheits- 
kämpfer Pop  Radosav  und  auch  durch  seine  zahllosen  Störche.  Nie  sah  ich 
zuvor  so  viele  an  einem  Orte,  beinahe  jedes  Dach  war  von  einem  Neste  besetzt, 
und  lange  Züge  der  langbeinigen  Gesellen  segelten  unter  lautem  Geklapper  über 
unsere  Köpfe  hin,  bis  wir  uns  einem  wenig  bewaldeten  Berge  näherten,  dessen 
unwirtliches  Aussehen  durch  das  einbrechende  Abenddunkel  nicht  gemildert  wurde. 
Schwarzes  Gewölk  ballte  sich  am  Horizont  zu  unheimlicher  Masse,  ein  furchtbares 
Unwetter  war  im  Anzüge.  Wir  trieben  unsere  Pferdchen  zur  Eile;  doch  die 
schwarzen  Wolken  jagten  gleich  bösen  Dämonen  noch  eiliger  hin,  als  wollten  sie 
uns  vor  dem  schützenden  Ziele  überflügeln.  Endlich  kamen  wir  an  die  ersten 
Häuser  der  Stadt,  schwere  Tropfen  fielen,  bald  darauf  tobte  das  Wetter  mit  aller 

h.  KANITZ,  Serbien.    11.  '24 


•^70  V'on  Nis  über  Knjazevac,  Soko-Banja  und  Zajecar  nach  Negotin. 

Macht.  Beim  Lichte  zuckender  Blitze  machte  ich  die  erste  Bekanntschaft  mit 
Zajecars  „Veiika  pijaca"  (grosser  Marktplatz),  auf  der  sich  seine  öffentlichen 
Gebäude  gruppieren.  Ihre  architektonische  Aussenseite  hob  sie  wenig  von  den 
benachbarten  Häuschen  ab;  sie  gehörten  zu  den  unbedeutendsten  aller  serbischen 
Kreisstädte. 

in  römischer  Zeit  besass  die  Umgebung  des  am  Fusse  der  260  m  hohen 
Kraljevica  lehnenden  Zajecar  grosse  Bedeutung.  Dies  bezeugen  die  nahen  Reste 
einer  alten  Baute,  welche  zu  den  merkwürdigsten  im  östlichen  Europa  gehören. 
Schon  Boue  gedachte  fKichtig  derselben,  und  selbstverständlich  eilte  ich,  sie  zu 
besuchen.  In  Gesellschaft  des  städtischen  Erzpriesters  und  eines  Panduren,  den 
mir  der  Nacelnik  als  Begleiter  beigesellte,  ritt  ich,  von  lebhafter  Neugierde  erfüllt, 
nach  Gamzigrad.  Nachdem  der  erste  Abschnitt  des  hügelig  ansteigenden  Terrains 
überschritten  war,  gelangten  wir  auf  eine  weite  Hochebene  und  sahen  SW.  die 
32  km  ferne  Rtanjspitze  so  klar,  dass  ich  mich  gegenüber  einer  Nil-Pyramide 
wähnte.  Vollkommen  losgetrennt  von  den  benachbarten  Bergen,  beherrschte  sie 
gigantisch  die  Landschaft.  Ich  sass  vom  Pferde  ab,  griff  nach  Mappe  und  Stift  und 
zeichnete  das  Profil,  welches,  von  Viquesnel  veröffentlicht,  meine  Rtanjbesteigung 
(S.  121)  illustriert.  Die  prachtvolle  Szenerie  vor  uns,  ritten  wir  eine  Stunde  über 
die  im  frischesten  Grün  prangende  Hochebene,  dann  senkte  sich  plötzlich  das 
Terrain;  es  folgte  eine  schmale  Rinne,  die  sich  ein  von  SW.  kommender  Timok- 
zufluss  grub,  das  jenseitige  Ufer  erhob  sich  allmählich,  und  wenige  Schritte  vom 
rechtsuferigen  Rande  lagen  die  von  üppig  wuchernder  Vegetation  durchwachsenen 
Reste  einer  stolzen,  wohl  schon  achtzehn  Jahrhunderten  trotzenden  Baute. 

Die  Römer  bedurften  zur  Unterstützung  ihrer  zahlreichen  Niederlassungen 
und  kleinen  Kastelle  am  Timok  eines  diesen  wenn  notwendig  ausgiebige  militärische 
Hilfe  bringenden  Waffenplatzes.  Zur  Anlage  eines  solchen  empfahl  sich  das  genau 
in  der  Mitte  zwischen  Horreum  Margi  und  Ad  Aquas,  nahe  am  Vereinigungspunkte 
beider  Timok-Hauptarnie,  östlich  von  Zajecar  liegende  „Gamzigrad"-Plateau.  Das 
dortige  Kastrum  ist  eine  der  grossartigslen  antiken  Bauten  Ober-Mösiens  und 
zählt  zu  den  wenigen  Rönierwerken  Europas,  welche  dem  Schicksale  arger 
Entstellung  durch  mittelalterliche  Veränderungen  entgingen. 

Die  wenigen  Forscher,  welche  vor  mir  Gamzigrad  oberflächlich  erwähnten, 
schrieben  die  Feste  verschiedenen  Völkern  zu.  Eine  Sage  nennt  als  ihre  Gründerin 
Gamza,  eine  Schwester  jener  Prinzessin  Vida,  welche  sie  Vidin  erbauen  lässt. 
Ich  erklärte  aber  schon  1861,  dass  dieses  riesige  Bollwerk  ein  römisches  sei. 
Die  Unregelmässigkeit  seiner  Hauptform  entspricht  dem  von  Roms  späteren 
Kriegsbaumeistern  befolgten  Grundsatze:  grössere  feste  Anlagen  dem  Terrain 
anzupassen  und  aus  seiner  natürlichen  Beschaffenheit  möglichsten  Nutzen  für 
die  Verteidigung  zu  ziehen.  Noch  klarer  bezeugen  technische  Merkmale,  die 
Gewölbekonstruktion,  die  ausgezeichnete  Beschaffenheit  des  Gusswerks  und  die 
charakteristischen  Deckziegel  den  römischen  Ursprung.  In  der  altserbischen 
Epoche  und  in  den  epischen  Volksgesängen  wird  Gamzigrad  nicht  genannt.  Sein 
Name  ist  schwer  zu  deuten.  Die  serbischen  Worte  „gamziti"  und  „gamizati" 
(kriechen),  „Ganac"  und  „Kandza"  (Adlerkralle)  geben  keine  befriedigende  Erklärung; 


Von  Nis  über  Knjazevac,  Soko-Banja  uiul  Zajecar  nach  Negotin. 


371 


eher  das  türkische  „gamis"  (finster)  und  das  persische  „gamsed"  (traurig),  die 
mit  dem  düsteren  Aussehen  der  Feste  im  Einklänge  stehen.  Noch  schwieriger 
ist  zu  sagen,  welchen  Namen  sie  ursprünglich  trug.  Dass  sie  „Graniranis"  ')  hiess, 
beruht  auf  unstichhaltiger  Hypothese;  wahrscheinlich  ist  Gamzigrad  mit  einem  der 
vielen  durch  Justinian,  wieder  hergestellten  Tiniokkastelie  identisch,  von  welchen 
Prokopius:  Burgus  Altus,  Combos,  Krispae,  Longiniana,  Ponteserium  u.  a.  nennt.-) 
Ich  begann  die  nähere  Erforschung  des  interessanten  Werkes  bei  meinem 
zweiten  Besuche  im  Herbste  1864  mit  der  ersten  ürundrissaufnahme  seines 
ausgedehnten  doppelten  Mauergürtels  und  seiner  33  Türme.  Vier  riesige  Rundtürme 
von  28,5  m  Durchmesser  markieren  das  ungleichseitige  Kastrumviereck,  von  dessen 
213  und  230  m  langen  Schmalseiten  je  drei,  und  von  dessen  300  m  messenden 
Langfronten  je  vier  Türme,  im  vollen  Kreise  und  in  unregelmässigen  Zwischen- 
räumen,  vorspringen.     Mauern   und    Türme    sind    3,8  m   stark.     An   der  Ostseite 


Türme  und  Gewölbebau  zu  Cjanizigrad. 


wechseln  die  Abstände  zwischen  letzteren  von  24,7 — 30,4  m,  an  der  Nordfront 
von  28,5  —  32,3  m,  an  der  Westseite  von  13,3—30,4  m  und  an  der  südlichen 
von  36,5—  43,2  ni.  Der  nordwestliche  Eckturm  ragte  damals  noch  mit  zwei 
Stockwerken,  welche  je  sechs  Fenster  von  3  m  Höhe  und  2  m  Breite  enthielten, 
über  die  den  tiefen  Graben  füllende,  auf  ein  drittes  Stockwerk  hindeutende 
Schuttmasse  empor.  Das  Mauerwerk  aller  Türme  durchziehen  gleichweit  voneinander 
abstehende  Ziegelbänder;  ihre  äussere  Steinverkleidung,  grösstenteils  aus  nahe 
anstehendem,  metallführendeni  grünlichen  Hornblendeporphyr,  den  der  sächsische 
Hüttenmann  Breithaupt  „Tiniosit"  nannte,  wurde,  gleich  jener  der  teilweise  noch 
16  m  hohen  Frontniauern,  von  den  Anwohnern  mühsam  abgelöst  und  enttragen. 
Die  wenigen  zugänglichen  Gewölbe  sind  technisch  ganz  vorzüglich  aus  sorgfältig 
behauenen  Bruchsteinen  und  48  cm  grossen  Ziegeln  hergestellt.  Der  Hauptzugang 
befindet  sich  heute  und  war  wohl  auch  ursprünglich  an  der  Flussfront;  kleinere  Tore 
führten  durch  die  anschliessenden  Mauern  ins  Innere.  Bei  seiner  Durchforschung 
fand  ich,  17  m  von  der  geschilderten  Umwallung,  eine  ähnliche  zweite,  bestehend 


')  Dragasevic,  ülasnik,  Bd.  45,  S.  37. 
-)  Mannert,  a.  a.  0.,  S.  86. 


24* 


'^72  Von  Nis  über  Knjazevac,  Soko-Banja  und  Zajecar  nach  Ne^otin. 

aus  durch  Mauern  verbundenen  Rundtürmen,  deren  Grundfesten  an  einigen  Punkten 
des  mit  Schutt  bedeckten,  stark  bewachsenen  Raumes  deutlich  hervortraten.  Im 
Zentrum  stiess  ich  auf  die  Rudimente  einer  quadratischen  Baute,  mit  gegen  0. 
und  W.  13,3  m,  gegen  N.  und  S.  L'I  ni  langen  Fronten,  wahrscheinlich  das 
Prätorium  des  mächtigen  Werkes,  das  kleinere  Kastelle  und  Türme  auf  den 
nahen  Höhen  zu  einem  grossen  verschanzten  Lagerplatze  gestalteten. 

Rings  um  Zajecar  ist  das  Timoktal  mit  lehmiger,  schwarzer  Moorerde  bedeckt, 
unter  welcher  W.  von  Garnzigrad  mergeliger  Tonschiefer  von  muscheligem  Bruch 
ansteht,  auf  dem  Syenit  lagert.  Beim  gleichnamigen  nördlichen  Dorfe,  wo 
Kalkstein  den  Fluss  durchsetzt,  brechen  an  zwei  Stellen  heisse  Quellen  hervor, 
von  welchen  eine  mit  39"  C.  wegen  ihres  starken  Karbonsalzgehalts  einer 
bedeutenden  Zukunft  entgegensieht.  Das  hier  etwa  eine  Stunde  breite,  überaus 
fruchtbare  Hochplateau  fällt  zieinlich  stark  geneigt  zum  Timok  ab.  Auf  dem 
Rückwege  zur  Stadt  besuchte  ich  das  von  prächtigen  Obstkulturen  umgebene 
Zvezdan,  dessen  Pope  uns  freundlich  bewirtete.  Nördlich  vom  Dorfe  steht  ein 
altes  Kirchlein,  erbaut  in  Kreuzform,  mit  einer  Kuppel  über  der  Vierung,  das 
architektonisch  interessant,  weil  es,  obschon  nach  aussen  quadratisch,  im  Innern 
vier  halbkreisförmige  Nischen  birgt,  von  welchen  die  westliche  den  Eingang 
enthält.  Wir  durchritten  den  Timok  bei  dem  später  in  Ausbeute  genommenen 
südlicheren  Kohlenwerk  und  bewunderten  die  malerische  Tracht  des  die  zweite 
Heuernte  einbringenden  walachischen  schönen  Geschlechts.  Spät  abends  traf  ich, 
befriedigt  von  der  reichen  archäologischen  Ausbeute,  in  der  kleinen  Kreisstadt 
wieder  ein,   deren   bewegte   Schicksale   im  XIV.  Kapitel   ihre   Schilderung   finden. 

Auf  der  Weiterfahrt  nach  Negotin  lernte  ich  die  am  Timok  eingeführte 
verbesserte  Wollwäscherei  kennen,  welche  namentlich  Zvezdans  weiblicher 
Bevölkerung  lohnenden  Erwerb  bietet.  Die  Crna  Reka-Wolle  gilt  als  die  beste 
Serbiens,  ist  für  feinere  Stoffe  sehr  gesucht  und  erzielt  auch  gute  Preise.  Die 
Veredelung  der  Schafe  am  Krivi  Vir  wird  auf  Pasvan  Oglu  Pasa  zurückgeführt,  der 
edle  asiatische  Zuchtwidder  kommen  Hess  und  anordnete,  dass  die  schwarzen 
und  weissen  Schafe  getrennt  auf  beiden  Rtanjhängen  weiden  sollen.  Traditionell 
wird  behauptet,  dass  auch  die  Anzüge  der  Schäfer  und  ihre  Hunde  von  gleicher 
Farbe  mit  ihren  Herden  sein  mussten.  Nahe  bei  einer  neuen  Wollwäscheanstalt 
durchfurtete  ich  1860  den  Timok;  1889  sah  ich  an  derselben  Stelle  eine  80000  d 
kostende  schöne  Eisenbrücke  mit  drei  Durchlässen. 

Etwa  15  Minuten  unterhalb  der  vereinigten  Tiniokarme  steht  auf  dem  linken 
Flussufer  die  Ruine  eines  Römerkastells,  dessen  Reste  ich  im  Herbste  1860  im 
rechten  Mündungswinkel  des  Duboki  potok  in  Karte  brachte.  Dieses  von  den 
Anwohnern  den  Brüdern  Tankosic,  Zeitgenossen  des  Despoten  Djuradj  Brankovic, 
zugeschriebene  „Kostol"  bildet  ein  Rechteck  mit  40  m  langen,  35  m  breiten 
Fronten  und  vier  kreisförmig  vorspringenden  Ecktürmen.  Der  Zugang  befand  sich 
in  der  Westmauer;  von  der  Ostfront  führte  ein  kurzer  gewölbter  Gang  zur 
Wasserversorgung  nach  dem  Flusse.  Die  1875  freigelegten  Rudimente  lassen  im 
Innern  mehrere  rechtwinkelige  Zwischenmauern  erkennen ;  während  der  Ausgrabungen 
wurden  hier  ein  teilweise  lesbarer  siebenzeiliger  Grabstein,  Architekturstücke  und 


Von  Nis  über  Knjazcvnc,  Soko-Banja  und  Zajecar  nach  Negntin  373 

Märzen  gefunden.')  Oberst  Miskovic  veröffentlichte  den  Plan  des  gänzlicher 
Vernichtung  preisgegebenen  Weri<es  mit  der  auf  dem  linksseitigen  Dubokaufcr 
sichtbaren  Grundfeste  eines   Rundturmes.-) 

Am  rechten  Timokufer  liegt  das  im  serbisch-türkischen  Kriege  1876  viel- 
umkämpfte, durch  seine  gute  Pferdezucht  in  Ruf  stehende  Veliki  Izvor.  Es 
ist  von  Bulgaren  bewohnt,  welche  gleich  jenen  des  benachbarten  Zagradje  u.  a. 
mit  serbischem  Brauch  und  Sitte  auch  die  „Slava",  das  Fest  des  Hauspatrons, 
annahmen.  Sie  verloren  die  Tradition,  woher  sie  eingewandert,  müssen  also  seit 
langer  Zeit  auf  serbischem  Boden  siedeln,  dem  sie  mit  von  Dragoljub  K.  Jovanovic 
gerühmtem  patriotischen  Sinn  angehören.  Am  folgenden,  aus  NW.  abfliessenden 
Mi§ljenovacki  potok  entspringt  bei  Nikolicevo  eine  heisse  Quelle.  Seinen 
Unterlauf  querten  wir  auf  einer  hübschen  Steinbrücke  und  erreichten  gleich  darauf 
das  grosse  Vrazogrnac. 

Am  gleichnamigen  Bache  traf  ich  die  ersten  serbischen  „Diggers".  Das 
Goldwaschen  schien  hier  jedoch  wenig  lohnend  zu  sein,  denn  es  ward  nur  von 
wenigen  neben  der  häuslichen  Arbeit  betrieben.  Nach  starken  Regengüssen, 
wenn  die  Bäche  über  ihr  gewöhnliches  Uferniveau  getreten,  durchwusch  man  den 
zurückgebliebenen  Sand.  Es  geschah  mit  einer  „Goldlutter"  oder  grossem  Troge, 
über  deren  Quer-  und  Längenvertiefungen  der  Sand  nach  beiden  Seiten  langsam 
bewegt  wurde.  Gewöhnlich  wuschen  vier  Personen  gemeinschaftlich;  die  Ausbeute 
betrug  an  glücklichen  Tagen  höchstens  '/■.•  Dukaten.  „Im  Hinblick  auf  die 
Mangelhaftigkeit  der  Vorrichtungen  —  äusserte  ich  schon  1868  —  darf  man 
annehmen,  dass  bei  rationellerem  Betriebe  sich  lohnendere  Resultate  erzielen  Hessen. 
Nach  den  im  goldreichen  Siebenbürgen  gewonnenen  Erfahrungen  bleibt  es  aber 
auch  dann  fraglich,  ob  die  Goldwäscherei  am  Timok  jene  Wichtigkeit  erlangen 
könne,  die  ihr  Baron  Herder  beilegte."  Auffällig  blieb  es,  dass  später  seitens  der 
serbischen  Hüttenmänner  nichts  verlautete,  ob  die  goldführenden  Lagerstätten  an 
der  Bela-,  Crna-  und  Jasikova  reka  selbst  vielleicht  erfolgreicher  auszubeuten 
wären.  Vor  einigen  Jahren  gab  das  Ministerium  drei  Konzessionen  für  Goldwäsche 
an  Weifert  &  Co.  speziell  für  Sikole  und  Salas  —  an  Stevan  Popovic  &  Co.  und 
an  Paäic  &  Co.,  über  deren  Resultate  bisher  sichere  Daten  aber  fehlen. 

Vom  Mündungspunkte  der  Vrazogrnacka  reka  in  den  Timok  gehört  dessen 
rechtes  Ufer  zu  Bulgarien.  Sein  Unterlauf  ist  fischreich  und  wird  namentlich  die 
3 — 6  kg  erreichende  Karpfenart  „Verozub"  gerühmt.  In  der  fruchtbaren  Ebene 
Tatarna  bei  Vrazogrnac,  wo  der  im  jenseitigen  Kula  hausende  Wojwode  Ljutica 
Bogdan  grosse  Ländereien  besessen  haben  soll,  entfernt  sich  die  Strasse  vom 
Timokiauf  und  folgt  aufwärts  strebend  der  Vrazogrnacka  reka  bis  Rgotina,  über 
dessen   Namensursprung  Milicevic-^)   eine  von  mir   beseitigte   Hypothese    mitteilte. 

Bei  Jelasnica  schied  ich  für  einige  Zeit  vom  Timoker  Kreise.  Nahe  bei 
Mala  Jasikova  querten  wir  den  südlichen  Arm  des  gleichnamigen  Baches, 
welcher  als  reichster  der  goldführenden  Timokzuflüsse  gilt.     An  seinem  Oberlaufe 

')  Glasnik,  Bd.  TA,  S.  97. 

■-)  Starinar,  Bd.  IV. 

')  Kneievina  Srbija,  S    879. 


374  Von  NiS  über  Knjazevac,  Soko-Banja  und  Zajecar  nacli  Negotin. 

durchsetzen  bei  Glogovac  viele  schmale  Trümmer  von  Brauneisenstein  den 
serpentinartijfen  Oabro.  Herder  vermutete  dort  eine  goidfüiirende  Lagerstätte,  und 
Hofniann  bezeichnet  als  solche  die  stark  zerklüftete,  bröckelige  Decke  der  oberen 
Terrasse  des  Berges  Culic,  in  welcher  bis  10  Gramm  schwere  Goldkörner  vorkommen. 
Dass  schon  die  Römer  diese  wichtige  Tatsache  kannten,  darf  man  wohl  vermuten, 
denn  nur  40  m  vom  linksuferigen  Bachrand  und  20  m  W.  von  der  Negotiner 
Strasse  stiess  ich  auf  die  Reste  einer  antiken  Baute,  von  welcher  die  8,6  m  lange, 
0,8  m  starke  Ostmauer  und  die  anschliessenden,  noch  12  m  langen  Fronten,  ferner 
eine  Abteilungsmauer  erhalten  blieben.  4  km  nördlicher  läuft  die  Strasse  durch 
Salas,  bei  dem  das  konstituierende  Gestein  aus  Hornblende  mit  dichtem  Feldspat 
weiter  NW.  in  porphyrartigen  Syenit  übergeht. 

hl  zwei  durch  Erosion  entstandenen  2  m  breiten  Querrissen  vor  und  hinter 
dem  Dorf  erblickte  ich  das  60  cm  hoch  mit  Erde  überlagerte  Querprofil  der  ihre 
Richtung   auf  Trnjane  nehmenden,  7  m  breit  gepflasterten   Römerstrasse.     Weiter 
ging  es  über  eine  niedere  Wasserscheide  zur  Sikolska  reka,  an  deren  Quellen  gute 
Braunkohle  angeschürft  wurde.     Die  vom  Engländer  E.  M.  Grant  für  das  tertiäre 
„Sikole"  (10  Felder)  erworbene  Konzession  ging  an  Radovan  Petrovic  &  RanftI  in 
Belgrad  über,  welche  1891  mit  den  Arbeiten  begannen,  sie  aber  bald  einstellten.   Die 
zur  nördlichen  Trnjanska  reka  streichende,  35  km  von  der  Donau,  neben  Manganese 
2 — 4  m  stark  in  Sand,  Ton  und  Sandstein  lagernde  Kohle  hat  C      59,52,  H      3,98, 
Asche —  4,55   und   erwartet   ihren   lohnenden   Betrieb  von  der  lange  projektierten 
Timokbahn,  die  auch  andere,  heute  tote  Schätze  der  Krajina  lebendig  machen  wird. 
Die  andauernd   treffliche  Strasse   quert   im   reizenden   Wechsel    noch   einige 
schöne  Täler  und  Höhen,  welche,  je  näher  der  Donau,  sich  ermässigen  und  zuletzt 
den  Charakter  einer  weitgedehnten  Hochterrasse  annehmen.    Nach  allen  Richtungen 
findet  das  Auge  angenehme  Zerstreuung  in  diesem  prächtigen  Landstriche.    Gegen 
SO.    erscheinen    auf    der    bulgarischen    Timokterrasse    hübsche    Kulturen,   dunkle 
Eichenwäldchen  und  wohlhabende  Ortschaften,  und  das  einzige,  zwischen  Bulgaren 
und  Rumänen  eingekeilte  rein  serbische  Dorf  Bratjevac.    Gegen  NW.  beherrschen 
die  scharf  profilierten  Umrisse  des  Deli  Jovan  und  Crni  Vrh  mit  nahezu  senkrechten 
1200  m    hohen    Wänden    die    vorlagernde    sanfte,    gut    bebaute    Hochebene.      Ihr 
üppiges  Weideland  bedecken  zahllose  Herden,  in  deren  Glockengeläute  sich  das 
fröhliche  Lärmen   zum   nahen    Kloster  Bukovo   pilgernder   Karawanen   hineintönt. 
Bei  den  folgenden  Rebenhügeln  von  Badnjevo  umlagerten  neben   und  zwischen 
von  walachischen  Bauern  und  Mädchen  eskortierten  Salzwagen  heitere  Negotiner 
Stadtkinder    einen    verfallenen    Brunnen.      Auch    wir    Hessen    hier   unsere    Pferde 
tränken   und    mengten  uns    in    das    lebendige   Treiben.     Nochmals    ging   es   eine 
Höhe  hinan.     Am  östlichen  Horizonte  tauchte  dort  ein   grell  beleuchteter,   endlos 
scheinender  Streifen  auf,  den  ein  bald  glitzender,  bald  dunkler  Faden  durchschnitt. 
Es  war  die   in  graugelben  Tönen   verschwindende,  weite   rumänische  Ebene   für 
den   seit  Monaten  in  tiefen  serbischen  Gebirgstälern  sich  bewegenden  Reisenden 
ein  unbeschreiblich  wohltuender  Anblick,  den  die  Aussicht  auf  einige  angenehme 
Tage    in   dem    am    Fusse    der    letzten    rebenbewachsenen    Hügel    auftauchenden 
Negotin  noch  steigerte. 


XIII. 

Von  Paracin  durch  das  Crnica-  und  Baba- 

V 

Gebiet  zum  Cestobrodica-Passe. 


DAS  Strassennetz  des  im  Norden  sehr  gebirgigen  Öuprijaer  Kreises  blieb 
dasselbe  spärliche  wie  zur  Römerzeit.  In  seinen  östlichen  Bereich  fällt, 
ausser  der  Strecke  Medvedja-Paracin  des  Konstantinopeler  Heerwegs,  nur  ein 
Teil  der  gleichfalls  antiken  Strasse,  welche  die  Morava  mit  der  Donau  verband. 
Da  letztere  ein  geographisch  wenig  gekanntes,  in  prähistorischer  und  römischer 
Zeit  stark  ausgebeutetes  Minengebiet  durchschneidet,  stellte  ich  mir  im  Oktober 
1889  die  Aufgabe,  sie  von  ihrem  Abzweigungspunkte  bei  Paracin  bis  zur 
Timokmiindung  zu  verfolgen.  Infolge  meiner  bewährten  Erfahrung,  dass  nahezu 
alle  heutigen  Städte  am  Konstantinopeler  Heerwege  auf  Resten  antiker  Nieder- 
lassungen entstanden  sind,  forschte  ich  auch  in  Paracin  nach  solchen;  denn  die 
Terrainverhältnisse  bedingten,  dass  der  Konstantinopeler  Heerweg  dieselbe  Trace 
wie  der  mittelalterliche  und  türkische  verfolgt  und  im  städtischen  Weichbilde  die 
Crnica  gekreuzt  haben  musste. 

Nähere  Erkundigungen  während  meines  ersten  kurzen  Besuchs  (1887)  blieben 
resultatlos.  Von  besserem  Erfolge  waren  meine  persönlichen  Beniiihungen  im 
Oktober  1889  begleitet.  Bei  eifriger  Durchforschung  des  Ruinenchaos  nahe  der 
„Carigrader  Brücke"  traf  ich  auf  dem  rechten  Bachufer  einen  quadratischen 
Bau,  von  dessen  36,5  m  langen  und  1,10  m  starken  Mauern  die  östliche  und 
westliche  sich  stellenweise  3  m  hoch  erhielten. 

Dieses  6  Millien  von  Horreum  Margi  entfernte  „Kaleh"  stand  zweifellos  auf 
der  Grundfeste  des  römischen  Kastells,  welches  den  Bachübergang  und  die 
römische  Ansiedelung  schützte,  von  der  ich  auf  den  Veljkovicschen  Feldern, 
jenseits  des  Bahndammes,  zahlreiche  Bruchstücke  antiker  Deckplatten  und  Mauern 
auffand.  Die  Tab.  Peut.  nennt  nicht  diese  Zwischenstation.  Im  hin.  Hieros.,  das 
auch  die  Namen  kleinerer  Strassenpunkte  gibt,  scheint  sie  aber  durch  Versehen 
weggeblieben  zu  sein,  denn  seine  Entfernung  (55  Millien)  zwischen  Horreum 
Margi  und  Naissus   ist  gegen   jene   der  Tab.   Peut.   und   des  Itin.  Ant.  zu  kurz.') 

')  Ob  der  1897  vom  Kaufmann  Milan  Pesic  am  Paracincr  „Tursko  Brdo"  gefundene 
Friedhof  mit  6  Marmorreliefs  —  wie  mir  der  Belgrader  Lehrer  Ceda  Marjanovic  mitteilte  — 
aus  antiker  Zeit  stammt,  bleibt  fraglich. 


37fi 


Von  Paracin  durch  das  Crnica-  und  Baba-Gebict  zum  Cestobrodica-Passe. 


Paraciii  blieb  zu  allen  Zeiten  ein  wichtiger  Punkt.  Während  der  österreichisch- 
türkischen Kämpfe  im  17.  und  18.  Jahrhundert  wird  es  oft  genannt,  und  in  einer 
gleichzeitigen  Karte  erscheint  es  als  „Baragin",  umgeben  mit  starken  Befestigungen. 
Als  der  Marschall  Seckendorff  es  1737  besetzte,  verlegte  er  dahin  die  Hauptmagazine 
der  gegen  Nis  vorrückenden  kaiserlichen  Armee,  und  auch  die  Türken  erkannten 
in  allen  Kriegen  seine  hohe  militärische  Bedeutung.  Von  ihrem  vorerwähnten 
„Kaleh"  laufen  starke  Mauern  vorbei  am  Hause  des  Zivko  Rakic  zur  westlichen 
Ruine  einer  Moschee,  die,  noch  vor  einem  Dezennium  als  Brauereilokal  benutzt, 
jetzt,  obschon  Gemeindegut,  noch  mehr  durch  einen  in  ihrer  Kibla  eingenisteten 
Schweinestall    profaniert    wird.      Unfern    diesem    Bau    fand    ich    reichskulptierte 


PARACIN.    Skizze  des  Konstantinopeler  Heerwegs. 


Marmorplatten  von  einem  vornehmen  Türkengrab,  über  der  Strasse  die  Mauern 
eines  Hamam  (Bades)  und  nördlicher  jene  des  Konaks,  in  dem  der  Vezier  Hafis 
Pasa  nach  seinem  Misserfolge  bei  Ivankovac  (1.  Bd.,  S.  219)  im  August  1805 
übernachtete.  Karadjordje  war  ihm  von  dort  gefolgt  und  errichtete  auf  dem  nur 
2  km  fernen  „Tursko  Brdo"  eine  Schanze,  deren  Reste  noch  vorhanden  sind. 
Die  Position  war  gut  gewählt,  doch  kam  es  nicht  zum  Angriff  auf  Paracin,  weil 
er  den  Leskovacer  Pascha,  dem  er  verpflichtet  war,  und  auch  die  in  der  Stadt 
wohnenden  Serben  schonen  wollte.  Nach  einigen  auf  die  Palanka  am  Frühmorgen 
abgegebenen  Schüssen  zog  Hafis  Pasa,  tief  erschüttert,  dass  er  undisziplinierten 
serbischen  Freischaren  weichen  musste,  nach  Nis  ab,  wo  er  bald  darauf  starb. 
1806  wurde  Paracin  durch  den  Wojwoden  Dobrnjac  besetzt,  1833  aber  erst 
dauernd  serbisch  und  von  den  Moslims  gänzlich  verlassen.  Ausser  den  erwähnten 
Bauten  stammen  nur  wenige   feste  Häuser  aus   der  Türkenzeit.     Wie  es  Paracins 


Von  Pnrnciii  durch  das  Crnica-  iiru1  Bahn-Oebicl  /um  Cestobrodica-Passc.         377 

christlichen  Bew-dhiiern  während  derselben  erging,  erhellt  schon  aus  dem  Umstände, 
dass  seine  alte  Kirche  als  Magazin  benutzt  wurde  und  ihre  hl.  Bücher  vernichtet 
wurden.  •) 

Die  Einverleibung  in  das  junge  serbische  Staatswesen  feierte  Paracin  noch 
im  selben  Jahre  1833  durch  die  Errichtung  seiner  ersten  Volksschule,  an  der 
heute  13  Lehrkräfte  'in  je  vier  Klassen  520  Knaben  und  Mädchen  unterrichten. 
Neben  ihr  entstand  in  einem  stattlichen  Neubau  ein  vierklassiges,  1889  von 
170  Schülern  besuchtes  Untergymnasium  mit  acht  in  Wien,  Leipzig,  Graz  usw. 
gebildeten  Professoren.  Das  von  dem  leider  früh  verstorbenen  Pavle  Vujic 
geleitete  physikalische  Kabinett  fand  ich  gut,  den  Zeichensaal  und  die  Klassenräume 
mit  genügenden  Lehrmitteln  ausgestattet.  Weniger  glücklich  ist  die  Stadt  mit 
ihrem  neben  der  alten  unansehnlichen  Markuskirche  1862  begonnenen  grossen 
Kirchenbau.  Dieser  war  mit  seinen  fünf  Kuppeln  bereits  ziemlich  weit  gediehen, 
als  am  20.  Oktoberabend  1864  sein  hoher  Turm  wegen  fehlerhafter  Konstruktion 
einstürzte  und  die  vollendeten  Teile  arg  verwüstete.  1884  wurde  endlich  nach 
Architekt  llkics  Plänen  die  Arbeit  wieder  aufgenommen,  1886  aber  wegen 
Geldmangels  eingestellt.  Erst  1897  fand  ich  den  47  m  hohen  Turm  für  die  vom 
Belgrader  Kaufmann  Mihailo  N.  Terzibasic  gewidmete  Glocke  mit  auf  den  Tod 
seines  Vaters  Tasa  (f  1887)  bezüglicher  Inschrift  vollendet.  Die  auf  214000  d 
veranschlagte  dreischossige  Kirche  verspricht  durch  die  polychrome  Ausstattung 
-  alle  Sockel,  Säulen  und  Gesimse  sind  von  rotem  Baba-Marmor  —  eine  prächtige 
Zierde  der  strebsamen  Stadt  zu  werden,  welche  mit  Hilfe  ihrer  1887  gegründeten, 
schon  10  Millionen  d  jährlich  in  Umlauf  setzenden  Sparkasse  den  1889  vom 
polnischen  Ingenieur  Roman  Babecki  entworfenen  Regulierungsplan  zu  verwirk- 
lichen hofft. 

Schon  jetzt  sieht  man  viele  Häuser,  deren  nette  Fassaden  kaum  glauben 
lassen,  dass  sie  einfache  Piroter  „Dundjeri"  herstellten.  Bei  der  wohltuend  von  den 
hässlichen  Türkenhanen  abstechenden  „Tatar  Bogdanova  Mehana"  überspannt  die 
solide  Holzbrücke  „Velika  cuprija"  und  unterhalb  der  „Carigradska  mala  cuprija" 
die  Eisenkonstruktion  der  Bahnbrücke  den  die  Stadt  durchfliessenden  Crnicabach. 
Allerorts  herrscht  reges  Leben.  Der  Verkehr  und  die  Bevölkerung  wachsen 
fortwährend.  Seit  1870,  wo  Paracin  nur  600  Steuerköpfe  besass,  verdoppelte 
sich  diese  Ziffer,  und  1896  zählte  man  in  1078  Häusern  schon  5965  Seelen.^)  Viel 
wurde  Paracins  rascher  Aufschwung  durch  den  sein  Weichbild  durchschneidenden 
Ni§er  Schienenweg  gefördert,  der  weiter  durch  eine  Zweigbahn,  welche  1895 
vom  kgl.  Direktor  M.  D.  Stojanovic  und  seinem  Ingenieurstabe  studiert  wurde, 
über  die  Cestobrodica  mit  dem  stark  radikalen  Distrikte  Zajecar  verbunden 
werden  soll.  Bei  diesem  Projekte  mögen  militärische  Motive  die  wirtschaftlichen 
überwogen  haben.  Denn  nur  die  bedeutenderen  Firmen  Aleksa  Tosic,  Marko 
Misic,  Risto  Vasiljevic  aus  Sarajewo  und  einige  andere  treiben  ausgebreiteteren 
Handel  mit  Mais,  Weizen,  Ochsen,  Schweinen,  Wolle,  Holz,  Nussbaumstämmen  usw., 
die  hier  aus  der  produktenreichen  Umgebung  zusammenströmen. 

')  Glasnik,  Beiträge  z.  serb.  Kulturgesch.,  Bd.  56.     1884. 
=)  1905  zählte  Paradin  5660  Einwohner  in  1179  Häusern. 


r?78         Von  Paraciii  durch  das  Crnica-  und  Baba-Oebict  zum  Lestobrodica-Passe 

Hervorragende  industrielle  Bedeutung  erhielt  Paracin  durch  eine  für  serbische 
Verhältnisse  grossartige  Tuchfabrik  der  Firma  Brüder  Münch  aus  Triesch  bei 
Iglau  in  Mähren.  Anfänglich  hatte  das  1880  am  Ostrande  der  Stadt  erbaute, 
1882  eröffnete  Etablissement  mit  riesigen  Schwierigkeiten  zu  kämpfen,  weil  alle 
geschulten  Arbeiter,  das  feinere  Wollmaterial,  die  Motoren,  Stühle  usw.  vom 
Auslande  bezogen  werden  mussten.  Dank  ihrer  Förderung  durch  die  Regierung, 
welche  ihr  kontraktlich  die  Abnahme  des  Heeresbedarfs  für  15  Jahre  zugesichert, 
falls  die  Preise  gegen  andere  Offerten  sich  nicht  höher  als  10 "/o  stellen,  vergrösserte 
sich  die  Fabrik  ausserordentlich  rasch  und  arbeitete  schon  1889  mit  Wasser-, 
Dampf-  und  elektrischer  Kraft  auf  58  Chemnitzer  mechanischen  Stühlen  mit 
200  Personen.  Seither  beschäftigt  der  auf  Sajak,  Tuchkotzen,  Kammgarnstoffe, 
Posamenterien  ausgedehnte  Betrieb  350-  500  Arbeiter,  darunter  nahezu  QO^/o 
Frauen  und  Mädchen.     Diese  verdienen  —  bei  behördlich  untersagter  Nacht-  und 


PARACIN.    .Vlünchs  Tuchf.ihnk. 


Sonntagarbeit  —  0.40  bis  1  d,  die  Männer  1.20  bis  2  d  täglich.  Das  Anlagekapital 
der  Fabrik  soll  samt  allen  Maschinen  1,2  Millionen  d  betragen.  Als  Motoren 
dienten  1898;  eine  Turbine  von  50  Pferden  konstanter  Wasserkraft,  zwei  Dampf- 
kessel mit  500  m-  Heizfläche  für  eine  Compoundmaschine  von  270  Pferdekraft. 
Ausserdem  gibt  es:  einen  Eastwood-  und  Ambler-Wollwaschapparat  und  zwei 
älteren  Systems,  eine  Wolltrockenmaschine,  zwei  Krempel-  und  zwei  Reisswölfe; 
für  die  Färberei;  fünf  Kessel,  drei  Kuppen  und  zwei  Färbemaschinen;  für 
die  Spinnerei;  11  Assortinients-Schrobelmaschinen,  vier  Seifaktoren  und  acht 
Mulejennys  mit  3500  Spindeln,  drei  Schweif-,  eine  Zwirn-,  eine  Spulmaschine; 
für  die  Weberei;  94  mechanische  Webstühle  verschiedener  Systeme;  für  die 
Appretur;  acht  Zylinder-,  zwei  englische  Schnellwalken,  sechs  Tuchwasch-,  eine 
Trockenrahm-,  eine  Karbonisations-,  drei  Rauh-,  fünf  Schermaschinen  und  eine 
hydraulische  Dampfwalzenpresse. 

Die  Kammgarnspinnerei  englischen  Systems  ist  für  1500  q  Garn  eingerichtet 
und  liefert  Strickgarne,  sowie  das  Material  für  die  Posamentier-Abteilung,  welche 


Von  Paracin  durch  das  Crnica-  und  Baba-Gebiet  zum  Cestobrodica-Passc.        -^"9 

auf  50  Apparaten  lüOO  q  Gajtan  (Wollschnüre)  jährlicli  erzeuj^t.  im  ganzen 
brachte  das  AUinclische  Etablissement  durchschnittlich  in  den  letzten  Jahren  für 
0,8—1,4  Millionen  d  Waren  in  den  Handel.  Besonders  werden  gerühmt  seine 
perl-  und  dunkelblauen  Offiziers-  und  Mannschaftstuche,  Kotzen  und  verschiedene 
Kommerzstoffe;  bei  ersteren  wird  ungarische  Wolle  gemengt  mit  50 "/o  heimischer 
verwendet;  letztere  allein  nur  bei  Kotzen  und  billigen  Stoffen.  Indigo  wird  von 
Kohnberger  in  Wien  bezogen,  Anilinfarben  sind  streng  ausgeschlossen.  Die 
Belgrader  Fabrikniederlage  konkurriert  in  billigeren,  dem  Nationalgeschmack 
angepassten  Sorten  ganz  gut  mit  aus  Mähren  importierten  Stoffen;  trotzdem  hatte 
das  Etablissement  harte  Angriffe  seitens  der  Presse  zu  bestehen. ') 


Kiiniji  Milans  Hauptciuartier  zu  ParaCJn  im  Jahre  IS7t\ 


So  sehr  auch  das  Münchsche  Etablissement  den  städtischen  Kleinverkehr 
belebte,  bleibt  doch  das  „Ooldjahr"  1876  unvergessen,  in  dem  sich  Fürst  Milans 
Hauptquartier  im  Paraciner  Bezirksamt  etablierte  und  dort  der  Nachschubdienst 
für  die  gegen  Nis  operierende  Armee  organisiert  wurde,  was  der  Stadt  viel  Geld 
und  Verdienst  brachte.  Eine  andere  willkommene  Einnahmequelle  verlor  sie  durch 
die  1888  erfolgte  Verlegung  des  Morava-Divisionskommandos  nach  Knjazevac; 
nur  der  Cadre  des  Territorial-Bataillons  blieb. 

Paracins  Bezirkshauptmann  und  der  Stadtkmet  Lazar  Simic  betätigten  ihr 
Interesse  für  meine  Studien,  indem  sie  mir  Panduren  zur  Verfügung  stellten, 
welche  die  Umgebung  genau  kannten.  Auf  dem  ersten  Ausfluge  konstatierte  ich 
östlich    vom    Bahnwächterhaus   No.  97,   zwischen  Maisfeldern    des  Stanoje   Pajkic 


')  Dieses  grossartige  Etablissement  brannte  im  Jahre  1904  gänzlich  ab,  und  an  dessen 
Stelle  erbaute  eine  serbische  Aktiengesellschaft  eine  Glasfabrik,  welche  am  8.  '21 .  September  1908 
feierlich  eröffnet  wurde. 


380         Von  Paracin  durch  das  Crnica-  und  Baba-Gebiet  zum  Cestobrodica-Passe. 

auf  dem  „Zmidz",  eine  starke,  lange  Mauer  von  dünnplattigem  Kalkstein  und 
Geschieben,  ferner  antike  Deckplatten  in  grosser  A^enge.  Diese  Baute  trug, 
gleich  den  Resten  einer  zweiten  nordwestlicheren,  entschieden  römisches  Gepräge. 
Die  Standorte  beider  Ruinen  und  alte  Strassenspuren  bewiesen,  dass  die  römische 
Konstantinopeler  Heerweg -Abzweigung  zur  Donau  von  Horreum  Margi  direkt 
ausging  und  —  wie  meine  späteren  Untersuchungen  ergaben  —  dann  Grza 
aufwärts  unter  dem  starken  Bollwerk  auf  der  Baba  zur  Cestobrodica  lief.  Dass 
Paracins  wald-  und  erzreiche  Umgebung  in  prähistorischer  und  römischer  Zeit 
stark  besiedelt  war,  zeigen  zahlreiche  Gräber,  die  ich  auf  der  nordöstlichen 
„Zuta  poljana",  im  Wäldchen  der  Brüder  Aleksa  und  Stojan  Knjezebac, 
traf.  .Ausgrabungen  ergaben  unter  oft  sargähnlich  aufgerichteten  Platten  neben 
Skelettresten  liegende  Schmuckgegenstände,  Bronzefibeln,  Nadeln  usw.,  ferner 
auf  der  „Mala  Kolajna",  beim  südlichen  Davidovac,  ummauerte  Urnen  von 
80  cm  Höhe  und  60  cm  Durchmesser  mit  verbrannten  Knochenresten.  Die 
reichste  Ausbeute  lieferten  die  Grabstätten  am  Hange  des  „Zuto  polje",  von 
deren  mit  Wein  bepflanzten  Vorhöhen  zwei  prächtige  Quellen  hinab  gegen 
Paracins  Rebenhügel  fliessen,  um  dort  im  fetten,  schwarzen  Humus  ungenutzt  zu 
versickern. 

Am  nächsten  Morgen  schloss  sich  zu  aller  Freude  der  stets  heitere  Pope 
Zaharije  Petkovic  uns  an.  Sein  flinkes  Rösslein  trug  verschiedene,  von  seiner 
vorsorglichen  Hausfrau  mit  Wein  und  Esssachen  gefüllte  Cutura  und  Bissage,  die 
des  Reiters  Sancho  Pansa  ähnliche  Gestalt  nur  wenig  überragte.  Die  schlimmsten 
Wegstellen  vermochten  seinen  fröhlichen  Gleichmut  nicht  zu  stören;  ich  gab  ihm 
das  Epitheton  „unsere  feste  Burg",  und  er  machte  diesem  in  jeder  Situation 
volle  Ehre.  Unser  Weg  ging  nach  einem  der  romantischsten,  ruinenreichen  Ein- 
schnitte, an  welchen  das  Crnica-Quellgebiet  so  reich  ist.  Glavica  mit  den 
Resten  eines  alten  Kirchleins  blieb  rechts.  SW.  die  Glavicka  Cukara.  welche 
gleich  der  Bosnjacka  djula  neuere  Schanzen  krönen.  Hart,  wo  unsere  Diagonale 
die  Crnica  berührte,  durchschnitt  sie  die  von  Cuprija  zum  Mutnicko  polje  laufende 
antike  Trace.  Vorbei  an  der  Mehana  von  Bosnjane  und  seine  Crnicabrücke 
rechts  lassend,  hielt  sich  unser  Vizinalweg  fortwährend  zwischen  den  linksseitigen, 
mit  Wein  und  wilden  Birnbäumen  bepflanzten  Höhen  des  Dorfes  Popovac 
und  dem  Bachrinnsal,  über  das  SO.  aus  dichten  Zwetschkenpflanzungen  die  roten 
Ziegeldächer  des  hochliegenden  Buljane  erschienen.  Wir  lenkten  zur  Crnica,  in 
deren  rasch  fliessendem  Gerinne  einige  halbnackte  Männer  den  vom  Hochwasser 
zerstörten  Wehrgang  einer  unserem  Popen  gehörenden  Mühle  herstellten  und  bei 
dieser  lebensgefährlichen  Arbeit  ausserordentliches  Turnergeschick  entwickelten. 
Unsere  „feste  Burg"  ermunterte  durch  einen  guten  Tropfen  aus  seiner  Riesen- 
cutura  die  braven  Leute. 

Als  das  Felsentor  erreicht,  aus  dem  die  tosend  hinschäumende,  kristallklare 
Flut  der  wilden  Crnica  die  Ebene  betritt,  sassen  wir  ab,  denn  nur  ein  schmaler, 
schwindeliger  Fusspfad  führt  an  der  steilgeböschten  Lehne  des  rechtsuferigen 
Popljesak  über  glattes,  klippiges  Gestein  in  das  von  spärlich  bewaldeten  Bergen 
gebildete    Engdefilee.      Die    hohen,    nackten    Kalkkuppen    und    Spitzen    schnitten 


Von  Paracin  durch  das  Crnica-  und  Baba-Gebiet  zum  Cestobrodica-Passc. 


381 


abenteuerlichste  Umrisse  in  das  tiefduiikle  Ätiiergrau,  das  seinen  feuchten  Gehalt 
glücklicherweise  zurückhielt,  denn  sonst  wäre  die  Erreichung  unseres  Zieles 
undenkliar  gewesen.  Nur  noch  ein  weit  vorspringender  Steilfels  deckte  dasselbe, 
und  als  auch  dieser  überwunden,  tauchte  vor  uns  auf,  nahezu  eins  mit  dem 
riesigen,  überhängenden  Kalkblock,  eine  turniartige  Ruine,  welche  den  Frauennamen 
„Petrusa"  trägt. 

Unglaublich  gross  ist  die  Zahl  der  von  Serbenherrschern  gestifteten  Klöster 
und  Kirchen  in  den  Tälern  der  Mlava,  Resava,  Ravanica  und  Crnica.  Keines 
ihrer  A\onuinente  kann  sich  aber  einer  gleich  romantischen  Lage  rülmien  wie  die 


Pclnisa  iir.nl  im  Cniica-rJefilec. 


der  „hl.  flammenden  Maria"  geweihte  „Petruska  crkva";  sie  allein  genügte,  um  auf 
die  Phantasie  des  Volkes  zu  wirken.  Dazu  gesellt  sich  aber  auch  die  Sage,  dass  die 
Türken  dort  die  zum  Sabor  (Kirchweihfest),  29.  Juli  a.  St.,  versammelten  Gläubigen 
überfielen  und  abschlachteten.  Das  Blut  floss  in  solchen  Strömen,  dass  es  die 
Belica  (Weissbach)  an  dieser  Stelle  so  dunkel  färbte,  dass  sie  fortan  „Crnica" 
(Schwarzbach)  hiess.  Diese  Tradition,  der  Kirchenname  „Petruäa"  und  die  über 
ihr  liegende  zerstörte  Felsburg  erinnerten  mich  an  die  auf  S.  87  erwähnte 
chronistische  Notiz,  welche  unter  den  von  dem  türkischen  Thronprätendenten 
„Zar  Musija"  zerstörten  Festen  auch  ein  bisher  unbestimmt  gebliebenes  „Petrus" 
nennt.  Sollte  ein  von  dem  eroberten  Stalac  entsandtes  Streifkorps  die  unferne 
Feste  Luui   Kirche  Petru.sa  überfallen  und  verwüstet  haben? 


382 


Von  Paracin  durch  das  Crnica-  und  Baba-Ocbict  zum  Cestobrodica-Passc. 


Die  originelle  Anlage  des  13,8  ni  langen,  im  östlichen  Teile  zwischen  den 
Seitenapsiden  auf  7,55  m  sich  verbreiternden  Kirchleins  ist  aus  seinem  von  mir 
aufgenommenen  Grundriss  ersichtlich.  Seine  0,8  m  starken  Mauern  ■  bestehen 
durchgehends  aus  Kalktuff  (bigar),  der  beim  nordöstlichen  Presakaberg  ansteht, 
doch  seiner  Festigkeit  nach  beim  nordwestlichen  Bigrenica  gebrochen  wurde. 
Die  Chornische  und  Tonnengewölbe  wurden  aus  sorgfältig  behauenen,  dichten 
Kalksteinquadern  hergestellt;  die  einzigen  Ziegel  fand  ich  am  Bogen  des  über 
dem  geradlinigen  Türsturze  der  Narthexscheidemauer  eingeschnittenen,  1,30  m 
hohen  Tympanonfeldes,  in  dem  die  „feurige  Maria"  mit  dem  hl.  Elias  rechts 
erscheint,  die  links  stehende  Figur  aber,  gleich  anderen  Fresken,  stark  verwüstet 


Petrusa  Grad,  Plan. 


ist.    Die  Kirche  lehnt  so  nahe  an  der  Cokoce-Felswand,  dass  ich  nur  schwer 
zu  ihrer  Chorapsis  mich  durchzwängen  konnte. 

Das  Kloster  scheint  niemals  grössere  Ausdehnung  besessen  zu  haben  und 
war  stets  nur  eine  Metochija  des  nördlicheren  Ravanica.  Für  die  Wohngebäude 
der  Mönche  blieb  auf  dem  schmalen  Felskopfe  kein  Raum;  ihre  Mauern  befinden 
sich  bachaufwärts  am  linken  Ufer,  in  dem  vom  Dorfe  Zabrega  1  km  fernen, 
schmalen  Taleinschnitte.  Neben  ihnen  steht  die  Ruine  eines  10  m  langen,  3  m 
breiten,  aus  Sand-,  Kalk-  und  Tuffstein-  erbauten  Kirchleins,  mit  Narthex  und 
halbrundem  Chorabschluss,  in  dessen  noch  2,5  m  hoch  erhaltener  Westwand 
vier  rundbogige  Nischen  eingetieft  sind.  Der  kleine  Bau  ist  dem  Sv.  Jovan 
geweiht  und  feiert  seinen  viele  Gläubige  anziehenden  Sabor  am  Enthauptungstage 
des  Apostels,  am  29.  August  a.  St. 


Von  Paiacin  durch  das  Crnica-  und  Baba-Gcbict  zum  Cestobrodica-Passc. 


'^m 


In  naher  Beziehung  zum  Petrusakloster  steht  nach  dem  Volksglauben  eine  hoch 
am  Nordabfaile  des  Cokoce  sichtbare  Grotte,  in  der  die  Mönche  die  grossen 
Fasten  verlebten.  Drei  unter  ihr  an  der  Crnica  liegende  riesige  Felsstücke  trug 
die    hier  wieder    auftretende,    oft   genannte    Fürstin   Jerina    in    ihrer  Schürze   auf 


Pclrusakirclic.  Grundriss. 


das  Bergplateau,  in  den  weiten  Hofraum  ihres  einstigen  Schlosses.  In  Wahrheit 
sieht  man  auf  dem  Cokoce  einen  13  m  langen,  5  m  breiten  und  8  m  hohen, 
dreimal  gespaltenen  Felsblock  und  Reste  von  den  Plateau-Umfassungsmauern, 
deren    Durchmesser    Ingenieur    Babecki,   während    ich    den    Grundriss   der   Kirche 


COKOCH.    Jcrinaslein, 


aufnahm,  von  O.  nach  W.  mit  beiläufig  780  m  und  von  N.  nach  S.  mit  600  m 
bestimmte.  Oben  duftete  es  herrlich  von  in  so  später  Herbstzeit  zum  zweitenmal 
blühendem  Jorgovan  (Hollunder),  welcher  mit  dunklem  Feigengesträuch  und 
anderem  Niederwuchs  alle  Felsen  dicht  überzieht.  Solcher  durchschnittlich  nur 
alle  zehn  Jahre  eintretende  zweite  Frühling  gilt  für  den  Bauern  als  sicheres 
Vorzeichen  eines  folgenden  strengen  Winters. 


384 


Von  I'ar.iOin  durch  das  Crnita    und  Haba-Gcbict  zum  Cestobrodica-Passc. 


Mit  Blumen  geschmückt,  in  froher  Stimmung  über  die  gelungene  Partie  und 
den  wieder  blauenden  Himmel  kletterten  wir  den  mühsamen  Steilpt'ad  zurück. 
Während  ich  das  pittoreske  Defilee  skizzierte,  versuchten  meine  Begleiter  bei  einer 
„Sinjac"  genannten  Buchtung  mit  ausgeworfenen  Dynamitpatronen  den  Forellenfang, 
doch  ohne  Glück.    Die  Fische  standen  zu  tief.    Das  junge,  frischgrüne  Hasel-  und 


Gästebegriissuii};  zu  Buljane. 


Buchenholz  zwischen  den  Felsen,  die  dichtstehenden  Weiden  am  Uferrande,  die 
Musik  der  sich  fortwährend  in  Kaskaden  und  Wirbeln  unruhig  gebärdenden  Crnica: 
das  war  sinnbestrickend  schön.  Doch  im  Orient  klappt  niemals  das  Ganze. 
Unsere  Pferde  waren  nicht  an  der  bestimmten  Stelle,  und  nun  hiess  es,  mit  dem 
angestrengtesten  Aufgebote  touristischer  Kunst  über  die  kaum  fussbreite  Pfahlbrücke 
auf   das    linke   Ufer    zu    balancieren.     Der   Übergang    der    „festen   Burg"    erregte 


Von  Parncin  durch  das  Crnica-  und  Baba-Gebiet  zum  Cestobrodica-Passe. 


385 


allgemeinste  Heiterkeit.  Der  vielgeneckte  Pope  entschädigte  sich  und  uns  im 
Schatten  prächtiger  Nussbaumkronen  seiner  nahen  Mühle,  wo  er  das  improvisierte 
frugale  Mahl  durch  die  lukullischen  Schätze  seiner  Bissage  und  Cutura  würzte. 
Die  zwei  Kilometer  aufwärts,  durch  nicht  endenwollende  Pflaumengärten 
zum  Nachtquartier  Buljane  (320  m),  waren  bald  zurückgelegt.  In  seinem 
Popenhause  fanden  wir  gastlichste  Aufnahme.  Am  Frühmorgen  lud  uns  der 
angesehenste  Mann  des  Dorfes  zu  einem  Imbiss.  Radisav  Jovanovic  trug  dasselbe 
kleidsame  Kostüm,  in  dem  er  für  die  Pariser  Ausstellung  photographiert  wurde, 
und  wanderte  mit  selbstbewusster  Miene  samt  den  Seinen  in  mein  Skizzenbuch. 
An  Teppichen  und  Sitzkissen  herrschte  grosser  Ueberfluss,  alles  deutete  auf  grossen 
Wohlstand.     Die  Frauen  waren  nicht  wenig  stolz,  als  ich  mir  einige  Motive  ihrer 


J»i^.? 


Sisevacer  Kolilenwerke. 


reizenden  Stickereien  „abschrieb".  Ich  dachte  an  Bosnien  und  bangte,  dass 
vielleicht  auch  hier  hofrätliche  Einflüsse  das  angeborene  nationale  Formtalent 
in  falsche  Bahnen  lenken  könnten.  Im  Hofe  sah  ich  einen  Rakijakessel,  der  hier 
nahezu  in  keinem  Hause  fehlt,  obschon  diese  Industrie  lange  nicht  mehr  wie 
früher  lohnt. 

In  der  Nähe  der  Dörfer  ist  jeder  Baum  geradezu  vogelfrei.  Nichts  hinderte 
den  Ausblick  zum  fernen,  schneeigen  Kopaonik.  Erst  am  Hange  des  900  m 
hohen  Plos  verdichteten  sich  die  einzelnen  Buchen-  und  Eichenstände  zum  von 
Haselnussgebüsch  mit  prächtigem  Herbstflor  durchwachsenen  Walde,  aus  dem  wir 
nach  zurückgelegten  10  km  vom  7ö2  m  hohen  Straovac  in  das  wiesenreiche 
Sucavatal  abstiegen.  Im  dort  1873  mit  57  Grubenfeldern  konzessionierten 
Kohlenwerke  „Sisevac-Vrcic"  erwartete  uns  der  Besitzer  Bozin  Boäkovic  am 
Häuschen  seines  slovenischen  Steigers,  dessen  Frau  ein  treffliches  Huhn-Paprikas 
für    uns   vorbereitet   hatte.     Das    kleine    Unternehmen    zeigte    mit    der    primitiven 

F.   KANITZ,  Serbien.    II.  ■^■^ 


386 


Von  Paracin  durch  das  Crnica-  und  Baba-Gebiet  zum  Cestobrodica-Passe. 


Förderbahn  stark  hinterwäldlerischen  Anstrich.  Bisher  wurden  jährlich  mit  zwei 
Stollen  aus  vier  Orten  höchstens  8000  q  durch  8  bis  20  mit  1.60  d  per  Tag 
entlohnte  Arbeiter  gefördert.  Der  Grubenpreis  stellte  sich  auf  0.60  d.  Obschon  aber 
das  2  bis  7  m  starke,  im  von  rotem  Sandstein  umgebenen  Konglomerat  lagernde 
tertiäre  Kohlenflöz  vollkommen  dem  nahen  Senjer  gleicht  (1.  Bd.,  S.  285),  steht 
selbst  dieser  bescheidene  Betrieb  in  Frage,  falls  nicht  der  durch  kostspieligen 
Wagentransport  auf  der  eigens  über  Dubnica  angelegten,  30  km  langen  Strasse 
verteuerte  Paraciner  Preis  mit  1.50  d  per  q  durch  den  leicht  ausführbaren  Bau 
einer  nur  6  km  langen  Drahtseilverbindung  mit  dem  Senje-Cuprijaer  Schienenstrange 


Sisevac,   Kastellplan. 


vermindert  wird.  Die  rasche  Lösung  dieser  Lebensfrage  für  Sisevac  ist  um  so 
notwendiger,  weil  sein  bester  Kunde,  die  Paraciner  Münchsche  Tuchfabrik,  sich 
lange  schon  durch  den  projektierten  Abbau  des  näheren  Mutnicaer  Flözes 
(S.  378)  von  ihm  unabhängig  machen  will. 

Unsere  Rast  währte  kurz,  denn  im  westlicheren  Hochtale  wartete  eine  nahezu 
ungekannte  Baute  der  näheren  Erforschung.  Den  Weg  zu  ihr  erschweren  dem 
üppigen  Wiesenboden  entsprudeinde,  ihn  östlich  vom  Kohlenwerke  stark  ver- 
sumpfende kalte  und  warme  Quellen.  Unterhalb  des  Vereinigungspunkts  beider 
Arme  der  durch  mächtige  Zuflüsse  vom  Pozare  plötzlich  breiten  und  reissenden 
Crnica  brachte  uns  eine  tiefe  Furt  auf  ihr  rechtes  Ufer.  Ein  kurzer  Galopp,  und 
ich  stand  vor  einer  Kirchenruine,  welche,  durch  gelungene  Verhältnisse  und  Grösse 
die  Petrusaer  und  viele  bekannte  altserbische  Baudenkmale  übertreffend,  mich  in 
hohem    Grade    überraschte.     Spuren    von    Pendentifs    an    der    noch    6    m    hohen 


Von  Paraciii  durch  das  Crnica-  und  Baba-Gebiet  zum  Cestobrodica-Passe.         387 

Südmauer  zeigen,  dass  das  14,30  ni  lange  und  zwischen  den  Seitenapsiden 
10,10  m  breite  Hauptsciiiff  von  einer  Kuppel  überragt  war.  Leider  liegt  sie  gleich 
den  Gewölben  in  Trümmern  und  Schutt,  der  bis  zur  Chorfensterhöhe  das  Innere 
erfüllt.  Alle  drei  Apsiden  sind  nach  innen  rund,  nach  aussen  heptagonal.  Die 
am  besten  erhaltenen  Fresken  in  der  Südapside  zeigen  namentlich  in  den  Heiligen- 
figuren eine  über  den  gewöhnlichen  Schematismus  hinausgehende  Individualisierung 
und  lassen  die  starke  Verwüstung  der  meisten  anderen  und  des  Widmungsbildes 
im  Pendentif  über  dem  Eingange  des  6,25  m  langen  und  6  m  breiten  Narthex 
bedauern.  Die  durchschnittlich  1  m  starken,  auf  rotem  Sandsteinsockel  ruhenden 
Hauptmauern  von  Tuffstein  gleichen  bezüglich  der  Technik  jenen  von  Petrusa 
und  sind  wie  diese  von  schiessschartenartig  runden  Luftkanälen  durchzogen. 
Nie  zuvor  bemerkte  ich  solche  in  serbischen  Bauten.  Sie  bestärken  meine 
Vermutung,  dass  beide  Kirchen  von  demselben  Meister  gleichzeitig  erbaut  wurden; 
wann  und  wer  ihr  Stifter,  darüber  schweigen  die  serbischen  Autoren.  Milicevic 
und  Karic  kennen  nicht  einmal  ihre  Existenz.  Nur  der  fleissige  Historiker  Ruvarac 
brachte  eine  Notiz  '),  nach  welcher  das  Kloster  schon  vor  der  Kosovoschlacht 
bestanden  haben  muss.  Denn  1381  wird  ein  „Abt  von  Sisoje"  als  Besucher  des 
Athosklosters  Hilandar  erwähnt,  1509  erschien  ein  „Sisojer  Mönch  Janicije"  in 
Russland,  und  zum  letztenmal  wird  1679  vom  Patriarchen  Arsenije  111.  einer 
„Metochija  Sisojevac  an  der  Crnica"  gedacht,  die,  zweifellos  mit  unserem  Sisevac 
identisch,  wahrscheinlich  wie  Petrusa  zum  Hauptkloster  Ravanica  gehörte. 

Bei  genauer  Durchforschung  des  Kirchenplatzes  fand  ich  eine  ausgedehnte 
Befestigung,  deren  starke  Verwüstung  die  genaue  Bestimmung  ihrer  sieben  Fronten 
erschwerte.  Es  gelang  nur,  dieselben  in  den  Hauptlinien,  mit  27  m  N.,  20  m  S., 
15  m  O.  und  36  m  W.  von  der  Kirche  entfernt,  festzustellen.  Dicht  vor  der 
Westfront  stiess  ich  auf  einen  27  m  langen  und  6,20  m  breiten,  durch  Zwischen- 
mauern in  drei  Räume,  von  5,  7  und  13  m  Breite,  geteilten  Bau.  Am  Südwalle 
sprang  ein  gegen  die  Crnica  gerichteter  riesiger,  quadratischer  Turm  vor,  der  den 
Hauptzugang  verteidigt  haben  mochte.  An  verschiedenen  Stellen  zeigte  sich, das 
I  m  starke  Mauerwerk  gut  erhalten,  das  in  den  östlichen  Rudimenten,  wo  es  aus 
durch  dichten  Mörtel  verbundenen  roten  Sandsteinen  besteht,  den  Eindruck  antiker 
Technik  macht.  Allem  Anscheine  nach  ist  dieses  stark  befestigt  gewesene  Kloster 
„Sisoje"  auf  den  Ruinen  eines  römischen  Bollwerks  entstanden,  das  mit  jenem 
auf  dem  südwestlichen  Berge  Cokoce  bei  Zabrega  und  einem  dritten  auf  der  801  m 
hohen  nördlichen  Straza,  am  Ursprünge  der  Crnica,  den  geschilderten  Hochweg 
und  römischen  Hüttenbetrieb  am  Fusse  des  nahen  Gorunovac  schützte,  den  viele 
Kupferschlacken  auf  dem  rechten  Ufer  des  Jovancev  potok  und  ein  von  Horreum 
Margi  hinführender  Weg  bezeugen.  Letzterer  ging  auf  dem  rechten  Ravanicaufer 
10  km  bis  Senje,  überschritt  dort  die  niederen  Plateaus  des  Jelen-Brdo  und  zog 
dann  weiter  am  Hange  des  Laz  zum  Gorunovac. 

Die  meine  Arbeiten  mit  dem  grössten  Interesse  verfolgende  Gesellschaft 
teilte  sich  hier.     Der  Pfarrer  kehrte   mit  den  Herren  Babecki  und  Boskovic  nach 


')  Starinar,  VI,  S.  35.    1889. 

25 " 


;3,S8 


V(in  Paracin  durch  das  Crnica-  und  Baba-Gebiet  zum  Cestobrodica-Passe. 


Paracin  zurück,  während  icli  mit  Ingenieur  Teodorovic,  unserem  Panduren  und 
einem  wegkundigen  Führer  zum  Kloster  Sv.  Petka  weiterzog.  Vom  Kohlenwerke 
steil  ansteigend,  Hessen  wir  das  „Bojadzin  grob"  über  einem  ermordeten 
Färber  links  und  erreichten,  200  m  auf  Serpentinen  erklimmend,  den  813  m 
hohen  Paprat,  der  einen  kleinen  feuchten  Tribut  der  benachbarten,  kaum  30  m 
breiten,  aber  400  m  langen  „Vrtaca  padina"  zusendet.  Hier  betrat  ich  die 
westliche  Karstregion  des  1321  m  hohen,  langgestreckten  Golubinjezugs. 
Seine  scheinbar  endlos  nach  Osten  sich  dehnenden  Hochplateaus  bergen,  wo  sich 
die  am  Wege  auftretenden  Buchen  zu  Wäldern  verdichten  und  die  westliche  rote 
Sandstein -Vorzone  in  ein  breites  Kalkgebiet  übergeht,  viele  kleine  Rinnsale,  deren 
Lauf  gewöhnlich  durch  trichterförmige  Schlünde  (ponor)  im  Tiefboden  zahlloser 
Dohnen  in  den  unterlagernden  durchlässigen  Kalkschichten  verschwindet.     Nahezu 


Kloster  Sv.  Petka. 


alle  grösseren  „vrtace"  erhielten  von  den  serbisch -walachischen  Anwohnern 
charakteristische  Namen.  Unfern  NO.  liegt,  umgeben  von  40  kleineren  Dohnen, 
die  250  m  lange,  steil  umrandete  „vrtaca  Brezovica",  bei  welcher  der  120  m 
östlicher  herabkommende  gleichnamige  Bach  in  einen  tiefen  Schlund  fällt. 

Wir  zogen  weiter  S.  über  das  stark  undulierte,  baumreiche  Hochplateau, 
dessen  nur  einmal  gemähte  Wiesen  im  Spätherbste  reichliches  Futter  geben.  Hier 
und  da  mildert  eine  wasserreiche  Doline,  an  der  Viehherden  ihren  Durst  löschen, 
oder  walachische  Hirten,  welche  die  auf  uns  losstürmenden  vierbeinigen,  wilden 
Wächter  abwehren,  das  Eintönige  der  Landschaft.  Vom  Pesterek  führt  ein 
Nebenweg  O.  über  den  Tupan  (834  m)  zur  „vrtaca  Igriste"  (Tanzboden)  mit 
40 — 50  m  tiefem  Rand  und  mehreren  kleinen,  noch  steiler  geböschten  Trögen 
innerhalb  des  Beckenrahmens,  ferner  zum  benachbarten  „frgoviste"  (Marktplatz), 
welcher  den  kleinen  Zufluss  „Golubnica"  aufnimmt.  Weiter  berührten  wir  die 
Debela  Glava  (811  m),  an  deren  gleichnamigem  Bache  bei  Gornja  Mutnica 
man   eben   im   hängenden  Sandstein   auf   Kohle   schürfte,   den   Kosanic   (726  m) 


Von  Paracin  durch  das  Crnica-  und  Baba-Gebiet  zum  Cestobrodica-Passe.         •'^89 

und  Crni  Vrli  (700  m)  mit  ciitzückeiuk'r  Fernsiciit.  SO.  tauclitt  der  Gipfel  des 
Rtanj  auf,  W.  i<ennzeichneten  einige  «glitzernde  Kurven  den  Lauf  der  Morava,  und 
über  dieser  schoben  sich  die  scharfen  Profile  der  westserbischen  Gebirge  in 
prächtiger  Abendbeleuchtung  kulissenartig  ineinander.  Vor  uns  sperrte  aber  Paracins 
ungeschlachtes  Babaniassiv,  gleich  einem  zur  Hut  der  Landschaft  hingestreckten 
Riesentiere,  diese  gegen  Süden  ab. 

Der  470  m  hoch  über  dem  Grzabett  aufragende,  bei  20—230  m  Breite 
3  km  lange  Babarücken  trug  eine  das  Anlaiid  weithin  beherrschende  Feste,  für 
deren  leichte  Verteidigung  die  Natur  das  beste  tat.  Nördlich  durch  die  Grza, 
gegen  0.,  W.  und  S.  durch  die  tiefeingeschnittenen  Bäche  Mutnica,  Carevac  und 
Skorica  gedeckt,  war  die  Ersteigung  der  steilgeböschten  Babahänge  äusserst 
schwierig.  Gelang  sie,  so  erwarteten  den  Angreifer  hart  an  den  Plateaurand 
gerückte,  mit  seinen  Felsköpfen  eng  verbundene,  starke  Mauern  eines,  auf  der 
670  m  hohen  Nordwestpartie  in  drei  Abschnitten  angelegten,  210  m  langen, 
20—80  m  breiten,  mit  Quellbruiinen  versehenen  Kastells.  Dieses  verstärkten 
gegen  SW.  auf  dem  um  10  ni  höheren,  230  m  breiten  Babateil,  über  der  420  m 
langen  und  schmalen  Einsattelung  „Mala  Teskoba",  mächtige,  hohe  Wälle,  aus 
Kalktuff  und  grossen  quadratischen  Ziegeln  erbaut.  Ingenieur  Babecki  konstatierte 
überdies,  etwa  50  m  über  dem  nahen  Dorfe  Lesje,  auf  einer  von  Wasser  um- 
flossenen kleinen  Hochebene  drei  Bauten,  welche  die  Anwohner  „Pavla  Orlovica 
gradic"  nennen.  Die  nördlichste,  13  m  lang  und  10  m  breit,  gilt  als  „Konak" 
des  berühmten  altserbischen  Wojwoden,  die  zweite,  15  m  lang  und  8  m  breit,  als 
seine  Kirche,  die  dritte,  im  Pentagon  angelegte,  mit  7  m  langen  Seiten,  als  seine 
Kula  (Turm).  Auch  am  Ostfusse  der  Baba,  auf  der  „Cuka",  nahe  bei  Donja 
Mutnica,  sieht  man  Reste  eines  „gradic"  (Schlösschen). 

Selbst  wenn  der  mittelalterliche  Ursprung  der  Orlovic  zugeschriebenen  Bauten 
erwiesen  vväre,  dürfte  man  mit  hoher  Wahrscheinlichkeit  annehmen,  dass  sie  auf 
Resten  antiker,  zum  Schutze  der  Baba-Römerfeste  angelegter  Vorwerke  stehen. 
Dies  gilt  namentlich  von  dem  Cukakastell  am  wichtigen  Gabelpunkte,  wo  die  von 
Cuprija  und  Paracin  ausgehenden  antiken  Strassen  sich  zur  Cestobrodica-Trace 
vereinigten.  Denn  die  Sicherheit  im  nahen,  wald-  und  schluchtenreichen  Gebiete 
mochte  auch  zur  Römerzeit  nicht  grösser  gewesen  sein  als  heute,  wo  sie  zeitweilig 
viel  zu  wünschen  übrig  lässt  und  die  stetige  Überwachung  der  Strasse  durch 
Karaulen  notwendig  macht.  In  Izvor  kamen  wir  am  Hause  des  berüchtigten  Koda 
vorüber,  der  mit  seiner  Bande  lange  Zeit  die  ganze  Umgebung  brandschatzte; 
im  April  1889  wurde  er  mit  vier  Spiessgesellen  gefangen  und  erschossen.  Von 
der  Höhe  über  deni  Dorf  erschienen  die  Vorhöhen  der  Baba  wie  illuminiert  durch 
die  vielen  Feuer,  welche  die  Hirten  von  Donja  Mutnica  und  Lesje  angezündet  hatten. 

Das  in  Sicht  getretene  Le§je  war  mir  zweifach  interessant:  als  Stammort 
der  mir  befreundeten  Familie  Lesjanin  und  durch  an  dasselbe  geknüpfte  historische 
Erinnerungen.  Sein  altes  Kirchlein  soll  nach  einem  Chrysovulj  der  Iguman 
Dyonisije  mit  seinem  Bruder,  dem  Wojwoden  Crep,  und  ihrem  Vater  Vukosav 
unter  dem  Zaren  Uro§  gestiftet  haben.')     1411   gab  der  Despot  Stevan  Lazarevic 

')  Persönliche  Mitteilung  von  Prof.  Kovacevic. 


;390 


Von  Paracin  durch  das  Crnica-  und  Raha-Gebiet  zum  Öestobrodica-Passe. 


dem  Athosklostär  Hilandar  statt  Lesje  einige  Orte  bei  Novo  Brdo,  „zur  Zeit,  als  im 
Kloster  Lesje  der  Iguman  Venedikt  (Sohn  des  vorgenannten  Crep)  lebte".  >)  — 
Aus  Leäje  stammt  der  1796  geborene  Stojan  Jovanovic  Lesjanin,  der  im  ersten 
Freiheitskriege  sich  auszeichnete.  Später  Richter  zu  Paracin  und  Razanj,  1842 
Gerichtspräsident  in  Kragujevac,  1845  Senator  und  1858  Minister  des  Innern, 
lernte  er  erst  im  höheren  Alter  lesen  und  schreiben;  seine  mangelhafte  Erziehung 
empfindend,  sorgte  er  um  so  eifriger  für  jene  seiner  Kinder  und  Verwandten.  Er 
starb  1866.   Sein  1826  in  Lesje  geborener,  zu  Heidelberg  und  Paris  gebildeter  Neffe 


Kastellplan  von  Baba. 


Rajko  Lesjanin  stieg  rasch  vom  Katheder  zum  Justizminister  auf  und  war  nach 
Fürst  Mihails  Ermordung  kurz  Mitglied  der  Regentschaft.  Er  starb  viel  bedauert  zu 
Wien  1872.  Der  gleichfalls  zu  Leäje  geborene  Miloje  Lesjanin  förderte  als  scharf- 
sinniger Jurist  durch  tüchtige  Publikationen  die  Rechtskunde  in  seinem  Lande. 
Der  1896  gestorbene,  gleich  liebenswürdige  wie  tapfere  General  Lesjanin  (S.  419), 
führte  im  türkischen  und  bulgarischen  Kriege  das  Timokkorps  mit  Auszeichnung 
leitete  später  den  Generalstab  und  inszenierte  1889  die  zu  Zica  erfolgte  Salbung 
des  Königs  Alexander.  Als  dieser  mit  der  Königin  Natalie  auf  der  Fahrt  nach 
Sv.  Petka  auch  Leäje  besuchte,  rühmte  er  den  eisigkalten  Quell,  welcher  einem 
grossen  Felsen  über  dem  Dorf  entfliesst. 


')  Mikloäid,  Mon  ,  S.  571. 


Von  Paracin  durcli  das  Crnica-  und  fJaba-üebiet  zum  Cestobrodica-Passe.        391 

Es  dunkelte  bereits,  als  wir  die  stark  zerrissenen  Uferhänge  der  Grza  kreuzten. 
Auf  beiden  Ufern  krönen  weisse  Puivertürme  die  Höhen.  Die  verschiedenen 
Mordgeschichten,  welche  unser  Pandur  erzählte,  gaben  der  Landschaft  ein  noch 
unheimlicheres  Aussehen  und  Hessen  uns  doppelt  freudig  das  ersehnte  Nachtziel 
Sveta  Petka  begrüssen,  in  dem  wir  uns  bald  heimisch  fühlten.  Unser  Kloster- 
wirt, der  Isposnik  Hadzi  Jovan,  war  in  allem  das  Gegenteil  seines  Vorgängers, 
eines  Banater  Mönches,  der  mit  dem  erwähnten  Koda  und  seiner  Bande  heimliche 
Orgien  im  Kloster  feierte.  Von  Kodas  Festnahme  hörend,  flüchtete  er,  aus  Furcht, 
als  dessen  Hehler  bestraft  zu  werden.  An  seine  Stelle  kam  aus  Ravanica  der 
fromme  Kaludjer  Jovan,  der  sich  eifrig  bemühte,  durch  ein  reines,  vorwurfsfreies 
Leben  den  schlimmen  Ruf  seiner  Heilstätte  in  Vergessenheit  zu  bringen.  Mir 
schien  es,  dass  er  in  einfacher  Lebensführung  zu  weit  ging.  Der  Klosterdiener 
stellte  eine  kleine  Tasse  halb  gar  gekochter  Bohnen  und  klares  Wasser  für  ihn  zum 
.Abendessen  hin,  und  gleich  frugal  soll  sein  Mittagsmahl  sein.  1886  war  Jovan 
auf  dem  hl.  Athosbergc,  von  dem  er  ausser  dem  Hadzititel  manche  Berichtigung 
mitgenommener  Illusionen  heimbrachte.  Am  tiefsten  kränkte  sein  Nationalgefühl, 
das  von  Serbenherrschern  gestiftete  Hilandar  in  bulgarischen  Händen  zu  finden; 
noch  mehr,  dass  man  ihn  dort  nicht  einmal  über  Nacht  aufnehmen  wollte.  „Ohne 
die  Gastlichkeit  des  nahen  russischen  Klosters  hätte  ich  unter  freiem  Himmel 
schlafen  müssen",  schloss  er  seufzend  seine  Erzählung.  Interessant  war  auch,  aus 
so  glaubwürdiger  Quelle  zu  hören,  dass  in  allen  Athosklöstern  insgesamt  nur 
neun  serbische  Mönche  hospitieren. 

Der  Sinn  für  Askese  und  mönchisches  Leben  nimmt  im  Serbenvolke  derartig 
ab,  dass  es  den  bestehenden  Klöstern  bereits  schwer  fällt,  die  durch  Ableben 
ihrer  älteren  Generation  entstehenden  Lücken  zu  füllen.  Welch  anderes  Ansehen 
genossen  sie  einst!  Da  hing  an  der  Wand  unseres  Schlafraums  unter  Glas  und 
Rahmen  ein  serbisch  geschriebenes  „Masbata"  der  Paraciner  Christen,  das  man 
nach  der  Besetzung  von  Leskovac  (1877)  im  dortigen  Konak  fand  und,  weil  das 
Kloster  betreffend,  diesem  schenkte.  Es  enthält  die  Bitte  um  die  Erlaubnis  „zum 
Aufbau  des  durch  Brand  zerstörten  Monastir  für  die  Siechen,  damit  wir  nicht, 
wie  Hühnchen  ohne  Mutter,  als  Bettler  in  andere  Klöster  gehen  müssen!"  —  Auch 
der  unterwürfige,  blumenreiche  Ton  fällt  auf,  dessen  sich  die  Paraciner  1816,  also 
60  Jahre  vor  ihrer  Befreiung  von  der  Türkenherrschaft,  gegenüber  ihrem  Gouverneur 
bedienten.  Hier  der  von  mir  treu  übersetzte  Eingang:  „Hochmächtiger,  geehrter 
Pascha!  Wir  küssen  den  Boden  viel  vor  Dir,  auch  Deine  Kleider,  Hände,  Füsse, 
und  beten  zu  Gott  für  unseren  ehrenmächtigen  Kaiser,  Sultan  Mahmud,  dass  ihm 
Gott  langes  Leben  gebe  und  eine  starke  Hand.  Nach  ihm,  dass  Dir  Gott  gebe 
Dein  Paschalik  und  Deine  Macht  für  lange  Zeit,  dass  Deine  Söhne  Grossvezlere 
werden  und  dass  Dir  Gott  so  langes  Leben  gibt,  wie  es  Dein  Herz  wünscht,  und 
dass  Dein  Säbel  sehr  lang  sei!  Amen!  —  Wir  bitten  Dich,  ehrenmächtiger  Pascha, 
unsere  Söhne,  unser  Vater,  unsere  Mutter,  unsere  Kinder  sind  Deine  Kinder  usw." 
Es  scheint  aber,  dass  es  sich  nicht  allein  um  die  Herstellung  des  Gästehauses, 
sondern  hauptsächlich  um  die  dem  Pascha  verschwiegene  Erneuerung  der  Kirche 
handelte.    Man  wollte  wahrscheinlich  mit  diesem  Bekenntnisse  nicht  seine  Habsucht 


•^92         Von  Paracin  durch  das  Crnica-  und  Baba-Oebiet  zum  Cestobrodica-Passe. 

reizen  und  baute  so  nebenher  auch  die  während  des  Freiheitskriegs  stari< 
beschädigte  Kirche  1818 — 1824  wieder  auf  und  fügte  ihr  einen  hässlichen  Zubau 
an.  Ihr  geradliniges  Portal  ist  ganz  neu.  Das  18  m  lange,  zwischen  den  Seiten- 
apsiden 6,70  m  messende  Schiff  mit  plumper,  runder  Chorapside  überragen  zwei 
oktogonale  Kuppeln,  zu  deren  reicherer  Gestaltung  exotische  Säulen  und  über 
Eck  gestellter  Zahnschnitt  aufgeboten  wurden.  Im  grau  marmorierten  Innenraum 
fällt  an  der  bunten  Ikonostasis  rechts  das  Bild  der  Patronin  des  Klosters,  Sv.  Petka, 
im  Nonnenkostüm  auf  mit  Nimbus  und  Händen  von  Silber,  die  rechte  trägt  ein 
Kreuz,  die  linke  einen  goldenen  Teller  mit  einem  Frauenkopf;  viele  gewidmete 
1,5  m  hohe,  bunt  gemusterte  Wachskerzen  und  Ampeln  beweisen  das  ihr  gezollte 
hohe  Vertrauen.  Am  Freitag  erscheinen  die  Kranken  aus  der  weiten  Umgebung, 
um  in  der  Sv.  Petka-Quelle,  die  ein  frommer  Paraciner  Bürger  1852  mit  einem 
Pavillon  überbaute,  Heilung  zu  suchen.  Das  mächtig  hervorbrechende  Wasser 
bildet  einen  kleinen  See  und  fällt  nach  ^/^  stündigem  Laufe  in  die  Grza.  Zwischen 
diesem  Hauptanziehungsmittel  des  Klosters  und  seiner  die  Anhöhe  krönenden 
Kirche  mit  schönem  Blick  auf  die  Baba  steht  das  neue  solide  Wohnhaus  der 
Mönche  mit  einigen  Zimmern  für  wohlhabendere  Besucher;  andere  finden  in  der 
jenseitigen,  auch  als  Karaula  dienenden  Mehana  ländliche  Unterkunft. 

Zu  Sv.  Petkas  zwei  Pfarrsprengeln  gehören  acht  wohlhabende  Orte  mit  etwa 
4000  Seelen.  Das  Kloster  besitzt  schöne  Herden,  41  ha  Äcker  und  Wiesen, 
1,5  ha  Weingärten  und  17  ha  Wald.  Trotzdem  aber  sein  emsiger  Iguman  Hadzi 
Jovan  unablässig  bemüht  ist,  die  ungeordneten  materiellen  Verhältnisse  des  Klosters 
zu  verbessern,  so  dass  die  4 — 5000  d  betragenden  Einnahmen  die  Ausgaben 
decken,  erlaubten  sich  im  November  1896  einige  aufgestachelte  Bauern  arge 
Ausschreitungen  gegen  ihn,  weshalb  sie  verhaftet  und  vom  Gerichte  bestraft  wurden. 

Bei  Sv.  Petka  auf  das  linke  Grzaufer  übergehend,  verfolgten  wir  die  stetig 
im  roten  Sandsteingehänge  ansteigende  Strasse,  deren  steilste  Stellen,  obschon 
neuestens  umgebaut,  noch  immer  den  Wagenverkehr  erschweren.  Viele,  besserer 
Übersicht  wegen  gefällte  Buchen  faulten  rechts  und  links,  ohne  dass  sich  jemand 
um  sie  kümmert.  Für  die  .Ausbeutung  der  hier  noch  trefflich  erhaltenen  Staats- 
waldungen müsste  eine  durch  den  Srednji  potok  über  Donja  Mutnica  und  Lesje 
zum  Paraciner  Bahnhof  führende  Rollbahn  gebaut  werden.  Wir  begegneten  vielen 
Karawanen.  Mit  Obst,  Vieh,  Zerealien  und  Wolle  wanderten  sie  zu  Pferde  und 
zu  Wagen  vom  Timok  zum  Paraciner  Markte.  Bei  flüchtiger  Betrachtung  waren 
Serben  und  Walachen  nicht  zu  unterscheiden,  denn  auch  erstere  tragen  hier  zottige 
Schaffellmützen.  Jenseits  der  auf  das  rechte  Grzaufer  führenden  Brücke  verkündet 
eine  rote  Marmortafel:  „Im  Jahre  1894—95  wurde  unter  der  Regierung  Sr.  Majestät 
des  Königs  Alexander  1.  diese  Strasse  durchschnitten  usw."  Der  Staatszuschuss 
für  ihren  Bau  war  mit  300000  d  festgesetzt. 

Nachdem  wir  auf  dem  alten  Wege  den  501  m  hohen  Vasaca  erstiegen, 
ging  es  aber  aufs  neue  hinab  zur  rauschenden  Cestobrodica,  und  190  m  tiefer 
durchfurtete  ich  sie  bei  der  zweiten  „Straza"  am  Repusarski  potok,  um  hierauf 
den  246  m  höheren  „Stolovi-Pass"  wieder  in  Steilserpentinen  zu  erklimmen. 
Hoch  oben  bei  den   „Stolice"   (Stühlen)  Hessen  wir  unsere  nach  Atem    ringenden 


Von  Paracin  durch  das  Crnica-  und  Bahn-Gebiet  zum  Cestobrndica-Passe.  39:5 

Pferde  ein  wenig  rasten.  Hier  lagerte  im  Jalire  1883  eine  stari<e  Ceta  der  gegen 
König  Milan  und  seine  „Naprednjaci"  revoltierenden  Radikalen  viele  Tage.  Der 
Wald  ringsum  lieferte  das  Holz  für  ihre  weithin  auf  dem  nun  traurig  öden  Plateau 
sich  ausdehnenden  Lagerfeuer.  Der  zur  Bewältigung  der  Revolution  entsandte 
General  Tesa  Nikolic  hinderte  ihre  Ausbreitung,  indem  er  auf  Materialwagen 
der  im  Unterbau  vollendeten  Schienenbahii  Belgrad -Nis  mit  einigen  tausend 
Soldaten  von  Aleksinac  aus  im  Rücken  der  Aufständischen  erschien,  sie  bei 
Zajecar  auseinandersprengte,  worauf  auch  die  am  Cestobrodica-Passe  von  einigen 
Bataillonen  angegriffenen  Freischärler  bei  den  ersten  von  der  Vesala  abgegebenen 
wohlgezielten  Granatschüssen  ihre  verschanzten  Stellungen  verliessen.  Der 
Bürgerkampf  kostete  viel  Blut,  und  noch  heute  krankt  die  Krajina  an  seinen 
Nachwehen.  Das  radikale  Prinzip  siegte  aber  1887,  und  seine  im  Kerker  oder 
Exil  gewesenen  Anhänger  besassen  bis  1897  in  der  Skupstina,  im  Staatsrat  und 
Ministerium  wiederholt  die  führende  Majorität. 


XIV. 


Am  Krivi  Vir  über  Zlot,  Brestovacka  Banja, 

Zajecar,  Vrska  Cuka  zur  Jasenica. 


MIT  der  Überschreitung  der  Tinioker  Kreisgrenze  und  Timoi<scheide  betraten 
wir  das  sclion  friiiier  erwälinte,  ausser  zahllosen  Dohnen  noch  weitere 
interessante  Karstphänomene  bergende  riesige  Kali<gebiet  zwischen  dem  Gebirge 
Golubinje  und  dem  Rtanj.  Hart  neben  der  Strasse  verschwindet  der  sie  begleitende 
Ponikve  nach  kurzem  Lauf  im  Kalk,  ebenso  einige  nördlichere  Quellen  des 
„Krivovirski  Timok",  um  bei  dem  gleichnamigen  Dorfe  vereinigt  in  überraschender 
Stärke  hervorzubrechen.  Abwechselnd  durch  tiefe  Lehmrisse  und  über  Sandstein 
brachte  uns  die  hier  in  schwierigem  Terrain  angelegte  Trace  zur  dritten  Karaula 
„Straza"  (Wache).  Wir  legten  diese  Strecke  im  Galopp  zurück,  denn  schon  auf 
der  Passhöhe  brachte  ein  Bote  die  Nachricht,  dass  in  ihrer  Mehana  mehrere  vom 
ZajeSarer  Nacelnik  entsandte  Herren  mich  erwarteten.  Der  Grüssetausch  mit  den 
Professoren  Dragoljub  Pavlovic  und  Svetislav  Simic,  die  sich  meinem  offiziellen 
Begleiter,  dem  Kreisförster  Sava  Draganovic,  freiwillig  angeschlossen  hatten,  war 
gleich  herzlich  wie  mein  Abschied  vom  Cuprijaer  Ingenieur. 

In  den  kurzen  Herbsttagen  muss  jede  Minute  von  frühmorgens  an  auf 
Studienreisen  ausgenutzt  werden.  Meine  jungen  Gefährten  zauberten  aus  ihren 
Bissagen  einen  trefflichen  Imbiss  auf  den  Tisch.  Dann  ging  es  rasch  auf  der 
nun  trefflichen  Trace  SO.  durch  die  Hochebene  „Kalafat",  wo  an  der  Suvaja 
Kohle  angeschürft  wurde.  Nördlich  umsäumen  sie  prächtig  waldgrüne  800—900  m 
hohe  Berge,  an  deren  Fuss  das  ausgedehnte  Serbendorf  Krivi  Vir  lehnt.  Dass 
seine  weithin  gerühmte  Schafzucht  gewinnbringend,  dafür  spricht  dessen  zwischen 
Rebenhügeln  amphitheatralisch  aufsteigender  stattlicher  Gehöftekranz;  ringsum 
sichtbare  Schanzen  mahnen  aber  auch  hier  an  die  Sturmtage  von  1876,  in  welchen 
die  Bewohner  von  Zajecar  und  des  unteren  Timoktais  vor  den  siegreich  vor- 
dringenden Türken  und  plündernden  Tscherkessen  in  diese  Berge  flüchteten. 
Das  riesige  Massiv  der  dicht  vor  uns  aufsteigenden  Rtanj-Pyramide  blickte  damals 
auf  ein  „Tal  der  Tränen"  herab,  und  ebenso  1883,  als  sich  traurige  Bürgerkampf- 
szenen dort  abspielten! 


nofi 


Am  Krivi  Vir  über  Zlot,  Brestovaöka  Banja,  Zajecar,  Vrska  Ciika  zur  Jasenica 


Der  Anblick  des  gewaltigen  „Rtanj"  weckte  diesmal  in  mir  ein  stark  gemengtes 
Gefühl  von  Freude  und  Wehmut.  Vor  nahezu  dreissig  Jahren,  in  lebensfroher 
Jugendkraft,  blickte  ich  von  seiner  Spitze  voll  kühner  Arbeitspläne  in  das 
weitgedehnte  Rundbild  hinaus;  doch  nur  einen  bescheidenen  Teil  derselben 
vermochte  ich  auszuführen.  Wohl  war  es  mir  vergönnt,  den  damals  auf  dem 
Balkan  bis  zum  Pontus  liegenden  dichten  Schleier  zu  lüften,  an  der  Befreiung 
des  Bulgarenvolks  erfolgreich  mitzuarbeiten,  auch  das  vergrösserte  unabhängige 
Serbien  wiederholt  durchwandern  und  schildern  zu  können;  viel  gäbe  es  aber  im 
europäischen  Osten  noch  zu  tun,  und  der  Jahre  lagen  nur  wenige  vor  mir.  Doch 
seit  jeher  sahen  nur  einzelne  Glückliche  ihre  Jugendideale  voll  verwirklicht.  Auch 
Veljko,  der  jüngst  durch  ein  Denkmal  geehrte  Freiheitskämpfer,  dessen  ich 
unwillkürlich  angesichts  des  weissen   „  Lozica  "-Kirchleins  gedachte,  weil   er  im 


Der  Rtanj,  gesehen  von  Krivi  Vir. 


grünen  Plane  dort  mit  kleiner,  todesmutiger  Schar  die  mosliniischen  Bedrücker 
erwartete,  starb  mit  den  Waffen  in  der  Hand  (Kap.  XV),  ohne  Serbien  befreit 
zu  sehen. 

Etwa  4  km  weiter  von  der  Strasse  südlich  abbiegend,  erreichten  wir  durch 
stark  sumpfiges  Terrain  in  12  Minuten  die  malerische  Kirchenruine  „Lopu§nja". 
Der  Volksglaube  zählt  sie  zu  den  neun  ältesten,  heute  meist  verfallenen  Gottes- 
häusern im  Rtanjgebiet,  welche  ein  schlauer  Räuber  zur  Entsündigung  auf  den 
Rat  eines  Bischofs  gebaut,  den  er  zu  ermorden  beabsichtigte  und  wirklich  tötete. 
Für  Lopusnja  fand  ich  diese  Fabel  unbegründet.  Eine  Inschrift  nennt  uns  die 
Namen  der  Stifter  des  von  Miljcevic  flüchtig  erwähnten,  sonst  ganz  unbeachtet 
gebliebenen  interessanten,  aber  nur  teilweise  erhaltenen  Baues.  Sein  Tympanonbild 
über  dem  westlichen  Haupteingang  ist  stark  verwüstet,  jenes  auf  der  dem 
Hauptraume  zugewendeten  Narthexwand  zeigt  den  hl.  Nikola  und  darüber  die 
historisch  höchst  interessante  Gründungs-inschrift.  Während  meine  Begleiter  sie 
kopierten,   schritt   ich    zur    Grundrissaufnahme   der   20   m   langen,    8,4   m   breiten 


Am  Krivi  Vir  über  Zlnt,  Brestovaäka  Banja,  Zajecar,  Vrska  Cuk;i  zur  Jasenica.       397 

Bauanlage,  welche  äusserst  auffällig  jener  der  Petrusakirche  gleicht.  Auch  das 
Steinmaterial  ist  dasselbe,  doch  verwendete  man  hier  mehr  Backsteine  und 
pflasterte  auch  den  Estrich  mit  30x42  cm  ii;r()sscn,  7  cm  starken  keramisciien 
Platten.  Über  der  am  besten  erhaltenen  West-  und  Südfassade  steht  noch  ein 
dreiseitiger,  baldigem,  Einstürze  verfallener  Mauerteil  des  einst  oktogonalen,  von 
Kalktuff  aufgeführten,  aussergewühnlich  hohen  Kuppeltambours.  Vom  alten 
Ereskenschmucke  sind  nur  einige  Heilige  gut  erkennbar,  das  ornamentale  Netzwerk, 
Spiralen  usw.  sind  rein  ausgeführt.  Alles  in  allem  zählt  diese  Baute  zu  den  besten 
im  östlichen  Serbien  (111.  Bd.,  Kap.  XVlll). 

Besonders  hervorhebensvvert  erscheint  mir,  dass  die  Lopusnjaer  Inschrift 
„Joan  Radul,  Wojwode  und  Herr  aller  ungro-walachischen  Länder  und  Veliki 
Parkalab  Zupan  Georgi,  zur  Zeit  des  igumans  Jeromonachen  Gelazije,  im  Jahre  1501 " 
als  Stifter  der  Kirche  nennt,  welche  vom  „Iguman  Jeromonachen  Teodor  mit 
Hilfe  des  Knezen  Bogoja,  Frau  Mara  und  Kindern  im  Jahre  1510  gemalt  wurde". 

Wo  regierte  dieser  Joan  Radu?  Die  Geschichte  kennt  wohl  einen  gegen 
Ungarns  Suprematie  sich  sträubenden  Wojwoden  Radu  Negru  (1290  1314),  der 
den  vorgenannten  Titel  annahm  und  seinen  Nachfolgern  vererbte.  Wir  wissen 
auch,  dass  sich  schon  unter  Zar  Dusan,  namentlich  aber  unter  den  Lazariden 
(1372—1427),  zwischen  den  Serbien  und  die  Walachei  regierenden  Dynastien 
durch  gemeinsame  politische  Interessen  und  enge  Verwandtschaftsbande  freund- 
schaftliche Beziehungen  entwickelten,  welche  die  Gründung  von  Kirchen  durch 
serbische  Fürsten  auf  walachischem  Boden  und  durch  walachische  in  Serbien 
ausreichend  erklären.  In  der  von  Neagoe-Bessaraba  gestifteten  und  vom  Wojwoden 
Radu  erneuerten  Kirche  „Curtea  de  Arges"  erscheinen  beispielsweise  neben  den 
Ktitoren  Neagoe,  Radu  und  Vladislav  auch  die  Bilder  des  Serbenherrschers  Lazar 
und  seiner  Gemahlin  Milica  '),  welche  schon  dem  walachischen  Wojwoden  Vlad  1. 
die  Kirche  zu  Vodica  bauen  und  Radu-Bessarab  jene  von  Tismana  ausschmücken 
halfen.  Andererseits  wird  die  Teilnahme  der  vom  moldauischen  Wojwoden  Petar 
Masutin  dem  Zaren  Lazar  gesendeten  Hilfsschar  an  der  Kosovoschlacht  durch 
eine  leider  schlecht  erhaltene  Freske  an  der  Lopusnjaer  Kirchen-Südwand  verewigt. 
Wie  trefflich  auch  weiter  die  Verhältnisse  zwischen  Walachen  und  Serben  blieben, 
beweist,  dass  Despot  Stevan  Lazarevic  dem  walachischen  Kloster  Vodica  und 
ebenso  Tismana  (1407)  die  von  seinem  Vater  geschenkten  serbischen  Güter  nicht 
allein  verbriefte,  sondern  ihr  Erträgnis  durch  Abgabenfreiheit  und  vermehrte 
Ansiedelung  von  Walachen  zu  steigern  suchte.-) 

Bei  solch  warmen  freundnachbarlichen  Beziehungen  kann  also  ein  als  Kirchen- 
bauer in  Serbien  auftretender  walachischer  Wojwode  um  so  weniger  überraschen, 
weil  im  Mittelalter  das  Nationalgefühl  so  sehr  hinter  dem  religiösen  zurücktrat, 
dass   vornehme   Walachen    selbst    bei    dem    fernen    bulgarischen    Tirnovo    einige 


')  Mönastlrea  Curtea  de  Arges,  Tab  XI.  Zwischen  lieiden  Figuren  ihre  Kinder,  den 
Lazarevic  Stevan  und  die  spätere  Sultanin  Mara  (?) 

')  Ced.  Mljatovic,  Srpski  odzraci  iz  rumunske  istorije  (Letopis  mat.  srps.  Knjiga  187). 
Novi  Sad  1896.  In  dieser  interessanten  Studie  werden  die  neueren  rumänischen  Historiker 
benutzt,   die   Lopusnjaer  Kirche   und  ihr  Stifter    „Vojvoda  Joan   Radul"   aber  nicht  erwähnt. 


398      Am  Krivi  Vir  über  Zlot,  BrestovaCka  Banja.  Zajecar,  Vrska  Cuka  zur  Jasenica. 

Kirchen  stifteten  '),  und  namentlich  auch  deshalb  nicht,  weil  um  1501  die  Krajina 
schon  stark  rumanisiert  war.  Auffällig  ist  nur  das  über  dem  Lopusnjaer  „Vojvoda 
Joan  Radul"  herrschende  Dunkel  in  den  walachischen  Geschichtsquellen.  Dass 
er  nicht  mit  dem  vorgenannten  „Radu-Bessarab"  identisch  ist  und  ebensowenig 
mit  dem  in  serbischen  Volksliedern  gefeierten  „Vojvoda  Radul",  dessen  Gemahlin 
angeblich  Zar  Lazars  Schwester  war  (?)  und  für  dessen  Kirchen,  vielleicht  um  der 
eifrigen  päpstlichen  Propaganda  zu  steuern,  serbische  Mönche  nicht  nur  hl.  Bücher 
schrieben,  sondern  die  wundertätigen  Gebeine  des  hl.  Grigorije  aus  dem  Kloster 
Bistrica  widmeten,  geht  allein  schon  aus  der  Jahreszahl  „1501"  der  Lopusnjaer 
Inschrift  hervor.  Ihr  „Joan  Radul"  kann  also  nur  jener  gleichnamige  „Vojvoda"  sein, 
der  zur  Zeit  der  arnautischen  Andjelina,  Gemahlin  des  Despoten  Stevan  Brankovic, 
lebte,  um  1508  einen  „Liturgijar"  drucken  liess  (III.  Bd.,  Kap.  XVI)  und  1509 
starb.-')  Sein  Verhältnis  zur  Walachei,  wo  zur  fraglichen  Zeit  „Stevan  cel  Mare" 
herrschte  (1457—1504),  klären  aber  auch  die  rumänisch-serbischen  Quellen  nicht 
auf.  Ich  möchte  annehmen,  dass  er  —  wenn  überhaupt  -^  als  türkischer  Vasall 
im  serbischen  Timokgebiet  regierte  (?),  was  allerdings  seinen  Titel  in  der  Lopusnjaer 
Inschrift  als  unberechtigt  erscheinen  Hesse.  Vielleicht  bringen  Ruvarac')  oder 
rumänische  Forscher  mehr  Licht  über  diesen  interessanten,  altwalachischen 
Kunstmäcen. 

Kurz  vor  Lukovo  zweigt  an  der  Lukavica  ein  über  die  gleicHnamige  west- 
liche Rtanj-Vorhöhe  in  das  südliche  Moravicatal  führender  Weg  ab,  von  dessen 
römischem  Schutzkastell  die  Grundfeste  bei  Vrmdza  noch  sichtbar  ist.  Dieses 
kaum  12  Millien  lange  Strassenstück  bildete  das  wichtige  Verbindungsglied  des 
südlichen  Wegnetzes  von  Naissus  mit  dem  nördlichen,  das  im  Timokgebiete 
zum  Donaulimes  lief.  Wir  kreuzten  die  Lukavica,  in  deren  Schlucht  sich 
40  Zigeunerfamilien  eingenistet  haben.  Es  sind  fleissige  Koritari,  die  selbst- 
verfertigte Holzwaren,  besonders  Tröge,  in  den  angrenzenden  Kreisen  verkaufen 
und  ihren  eigenen  Kmeten  wählen.  Merkwürdigerweise  erscheint  dieses  interessante 
Lukavica  auf  der  österreichischen,  aber  nicht  auf  der  neuen  serbischen  Detailkarte- 
Wir  begegneten  einem  langen  Wagenzug  mit  schönen  Buchenstämmen,  welche 
hier  per  Kubikmeter  von  2  bis  3  d  bezahlt  werden,  erreichten,  nun  rascher 
fahrend,  bald  das  von  Serben  und  Walachen  bewohnte  grosse  Lukovo.  Damit 
letztere  es  nicht  ganz  rumanisieren,  verweigert  der  serbische  Pope  seit  längerer 
Zeit  die  Zustimmung  zur  Heirat  seiner  Pfarrjugend  mit  Walachinnen.  Weiter 
erzählte  er  mir,  die  Lage  des  Ortes  sei  so  gesund,  dass  1888  auf  120  Taufen 
nur  50  Sterbefälle  kamen.  Die  1876  von  den  Türken  verbrannte  Dorfschule 
erstand  später  in  grösseren  Verhältnissen  und  wird  jährlich  von  40  Knaben  und 
einigen  Mädchen  besucht. 

Freiherr  von  Herder  fand  1835  bei  Lukovo  einen  nicht  unbedeutenden 
Hüttengraben  und  stark  verrasten  Pingenzug  als  wahrscheinliche  Reste  eines 
verlassenen   alten    Eisenwerks,  welche   das   Volk    „Josje"   nennt.     Aus  jener  Zeit 


')  Kanitz,  Donau-Bulgarien  u.  d.  Balkan,  2.  Aufl.,  I,  S.  155,  173. 

2)  Daniele,  Rjecnik,  I,  S.  13,  III,  S    16;  nach  dem  „Liturgijar"  starb  er  150Ö 

■"')  Ruvarac  starb  3.,  16.  August  1905. 


Am  Krivi  Vir  über  Zlot.  Brestovaika  Banja,  Zajecar,  Vräka  Cuka  zur  Jasenica.      '^99 

des  blühenden  serbischen  Hüttenbetriebs  in  diesem  erzreichen  Gebiete  stammt 
wohl  eine  dicht  unter  dem  Kali<felsen  des  Ortes  stehende  Kirchenruine.  Die  ^anz 
verfallenen  Mauern  des  einst  der  Sv.  Vavcdenije  geweihten,  21  m  langen  Baues 
bewahren  mir  mehr  geringe  Freskenspuren.  Meine  Aufnahme  ergab  auch  hier, 
ganz  so  wie  bei  der  zpvor  geschilderten  Lopuänjaer  Kirche,  einen  nahezu  ähnlichen 
Grundriss  wie  in  Petruäa,  was  mich  vermuten  Hess,  dass  alle  drei  Monumente 
gleichzeitig  und  wahrscheinlich  von  (.lemsclben  Meister  erbaut  wurden.  Jedenfalls 
stellte  ich  auf  dieser  archäologischen  terra  incognita  einen  bemerkenswerten  alten 
Bautypus  fest,  dem  möglicherweise  auch  die  benachbarte  nördliche  Krepicevoer 
Klosterkirche  angehört,  welche  Djordje  Jovanovic,  nach  der  Volkssage  ein  Sohn 
Joan  Raduls,  erbaute.  Knez  Golub,  erzählt  die  Tradition  weiter,  der  die  Kirche  ohne 
Erlaubnis  des  Vidiner  Paschas  restaurierte,  wurde  durch  Wegnahme  von  12  Oka 
Silber,  1000  Schafen  und  überdies  mit  Gefängnis  bestraft.  ')  Für  mich  war  es 
interessant,  hier  der  Erinnerung  an  den  Lopusnjaer  Wojwoden  Radul  zu  begegnen, 
der,  falls  er  nicht  diese  Landschaft  beherrschte,  doch  zweifellos  in  derselben 
begütert  war  und  den  fremdartigen  Kirchengrundriss  aus  der  Walachei  herüber- 
brachte. Selbstverständlich  ist  dies  nur  eine  Hypothese,  die  von  der  historischen 
Aufhellung  jener  wenig  gekannten  Epoche  des  Timokgebietes  ihre  Bestätigung 
noch  erwartet. 

Die  Burgreste  auf  dem  366  m  hohen  „Crveni  Kamen",  welcher  NO.  das 
Dorf  und  seine  Umgebung  am  linken  Timokufer  überragt,  stammen  aus  der 
Römerzeit.  Ihre  Mauern  von  etwa  60  m  Längendurchmesser  schliessen  sich  der 
Konfiguration  des  gegen  W.  steil  abfallenden,  stark  zerrissenen  Kalkfelsens  an,  der 
das  Material  zu  denselben  lieferte.  Aus  antiker  Zeit  dürften  auch  die  benachbarten 
auf  dem  700  m  hohen  Lazine  NO.  von  Krivi  Vir,  die  8  km  von  Lukovo,  500  m 
hoch  liegenden  und  die  608  m  hohen  nordwestlicheren  auf  dem  Bilo  an  den 
Quellen  der  Radovanjska  reka  stammen.  Die  beiden  ersteren,  von  welchen  N.  auf 
der  Stelle  Novi  Lom  noch  ein  lateinischer  Stein  stehen  soll,  hatten  den  von  der 
Cestobrodica  herabkommenden  Heerweg  zu  schützen,  die  letzteren  aber  den  beim 
nahen  Jablanica  schwunghaft  betriebenen  Eisenbau,  den  ein  künstlicher,  langer 
Kanal,  der  an  einem  hohen  Abstürze  vorbei  zu  riesigen  Schlackenhalden  führt 
und  sich  östlich  gegen  Valakonje  ausdehnt,  bezeugt.  Das  Gradiste  bei  Jablanica 
war  noch  zur  Zeit  des  Türkenansturms  so  fest,  dass  es  nach  der  Tradition  die 
dahin  flüchtenden  Anwohner  erfolgreich  verteidigten,  bis  ein  gepeinigtes  Mütterchen 
die  Moslims  auf  eine  das  „grad"  dominierende  Höhe  brachte,  worauf  es  nach 
kurzer  Beschiessung  genommen  winde  (?). 

Weiter  ging  es  am  Nordhange  des  Rtanj,  dessen  Tannenwälder  dort  hoch 
hinaufziehen.  Von  einem  kurzen,  scharf  N.  nehmenden  Strassenbug  gesehen,  zeigte 
sein  nördlichster,  700  m  hoher,  durch  eine  tiefe  Bifurkation  von  ihm  getrennter 
Vorberg  „Obia"  im  kleinen  Massstab  eine  auffallende  Wiederholung  seines 
charakteristischen  Profils  (S.  121).  Rechts  am  Wege  blieb  ein  zerstörtes  Kirchlein. 
Sonst  bot  auf  dem  äusserst  fruchtbaren,  durch  kleine  Zuflüsse  des  Baches  Arnaul 


'J  Miiicevic,  Knezevina  Srbija,  S.  882. 


400      Am  Krivi  Vir  über  Zlot,  Brestovacka  Banja,  Zajecar,  Vrska  Ciika  zur  Jaseiiica. 

stark  undulicrten  Kalkterrain  mir  die  mit  uns  von  Lukovci  naeii  dem  1  1  km  fernen 
Boljevac  ziehende  bunte  Staffaife  einiges  Interesse.  In  dem  kleinen  Bezirksorte 
wurde  ich  von  seinen  in  der  Mehana  rasch  versammelten  Honoratioren  mit 
wohltuender  Herzlichkeit  empfangen.  Da  ihr  kleines  Gastzimmer  nicht  Raum  für 
uns  alle  bot,  hatte  der  Telegraphenbeamte  seine  Staatsstube  für  mich  vorbereitet, 
und  auch  sonst  zeigte  man,  dass  der  „gute  alte  Serbenfreund"  herzlichst 
willkommen  sei. 

Der  Platz  und  die  Strasse  zwischen  den  Brücken  über  die  sich  mitten 
im  Orte  vereinigenden  Bäche  Arnaut  und  Kotar  erhalten  durch  die  netten 
Amtsgebäude,  einige  bessere  Läden,  die  grosse  Kirche  mit  hohem  Turm  und 
das  neue  Schulhaus  städtischen  Anstrich.  Die  Mehrzahl  der  mit  Platten  von  dem 
nahe  anstehenden  Kalkschiefer  gedeckten  180  Häuser  unterscheidet  sich  aber 
wenig  von  jenen  im  südöstlicheren  Dorfe  „Staro  selo  Boljevac",  mit  dessen 
170  Familien  das  Städtchen  1100  Seelen  zählt.  Die  1851  erbaute,  jetzt  zweiklassige 
Schule  war  die  erste  des  aus  20  Gemeinden  bestehenden  Bezirks  und  hatte  die 
allmähliche  Gründung  solcher  in  Krivi  Vir,  Podgorac  und  12  anderen  Orten  zur 
Folge.  Dass  sie  von  100  Knaben  und  15  Mädchen  besucht  wird,  ist  ein 
erfreuliches  Zeichen  des  wachsenden  Bildungssinnes,  der  auch  die  Soldaten  des 
hier  sich  ergänzenden  Territorial-Bataiilons  charakterisiert.  Boljevac  hatte  1876 
schwere  Tage  durchzumachen.  Am  17.  Juni  griff  Osman  Pasa  von  Zajecar  mit 
7  Bataillonen  Nizams  und  Basibozuks  die  verbarrikadierte  serbische  Stellung 
zwischen  Boljevac  und  Planinica  an,  um  gegen  Paracin  vorzudringen,  wurde  jedoch 
tapfer  zurückgewiesen;  doch  brannten  die  Türken  das  am  Wege  liegende  Dubnica 
und  Planinica  so  gänzlich  nieder,  dass  im  Frühjahr  1877  nicht  eine  Seele  in 
beiden  Ortschaften  zu  finden  war! 

Durchschnittlich  10  m  breit,  stellenweise  den  Felsen  durch  Feuersetzung 
und  mit  dem  Meissel  abgerungen,  lief  die  antike  Trace  von  Boljevac  über  die 
sanften  Höhen  der  Glavica  und  des  Tatarsko  Polje  (420  m)  zum  „Markov 
Kamen",  ein  Stein,  auf  dem  das  Volk  den  auch  in  der  Crna  Reka  gefeierten 
Königssohn  Marko  sein  Schlachtross  Sarac  besteigen  lässt.  Dort  bog  die 
Römertrace  über  das  480  m  hohe  Kasapsko  Polje,  zwischen  Planinica  und 
Osnic  über  Zajecar  zum  sie  schützenden  grossen  Kastrum  von  Gamzigrad  am 
Vereinigungspunkte  beider  Timok-Hauptarme  ab. 

Eine  andere  Strasse  bauten  die  Römer  hier  nach  ihrem  nördlichen  Minen- 
bereiche. Diese  einschlagend,  Hessen  wir  0.  die  Zavetina  Sv.  Trojica-Höhe,  über- 
setzten eine  niedere  Wasserscheide  und  zogen  zwischen  dem  Andrijev-  und 
Bukovi  potok  hinab  nach  Valakonje.  NO.  vom  geschlossenen  Kerne  dieses 
mit  500  Gehöften  weithin  sich  auf  der  Höhe  ausbreitenden  Walachendorfs  warten 
mächtige  Eisenlager  im  Syenitporphyr  auf  ihren  erneuerten  Abbau.  Mehrere 
Werkzeuge  aus  reinem  Kupfer  und  bei  den  alten  Gruben  liegende  Schlacken- 
halden am  „Ogasu  draku"  (serbisch  Djavolski  potok,  Teufelsgraben)  deuten  auf 
ihre  Ausbeutung  in  prähistorischer  und  mittelalterlicher  Zeit.  Aus  der  römischen 
Epoche  stammen  höchst  wahrscheinlich  die  Reste  einer  Baute  und  eines  ausge- 
mauerten   Brunnenschachts   auf    der  Kuppe    des   nahen,    500  ni    hohen  Tilva  ros. 


Am  Krivi  Vir  über  Zlot,  Brestovacka  Banja,  Zajecar,  Vräka  Cuka  zur  Jasenica.       401 

dessen   Quellen,   wie   mir   versichert   wurde,    einst    hinab    zum    zerstörten   Dorfe 
Paraljevo  geleitet  waren. 

Etwa  1,7  km  NW.  hinter  Valakonje  kreuzten  wir  den  Timok,  gleich  darauf 
elie  Bogovina,  Hessen  das  gleichnamige  Dorf  und  seine  Weingärten  links, 
durchschnitten  das  mit  wilden  Birnbäumen  besäte,  wenig  kultivierte  Hügelland, 
dessen  ausgedehnte  Hutweiden  grosse  Schafherden  nähren,  und  erreichten,  auf 
das  rechte  Ufer  der  Velika  Reka  übergehend,  das  grosse  Dorf  Podgorac. 
Zwischen  den  meist  aus  Holz  erbauten,  mit  Kalkschiefern  gedeckten  Häusern 
seiner  langen  Hauptstrasse  stehen  die  Schule,  die  hl.  Geistkirche  und  einige 
Mehanen.  Zwei  Popen  teilen  sich  kollegial  in  die  aus  2720  Seelen  bestehende 
Klientel.  Einer  der  beiden  Seelsorger  stammt  aus  Ungarn,  war  früher  Kupfer- 
schmied und  spricht  auch  einige  deutsche  Worte.  Das  Wirken  der  geistlichen 
Herren  scheint  aber  kein  gesegnetes  zu  sein.  Was  mir  von  den  Frauen  und  Männern 
des  Dorfes  erzählt  wurde,  lässt  auf  sehr  elastische  moralische  Begriffe  schliessen. 


Zwei  Kupierhaiiiincr  vi)n  Valakonje. 


Glücklicherweise  stehen  nicht  alle  walachischen  Orte  der  Umgebung  auf  gleich 
niedriger  Stufe.  Die  Podgoracerin  ist  ungemein  putzsüchtig  und  vernachlässigt 
kein  Toilettemittel  zur  Hebung  ihrer  angeborenen  Reize.  Die  bunten,  kurzen 
Vor-  und  Rückschürzen,  welche  das  weisse  Hemd  von  den  Hüften  abwärts  sehen 
lassen,  Chignons,  Blumen  und  Münzen  im  Haar,  Glasperlen  und  Schminke  werden 
selbst  an  Werktagen  sehr  kokett  verwertet. 

Wie  der  Menschenschlag  verschönerte  sich  auch  die  Landschaft,  je  mehr 
wir  uns  der  höheren  Bergregion  näherten.  An  der  gut  tracierten,  aber  wenig 
beschotterten  Strasse  begleitet  uns  westlich  das  immer  kräftiger  hervortretende 
scharfe  Profil  des  waldreichen,  oben  nackten  Malen ik,  dessen  höchster  Gipfel 
1172  m,  der  Mali  genannte  1031  m  misst.  Seine  sanft  gerundeten  niederen 
Vorhöhen  zeigen  stellenweise  guten  Anbau,  auch  schöne,  doch  für  die  grossen 
Herden  nicht  ausreichende  Weiden.  Einzelne  Bauern  besitzen  200  Schafe,  die 
sie  im  Winter  mit  Baumlaub  erhalten.  Dabei  herrscht  eine  Art  von  Wechsel- 
wirtschaft. Ein  grosser  Teil  der  Eichenstände  am  Wege  war  bereits  „abgemäht", 
der  geschonte  kommt  im  nächsten  Jahre  an  die  Reihe.  Auch  hier  hörte  ich  —  wie 
mir  dünkt,  nicht  mit  Unrecht  —  klagen,  dass  die  amtlichen  Organe  den  Wert  des 
mit  der  zweiten  Steuerklasse  belegten  Bodens  überschätzen. 

F.  KANITZ,  Serbien.    11.  26 


402      Am  Krivi  Vir  über  Zlnt,  BrestovaCka  Banja,  Zajecar,  Vrska  Cuka  zur  Jasenica. 

Das  ganze  Umland  zwischen  dem  Timok,  der  Zlotska  reka  und  dem  Südhange 
des  Golubinjezugs  zeigt  dieselben  typischen  Karsterscheinungen  wie  die  bereits 
geschilderte  westliche  Vorterrasse.  Von  Bogovina  an  mehren  sich  vom  Wege  W. 
stetig  kleine  Dolinen  auf  den  höheren  Bodenwellen  zwischen  den  direkt  im  Timok 
mündenden  Bächen  Bogovina  und  Saraka;  2  km  hinter  Podgorac  wird  der 
Valjanicalauf  durch  eine  Doline  mit  scharfgeböschtem  Tiefrande  geteilt,  und 
weiter  erscheinen  die  aus  W.  und  NW.  von  der  hohen  Morava-Timokscheide  zur 
Zlotska  reka  abströmenden  Bäche  Klencus,  Djemizlok,  Lucjak,  Pecina  (Höhlenbach) 
und  Dubasnica  nach  4—10  km  (Luftlinie)  langem  Laufe,  durch  „ponori"  unter 
ein  von  S.  nach  N.  10  km  langes,  von  W.  nach  0.  6  km  breites,  mit  kleinen 
Dolinen  siebartig  besätes  trockenes  Terrain  abgeführt,  das  dort  beginnt,  wo  die 
Rinnsale  im  Boden  verschwinden.  Wie  weit  Erosionen  und  tektonische  Störungen 
an  diesem  interessanten  Parallelismus  teilnahmen,  ist  schwer  zu  sagen,  denn  noch 


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Schule  und  Kirche  zu  Zlot. 


stehen  sich  die  Erklärungen  der  mit  Karstphänomen  sich  beschäftigenden  Forscher, 
beispielsweise  Prof.  Cvijic  und  Franz  Kraus  '),  über  die  „nackten  Dolinen"  im 
ostserbischen  Kucaj-Gebirge  in  wesentlichen  Punkten  diametral  gegenüber. 

Der  melancholische  Charakter  dieses  typischen  Karstgebietes  wurde  kurz  vor 
Zlot  durch  einen  ungemein  rein  gehaltenen  herrlichen  Eichenwald  unterbrochen. 
Gleich  darauf  gewährte  ein  vom  545  m  hohen  nahen  Burci  abgetrennter,  aus 
dem  stark  zerrissenen  Talgrunde  pittoresk  aufragender  Kalkfels  mit  burgartigen 
Zinnen  und  Mauerspuren  reizenden  Ausblick  in  das  südöstliche  Defilee  der 
Zlotska  reka  bis  gegen  Sumrakovac.  Die  Walachen  nennen  ihn  „Krsija  saturlui", 
die  serbischen  Karten  „selski  kamen".  Die  1838  geweihte  Sv.  Ilijakirche  und 
gegenüberstehende  prächtige  Schule  mit  Turnvorrichtungen  unter  schattigen  Nuss- 
bäumen,  in  welcher  drei  Lehrer  die  Dorfjugend  unterrichten,  sprechen  für  den 
Bildungssinn  und  die  Wohlhabenheit  der  allein  über  10000  Schafe  besitzenden 
Zloter  Walachen. 

Im  Kriegsjahre  1876  drangen  die  Tscherkessen  bis  Zlot  vor  und  brannten 
einige  Häuser  nieder.  Die  Spuren  dieser  Katastrophe  sind  aber  längst  verschwunden. 


')  Höhlenkunde,  S.  126  ff.    Wien  1894. 


Am  Krivi  Vir  über  Zlot,  BrestovaCka  Banja,  ZajeCar,  VrSka  Cuka  zur  Jasenica.      403 

Trotzdem  klagte  der  ungewöhnlich  intelligente,  die  Namen  aller  grösseren  öster- 
reichisch-iingarisclien  Städte  überraschend  gut  kennende  Ortsschulze  über  zu  hohe 
Steuern,  die  sich  bei  einzelnen  Bauern  bis  zu  700  d  von  Jahr  auf  Jahr  übervvälzen. 
„Wir  zahlen  ja  gern,"  schloss  er,  „man  hat  uns  aber  oft  zweimal  so  viel  Terrain 
angerechnet,  als  wir  besitzen."  Auch  hier  also  wieder  der  gerechtfertigte  Not- 
schrei nach  dem  schwer  auf  dem  Bauernstande  lastenden,  fehlenden  Kataster. 
Gewiss  trug  dieses  Gefühl  ungerechter  Belastung  hier  1883  zum  Tumulte  gegen 
die  es  mit  der  Regierung  haltenden  Naprednjaci  und  Liberali  bei.  Ein  besonders 
verhasster    reicher   Mehanenbesitzer,   der    in    den    Keller   flüchtete,   wurde    durch 


Die  Lazarev  Kanien-Hnhic  bei  Zlot 


angezündete  Strohbüschei  „herausgeräuchert"  und  mit  dem  Ortspopen  getötet. 
Gleiches  Los  war  von  den  aufgeregten  Bauern  einem  dritten  „Verräter"  zugedacht, 
der  rechtzeitig  mit  Frau  und  Kindern  flüchtete;  doch  zerstörte  man  die  Einrichtung 
und  Vorräte  seines  Hauses,  Hess  den  Wein  aus  den  Fässern  laufen,  ihn  selbst 
aber  lange  nicht  zurückkehren.  Die  Hauptbeteiligten  büssten  später  diese  traurigen 
Ausschreitungen  des  Parteihaders  mit  Kerker  oder  Tod. 

Während  unser  Zloter  Wirt  sich  bemühte,  einige  nach  seiner  Ansicht 
unübertreffliche,  schrecklich  paprizierte  Gerichte  auf  den  Tisch  zu  stellen,  traf 
der  gefällige  Kniet  die  notwendigen  Vorkehrungen  für  meinen  Besuch  der 
„Lazareva  pecina".  Es  ist  dies  die  weithin  berühmte,  nur  eine  Viertelstunde 
NW.  von  Zlot  entfernte  Höhle  des  nahezu  senkrecht  aufsteigenden  „Lazarev 
Kamen"   (Lazarstein),   aus  deren  „gaora"  (Schlund)   der   erwähnte   16  km  W.  im 

26* 


404      Am  Krivi  Vir  über  Zlot,  Brestovacka  Banja,  Zajecar,  Vrska  Ciika  zur  Jasenica. 

Kalkgebirge  entspringende,  5  km  unterirdisch  fiiessende  Djemiziok  als  8  m  breite, 
romantische  Kaskade  tosend  herausstürzt  und  70  Schritte  weiter  in  die  Bcljanica 
mündet.  Wir  genossen  möglichst  lange  das  schöne  Schauspiel.  Den  zur  Eile 
spornenden  Lichtträgern  auf  dem  Fusse  folgend,  gelangten  wir,  mehr  kriechend 
als  gehend,  durch  den  niederen  Eingang  in  den  etwa  160  m  tiefen,  12  m  breiten 
und  16  m  hohen  Hauptraum  mit  wenig  malerischen,  doch  mächtigen  Stalaktiten. 
60  m  weiter  auf  der  mit  einem  den  Marsch  erschwerenden  Steinchaos  bedeckten 
wasserreichen  Sohle  standen  wir  am  treppenartigen  Aufgang  zu  dem  höher 
liegenden,  nordwestlichen  Höhlenarm  mit  prächtigen  Sinterbildungen,  aus  dem 
man,  wie  unsere  Führer  versicherten,  zum  35  km  fernen  Kloster  Ravanica 
gelangen  könne  (?).  Eine  glaubwürdigere  Tradition  erzählt,  dass  ein  von 
Gendarmen  verfolgter  Heiducke  durch  diesen  linksseitigen  Arm  zu  einer  von 
aussen  sichtbaren,  hochliegenden  Öffnung  der  Felsmauer  gelangte,  dort  in  eine 
der  zahllosen  vrtace  (Dolinen)  des  stark  verkarsteten,  im  Tresta  mit  1300  m 
kulminierenden  Terrains  flüchtend,  so  seinen  Kopf  rettete.  Ein  ähnlicher,  an 
schönen  Tropfsteinfiguren  reicher  Schlund  öffnet  sich  gegen  NO.  Dort  stiess 
Felix  Hofmann  schon  vor  einem  Dezennium  1,4  m  unter  der  jüngeren  Kultur- 
schicht auf  eine  ältere  mit  Knochen  von  Ursus  speiceus,  Hyena  speloea,  Ahle  aus 
Hirschhorn;  ich  selbst  fand  neben  racenten  kleine  rohgeformte  Topfscherben. 
Für  eine  Ansiedelung  in  prähistorischer  Zeit  bei  Zlot  sprechen  auch  künstliche 
Hügel  an  der  Beljanica,  die  vielleicht  Tumule  oder  von  Leuten  herrühren,  welche 
ihren  noch  heute  goldhaltigen  Sand  durchsiebten.  Wahrhaft  grossartig  sind  die 
nahen,  oft  nur  5  m  breiten,  wohl  70—90  m  hohen  Cenone,  in  welche  wir  auf 
dem  Rückweg  zum  Dorf  einen  Blick  warfen. 

Abends  tischte  der  Handzija  eine  ganze  Fischmusterkarte  aus  der  Beljanica 
auf.  Da  gab  es  trefflich  schmeckende  pastrmke  (Forellen),  zmijulije  (walachisch: 
bosok),  krku§e,  govedarke,  klenovi  (squalius  dobula  Heckel)  u.  a.;  doch  alle  von 
sehr  bescheidener  Grösse.  Lärmende  Musik  begleitete  unser  Mahl,  es  wurde 
der  Vorabend  einer  am  nächsten  Tage  stattfindenden  Hochzeit  gefeiert.  Die  dever 
(Brautführer)  traten  ein  und  luden  mich  zum  Feste.  Zuerst  ging  es,  der  Kniet  und 
einige  Laternenträger  voraus,  zum  Tanzplatz.  Dort  begrüsste  uns  der  22jährige 
Bräutigam  und  reichte  uns  eine  mit  Wein  gefüllte  Cutura  zum  Willkommtrunk. 
Die  Braut,  ein  hübsches  Mädchen  von  18  Sommern,  verliess  den  Reigen,  küsste 
meine  Hand  und  Wange;  eine  Ehre,  die  nur  älteren  Männern  erwiesen  und  mit 
einem  Geldgeschenk  erwidert  wird.  Sodann  betraten  wir  das  Häuschen  und 
gratulierten  der  von  Verwandten  umgebenen  Brautmutter.  Die  Arme  weinte, 
ihr  fehlender  Mann  gehörte  zu  den  wegen  Naprednjakenmordes  zu  20  Jahren 
schwerer  Arbeit  Verurteilten,  und  ihre  Habe  war  während  des  lange  dauernden 
Prozesses  sehr  geschmolzen. 

Die  prächtige,  ruhige  Herbstnacht  begünstigte  das  heitere  Fest.  Man  tanzte 
beim  Schein  einer  Talgkerze  abwechselnd  Kolo  und  Ropota;  meine  jungen 
Zajecarer  Begleiter  scherzten  mit  den  schlagfertig  antwortenden  Dorfschönen. 
Als  wir  aufbrachen,  folgten  uns  alle  Anwesenden,  voran  die  aus  zwei  Violinen, 
einer  Flöte  und  Dudelsack  bestehende  Musikbande.     Das  Fest  fand   im   grossen 


Am  Krivi  Vir  über  Zlot,  Brestovaiika  Banja,  Zajef  ar,  Vrska  Cuka  zur  Jasenica.      405 

Gasfraum  unserer  Metiana  seine  Fortsetzung.  Man  tanzte  die  Srbijani<a  und 
die  schwierigere  Zajecartca.  Diese  gelingt  nur  sehr  geübten  Tänzern.  Das 
andauernde,  mehrere  Schritte  Vorwärtsspringen  und  die  gemässigte,  elegante 
Rüci<wärtsbewegung  in  kleinen  Schritten  sieht  sich  hübsch  an,  ist  aber  sehr 
anstrengend.  Zum  Schluss  wurde  zu  meiner  nicht  geringen  Überraschung  die 
Marseillaise  intoniert.  Wie  ist  sie  in  diese  Berge  gelangt?  Sollte  auch  bei 
diesen  Walachen  das  Bewusstsein  der  Zusammengehörigkeit  mit  der  grande 
nation  lateinischer  Rasse  erwacht  sein? 

Die  Sonne  des  folgenden  Sonntagsmorgens  rötete  kaum  die  nahen  westlichen 
Kalkspitzen,  als  unser  Wagen  die  nordöstlichen  Serpentinsteilen  der  noch  im 
ersten  Werdestadium  begriffenen  Brestovacer  Strasse  zu  erklimmen  suchte.  Drei 
Panduren,  geführt  von  einem  als  walachischer  Bauer  gekleideten  Gendarmen, 
zogen  mit  uns  den  gleichen  Weg.  Im  ganzen  waren  60  Polizisten  auf  den  Beinen, 
um  einen  entsprungenen,  die  Gegend  unsicher  machenden  Naprednjacimörder 
wieder  einzufangen,  was  die  isoliert  umherliegenden,  sichere  Verstecke  biegenden 
pojate  (Stallungen),  mit  riesigen,  jede  Annäherung  von  Fremden  verratenden  Hunden, 
sehr  erschwerten.  Eine  freundlichere  Staffage  bildeten  die  zur  Hochzeit  nach  Zlot 
ziehenden,  mit  Blumen  herausgeputzten,  schwere  Körbe  und  Cuture  bringenden 
Frauen  und  Mädchen,  denn  nach  hier  herrschender  Sitte  gestaltet  sich  das  Fest- 
mahl zum  Picknick,  zu  dem  alle  Teilnehmer  Speise  und  Trank  beisteuern. 

Die  über  500  m  hohe  Wasserscheide  gewährt  einen  prächtigen  Ausblick 
nach  dem  nördlich  aufsteigenden,  nahezu  800  m  erreichenden  Crni  Vrh,  dessen 
gut  erhaltene  Staatswaldungen,  sich  N.  zum  Sto,  0.  nach  Krivelj,  W.  gegen 
iagubica  und  S.  bis  Brestovacka  Banja  dehnend,  38000  Hektar  bedecken.  Auf 
der  Zajecarer  Seite  allein  könnten  leicht  2000  für  Fassdauben  geeignete  gesunde 
Eichenstämme  von  0,60  —  1  m  Durchmesser  gefällt  werden.  Da  der  Preis 
für  den  ganzen  Baum  5—6  d  beträgt,  die  Anlage  zur  Ausbringung  der 
Dauben  an  die  Timoker  Bahnstation  Vrazogrnac  etwa  8000  d  kostet,  dürfte  sich 
bald  ein  Unternehmer  für  die  Ausbeutung  dieses  sonst  der  Fäulnis  überlassenen 
wertvollen  Naturschatzes  finden.  Aber  auch  in  metallurgischer  Richtung  verdiente 
der  Crni  Vrh  die  Aufmerksamkeit  fachmännischer  Kreise.  Etwa  2'  j  Stunden  an 
der  Beljanica,  bachaufwärts  am  Zlot,  befinden  sich  Schlackenhalden,  welche 
beweisen,  dass  an  seinem  Hang  auf  Blei  und  Silber  in  alter  Zeit  gearbeitet 
wurde.  Kaum  2  km  in  nördlicher  Luftlinie  steigen  vor  uns  die  617  m  hohe 
Sarparijakuppe  und  der  200  m  höhere  Gipfel  der  dichtbewaldeten  Tilva  njagra 
auf,  von  welchen  die  kristallklaren  Pujcaquellen  abfliessen.  Die  Vorhöhe  Tilva 
Mik  soll  einst  befestigt  gewesen  sein  (?).  An  einigen  Schanzen  vorüber,  die 
1876  das  Vordringen  der  Türken  abwehren  sollten,  erreichten  wir  das  nur  mehr 
5  km  ferne,   150  m  tiefer  liegende  Brestovacka  Banja  in  rascher  Fahrt. 

Inmitten  einer  prachtvollen  Waldvegetation  entspringen  dem  stellenweise  in 
viele  kugelförmige  Stücke  sich  absondernden  Syenitporphyr  der  Kubusorhänge, 
dicht  nebeneinander  auf  beiden  Pujcaufern,  mehrere  warme  Mineralquellen,  welche 
die  wahrscheinlich  schon  zur  Römerzeit  benutzte  Therme  rasch  in  Serbien  berühmt 
machten.     Der   „Ljubicastein"    erinnert  daran,  dass  seine   erste   Fürstin   es    1834 


40fi      Am  Krivi  Vir  über  Zlot,  Brestovacka  Banja,  Zajecar,  Vrska  Ciika  zur  Jasenica. 

mit  ihren  Söhnen  Milan  und  Mihail  besuchte.  Auch  Fürst  Miloä  fand  hier  1860 
Linderung  seines  chronischen  Leidens.  Nach  Herder  geben  die  fünf  aus  Fels- 
klüften koniincnden  Hauptquellen  in  einer  Minute  ungefähr  9,5  Kubikmeter 
Wasser;  einige  zeichnen  sich  durch  grossen  Gehalt  von  schwefelsaurem  Natron  und 
Bittererde  aus,  andere  sind  so  reich  an  kohlensaurem  Salz,  dass  Prof.  Pancic  sie 
an  Wirksamkeit  allen  serbischen  voran  und  den  Karlsbadern  am  nächsten  stellte. 

Die  Überbauung  der  Quellen  trägt  deutlich  türkisches  Gepräge  und  wurde 
meist  nur  renoviert.  So  das  Bad  No.  I,  dessen  kreisförmiges  Steinbassin  von 
3  m  Durchmesser  ein  quadratischer,  mit  vier  Ecknischen  geschmückter  Oberbau 
umgibt,  der  durch  in  die  Kuppel  eingefügte  bunte  Glasstücke  erhellt  wird.  Es 
ist  die  schwächere,  vielbesuchte  Therme  mit  27  •'  C.  auf  dem  linken  Ufer.  Die 
gleichfalls  in  einem  runden  Bassin  gefasste  Quelle  des  wenige  Schritte  entfernten 
Bades  No.  II  besitzt  36»  C,  die  wärmste  des  Bades  No.  III  auf  dem  rechten 
Ufer  hat  39»  C.  und  die  benachbarte  No.  IV  als  kühlste  24»  C.  Eine  fünfte 
mit  3ö  0  C.  wird  als  heilsame  Augenquelle  gerühmt.  Diese  von  früher 
veröffentlichten  stark  abweichenden  Temperaturangaben  stammen  von  dem  mich 
zu  den  verschiedenen  Quellen  persönlich  geleitenden  k.  Inspektor,  der  seit  vielen 
Jahren  alle  Trink-  und  Badeanstalten  überwacht. 

Fürst  Alexander  Karadjordjevic  tat  viel  für  den  Komfort  der  von  ihm  oft 
aufgesuchten  Therme.  Das  für  seine  Familie  bestimmte  einstöckige  Wohnhaus 
bildet  heute  noch  die  Zierde  der  Brestovacka  Banja.  Die  anderen,  langgestreckten 
Gastgebäude  und  die  32  Zimmer  enthaltende  Mehana  genügen  aber  lange  nicht 
mehr  modernen  Ansprüchen  und  dem  jährlich  wachsenden  Besuche.  Die  Regierung 
als  Eigentümerin  sämtlicher  Bauten  und  Bäder  beabsichtigt  denn  auch  einen 
Kurhausbau  mit  24  Zimmern.  1889  zog  sie  aus  der  Verpachtung  der  Gebäude 
11640  d,  weitere  1000  d  —  Arme  wohnen  und  baden  unentgeltlich  — ■  aus 
5000  Badekarten  zum  billigen  Preise  von  20  Centimes.  Im  Beginne  der  Saison 
erscheint  der  vom  Staate  bezahlte  Arzt,  ein  Polizeibeamter  und  ein  Telegraphist 
in  dem  jährlich  250  bis  300  Gäste  aufnehmenden  Bade. 

Den  Hauptreiz  des  ebenso  billigen  als  ungezwungenen  Lebens  bilden 
Spaziergänge  in  die  pittoreske  Umgebung,  in  den  Erlenhainen,  welche  die  Bäder 
umschliessen,  oder  zum  hochliegenden  Ruhesitz  im  herrlichen  rechtsuferigen 
Buchenwalde,  den  der  Staat  ganz  besonders  schirmt  und  pflegen  lässt.  Eine 
junge  Fichtenparkanlage  bei  der  Mehana  bietet  vorerst  geringen  Schatten, 
dafür  aber  einen  lohnenden  Blick  auf  die  gesamte  Badeanlage  und  die  in 
das  freundliche  Tal  hereinblickende  ferne  Tilva  njagra.  Auch  im  südlichen 
Sarbanovac,  wo  Gipskristalle  vorkommen  und  römische  eiserne  Pfeilspitzen, 
Werkzeuge  usw.  gefunden  wurden,  entspringt  eine  zukunftreiche  heisse  Quelle.  In 
den  nahen  Buchenwäldern  wird  von  den  Walachen  starke  Holzindustrie  getrieben. 
Tröge,  Ofenschaufeln  usw.  werden  gleich  im  Walde  produziert  und  wie  das 
Brennholz  auch  im  schneelosen  Herbst  auf  Schlitten  herabbefördert.  Das 
vorgespannte  Rindvieh  ist  von  kleinster  Rasse. 

Unsere  stetig  sich  verschlechternde  Strasse  belebten  einige  Walachenfrauen, 
welche    der   blauende    Sonntagsmorgen    ins    Bad    lockte.      Sie    kamen    aus    dem 


Am  Krivi  Vir  über  Zlot,  RrestovaCka  Banjn,  Zajecar,  Vrska  Ciika  zur  |ascnica.       407 

seitlicIiLMi,  1660  Seelen  zählenden  Dort'e  Brestovac,  bei  dein  ausgezeichneter,  zu 
Schleif-  und  Mühlsteinen  sich  eignender  Wetzschiefer  ansteht.  Seinen  Wohlstand 
verrieten  vortreffliche  Ackergründe  und  Weingärten,  durch  welche  wir  auf  riesige 
Hutweiden  gelangten.  Das  tiefgesättigte  frische  Grün  der  lehmigen,  oft  den 
unterlagernden  Kalk  hervortreten  lassenden  Hochterrasse  mit  riesigen  Herden 
bildete  den  wirksamen  V'orgrund  zum  majestätischen  Fernbilde  der  nördlichen 
Gebirgswelt.  Der  Sto,  Krs,  Krivelj,  Crni  Vrh  lagen  in  malerischster  Farben- 
abstufung vom  Tiefblau  bis  zum  alle  Details  verschmelzenden  kalten  Grau  ihrer 
meist  nackten,  über  1170  m  hohen  Kuppen,  Hörner,  Spitzen  vor  uns.  Unten  in 
zwei  von  NO.  nacli  SW.  laufenden  Einschnitten  fliessen  die  ansehnliche  Borska 
und  Crna  —  auf  der  österreichischen  Karte  fehlten  sie  damals  — ,  im  dritten  die 


BrestovaCka  Banja. 


S.  nach  N.  laufende  Bela  reka.  Im  ersten  liegen  die  Orte  Bor  und  Slatina,  im 
zweiten  Krivelj  und  0§trelj,  im  dritten  Luka,  Topla,  Bucje  und  Bela  Reka.  Ein 
grosser  Teil  dieses  Gebietes  gehört  der  eruptiv-trachitischen  Zone  an.  Es  ist 
ein  bergmännisch  hochinteressanter  Boden.  Schon  Herder  stiess  bei  Lukas 
erzführenden  Baritgängen  auf  silberhaltige  Bleischlacken,  alte  verraste  Halden 
und  Pingen,  auf  Kupfer  und  Blei  bei  Krivelj  und  anderen  Punkten,  als  zweifellose 
Fortsetzung  der  berühmten  Majdanpeker  Erzlager  über  Bor  und  Zlot  zur  Brestovacer 
Brauneisensteinmine.  Hofmann  erzählt,  dass  ein  Bauer  beim  Ackern  1886  auf 
der  „Cista  Pucina"  bei  Luka  ein  213  Gramm  schweres  Stück  Gold  gefunden, 
für  welches  er  in  Negotin  14  Dukaten  erhielt,  und  schliesst  nach  eingehender 
Durchforschung  des  Terrains,  dass  der  Gold  führende  Gang  in  der  erwähnten 
primären  Region  gesucht  werden  müsse.  ') 


')  Qodignjak  rudarskog  odeljenja,  I.  Bd.,  S.  162. 


408      Am  Krivi  Vir  über  Zlot,  Brestovacka  Banja,  Zajecar,  VrÄka  Cuka  zur  Jasenica. 

Dass  schon  der  in  prähistorischer  Zeit  hier  siedelnde  Mensch  diese 
verschiedenen  Melallschätze  zu  benutzen  verstand,  ist  sicher  erwiesen.  Bei  Bor 
fand  man  ausser  einem  Ton-Spinnwirtel  von  3,5  cm  Durchmesser  und  0,8  cm 
weiter  Öffnung  den  27  cm  langen,  3  kg  wiegenden  Teil  eines  kupfernen 
Werkzeugs.  Leider  entscheidet  bei  der  Volksniasse  für  die  Bewahrung  zufälliger 
Funde  ihr  Materialwert.  Dies  erklärt,  dass  den  bisher  spärlichen  neolithischen 
Werkzeugen  in  Serbien  eine  verhältnismässig  bedeutende  Zahl  solcher  von 
reinem  Kupfer  gegenübersteht,  weiche  vereint  mit  in  Kroatien  und  Bosnien 
aufgefundenen  die  prähistorische,  pannonische  Kupferzone ')  ansehnlich  vergrössern. 
Am  interessantesten  erscheint  ein  in  das  Wiener  k.  k.  Naturhistorische  Museum 
gelangtes  bergmännisches  Werkzeug,  das  1888  bei  dem  östlichen  Slatina  gefunden 
wurde.  Es  ist  eine  Doppelhaue  (Breit-  oder  Rodehaue)  mit  zwei  sanft  gebogenen 
Schneiden,  deren  eine  vertikal,  die  andere  aber  horizontal  und  zugleich  löffelartig 


Crni  Vrh 


Krivelj   Tilvaros 


Krs 


Sto 


Die  befestigten  Stoberge  bei  Slatina. 


ausgeschweift  ist.  Sie  hat  38  cm  Länge,  3—5  cm  Breite,  1,5—2  cm  Stärke  und  ein 
rundes  Stielloch  von  32  mm  Durchmesser.  Für  das  Gewinnen  milder  Massen 
erscheint  sie  sehr  geeignet,  auch  darf  man  den  Guss  gelungen  nennen;  die  etwas 
narbige  Oberfläche  zeigt  einen  sehr  schönen  Patinaüberzug,  im  physikalischen 
Kabinett  des  Negotiner  Gymnasiums  sah  ich  einen  0,26  m  langen,  zur  Hälfte 
beilartig  gestalteten  Spitzhammer  von  reinem  Kupfer,  angeblich  aus  Brestovac. 
Zwei  grössere  Hämmer  wurden  1873  im  südlicheren  Valakonje  (S.  400)  gefunden. 
Der  eine,  0,29  m  lang,  wiegt  255,  der  zweite  0,31  m  lange  387  Gramm. 
Ein  24  cm  langes,  1  kg  schweres  Kupferbeil  stammt  aus  dem  benachbarten 
Osnic,  ein  Hammer  aus  Bor.  Nach  allem  darf  man  daher  annehmen,  dass  die 
Anfertigung  von    kupfernen   Werkzeugen,    von   welchen   schon  jetzt   aus    Serbien 


')  Die  Kupferzeit  in  Ungarn,  Budapest  1884,  und  Kanitz,  Die  prähist.  Funde  in  Serbien 
bis  1889,  Anthrop.  Ges.,  19.  Bd.,  Wien  1889.  Ein  der  Haue  im  Wiener  Naturh.  Museum  sehr 
ähnliches  Kupferwerkzeug  sah  ich  im  Oktober  1896  im  Agramer  National-Museum,  einige 
andere  aus  seiner  reichen  Sammlung  in  der  Budapester  Milenniums-Ausstellung. 


Am  Krivi  Vir  über  Zlot,  Brestovacka  Banja,  Zajccar.  Vrska  Cuka  zur  Jasenica.      409 

sechs,  teilweise  nur  dort  vorkommende  Typen  bekannt  sind,  am  scinvungiiaftesten 
im  Timokgebiete  blüiite. 

Den  römischen  Minenbetrieb  in  diesen  Bergen  bezeugen  ausser  vielen 
Werkspuren,  Miinzen,  gestempelten  Ziegeln  usw.  die  zu  seinem  Schutze  erbauten 
Kastelle.  Die  Spitze  der  nur  von  Osten  ersteigbaren  Tilvaros,  zwischen  Krivelj 
und  Bor,  trägt  die  Ruine  eines  solchen;  andere  Burgreste  liegen  auf  dem  1174  m 
hohen  Sto,  dessen  160  m  steil  abstürzende  Kalksteinwände  sein  Besteigen  sehr 
schwierig  machen.  Hoch  oben  stand  auf  einem  etwa  5  Hektar  grossen  Wiesen- 
plateau ein  Rümerkastell  mit  etwa  3ü  m  langen  Fronten.  Am  höchsten  Stofelsen 
„Cornu  de  capra"  (Geishorn)  befinden  sich,  wie  mir  Bergingenieur  J.  Manteanu 
mitteilte,  eingemeisselte  antike  Inschriften,  die  noch  ihrer  Kopierung  warten.  Unter 
dem  Schutze   des  Sto-Kastells  zog  die   römische  Timok-Strasse   über  Luka  und 


Doppelhaue  von  Slatiiia  und  Spitzhainmcr  von  Kupfer  aus  Brestovac. 


den  Trebuc  an  der  Bela  reka  in  das  Porecka  reka-Tal  nach  Taliata  zur  Donau. 
Ihre  Schilderung  bringt  das  folgende  Kapitel. 

Die  nach  vollendeter  Aufnahme  des  Gebirgsprofils  von  uns  durchschnittene 
Terrasse  überziehen  dichte  Wachholderhecken,  deren  starkes  Holz  zu  Gehöftzäunen 
verwendet  wird.  Niemand  sammelt  und  trocknet  aber  ihre  Beeren,  obschon  man 
aus  Budapest  bezogene  in  der  Zajecarer  Apotheke  als  beliebtes  Räuchermittel 
verkauft.  Die  stark  vernachlässigte  Strasse  wird  durch  sich  stetig  erweiternde 
Querrisse  im  bröckeligen  Lehmboden  stark  gefährdet,  und  gleich  sehr  der  hier 
vorherrschende  Eichenstand,  den  das  abstürzende  Erdreich  in  5—8  m  tiefen 
Erosionen  allmählich  begräbt.  Solche  und  einige  Schanzen  von  1876  begleiteten 
uns  bis  zum  tiefliegenden  Slatina.  Sein  ringsum  unter  lustiger  Frulamusik 
(Flütenmusik)  von  walachischen  Hirtenknaben  geweidetes  Grossvieh  zeigt  viel 
kräftigeren  Schlag,  als  jenes  im  Gebirge.  Das  Dorf  gilt  als  eines  der  grössten 
und  reichsten  des  Bezirks.  Schon  aus  der  Ferne  kündigt  es  sich  als  solches  an. 
Auf  Serpentinen  ging  es  hinab  zu  seinem  Forum,  gebildet  von  der  im  Banaler  Stil 
erbauten  Kirche  mit  weissem  Turm,  der  grossen  schönen  Schule,  einigen  netten 
Häusern  und  stattlicher  Mehana.  Wir  hatten  uns  in  dieser  kaum  installiert,  als 
zu  meiner  freudigen  Überraschung  der  von  Zajecar  herübergekommene  General- 
stabschef Miskovic  und  Kreispräfekt  Vule  Vukotic  mich  begrüssten. 


410      Am  Krivi  Vir  über  Zlot,  Brestovacka  Banja,  Zajecar.  Vrska  Cuka  zur  Jasenica. 

Unsere  gefällige  serbische  Wirtin  zauberte  ein  treffliches  Mahl,  echten 
Negotiner  Rotwein  und  prächtiges  Obst  auf  den  Tisch.  Ein  auf  dem  benachbarten 
Kirchplatze  sich  abspielendes  Hochzeitsfest  lieferte  die  Tafelmusik.  Ich  war  in 
die  beliebteste  walachische  Heiratszeit  hineingeraten.  Aus  dem  tieferliegenden 
Dorfteile  zog  ein  anderes,  des  Priesters  Segen  verlangendes  Paar  herauf.  Junge 
lustige  devers,  behängt  mit  rotgeblumten  Tüchern,  eröffneten  die  bunte  Prozession; 
Fahnenträger,  Tamtamschläger,  Dudelsackpfeifer  folgten.  Wir  traten  hinaus.  Der 
mit  Blumen  und  einem  bunten  Tuche  geschmückte  Bräutigam  bot  uns  der  Reihe 
nach  den  Willkommtrunk;  die  von  ihren  Freundinnen  umgebene  Braut  küsste 
mit  tiefgesenktem  Kopfe  unsere  Hände,  doch  ihr  Gesicht  war  unter  dem  reichen 
Münzen-  und  Blumenkranze  kaum  erkennbar.  Der  Nacelnik  rühmte  seine  Walachen 
als  ungemein  bildungsfreundlich.  Vom  Sto  südwärts  bis  Sikole  und  Slatina 
gibt  es  wohl  keine  Kirchen,  jedes  nur  etwas  grössere  Dorf  besitzt  aber  ein 
Schulhaus  oder  sammelt  die  Mittel  zum  Bau  eines  solchen.  Einen  interessanten 
Beitrag  für  Sitte  und  Brauch  dieser  Rumänen  lieferte  Dr.  Stevan  Mäcsay. ') 

Mein  Tagesprogramm  gestattete  mir  nur  eine  Stunde  Rast.  An  der  Borska 
reka  ging  es  3  km  abwärts  zur  mit  Reben  bepflanzten  Popova  Cuka,  bei  der  sie, 
nahe  ihrer  Mündung,  die  durch  den  200  m  breiten  Samar  (Sattel)  getrennten  Bäche 
Bela-  und  Crna  reka  aufnimmt.  Diese  bilden  das  Hauptrevier  der  am  Timok 
betriebenen  Goldwäscherei.  Ihr  Zentralpunkt  Slatina  liegt  auf  schmalem  Kreide- 
gürtel, umschlossen  von  einem  gewaltigen  Massiv  eruptiver  andesitischer  Gesteine. 
Nach  Bergingenieur  Götting-)  durchbrechen  diese  die  Lias-  und  Tertiär-Sedimente 
in  Form  von  Inseln  und  Kuppen  als  Träger  des  Goldvorkommens.  Ob  dieses 
gangartig  oder  anders  gestaltet  sei,  steht  bis  heute  nicht  fest.  Bisher  fand  man 
weder  im  begleitenden  Terrain,  noch  am  Slatinska  reka-Laufe  Reste  alter  Halden 
oder  Pingen,  was  nicht  ausschliesst,  dass  solche  bei  eingehender  Untersuchung 
unter  dem  Rasen  zum  Vorschein  gelangen  können.  Hauptsächlich  wurden  in  alter 
Zeit  „Goldseifen"  ausgebeutet.  Die  Erinnerung  an  einen  rationellen  Bergbaubetrieb 
auf  Edelmetall  ging  in  der  von  jüngeren  Ansiedlern  stammenden  Bevölkerung 
verloren.  Das  Goldwaschen  wird  hier,  am  Djalucberge  bei  Glogovica  und 
anderen  Punkten  des  Krajinagebietes  in  der  von  mir  schon  früher  geschilderten 
primitiven  Weise  betrieben.  Nach  reichlichem  Regenfalle  gelingt  es  einzelnen,  bei 
fleissiger  Arbeit  ein  halbes  Dram  (1  Dram  ^=  1  Dukaten)  täglich  zu  gewinnen. 
Ist  eine  grössere  Quantität  beisammen,  so  wandert  einer  der  Goldwäscher  nach 
Negotin,  wo  man  per  Dram,  wie  mir  mehrfach  versichert  wurde,  nur  acht  dinar, 
also  zwei  Dritteile  seines  Münzwertes,  bezahlt.  Aus  diesen  und  den  bereits 
gegebenen  Daten  erhellt,  dass  die  Goldwäscherei  sich  sehr  bescheiden  lohnt. 

Von  den  Serpentinen  der  über  Rgotina  zur  Bela  reka  ziehenden  grossen 
Strasse  entwickelte  sich  ein  landschaftlich  schöner  Blick  in  ihr  reiches  Tal  und  auf 
die  östlich  wildromantisch  aufstrebenden  Felsmauern,  durch  welche  sie  zwischen 
kaum  einem  Fusspfade  genügenden  Raum  gewährenden  Abstürzen  hinaus  zum 
Timok  fliesst.     Nur  von   SO.   sind   die  Reste   der  diesen    „Rgotski  Kamen"    einst 


')  Glasnik,  Bd.  73,  S.  135  ff 

')  Berg-  und  Hüttcnm.  Zeitung,  1888. 


Am  Krivi  Vir  über  Zlot,  BrestovaCka  Banja.  ZajeCar,  VrSka  Cuka  zur  Jasenica.       411 

krönenden  Befestigung  zugänglich.  Ihr  Namen  soll  gleich  dem  des  nahen  Dorfes 
Rgotina,  nach  einer  Hypothese  des  Zajecarer  Erzpriesters  Ugrinovic,  von  dem 
griechischen  „Argos"  stammen.')  Das  Material  und  die  Bauart  der  am  Felsrande 
klebenden  stark  verwüsteten  Umwallung  hoben  aber  jeden  Zweifel,  dass  sie  einem 
Kastell  angehörte,  welches  die  Römer  zum  Schutze  ihres  hier  nach  Taiiata 
abbiegenden  Strassenzweiges  erbauten.  Als  trefflicher  „Luginsland"  bot  das 
Kastell  eine  weit  ins  bulgarische  Timokgebiet  reichende  Fernsicht.  Die  dem  Volke 
fremdartigen  Gräber  auf  dem  von  Mauern  durchzogenen  Plateau  heissen  „zidovsko" 
und  auch  „latinsko  groblje".  Für  eine  prähistorische  Ansiedelung  auf  dieser  Stätte 
sprechen  die  von  ihr  stammenden  Gefässe,  Eisenkelte  und  ein  10  cm  grosser 
Feuersteinknollen  mit  zierlich  eingeschnittenem  Formmodell,  welche  ich  in  der 
kleinen  Sammlung  des  Kreisingenieurs  Mita  Dimic  zu  Zajecar  sah. 


Weitere  5  km  Fahrt  führten  uns  in  die  Mitte  des  italienisch  anmutenden 
Dorfes,  in  seiner  besten  Mehana  erwarteten  mich  der  uns  entgegengeeilte 
Bezirkskapetan,  der  Ortsskupstinar,  der  Pope  und  einige  Honoratioren.  Während 
der  mir  angebotene  Kaffee  bereitet  wurde,  besichtigte  ich  den  neuen  Schulbau, 
der  ganz  hübsch  zu  werden  versprach.  Zurückgekehrt  unter  die  schaftigen 
Baumkronen  leitete  ich  das  Gespräch  auf  den  Ursprung  des  Namens  Rgotina. 
Der  im  Dorfe  geborene  Pope  Stevan  Milosevic  versicherte,  dass  sein  „ded" 
(Grossvater)  oft  erzählte,  dass  dessen  von  zwei  Brüdern  geführte  Ahnen  aus 
Kosovo  und  Sjenica  in  Altserbien  vor  150  Jahren  an  der  Mündung  der  Bela  reka 
sich  angesiedelt  hatten.  Der  Hanbesitzer,  poslanik  (Landtagsabgeordneter)  Aleksa 
Zdravkovic,  bestätigte  dies  und  meinte;  Traditionell  erbe  sich  die  Sage  fort, 
die  christlichen  Einwanderer  wären  von  den  auf  der  benachbarten  „Tatarna" 
siedelnden  Tataren  so  sehr  gequält  worden,  dass  sie  den  Ort  verlassen  wollten. 
Man  verhandelte  über  das  Wohin?     Ein   aus  dem  Banat  eingewanderter  Insasse, 


')  Milidevlc,  Kneievina  Srbija,  S.  879. 


412      Am  Krivi  Vir  über  Zlot,  Brestovafka  Banja,  ZajeJar,  VrSka  Cuka  zur  Jasenica. 

der  stets    „Herr   Gott!"    rief,   empfahl   den   Berj^hang   beim    iieutigen    „Rgotina"; 
der  mit   dieser  Wahl   unzufriedene  Teil  zog  nach  dem  von  den  Gegnern   „Vraze  • 
grno"  (Teufelsort)  geschimpften  „Vrazogrnac",  und  so  kamen  beide  Nachbardörfer 
zu  ihren  heutigen  Namen. 

Dieser  eines  gewissen  heiteren  Anstrichs  nicht  entbehrende  historisch- 
ethymologische  Exkurs  stimmt  nicht  mit  Drag.  Jovanovics  Mitteilung,  dass  diese 
Orte  durch  kroatisch-slavonische  Ansiedler  begründet  wurden  '),  und  auch  nicht 
mit  der  vorerwähnten  gekünstelten  Ableitung  des  Namens  Rgotina  vom  griechischen 
„Argos".  Andererseits  geht  aus  den  Mitteilungen  meiner  Gewährsmänner  zweifellos 
hervor,  dass  die  serbische  Besiedelung  eines  grossen  Teiles  des  Timokgebietes 
erst  während  des  vom  Pecer  Patriarchen  Arsenije  IV.  geleiteten  zweiten  grossen 
Exodus  aus  Altserbien  im  Jahre  1740  erfolgte.  Unter  den  Einwanderern  befand 
sich  auch  der  Stamm  „Dragutinci"  aus  der  Senicaer  Nahija,  von  welchem  eine 
Familie  weiter  nach  Bulgarien  wanderte  und  dort  südlich  vom  Bela  am  Jantraflusse 
das  Dorf  „Kosovo"  begründete;  ihre  Nachkommen  sollen  heute  noch  den  Haus- 
patron Lazar  feiern  und  sich  ihrer  Abstammung  erinnern. 

Die  für  meine  Studien  sich  lebhaft  interessierenden  Herren  verehrten  mir 
einige  auf  der  Hochburg  gefundene  römische  Kaisermünzen  und  erzählten  auch 
von  Mauern  auf  einem  2  km  östlicheren  Punkte,  deren  Ursprung  unbekannt  sei. 
Den  nach  dieser  „Straza"  führenden  Feldweg  einschlagend,  fand  ich  bald,  dass 
die  Römer  sich  nicht  mit  der  Befestigung  des  Rgotinaer  Berges  begnügten,  sondern 
an  diesem  Gabelpunkt  ihrer  Timok-  und  Bela  reka-Strassen  auf  der  Hochebene 
ein  zweites  Kastell  angelegt  hatten.  Die  arge  Verwüstung  seiner  Mauern,  von 
deren  nach  allen  Richtungen  verschlepptem  Material  römische  Deckziegel,  Mörtel- 
stücke usw.  die  Felder  ringsum  bedeckten,  erschwerte  die  Bestimmung  seines 
Grundrisses.  Doch  ergab  sich  nach  wiederholter  Umschreitung  der  Wallfronten 
ein  ungleichseitiges  Hexfagon  von  beiläufig  120  m  Durchmesser  mit  fünf  rund 
vorspringenden  Ecktürmen.  Der  Hauptzugang  befand  sich  zwischen  den  Süd- 
mauern. Das  durchaus  2  m  starke  Gusswerk  zeigte  Reste  einstiger  Verkleidung 
mit  Sandsteinplatten,  zwischen  diesen  fand  man  einen  inschriftlosen  Votivstein 
mit  roh  skulptierten  Figuren  eines,  den  Stab  in  der  rechten  Hand  haltenden 
Mannes  und  seiner  Frau.  Von  dem  kleinen  Kastellfriedhof  stammen  die  Grabsteine, 
welche  Herr  Dimic,  der  Eigentümer  einer  nahen  Kunstmühle,  vor  Verschleppung 
rettete  und  ich  in  meinen  „Römischen  Studien"  abbildete.  Zwei  eingemauerte 
Reliefplatten  mit  Brustbildern  und  den  Buchstaben  D  M  (Diis  manibus)  erkannte 
ich  als  zusammengehörig,  ob  auch  zwei  andere  schwer  lesbare  Fragmente,  ist 
fraglich;  ebenso,  ob  auf  dem  östlichen,  etwa  30  Quadratmeter  messenden,  mit 
Gestrüpp  und  Steinen  bedeckten  „Seliste"  ein  antiker  Wachturm  stand.  Es  erhielt 
sich  die  Tradition,  dass  hier  vor  200  Jahren  ein  grosses  Dorf  Tolovac  sich  befand, 
dessen  Bewohner  am  Sabortage  von  den  Türken  teils  getötet  oder  in  die  Sklaverei 
geschleppt  wurden.  Nur  wenige  entkamen  und  gründeten  das  Pancova  benach- 
barte Dolova  an  der  Donau.     Ob  sich  dort  dieselbe  Tradition  erhielt? 


')  Glasnik,  Bd  54. 


Am  Krivi  \'ir  über  Zlot,  Rrestovacka  Ranja,  Zajecar,  Vrska  Cuka  zur  Jasetiica       413 

Die  Nacht  war  eingebrochen.  An  uns  vorüber  sauste  der  Wagen  meiner 
in  Slatina  gebhebenen  Zajccarer  Freunde.  Wir  hielten  noch  in  Vrazogrnac,  wo 
ich  die  im  Rohbau  sehr  hübsch  ausgefüiirte,  1887  geweihte,  aber  bald  darauf  in 
der  Westhäifte  zusammengestürzte  hl.  Geistkirche  bei  Fackelschein  besichtigte.  Eine 
Kommission  hatte  kurz  zuvor  erhoben,  dass  einige  eigenmächtige  Planänderungen 
des  Unternehmers  das  Unglück  verschuldet  hatten.  Die  fünfkuppelige  Anlage  des 
von  2ivanovic  entworfenen,  33000  d  kostenden  Baues  fand  ich  im  ganzen  sehr 
gelungen,  aber  den  geradlinigen  Portalabschluss  nicht  ganz  dem  byzantinischen 
Stil  entsprechend.  Unsere  Pferde  griffen  nun  scharf  aus,  und  die  im  letzten 
Kapitel  geschilderte  kurze  Wegstrecke  nach  Zajecar  war  bald  zurückgelegt. 
In  seinem  ersten,  durch  höhere  Offiziere  stark  besetzten  Gasthofe  hatte  der 
stets  liebenswürdige  Oberst  Miskovic  sein  eigenes  Zimmer  für  mich  geräumt 
und  ein  treffliches  Souper  bestellt,  das  nach  des  Tages  Mühen  sich  allseitiger 
Anerkennung  erfreute. 

Aus  Zajecars  mittelalterlicher  Epoche  erzählt  die  Tradition,  dass  eine  von 
dem  15  Minuten  fernen  Römerkastell  Kostolac  geflüchtete  Königin  auf  der  süd- 
lichen Kraljevica  grosse  Schätze  vergrub;  die  Türken  suchten  nach  diesen,  fanden 
aber  nur  treffliches  Trinkwasser.  Der  Namen  der  Stadt  stamme  aber  von  dem 
sie  gründenden  Pascha  —  Zaja  — .  Der  bis  1833  in  Zajecar  residierende  Muselim 
war  vom  Vidiner  Pascha  abhängig.  Die  reiche  Crna  Reka  bildete  für  diese  und 
namentlich  für  den  vom  Sultan  abgefallenen  Pasvan  Oglu  Pasa  eine  Privatdomäne, 
die  er  durch  Aufkauf  kleinerer  Bauerngehöfte  zu  von  ihm  selbst  bestimmten 
niederen  Grundpreisen  allmählich  vergrösserte.  Die  fruchtbarsten  Ländereien  auf 
dem  linken  Timokufer  bis  zur  wiesenreichen  Tatarna  bei  Vrazogrnac  beutete  er 
zu  eigenem  Nutzen  aus.  Sein  Einfluss  in  der  Crna  Reka  war  so  gross,  dass  die 
serbischen  Knezen  Pop  Radosav  aus  Planinica,  Joko  aus  Krivi  Vir  u.  a.  mit  ihm 
gegen  die  suitanlichen  Truppen  kämpften.  Einige  zeichnete  er  für  bewiesene 
Tapferkeit  mit  goldenen  und  silbernen  Waffen  aus;  mit  Geld  die  mutigen  serbischen 
Krdzalijen:  Zdravko  Markovic  Zibulovac  aus  Rgotina,  Petko  aus  Nikolicevo,  Joncu 
aus  Sumrakovac  u.  a. 

1804  entsendete  Karadjordje  den  Arambasa  Petar  mit  sechs  Heiducken,  um 
die  Crna  Reka  gegen  die  Türken  zu  insurgieren.  Bei  Vrska  Cuka  fing  man  sie 
aber  und  schnitt  ihnen  auf  Pasvan  Oglus  Befehl  Hände  und  Füsse  ab.  Darauf 
ermahnte  der  Pascha  persönlich  die  zu  Zajecar  versammelten  Knezen,  sich  ruhig 
zu  verhalten,  er  bewilligte  einige  Freiheiten  und  ernannte  den  angesehenen  Milisav 
Djordjevic  aus  Lasovo  zum  Staresina  des  Bezirks.  Die  Nachricht  von  den 
serbischen  Erfolgen  erhitzte  trotzdem  die  Gemüter.  Milisav  ging  als  Kaufmann 
verkleidet  in  die  Sumadija,  beriet  sich  mit  den  Revolutionshäuptern  und  versprach 
diesen  feierlich  die  baldige  Erhebung  der  Crna  Reka.  Im  von  Zajeöar  südlichen 
Griister  Kloster  Sv.  Petar  verabredete  Milisav  mit  Pop  Radosav  und  Joko  heimlich 
alle  vorbereitenden  Schritte.  Er  selbst  übernahm  die  Aufwiegelung  der  Ortschaften: 
Lasovo,  Vrbovac,  Lenovac,  Leskovac,  Grliste,  Lubnica,  Dobro  Polje,  Dobrujevac, 
Boljevac;  der  Pope  jene  von  Planinica,  Sarbanovac,  Sumrakovac,  Zlot,  Podgorac 
und  Valakonjc;  Joko  aber  von  Krivi  Vir,  Jablanica,  Lukovo,  Mali  Izvor  und  Mirovo. 


414      Am  Krivi  Vir  über  Zlot,  Brestovacka  Banja,  Zajecar,  Vrska  Cuka  zur  Jasenica. 

Der  Aufstand  begann  bei  der  llinoer  Kula,  wo  der  ihre  Übergabe 
verweigernde  Subasa  Vecir  mit  seinen  Leuten  fiel,  aucii  36  Pferde,  Waffen  und 
Geld  erbeutet  wurden.  Auf  dem  Wege  nach  Zajecar  kam  es  aber  zu  ernstem 
Kampfe.  Die  vom  Knezen  Resavac  in  Svilajinac  zugesagte,  von  Lazar  Barjaktarovic 
geführte  Hilfsceta  erschien  rechtzeitig  und  das  Gefecht  endete  glückhcli.  Trotzdem 
wagten  die  Aufständisciien  es  nicht,  sich  mit  den  bereits  von  Vidin  iieranziehenden 
Scharen  im  freien  Felde  zu  messen.  Joko  war  schwer  verwundet;  Milisav  und 
Pop  Radosav  verschanzten  sich  unter  dem  Berge  Tupiznica,  andere  Haufen  auf 
der  Rasnica.  Pasvan  Oglu  Pasa  Hess  sie  durch  Abgesandte  aus  ruhig  gebliebenen 
Dörfern  zur  Übergabe,  unter  Zusicherung  voller  Straflosigkeit,  auffordern.  An 
längeren  Widerstand  war  nicht  zu  denken.  Den  türkischen  schönen  Worten 
glaubte  man  nicht;  so  flüchtete  Pop  Radosav  in  seine  Heimat  und  später  nach 
Russland,  Milisav  aber,  der  am  allerwenigsten  auf  dauernde  Gnade  hoffen  durfte, 
zog  mit  500  der  nationalen  Sache  ergebenen  Leuten,  welche  er  in  Krivi  Vir 
gesammelt,  zu  seinem  Bundesgenossen  Resavac,  und  mit  diesem  später  in  das 
Lager  bei  Ivankovac,  wo  er  den  Sieg  gegen  die  Türken   mit  erfechten  half. 

Pasvan  Oglu  Pasa  verstärkte  nach  dem  vereitelten  Erhebungsversuche 
die  Besatzungen  der  Kulas  in  den  Rajahdörfern.  Jedes  wurde  von  einem  mit 
grossen  Vollmachten  ausgestatteten  Subasa  überwacht,  die  sich  oft  Ausschreitungen 
gröbster  Art  gegen  die  waffenlosen  Christen  erlaubten.  Diese  jede  freie  Bewegung 
hindernde  Massregel,  dann  die  grosse  Nähe  der  festen  Orte  Kula  und  Belogradcik, 
insbesondere  aber  des  starken  Donauhortes  Vidin,  dann  die  1300  m  hohen  Berge, 
welche  die  Crna  Reka  vom  nördlichen  Serbien  trennen,  hinderten  ihre  energische 
Teilnahme  an  der  nationalen  Erhebung  während  des  fortgesetzten  Freiheitskriegs. 
Wenige  Kämpfer  aus  diesem  Gebiete  beteiligten  sich  an  diesem;  unter  ihnen  glänzt 
aber  einer,  trotz  seiner  rauhen  Sitten  und  Beutegier,  durch  feurigen  Patriotismus 
und  ganz  hervorragende  Tatenlust.  Es  ist  der  schon  mehrfach  genannte  Veljko 
Petrovic,  bekannter  unter  dem  volkstümlichen  Namen  „Hajduk  Veljko",  dessen 
erste  Biographie  man  Vuk  verdankt.') 

Der  namentlich  im  Timokgebiet  abgöttisch  verehrte  Nationalheld,  ein  Sohn 
des  reichen  Lenovacer  Herdenbesitzers  Petar  „Sirenjar",  so  genannt,  weil  er  von 
seinen  3000  Schafen  viel  Käse  (sir)  gewann,  konnte  schon  als  Bursche  die 
türkischen  Gewaltakte  nicht  ertragen.  Eines  Tages  überfiel  er  mit  einigen  Hirten 
mehrere  Moslims,  die  es  sich  in  der  väterlichen  Sennerei  gut  sein  Hessen,  und 
gelangte  so  in  den  Besitz  der  längst  ersehnten  Waffen.  Dies  geschah  zur  Zeit, 
als  Pasvan  Oglus  mit  dem  Belgrader  Vezier  in  Fehde  liegenden  Krdzalijen  die  Crna 
Reka  brandschatzten  und  Veljkos  Heimatsdorf  Lenovac  anzündeten.-)    Von  da  ab 


')  Danlca,  1826. 

-)  Nach  P.  Sreckovic  stand  Veljko  als  junger  Bursche  im  Dienste  Caja  Ninas,  des 
Vorstehers  sämtlicher  Schäfereien  Pasvan  Oglu  Pasas,  der  ihn  gelegentlich  eines  Zweikampfes, 
in  dem  Veljko  einen  starken  Türken  besiegte,  „Hajduk  Veljko  Bei"  nannte.  Wegen  eines 
Fehlers  im  Dienste  soll  Veljko  dem  Nina  entlaufen  sein  und  sich  den  Heiducken  der  Sumadija 
zugesellt  haben.  Als  er  später  Wojwode  der  Krajina  geworden,  liess  er  Nina  nach  Negotin 
kommen,  wo  er  ihn  reich  beschenkte,    (ülasnik,  Bd.  54,  S.  198  ff.) 


Am  Krivi  Vir  über  Zlot,  Brestovai^ka  Banja,  Zajecar,  Vrska  Cuka  zur  Jasenica.      415 

schloss  sich  Veljko  dem  gefürcliteten  Heicluckenfiihrer  Stanoje  Glavas  und  später 
Djusa  Vulicevic  an,  übertrat"  alier  tu'ide  bald  in  verwegenen  Angriffen  auf  die 
türkischen  Banden.  An  der  Donau,  am  Timok,  bei  Podgorac,  wo  er  zuerst  die 
Krdzalijen  schlug,  zu  Kijak,  Poljanica,  am  Kaiafatfeld  und  bei  Vrazogrnac,  wo  er 
Schanzen  gegen  sie  aufwarf,  bei  Lukovo,  wo  er  die  von  Soko-Banja  flüchtenden 
Serben  schützend  aufnahm,  1809  vor  Nis,  namentlich  aber  1810  bei  Negotin.  mit 
einem  Wort,  überall,  wo  man  sich  im  südöstlichen  Serbien  mit  den  Türken  schlug, 
glänzte  er  durch  Tapferkeit.  Als  diese  in  Gegenwart  einiger  Wojwoden  von 
einem  Guslar  besungen  wurde,  warfen  ihm  diese  vor,  dass  er  doch  nur  ein 
„Hajduk"  sei;  Veljko  erwiderte  aber  lakonisch:  „Gerade  darauf  bin  ich  stolz, 
und  leid  wäre  es  mir,  gäbe  es  einen  grosseren!"  Sein  Heldentod  im  Jahre  1813 
wird  im  folgenden  Kapitel  erzählt. 

Was  Veljko  anstrebte,  erfüllte  sich  erst  zwei  Jahrzehnte  später.  Die  Krajina 
und  Crna  Reka  wurden  wohl  mit  Hilfe  des  russischen  Generals  Orurk  1810  von 
den  Türken  geräumt,  doch  1813  von  diesen  wieder  besetzt,  trotzdem  sich  ihre 
Bewohner  an  verschiedenen  Orten  und  auch  in  der  auf  der  Höhe  beim  heutigen 
Nacelslvo  errichteten  Zajecarer  Schanze  gegen  die  türkische  Übermacht  tapfer 
schlugen.  Die  Schanze  befehligte  derselbe  Milisav  Djordjevic,  welcher  1805  den 
Aufstand  in  der  Crna  Reka  angefacht,  später  bei  Ivankovac,  Paracin,  Razanj, 
Aleksinac,  Soko-Banja  gefochten  und  1810  an  der  Befreiung  des  Gebietes  lebhaften 
Anteil  genommen  hatte.  Dieser  Milisav,  der  echte  Typus  der  kriegerischen  Altserben 
des  Kosovofeldes,  wurde  im  Bezirke  Kolasin  1762  zu  Susica  geboren,  suchte  mit 
vielen  seiner  Brüder  eine  neue  Heimat  und  fand  diese  in  Lasovo  am  Timok,  wo 
er  durch  sein  männliches  Wesen  bald  die  Knezenwürde  erlangte.  Nachdem  er 
vergeblich  Zajecar  zu  halten  gesucht  und  die  Türken  sich  1813  in  der  Crna  Reka 
festgesetzt,  flüchtete  er  durch  die  Sumadija  über  Obrenovac  nach  Sirmien.  Als 
man  ihm  beim  Übertritte  den  Säbel  abnehmen  wollte,  zerbrach  er  diesen  und  warf 
ihn  in  die  Save.  Er  lebte  hierauf  bis  1815  in  Kischinjew  mit  einer  russischen 
Jahrespension  von  500  Rubeln,  bis  er,  unter  Milos'  Fahnen  eilend,  auf  öster- 
reichischem Boden  festgenommen  wurde.  1816  kehrte  er  mit  einem  vom  Vidiner 
Gouverneur  Mehemed  Ruzdi  Pasa  ausgestellten  Bürgschaftsschreiben ')  nach  Lasovo 
zurück,  übersiedelte  jedoch,  des  Rajahloses  müde,  nach  Svilajinac,  wo  er  als 
angesehener  Mann   1832  starb  und  nahe  der  Kirche  seine  Ruhestätte  fand. 

Nur  ein  Jahr,  und  Milisav  hätte  wahrscheinlich  zum  drittenmal  sich  am 
Befreiungskampfe  der  Crna  Reka  beteiligt.  Die  willkürliche  Ausschreibung  einer 
neuen,  hohen  Steuer,  welche  der  Zajecarer  Muselim  unerwartet  der  Crna  Reka 
1832  auferlegte  und  wohl  gleich  sehr  die  Aufstachelung  durch  Fürst  Milos' 
Agenten  führten  zum  neuen  Rajahaufstande,  der  am  St.  Georgstag  1833  beraten 
und  sofort  durch  eine  an  den  Muselim  entsandte,  Klage  führende  Deputation 
eingeleitet  wurde.  Mit  Auseinanderjagung  bedroht,  kam  es  zu  rascher  Tat.  Der 
Kniet  Stanisav  von  Planinica  tötete  einen  Delibasa,  der  Kampf  spann  sich  fort 
und   126  Serben  fielen  am  9.  Mai    in  der  schon   zu  Karadjordjes  Zeit   errichteten 


')  Sreckovic,  Glasnik,  Bd.  54,  S.  235. 


416      Am  Krivi  Vir  über  Zlot,  Brcstovacka  Banja,  Zajecar,  Vrska  Cuka  zur  Jasenica. 

Zajecarer  Schanze.  Nun  erhob  sich  die  ganze  Krajina.  Fürst  Milos  rief  die 
russische  Intervention  an  und  brachte  auch  direkt  der  Crna  Reka  mlHtärische  Hilfe. 
Er  benachrichtigte  die  Paschas  zu  Nis  und  Leskovac,  er  müsse,  bis  die  angesuchte 
sultanliche  Entscheidung  über  die  künftige  Landesgrenze  eintreffe,  zur  Aufrecht- 
erhaltung der  Ruhe  das  strittige  Gebiet  besetzen;  den  Zajecarer  Türken  drohte 
er  aber  mit  Gewalt,  wenn  sie  die  Stadt  nicht  friedlich  räumen  wollten.  Um  diese 
Drohung  wirksamer  zu  gestalten,  Hess  er  seine  nur  60  Mann  starke  uniformierte 
Kavallerie  eine  von  der  Stadt  sichtbare  Waldlichtung  wiederholt  passieren,  was 
die  Moslims  zur  raschen  Flucht  bewog.  Minister  Cukic  erzählte  mir,  dass  dieser 
gelungene  „coup  de  theatre"  ihm  oft  und  auch  von  einem  der  beteiligten  Reiter 
verbürgt  wurde. 

Nachdem  die  Timokgrenze  1834  definitiv  reguliert  war,  erhob  Alilos  Zajecar 
zur  Kreisstadt,  verlegte  dahin  den  Bischofssitz  für  das  neuerworbene  Gebiet;  auch 


'^i<v]}-t  1 


Türkisclier  Angriff  bei  Halova-Karaula. 


erhielt  es  1833  eine  Volksschule  und  1838  ein  Gymnasium.  Letzteres  und  der 
Bischof  übersiedelten  aber  nach  Negotin,  welches  der  Fürst  in  jeder  Weise  zu 
heben  suchte.  Später  geschah  wieder  manches  für  Zajecar,  namentlich  durch 
verbesserte  Strassen  zur  Donau  und  Morava.  Der  serbisch -türkische  Krieg 
schädigte  aber  lange  sein  allmähliches  Aufblühen.  Denn  die  nordwestliche  Spitze 
Bulgariens  zwischen  dem  Timok  und  der  Donau  wurde  1876  der  Schauplatz  heisser 
Kämpfe  des  auf  Vidin  gestützten  rechten  Flügels  der  türkischen  Armee  unter  dem 
als  „Löwe  von  Plewna"  berühmt  gewordenen  Divisionär  Osman  Pasa  mit  dem 
serbischen  Timokkorps.  Dieses  von  Oberst  Lesjanin  und  dem  Generalstabsmajor 
Topalovic  geführte  Korps  bestand  aus  8  Bataillonen  Zajecar,  10  Bataillonen 
Negotin,  14  Bataillonen  Pozarevac  und  Branicevo,  der  „heiligen  Legion", 
3  Bataillonen,  3  Kompanien  Jäger,  6  Eskadronen,  2  schweren  und  2  leichten 
Vierpfünder-Batterien.  Nach  dem  serbischen  Kriegsplane  sollte  das  Korps  die 
bei  Vidin  sich  sammelnden  Truppen  verhindern,  die  unter  Cernjajeff  gegen  Nis 
operierende  Hauptarmee  in  Flanke  und  Rücken  zu  fassen.  Am  2.  Juli  überschritt 
Lesjanins  Krajina-Brigade  und  „heilige  Legion"  bei  Vrska  Cuka  die  Grenze.  Seine 
Offensive    kam   jedoch    schon    beim   ersten   Versuche   zum   Stehen.     Von   Osman 


Am  Krivi  \'ir  über  Zlot,  Brestovacka  Banja,  Zajccar,  Vrska  Cuka  zur  lasenica       417 

Pasa  am  3.  Juli  mit  starkem  Verlust  in  die  Versclianzun|j;en  am  rechten  Timokufer 
zurückgeworfen,  iiuisste  man  am  nächsten  Tag  auch  diese  räumen  und  sich  in 
die  feste  Stellung  bei  Zajecar  zurückziehen.  Die  beiden  Tage  hatten  die  „heilige 
Legion"  nahezu  dezimiert,  die  Tscherkessen  mähten  ganze  Reihen  derselben  nieder, 
denn  sie  gaben  keinen  Pardon.  In  allem  betrug  der  serbische  Verlust  1800  Mann 
an  Toten  und  Verwundeten;  der  türkische  wurde,  wegen  der  wiederholten  Angriffe 
auf  die  serbischen  Verschanzungen,  noch  höher  geschätzt. 

Am  12.  Juli  griff  der  durch  eine  Brigade  Sumadija  verstärkte  Lesjaniii  die 
Türken  bei  Veliki  Izvor  abermals  vergeblich  an.  Gleichzeitig  versuchten  von 
Major  Ostojic  geführte  Serben   und  bulgarische  Freischärler  über  Rakitnica   nach 


Osman  Pasa. 


Ginzovo  vorzudringen;  die  Gegner  verliessen  beide  Orte,  doch  schon  am  nächsten 
Tage  wurden  sie  durch  ein  kurz  zuvor  in  Vidin  eingetroffenes  Trapezunter 
Nizam- Bataillon  und  berittene  Tscherkessen  blutig  zurückgewiesen.  Gleich 
erfolglos  war  aber  Osman  Pasas  Angriff  am  13.  Juli  auf  die  serbische  Stellung  vor 
Zajecar;  am  18.  Juli  ging  sogar  Oberst  Leäjanin  erneut  offensiv  vor  und  suchte 
den  linken  türkischen  Flügel  durch  weit  ausholende  Umgehungen  über  Bugar 
Korito  im  Kadibogaz  und  Salas  zum  Rückzuge  zu  zwingen,  was  nach  mehrtägigem 
Widerstände  gelang.  In  diesen  Gefechten  fiel  der  russische  Oberst  Kirijeff, 
Kommandant  der  bulgarischen  Freischaren  (S.  418).  Am  28.  Juli  warf  jedocli 
Osman  Pasa  die  Serben  energisch  über  den  Timok  und  zwang  sie  zum  Rückzug  auf 
ihre  Zajecarer  Positionen.  Am  6.  August  überschritt  der  durch  die  Vrska  Cuka 
vordringende  Brigadier  Hassan  Pasa  bei  Prlita  den  Timok,   erstürmte  Grljan  und 

F.  KANITZ,   Serbien,    li.  L'T 


418      Am  Krivi  Vir  über  Zlot,  Brestovacka  Banja,  Zajecar,  Vrska  Ciika  zur  Jasenica. 

bombardierte  das  unglückliche  Zajecar,  dessen  ausgedehnten  Schanzengürtel 
General  Lesjanins  geschwächtes  Korps  gegen  die  den  Fluss  auf  verschiedenen 
Punkten  übersetzende  türkische  Uebermacht  nicht  zu  halten  vermochte.  Vor  und 
mit  den  abziehenden  Truppen  flüchteten  die  erschreckten  Bewohner  der 
Stadt  und  ihrer  Umgebung,  welche  alle  Herden  und  leichtere  Habe  vor  den 
tscherkessischen  Räubern  zu  retten  suchten.  Viele  Häuser  wurden  nach  ihrer 
Ausplünderung  bis  auf  den  letzten  Eisennagel,  und  nachdem  Türen  und  Fenster 
ausgebrochen  worden,  angezündet.  Am  18.  August  versuchte  Leäjanin  einen 
Vorstoss  über  Jclasnica  gegen  Zajecar,  wurde  aber  von  Osman  Pasa  gegen 
Koprivnica  zurückgedrängt. 

Unter  den  mit  ihren  serbischen  Stammesbrüdern  kämpfenden  Bulgaren  und 
Russen  befanden  sich  manche  unzuverlässige,  gewiss  aber  auch  viele  von  hoher 
Uneigennützigkeit  beseelte  Elemente.  Als  Typus  dieser  letzteren  leuchtete  hervor 
jener  im  weissen  Waffenrocke  der  „heiligen  Legion"  bei  Zajecar  in  allen  schweren 
Kämpfen  heldenmütig  vorangehende  Nikolaj  Kirijeff,  der,  obgleich  von  fünf 
Gewehrkugeln  getroffen,  sterbend  noch  „Vorwärts"  rief!  Kaum  hatte  sich  das  hart 
mitgenommene  Zajecar  etwas  erholt,  brach  1883  der  Aufstand  gegen  das  Regime 
der  Naprednjaci  aus,  den  viele  seiner  Bürger  mit  Tod  oder  Gefängnis  büssen 
mussten.  Im  serbisch-bulgarischen  Kriege  1885  bildete  Zajecar  den  Stützpunkt 
des  vom  General  Lesjanin  befehligten  linken  Flügels,  welcher  am  15.  November 
von  Vrska  Cuka  den  Vormarsch  gegen  Kula  und  Vidin  begann,  infolge  der 
Ereignisse  bei  Pirot  gingen  aber  durch  den  Waffenstillstand  vom  29.  November 
die  errungenen  Vorteile  verloren,  und  am  20.  Dezember  betrat  das  Gros  des 
Timokkorps  über  Vräka  Cuka  wieder  den  heimischen  Boden. 

Mit  bewundernswerter  Regenerationskraft  erholte  sich  Zajecar  stets  von 
allen  herben  Schicksalsschlägen.  Wohl  trug  die  „Velika  Kafana",  in  der  ich  am 
20.  Oktober  1889  dasselbe  Zimmer  bezog,  welches  der  „Löwe  von  Plewna" 
bewohnte,  gleich  der  Kirche  und  einigen  Privathäusern  noch  beredte  Spuren 
tscherkessischer  Brutalität,  doch  auch  diese  verschwinden,  namentlich  durch  die 
Tätigkeit  des  „Gegenseitigen  Hilfs-  und  Sparvereins"  und  der  Sparkasse,  welche 
1895  allein  nahezu  14  Millionen  d  in  Umlauf  brachten.')  Als  ich  am  10.  August  1897 
Zajecar  zum  fünftenmal  besuchte,  fand  ich  es  durchaus  gepflastert  und  Kozlics 
Regulierungsplan  von  1889  grösstenteils  durchgeführt.  Fertig  war  die  Parkanlage, 
auf  der  Velika  pijaca  (Grosser  Marktplatz)  und  in  der  Oberstadt  strömte  das  von 
der  Kraljevica  herabgeleitete  Wasser  aus  zwei  Brunnen,  an  deren  Stelle  bald 
monumentalere  treten  sollen.  Vollendet  sah  ich  in  der  Oberstadt  das  250000  d 
kostende  Gymnasium  mit  25  Fenstern  Front  und  mit  Figuren  geschmückt,  „der 
Wissenschaft  und  dem  Vaterlande  1891  erbaut",  ferner  im  Bau  eine  40000  d 
kostende  Mädchen-Elementar-  und  Arbeitsschule.  Die  neue  Kreispräfektur  ist  nahe 
der  alten,  unscheinbaren  geplant,  wo  sich  die  Stadt  zur  entfernten  Station  der 
Timokbahn  auszudehnen  verspricht.  Mit  ihrem  lange  projektierten  Ausbau  von 
Zajecar  über  Knjazevac  nach  Nis  wird  sich  auch  die  städtische  Industrie  heben, 


')  1906  betrug  der  Umlauf  des  Hilfs-  und  Sparvereins  24,6  und  der  Sparkasse  9,4  Miil.  d. 


Am  Krivi  Vir  über  Zlot,  Brestovafka  Banja,  Zajefar,  VrSka  Cuka  zur  Jasenica.      419 

die,   von   dem   in   vielen   Häusern  fabrizierten  „Sajaktucli"  abgeseiien,   iieute   aus 
einer  Kunsfmiiiiie  und  zwei  Brauereien,   von  weichen  jene  der  1895  gegründeten 


üeneral  Milojko  Lesjanin. 


„Zajecarer   Industrie-Gesellschaft    (Milisav   Nikolic    et   Cie.)"    im    modernen    Stile 
mit  Dampfkraft  aus  serbischem  Hopfen  rationell  erzeugt. 

Zajecar  gilt  nach  Belgrad   als  die   reichste  Stadt  des  Königreichs   und  ihre 
Bewohner  den  bulgarischen  Nachbarn  an  Fleiss  und  Sparsamkeit  ebenbürtig.    1897 

27* 


420      Am  Krivi  Vir  über  Zlot,  BrestovaCka  Banja,  Zajecar,  Vrska  Cuka  zur  Jasenica. 

zählte  man  in  1250,  teilweise  hübschen  Häusern  7000  Bewohner'),  von  welchen 
etwa  360  Landbau,  230  Handel,  die  Mehrzahl  aber  Gewerbe  trieben.  Advokaten 
gab  es  nur  2,  Ärzte  6,  Geistliche  8,  Professoren,  Lehrer  31.  Unter  410  Rumänen, 
65  Slaven,  40  Deutschen,  9  Ungarn,  105  Zigeunern  usw.  bekannten  sich  nur  50 
als  Katholiken;  die  Orthodoxie  herrscht  also  hier  unumschränkt.  Im  bescheidenen 
Häuschen  neben  der  1834  geweihten  „Maria  Geburtskirche",  das  bald  ein 
würdigerer  Bau  ersetzen  soll,  residiert  der  zu  Kiew  gebildete,  noch  ganz  junge 
Melentije,  Bischof  der  Timoker  Diözese,  deren  Sitz  1886  von  Negotin  hierher 
verlegt  wurde. 

Auch  sonst  suchte  die  Regierung  Zajecar  zu  heben.  Es  ist  der  Sitz  des 
Divisionskommandos,  dessen  Chefs  General  Djuknic  und  Oberst  Vanlic  ich  für 
ihre  mir  erwiesene  Liebenswürdigkeit,  wie  nicht  minder  dem  Kreispräfekten 
Dragoljub  K.  Jovanovic,  hier  gern  nochmals  danke.  Die  59  Offiziere  der  ver- 
schiedenen Stäbe  und  in  zwei  sehr  netten  Pavillons  untergebrachten  Unteroffiziere 
und  Soldaten  der  820  Mann  starken  Garnison  tragen  viel  zur  Belebung  des 
städtischen  Verkehrs  bei,  und  namentlich  am  Todestage  des  Krajinahelden  Veljko, 
den  die  beiden  hier  stationierten  Batterien  feiern,  zieht  es  die  Stadt  hinaus  in 
das  südliche  Sommerlager.  Unmittelbar  bei  diesem  beginnt  der  den  Timok- 
Übergang  schützende,  resp.  wehrende  neue  Zajecarer  Fortsgürtel.  1897  waren  es  8, 
darunter  3  gemauerte  Schanzen,  von  welchen  2  auf  den  östlichen  und  6  auf  den 
westlichen  Höhen  auch  die  Knjazevacer  Strasse  und  künftige  Niser  Bahnlinie 
unter  Feuer  nehmen.  Letztere  läuft  von  Zajecar  in  der  Ebene,  bis  sie  vor  dem 
Vratarnicaer  Engdefilee  den  Timok  kreuzt  und  sodann,  allmählich  steigend,  über  der 
Fahrstrasse  in  ziemlicher  Höhe  traciert  erscheint. 

Wie  in  seiner  Hauptstadt  beginnen  auch  in  dem  auf  3197  km-  88  Gemeinden 
.mit  124  Orten  und  140898  Seelen  umfassenden  Timokkreise  mit  dem  Vernarben 
der  hart  empfundenen  Kriegswunden  von  1876  78  sich  jetzt  bessere  wirtschaftliche 
Verhältnisse  zu  entwickeln.  Dies  hob  auch  König  Alexander  bei  Zajecars  Besuch 
im  Juni  1900  rühmend  hervor.  Sein  ganzes  Streben  gehe  dahin,  die  das  serbische 
Volk  mit  dem  Hause  Obrenovic  verknüpfenden  Bande  unlösbar  zu  gestalten, 
äusserte  der  überall  von  der  Bevölkerung  sympathisch  begrüsste  König  auf  eine 
Ansprache  des  Gymnasialdirektors  Nestorovic,  welcher  das  Schwinden  des  Partei- 
haders und  Streben  nach  Kulturfortschritt  betonte.  In  Wahrheit  hebt  sich, 
obgleich  der  Kreis  nur  massig  bevölkert  —  im  Boljevacer  Bezirke  kommen 
20 — 30,  im  Zajecarer,  Zaglavaker  43—55  und  nur  im  Timoker  50—62  Seelen 
auf  den  km  -  —  wie  ich  1897  selbst  bemerken  konnte,  der  Wohlstand  auffällig.  Die 
zahlreich  dort  siedelnden  Bulgarenstämmlinge,  welche  früher  das  Bauhandwerk 
und  Verarbeiten  der  Ziegenwolle  nahezu  ausschliesslich  betrieben,  nahmen  grossen 
Einfluss  auf  die  Hebung  der  Landwirtschaft.  In  wenigen  Gebieten  des  Königreichs 
werden  so  viele  Gemüse  gepflanzt,  die  Obst-  und  Weinzucht  so  gepflegt,  wie 
hier,  wozu  auch  die  im  Osten  günstigen  Boden-  und  Klimaverhältnisse  mitwirken. 
Die   Temperatur    beträgt   im    Februar   durchschnittlich    12"   und    im  Juli   35»   C. 


')  Nach  der  Zählung  von  1905  hat  Zajecar  1426  Häuser  mit  7760  Einwohnern. 


Am  Krivi  Vir  über  Zlot.  Brestovaöka  Banja,  Zajeöar,  VrSka  Ciika  zur  Jasenica.      421 

Selbst  am  Siidhange  des  felsigen  Stos  gibt  es  fruchtbares  Terrain,  und  die  sonnigen 
Vrbicaer  Höhen  reifen  den  berühmten  Krajinaer  Wein.  Auch  den  Wald  fand  ich 
im  Westen  ziemlich  gut  erhalten;  auf  der  Ivanova  Livada  des  Balkangebietes  sah 
ich  noch  schöne  Buchen-  und  Eichenforste,  alte  Ahorne,  kräftige  Eschen,  Sperber- 
bäume usw.  Namentlich  begünstigt  das  prächtige  Wiesenweideland  im  Boljevacer 
Bezirke  die  Viehzucht.  Dort  kommen  über  320  Nutztiere  auf  100  Seelen,  im 
Zajecarer  255,  im  Timok-  und  Zaglavaker  250—290  auf  100  Bewohner.  1905 
zählte  man  im  ganzen  Kreise:  7768  Pferde,  45100  Rinder,  33771  Schweine, 
238509  Schafe,  44173  Ziegen,  8997  Bienenstöcke  usw. 

Über  den  Feldbau  des  stark  vergrösserten,  in  seiner  Begrenzung  seit  1893 
total  veränderten  Kreises  vermag  ich  wegen  mangelnder  neuerer  Daten  keine 
speziellen  Nachweise  zu  geben');  doch  ist  auch  sein  stetiger  Fortschritt  unverkennbar, 
obgleich  allgemein,  namentlich  in  der  Umgebung  von  Zajecar,  das  „delimo  se" 
(teilen  wir)  um  sich  greift.  Die  Zahl  der  getrennt  wirtschaftenden  Söhne  überragt 
die  in  der  Zadruga  (Kommunion)  verbliebenen,  doch  findet  man  in  der  Crna  Reka 
weniger  verschuldete  Bauern  als  in  der  Sumadija.  Der  durch  das  bulgarische 
Beispiel  oder  Blut  vererbte  Fleiss  lässt  auf  dem  durchschnittlich  gut  lohnenden 
Boden  auch  kleinere  Anwesen  gedeihen,  und  der  allgemeine  Wohlstand  tritt  schon 
in  der  reichgestickten  Tracht,  durch  Goldmünzen  und  sonstigen  Schmuck  hervor, 
mit  welchen  die  Landmädchen  bei  festlichen  Anlässen  in  den  nach  bulgarischer 
Weise  getanzten  „Oro"  treten.  Wenig  gefällig  sehen  die  ordinären  Wollchignons 
des  Kopfputzes  der  verheirateten  Frauen  um  Veliki  Izvor  aus;  schön  dagegen  die 
hellgelbe  Abatuchtracht  der  dortigen  Männer,  deren  kräftiger  Körperbau  das 
Auge  erfreut. 

Den  Timok-Serben  rühmt  Milicevic  nach,  dass  ihre  an  den  südlichen  Dialekt 
mahnende  Sprache  grammatikalisch  reiner  als  jene  an  der  Morava  klinge.  Im 
ersten  Augenblicke  mag  dies  schon  deshalb  überraschen,  weil  dort  Serben  mit 
Bulgaren  und  Walachen  bunt  gemengt  wohnen.  Es  erklärt  sich  aber  ganz  einfach, 
weil  die  Serben  am  Krivovirski  Timok  aufwärts  zum  Cestobrodica-Passe  —  wie  ich 
dort  schon  wiederholt  hörte  —  erst  vor  kaum  150  Jahren  aus  Stara  Srbija 
(Altserbien)  einwanderten  und  —  wie  ich  mich  persönlich  überzeugte  —  noch  die 
Namen  ihrer  Stammorte,  ihres  „pleme"  (Stammes)  usw.  traditionell  bewahren.  Bis 
vor  kurzem  wurde  sogar  die  altserbische  gunja,  dolama  getragen  und  die  Lieder  von 
der  Kosovoschlacht  mehr  als  in  den  nördlichen  Teilen  des  Königreichs  gesungen! 


Am  21.  Oktobermorgen  begrüssten  mich  die  Zajeöarer  Professoren  und  lasen 
mir  den  im  „Timocanin"  erschienenen  Artikel  vor,  der  mich  in  der  Crna  Reka 
und  Krajina  herzlich  willkommen  hiess.  Ich  dankte  ihnen  und  dem  Nacelnik 
aufrichtig  für  die  mir  zum  Abschied  unausgesetzt  gewidmete  Aufmerksamkeit  und 


■)  Die  bebaute  Fläche  betrug  1906  in  ha:  mit  Mais  38318,  Weizen  18701,  Roggen  5640, 
Gerste  10958,  Hafer  28229,  Gemüse  1658.  Weiter  waren  unter  Wiesen  und  Weiden  21  119, 
Obstgärten  3197  und  Weingärten  3125  ha. 


422      Am  Krivi  Vir  über  Zlot,  BrestovaJka  Banja,  ZajeCar,  Vrska  Cuka  zur  Jasenica. 

fuhr  sodann  mit  dem  Bahninspektor  Jan  Jiracek  zum  Kohlenwerk  auf  der  Vräka 
Cuka,  von  der  ich  nachmittags,  auf  freundliche  Einladung  des  Generalstabschefs 
Miäkovic,  den  für  ihn  vorbereiteten  Train  nach  Radujevac  benutzen  sollte. 

Am  „Bremsberg"  angelangt,  bestiegen  wir  eine  Lori,  auf  die  russige 
Gesellen  eine  primitive  Bank  stellten,  und  sofort  ging  es,  gezogen  von  der 
kleinen  Lokomotive  „Natalija",  auf  der  dem  Steilfelsrand  abgerungenen  schlangen- 
förmigen  Schienentrace  zum  Kohlenbau  im  Bujkovski  potok.  Als  ich  das 
begreifliche  erste  Bangen  überwunden  und  mich  an  das  Hinabblicken  von  dem 
oft  hart  am  Abstürze  sich  bewegenden  geländerlosen,  schwankenden  Vehikel 
gewöhnt,  übte  die  wildromantische  Schlucht  mit  ihrer  tief  unten,  über  den 
Häuschen  von  Prlita  auf  dem  Felsenkopf  „Barba  ros"  erscheinenden  Ruine 
eines  Römerkastells,  das  den  Durchzug  im  Prlitski  potok  nach  dem  östlichen 
Bononia  hütete,  mächtige  Wirkung.  Unfern  lag  eine  vorgeschichtliche  Nieder- 
lassung mit  primitiven,  schüsselartigen,  1  —  1,5  m  tiefen,  3  m  breiten  und  kleineren 
Gruben,  in  welchen  man  Schädel  und  Knochen  vom  Schaf,  Schwein  und  Reh, 
ein-  und  zweischneidige  Messer  von  Eisen  und  Bronze,  Armringe,  Tonscherben  usw. 
fand.')  Auch  viele  antike  Münzen  der  Prlitaer  hübschen  Walachenfrauen  stammen, 
wie  ich  am  Orte  hörte,  aus  dieser  archäologisch  interessanten,  weiterer  Erforschung 
harrenden  Lokalität.  Die  Fortsetzung  des  hier  abzweigenden  wichtigen  Römer- 
wegs über  das  bulgarische  Städtchen  Kula  nach  dem  stark  befestigten  Bononia 
(Vidin)  und  die  Römerreste  an  beiden  Punkten  schilderte  ich  in  meinem 
„Donau-Bulgarien  und  der  Balkan"  (II.  Auflage,  Bd.  1,  S.  14  und  57). 

In  der  Felspartie  südlich  von  Prlita  befindet  sich  eine  Höhle,  die  wahr- 
scheinlich mit  der  südwestlichen  „Funija"  zusammenhängt,  deren  prächtige 
hellweisse  Wände  und  Stalaktiten  mein  Begleiter  enthusiastisch  rühmte.  Östlicher 
liegt  die  serbisch-bulgarische  Grenz- Quarantäne,  und  über  dem  unten  laut  hin- 
brausenden Bujkovski  potok  erscheint  die  739  m  hohe  Vr§ka  Cuka,  deren  von 
vielen  vrtace  (Dohnen)  durchzogenes  Plateau  fünf  terrassenförmige  prähistorische 
Steinumwallungen  erkennen  lässt  und  später  ein  römisches  Observatorium  trug. 
Man  fand  hier  Reste  eines  gemauerten  Brunnens,  Silbermünzen  aus  dem  vierten 
und  fünften  Jahrhundert,  keramische  Fragmente,  Schlacken  usw. 

Qualmend  und  pustend  eilte  unsere  kleine  Lokomotive  am  rechtsseitigen, 
pittoresk  zerrissenen  Felshange  stetig  vorwärts.  Endlich  ein  schriller  Pfiff  und 
wir  hielten  im  Zentrum  des  262  Felder  umfassenden,  der  „L'industrielle  Serbe", 
oder  präziser:  der  hauptbeteiligten  Brüsseler  „Societe  generale"  auf  50  Jahre 
überlassenen  Liaskohlenwerks.  Es  unterscheidet  sich  wenig  von  derartigen 
belgischen  Anlagen,  erhielt  jedoch  sofort  nach  der  Eröffnung  im  September  1888 
sein  Lokalkolorit  durch  die  Ermordung  des  Kassierers  Destraz,  dessen  Tresor  und 
Wohnung  rein  ausgeplündert  wurden.  Ich  weiss  nicht,  ob  sich  ein  Nachfolger 
für  diese  lockende  Stellung  bald  fand.  Uns  begrüsste  Mr.  Jules  Potier, 
„Ingönieur-directeur  de  charbonnage  de  la  Cuka",  in  seinem  aus  gewalztem  Eisen- 
blech hergestellten,   mehrere   Räume   enthaltenden   belgischen  Hause,   das   er  mit 


')  Mitt.  d.  Anthrop.  Ges.  in  Wien,  Bd.  19,  S   14. 


Am  Krivi  Vir  über  Zlot,  Brestovacka  Banja,  Zajetar,  V'rSka  Cuka  zur  Jascnica.      423 

dem  allen  Kranzosen  eigenen  Geschick  sicli  wohnlicli  eingericiitet.  Wer  mir 
gesagt  hätte,  als  ich  187Ü  im  türkischen  Grenzblockhaus  übernachtete,  ich 
werde  nach  kurzer  Zeitspanne  auf  der  Vräka  Cuka  ein  Kohlenwerk,  eine  Eisen- 
bahn, ein  komfortables  Haus  und  selbst  eine  kleine  französische  technische 
Bibliothek  finden! 

Diese  hier  0,5  —  25  ni  im  mit  einer  Sandschicht  überdeckten  Tonschiefer 
anstehende  Liaskohle  ist  nach  dem  Bergingenieur  Götting  (1887)  rein,  fest,  von 
koksartigeni  Aussehen  und  grösstenteils  frei  von  Zwischenmitteln  und  nur  ver- 
unreinigt durch  grössere  Schwefelkiesknollen  von  linsenartiger  Form.  Feinere, 
schnürenförmige  Kieseinlagerungen  fehlen  gänzlich.  Der  geringe  Stückkohlenfall 
erheischte  die  Einrichtung  einer  Brikettfabrik  am  Verladepiatz  II.  Die  Stückkohle 
mag  gegen  die  Feinkohle  höchstens  15 ";o  betragen,  der  Qualität  nach  ist  sie 
ausgesprochen  mager  mit  C  82"'o,  H  =—  13"/„,  2— 5%  Asche  und  ganz  belang- 
losen Schwefelkies.  Den  geologischen  Horizont  der  produktiven  Liasschichten 
charakterisieren  die  Fossilien:  Pholadomya  ambigua,  Beleninites  giganteus  und 
canaliculatus,  ferner  Hamites  rigulus,  Hamites  banaticus  und  Faeniopteris  steno- 
neura  in  den  Hangendschichten,  Pflanzenreste  sind  spärlich  vertreten.  Ob  diese 
Steinkohlenflöze  mit  den  jenseitigen  der  bulgarischen  Sto-Vorberge,  welche 
„Walchia  piniformis"  u.  a.  enthalten,  korrespondieren,  ist  nicht  erwiesen;  wäre 
es  der  Fall,  Messe  dies  auf  grössere  Kohlenlager  auch  am  bulgarischen  Vrska 
Cuka-Hange  schliessen  und  forderte  zu  seiner  eingehenderen  Untersuchung 
gegen  Sv.  Trojica  auf.  Das  Hauptflöz  ist  gegenwärtig  durch  drei,  je  30  ni 
übereinander  liegende  Schächte  und  über  3000  m  lange  Galerien  aufgeschlossen 
und  repräsentiert  bei  113150  m^  Fläche,  unter  Zugrundelegung  einer  durchschnitt- 
lichen Mächtigkeit  von  6  m,  ein  abzubauendes  Kohlenquantum  von  678900  m" 
ä  1,25  Tonnen  ==  848650  Tonnen.  Dabei  ist  der  Aufschluss  der  Teufe  durch 
einen  40  m  tiefen  flachen  Schacht,  welcher  in  der  Flözebene  abgesunken  ist, 
nicht  in  Rechnung  gezogen,  ebensowenig  diejenigen  Schürfarbeiten,  welche  südlich 
Avramov  potok  andere  abhauwürdige  Kohlenflöze  von  2 — 3  m  Mächtigkeit 
nachgewiesen  haben.  Es  unterliegt  keiner  Frage,  dass  allein  der  jetzige  Aus- 
richtungsbau bei  den  günstigen  lokalen  Verhältnissen  einen  stollenmässigen  Abbau 
für  Jahrzehnte  hindurch  sichert  und  einen  Tiefbau  zunächst  entbehrlich  macht. 

Die  Absatzfähigkeit  des  Donaugebietes  ist  eine  grosse  für  gute  Steinkohle, 
die  Preise  entsprechend  hohe,  ja  zum  Teil  enorme.  Die  englische  Kohle  kostet  in 
den  Donauhäfen  durchschnittlich  35 — 40  Franken  per  Tonne  und  wird  schon  jetzt 
im  unteren  Rumänien  viel  begehrt.  Für  den  Export  der  Vr§ka  Cuka-Kohle  wäre 
es  allerdings  erwünscht  gewesen,  falls  sich,  wie  es  der  erste  Konzessionär  Bankier 
BruU  in  Budapest  geplant,  die  nur  46  km  lange  Bahn  über  Kula  durch  sanft- 
gewelltes Land  nach  Vidin  hätte  verwirklichen  lassen.  Die  Gestehungskosten  mit 
2  d  per  Tonne  am  Orte  würden  gestattet  haben,  sie  im  Vidiner  Donauhafen  mit 
22  d  abzugeben.  Die  bulgarische  Regierung  verweigerte  jedoch  die  Konzession. 
So  waren  die  Belgier  zur  Anlage  einer  kostspieligen  Seilbahn  zum  tiefliegenden 
Viaski  Do  und  der  80  km  langen  schwierigen  Timok-Uferbahn  mit  0,76  m 
Spurweite    zur    Radujevacer    Brikettfabrik    gezwungen,    was     die    Frachtkosten 


424      Am  Krivi  \'ir  über  Zlot,  Brestovafka  Banja,  Zajecar,  Vräka  Cuka  zur  Jasenica 

bedeutend  erhöhte  und  ihr  die  Konkurrenz  mit  der  liiliifj;en  enghschen  Kohle 
nahezu  unmöghcii  macht. 

Bei  dem  von  Mr.  Putier  rasch  improvisierten  Dejeuner  tranken  wir  auf  das 
Gedeihen  des  jungen  Unternehmens  und  seiner  occidentalen  Leiter.  Heil  wieder 
am  Bremsberg  angelangt,  bewunderte  ich  die  sohde  Ausführung  der  am  18.  Oktober 
1888  mit  der  ganzen  Linie  eröffneten  Seilbahn,  auf  der  wir  sicher  in  die  Ebene 
hinabrollten.  Bei  der  ohne  Unterkunftshalle,  nur  durch  die  Tafel  „1.  Viaski  Do, 
km  70"  markierten  Haltestelle  für  Zajecar  erwartete  bereits  die  Generalstabs- 
kommission  in  einem  rasch  unserem  Kohlenzug  angehängten  Miniatur-Salonwagen 
unsere  Ankunft.  Als  Fahrgäste  schrieben  wir,  dem  eingeführten  Brauche  gemäss 
—  die  Bahn  hat  keinen  konzessionierten  Personenverkehr  —  unsere  Namen  in 
das  vom  Ingenieur  Jiracek  vorgelegte  Buch,  erhielten  eine  „podvozna  karta" 
(Fahrbillett),  worauf  sich  der  lange  Lorentrain  in  Bewegung  setzte.  Seine  zur  zweiten 
Station  „Cefalov  Do"  und  auch  weiter  eingehaltene  Omnibusschnelle  begünstigte 
unsere  verschieden  gearteten  Arbeiten.  Generalstabschef  Miskovic  und  Divisions- 
kommandant Magdalenic  brachten  fleissig  Notizen  über  das  bulgarische  Ufer  in 
Karte.  Die  Pausen  an  uninteressanten  Partien  kürzte  Major  Dragomir  Vuckovic 
mit  Anekdoten  und  Witzen,  die  selbst  den  ernsten  Genieobersten  Svetozar  Ljocic 
oft  lachen  machten.  Zeitweilig  folgt  dann  eine  stets  dankbar  aufgenommene 
Erquickung    aus    dem    militärischen    Negotiner   Flaschenkeller    und   Imbissvorrate. 

Mich,  den  Laien,  setzte  während  der  unterhaltenden  Fahrt  nichts  so  sehr 
in  Erstaunen,  als  die  Bahntrace,  welche,  unausgesetzt  dem  schlangenartigen 
Timoklaufe  hart  am  Ufer  auf  Pistolenschussweite  folgend,  den  ganzen  Betrieb  vom 
Belieben  der  bulgarischen  Nachbarn  auf  dem  höheren  Rechtsufer  abhängig  macht! 
Vom  Bremsberge  zieht  die  den  vereinigten  Timok  hinter  Veliki  Izvor  kreuzende 
Trace  geradlinig  nur  16  km  bis  Vrazogrnac.  Dort  beginnen  aber  die  Kurven  von 
unglaublich  kleinem  Durchmesser,  und  an  der  „Ljuta  Stena",  deren  Glimmerschiefer 
bohnengrosse  Granaten  birgt,  mussten  sie  den  vom  Flusse  bespülten  Steilhängen 
mühsam  abgerungen  werden.  Die  folgenden,  stetig  wechselnden  Tonschiefer-  und 
Kalkwände  erforderten  gleichfalls  viele  kostspielige  Sprengungen  und  bei  km  49,5 
einen  162  m  langen  Tunnel.  Die  Trace  liegt  durchschnittlich  6  m  über  dem 
Hochwasserniveau  des  an  vielen  Stellen  malerische  Kaskaden  bildenden  Flusses. 
Fortwährend  wechseln  herrlichste  Prospekte,  welche  einzelne  kleine  Mahlwerke, 
Wachhäuser,  kleine  Wasserstationen  und  allerorts  auf  den  Höhen  erscheinende 
Rebenkulturen  beleben. 

Die  grellbeleuchtete,  oben  Laubwald  tragende,  unten  nackte  Felsenwand 
Golubovac  hebt  sich  prächtig  vom  in  tiefen  Schatten  gehüllten  bulgarischen  Ufer 
ab.  Der  Train  windet  sich  durch  eine  nur  60  m  breite  Kurve,  und  gleich  darauf 
tritt  der  pittoreske  „Kaludjerski  Rt"  mit  der  Ruine  einer  „latinska  crkva" 
(Kastell?)  in  Sicht.  Eine  dritte,  etwas  grössere  Kurve  bringt  uns  dem  bulgarischen 
Gradskov  gegenüber,  zum  romantischen  „Sokolov  Kamen",  an  dessen  Fuss 
zwischen  Felsen  und  Bäumen  steckende  Mauern  erscheinen. 

Im  nächsten,  sehr  primitiven  Wächterhäuschen  warteten  unser  verschiedene 
Überraschungen:  ein  Telephon,  das  sofort  zur  Wagenbestellung  in  Negotin  benutzt 


Am  Krivi  Vir  über  Zlot,  BrestovaCka  Banja,  Zajciar,  VrSka  Cuka  zur  Jasenica       425 

wurde,  eine  gebratene  Ente,  in  die  wir  stehenden  Fusses  uns  teilten,  aromatischer 
Wein  und  Kaffee,  welche  treffliche  Zigaretten  würzten,  endlich  frischgepflückte 
Veilchen,  die  wir  zur  Erinnerung  an  diesen  sonnig-blauenden  Oktobertag  dankbar 
von  der  freundlichen  Landsmännin  entgegennahmen.  Unsere  gute  Laune  war  kaum 
mehr  einer  Steigerung  fähig.  Wäre  es  mir  nur  halb  so  gut  ergangen,  als  ich 
1862,  1864  und  1870  die  jenseitige,  durch  räuberische  Tscherkessen  unsicher 
gemachte  bulgarische  Hochterrasse  erforschte. 

Die  Karaulpanduren  der  nahen  „Straza"  salutierten.  Aufmerksam  verfolgt 
von  den  Soldaten  der  jenseitigen  bulgarischen  Grenzkaraula,  glitt  unser  Zug 
langsam  unter  dem  Hange  der  Jasikovacer  Weinberge  erneut  vorwärts.  Wir 
durchschnitten  einen  bis  zum  Flusse  herabziehenden  Eichenwald,  und  nun  gingen 
die  abwechselnd  von*  der  dies-  oder  jenseitigen  320  m  hohen  Uferterrasse 
vorgeschobenen  kultivierten  Sporne  zu  breiterer,  die  Bahnanlage  erleichternder 
Talbildung  über.  Der  Flussstrich  riss  und  trägt  fortwährend,  die  Bahnanlage 
gefährdend,  bedeutende  Stücke  fruchtbaren  Bodens  vom  serbischen  zum  rechten 
Ufer,  wo  sie  sofort  von  den  Bulgaren  bepflanzt  werden,  was  zu  nutzlosen  Reibungen 
führt.  Nur  noch  eine  kurze,  etwas  gefährliche  Kurve  hart  vor  dem  ein  Römerkastell 
von  60  m  Durchmesser  tragenden  „Tabakovacko  Brdo",  in  dessen  Nähe  der 
Tonschiefer  am  Sinji  Vir  bei  der  Krivobarska  Straza  goldführend  ist,  und 
weiter  ging  es,  vorbei  an  zwei  von  mächtigen  Zitterpappeln  umrahmten  Mühlen 
und  Tamnic,  das  sich  durch  eine  prächtige  byzantinische  Kuppelkirche  schmücken 
will,  zu  Brusniks  Rebengärten,  deren  köstliches  Produkt  sich  auf  der  Ausstellung 
in  Bordeaux  die  goldene  Medaille  und  viele  französische  Kunden  errang. 

Von  km  30  verflacht  sich  das  Terrain  fortwährend.  Bei  einer  Ziegelei  biegt 
die  Trace  nach  dem  durch  eine  Maria  Himmelfahrts-Kirche  mit  hohem  Turm 
ausgezeichneten  reichen  Rajac  ab,  umgeht  sodann  dessen  links  bleibende 
Zavetina-Ulme,  wegen  deren  geplanter  Beseitigung  die  Bahningenieure  von  den 
erbitterten  Bauern  lebensgefährlich  bedroht  wurden,  und  berührt  die  geschätzten 
Leithakalkbrüche  bei  Bljuvanovac ').  Bei  der  Haltestelle  „Romanov  most"  über  die 
Sikolska  reka  bestiegen  meine  militärischen  Reisegefährten  gegenüber  der  seit  1886 
bulgarischerseits  vertragsmässig  Serbien  zugesprochenen  Bregova-lnsel  die  tele- 
phonisch bestellten  Wagen  von  Negotin,  um  es  über  Bukovce  rascher  zu  erreichen. 
Ich  rollte  aber  durch  die  topfebene  Fläche  behaglich  weiter  nach  der  Kopfstation 
Radujevac,  die  ich  1887  im  Werdezustande  getroffen  und  jetzt  „en  plein  travail" 
wiedersehen  wollte..  Ein  Bahnbediensteter  leuchtete  uns  zur  „Grand  Hotel" 
getauften  Kantine,  die  eine  spekulative  Banaterin  auf  einer  der  Schanzen  Heiduck 
Veljkos  zum  Frommen  der  polyglotten  Beamtenschaft  etabliert  hatte.  Maschinen- 
ingenieure, Werk-  und  Buchführer  aus. Österreich,  Deutschland,  Belgien  und  der 
Schweiz  teilten  mit  uns  das  international  gehaltene  Table  d'hote.  Die  Unterhaltung 
gestaltete  sich  sehr  kollegial  und  anregend.  Erst  in  später  Stunde  geleitete  mich 
Herr  Jiracek  durch  hochgeschichtete  Schwellen-  und  Briketthaufen  zum  Hause 
des  abwesenden  Direktors,  in  dessen  wohnlicher  Fremdenstube  ich  lange  entbehrten 
Komfort  fand. 

')  Seit  1899  heisst  dieser  Ort  Veljkovo. 


42fi      Am  Krivi  Vir  über  Zlot,  Brestovacka  Banja,  Zajecar,  Vrska  Cuka  zur  Jasenica. 

Am  nächsten  Morgen  besichtigte  ich  die  hart  am  Donauufer  in  grossem 
Massstab  angelegte  Brikettfabrii<.  Eine  Dampfmaschine  mit  150  Pferdekräften 
und  wenige  Arbeiter  besorgten  in  diesem  interessanten  Teile  des  ausgedehnten 
Etablissements  die  vielen  komplizierten  Vorarbeiten,  bis  die  durchfeuchtete  Kohlen- 
niasse,  durch  den  sinnreich  konstruierten  Apparat  „No.  47  Systeme  F.  Couffenhal 
von  Bietrix  et  Cie.  in  St.  Etienne"  laufend,  aus  den  eisernen  Formen  als  gestempelte 
Briketts  traten,  um  in  die  weiten  Lufttrockenräume  befördert  zu  werden,  aus 
welchen  sie  in  die  nahen  Magazine,  oder  wenn  deren  Vorräte  erschöpft,  sofort 
in  die  auf  Ladung  wartenden  Schiffe  wanderten.  Die  ganz  nach  belgischem  Muster 
angelegte  Fabrik  samt  den  für  Wohn-  und  Geschäftszwecke  eingerichteten,  nur 
6000  Franken  per  Stück  kostenden  Häusern  von  gewalztem  Blech,  die  Remisen  für 
Lokomotive,  Arbeiterbaracken  mit  dazwischen  eingeschobenen,  auf  vielen  Geleisen 


3    ■•" 

Belgische  Kohlen-Brikettfabrik  zu  Radujevac. 


ihrer  Entladung  wartenden  Lorireihen  machten  guten  Eindruck.  Trotzdem  drängte 
sich  mir  schon  damals  der  Gedanke  auf,  dass  die  Wahl  des  Punktes  für 
dieses  kostspielige  Etablissement  an  der  Mündung  der  Jasenica  eine  unglückliche 
sei.  Wie  konnte  man  so  grosse  Kapitalien  auf  einem  Terrain  verbauen,  das 
erfahrungsgemäss  nahezu  alljährlich  durch  diesen  Bach  und  das  Donau-Hochwasser 
mundiert  wird.  Gleich  1889  wurden  alle  Gebäude  überschwemmt  und  5000 
aufgestapelte  Schwellen  von  den  Fluten  fortgetragen.  1891  förderte  man  aus  der 
Vr§ka  Cuka  wohl  20434  Tonnen  Kohle,  die  auf  die  tägliche  Lieferung  von  800  q 
eingerichtete  Brikettfabrik  beschäftigte  jedoch  nur  höchstens  mit  dem  Bahnbetriebe 
250  Arbeiter.  Die  Belgier  versprachen .  sich  aber  bessere  Resultate  für  die 
Zukunft,  die  sich  aber  bis  heute  nicht  erfüllten. 

Als  ich  am  8.  August  1897  das  Radujevacer  Etablissement  der  von  Viktor 
Stoclet  in  Brüssel  präsidierten  „Srpsko  industrijsko  drustvo"  wieder  besuchte,  fand 
ich  es  unter  dem  Drucke  der  durch  den  Pontus  den  Donauländern  zuströmenden 
billigen  englischen  Kohle  nur  schwach  arbeitend.  Nach  viermaligem  Direktor- 
wechsel  leitet   es   seit   1894   der  tätige  belgische  Bergingenieur  Tanuel   mit   dem 


Am  Krivi  Vir  über  Zlot,  Brestnvacka  Ranja,  Zajecar,  VrSka  Cuka  zur  Jasenica.      427 

Sekretär  Jean  Zeimet  aus  Luxemburg  und  dem  Buchführer  Svetislav  Jovanovic. 
Bergingenieur  Auguste  Battard  überwacht  die  Minenarbeiten  auf  der  Vrska  Cuka, 
wo,  seit  die  JuHa-Galerie,  die  Nataiia-  und  Barbaraschächte  ziemlich  erschöpft, 
nur  120  Knappen  die  starken  Augusta-  und  Katharinagruben  ausbeuten.  Den 
Transport  besorgen  fünf  Lokomotiven  mit  80  Loren,  zwei  gedeckten  Warenwaggons 
und  zwei  Salonwagen.  Die  Tischler-  und  Schmiedewerkstätten  besitzen  eine 
Lokomobile  von  20  Pferdekräften,  drei  Drehbänke,  eine  Schneide-  und  eine 
Hobelmaschine,  ein  Dynamo  für  Beleuchtung  von  Siemens  &  Halske;  die  Brikettfabrik 
verfügt  über  eine  Lokomobile  von  60  Pferdekräften,  zwei  neue  Bulettepressen 
und  drei  Denayerkessel.  Die  Fabrik  vermag  täglich  170  Tonnen  Briketts  zu 
erzeugen,  die  sich  an  ihrer  Donaustation  auf  19  d  per  Tonne,  in  der  Belgrader 
Hauptagentur  Felix  Kohn  aber  durch  die  teuere  Fracht  um  7  bis  7.50  d  (exklusive 
Ausladespesen)  höher  stellen.  Dies  erklärt  wohl,  dass  1896  nur  8000  und  1897 
kaum  mehr  als  12000  Tonnen  abgingen,  und  dass  die  stets  bedeutenden  Vorräte 
den  flotten  Betrieb  beeinträchtigen.  Durch  den  mit  Rumänien  abzuschliessenden 
Handelsvertrag  hofft  man  —  ich  fürchte  vergeblich  —  die  Chancen  für  den 
Brikettabsatz  zu  bessern. 

Den  anfänglich  grossen  Administrationsapparat  fand  ich  bedeutend  vereinfacht. 
Unabänderlich  verhindert  aber  die  Rentabilität  des  Unternehmens  die  getroffene 
schlechte  Wahl  der  Donau-Kopfstation  und  ihrer  Verbindung  mit  der  Vrska  Cuka- 
Mine.  Das  Konsortium  hätte  unbedingt  noch  vor  Beginn  ihres  Betriebs  die 
Konzession  einer  normalspurigen  Bahnlinie  Negotin —  Zajecar  — Knjazevac  —  Ni§ 
anstreben  sollen,  die  Brikettstation  auf  einem  Wassergefahr  nicht  ausgesetzten 
Punkte,  etwa  in  Kusjak,  anlegen  und  sich  durch  eigene  Remorköre  und 
Schleppkonvois  von  fremden  Gesellschaften  unabhängig  machen  müssen,  wollte 
es  die  Hoffnungen  der  Aktionäre  verwirklichen. 


XV. 

über  Radujevac,  Negotin,  den  Deli  Jovan 

und  Donji  Milanovac  auf  den  Miroc. 

Von  Brza  Palanka  über  Vratna,  Bukovo,   Prahovo   zur 

Timokmündung. 


WENIGE  grossere  Orte  des  Küiiigreichs  blieben  in  ihrer  äusseren  Erscineinung 
gleich  unverändert  wie  Radujevac.  Obschon  2320  Seelen  in  470  Häusern 
zählend'),  zeigte  der  Ort  1897  bis  auf  einen  Leseverein  und  eine  bessere  Mehana 
alles  genau  wie  bei  meinen  früheren,  bis  1860  zurückgehenden  Besuchen.  Dieselben 
wenig  anmutenden  walachischen  Gehöfte  der  endlosen,  staubigen  Hauptstrasse 
mit  grossen  Pfützen,  in  welchen  Enten  und  Gänse  lustig  umherplätscherten;  selten 
ein  besseres  Häuschen  mit  einem  Laden  oder  Speditionsbureau. 

Vor  dem  Auftreten  der  Phyllo.xera  herrschte  im  Herbst  auf  dem  unreguliert 
belassenen  Donaustrande  vor  dem  Zollamt  und  am  Dampferlandeplatz  reges 
Treiben.  Fremde  Agenten,  Kaufleute,  mit  dem  edlen  Negotiner  Nass  beladene 
walachische  Bauerngefährte  stauten  sich  da  oft  zum  scheinbar  unentwirrbaren 
Knäuel.  Das  war  die  goldene  Zeit  für  das  den  Hauptexporthafen  für  die  Krajina 
bildende  Radujevac.  in  Tausenden  von  Fässern  strömten  dort  die  frisch  gekelterten 
Überschüsse  der  weinreichen  Umgebung  zusammen.  Nun  sucht  man  einigen 
Ersatz  im  vermehrten  Bau  von  Mais,  der  hier  so  vorzüglich  gedeiht,  dass  bei 
Rajac  30  Ar  zur  Ernährung  einer  Familie  genügen.  Bedeutende  Getreideüber- 
schüsse der  Krajina  werden  exportiert,  was  ihren  Wohlstand  rascher  heben  müsste, 
würde  dort  nicht  die  Lockerung  der  Hauskommunion  mehr  noch  als  in  den 
Nachbarkreisen  fortschreiten.  Die  Leichtigkeit,  an  der  Donau  durch  Holzhandel, 
Waldarbeit,  Fischfang  usw.  auch  einzeln  seinen  Lebensbedarf  zu  gewinnen,  führt 
zu  häufigem  Verlassen  des  Elternhauses, 

Trotzdem  hob  sich  der  Export  so  stark,  dass  auch  die  russische  Schwarze- 
Meer-Dampfschiffahrtsgesellschaft  zu  Radujevac  eine  Station  errichtete,  welche 
aber  im  März  1900  zu  einem  scharfen  Konflikt  mit  der  serbischen  Behörde 
führte,  weil  letztere  die  Anlage  der  Geschäftsstelle  und  Landungsbrücke  an  einem 

')  1905  zählte  dieser  Ort  in  491   Häusern  2737  Einwohner. 


4^0  (Ibcr  Radujevac,  Negotin,  den  Deli  Jovan  usw.  auf  den  Miroc. 

Orte  bestimmte,  der  die  Löschung  der  Frachten  erheblich  verteuert  hätte.  Durch 
das  Eingreifen  der  russischen  Gesandtschaft  wurde  jedoch  diese  Verfügung,  als 
Serbiens  Beziehungen  zum  Zarenhofe  freundlicher  sich  gestalteten,  annulliert. 

Von  Radujevac  führt  eine  ziemlich  geradlinige  Strasse  SW.  nach  dem  kaum 
13  km  fernen  Negotin.  Die  Stadt  liegt  in  einer  ehemals  dem  Donaubett 
angehörenden,  stark  sumpfigen  Ebene,  deren  tuffartigen,  petrefaktenreichen  Kalk- 
stein eine  ungemein  fruchtbare  starke  Humusschicht  bedeckt.  Oft  forscht  man 
vergebens  nach  den  Ursachen,  weshalb  manche  ältere  Strassenzüge  statt  in  die 
Täler  auf  unwirtliche  Gebirge  verlegt  wurden,  und  ebenso  gelang  es  mir  nicht, 
die  Gründe  aufzufinden,  weshalb  Fürst  Milos,  der  so  manche  Stadt  von  der  alten 
Stelle  gerückt,  gerade  die  Hauptstadt  der  Krajina  an  ihrer  Stätte  beliess,  obschon 
sie  gutes  Trinkwasser  entbehrt  und  ganz  nahe  sich  1700  Hektar  bedeckende 
Sümpfe  ausdehnen.  1858  dachte  er  ernstlich  daran,  ohne  Rücksicht  auf  Negotins 
Hausbesitzer,  den  Kreissitz  an  die  Donau  zu  verlegen,  kam  jedoch  davon  ab, 
und  seither  entwickelten  dort  Private  und  auch  die  Regierung  eine  so  nachhaltige 
Baulust,  dass  der  Gedanke  wohl  für  immer  undurchführbar  bleibt. 

Wie  entstand  Negotin?  Zu  Beginn  des  18.  Jahrhunderts  gab  es  auf  seinem 
Terrain  nur  eine  nach  dem  Besitzer  „Negota"  genannte  grosse  Sennerei.  Da 
ringsum  kein  grösserer  Ort,  siedelten  sich  neben  ihr  einige  Handwerker  und 
Krämer  an.  Von  1718—1737  kam  während  der  österreichischen  Okkupation  eine 
Kaserne  hinzu,  deren  Areal  noch  heute  „Kasarna"  heisst.  Als  die  Krajina  wieder 
türkisch  wurde,  nahm  ihr  Basknez  aus  dem  Geschlechte  Karapandza  dort  seinen 
Sitz.  Wie  jener  zu  Kladovo,  dem  der  „Kljuc"  unterstand,  übte  er,  was  anderen 
Knezen  nicht  gestattet  war,  auch  die  Gerichtsbarkeit  über  die  christliche  Bauern- 
schaft seines  Bezirks.  Denn  beide  Gebiete  waren  „Emini"  (sultanliche  Domänen) 
und  besassen  Freibriefe,  kraft  deren  kein  Türke  sie  mit  „beschlagenem  Pferde" 
betreten  durfte.  Die  Basknezen  hoben  die  Abgaben  in  Geld  und  Naturalien  ein 
und  lieferten  die  dem  Sultan  zufallenden  Erträgnisse  einem  zu  diesem  Zwecke 
von  Stambol  entsendeten  Beg  direkt  ab.') 

Interessant  ist  das  in  der  Krajina  und  im  Kljuc  bis  zu  Pasvan  Oglus 
Usurpation  geübte  türkische  Verwaltungssystem.  Nach  authentischen  Daten  im 
Archive  der  Belgrader  gelehrten  Gesellschaft  erhoben  die  Dorfkmeten  von  der 
Rajah  :  1.  den  Porez,  7  Piaster,  und  2.  Harac,  2'  ._,  p  für  jeden  Kopf  männlichen 
Geschlechts;  3.  Mrtvina  (Totensteuer),  1 '  .^  p;  4.  Hochzeitssteuer,  1  p;  5.  Weinsteuer, 
'  .,  p  für  1000  Weinstöcke;  6.  Schafsteuer,  '  ,,  p  per  Stück;  7.  Schweinesteuer  in 
gleicher  Höhe;  8.  Bienensteuer,  '  x  p  für  jeden  Korb;  9.  Krautsteuer,  ^'s  p  für 
100  Köpfe;  10.  den  Zehent  von  aller  gemähter  Körnerfrucht.  Zu  diesen  für  jene 
Zeit  sehr  hohen  Steuern  kamen  Abgaben  zur  Erhaltung  des  Kladovoer  Begs  und 
seiner  Leute,  der  Basknezen,  ihrer  Buljubasen,  Panduren  und  Knieten.  Jeder 
steuerpflichtige  Kopf  gab  diesen  Basknezen  jährlich:  7  Oka  Käse,  1  Liter  Schmalz, 
20  Oka  Gerste,  1  Wagen  Heu,  1  Fuhre  Holz;  überdies  jedes  Dorf  6  Oka  Bohnen 
und  gleichviel  Talg.     Trotzdem  die  Basknezen  einen  Teil   dieser  Naturalabgaben 


')  Vuk,  Rjecnik,  S.  278  f. 


über  Radujevac,  Negotin,  den  Deli  Jovan  usw.  auf  den  Miroc.  431 

für  die  Besatzungen  der  festen  Plätze  an  den  Zentralspeicher  zu  Prahovo  abliefern 
niusstcii,  flössen  doch  beträchtliche  Suninien  in  ihren  und  in  den  sultanlichen 
Säckel.  Als  Entschädigung  genoss  die  Rajah  dieser  Bezirke  allerdings  eine 
ziemlich  weitgehende  Autonomie.  Starb  ein  Basknez,  so  erhielt  dessen  Nachfolger 
einen  alle  Privilegien,  bestätigenden  Ferman.  Nach  diesem  durften  weder  der 
Beg,  noch  der  Wojwode  (?)  sich  in  die  Administration  einmengen;  taten  sie  es  doch, 
und  erhob  der  Basknez  darüber  Klage,  wurden  sie  vom  Pascha  abgesetzt.  Alle 
Streitigkeiten  suchte  der  Basknez  zu  schlichten;  gelang  es  ihm  nicht,  so  fällte  er 
mit  dem  Wojwoden  das  letzte  Urteil.  Zur  Unterstützung  seiner  Autorität  hielt  er 
in  seinem  Konak  einen  Buljubasa,  dessen  30  bis  40  Panduren  die  Befehle  in  die 
Dörfer  brachten;  zwei  andere  mit  je  15  Panduren  schützten  die  Bezirksgrenze  gegen 
die  Einbrüche  gewalttätiger  Türken  und  Heiducken. 

Diese  ziemlich  erträglichen  Verhältnisse  endeten,  als  derVidincr  Krdzaliensturm 
über  den  Timok  hereinbrach.  Der  Rajah  wurden  3  Piaster  per  Kopf  als  „Spenza" 
(Geldsteuer)  auferlegt,  die  nicht  willfährigen  Basknezen  abgesetzt  oder  getötet  (1798). 
Der  letzte,  Perca  Karapandza,  floh  1807  nach  Porec.  Als  Pasvan  Oglu  Pasa 
von  Vidin  sich  der  Krajina  mit  Gewalt  bemächtigte,  erbaute  er  zu  Negotin  1807 
eine  verpalisadierte  Palanka  mit  Türmen.  Während  der  Freiheitskämpfe  wurde 
um  und  bei  dieser  viel  gekämpft.  Zuerst  1806,  wo  die  vom  Grafen  Orurk 
befehligten  Russen,  vereint  mit  den  vom  Hajduk  Veljko  und  Vujica  Vulicevic 
geführten  Serben,  Sasit  Pasa  bei  Bregovo  über  den  Timok  warfen  und  hierauf 
Negotin  zum  erstenmal  nahmen.  In  den  folgenden  Jahren  verloren  sie  es  aber, 
und  selbst  nach  dem  gewonnenen  Gefechte  bei  Malajnica  (I.Juli  1807)  misslang 
Milenkos  Versuch,  es  den  Türken  zu  entreissen.  Erst  als  der  russische  General  Sass 
nach  langem  Ringen  die  türkischen  Positionen  bei  Prahovo  am  19.  September  1810 
besetzt  hatte,  entsandte  er  den  Oberst  Skapski  mit  den  Serben  unter  Veljko  nach 
Negotin.  Nach  einigen  wohlgezielten  Schüssen  verliessen  die  Türken  ihre  Geschütze 
in  der  Palanka  und  flüchteten  nach  Vidin,  worauf  die  Russen  das  ganze  linke 
Timokufer  besetzten.  •) 

Im  Jahre  1812  entsandte  Karadjordje  den  später  berühmt  gewordenen  jungen 
Vuk  Karadzic  als  Kommissar  des  Senats  nach  Negotin.  Seinem  Sammeleifer 
danken  wir  grösstenteils  die  interessanten  Daten  über  die  türkische  Epoche  dieser 
Stadt  und  über  Vidin,  wohin  er  1813  mit  einer  Mission  an  den  Pascha  ging. 
Dort  sammelten  sich  bereits  des  Sultans  Truppen,  welche  bald  über  den  Timok 
gegen  Negotin  rückten,  und  es  nach  Hajduk  Veljkos  in  den  Liedern  gefeierter 
heldenhafter  Verteidigung  wieder  nahmen.  Noch  1833  übte  dort  ein  vom  Pascha 
zu  Ada  Kaleh  (Neu-Orsova)  abhängiger  Muselim  des  Sultans  Gerichtsbarkeit,  bis 
er  im  selben  Jahre  durch  den  Wojwoden  Tenka  vertrieben  und  die  Krajina  gleich 
dem  Kljuc  nach  kurzem  Kampfe  dauernd  befreit  wurde.  Diese  Vorgänge  schilderte 
ich  schon  früher. 

Negotin  darf  man  so  recht  die  Stadt  Hajduk  Veljkos  nennen.  Dort,  wo 
heute   ihr  Forum,   schlug  er  mit  2000  Mann  und   10  Geschützen  ihre   Hochwacht 


')  Documenti  privitore  la  Istoria  Romanilor,  1709    1812,  Bd.  III,  S.306. 


■132  Über  Radujcvac,  Ncgotin,  den  Dcli  Jovaii  usw    auf  den  Miroc. 

auf.  „Glavu  dajem,  Krajinu  nc!"  (Den  Kopf  gebe  ich,  die  Krajina  nicht!)  Nach 
homerischer  Heidenart  tjenoss  er  des  Leidens  Freude,  dazwischen  oft  genug  die 
Türi<en  seinen  starken  Arm  fülilen  lassend.  Und  dort,  wo  er,  bis  zum  letzten 
Augenblicke  kämpfend,  am  30.  Juli  1813  endete,  erhebt  sich  nun  auf  der  mit 
seinem  Blute  getränkten  Stelle  das  ihm  am  80.  Todestage  von  dem  dankbaren 
Serbien  gewidmete,  sein  Erzbild  tragende  Denkmal.  Dieses  wurde  nach  einem 
Entwürfe  des  Ingenieurs  Vladimir  Pavlovic  von  einem  italienischen  Meister  aus 
dunklem  Lepenicaer  Marmor  (S.  434)  hergestellt  und  das  vom  Bildhauer  Djoka 
Jovanovic  modellierte  Kopfrelief  zu  Paris  in  Bronze  gegossen.  ') 

Schon  1845  war  Veljkos  Schanze  bis  auf  einen  Rest,  den  ich  noch  1889 
in  der  „Hajduk  Veljkova  ulica"  im  Hause  No.  22  sah,  verschwunden;  viel  früher 
schon  die  berühmte  „Baba  Finka"  (Mastkorb),  in  der  er  mit  seiner  Cucuk  Stana 
und  Schwägerin  Stanojka  hauste.  Während  der  männlich  schöne  „Grosse  Hajduk" 
sich  und  seinen  tapferen  Waffengenossen  von  den  Frauen  unausgesetzt  Kaffee 
und  Cibuk  auf  dem  höchsten  Cardak  reichen  und  die  von  ihm  besoldeten 
Zigeuner  unten  musizieren  Hess,  blickte  er  wachsam  zum  Timok.  Sah  er  dort  eine 
nur  etwas  verdächtige  Bewegung,  stieg  er  sofort  mit  seinen  Momken  (Burschen)  zu 
Pferde,  ritt  im  blinkenden  Waffenschniucke  ruhigen  Schrittes  durch  die  Carsija, 
sowie  er  aber  die  Palanka  hinter  sich  hatte,  ging  es  im  sausenden  Galopp  auf 
die  Türken  los,  für  welche  sein  verhasster  „Luginsland"  das  stete  Ziel  ihrer 
Kugeln  bildete.  Veljko  machte  dies  Spass;  den  erschreckten  Frauen  pflegte  er 
aber  lachend  zu  sagen:  „Haltet  Euch  mit  den  Zähnen  am  Winde  fest,  dass  er 
Euch  nicht  davonträgt!"  Zuletzt  musste  auch  er  sich  aus  dem  ganz  durchlöcherten 
Oberstock  in  das  Untergeschoss  des  Turmes  zurückziehen. 

Bei  der  Verteidigung  der  Negotin  deckenden  Schanze  fiel  Veljko  mit  dem 
Rufe:  „drzite  se"  (haltet  Euch!).  Nun  schmücken  seine  letzten  Worte  die  Stirnseite 
des  Obelisken  mit  Ljubomir  Nenadovics  schönem  Zusätze:  „Dein  Beispiel 
leuchtet  uns  wie  die  Sonne,  wir  werden  uns  halten,  solange  einer  von  uns 
lebt!"  Den  Platz  für  das  Denkmal  widmete  Milan  Nikolic  aus  Jasenica  im  Jahre 
1893.  Als  Vorbild  für  das  Reliefmedaillon  diente  Veljkos  eigentümlich  entstandenes 
Porträt.  Als  seine  Witwe  den  Fürsten  Milos  zu  Bukarest  besuchte,  liess  er  einen 
seiner  arnautischen  Momken,  der  Veljko  täuschend  ähnlich  sah,  entsprechend 
kleiden  und  plötzlich  eintreten.  Stana  erschrak,  denn  sie  glaubte,  ihr  Mann  sei 
von  den  Toten  auferstanden.  Nachdem  der  Fürst  sie  beruhigt,  bat  sie  um  ein 
Bild  des  Doppelgängers.  Es  ist  das  später  dem  Nationalmuseum  gewidmete,  von 
Cortanovic  für  den  Negotiner  Bürgermeister  Mihail  Lazarevic  kopierte  Porträt, 
der  mir  die  romantische  Entstehung  des  Originals  verbürgte.  Sein  Bruder  Aieksa 
verehrte  mir  die  hier  mit  einigen  perspektivischen  Korrekturen  wiedergegebene 
Skizze  der  „Baba   Finka". 

Die  im  Lazarevicschen  Patrizierhause  verbrachten  Stunden  zähle  ich  zu  den 
angenehmsten   in   Negotin   verlebten,   schon   wegen   des   historischen    Reizes,   den 


')  Diese  Daten  mögen  die  von  Sr.  Stojkovic  eingehend  geschilderte  Enthüllungsfeier 
in  „Na  lepom  srpskom  Dunavu",  Belgrad  1893,  ergänzen. 


2.    Hajdiik  Veljko-DcnkiiiMl 
mit  Bronzc-Mcdailloii. 

3.    Lazarevic-Koiiak. 


F.  KANITZ,  Serbien.    II. 


28 


über  Radujevac,  Nc^otin,  den  Deli  Jovan  iisw    auf  den  Miroii.  435 

seine  anheimelnden,  von  Lazar  Lazarevic,  Vater  der  genannten  Brüder,  einst 
bewohnten  Räume  üben.  Vom  Cardak  verlas  er  als  „Obori<nez  der  Krajina"  1842 
Fürst  Mihails  Proklamation  gegen  Vucic  (1.  Bd.,  S.  470)  rumänisch  und  serbisch, 
wofür  ihn  dieser,  als  er  gesiegt,  mit  fünfmonatlicher  Haft  strafte.  Sein  griechisch 
und  deutsch  sprechender,  gleich  angesehener  älterer  Bruder  Jakov  beherbergte  in 
dem  zur  Türkenzeit  besten,  durch  prächtiges  Grün  isolierten  „Konak"  berühmte 
Paschas,  russische  Generale  und  —last  not  least  —  auch  Vuk,  als  er  die  „Hajduk 
Veljko"  feiernden  Volkslieder  aufzeichnete. 

Ein  anderes,  interessantes  Gebäude  ist  die  benachbarte,  schon  1803  geweihte 
„Maria  Geburts-Kirche",  ein  Cincarenwerk,  an  dessen  achtseitiger  Chorapside  sich 
rechts  vom  Mittelfenster  die  rote  Marmortafel  befindet,  welche  Knez  Miljko  dem 
Andenken  seines  Bruders  mit  der  Inschrift  stiftete:  „Dem  unsterblichen  serbischen 
Helden  Veljko  Petrovic,  Karadjordjes  berühmtem  Wojwoden  und  Herrn  des  Negotiner 
Kreises."  In  der  Kirche  ruht  auch  der  in  Dabica  bei  dem  altserbischen  Prilip 
geborene  erste  Krajinaer  Biscliof  Dositije  Novakovic.  Vom  Kloster  Zograf  am 
Athos  kam  er  als  junger  Mönch  voll  Tatenlust  nach  dem  seine  Freiheit 
erkämpfenden  Serbien  und  lebte  einige  Zeit  im  Kloster  Gornjak.  Als  aber.  1833 
der  Kampf  in  der  Krajina  ausbrach,  stritt  er  dort  wacker  mit  und  ward  zum  Lohne 
dafür  von  Milos  1834  zum  Vladika  der  Timoker  Diözese  ernannt.  1839  übersiedelte 
ihr  Sitz  von  Zajecar  nach  Negotin.  Der  Sprengel  umfasste  damals  die  Kreise 
Krajina,  Crna  Reka  und  Knjazevac;  1886  wurde  er  aber  aufgelöst  und  die  Krajina 
dem  Belgrader  zugeteilt.  Nur  der  Prota  residierte  weiter  in  Negotin.  1894  wurde 
aber  die  Timoker  Diözese  wieder   mit  dem  Sitze   in  Zajecar   hergestellt. 

Vorüber  an  dem  ehemaligen  Bischofshof,  aus  dem  man  jetzt  Briefe  und 
Telegramme  versendet,  wanderte  ich  mit  meinem  lieben  Gastfreunde  Vladimir 
Pavlovic  aufdie  mit  guten  Gasthöfen  und  einzelnen  hübschen  Privathäusern  umsäumte 
„Velika  pijaca",  die  sich  seit  zwei  Dezennien  sehr  hübsch  ausgestaltet  hat.  Aus 
dem  Material  der  „Baba  Finka"  wurde  das  neue  Ingenieursamt  erbaut,  und  auch 
Veljkos  Pulverturm  fiel,  als  um  die  20000  Dukaten  kostende,  1874  geweihte  hl. 
Geistkirche  das  Negotiner  Forum  mit  dem  neuen  Nacelstvo  und  Kreisgerichtc 
vollendet  wurde.  Die  Trennungslinie  beider  Fassaden  markiert  nun  der  römische 
Löwe  von  Vidrovac  auf  hübschem  Piedestal.  Doch  die  aus  der  Ferne  bestechende 
malerische  Silhouette  der  neuen  Kirche  löst  sich,  näher  betrachtet,  trotz  ihrer  mit 
Kupfer  gedeckten  Kuppel  und  Türmen  in  ein  bizarres  Stilgemenge  auf,  das  bei 
anerkennenswertem  guten  Willen  des  Architekten  keine  strengen  Kunststudien 
verrät.  Bescheiden,  doch  dem  Zwecke  voll  entsprechend,  ist  der  Neubau,  in  den  das 
1844  begründete  Gymnasium  1874  übersiedelte.  1894  zählte  es  11  Professoren  und 
Lehrerinnen  für  160  Zöglinge,  für  die  der  Staat  jährlich  25000  d  verausgabt.')  Das 
kleine  physikalische  Kabinett  bewahrt  einige  von  mir  an  ihren  Fundorten  besprochene 
Altertümer.  Andere  sah  ich  leider  ganz  schutzlos  im  Nacelstvohofe,  darunter  einige 
später  in  das  Belgrader  Lapidarium  gelangte  Inschriften  von  Prahovo  u.  a.  0. 


';   1906  waren   im   Gymnasium    11    Lehrkräfte   und    l.'iT   Schüler,   die   Erhaltungskosten 
betrugen  36017  d. 

28* 


436 


Über  Radujevac,  NcKOtin,  den  Doli  Jnvan  usw    auf  den  Miroc. 


Vor  dem  Nacelstvo  befindet  sich  der  zierliche  Auslaufsbrunnen  der  vom 
3,5  km  fernen  Badnjevo  herabkommenden  Wasserleitung.  Schon  vor  15  Jahren 
versuchte  ein  dundjer  (Maurer)  die  herrliche  Quelle  nacii  Negotin  zu  führen; 
nachdem  er  eine  ansehnliche  Summe  verbaut,  zeigte  sich  aber,  dass  ihm  hierzu 
die  nötigen  Kenntnisse  fehlten,  und  die  erzürnten  Bürger  wiesen  ihn  mit  einer 
Tracht  Prügel  zur  Stadt  hinaus.  1885  erhielt  der  tüchtige  Ingenieur  Jiracek  den 
Auftrag  zum  Bau  der  Leitung,  die  er  mit  einem  Kostenaufwande  von  30000  d 
für  ein  Reservoir  von  250  Kubikmetern  und  aus  Deutschland  bezogene  Tonrohre 
von  0,75  m    Durchmesser   im  September   1887   glücklich   vollendete.     Seither  hat 


NEGOTIN.    Rüiiiischer  Löwe  am  Kreisamle. 


sich  der  Gesundheitszustand  der  früher  von  Fieber  und  Tuberkulose  stark  heim- 
gesuchten Stadt  so  bedeutend  verbessert,  dass  die  Sterbefälle  allmählich,  wie  mir 
Herr  Stadtarzt  Dr.  Djordje  Vidakovic  mitteilte,  jährlich  auf  durchschnittlich  130 
sanken,  wozu  nicht  wenig  auch  die  Ableitung  der  Sümpfe  bildenden  Jasenica 
vom  städtischen  Weichbild  beiträgt.  Ärzte  gibt  es  hier  4,  Apotheken  2,  welchen 
aber  die  noch  immer  einflussreichen  „Babe"  (alte  Weiber)  —  obschon  oft  wegen 
Kurpfuscherei  gestraft  —  erhebliche  Konkurrenz  machen.  Fremde  Elemente 
gibt  es  in  der  Stadt  nur  etwa  70  verschiedensprachige  Siaven,  180  Rumänen, 
13  Deutsche,  10  Ungarn,  113  Zigeuner,  unter  diesen  35  Katholiken,  12  Juden 
und  nur  einen  Mohammedaner.  Ihrer  politischen  Parteistellung  nach  galten  die 
Negotiner  zu  ^'/.^  radikal,   ',-,  liberal  und    'I:,  fortschrittlich  gesinnt. 

Die   Stadt  Negotin    hat  dem  Begründer   der   Dynastie  Obrenovic,    Fürsten 
Milos,    ein    Denkmal    errichtet.      Bei    der    feierlichen    Enthüllung    wurde    König 


über  Radujevac,  Negotin,  den  Deli  Jovan  usw.  auf  den  Miroc. 


437 


Alexander  tiurcli  einen  Adjutanten  und  die  Regierung  durch  den  Handelsminister 
Dr.  Milovanoviii  vertreten.  Auch  der  russische  Gesandte  Tscharykoff  und  dessen 
Geniahhn,  welche  schon  früher  die  Absicht  hegten,  die  östlichen  Teile  von  Serbien 
zu  besuchen,  benutzten  ihren  kurzen  Aufenthalt  im  |uni  1901  in  Negotin,  um  der 
Knthiillungsfeier  beizuwohnen. 

Nur  ein  kleiner  Teil  des  in  1120  Häusern  5350  Seelen')  zählenden  Negotin 
treibt  noch  Feld-  und  Gartenbau.  Gewerbe  und  Handel  entwickeln  sich  stetig; 
es  werden   namentlich   die  Arbeiten  seiner   50  Eisenschmiede,  zahlreicher  Töpfer, 


NEUOTIN.    Milos-Denkmal. 


Abatuchschneider  und  Schneider  gerühmt.  Eine  kleine  Buchdruckerei  und  vier 
Advokaten  sind  durch  die  vielen  Handeltreibenden  stark  beschäftigt.  20-30000  d 
Besitzende  gelten  dort  als  wohlhabend,  es  gibt  aber  auch  einzelne  wirklich  Reiche. 
Die  grosse  Nähe  der  Zollstation  Radujevac,  durch  welche  ein  bedeutender  Teil 
des  Warenimports  für  die  Kreise  Krajina  und  Zajecar  geht,  ferner  des  Kusjaker 
Hafens,  aus  dem  ihr  Salzbedarf  seinen  Weg  durch  die  Stadt  nimmt,  und  die  1886 
begründete  Sparkasse,  die  allein  1895  über  16,2  Millionen  d -)  zum  für  Serbien 
billigen  Zinsfusse  von  8— 10";o  in  Umlauf  setzte,  förderten  stetig  Negotins 
Aufschwung. 


')  1905  hatte  Negotin  1145  Häuser  mit  5769  Einwohnern. 
')  1906  betrug  der  Umsatz  11,2  Millionen  d. 


438  ilber  Radujevac,  Negotin,  den  Deli  Jovnn  iisw    auf  den  Miroc. 

Den  Häuserbau,  das  Pflaster,  die  Beleuchtung  und  nanientlicli  die  Ausstattung 
der  Läden  mit  meist  aus  Österreich-Ungarn  und  Deutschland  bezogenen  Waren, 
gleich  der  ganzen  Lebensführung,  fand  ich  bei  jedem  meiner  sechs  Besuche  seit 
1860  bedeutend  fortgeschritten;  das  Gymnasium,  Handels-,  Lese-,  Singvereine 
und  zwei  vierklassige  Volksschulen  hoben  auch  den  Intellekt.  Ausser  dem  Präfekten 
und  den  vielen  Beamten  des  Kreises  und  des  Bezirks  Krajina  amtieren  dort  — 
nicht  gerade  zur  Freude  des  Städtchens  Brza  Palanka  —  auch  jene  des  Kljucer 
Nachbarbezirks.  In  Negotin  liegt  wohl  der  Stab  der  Krajinaer  Brigade,  aber 
sonst  nur  wenig  Militär.  1896  zählte  man  in  allem  neun  Offiziere  und  samt 
den  Gendarmen  50  Unteroffiziere  und  Soldaten,  welche  sich  in  der  fern  im  grünen 
Plane  stehenden  grossen,  einstöckigen  Kaserne  mit  27  Fenstern  Front  während 
des  langen  Winters  stark  vereinsamt  fühlen  müssen. 

Seit  ich  in  meinem  „Serbien"  zuerst  die  Trefflichkeit  der  Krajinaweine 
rühmend  hervorgehoben,  wurden  sie  als  „Negotiner"  bis  nach  Frankreich  bekannt 
und  gesucht.  Leider  vernichtete  die  böse  Reblaus  den  viel  Geld  ins  Land 
bringenden,  viel  verheissenden  Volkswirtschaftszweig.  Anfänglich  hielten  die 
Bauern  die  1884  auftretende,  in  sechs  Jahren  ihre  Weinberge  vollständig  verwüstende 
Phyllo.xera  für  eine  vorübergehende  Krankheit  und  pflanzten,  trotz  alles  Abmahnens, 
wieder  heimische  Reben  an,  die  aber  bald  gleich  trauriges  Siechtum  ereilte. 
Seither  sind  der  Staat  und  das  zunächst  interessierte  Negotin  eifrig  bemüht,  den 
hochwichtigen  Krajina-Weinbau  neu  zu  beleben.  Apotheker  St.  Fritzmann,  Vorstand 
der  1888  mit  2000  Aktien  ä  50  d  zu  Negotin  gegründeten  Weinbau-Gesellschaft, 
wendet,  nach  mehrjährigen  Fehlversuchen,  ein  Boden  und  Klima  berücksichtigendes 
Okulierverfahren  mit  amerikanischen  Reben  an,  mit  dem  er  schon  im  zweiten 
Jahre  dichten  Blätterwuchs  und  Jahr  auf  Jahr  sich  mehrende  Trauben  erzielt. 
Energisch  durchgeführt,  wird  es,  nach  Fritzmanns  Ansicht,  in  kürzester  Zeit  zur 
Regeneration  des  Krajinaer  Weinbaues  führen.  Gern  besichtigte  ich  am  9.  August 
1897  mit  dem  für  die  Sache  begeisterten  Manne  die  von  ihm  geschaffenen 
Neukulturen. 

Auf  der  Fahrt  nach  dem  von  der  Gesellschaft  angekauften  Versuchsterrain 
von  rund  20  Hektar  kamen  wir  durch  das  kaum  6  km  0.  von  Negotin  liegende 
Srbovlah'),  einen  hübschen,  aber  verrufenen  Fieberort,  dessen  Walachen  zur  Über- 
siedelung auf  die  nahe,  gesunde  Hochterrasse  nicht  zu  bewegen  sind.  Auf  dieser 
führte  mich  Herr  Fritzmafin  durch  das  frischgrüne,  schon  damals  135000  veredelte 
amerikanische  Stöcke  tragende  neue  Weinland,  dessen  Produkt  sich  gar  nicht 
von  dem  der  heimischen  gesunden  Rebe  unterscheiden  soll.  Erwähnenswert 
erscheint,  dass  Fritzmann  und  der  Direktor  der  beim  nahen  Kloster  Bukovo 
1891  gegründeten  Staats-Weinbauschule  über  das  anzuwendende  Okulierverfahren 
abweichender  Ansicht  sind.  Fritzmann  pflanzt  —  sein  erster  Winzer  zeigte  es 
mir  praktisch  —  die  amerikanische  Rebe  0,50  m  tief,  so  dass  die  okulierte  Stelle 
nach  oben  mit  2  cm  Erde  bedeckt  ist;  Direktor  Savic  lässt  aber  diese  Stelle 
nach    ungarischer    Übung    unbedeckt.      In    dem    der    Landwirtschaft    gewidmeten 


M  Seit  1899  lieisst  dieses  Dorf  Srbovo. 


über  Radujevac,  Negotin.  den  Deli  Jovan  usw.  auf  den  Miroc.  41^9 

Kapitel  (111.  Bd.,  X.  Kap.)  hoffe  ich,  auf  Grundlage  der  mit  beiden  Verfaiiren 
erzielten  praktischen  Resultate,  sie  objektiv  würdigen  zu  k()nnen;  wünschenswert 
wäre  es,  wenn  auch  in  diesem  Falle  „alle  Wege  nach  Rom  führten". 

Der  geringe  Vorrat  von  zehnjährigem  Negotiner  steht  heute  mit  250  d  per 
Hektoliter  im  Preise..  Von  den  20  pivnice  (Kellereien)  der  Negotin  malerisch  im 
Halbkreis  umschliessenden  Rebenhügelterrasse  gilt  das  Produkt  jener  von  Balej, 
Lokva,  Rajac,  Rogljevo,  Smedovo  und  Visoka,  deren  Kulturen  auf  den  sonnigsten 
Timoklehnen  liegen,  als  vorzüglichstes;  aber  auch  jene  von  Badnjevo,  Bratujevac, 
Dzevrin,  Mokranja  usw.  werden  sehr  geschätzt.  In  guten  Jahren  repräsentierte, 
ungerechnet  den  heimischen  und  Belgrader  Verbrauch,  der  50  —  60  000 
Hektoliter  betragende  Weinexport  der  Krajina  2  Mill.  d,  also  nahezu  die  Hälfte 
ihrer  Gesamtausfuhr  von  Zerealien,  Rindern,  Mastschweinen,  Ziegen,  Fellen  usw. 
In  dem  auch  1905  seinen  alten  Umfang  von  2909  km-  bewahrenden,  von 
104  342  Seelen  in  71  Gemeinden  mit  86  Orten  bewohnten  Negotiner  Kreise 
kommen  in  seinen  mit  47 — 66  Seelen  per  km  -  dichtbevölkertsten  Bezirken  Brza 
Palanka  und  Krajina  264 — 300,  im  Negotiner  mit  47  Seelen  per  km-  137,  im 
Kljucer  mit  31  Seelen  per  km-  193,  und  im  nahezu  ausschliesslich  Tierzucht 
treibenden  Porecer  mit  nur  14  Seelen  per  km-  438  Stück  Vieh  auf  100  Bewohner. 
Im  ganzen  Kreise  wurden  1905  gezählt:  6278  Pferde,  welche  dank  den  von  dem 
rührigen  „Kolo  jahaca"  (Reiterbund)  erzielten  Resultaten  schon  stark  nach  Bulgarien 
exportiert  werden,  ferner:  35472  Rinder,  21817  Schweine,  150838  Schafe, 
37  253   Ziegen  und  4701   Bienenstöcke. 


Will  der  Negotiner  erfrischende  Luft  geniessen  und  köstliches  Wasser  an 
der  Quelle  trinken,  geht  er  nach  Badnjevo,  das  man  auf  der  Zajecarer  Strasse 
leicht  zu  Wagen  in  einer  halben  Stunde  erreicht.  Die  Stadt  hüllte  am  23.  Oktober- 
morgen 1889  noch  leichter  Nebel  ein,  als  ich  mit  dem  Kreisingenieur  Pavlovic 
über  die  sonnige  Höhe  durch  prächtigen  Eichenwald  fuhr.  In  seinem  kühlenden 
Schatten  stehen  nahezu  200  um  das  Wasserleitungsreservoir  malerisch  gruppierte 
„pivnice",  welche  spanischem  Südwein  an  Kraft  und  Feuer  ebenbürtigen 
Negotiner  bergen.  Sie  besitzen  meist  ein  wohnlich  eingerichtetes  Stockwerk 
und  mindestens  einen  mit  Reisig  und  Fahnen  geschmückten  Cardak,  von  dem 
sich  die  Anfahrt  des  gekelterten  Nasses,  der  lustige  Gesang  der  Winzer,  der  bis 
spät  in  die  Nacht  dauernde  Kolotanz  der  Jugend  bei  lodernden  Feuern  gut 
ansehen  und  hören  lässt.  Es  gibt  Familien,  die  während  der  oft  einen  Monat 
sich  dehnenden  Weinlese  hier  ihren  durch  gegenseitige  Besuche  und  Gastereien 
verkürzten  Aufenthalt  nehmen.  Die  „berba"  (Weinlese)  ist  die  Zeit,  deren  Erscheinen 
jung  und  alt  freudig  begrüsst;  sie  schliesst  den  Reigen  der  frohen  Feste  in  Gottes 
schöner  Natur,  welche  der  Serbe  ausserordentlich  liebt. 

Mit  SW.  führenden  Serpentinen  ging  es  weiter  durch  die  Stubiker  Kellereien 
auf  der  1876  für  den  Krieg  erbauten  Strasse  zur  breiten  Hochebene,  von  der 
das  hübsche,  weisse  Popenhaus  des  jenseitigen  Jasenica  freundlich  grüsst.  Es 
folgte  westlicher   der  „Plavljenje",   ein    mehr   grüner   als   „blauer"  Syenitaufbruch 


440  Über  Radujevac,  Negotiii,  den   Deli  Jovnn  usw.  auf  dun  Miroc. 

und  sodann  bogen  wir  links  ab  in  das  durcii  Abstürze  zerrissene  südliche  Tal 
von  Sarkainen,  dessen  von  Kalk  und  Lehm  überlagerte  Sandsteine  frei  am 
Tage  liegen.  Am  tief  eingeschnittenen  Bache  dieses  wohlhabenden  Serbendorfs 
steht  eine  vernachlässigte  Mehana;  wir  zogen  es  jedoch  vor,  die  von  der  vor- 
sorglichen ingenieursgattin  gefüllten  Bissage,  trotz  der  mit  den  welken  Blättern 
ihr  Spiel  treibenden  Herbstbrise,  unter  dem  nahen  riesigen  Maulbeerbaum  zu 
leeren.  In  einem  der  durchgehends.  mit  Hohlziegeln  gedeckten  Gehiifte  konnte 
ich  auch  hier  den  Fleiss  und  das  industrielle  Talent  der  Serbinnen  bewundern. 
Und  mit  welch  einfachen  Instrumenten  diese  anmutigen  Schürzen  usw.  geschaffen 
werden!  Nur  ist  das  Ornament  nicht  mehr  so  rein,  das  Material  nicht  mehr  so 
gut  wie  einst.  Die  wohlfeilen  Garne  und  Anilinfarben  dringen  von  der  Stadt 
selbst  in  entlegene  Täler  ein,  und  bald  werden  die  älteren  kleinen  Meisterwerke 
nur  noch  in  unseren  Museen  zu  sehen  sein. 

Der  starke  Westwind  verjagte  das  drohende  Gewölk,  und  nachdem  unsere 
Pferde  angelangt,  ritten  wir  bei  blauendem  Himmel  aufwärts  am  mit  roten  und 
blauen  Spätlingen  bunt  gefärbten  Raine  des  Sarkamenbaches  zu  einer  Mühle, 
deren  Besitzer  uns  nach  eindringlichem  Interview  über  eine  sich  hier  befinden 
sollende  „lateinische  Feste"  orientierte.  Eine  halbe  Stunde  westlicher  Iraf  ich 
am  Südhange  des  0.  aufstrebenden  Plateaus  ein  starkes,  die  Strasse  schützendes 
Rönierkastell.  Sein  von  mir  aufgenommener  Grundriss  zeigt  ein  Viereck  von 
100  ni  langen  und  2  m  starken  Wailfronten,  an  deren  Mitte  und  Ecken  acht 
mächtige  Rundtürme  von  14,5  m  Durchmesser  vorsprangen.  Die  aus  felsartig 
verbundenen  Syenitblöcken,  Findlingen,  behauenen  Sandsteinen  und  Ziegeln  von 
0,50  m  Länge  hergestellten  Mauern  folgen  der  von  N.  nach  S.  abdachenden  Lehne, 
deren  Ackerboden,  mit  antiken  Deckziegeln  und  Gefässscherben  übersät,  dem 
Eigner  Radoje  Milic  Bugarski  manche  wertvolle  antike  Münze  und  andere  Objekte 
spendete.  Etwa  fünf  Minuten  bachaufwärts  stehen  links  vom  Wege  ungewöhnlich 
starke  Mauern  bei  einer  „Zavetina".  Traf  ich  solche  auf  sonst  nur  leicht 
umzäunten  Betplätzen  unter  freiem  Himmel,  so  gehörten  sie  meist  einer  alten 
Baute  an,  und  dies  war  auch  hier  der  Fall.  Die  Zavetina  hatte  sich  im  nördlichen 
Teil  eines  quadratischen  Römerkastells  mit  30  m  langen  Fronten  eingenistet,  von 
dessen  Bauten  viele  0,50  m  grosse  viereckige  Ziegel,  gebrannte  Rundplatten  usw. 
den  Vorplatz  bedeckten.  Diese  kleine  Befestigung  sperrte  mit  dem  vorgeschilderten 
grösseren  Kastrum  die  östlich  weiterziehende  Strasse  nach  Ad  Aquas,  bei  dem 
sie  in  den  zur  Timokmündung  führenden  Heerweg  mündete.  —  Krsta  Arsenije 
Lazic,  der  Eigentümer  des  unter  Kultur  gesetzten  Terrains,  stellte  inmitten  der 
Zavetina  zwei  Tische  mit  Kreuzen  und  Gabentellern  auf,  bei  welchen  sich  am 
Petrov  dan  die  Jasenicaer  und  die  Bewohner  der  Nachbarorte  zur  Andacht  und 
anschliessenden  Lustbarkeit  einfinden. 

Weiter  zogen  wir  aufwärts  zwischen  „pojate"  (kleinen,  leichten  Hütten),  in 
welchen  der  walachische  Bauer  mehr  Zeit  als  im  Dorfe  verbringt.  Wir  begegneten 
verdächtig  aussehenden  Leuten  mit  zottigen,  wilden  Hunden,  die  sich  auf  den 
Vorhöhen  des  in  vier  Terrassen  ansteigenden  Deli  Jovan  eingenistet.  Die  vor- 
herrschenden  Buchengehölze   und   selteneren   dichten  Eichenstände   sind   allerorts 


über  Radujevac,  Negotin,  den  Deli  Jovan  usw.  auf  den  Miroc.  441 

von  Haselnuss-  und  anderen  Sträuchern  durchwachsen,  und  in  den  Lichtungen 
bis  hoch  hinauf  zur  Quelle  „Nikülina  voda"  stehen  auch  einzelne  prächtige 
Nussbäunie.  Durch  die  Aufnahme  der  Rümerkastelle  hatten  wir  uns  stark  ver- 
spätet; das  Abendrot  verglühte  bereits  auf  den  fernen  nördlichen  Gipfein  des 
Miroc  und  Strbac,  die,  Schatten  des  Deli  Jovan  deckten  das  hochliegende  südliche 
Popovica  samt  seiner  an  Chromeisen,  Kupfer  und  Bleigängen  reichen  Umgebung. 
Als  die  in  das  westliche  Porecka  reka-Tal  hinüberleitende  Einsattelung  erreicht  war, 
erlosch  auch  das  erborgte  Licht  auf  den  südlichen  1100  m  und  1179  m  hohen 
Gipfeln  des  Goli-  und  Crni  Vrh,  und  die  rasch  dem  kurzen  herbstlichen  Dämmern 
folgende  tiefe  Nacht  gestaltete  unseren  Abstieg  am  steilen  Uferhange  der  Crnajka 
und  durch  ihr  zwischen  Serpentinfelsen  tosend  hinbrausendes  Gerinne  stellenweise 
sehr  schwierig.  Ich  weiss  nicht,  wie  es  uns  ergangen  wäre.  Da  leuchtete  plötzlich 
im  fernen  Dickicht  leichter  Feuerschein  auf,  Hunde  schlugen  an,  und  bald  zauberten 
unsere  Panduren  einen  walachischen  Schafhirten  herbei,  der  uns  heil  hinab  zu 
den  ersten  Häusern  von  Crnajka  brachte.  Wir  waren  von  der  Passhöhe  über 
400  m  in  zwei,  uns  doppelt  lang  erscheinenden  Stunden  herabmarschiert,  und 
der  cincarische  Wirt  gratulierte  uns  mit  pagodenartigem,  Verwunderung  ausdrücken 
sollendem  Kopfwackeln  zur  glücklichen  Ankunft. 

Den  Kern  von  Crnajka,  dessen  224  von  1125  Walachen  bewohnte  Häuser') 
weithin  auf  den  Bergen  zerstreut  liegen,  bildet  die  Mehana,  ein  Ducan  (Laden)  und 
das  Gemeindehaus  auf  dem  rechten  Bachufer,  während  seine  schon  1848  erbaute 
Schule  auf  dem  linken  steht.  Der  heute  schon  bedeutende  Ort  verspricht  das 
hüttenbetriebsame  Zentrum  des  von  Herder  1835  zuerst  bergmännisch  erforschten 
erzreichen  Gebietes  zwischen  dem  Deli  Jovan,  Sto  und  Majdanpekgebirge  zu 
werden.  Südlich  wird  der  bedeutende  Trachiteinschlüsse  bergende  Granit  von 
mächtigen  Magnet- Eisensteingängen  durchsetzt,  die,  wie  verraste  Halden, 
Pingenzüge  und  Schlacken  an  verschiedenen  Punkten  zeigen,  bereits  in  alter  Zeit 
abgebaut  wurden.  Am  südlicheren  Gabarbache  liegen  abgeschwemmte  grosse 
Quarzblöcke  mit  Kupferkies,  und  sein  Wasser  wird  von  der  goldhaltigen  Lehmerde 
gelb  gefärbt. 

Die  Regierung  verweigerte  in  diesem  zukunftreichen  Gebiete  private 
Schurfverlangen  und  Hess  es  1888  eingehender  studieren.  Ihr  entsendeter 
Bergingenieur  Hofmann  konstatierte  am  während  der  österreichischen  Okkupation 
von  1734  —  17.38  betriebenen  Stollen  bei  der  „Oraäu  Njampuluj",  dass  das 
erzführende  Chalkopyrit  gegen  50%  Eisen,  aber  nur  1,4  »/o  Kupfer  und  0,01  »/o 
Silber  enthält.  Auch  zwischen  Crnajka  und  Tanda  ist  ein  15-30  cm  mächtiger 
Quarzgang  der  „Gabrova  Mika"  sehr  reich  an  Chalkopyrit  mit  34%  Kupfer, 
etwas  Silber  und  Molybdenit,  der  1870  versuchsweise  durch  einen  20  m  langen, 
seitdem  verlassenen  Stollen  aufgeschlossen  wurde.  Am  „Kraku-Ku-Odnele", 
einem  Vorberge  des  Deli  Jovan,  durchbrechen  das  Eruptivgestein  einst  in  offenen 
Pingen  abgebaute,  oft  50  m  mächtige  Kalke  und  Quarzadern  mit  Bleiglanz  und 
Kupferkies,  deren  Silbergehalt  5,5%   betragen   soll,   und   nahe  bei   der  Tandaer 


')  1905  zählte  Crnajka  in  224  Häusern  1297  Einwohner. 


442 


Über  Radujevac,  Negotin,  den  Deli  Jovan  usw    auf  den  Miroc. 


Die  Miloseva  Kula  an  der  Saska- 
MiinduiiK. 

Mehanafand  Hofmann  einen 
1,3  m  starken  Quarzgang, 
dessen  Pyrit  viel  Kupfer  und 
vielleicht  auch  Gold  enthält. 
Südlich  von  Tanda  führt  eine 
trefflich  angelegte  neue  Fahr- 
strasse am  Crnajka-Oberlauf 
über  den  Veliko  Brdo-Sattel 
(486  m)  aus  dem  Krajina- 
Minengebiete  zu  dem  im 
vorhergehenden  Kapitel  ge- 
schilderten gleich  reichen 
der  Crna  Reka. 

Die  rechtsuferigen,  sehr 
baumreichen  Kalkhänge  der 
Crnajka,  an  welchen  ich 
zur  ihren  Vereinigungspunkt 
mit  der  von  NW.  kommen- 
den Saska  markierenden 
„Miloseva  Kula"  weiter  ritt,  kontrastierten  angenehm  von  den  stark  zerrissenen 
Syenit-  und  Tonschieferbergen  ihres  Westufers.  Über  die  dunklen  Tonschiefer 
eines  scharf  gegen  N.  vorspringenden  Spornes  stiegen  wir  hinauf  zur  Ruine  mit 
altserbischem  Namen,  die  sich  bei  näherer  Untersuchung  als  der  stehen  gebliebene 
quadratische  Hochturm  eines  ansehnlichen  Römerkastells  entpuppte,  von  dessen 
südwestlichem  Teil  ich  gut  erkennbare,  gleichfalls  1,5  m  starke  Mauern  fand, 
die  eine  durch  den  antiken  Mörtel  untrennbar  verbundene  Musterkarte  der  durch 
beide  Bäche  herabgebrachten  Geschiebe'  darstellen.  Das  Kastell  wurde  zum 
Schutze  der  aus  S.  und  W.  kommenden  Römerstrassen  angelegt,  die  von  hier 
vereinigt  nach  dem  grossen  Waffenplatze  Taliata  an  der  Donau  liefen.  Dass  die 
Burg  auch  im  Mittelalter  ihre  Bedeutung  bewahrte,  beweist  die  Tradition:  Zar 
Lazar  habe  sie  unter  die  besondere  Hut  seines  in  ihrem  Bereiche  geborenen 
Schwiegersohns  Milos  Obilic  gestellt.  Von  diesem  später  Sultan  Murad  auf 
Kosova  tötenden,  beliebten  Volkshelden  erzählt  die  Sage-.  „Lazar  traf  ihn  schlafend 
unter    einer   Pappel    und   bemerkte    staunend,    wie    sich    ihre    Blatte;-    bei    jedem 


Plan  und  ürundriss  des  Kastells  an  der  SaJka-Mündung. 


über  Radujevac,  Negotin,  den  Ocli  Jnvnn  usw.  auf  den  Miroc  443 

Atemzuge  des  Schläfers  hoben  und  senkten.  Der  Zar  Hess  ihn  wecken  und  nahm 
den  starken  Mann  in  sein  Heer  auf,  in  dem  er  bald  durch  seltenen  Mut  so 
berühmt  wurde,  dass  Lazar  ihm  seine  Tochter  vermählte."  Das  Volkslied  versetzt 
viele  Erlebnisse  der  Nationalheroen  Miloä  und  Marko  Kraljevic  in  die  wildreichen 
Krajinaberge.  Es  lässt  beide  gern  jagend  durch  die  Schluchten  des  Miroc  reiten, 
Milos  dort  durch  den  Pfeil  einer  Vila  (Fee)  verwunden  und  Marko  häufig  eine 
Schenke  besuchen,  welche  nahe  bei  der  Miloäeva  Kula  stand. 

im  Jahre  1888  begann  der  Umbau  des  alten  Porecka  reka-Talwegs  in 
eine  mittels  Kuluk  (Frone)  rasch  vollendete  Kreisstrasse,  die  bei  Rgotina  in  die 
Timokstrasse  übergeht.  Die  geologische  Beschaffenheit  des  Terrains  bereitete 
ihr  von  der  Kula  abwärts  keine  besondere  Schwierigkeit.  Dort  setzen  im  Ton- 
schiefer zwei  Grauwackenzüge  auf  und  steht  roter  Sandstein  mit  weissen  und  roten 
Tonlagen  an,  der  bei  Topolnica  in  vorzüglicher  Qualität  gebrochen,  auch  zur 
Porecka  reka-Brücke  verwendet  wurde.  Topolnicas  Name  stammt  wahrscheinlich  aus 
dem  verdorbenen  „Topionica"  (Qusswerk);  denn  Reste  alter  Hüttenstätten  zeigen, 
dass  solche  dort  betrieben  wurden.  Zwischen  den  Wiesen  und  Maisfeldern  des 
sich  stetig  verbreiternden  Talgrundes  blieben  noch  einzelne  prächtige  Nussbäume, 
die  jedoch  wahrscheinlich,  gleich  vielen  verschwundenen,  auch  bald  in  die 
Orsovaer  Gewehrschaftfabrik  wandern  dürften. 

In  der  Mehana  des  am  Ausgang  einer  pittoresken  Kalkschlucht  liegenden,  zuvor 
berührten  Klokocevac  löste  sich  das  Rätsel,  weshalb  die  Strasse  so  auffallend 
verödet  erschien.  Ich  hörte,  dass  die  Milanovacer  Reisenden  diese  kürzere 
Route  durch  das  Porecka  reka-Tal  nach  Zajecar  meiden,  seit  dort  vor  12  Jahren 
vier  Kaufleutc  von  Bauern  mit  geschwärzten  Gesichtern  überfallen  und  um 
2000  Dukaten  erleichtert  wurden.  Seither  wird  der  Weg  über  Radujevac  vor- 
gezogen, und  nur  der  Herdentrieb  belebt  noch  die  verfemte  Strasse.  Kurz  vor 
Mosna  passierten  wir  die  zu  einem  Hinterhalt  vorzüglich  geeignete  verrufene 
Stelle,  bald  darauf  das  Tor  des  riesigen  Zaunes,  mit  dem  das  Dorf,  gleich  allen 
walachischen  Donauorten,  umschlossen  ist,  damit  das  Vieh  nicht  die  Felder 
schädige.  Hier  beginnen  Braunkohlen-  und  Lignitlager,  die  gegen  Golubinjc  und 
zum  Bezirksstädtchen  Donji  Milanovac  hinstreichen,  dem  wir  uns  rasch  näherten. 
Schon  trat  die  Porecka  reka-Mündung  in  Sicht,  deren  stark  zerrissenen  Grasboden 
ungewöhnlich  viele  „bunike"  (Bilsenkraut)  dunkelrot  färbten.  Die  serbischen 
Volksheilkünstler  schätzen  sie  als  unfehlbares  Mittel  gegen  Rotlauf  (?).  Wir 
kreuzten  die  von  der  Donau  zurückgestaute  Porecka  reka  auf  einer  1887  vollendeten 
60  m  langen,  6  m  breiten  Brücke,  deren  auf  zwei  7  m  hohen  Pfeilern  ruhender 
eiserner  Oberbau  im  ungarischen  Resica  ausgeführt  wurde.  Ich  wünschte  meinem 
Begleiter,  sein  gelungenes  Werk  möge  gleich  lange  den  Elementen  trotzen,  wie 
die  nahen  Römerbauten,  deren  Studium  mich  zum  drittenmal  nach  Donji  Milanovac 
führte.  Wir  trafen  es  gut:  im  Hause  eines  freundlichen  Siebenbürger  Sachsen 
fanden  wir  erfreuend  reinliche  Unterkunft. 

Kurz  vor  meiner  Reise  im  Jahre  1887  war  das  radikale  Regiment  angebrochen, 
und  der  seines  Amtes  entsetzte,  seinen  Nachfolger  stündlich  erwartende  Bezirkskapetan 
überliess  es  seinem  Schreiber,  die  für  meine  archäologischen  Ausflüge  notwendigen 


444 


Über  Radujevac,  Negotin,  den  Deli  Jovan  usw.  auf  den  Miroi. 


Panduren  beizustellen.  So  wertvoll  auch  die  gewonnenen  archäologischen 
Resultate  im  Grebendefilee  waren  (1.  Bd.,  S.  198),  niussten  sich  doch  neue  ihnen 
anreihen,  wollte  ich  die  in  den  Itinerarien  von  Taliata  donauabwärts  genannten 
römischen  Uferorte  und  besonders  jene  Punkte  topographisch  feststellen,  welche 
in  Kaiser  Trajans  Kriegen  mit  den  Daziern  geschichtliche  Wichtigkeit  erlangt  haben. 
Zunächst  galt  es,  die  Lage  der  von  hervorragenden  Historikern  vielgesuchten 
Mansion  Taliata,  mit  Trajans  zweitem  Donauübergang  von  Viminacium  abwärts, 
endgültig  zu  bestimmen.  Das  Itin.  Ant.  entfernt  Taliata  36,  die  Tab.  Peut.  37  Millien 
von  Cuppae  und  20  von  Dierna.  D'Anville  vermutete  es  bei  einem  dem  dazischen 
Pescabara    gegenüberliegenden   Kastell,    das   dem   heutigen   Golubinje    entspricht; 


Porecka  reka-Brücke. 


Mannert  identifizierte  es  mit  den  von  Marsigli  auf  dem  linken  Porecka  reka-Ufer 
angegebenen  Resten  zweier  Römerwerke,  i)  Aschbach  schwankte  in  der  Wahl  zwischen 
Lukadnizza*)  oder  Columbina  (Golubinje),  und  Kiepert  setzte  es  bei  Donji  Milanovac 
an^).  Alle  diese  Punkte  liegen  näher  oder  entfernter  von  der  breiten  Talausweitung 
an  der  Porecka  reka-Mündung,  welche  in  Wahrheit  allein  zwischen  dem  Greben- 
und  dem   Kazanpasse   den   nötigen  Raum   für   eine   befestigte  grosse  Kolonie,  als 


')  A.  a.  O.  „Noch  jetzt  hat  sich  im  richtigen  Abstände  der  Ort  Tatalia  erhalten." 
Es  ist  dies  jenes  von  mir  1867  weggeräumte  fiktive  Dorf,  das  Mannert,  zur  Stützung  seines 
Ansatzes,  aus  dem  in  Griselinis  Karte  angegebenen  Felsriff  Tahtalia  gestaltete,  bei  dem 
V.  Neigebauer  und  Aschbach  die  Trajanstafel,  Ackner  und  Müller  diese  mit  noch  zwei 
anderen  Inschriften  anführten. 

')  S.  I.  Bd.  Lukadnica  zähh  zu  den  fiktiven  Orten,  an  welchen  die  serbische  Karte 
noch  vor  40  Jahren  so  reich  war. 

8)  C.  1   L.  111,  Tab,  II. 


über  Radujevac,  Negotin,  den  Deli  Jovan  usw.  auf  den  Miroc 


445 


welche  die  Tab.  Peut.  Taliata  durch  zwei  Türme  kennzeichnet,  und  zur  Ansammlung 
der  zum  Übergang  nach  Dazien  bestimmten  Truppen  bot. 

Schon  meine  ersten  im  Herbste  1887  von  Donji  Milanovac  ausgeführten 
Rekognoszierungen  zeigten,  dass  Taliata  zu  Mösiens  grössten  und  festesten  Waffen- 
plätzen gehörte.  Seinen  fortifikatorischen  Stützpunkt  bildete  ein  120  m  vom  heutigen 
Donaurande,  hart  am  rechten  Ufer  des  Baches  Papratnica  im  Rechteck  angelegtes 
Kastell  mit  140  und  110  in  langen  Mauern,  sieben  Rundtürmen  und  20  m  breitem, 
tiefem  Graben.  Der  5  m  breite  Eingang  befand  sich  an  der  dem  Strome  zugewendeten 
Schmalfront.  Dieses  heute  von  Nuss-  und  Maulbeerbäumen  bewachsene  Werk 
wurde  145  m  gegen  0.  durch  ein  kleineres,  quadratisches  verstärkt,  das,  obschon 
römisch  '),  im  Volk  als  neuere  Schanze  gilt,  weil  es  unter  Karadjordje  gegen  die 
Türken  verteidigt  wurde.  Westlich  von  der  Papratnica  dehnt  sich  ein  300  m  breites, 
überschwemmungsfreies  Terrain  bis  zum  Donji  Milanovacer  Friedhof  aus,  auf  dem 


Plan  von  Taliatas  Befestigungen. 


ich  1889  endlich  die  früher  vergeblich  gesuchten  Reste  der  civitas  von  Taliata  fand. 
Die  ansehnlichen  Substruktionen  und  grossen  Werkstücke,  welche  dort  gelegentlich 
beim  Ackern  zum  Vorschein  kamen,  lassen  mich  annehmen,  dass  das  Forum  von 
Taliata  zwischen  dem  Kazanski  und  Varoski  potok  stand.  Südlich  von  den 
Papratnica-Kastellen  lässt  sich  das  Weichbild  der  civitas  bis  auf  die  Weinberge 
der  Milovanova  Cuka  verfolgen;  dort  befand  sich  auch  die  ausgedehnte  Nekropole, 
von  deren  Grabsteinen,  wie  mir  Herr  Dampfschiffahrtsagent  Ilija  Zaric  im  Oktober 
1889  persönlich  mitteilte,  einzelne  noch  vor  20  Jahren  sichtbar  waren;  gestempelte 
Ziegel  von  den  ausgemauerten  Gräbern  liegen  selbst  heute  allerorts  umher.  Es 
wäre  möglich,  dass  zur  Römerzeit  am  westlichen  Ribnicki  potok  ein  Friedhof 
lag;  antike  Münzen  zwischen  zahlreichen  Menschenknochen,  welche  dort  beim 
Zurücktreten  der  Donau  gefunden  werden,  lassen  dies  um  so  mehr  annehmen,  als 
Taliatas  im  weiten  Halbkreise  angelegte  Befestigungen  sich  über  jene  Region  bis 


')  Marsigli  sah  es  bereits  im  Beginne  des  18.  Jahrhunderts. 


446 


Über  Radujevac,  Neiiotin,  den  Deli  Jcivan  iisw    nuf  den  Miroc. 


gegenüber  der   Porecinselschanze    erstreckten.      Sowohl    dort,    wie    am    Ribnicki 
potok  blieben  die  Rudimente  kleiner  Werke  an  der  Strasse  erhalten. 

Schon  Prokopius  erwähnt,  dass  Taliata  mehrere  Kastelle  besass.  Seine  Werke 
begannen  auf  dem  linken  Ufer  des  Zlaticabaches,  nahe  dem  alten  Majdanpeker 
Weg  und  südlich  vom  heutigen  Bezirksamte,  mit  einem  kleinen  Rundturm  von 
5  m  Durchmesser  und  60  cm  Mauerstärke,  von  dem  1889  ein  4,5  m  langes,  1  m 
hohes  Segment  und  viele  Deckziegelstücke  erhalten  waren.  Die  Verfolgung  der 
bis  zur  Porecka  reka  ziehenden  Mauern,  welche,  bald  stärker,  bald  schwächer,  der 
alten  Befestigung  oder  grösseren  Bauten  Taliatas  angehörten,  führte  mich  auf  das 
kegelförmig  abgeschnittene  Glavicaplateau;  doch  zeigte  sich  keine  Spur,  dass  es 
jemals  ein  Kastell  krönte,  wie  zu  Donji  Milanovac  allgemein  geglaubt  wird.  Dagegen 
war  der  Nordfuss  des  Berges  stark  befestigt.  Wo  die  aus  Taliata  östlich 
fortziehende  Donaustrasse  wegen  häufiger  Überflutung  des  Porecka  reka-Deltas 
dieses  mit  scharf  S.  abbiegender  Kurve   umgeht,  stiess  ich    auf   einen  römischen 


RiiinertLirni  auf  der  Caretina. 


Rundtunii  von  10  m  Durchmesser  und  1,5  m  Mauerstärke,  vun  dem  SO.  eine 
240  m  lange,  nach  einem  zweiten  Rundturm  ziehende  Mauer  noch  40  m  östlich 
bis  zum  linken  Porecka  reka-Rande  läuft. 

Eine  zweite  in  gleicher  Richtung  auf  dem  rechtsuferigen  Terrassenrande 
sichtbare  Mauer  stand  in  enger  Beziehung  zum  ziemlich  gut  erhaltenen  rechts- 
uferigen Rundturm  auf  der  einen  weiten  Ausblick  zum  Kazan-  und  Greben-Defilee 
gestattenden  Caretina-Höhe.  Landschaftern  würde  seine  noch  7  m  hohe,  von 
einem  pittoresken  Salas  umfangene  Ruine  eine  prächtige  Studie  bieten,  die  ihn 
bewohnende  Walachenfamilie  und  ihre  wilden  Wolfshunde  die  passendste  Staffage. 
Unten  rauscht  der  breite  Strom,  aufgelöst  in  tausend  durchsichtige,  weissgeränderte, 
meergrüne  Wellen,  über  die  Felsensohle  des  Jucriffes  in  die  Donja  Klisura 
(Kazanpass).  Auge  und  Ohr  bleiben  staunend  beschäftigt.  Wie  beneidenswert 
wäre  dieser  arme,  nur  ein  kleines  Maisfeld  und  wenige  Ziegen  sein  eigen  nennende 
Walache,  der  sich  hier  auf  einem  der  entzückendsten  Punkte  des  Donaulaufs 
eingenistet  hat,  besässe  er  Sinn  für  dessen  Pracht. 

Für  geringen  Lohn  machte  er  mit  uns  den  an  der  Gradisnica-Brücke 
beginnenden  Aufstieg  zum   Berg  Cetace  und  hütete,   als  wir  auf  der   Serpentine 


über  Radujevac,  Negotin,  den  Deli  Jnvan  usw.  auf  den  Miroc.  447 

des  alten  Römerwegs  einen  kleinen  Wiesenplan  erreiciit  hatten,  dort  unsere  Pferde. 
Wir  kletterten  noch  ein  gutes  Stück  zu  Fusse  durch  das  Wakidickicht  höher,  bis 
unser  Pandur  rief:  „Evo  gradiste!" 

In  Wahrheit  stand  ich  vor  einer  quadratischen  Befestigung  mit  40  ni  langen 
Fronten,  deren  zweifellos  römisches,  noch  3  m  hohes  Mauerwerk,  aus  Gneis, 
Glimmerschiefer  und  Ziegelstücken,  1,5  m  stark  war.  Zwischen  seit  Jahrhunderten 
hier  wurzelnden  Eichen  und  Eschen  fand  ich  auch  die  Rudimente  eines  an  die 
innere  Ostmauer  gebauten  Rundturmes,  im  Durchmesser  und  Stärke  vollkommen 
den  beiden  zuvor  geschilderten  an  der  Porecka  reka  ähnlich.  Über  diese  hoch 
aufragend,  diente  er  jedenfalls  als  Auslugswarte  in  das  jenseitige  feindliche,  von 
den  Römern  verlassene  Land  und  zur  Beachtung  jeder  Schiffbewegung  auf  dem 
breiten  Donji  Milanovacer  Becken  bis  zu  den  Toren  des  Greben-  und  Kazan-Defilees. 

Alle  von  mir  durch  ausgedehnte  Untersuchungen  (1887,  1889)  festgestellten 
Reste  von  Taliata  fasst  der  beigegebene  Plan  (S.  445)  übersichtlich  zusammen. 
Meine  Nachfolger  werden  ihn  ergänzen;  vielleicht  gelingt  es  ihnen  auch,  in 
dem  durch  oft  eine  halbe  Stunde  landeinwärts  dringende  Donaustaue  und  den 
oft  sich  ändernden  Porecka  reka-Lauf  stark  verwüsteten  Tale  die  Standorte  der 
Römerbrücken  zu  finden,  auf  welchen  die  antike  Tiace  ihre  Fortsetzung  zum 
Donauufer  nahm. 

Dass  schon  Kaiser  Trajan  deni  Grundsatz:  „Getrennt  marschieren  und  vereint 
schlagen"  huldigte,  beweisen  einerseits  die  vielen  aus  dem  Innern  in  Taliata 
mündenden  Strassenzüge  zur  Sammlung  einer  grösseren  Streitmacht  und  seine 
von  verschiedenen  Punkten  des  mösischen  Donaulimes  in  das  Herz  des  feindlichen 
Dazien  führenden  Strassenanlagen.  Wie  bereits  erwähnt,  ging  auch  von  Taliata 
eine  solche  über  Dierna  und  Tibiscum  nach  der  Dazierhauptstadt  Sarmisegethusa, 
doch  fällt  es  schwer,  den  Punkt  sicherzustellen,  bei  dem  sie  auf  das  linke  Stromufer 
überging.  Eine  alte  Tradition  erzählt  von  einer  Schiffbrücke  bei  den  Papratnica- 
Kastellen,  wo  dies-  und  jenseits  bei  den  ungarischen  Tri  Knie,  einer  wahrscheinlich 
mittelalterlichen  Befestigung  auf  römischer  Grundlage, ')  allerdings  genügender 
Raum  zur  Truppenentwickelung  vorhanden,  jedoch  der  Donauspiegel  1,4  km 
breit  ist  und  deshalb  den  Bau  einer  Pontonbrücke  bedeutend  erschwert.  Der 
Übergang  krmnte  aber  auch  bei  dem  östlichen  Golubinje,  ausser  dem  Bereiche 
der  gefährlichen  Jucriff-Strömungen  stattgefunden  haben.  Die  Strombreite  beträgt 
dort  nur  U,7  km,  und  das  \on  der  Tab.  Peut.  angegebene  Mass  zwischen  dem 
DonauUbergang  und  Dierna  (Orsova)  würde,  weil  mit  der  Entfernung  des  letzteren 
von  Golubinje  nahezu  übereinstimmend,  gleichfalls  dafür  sprechen.  Auch  diese 
Örtlichkeit  ist  für  eine  grössere  Truppenansammlung  geeignet;  betrachten  wir  sie 
und  ihre  Befestigungen  näher. 

Um  rascher  abwärts  zur  Donau  zu  gelangen,  schlugen  wir  einen  steilgeböschten 
Seitenpfad  ein.  Rechts  und  links  lichteten  hier  die  Salasbewohner  für  den  Anbau 
von    Mais    und    Weizen    den   Wald,    der   während    der    Freiheitskämpfe    oft    der 


')  Stojka  suchte  in  den  Tri  Kulc  i  drei  Türme;  das  römische  Tricornesium;  iiiihm  buzeugt 
gleichfalls  ihren  antiken  Ursprung  (Arch.-epigr.  Mitt ,  XII,  S.  179). 


448  Über  Radujevac,  Negotin,  den  Deli  Jovnn  usw   auf  den  Miroc. 

serbischen  Rajah  sichere  Zuflucht  bot.  Noch  heute  heisst  ein  schwer  zugängliches 
Asyl,  bei  dem  wir  vorüberkamen,  „razmirica"  (Kriegsort),  denn  selten  waj^te  es 
der  Türke,  in  die  dichten  Buchen-  und  Eichenforste  des  Miroc  einzudringen.  In 
den  letzten  Jahrzehnten  wurden  aber  viele  Stämme  zum  Bahnbau  nach  Rumänien 
geschafft,  ohne  dass  für  ihren  Ersatz  durch  Aufforstung  etwas  geschah,  wie  überhaupt 
alle  Wälder  der  Krajina  durch  das  unausgesetzte  Ausführen  von  Nutz-  und 
Brennholz  stark  zu  leiden  beginnen.  Der  Miroc  bildet  ein  riesiges  Massiv  von 
Glimmerschiefer,  auf  dem  nahe  am  Donaurande  von  der  Golubinja  abwärts  und 
am  östlichen  Hange  hohe  Kalk-  und  Sandsteinschichten  lagern,  durch  welche  der 
Strom  sich  sein  Bett  grub.  Eine  letzte  Serpentine  brachte  uns  hinab  zum  Uferrand, 
an  dem  wir  die  5  km  lange  topfebene  Strasse  nach  Golubinje  rasch  zurücklegten. 
Dort  fand  ich  mein  vorausgesandtes  Lastpferd  gut  untergebracht,  den  dasselbe 
geleitenden  Panduren  aber  vereint  mit  dem  Kmeten  Vasilije  Petrovic  beschäftigt, 
die  müden  Ankömmlinge  vor  der  reinlichen  Mehana   möglichst  gut  zu   bewirten. 

Antike  Ziegel  mit  dem  Stempel  DI  ERNA  im  Schulhause  dieses  Walachen- 
dorfes  leiteten  mich  auf  dem  rechten  Ufer  der  es  durchfliessenden  Golubinja, 
hart  bei  ihrer  Mündung,  zu  einem  quadratischen  Römerwerk,  dessen  starke, 
50  m  lange  Mauerfronten  ein  auf  seiner  Ruine  angenistetes  Häuschen  wallartig 
umschliessen.  Vielleicht  vollzog  sich  bei  dieser,  schon  von  Marsigli  unter  dem 
heute  ungekannten  Namen  „Lukadizza"  verzeichneten  Feste'),  auf  der  hier 
allerdings  nicht  gleich  günstigen  Uferentwickelung  wie  an  der  Papratnica,  der 
Übergang  eines  Teiles  des  nach  dem  jenseitigen  Dierna  ziehenden  Trajanschen 
Zentrums. 

Sicher  hat  die  Römerbrücke  aber  nicht  2,5  Millien  nordöstlicher  bei  dem 
Kastell  gestanden,  das  ich  auf  der  schmalen,  keine  grosse  Truppenentwickelung 
gestattenden  15  m  hohen  Uferterrasse,  im  linken  Mündungswinkel  der  Mala 
Golubinja  traf.  Seine  38  m  langen,  1,5  m  starken  Mauern  enthalten  neben 
zahlreichen  mit  DIERNA  gestempelten  31  cm  langen,  15  cm  breiten  und  9  cm 
hohen  Ziegeln  einzelne  mit:  DRP  DIERNA^).  Hier  wurde  auch  das  29  cm 
hohe,  27  cm  breite  eingeritzte  Bruchstück  einer  Ziegelinschrift  ausgegraben,  das 
ich  im  Oktober  1887  beim  Donji  Milanovacer  Forstaufseher  Kojcinovic  kopierte. 
Meine  Abschrift  unterscheidet  sich  von  der  1888  veröffentlichten^)  in  einigen 
Buchstaben  und  zeigt  in  der  ersten  Zeile  deutlich  das  in  der  dort  publizierten 
Lesung  durch  Domaszewski  in  CL  korrigierte  Q. 

Von  diesem  Kastell  zog  die  Strasse  nahe  der  höchsten  Wasserstandslinie 
hart  am  Uferrande  weiter,  auf  der  dem  Mirochange  mühsam  abgerungenen  Trace, 
welche,  wo  die  Felsmauern  steil  in  den  Strom  fallen,  nur  2—2,5  m  breit,   durch 


')  A.  a.  O.,  Bd.  I,  Tab.  VI. 

=)  C.  1.  L.  ill,  Suppl.  Fase.  II,  No.  8277.  —  Starinar.  V,  S.  20,  wurden  die  beiden  ersten 
Buchstaben  von  Valtrovic  irrig  lOB  gelesen  und  der  Stempel  als  erste  Inschrift  von  „Dierna" 
erwähnt.  Vgl.  auch  Kaiinka  und  Svoboda,  Arch.-epigr.  Mitt.,  XIII,  S.  37,  wo  Dierna  gleichfalls 
irrtümlich  bei  Golubinje  angesetzt  erscheint.  Über  dessen  wirkliche  Lage  werde  ich  im 
XVII.  Kap.  sprechen. 

■>)  Starinar,  V,  S.  22.  -  -  C.  I.  L.  III,  Suppl.  Fase.  II,  No.  8277 


über  Radiijevac,  Ncijotin,  den  Deli  |ovan  usw.  auf  den  Miroc. 


449 


eine  hölzerne  Bahn  verbreitert  wurde,  die  auf  in  quadratischen  Vertiefungen 
befestigten,  sehr  starken  Querbalken  ruhte.  Bei  der  Unnahbarkeit  der  im  Strbac 
789  m  hoch  aufragenden,  nahezu  senkrechten  Felswände  bedurfte  die  Strasse  hier 
keines  Schutzes.  Erst  10  Millien  von  der  Mala  Golubinja  abwärts  hatten  die 
Römer  ein  viertes  Kastell  zur  Hut  des  Kazans  auf  der  Mrakonija  angelegt. 

Die  zwischen  den  Donauübergängen  Taliata  und  Egeta,  26  km  ins  Dazierland 
vorspringende  nördliche  Landzunge  zwang  die  Römer  zur  Anlage   einer  direkten 


Die  Röincrkastelle  am  Miroc. 


Heerstrasse 'auf  der  kürzeren  Bogensehne  übei  das  Mirocgebirge,  welche  den 
Legionen  die  Verfolgung  der  bewundernswerten,  aber  oft  schwierig  zu  passierenden 
und  zeitraubenden  Kunststrasse  durch  den  Kazan  ersparte.  Diese  von  der  Tab. 
Peut.  angedeutete  Trace  zweigte  bei  der  Gradiänicabrücke,  nahe  der  Porecka  reka- 
Mündung,  vom  Donauheerweg  ab,  erklomm  zuerst  mit  einigen  Serpentinen  eine 
kleine  Hochwiese,  dann  mit  stärkerer  Steigung  das  bereits  geschilderte  Kastell 
auf  dem  Berg  Cetace,  um  dauernd  von  W.  nach  O.  auf  dem  gewonnenen, 
21  km  breiten  Plateau  seinem  Donauhange  bei  Brza  Palanka  zuzustreben.     Die  für 

F.  KANITZ,  Serbien.    U.  29 


4r)()  über  Radujevac,  Negotiii,  den  Deli  Jovaii  usw    auf  den  Miroc. 

den  Waj^eiivcrkelir  wenij,'er  steile  lieutige  Trace  über  den  Miroc  umgeht  lici  der 
Porecka  reka-Mündung  die  turnigekronte  Caretina,  erklettert  nacii  ganz  kurzem 
Laufe,  hart  am  Donaurand,  in  21  Serpentinen  das  Plateau  des  Miroc  und  vereinigt 
sich  erst  beim  Dorfe  Mirocevo  mit  der  Römerstrasse.  Ein  noch  kürzerer  Hochweg 
vom  Golubinja-Kastell  strebt  gleichfalls  dem  Dorfe  Mirocevo  zu  und  wurde 
wahrscheinlich  schon  in  römischer  Zeit  benutzt. 

Um  diesen  zeitsparenden  Römerweg  kennen  zu  lernen,  stieg  ich  im  Oktober 
1887  von  Golubinje  zum  Miroc  auf;  unser  Tross  schlug  die  bequemere  Serpentinen- 
strasse  ein,  die  wir  unter  Kmet  Vasilijes  kundiger  Führung,  auf  durch  prächtigen 
Wald  und  abgeerntete  Salasfelder  sich  schlängelnden  Pfaden,  auf  der  Passhöhe 
(508  m)  erreichten.  Auf  diesem  Punkte  war  die  Station  Gerulatis  zu  suchen, 
falls  die  zwischen  ihr  und  Taliata  von  der  Tab.  Peut.  angegebene  Entfernung 
mit  8  Millien  richtig  war.  Wirklich  traf  ich  nach  einigem  Umfragen,  kurz  vor 
Mirocevo,  ein  rechteckiges  Kastell  von  am  Donaulimes  seltener  Grösse  (Lang- 
fronten 106  m,  Schmalseiten  94  ni)  und  östlich  die  Reste  seiner  beträchtlichen 
Zivilniederlassung.  Wo  die  alte  Trace  mitten  durch  das  1872  entstandene  Dorf 
geht,  kam  ein  keramischer  Estrich  zum  Vorschein,  dessen  über  Eck  gestellte 
14  cm  lange,  9  cm  breite  und  3  cm  hohe  Platten  meist  ohne  Mörtel  aneinander- 
gereiht waren.  Es  war  nicht  der  einzige  Fund  in  dem  78  Häuser  zählenden, 
stetig  wachsenden  Walachenorte,  dessen  Gehöfte  zumeist  auf  Grundfesten  von 
antikem  Material  stehen  und  viel  Unbenutztes  bergen.  Nahe  der  Mehana  lagen 
kreisrunde,  6  cm  hohe  Ziegelplatten  von  17  cm  Durchmesser,  die  wahrscheinlich 
zur  Herstellung  kleiner  Säulen  gedient  und  von  einer  quadratischen  Baute  am 
fünf  Minuten  entfernten  Valja  mare  potok  stammten,  deren  aus  Sandstein  und 
Ziegeln  hergestellte  Fundamente  11  m  Länge  bei  1,10  m  Mauerstärke  massen. 
Als  ich  dort  im  Herbst  1887  wieder  das  Terrain  durchstöberte,  stiess  ich  auf 
Tonröhren  einer  römischen  Wasserleitung,  von  welchen  später  etwa  20  für  die 
1889  erbaute  Dorfcesma  verwendet  wurden;  ferner  auf  einzelne  skulptierte  Werk- 
stücke. Wir  dürfen  also  annehmen,  dass  das  nun  bei  Mirocevo  festgestellte 
Gerulatis,  dessen  Reste  bereits  Marsigli  signalisiert  hatte'),  eine  ebenso  feste 
wie  durch  die  Künste  verschönte  Niederlassung  war. 

Die  ersten  Ansiedler  des  1872  entstandenen  Mirocevo  kamen  aus  Dibre 
am  Ohridsee.  Zu  diesen  gesellten  sich  Walachen  aus  Ungarn  und  1889  aus 
Popovica.  Jede  Familie  erhielt  2,5  Hektar  Waldterrain  zur  Urbarmachung  und 
entsprechenden  Gehöftgrund.  Im  Dorfe  herrschte  die  weinseligste  Stimmung. 
Die  Hochzeitsfeier  eines  Paares,  dessen  Zug  in  die  Donji  Milanovacer  Kirche  ich 
am  Tage  zuvor  gesehen,  hatte  die  Geister  so  erregt,  dass  meine  Umfragen  nach 
alten  Bauresten  an  der  Strasse  nach  Brza  Palanka  sehr  widerspruchsvoll  beantwortet 
wurden.  Es  handelte  sich  für  mich  darum,  das  gleichfalls  bisher  unbestimmt 
gebliebene  antike  Unam  zu  finden,  das  die  Tab.  Peut.  6  Millien  von  Gerulatis 
und  gleich  entfernt  von  Egeta  ansetzte,  demnach  auf  halbem  Wege  zwischen 
Mirocevo  und  Brza  Palanka  gestanden  haben  musste. 


•)  A.  a.  O.,  Bd.  I,  Tab.  XVI. 


über  Radujevac,  Negotin,  den  Deli  Jovnn  usw.  auf  den  Mirot.  451 

Einem  Winke  des  giaubwiirdifisten  Mannes  folgend,  bog  ich  hinter  dem 
Dürfe  N.  ab,  ohne  nach  längerem  Marsch  auf  antike  Reste  zu  stossen.  Gleicii 
erfolglos  war  meine  Umschau  auf  dem  N.  von  grossen  Dohnen  erfüllten  Terrain, 
nahe  der  Pojata  Silva,  welche,  zwischen  Buchen-  und  Eichenständen,  eine 
prächtige  Fernsicht  nach  der  Donau  bietet.  Auch  meine  eifrigen  Rekognoszierungen 
auf  dem  trotz  seiner  Unsicherheit  im  Oktober  1889  von  mir  zum  zweitenmal 
besuchten  Miroöplateau  blieben  ohne  Resultat.  Auf  der  Meteris  genannten, 
stark  überwachsenen  Höhe  stiess  ich  wohl  auf  das  [Pflaster  der  alten  Strasse,  aber 
auf  keine  Anzeichen  von  Mauerwerk.  Während  der  letzten  3  km  abwärts  nach 
Brza  Palanka  wuchs  die  Dunkelheit  derartig,  dass  wir  bedacht  sein  mussten,  nicht 
in  die  Gräben  dies-  und  jenseits  der  Strasse  abzustürzen.  Nur  selten  blitzte  in 
den  Waldlichtungen  das  Feuer  eines  Salaä  auf,  noch  seltener  begegnete  uns 
ein  Reiter,  der  dann  gewöhnlich,  von  gleich  unfreundlichem  Gefühl  wie  wir  erfasst, 
sein  Pferd  zu  grösserer  Eile  spornte.  Ohne  weiteres  Abenteuer  kamen  wir 
endlich  bei  strömendem  Regen  nach  Brza  Palanka,  und  eine  Stunde  später 
langte  auch  unser  Tross  heil  in  seiner  Mehana  am  Donaustrand  an,  die  sich  in 
allem  vorteilhaft  von  dem  elenden  Wirtshaus  unterschied,  das  mich  dort  1860 
beherbergte. 

Im  grossen  Gastraum  trafen  wir  zufällig  den  Sumar  (Förster).  Obschon  er  aber 
das  Mirocplateau  angeblich  genau  kannte,  wusste  er  nichts  von  dortigen  Ruinen. 
Nur  der  Mehandzija  wollte  solche  auf  der  „Sapatura"  bemerkt  haben.  Als 
Ingenieur  Pavlovic  diese,  eine  Stunde  von  Mirocevo  entfernte  Lokalität  im  Mai 
1890  auf  meinen  Wunsch  besuchte,  fand  er  120  m  S.  von  der  Strasse  und  50  m 
östlich  von  der  Sapaturaquelle,  auf  etwa  50  m  langem  und  35  m  breitem  Räume, 
einige  Vertiefungen  mit  von  Grabungen  herrührenden  Erdhaufen,  in  welchen 
Serpentinsteine  vorkamen.  Das  Ganze  machte  den  Eindruck  einer  von  Menschen- 
hand durchwühlten  Stätte;  doch  bedarf  es  in  die  Tiefe  gehender  resultatreicher 
Nachforschungen,  um  mit  Bestimmtheit  sagen  zu  können,  dass  ein  antiker  Bau 
an  dieser  Stelle  sich  befand. 

Am  nächsten  Morgen  blaute  das  Firmament  wieder.  Ich  benutzte  ihn,  um 
Brza  Palankas  antike  Reste  aufzusuchen.  Von  des  Städtchens  grösserem  Glänze  zur 
Römerzeit  sprechen  die  Wälle  dreier  Kastelle  und  Mauern  ausgedehnter  Bauten, 
die  ich  im  östlichen  Stadtteil  auf  die  Uferterrasse  hoch  hinauf  verfolgte,  ihre 
Lage  ist  in  dem  von  mir  aufgenommenen  Plane  ersichtlich.  Die  Mauerfronten 
des  östlichen  Kastells  zeigen  nahezu  gleiche  Verhältnisse  wie  jenes  zu  Mirocevo, 
das  mittlere  (ß)  54  m  und  26  m,  das  westliche  (C)  litt  stark  beim  Bau  der  es 
durchquerenden  neuen  Miroestrasse  und  durch  den  vorbeifliessenden  Bach.  Es 
dürfte  identisch  sein  mit  dem  einzigen  Kastell,  das  Marsigli  zu  Brza  Palanka 
verzeichnete.  Von  den  vier  Rundtürmen  ist  wenig  erhalten;  die  Südwestmauer 
zieht  aber  tief  hinab  ins  Städtchen,  wo  ich  im  Stalle  des  Holländers  Uysterhagen 
auf  dieselbe  stiess. 

Südlich  vom  heutigen  Brza  Palanka  fand  ich  bedeutende  Reste  der  grössten- 
teils durch  die  Hochwasser  der  Donau  allmählich  vernichteten  Zivilstadt  Egeta, 
deren  Weichbild  sehr  ausgedehnt  war.     In  diesem  konstatierte  ich  eine  zweifellos 

2i)* 


452 


Über  Radujcvac,  Negotin,  den  Deli  Jovan  usw.  auf  den  Miroc. 


römische,  zum  Kastell /1  führende  Strasse,  bei  dem  von  einem  Prachtbau  herrührende 
ornamentierte  Gesimsplatten  mit  Säulenstämmen  gefunden  wurden,  im  nahen 
Garten  des  Lehrers  Sima  Mihailovic  sah  ich  fünf  56  cm  lange,  10  cm  hohe 
quadratische   Ziegelplatten    mit    in    meinen    „Römischen    Studien"    abgebildetem 


BRZA    PALANKA.     Zivilstadt  Egeta. 


Stempel.  Von  den  zu  Brza  Palanka  wiederholt  gemachten  antiken  Münzfunden 
erzählten  mir  glaubwürdige  Männer,  dass  die  1869  beim  Kirchenbau  beschäftigten 
Arbeiter  über  20  kg  Silbermünzen  in  Halbdinargrösse,  von  Alexander  Severus, 
Augustus,  Julianus  und  anderen,  ausgruben,  von  welchen  die  Kirche  1200  d  Wert 
und  der  Staat  den  Rest  erhielt.  Um  nicht  gleichfalls  mit  dem  Fiskus  teilen  zu 
müssen,  floh  ein  Maurer,  der  bei  der  Fundamentierung  auf  einen  Goldmünzenschatz 


über  Radujevac.  Negotin,  den  Deli  Jovan  usw.  auf  den  Mirot.  453 

stiess,  nach  Rumänien.  Gleich  häufig  sind  die  Funde  von  Waffen,  Bronzen, 
Schmucksachen,  Kameen  usw.  Oft  werden  solche  auch  von  Einwohnern  dem 
vor  der  Mehana  ausruhenden  Fremden  zum  Kauf  angeboten.  Egetas  aus- 
gedehnte Verteidigungsweri<e  zeigen  aber,  dass  die  zur  Trajansbrücke  laufende 
Donauheerstrasse  bei'  Brza  Palanka  in  einen  strategisch  wie  kommerziell  gleich 
bedeutsamen  Knotenpunkt  mündete,  dem  bei  romischen  Unternehmungen  in  das 
jenseitige  Dazien  eine  grosse  Rolle  zufiel. 

Ptolemäus,  der  nur  bedeutende  Städte  erwähnt,  nennt  Egeta,  das  Itin.  Ant. 
verzeichnet  es  21,  die  Tab.  Peut.  nur  20  Millien  entfernt  von  Taliata,  mit  einem 
Stromübergange  zu  den,  entlang  dem  Ciul  und  der  Aluta,  in  das  unterworfene 
Dazien  führenden  Strassen.  Franke  und  Aschbach  setzten  Egeta  bei  Kladovo  an. 
Kiepert  erkannte  es  aber'),  nach  der  Tab.  Peut.,  welche  sich  für  diese  Region  am 
verlässlichsten  erweist,  in  Brza  Palanka.  Die  Masse  der  Tafel  von  Egeta  nach  Taliata 
mit  20,  nach  dem  dazischen  Drubetis  (Turn  Severin)  mit  21,  und  donauabwärts 
nach  Clevora  (Mijailovac)  mit  9  Millien  passen  zweifellos  besser  auf  Brza  Palanka 
als  auf  Kladovo,  und  die  Identifizierung  des  letzteren  mit  Egeta  muss  nach  meinen 
letztjährigen,  auf  dem  Terrain  selbst  gewonnenen  Studien  fallen,  will  man  nicht, 
wie  der  noch  1877  an  Kladovo  festhaltende  Dragasevic,  in  die  grössten  Wider- 
sprüche geraten.'-)  Denn  es  geht  nicht  an,  das  sowohl  vom  Itin.  Ant.  als  von 
der  Tafel  nahezu  übereinstimmend  angegebene  Mass  zwischen  Taliata  und  Egeta 
als  Schreibfehler  zu  erklären  und  durch  Zusatz  von  XVII  Kladovo  anzupassen, 
oder  das  sowohl  von  der  Not.  Imp.  als  von  Procopius  auf  dem  rechten  Donauufer 
angegebene  Transdierna  bei  dem  linksuferigen  Cernec  zu  suchen,  wie  dies  Aschbach 
getan,  obschon  die  Tab.  Peut.  dort  kein  solches  kennt,  sondern  21  Millien  von 
Egeta  die  Brückenstadt  Drubetis  verzeichnet,  deren  Reste,  in  gleicher  Entfernung 
von  Brza  Palanka,  noch  beim  heutigen  Turn  Severin  vorhanden  sind,  was  auch 
Kiepert  zu  ihrem  Ansätze  dort  bestimmte. 

Von  dem  antiken  Egeta  wissen  wir  durch  die  Not.  Imp.,  dass  es  im  Beginn 
des  5.  Jahrhunderts  als  Standplatz  einer  Schiffsabteilung  und  Reiterschwadron 
von  Truppen  der  Leg.  XIII  Gemina  besetzt  war,  welche  vor  dem  Verluste  Daziens 
in  der  Colonia  Ulpia  Traiana  Sarmisegethusa  ihr  Hauptquartier  hatte.  Als  die 
Barbaren  die  römischen  Donauprovinzen  überfluteten,  ereilte  Egeta  das  gleiche 
Schicksal  aller  Uferstädte.  Seine  Ruinen  lieferten  später  dem  Kaiser  Justinian 
das  Material  zur  Herstellung  einiger  benachbarter  Kastelle,  welche  ich  bei  der 
weiteren  Verfolgung  des  Donaulimes  nach  N.  und  S.  auffand  und  noch  schildern 
werde.  Unter  den  Türken  und  während  der  österreichischen  Okkupation  war 
„Pirsa"  eine  feste  Palanka.  1860  sah  ich  auf  dem  Hochplateau  am  Donauufer 
Reste  von  Stadtmauern  und  Moscheen,  welche  von  seiner  türkischen  Vergangenheit 
erzählten.  1810  verteidigten  drei  mit  650  Mann  besetzte  stark  verpalisadierte 
Schanzen  das  Städtchen  tapfer  gegen  die  es  einschliessenden  Serben.  Als  aber 
der  vor  Prahovo  befehligende  Graf  Zukato  am  1.  Juli  letzteren  den  Major  Jukoff 
mit  einem  Bataillon  des   Neu-Jegrischen  Regiments,  vier  Geschützen   und  einigen 

')  C.  I.  L.  III,  Tab.  II. 
>)  A.  a.  0 


454  (ibcr  Radujevac,  Negotii!,  den  Deli  Jovan  usw.  auf  den  Mirot. 

Hundert  von  Milan  Obrenovic  geführte  Serben  zu  Hilfe  sandte,  kapitulierte  die 
Besatzung  mit  Zurücklassung  von  vier  Kanonen,  drei  Fahnen  und  vielem  Proviant') 
gegen  zugebilligten  freien  Abzug  nach  Vidin.  Der  von  dort  zurückgekehrte  Vuk 
Karadzic  übernahm  1813  auf  Karadjordjes  Befehl  in  sehr  schwieriger  Zeit  die 
Organisation  des  Bezirks  für  den  in  Sicht  tretenden  neuen  Kampf.  Es  war  der 
letzte  Dienst,  den  der  berühmte  Schriftsteller  als  Beamter  seinem  Vaterlande 
erwies.  Bald  darauf  wurde  Brza  Palanka  wieder  türkisch  und  blieb  es  bis  1833, 
wo  sich  dort  die  Scharen  sammelten,  welche  die  Moslims  dauernd  aus  der  Krajina 
über  denTimok  drängten.  Nun  sollte  Brza  Palanka  das  Zentrum  des  neugeschaffenen 
Kreises  werden;  Negotin  siegte  aber  im  Wettbewerb  und  Brza  Palanka  erhielt  nur 
ein  Zollamt  mit  Fähre  für  den  damals  bedeutenden  Rohprodukten-  und  Vieh-Export 
nach  der  Walachei  und  Ungarn.  Obschon  später  eine  Dampferstation  hinzutrat, 
sank  nach  dem  Wegzuge  der  Türken  Brza  Palankas  Handel,  und  selbst  zuletzt 
fand  ich  sein  Post-  und  Telegraphenamt  auffallend  schwach  beschäftigt. 

Das  780  Bewohner  in  172  Häusern-)  zählende  Bezirksstädtchen  besitzt  eine 
an  seinem  Südende  isoliert  stehende,  1871  geweihte  hl.  Geistkirche  mit  hohem  Turm. 
Ihre  Ikonostasis  und  den  Presto  (Thron)  schmückte  Casnji  mit  Malereien,  deren 
Stil  ich  bereits  im  ersten  Band  würdigte.  Ihre  prächtigen  Ehrenstühle  schnitzte 
der  einige  Zeit  in  Brza  Palanka  lebende  Italiener  Aloisios.  In  der  benachbarten 
vierklassigen  Nornialschule  unterrichten  drei  Lehrer  den  städtischen  Nachwuchs.  Im 
Oktober  1887  traf  ich  in  Brza  Palanka  den  Holländer  Jean  Uysterhagen  aus  Gans,  der 
die  nahen  Eichenwälder  zur  Erzeugung  von  Fassdauben  vom  Staate  auf  drei  Jahre 
gepachtet.  Schwellen  für  die  Kohlenbahn  Vrska  Cuka — Radujevac  lieferte,  auch 
Nussholz  ausführte  und  ein  1888  am  Aliksarbach  angeschürftes  Kohlenflöz  ausbeuten 
wollte.  Man  versprach  sich  viel  von  seiner  überall  zugreifenden  Tätigkeit;  als 
ich  ihn  aber  1889  wieder  besuchen  wollte,  hörte  ich,  dass  er  gleich  schlecht 
spekuliert  hatte,  wie  der  ebenfalls  von  seinem  Belgrader  Initiator  Vasa  Sokolovic 
beratene  Ostender  Holzhändler  Debique  in  Kupuziäte  und  ein  anderer  Unternehmer 
in  Dubocane.  Wenige  Monate  zuvor  war  der  ruinierte  Holländer  mit  Frau  und 
Sohn,  unter  Zurücklassung  seiner  Habe,  aus  Brza  Palanka  verschwunden. 

Das  vorerwähnte,  nur  6  km  vom  Städtchen  ferne  Kohlenflöz  „Aliksar" 
am  gleichnamigen  Bache  lagert  2 — 4  m  mächtig  zwischen  mit  Kohlenpartikeln  und 
Tonschichten  gemengten  grauen  Sandsteinen.  Seine  braune,  harzige  Tertiärkohle 
wurde  1890  durch  staatliche  Geologen  auf  ihre  Abbauwürdigkeit  am  Orte  geprüft, 
wobei  man  die  vorgefundenen  Schächte  reinigte,  verlängerte  und  die  Galerien 
vermehrte.  Der  Bergingenieur  Rosberg  erkannte  das  Vorkommen  als  verwandt 
mit  der  fossilen  Kohle  beim  südlichen  Sikole  im  Timokbecken.  Die  Regierung 
stellte  seither  „Aliksar",  dessen  Ausbeutung  nur  den  Bau  einer  kaum  7  km  langen 
Bahn  zur  Donau  bedingt,  der  jungen  serbischen  Dampfschiffahrts-Gesellschaft  zur 
freien  Verfügung. 


')  Documenti  privitore  la  Istoria  Romanilor,  1709-1812.    S.  308.    Bukuresci  1887. 
'')  1905  zählte  Brza  Palanka  in  210  Häusern  1051  Einwohner. 


über  Radujevac,  Negotiii,  den  Dcli  Jovan  usw    auf  den  Miroc.  455 

Die  hart  an  der  Donau  laufende,  nahezu  geradlinige  Negotiner  Strasse  liilirt 
mit  4  km  von  Brza  Palanka  zur  Slatinska  reka.  Auf  ihrem  linken  Ufer  stiess  ich 
unfern  der  Brücke  auf  ein  die  zum  flachen  Donauufer  vorspringende  sanfte  Höhe 
krönendes  Kastell  mit  30  m  langen  Mauerfronten;  350  m  östlich  von  diesem 
Bollwerk  und  280  m  von  der  Mündung  des  1891  solid  überbrückten  Baches 
befand  sich  hart  am  Donaurand  ein  grösseres  mit  55  m  langen  Wällen,  das 
hier  jede  Landung  hinderte.  Wir  Hessen  das  Dorf  Slatina  mit  seiner  „Bell 
Izvor"  genannten  Bittersalzquelle  rechts  und  erreichten  mit  3,5  km  ein  drittes, 
quadratisches  Kastell,  das  gleichfalls  links  von  der  Strasse,  hart  am  Prijodbach 
und  Donauufer,  auf  der  mit  Wein  bebauten  höheren  Terrainwelle  „Hajducka" 
stand.  Seine  stark  verwüsteten  Mauern  messen  40  m  und  liegen  gegenüber 
der  Nordspitze  der  äusserst  fruchtbaren,  prächtige  Herden,  Mais-  und  Weizen- 
felder bergenden,  15  km  langen  rumänischen  Insel  „  Oslrovo  mare",  mit 
gleichnamigem  Dorf  und  mehreren  Wachhäusern.  Diese  15  km  lange  Insel 
entfernt  das  serbische  Ufer  an  ihrem  breitesten  Punkte  4  km  vom  rumänischen, 
zwischen  dessen  Auen  und  Sümpfen  sich  riesige  Schaf-,  Pferde-  und  Rinderherden 
umhertummeln. 

Das  3,5  km  weiter  folgende,  von  Fürst  Milos  nach  seinem  ältesten  Sohne 
benannte  Mijailovac,  entstanden  1833  durch  jenseitige  Walachen,  die  hier 
Wälder  und  Weingärten  besassen,  gilt  als  eine  der  grössten  rumänischen  Ansiede- 
lungen an  der  serbischen  Donau.  Seine  Kirche  ist  ein  Geschenk  des  ersten 
Obrenovic,  die  neue  Schule  erbaute  die  wohlhabende  Gemeinde  selbst  1889,  da 
ihre  alte  für  die  sie  besuchenden  80  Knaben  und  Mädchen  nicht  mehr  ausreichte. 
Das  in  einem  prächtigen  Silberpappelhaine  liegende  Dorf  exportiert  mit  seiner 
Umgebung  jährlich  lüOOü  Hektoliter  dem  spanischen  an  Güte  ähnlichen  Weines; 
der  Mais-  und  Weizenbau  reicht  aber  nur  für  den  eigenen  Bedarf.  1886  wurden 
per  Hektoliter  15  —  20  d,  1887,  in  dem  der  Wein  minder  geriet  und  sich  wenige 
Käufer  einstellten,  kaum   12  — 15  d  erzielt. 

Die  Morgensonne  warf  ihr  Rot  über  die  tiefblauen  Donauarnie  auf  die  fernen 
weissen  Sandhöhen  von  Prahovo  und  seine  neue,  hochliegende  Kuppelkirche,  als 
wir,  begleitet  von  dem  höchst  intelligenten,  in  Orsova  erzogenen  Kaufmann  Jovan 
Popovic,  zur  Zamna  ritten,  wo  die  von  Ingenieur  Paviovic  erbaute  dreibogige 
Brücke  eben  vollendet  wurde.  Da  es  sich  um  die  stark  belebte  Staatsstrasse 
Belgrad  — Vidin  handelte,  erhielt  ihr  35  m  langer  Oberbau  eine  Breite  von  5,6  m, 
und  weil  der  grosse  Bach  im  Frühjahr  stark  anschwillt,  beträgt  die  Spannweite 
ihrer  drei  Bogen  je  10  ni  bei  3  ni  Höhe.  Der  ungemein  zierliche  Bau  wurde 
aus  Muschelkalkstein  der  trefflichen  Brüche  des  nahen  Mala  Kamenica  ausgeführt, 
wo  das  Material  sich  auf  1  d  per  Kubikmeter  stellt.  Dieser  graue,  weissdurch- 
äderte  Kalkstein  lehnt,  oft  von  Sandstein  überlagert,  an  vom  Miroc  O.  streichenden 
Glimmerschiefern  und  wird  bereits  nach  allen  Richtungen  verführt,  während  man 
früher,  beispielsweise  für  die  Donji  Milanovacer  Kirche,  den  minder  guten, 
kostspieligeren  Stein  aus  dem  25  km  südlicheren  Mokranja  verwendete.  Mit  uns 
kreuzten  die  Brücke  einige  Holz  tragende  Wagen,  die  füi'  den  Weg  vom  Fällorte 
am   Miroc   bis   Kobiänica   am   Timok   fünf  Tage   brauchten.     Welche  Kraft-   und 


456 


Über  Radujevac,  Negotin,  den  Deli  Jovan  usw.  auf  den  Miroc 


Zeitvergeudung,   um   wenige  Dinare   zu   gewinnen.     Das  „Time   is  money"   hat  in 
den  Balkanländern  noch  keine  Geltung. 

Auf  ein  viertes  Strassenkastell,  mit  gleichen  Verhältnissen  wie  das  zuletzt 
beschriebene,  stiess  ich  am  Kamenicabache,  bei  der  1600  m  von  seiner  Mündung 
entfernten  Brücke.  Durch  die  nahen  Weingärten  100  ni  aufsteigend,  kam  ich  zu 
den  Resten  einer  fünften,  ursprünglich  römischen,  von  den  Türken  in  eine  Schanze 
umgewandelten  Befestigung,  welche  mit  jenen  bei  Mijailovac  und  auf  der  Ostrovo 
mare  dem  russischen  General  Zukato  im  Juni  1810  den  Weg  nach  Brza  Palanka 
sperren  sollte,  nach  tapferer  Verteidigung  aber  genommen  wurde.  Noch  sieht  man 
das  1  m  dicke  Gemäuer  eines  Rundturmes  von  9  m  Durchmesser,  der  nach  der 
Meinung  der  Anwohner  einen,  den  „Latini"  zugeschriebenen,  ausgemauerten 
tiefen  Brunnenschacht  birgt.     Nach  allem  dürfte  es  gerechtfertigt  erscheinen,  wenn 


Zainnabrücke. 


ich  das  in  der  Tab.  Peut.  mit  9  Mühen  von  Egeta  verzeichnete  Clevora  bei  den 
Kastellen  an  der  Kamenica  ansetze.  Die  Entfernung  der  von  mir  an  derselben 
nachgewiesenen  römischen  Reste,  welche  auf  eine  dort  bestandene  grössere 
befestigte  Ansiedelung  schliessen  lassen,  entspricht  genau  dem  von  der  Tafel 
angeführten  Masse. 

Das  Zamnagebiet  gleicht  einem  nahezu  ununterbrochenen  riesigen  Weingarten. 
Allerorts  stösst  man  auf  die  charakteristischen,  Serbien  eigentümlichen  „pivnice", 
auf  die  dorfähnlichen  Kellereien,  welche  einzelne  grössere  Orte  oder  mehrere 
kleine  vereint,  bis  zu  20  und  30  gewöhnlich  auf  einem  höheren  Punkte  anlegten. 
Die  Einrichtung  einer  solchen  pivnica  zeigt  meine  zu  Kamenica  gefertigte  Skizze. 
Am  Oberlaufe  der  Skoska  auf  einem  Vizinalwege  weiter  ziehend,  kam  ich  zu 
ihrem  grössten,  durch  Weinbau  wohlhabendsten  Orte  Jabukovac.  Leider  schlich 
sich  auch  dort  die  seit  1887  gegen  200  lanaca  (Tagwerke)  vernichtende  Phylloxera 
ein.  Die  durch  ihre  prächtigen  Mais-,  Weizen-  und  Pflaumen-Kulturen  reiche, 
3940  Seelen  in  805  Häusern  zählende  Gemeinde')  baute  schon  1846  eine  Schule 


')  1905  zählte  Jabukovac  in  801  Häusern  4076  Einwohner 


über  Radujevac,  Negotin,  den  Doli  Jovan  usw.  auf  den  MiroC. 


457 


und  1867  eine  hübsche  Christi-Himmelfahrts-Kirche  mit  Turm.  Der  intelligente 
Jovan  Pajkic  betreibt  ausser  seiner  grossen  Landwirtschaft  drei  Kalköfen  am 
östlichen  Kornjet.  Selbstbewusst,  wie  die  anderen  zu  meiner  Begrüssung 
erschienenen  Honoratioren,  meinte  er:Jabukovac  habe  längst  verdient,  der  Amtssitz 
des  Bezirks  zu  werden,  und  ersuchte  mich,  die  massgebende  Stelle  in  Belgrad 
besser  zu  orientieren. 

Auch  zu  Jabukovac  bewahrheitet  sicii  das  serbische  Wahrwort:  wo  eine 
Walachin  ins  Haus  heiratet,  walachisiert  sie  es  gänzlich;  denn  früher  rein  serbisch, 
ist  das  Dorf  durch  die  Verheiratung  seines  Nachwuchses  mit  den  schönen 
walachischen  Mädchen  aus  den  Donauorten  nahezu  ganz  rumänisiert.  Doch  zeigt 
alles,  besonders  der  treffliche  Gehöftbau,  einen  auffälligen  kulturellen  Unterschied 
zwischen  diesen  Walachen  der  Ebene  und  den  selbst  bei  ihnen  als  faul,  unreinlich 
und  verderbt  geltenden  Brüdern  des  Majdanpek-  und  Mirocgebirges.     Es  ist  ein 


Pivnica  zu  J.ibiikovac. 


gelungener  Menschenschlag  mit  Exemplaren  von  tadelloser  Schönheit  beider 
Geschlechter,  wie  sie  die  römische  Campagna  kaum  mit  reineren  antiken  Anklängen 
besitzt.  Diese  pittoreske  Staffage  in  farbenreichen  Kostümen  belebte  den  von 
Jabukovac  westlich  führenden  Weg  zum  Kloster  Vratna,  das  ich  wegen  seiner 
vielgepriesenen  Lage  und  von  alten  Traditionen  umwobenen  Kirche  in  mein 
Routier  einbezogen  hatte. 

Den  Ritt  über  die  wcitgedelmtc  Hochebene  verschönte  der  Ausblick  auf 
die  Karpathen,  den  Miroc  und  die  Berge  bis  zum  Deli  Jovan.  Bei  einer  von 
dichtem  Grün  eingehüllten,  nur  durch  ihr  Geräusch  sich  verratenden  Mühle  ging 
es  hinab  zur  Vratna.  Dort  hörte  alles  Leben  auf.  Heilige  Stille  herrschte  in 
ihrem  sich  verengenden  Defilee,  und  bald  standen  wir  vor  einem  von  mächtigen 
Steilwänden  eingeschlossenen  weissen  Kirchlein,  aus  dessen  gezimmertem  Glocken- 
stuhle helle  Töne  einer  Symantra  uns  begrüssten.  Der  Mann,  der  sie  so  kräftig 
zu  schlagen  verstand,  war  ein  aus  dem  sirmischen  Gergetek  hierher  gewanderter 
Kaludjer  (Mönch);  der  einzige  Bewohner  dieser  Heilstätte,  Pahomije  Damjanovic, 
lud  uns  in  sein  bescheidenes  Häuschen  und  brachte  herbei,  was  er  für  alt  und 
wertvoll  hielt. 


458 


Über  Radujevac,  Negotin,  den  Deli  Jovan  usw    auf  den  Miroc. 


In  dem  einzigen,  wiri<lich  sehr  interessanten  Triod  fand  ich  eine  gemalte 
Vignette  und  unter  verschiedenen  chronistischen  Aufzeichnungen  die  Notiz:  das 
Kloster  wurde  1415  (?)  gegründet  und  1836  renoviert.  Im  Volke  pflanzt  sich 
aber  die  Tradition  fort,  die  Kirche  sei  von  Nikodim,  Erzbischof  unter  Kralj  Milutin 
(1279—1321),  erbaut  worden,  die  für  Frauen  bestimmte  Vorhalle  aber  in  späterer 
Zeit.  Eine  leider  überkalkte,  schwer  lesbare  Inschrift  über  dem  Eingange  des 
Narthex  nennt  als  dessen  Stifter  „Sarban  Voda  Desturca  aus  Bukarest  im  Jahre 
1415".  Ich  glaube  durch  diese  Mitteilungen  die  vagen  Daten  Milicevics  und  auch 
seine  Annahme  berichtigt  zu  haben,  als  gäbe  es  zu  Vratna,  das  er  irrtümlich  an 
die  „Jabuca"  verlegt,  keinerlei  handschriftliche  Nachweise  oder  monumentale 
Inschriften.')     Das  17  m  lange  niedrige  Kirchenschiff  mit  erneuerter  pentagonaler 


Kloster  Vratna. 


Chorapside  wird  durch  sechs  Schiessscharten  ähnliche  Fenster  und  ihr  Narthex 
durch  zwei  runde  erleuchtet,  enthät  aber  nichts  Bemerkenswertes  aus  älterer 
Zeit.  Das  die  Seelsorge  des  gleichnamigen  Dorfes  besorgende  Vratna  ist  eine 
Filiale  des  benachbarten  Klosters  Bukovo.  Dieses  bezahlt  dem  Mönch  25  d 
monatlich  für  die  Verwaltung  des  aus  19  Hektar  Feldern,  Wiesen  und  Weingärten, 
370  Hektar  Wald  und  etwas  Vieh  bildenden  Vratnaer  Besitzes  und  bezieht  den 
die  Jahresausgabe  von  1400  d,  wie  ich  hörte,  durchschnittlich  übersteigenden 
Reinertrag  von  300  d. 

Ein  stellenweise  schwer  gangbarer  Fusssteig  brachte  uns  SW.  vom  Kloster 
zu  seinen  weithin  in  der  Krajina  berühmten  zwei  „Vratna"-Felstoren.  Diese  übten 
nach  traditioneller  Sage  einen  so  mächtigen  Zauber  auf  den  weltsatten  asketischen 
Mönch  Nikanor,  dass  er  zur  Zeit  des  Despoten  Stevan  dort  in  einer  schwer 
zugänglichen  abgemauerten  Höhle  lebte,  betete  und  so  viele  Jahre  fastete,  bis  er. 


')  Kneievina  Srbija,  S   957. 


i'ber  Radujevac,  Negotin,  den  Dcli  Jovan  usw.  auf  den  MiroC. 


459 


von  allen  Menschen  fern,  als  Heiliger  starb,  in  Waiirhcit  übertrifft  die  an  das 
sächsische  Prebischtor  mahnende  Romantil<  der  Vratnaer  Kalkszenerie  die  schönen 
Erosionen  bei  Plavna  im  südwestlichen  Zamnatal,  und  mehr  noch  jene  im  Löss  bei 
Stubik.  Ich  versuchte  mit  wenigen  Strichen  die  charakteristischsten  Punkte  der 
Ravnaer  Szenerie  festzuhalten  und  gebe  sie  hier,  obschon  ich  glaube,  dass  sie 
die  empfundenen  mächtigen  Eindrücke  nicht  entfernt  widerspiegeln. 

Weiter  ging  es  nach  dem  jetzt  schon  durch  seinen  reichen  Feld-,  Wald-  und 
Herdenbesitz  wohlhabenden   Stubik.     Dieses  1920   Bewohner  in  355   Häusern') 


VRATN'.A.    Oberes  Jabutator. 


zählende  grosse  Dorf  erbaute  1868  eine  hl.  Geistkirche,  in  deren  Grundfeste  eine 
vom  Fürsten  Mihail  wenige  Tage  vor  seiner  Ermordung  unterschriebene  Urkunde 
versenkt  wurde,  ferner  eine  von  zwei  Lehrkräften  geleitete  vierklassige  Knaben- 
und  Mädchenschule.  Seiner  bildungsfreundlichen  Bevölkerung  winkt  eine  noch 
schönere  Zukunft,  falls  das  unfern  des  Pulvermagazins  für  das  Timoker  Regiment  an 
der  oberen  Zamna  angeschürfte  Braunkohlenlager  sich  abbauwürdig  erweisen  sollte. 
Am  1.  Juli  1807  waren  die  benachbarten  Plateaus  der  Schauplatz  eines 
blutigen  Kampfes  zwischen  Türken,  Serben  und  Russen,  welcher  mit  dem  Siege  der 
beiden  letzteren  endete.    Serben  und  Türken  hatten  sich  bei  Stubik  und  Malajnica 


')  Stubik  hatte  1905  in  423  Häusern  2086  Einwohner. 


460 


Über  Radujevac,  Negotin,  (.Ilmi  Deli  Jovan  iisw    auf  den  Miroc. 


Stark  verschanzt.  Sechsmal  stärker,  setzten  die  durch  Mula  Pasa  von  Vidin,  Kara 
Feis  und  Guäanac  Ah  befehligten  5000  Tijrken  den  serbischen  Wojwoden  Miienko 
und  Dobrnjac  hart  zu.  Sie  schnitten  ihnen  das  Trinkwasser  ab,  nur  ausgesetzt 
dem  feindlichen  Feuer  konnte  man  solches  aus  der  Zamna  holen,  und  nicht  besser 
stand  es  mit  dem  Proviant,  nur  80  Dramm  Weizen  kamen  täglich  auf  den  Kopf. 
Karadjordje  eilte  von  Porec  über  Golubinje  herbei;  doch  auch  er  hielt  sich  dem 
unausgesetzt    frische   Zuzüge    erhaltenden    Pascha    gegenüber    zu    schwach    und 


VRATNA.    Unteres  Jabuca-Tor. 


ersuchte  endlich  notgedrungen  den  in  der  kleinen  Walachei  befehligenden  russischen 
General  um  schleunigste  Unterstützung. 

Obgleich  selbst  nur  über  geringe  Streitkräfte  verfügend,  wollte  Graf  Isajeff 
aus  politischen  Gründen  diesen  ersten  offenen  Appell  der  Serben  an  des  Zaren 
Macht  nicht  abweisen.  Am  4.  Juni  hatte  er  den  Türken  fünf  mit  kostbarer  Ladung 
gefüllte  Schiffe  auf  der  Donau  weggenommen.  Mit  diesen  brachte  er  rasch  sein 
Detachement,  bestehend  aus:  einem  Bataillon  Olanec,  vier  Don -Geschützen, 
350  „Horwaten"  und  1000  Panduren,  am  29.  Juni  bei  der  grossen  Olmar-Insel 
auf  das  rechte  Ufer.     Karadjordje  machte   Isajeff  Vorstellungen   über  die   geringe 


über  Radujevac,  Ncgotin,  den  Deli  Jovan  iisw    auf  den  Miroc. 


4(!1 


Zahl  seiner  Truppen.  Dieser  antwortete,  dass  er  auch  ohne  seine  Mitwiri<ung, 
u;anz  aliein,  die  Türken  angreifen  werde.  Die  Russen  legten  die  25  Werst  vom 
Donauufer  rasch  zuriici<  und  rüci<ten  auf  den  linken  Zamnahühen  gegen  die  Türken 
vor.  Am  1.  Juli  machten  diese  einen  starken  Kavallerie-Ausfall,  welchen  die 
Kosaken  gliinzend  zurückwiesen.  Dem  fliehenden  Feinde  folgte  das  brave  Bataillon 
Olanec  auf  dem  Fusse  und  erstürmte  mit  den  nun  gleichfalls  angreifenden  Serben 
alle  neun  feindlichen  Redouten  mit  dem  Bajonett.  In  wilder  Flucht,  1000  Tote, 
vier  Kanonen,   einen  Mörser,    13  Fahnen,   eine   Rossschweifstandarte,   die   Kassen, 


VRATNA.    Nikanor-Celija. 


Munition  und  den  lu.xuriösen  Train  des  nach  Vidin  entflohenen  Mula  Pasa  Hessen 
die  Türken  auf  dem  Felde.  Die  Serben  waren  voll  Bewunderung  über  die  Leistung 
der  Russen,  um  so  schlechter  aber  auf  die  Franzosen  zu  sprechen,  da  man  im 
Paschazelte  Briefe  vom  Grafen  Sebastiani  fand,  welche  Ratschläge  zur  Bekämpfung 
der  christlichen  Gegner  enthielten.  General  Isajeff  setzte  eilends  seinen  Marsch 
fort,  um  die  in  Negotin  wieder  gesammelten  Türken  anzugreifen.  Der  zwischen 
Russen  und  Türken  abgeschlossene  Waffenstillstand ')  beendigte  seine  glänzende 
Aktion  in  Serbien. 


')  Dociinicntl  privitori  la  Istoria  Ronianilor.     Bukiircsci  1887.    S.  142  ff. 


462 


Über  Radujevac,  Negotii!,  den  Deli  Jnvaii  usw.  auf  den  Miroc. 


Begleitet  von  dem  geschichtskuncligen  Stubii<cr  Popen  Dimitrije  Ilic  und  dem 
Knieten  Mihailo  Marinkovic  ritt  ich  am  13.  Oktober  1887  nach  Malajnica,  um 
von  der  hochliegenden  Schanze  Mula  Pasas  auf  dem  reciiten  Zamnaufer  das 
Schlachtfeld  zu  zeichnen.  Westlich  sahen  wir  Milenkos  Redoute  und  die  „Glavica", 
auf  welcher  der  von  Golubinje  über  den  Miroc  marschierende  Karadjordje  sich 
stark  verschanzte,  hart  vor  mir  lagen  aber  die  Erdwerke,  aus  welchen  die  Russen 
ihre  Verteidiger  verjagt  und  zum  Rückzug  nach  Vidin  gezwungen  hatten.  Die 
weite,  von  den  Deli  Jovan-  und  Miroebergen  abgeschlossene  Landschaft  atmete 
tiefen  Frieden,  und  ausser  den  noch  vorhandenen  Wällen  der  türkischen  Position 


Prokopije  Bujisic. 


verriet  nichts,   dass   sie  80  Jahre  zuvor   eine  berühmt  gewordene   Stätte    blutigen 
Ringens  war. 

Vorbei  an  den  grossen  Weinkellern  von  Jasenica  und  Stubik  ging  es  SO. 
über  die  baufällige  Jasenicabrücke,  und  nachdem  wir  die  Zajecar — Negotiner 
Strasse  gekreuzt,  durch  prächtigen  Linden-  und  Eichenwald  hinab  zum  Kloster 
Buk  ovo.  Sein  im  herzegowinischen  Aufstande  1875  als  Archimandrit  von  Banja 
am  Lim  vielgenannter  Iguman  Prokopije  Bujisic  war  eine  der  interessantesten 
Personen,  welche  ich  auf  dieser  Reise  kennen  lernte.  Auf  seinem  mir  gewidmeten 
Bilde  erscheint  er  mit  sehr  ausdrucksvollem,  schwarzbärtigem  Kopfe,  einem 
Kreuze,  zwei  Orden  und  drei  serbischen  Medaillen  auf  der  Brust,  den  Revolver 
in   der   rechten   Hand,   die   linke   auf  einem   erbeuteten    türkischen   Offizierssäbel: 


über  Radiijevac,  Negotii!,  ilen  Deli  Jovan  usw.  auf  den  Miroc. 


463 


so,  wie  er  seiner  Ceta  stets  zum 
Kampfe  vorausritt.  Unter  den  mit  ihm 
genannten  Füiirern  glänzte  er  durch 
Intelligenz,  Ausdauer  und  Tapferkeit. 
Nachdem  Prokopije  das  muslimische 
Priboj  niedergebrannt,  hielt  er  Banja 
mutig  (siehe  1.  Bd.)  gegen  die  Über- 
macht des  mit  vier  Tabors  von 
Sjenica  heranziehenden  Mehemed  Ali 
Pasa  und  zog  dann  mit  seiner  Ceta 
nach  Serbien.  Von  dort  aus  beteiligte 
er  sich  lebhaft  an  allen  Kämpfen  zur 
Befreiung  der  Herzegowina  in  den 
Jahren  1876—78  mit  seiner  Freischar. 
Als  der  Waffenstillstand  abgeschlossen 
war,  zog  er  in  das  Kloster  Raca 
(I.  Bd.,  S.  605),  übersiedelte  sodann 
nach  Bogovadja  (I.  Bd.,  S.  134)  und 
erhielt  als  Lohn  die  Igumanswürde 
von  Bukovo,  mit  dessen  Renovation 
ich  ihn  beschäftigt  fand. 

Die  Wände  des  besten  Wohn- 
raumes im  wohnlichen  Fremdenhause, 
dessen  Cardak  eine  prachtvolle  Aus- 
sicht über  Radujevac  auf  die  jen- 
seitige rumänische  Donauterrasse  bietet, 
schmückte  er  mit  orientalischen  Tep- 
pichen, historischen  Porträts  und  dem 
von  Cortanovic  nach  der  Natur  gemalten 
Bilde  des  von  Kralj  Uros  1.  (1237  bis 
1272)  gegründeten,  von  dem  Iguman 
einst  regierten  herzegowinischen  Kloster 
Banja,  das  nicht  mit  jenem  ganz  zer- 
störten Banjskaer,  südlich  von  Novi 
Pazar,  verwechselt  werden  darf,  dessen 
„Svetostevanski  Hrisovulj",  vom  König 
Uros  II.  Milutin  (1276—1320),  durch 
eine  ungarische  Gelehrten-Kommission 
1889  aus  dem  Konstantinopeler  „Eski 
seraj"  geholt  und  im  Auftrage  der 
bosnisch  -  herzegowinischen  Landes- 
regierung durch  Professor  Jagic  1890 
publiziert  wurde.  Die  Anlage  der 
interessanten   herzegowinischen  Kirche 


464  Über  Radiijevac.  Negotin,  den  Deli  Jovan  usw   auf  den  Miroc. 

gleicht  jener  in  der  berülimten  serbischen  Carska  Lavra  zu  Studenica  (S.  17);  im 
April  1892  erteilte  der  Pascha  von  Novi  Pazar  den  dortigen  Serben  die  Erlaubnis 
zur   Restauration  der  stark  verwüsteten  Heiltätte. 

Die  dem  „hl.  Vater  Nikola"  geweihte  Bukovoer  Kirche  wurde  1877  vergrössert, 
und  ihr  früher  an  der  Nordostseite  unregelmässiger  Grundriss  zeigt  nun  ein 
18,3  m  langes  Schiff  mit  Narthex  und  Chorapside,  dessen  Breite  zwischen  den 
Hauptmauern  sehr  niedrig  vorspringenden,  gleichfalls  pentagonalen  Seitenapsiden 
im  Innern  8,3  m  beträgt.  Die  Ausmalung  der  Kirche  stammt  aus  dem  Jahre  1864, 
als  Kir  Mihail  von  Decani  ihr  Iguman  und  Kir  Sofronije  Bischof  des  Vidiner 
Sprengeis  waren,  zu  dem  die  Krajina  gehorte;  die  Kosten  trug  der  Trnjaner 
Knez  Simon,  als  „Christum  liebender  Wohltäter".  Bukovos  1893  auf  102000  d 
geschätzter  Besitz  bestand  aus  50  Hektar  Feldern  und  Wiesen,  18  Hektar  Wein-  und 
Obstgärten,  300  Hektar  Wald,  grossem  Viehstande  und  76000  d  Barkapital,  mit 
einer  durchschnittlichen  Jahreseinnahme  von  12800  d  und  nur  wenig  kleinerer 
Ausgabe.  An  die  Stelle  des  1 894  nach  dem  Kloster  Petkovica  (I,  Bd.,  S.  373)  versetzten 
Bujisic  kam  der  Iguman  Gavrilo  von  Vracevsnica,  ein  frischer,  alter  Herr,  den  ich 
1897  persönlich  kennen  lernte.  Die  von  Paviovic  nach  Kloster  Bukovo  erbaute, 
3  km  lange  Kunststrasse  mit  drei  Brücken  über  den  „Blato"  gestaltete  es  seither 
zu  einer  der  beliebtesten  Fusspromenaden  der  seine  schattigen  Wälder  gern 
aufsuchenden  Negotiner. 

Eine  Cesma  rechts  vom  Klosterportale  spendet  den  Pilgern  köstlichen 
Labetrunk.  Etwas  südlicher  kamen  wir  an  der  amerikanischen  Rebenversuchsstation 
vorüber,  für  welche  der  Staat  dem  Kloster  3000  d  jährlichen  Grundpacht  bezahlt, 
und  die  seit  1891  mit  erweitertem  Wirkungskreise  in  eine  grosse  staatliche 
Agrikulturschule  umgestaltelt  wurde.  Als  ich  unter  Führung  ihres  gefälligen 
Direktors  Milutin  Savic  die  ihren  vielfachen  Arbeitszweigen  gewidmeten  Lokalitäten 
am  8.  August  1897  besuchte,  staunte  ich  über  das  hier  in  verhältnismässig  kurzer 
Zeit  Geleistete.  Vereint  mit  seinem  tüchtigen  Ökonomen,  zwei  ordentlichen 
Professoren,  einem  praktischen  Pomologen  und  den  mithelfenden  76  Zöglingen 
wurden  von  den  der  Schule  zugewiesenen  200  Hektar  —  grossenteils  Wald,  Wiesen 
und  alte  Weingärten  —  3  Hektar  in  eine  Gemüse-,  gleich  viele  in  eine  Obstbau- 
und  36  in  eine  Rebenkulturschule  umgewandelt,  in  welchen  man  in  geographischer 
Anordnung  und  mit  selbstverständlicher  Berücksichtigung  der  Boden-  und 
klimatischen  Verhältnisse  Serbiens  die  bekanntesten  kultivierbaren  Typen  aller  drei 
Gebiete,  frei  wachsend  unter  blauendem  Himmel  oder  in  Glasbeeten  gezogen,  findet. 
Wenn  nun  auch  die  Ansichten  über  das  von  dem  seither  als  Forstdepartementschef ') 
wirkenden  Savic  befolgte  amerikanische  Reben-Okulierungssystem  geteilt  sind, 
hörte  ich  andererseits  die  Leistungen  seiner  Obstbauschule  einstimmig  rühmen. 
Erwähnt  sei  noch,  dass  die  Anstalt  auch  die  Tierzucht  zu  heben  bemüht  ist. 
Sie  selbst  besitzt  40  Schafe,  4  Zuchtwidder,  2  Zuchtstiere,  4  Monfauconkühe, 
6  Stuten  u.  a.  edelster  Rassen.     Zu  diesem  Zwecke  wurden  ihr  die  Staatsdomänen 


')  M    Savic    wurde    1902    in    den    Ruhestand    versetzt    und  fungiert  als  Direktor  der 
serbischen  Seidenbaugesellschaff. 


über  Radujcvac,  Negotin,  den  Deli  Jovan  usw.  auf  den  Miroc 


46r) 


„Balej"  am  Timok  mit  40  Hektar  und  „Cvetanovac"  im  Brza  Palanka-Gebiete 
zugewiesen;  aucii  die  Verbesseruni»  der  Bienen-  und  Seidenzucht  fällt  in  den 
Wirkungskreis  des  Instituts,  für  welches  der  Staat  in  den  Jahren  1894  und  1895 
rund    173000  d  verausgabte  und  eine  nietedniiogisciie  Station  einrichtete. 


Die  Verbindungswege  mit  den  grossen  westlichen  Orten  um  Negotin  sind 
nach  starkem  Regen  nur  schwer  passierbar.  Sie  stecken  zwischen  den  viel  Terrain 
erfüllenden    Sümpfen,    zu    deren    Trockenlegung   der   Ministerpräsident   Djordjevic 


Amerikanische  Rebcnkultiir-  und  Agronomische  Lehranstalt  zu  Bukovo  bei  Negotin. 


einen  bewährten  Ingenieur  1898  aus  Belgien  berief,  im  schwarzen  Humusboden, 
der  so  fett,  dass  er  ohne  Düngung  trefflichsten  Mais  und  Weizen  zeitigt.  Dadurch 
wird  hier  die  walachische  Bevölkerung  faul;  ihre  Häuser  sind  schlecht  und 
unreinlich,  die  Männer  findet  man  meist  beim  Wein  und  Kartenspiel  in  verkommenen 
Mehanen,  deren  weibliche  Bedienung,  trotz  Falschschmucks  und  Schminke,  sie 
mir  noch  unheimlicher  machte.  Auf  den  Höhen  wechseln  Wein  mit  einzelnen 
hübschen  Eichenständen;  an  Bauholz  fehlt  es  also  nicht,  und  doch  sind  die  vielen 
Bäche  äusserst  selten,  und  wenn,  dann  schlecht  überbrückt. 

Die  Durchforschung  des  Negotin  umschliessenden,  stark  undulierten  Terrains 
zwischen  dem  Timok  und  der  Donau  führte  mich  am  15.  September  1887  auf 
das  eine  ausgedehnte  Fernsicht  in  das  bulgarische  und  rumänische  Donauland 
gestattende  Hochplateau  bei  Vidrovac.    Diesen  strategisch  wichtigen  Punkt  krr>ntcn 

F.   KANITZ,  Serbien.    II.  '" 


466 


Über  Rndujcvac,  Ncgotin,  den  Deli  Jovaii  usw.  auf  den  Miroc. 


die  Römer  mit  einem  quadratiseiien  Kastell,  dessen  Wailfronten  70  m  massen. 
Bei  eingehenderer  Rekognoszierung  stiess  ich  südlich  auf  starke  Fundainentmauern, 
die  sich  300  m  lang  und  im  rechtwinkeligen  Ansätze  120  m  breit  deutlich  weiter 
verfolgen  Messen.  Die  Ansiedelung,  der  sie  angehörten,  hatte,  wie  einzelne  Spuren 
zeigten,  ein  weit  grösseres,  aber  nur  durch  Ausgrabungen  bestimmbares  Areal 
bedeckt,   und    dass    sie   auch    reich    geschmückte    Monumente    besass,    beweisen 


DZANJEVO 


Reste  von  Ad  Aquns. 


SituationspK'in  von  NcKotin. 


Kastell  von  Dzanjevo. 


hier    gefundene    Werkstücke    und    Skulpturen,    welche    im    Negotiner    Nacelstvo 
bewahrt  werden. 

Nachdem  wir  beide  Arme  der  Jasenica  durchfurtet,  stand  ich  vor  dem  alten 
Koroglas-Kirchlein. ')  Vereinsamt  liegt  seine  Ruine  im  grünen  Plane  eines  alten 
Friedhofs,  dessen  Grabsteine  meist  tief  in  die  Erde  gesunken;  wo  ihre  Inschriften 
aber  noch  lesbar,  wie  die  2,5  m  hohe  für  Radak  Zivanovic  vom  Jahre  1768, 
zeigen  sie,  dass  hier  einst  Serben  siedelten.  Aus  jener  Epoche  stammen  die 
zahllosen  Mythen  bei  den  walachischen  Anwohnern  über  die  Gründung  des 
Kirchleins.     Nach   einer  wäre   es   vom   jenseitigen    „versündigten"    Rumänenlande 


')  Seit  1890  lieisst  dieser  Ort  Milosevo 


über  Rnitiijcvac,  Negotin.  den  Doli  Jdvan  usw.  niif  den  Miroc.  H)7 

liL'riiberi;etl()gen,  die  andere  lässt  es  von  Zar  Dusan  zu  Ehren  eines  in  der  Näiie 
geborenen  tapferen  Wojwoden  erbauen,  der  in  einer  Schlacht  gegen  die  Bulgaren 
gefallen  war,  und  dessen  Familie  er  mit  grossem  Grundbesitz,  genannt  „Dusanjevo", 
begabte,  welcher  Name  im  heutigen   „Dzanjevo"  ')  verstümmelt  fortlebt. 

Eine  dritte  Sage  lässt  den  in  der  Walachei  verwundeten  Nationalhelden 
Kraljevic  Marko  auf  seinem  Streitrosse  Sarac  über  die  Donau  setzen,  hier  sterben 
und  in  der  ihm  errichteten  Kirche  ruhen.-) 

Der  Biograph  des  Lazarevic  erzählt,  dass  unter  Bajazids  serbischen  Vasallen, 
die  sich  1394  am  Zuge  gegen  den  insgeheim  mit  Ungarn  verbündeten  walachischen 
Mircia  1.  beteiligen  mussten'),  sich  auch  Marko  befand,  welcher  zum  Fürsten 
Konstantin  sagte:  „Ich  bitte  zu  Gott,  dass  er  den  Christen  helfe,  und  ich  möge 
der  erste  unter  den  Toten  sein!"  Nach  Konstantin  Philosoph  sollen  beide  auch 
in  diesem  Kample  gefallen  sein.  Ein  späterer  Chronist  verzeichnet:  „Und  da 
fiel  Marko  Kraljevic;  es  tötete  ihn  Novak  Dokmanovic"  usw.  Den  Tod  Konstantins 
im  Jahre  1394  bezeugt  sicher  die  gleichzeitige  Stiftung  seiner  Tochter  Helena, 
Gemahlin  des  Kaisers  Manuel  Paleologos  (1391  — 1424),  für  Seelenmessen  usw.  im 
hl.  Johanneskloster  zu  Petra,  welche  der  Konstantinopeler  Patriarch  in  sein  Buch 
eintrug.')  Ein  Stein  mit  der  Inschrift:  „Zdie  zamce  Kralj  Marko"  (Hier  verblich 
K.  M.)  soll  1876  noch  an  der  Srbovoer  Brücke  gestanden  haben  und  ins  Negotiner 
Nacelstvo  übertragen  worden  sein,  wo  ich  ihn  aber  vergeblich  suchte.  Trotzdem 
halte  ich  die  Dusanovacer  Marko-Tradition  begründeter  als  viele  andere.  Voll- 
kommen sicher  dürfte  der  Begräbnisort  des  „Königssohnes"  niemals  festgestellt 
werden  können  im  Hinblick  auf  die  zahlreichen  Punkte,  an  welchen  das  gern 
fabulierende,  singlustige  Serbenvolk  seinen  Liebling  von  der  Donau  bis  zur  Adria 
im  blutigen  Streite  verscheiden  lässt.') 

Die  von  so  volkstümlichen  Legenden  umwobene  Heilstätte  wird  selbst- 
verständlich an  ihrem  Sabortag,  am  Djurdjev  dan,  stark  besucht.  Ist  der 
Gottesdienst  beendet,  wird  der  hl.  Georg  in  den  improvisierten  Schenken  mi( 
Schmausereien  gefeiert;  die  Jugend  vergnügt  sich  aber  bis  zum  späten  Abend 
mit  Gesang  und  Tanz.  Das  Kirchlein  ist  aber  auch  archäologisch  interessant. 
Sein  von  mir  gemeinsam  mit  Ingenieur  Pavlovic  aufgenommener  Grundriss  unter- 
scheidet sich  wesentlich  von  Riznics '•)  späterem  (1888),  der  falsch  an  der 
Nord-  und  Südmauer  apsidenartige  Risalite  vorspringen  lässt,  an  der  Nordseite 
ein  nicht  vorhandenes  Fenster  zeigt  und  in  den  Einzelmassen  gleich  ungenau 
wie  die  im  Texte  berührte  .Anordnung  der  Fresken  ist.  Das  Gewölbe  des 
10  m  langen,  6  m  breiten  Hauptraums  ist  eingestürzt;  die  wenig  beschädigten 
Umfassungsmauern  lassen  aber  erkennen,  dass  der  Bau  zur  Reihe  jener  bereits 
gekennzeichneten  Monumente  des  byzantinischen  Stils  gehört,  deren  charakteristisches 

')  jetzt  heisst  der  Ort  Dusan ovac. 

-•)  Vuk,  Rjecnik,  S.  297 

■■')  Hormuzaki,  Fragmente,  I,  S.  215  f 

')  Novakovie,  Serben  u.  Türken  im  XIV.  ii.  XV.  Jalirli  ,  S.   191). 

■"•)  Karl  Gröber,  Der  Königssnhn  Marko,  S    250.     Wien   1883. 

■■■)  Starinar,  Bd.  V,  Tafel  IX. 

30* 


468 


l'ber  Radujevac,  Negotin,  den  Deli  Jnvnn  usw    auf  den  Miroc. 


A'\erkmal  der  zur  äusseren  Dekoration  verwendete  Trompetenziegel  ist.  Die  durch 
den  fehlenden  Narthex  und  ihren  Apsidenschluss  interessante  Bauanlage  ist  in 
meinen  Aufnahmen  ersichtlich.  Von  den  Fresken  sind  hervorzuheben:  an  der 
Nordwand  links  drei  weibliche  Figuren,  ferner  im  vertieften  Mittelfelde  drei 
trefflich  individualisierte  Ritter  mit  Schilden  und  Schwertern,  sowie  rechts  drei 
Kleriker.  An  der  Südmauer  sind  nur  in  einem  kleinen  Nischenfelde  der  hl.  Trifun 
und  hl.  Agatonik  erkennbar;  in  der  Apsis  zu  beiden  Seiten  ihres  Schmalfensters 
über  einer  schematisch  gemalten  Stoffdraperie  zwei  grosse  geistliche  Figuren; 
im  obersten  Schmalstreifen:  Christus  an  einem  Tische,  von  dem  rechts  und  links 
in  geradliniger  Anordnung  je  sechs  Apostel  stehen.  Auf  der  Westmauer  erscheint 
eine  ähnliche  Darstellung,  unter  ihr  eine  figurenreiche  Grablegung  Maria  und 
über  dieser  ein  in  Wolken  schwebender  Engelschor,  der  mit  Nimben  geschmückte 


Trajansbrücke,  die  Kopfpfeiler  im  Jalire  1889. 


Brustbilder  von  Heiligen  emporträgt.  In  der  Zeichnung  besonders  gelungen  ist 
der  prächtige,  mit  Schild  und  Lanze  bewehrte  Ritter  rechts  vom  2  m  hohen, 
horizontal  abgeschrägten  Eingange,  der,  wie  Farbenspuren  im  Mörtel  zeigen,  auch 
an  der  Aussenmauer  mit  Fresken  geschmückt  war. 

im  benachbarten  Dusanovac  hörte  ich  von  einem  südwestlichen  „Crkviste" 
(Kirchenruine)  auf  der  „Rovina";  die  Angaben  über  seine  Grösse  Hessen  auf 
eine  Kathedrale  schliessen,  und  dies  bestimmte  mich,  es  zu  besichtigen.  Östlich 
vom  Defileetor,  aus  dem  der  Dupljaner  Bach  in  die  Hochebene  tritt,  fand  ich 
am  bezeichneten  Orte  wirklich  sehr  starke  Mauern  eines  kleinen  Kastells,  dessen 
Grundriss  wegen  der  argen  Verwüstung  aber  schwer  bestimmbar  war.  An  der 
ziemlich  gut  erhaltenen  Grundmauer  der  25  m  langen  Hauptfront  erkannte  ich 
deutlich  zwei  an  den  Ecken  vorspringende  Rundtürme,  von  welchen  in  stumpfen 
Winkeln  gebrochene  Mauern  wahrscheinlich  nach  einem  dritten  Turme  liefen, 
dessen  Reste  das  Erdreich  bedeckt  (Plan,  S.  466).  So  erwies  sich  die  Ruine 
des    „Klosters    Dusica",    von    welcher    Milicevic    spricht,   und    die   auch    in    der 


über  Radujcvac,  Negotin,  den  Doli  Jovan  usw.  auf  den  Miroc.  469 

serbischen  Generalstabskarte  als  solche  verzeichnet  erscheint'),  als  ein  (jücd 
des  römischen  Kastellf^ürtels  an  der  Timol<nuindun^'. 

Weiter  ging  es  unter  Führung  des  Knieten  Radul  Popovic  über  prächtigen 
Wiesenboden  zu  einer  schon  von  Vuk  erwähnten  alten  Wasserleitung-).  An  den 
„pivnice"  (Weinkellern)  von  Duäanovac  vorüber  gelangte  ich  in  einer  halben  Stunde 
zu  der  nordwestlichen,  steilgeböschten  Terrasse,  deren  Sandsteinscliichtcn  zwei 
Quellen  so  mächtig  entströmen,  dass  sie  gleich  unterhalb  vier  Mühlen  treiben. 
Zwischen  beiden  Zuflüssen  entsprang,  nahe  einer  Riesenulme  von  6  m  Stamnunnfang, 
ein  dritter,  nun  versiegter  Quell.  Die  wegen  ihres  starken  Rauschens  serbisch 
„Caricina"  und  walachisch  „Bolboroä"  genannten  Quellen  fingen  die  Römer  in 
einem  grossen  Reservoir  auf,  von  dem  ich  Mauerreste,  Ziegel  und  Deckplatten 
in  Menge  fand  (Plan,  S.  466).  Die  zutage  gelangten  Bleiröhren,  welche  das 
Wasser  in  die  benachbarten  Donaukastelle  leiteten,  gössen  die  Serben  während 
der  Freiheitskämpfe  in  Gewehrkugeln  um.  Auch  auf  der.  Route,  welche  ich  von 
der  Quarantäne  Radujevac  am  Donaurande  gegen  N.  einschlug,  stiess  ich,  etwa 
1  km  hinter  den  Salzmagazinen,  auf  eine  römische  Befestigung,  deren  60  m 
lange  Wallfronten,  trotzdem  der  gegen  Prahovo  200  Hektar  bedeckende  „fliegende 
Sand"  sie  teilweise  überschüttete,  deutlich  erkennbar  blieben  (Plan,  S.  466).  Im 
Innern  des  quadratischen  Werkes  fand  ich  wahrscheinlich  einem  Wachtturm 
angehörende  rechtwinkelige  Rudimente,  dann  allerorts  zerstreute  grosse  Ziegel 
und  Deckplatten.     Den  Kern  der  starken  Mauern  bildet  Gusswerk. 

Nur  mühsam  gelangte  unser  Wagen  auf  der  grundlosen  Strasse  nach 
Prahovo,  dessen  Gehöfte  innerhalb  ihrer  hohen,  dichten  Akazienzäune  kaum 
sichtbar  werden.  Die  1880  vollendete  hübsche  Kirche  gab  dem  wohlhabenden 
Walachendorf  einen  stattlichen  Mittelpunkt.  Ihre  Malereien  stammen  von  demselben 
in  süsslicher  Manier  arbeitenden  Künstler,  dessen  Hand  auch  den  Bilderschmuck 
für  Stubiks  neue  Kirche  besorgte.  Am  Rande  der  vom  Donauufer  massig  hoch 
ansteigenden  Lössterrasse  liegen  die  Reste  eines  Römerkastells,  dessen  starke 
Ostfront  ich  noch  1860  mit  40  m  Länge  und  4  m  Breite  mass,  und  das  seither 
weiter  als  bequemer  Steinbruch  benutzt  wurde.  Man  sprengte  ihr  aus  Quadern 
und  Gusswerk  hergestelltes,  mit  breiten  Ziegelbändern  wechselndes  Mauerwerk 
und  verwendete  es  zum  Grundbau  der  neuen  Kuppelkirche,  der,  wie  mir  der 
Ortskmet  erzählte,  auch  das  Grab  einiger  während  der  letzten  Dezennien  beim 
„latinski  grad"  aufgefundenen,  oft  2  m  hohen  Inschriftsteine  wurde.  Gleich 
beklagenswert  erscheint  der  Verlust  vieler  Waffen,  Schmucksachen,  Gefässe  usw. 
aus  im  Jahre  1886  ausgehobenen  Sarkophagen.  Keiner  der  anwesenden  Hono- 
ratioren wollte  etwas  von  ihrem  Schicksal  wissen;  nur  eine,  wahrscheinlich  von 
den  die  serbische  Donau  periodisch  absuchenden  Antiquitätenhändlern  verschmähte 
eiserne  Schaufel  gelangte  in  das  physikalische  Kabinett  des  Negotiner  Gymnasiums, 
wo  ich  sie  1887  sah.  Das  Los  der  antiken  Funde  hängt  meist  vom  Zufall  ab. 
Im    Sommer    1860   fand   ich  zu  Prahovo    einen    dem    Kaiser   Trajan   gewidmeten 


•)  Knezevina  Srbija,  S.  956.  -  Karte,  Blatt  Negotin,  K.  4. 
')  Rjeinik.  S.  297. 


470 


(Jber  Railiijcvac,  Negotii),  den  Dcli  Jovaii  usw.  auf  cIl'ii  Miroc. 


lnscliriftstfiii  in  zwei  Stücken.')  Als  icli  1S7()  wietier  hinkam,  war  eint'  Hälfte 
nach  Ncgotin  gewandert,  die  andere  aber  nur  iiacli  langem  Suchen  bei  einem 
Mehandzija  aufzufinden,  der  sie  verbauen  wollte.  Der  intelligente  Ortskmet  Jovan 
Mihailüvic  versprach  mir,  sie  nach  Negotin  zu  senden,  dessen  Kreischef  ich  die 
Aufstellung  sämtliclier  Römerfunde  aus  seinem  Amtssprengel  dringend  empfahl. 
Der  Stein  gelangte  aber  ebensowenig  dahin  wie  zwei  andere,  die  ich  1870  kopierte 
und  gleichfalls  veröffentlichte.-)  Der  vierzeilige  Votivstein  war  verschwunden,  den 
sechszeiligen  traf  ich   1887  als  Türschwelle  der  neuen  Dorfschule. 

Prahovos  Kastell  ist  Marsiglis  „Deez";  die  heutigen  Anwohner  nennen  es 
„Dec",  sie  bewahren  die  Tradition,  dass  die  „lateinischen  Mauern"  von  einem 
Schlosse  stammen,  das  Trajan  nach  seinen  dazischen  Siegen  hier  erbaute  und 
„Decebalus"  (!)  nannte.  Diese  und  andere  Fabeln  dürften  aus  Büchern  entstellt 
in  das  Volk  gelangt  sein,  welche  Prahovos  Römerreste  allgemein  mit  Ad  Aquas 
identifizierten.     Diese   im  Hin.  Ant.   nur  16  Millien  von  Egeta,   in   der  Tab.   Peut. 


Römisches  Knstell  zu  Prahovo. 


aber  18  Millien  von  diesem  und  9  Millien  vom  Zwischenorte  Clevora  donauabwärts 
verzeichnete  Stadt  wird  auch  von  Procopius  als  durch  den  Kaiser  Justinian 
wiederhergestellter  fester  Platz  und  in  den  Kirchennotizen  als  Bischofssitz  „Aquis" 
erwähnt.  Erscheint  aber  Ad  Aquas'  Verlegung  auf  Prahovos  Ruinen  durch  die 
bezüglichen  Angaben  der  Itinerarien  oder  durch  die  örtliche  Terrainbeschaffenheit 
gerechtfertigt?  Nun  zur  einzigen  von  Marsigli  zwischen  Brza  Palanka  und  dem 
Timok  aufgefundenen  Römerstätte  „Deez"  durch  meine  Funde  viele  andere,  früher 
ungekannte  hinzutreten  und  die  neue  serbische  Karte  auch  eine  genauere  Prüfung 
der  bezüglichen  Masse  gestattet,  ergibt  sich  meine  Verneinung  dieser  Frage. 

Schon  Ad  Aquas'  Namen  deutet  auf  eine  quellenreiche  Gegend,  nicht  aber 
auf  Prahovos  den  austrocknenden  Wirkungen  des  „lebenden  Windes"  ausgesetzte 
Terrasse  hin;  ferner  ist  zu  erwägen,  dass  Prahovos  Kastell  von  dem  an  der 
Kamenicamündung  festgestellten  Clevora  6  Millien  entfernt  ist,  während  das  Mass 
zwischen  diesem  und  Ad  Aquas  in  der  Tab.  Peut.  mit  9  Millien  angegeben  wird. 


■)  C.  1.  L.  III,  Nu.   1642. 

-)  Arcli  -epigr.  Mitt.  1884,  S.  85  f. 


C.  I.  L.  III,  Siippl.  Fase.  II,  No    8093,  8096. 


über  Radujevac,  Negotin.  ilcn  Dcli  J<iv;ni  usw.  ;uif  ilcii  Mirot.  471 

Dieses  Mass  und  die  Ad  Aquas'  Namen  entsprechende  Landschaft  stimnicn  viel 
besser  mit  dem  zwischen  den  reichen  Quellen  von  Badnjevo  und  Dzanjevd 
liegenden  Vidrovac-Plateau,  das  von  der  Cubra  und  Jasenica  umflossen,  auch  einen 
strategisch  wichtigen  Kommunikationspunkt  bildet.  Unter  \'idrovac  verband  sich 
der  von  Clevora  kommende  Donau-Heerweg  und  die  vom  nördlichen  Erzgebirge, 
zwischen  Sarkamens  Kastellen  herabziehende  Strasse  mit  der  an  Gamzigrads 
starker  Feste  vorbeilaufenden  zu  einem  den  Timok  bei  Bregovo  übersetzenden 
Strange.  Diese  Vereinigung  dreier  wichtiger  Routen  am  Fusse  des  Vidrovac-Plateaus 
erklärt,  abgesehen  von  den  zuvor  entwickelten  Gründen,  die  Anlage  einer  grossen 
befestigten  Stadt  auf  demselben.  Die  Reste  eines  starken  Kastells  und  die 
ausserhalb  seiner  Wälle  \()n  mir  gefundenen  Substruktionen  zeigen,  dass  eine 
solche  dort  bestand.  Mein  Ansatz  von  Ad  Aquas  auf  dem  Vidrovac-Plateau 
dürfte  durch  diese  Ausführungen  gerechtfertigt  erscheinen. 

Der  von  Clevora  über  Ad  Aquas  zum  Timok  führende  Heerweg  bog  schon 
beim  heutigen  Kusjak  vom  Donaulimes  südlich  ab  (Plan,  S.  466).  Diese  Richtung 
wurde  ihm  durch  periodische  Überschwemmungen  der  Radujevacer  Ebene  uiul 
das  schwer  zu  überbrückende  breite  Müiidiuigsdelta  des  Timoks  diktiert.  Kusjaks 
Lände  eignet  sich  besser  als  die  benachbarten  zum  Anlegen  tiefgehender  Schiffe, 
was  schon  die  Römer,  wie  Spuren  alter  Uferbauten  zeigen,  erkannten,  und  noch 
heute  bildet  es  den  bedeutendsten  Stapelplatz  für  die  Salzeinfuhr  und  den  Export 
solcher  Produkte,  die  mittels  Holzschiffen  ihren  Weg  donauabwärts  nehmen.  Bei 
seinen  grossen  Salzdepots  und  Mehanen  finden  sich  oft  Hunderte  mit  Büffeln  oder 
Ochsen  bespannter  Fuhrwerke  zusammen,  um  das  aus  Rumänien  einlangende  Salz 
ins  Innere  zu  führen.  Von  diesem  Hafen  für  Ad  Aquas  zog  die  antike  Trace 
über  Samarinovac.  Ein  spekulativer  Negotiner,  der  einen  1886  dort  erkauften 
Landbesitz  durch  fleissige  Bulgaren  in  Gemüsegärten  umwandeln  liess,  besitzt 
viele  dabei  gefundene  römische  Münzen. 

Die  bei  Prahovo  und  Radujevac  angelegten  Burgen,  welche  diesen  Teil  der 
Heerstrasse  am  Donaulimes  schützten,  zählten  wahrscheinlich  zu  den  sieben  unter 
Justinian  erneuerten  Kastellen  zwischen  der  Trajansbrücke  und  Aouis.  Procopius 
nennt:  Marburg,  Susiana,  Armata,  Timena,  Theodoropolis,  Stiliburg  und  Halikaniburg.. 
Schon  Mannert  schloss  aus  der  Endigung  dreier  dieser  Namen  mit  „bürg",  dass 
sie  durch  deutsche  Truppen  besetzt  waren.  Vom  Radujevacer  Kastell  zog 
der  feste  Grenzgürtel  im  grossen  Bogen  landeinwärts  über  das  isolierte  Hochplateau 
von  Kobiänica  hinab  zur  Cikoijskabrücke,  um  den  nahen  Timokübergang  gegen 
einen  Angriff  von  NO.  zu  decken  (Plan,  S.  466).  Insgesamt  sind  es  fünf  Kastelle, 
von  welchen  das  in  den  Bereich  der  belgischen  Brikettfabrik  fallende  an  der 
Donau  und  ein  zweites,  gleichfalls  quadratisch  angelegtes  im  südlichen  Flachterrain 
bei  Kobisnica,  nur  40  in  lange  Fronten  besassen,  während  das  zwischen  beiden 
in  der  Niederung  liegende,  durch  die  Jasenica  gedeckte  dritte,  120  m  lange,  durch 
Rundtürme  an  den  Ecken  verstärkte  Wallmauern  zeigt.  Dieses  bedeutende  Werk 
bildete  zweifellos  den  Zentralpunkt  der  ganzen,  Ad  Aquas  und  die  Timokbrücke 
schirmenden  Anlage,  welche  zwei  Kastelle  auf  der  H()hc  bei  Bukovce  und  Srbovo 
vervollständigten. 


472  Über  Radiijcvac,  Negotin,  den  Dcli  Jovan  usw.  auf  den  Miioc. 

Wie  auf  dein  linken  Ufer  des  Tinioks,  fand  ich  1864  auch  auf  seinem 
rechten,  nahe  der  Mündung,  die  Reste  der  grossen  römischen  Niederlassung 
Dorticum.  Diese  schon  von  Ptolemäus  genannte  Donaufeste,  welche  nach  der 
Not.  hnp.  im  III.  Jahrhundert  eine  Reiterabteilung  besetzt  hielt,  und  deren  Kastell 
Kaiser  Justinian  herstellte,  wurde  von  Mannert,  Forbiger,  Aschbach  und  Smith 
bei  den  fiktiven  Serbenstädten  Blaska  (Dorf  Srbovo?)  und  Deez  (Prahovo),  also 
irrig  auf  dem  linken  Timokufer  gesucht. 

Vergleichen  wir  die  Itinerarien,  so  lag  Dorticum  nach  dem  Itin.  Ant.  nur 
lü  Millien,  nach  der  Tab.  Peut.  aber  24  Millien  entfernt  von  Ad  Aquas.  Da  nun 
die  Gesamtlänge  der  im  Hin.  Ant.  angegebenen  Entfernung  zwischen  Ad  Aquas 
und  der  östlichen  obermösischen  Hauptstadt  Ratiaria,  deren  Lage  genau  bestimmt 
ist,  um  10  Millien  zu  kurz,  jene  in  der  Tab.  Peut.  um  gleich  viele  zu  lang 
erscheint;  andererseits  die  Masse  zwischen  den  einzelnen  Stationen  an  dieser 
Strecke  im  Itin.  Ant.  nicht  mit  der  Wirklichkeit  übereinstimmen,  in  der  Tab.  Peut. 
sich  aber  als  richtig  bewähren,  so  dürfen  wir  von  ihrer  Millienzahl  zwischen  Ad 
Aquas  und  Dorticum  eine  vom  Abschreiber  irrig  hinzugefügte  X  streichen.  Nach 
dieser  gerechtfertigten  Korrektur  ist  das  14  Millien  von  Ad  Aquas  und  25  Millien 
von  Ad  malum  (Bononia  =-  Vidin)  entfernte  Dorticum  mit  der  schon  1868  von 
mir  in  Karte  gebrachten  weithin  die  Donau  und  alles  Anland  beherrschenden 
Römerfeste  bei  Rakovica')  identisch  (Plan,  S.  466).  Dorticum  lag  demnach  auf 
der  rechtsuferigen  Terrasse  an  der  Timokmündung,  wo  es  schon  d'Anville 
vermutete-)  und  Kiepert,  auf  Grundlage  der  von  mir  dort  nachgewiesenen  antiken 
Reste,  ansetzte.  ■) 

Mit  dieser  Festlegung  von  Dorticum  ist  nunmehr  der  ganze  römische  Heerweg 
am  obermösischen  Donaulimes  zwischen  der  Porecka  reka-  und  Timokmündung 
mit  allen  seinen  Städten  und  Kastellen  genau  bestimmt.  Leider  wurde  von  dessen 
zahlreichen  Meilensteinen  bisher  nur  ein  unter  Kaiser  Trajan  zwischen  Viminacium 
und  Ratiaria  gesetzter  aufgefunden*).  Über  die  von  mir  1862 — 1874  erforschte 
bulgarische  Donaulimes-Strecke  in  Moesia  superior  und  inferior,  von  deren 
Hauptpunkten  mit  zahlreichen  Zwischenkastellen  ich  hier  nur  Florentiana,  Bononia, 
Ratiaria,  Almus,  Cebrus,  Augustae,  Oescus,  Utus,  Asemus,  Novae,  Prista,  Trans- 
marisca,  Durostorum  und  die  Konstantinsbrücke  nenne,  sowie  über  viele  Städte 
im  Innern  und  antike  Hafenplätze  am  Pontus,  beispielsweise  das  von  mir  bestimmte 
Marcianopolis,  Nicopolis  ad  Istrum,  Burdizu  u.  a.,  verweise  ich  auf  mein 
„Donau-Bulgarien  und  der  Balkan".') 

Während  der  Freiheitskämpfe  wurden  die  Römerschanzen  auf  dem  linken 
Timokufer  vielfach   zur  Verteidigung   gegen  die  von  Vidin  vorbrechenden  Türken 


')  Reise  in  Süd-Serbien  und  Nord-Bulgarien.  Denkschr.  d^  k.  Akad.  d  Wissensch., 
phil.-hist    Kl ,  Bd.  XVII.     Wien  1868. 

-)  Meni.  de  l'Acad.  de  Inscr.,  vol.  XXVIII,  S.  441. 

•■')  C.  I.  L    lii,  Tab.  II. 

')  C.  1.  L.  III,  Suppl.  Fase.  II,  No.  8267. 

•■■)  II.  Aufl.,  Leipzig  1880.  Der  Abschnitt  „Archäologie"  des  Sachregisters  (Bd.  III,  S.  376) 
erleichtert  das  Auffinden  der  einzelnen  Punkte. 


über  Radujevac,  Neijotiii,  Jen  Doli  Jovan  iisw    auf  den  Miroc.  171) 

benutzt.  Die  Wacht  liielten  hier  Veiji<os  nach  Kosakenart  uniformierte  Bursciien. 
Trotz  der  russischen  Hilfsaktion  gelang  es  aber  Karadjordjes  Scharen  nicht, 
dauernde  Erfolge  zu  erzielen.  Im  Jahre  1810  beorderte  der  in  der  kleinen 
Walachei  kommandierende  Graf  Sergius  Kamenski  des  Grafen  Zukato  Division, 
gemeinsam  mit  dem  serbischen  linken  f-lügel  die  Türken  vom  unteren  Timok  zu 
verdrängen.  Der  unter  Zukatd  hefehli.neiule  Isajeff  Hess  schon  am  16.  März  durch 
sieben  Bataillone  die  von  lIcu  Türken  am  5.  September  1809  den  Russen  ent- 
rissene, Prahovo  deckende  Donauinsel  nehmen  imd  landete  hierauf,  trotz  des  Feuers 
zweier,  hart  am  Ufer  und  auf  der  Duduhohe  errichteter  Redouten,  oberhalb  des 
Dorfes. ')  Auf  dem  Marsche  nach  diesem  wurde  Isajeff  aber  mit  seinen  Truppen 
zurückberufen.  Ende  Mai  übernahm  Graf  Zukato  persönlich  den  Befehl  über  das 
3000  Mann  Infanterie  und  1000  Kavalleristen  zählende  Hilfskorps,  das  sich  mit 
den  von  der  Porecka  reka  kommenden  6000  Serben  vereinigen  sollte.  Am  17.  Juni 
erschien  Zukato  in  finsterer  Nacht  oberhalb  der  Olmarinscl,  und  am  folgenden 
Morgen  verbrüderten  sich  die  Russen  mit  den  von  Petar  Dobrnjac  geführten 
Serben  unter  V'ortragung  ihrer  Fahnen  in  begeisterter  Weise. 

Die  durch  diese  Vorgänge  überraschten  Türken  sandten  von  Prahovo  eilends 
Verstärkungen  in  ihr  den  Weg  dahin  sperrendes  befestigtes  Lager  auf  dem  Cima 
Dudu.  Zukato  wollte  seine  Aktion  mit  dessen  Erstürmung  beginnen,  schritt  aber, 
um  Menschenleben  zu  schonen,  am  20.  Juni  zu  ihrer  regelmässigen  Belagerung.  Die 
am  23.  Juni  von  Prahovo  offensiv  gegen  Zukato  vorgehenden  Türken  wurden  von 
der  gegen  Vidrovac  vorgeschobenen  Kavallerie  unter  Gleboff  zurückgewiesen. 
Am  25.  Juni  besetzte  Oberst  Cvilenijeff  eine  wichtige  Höhe  zwischen  Dudu  und 
Prahovo.  In  der  Nacht  vom  26.  zum  27.  Juni  wurde  ein  durch  Signale  zwischen 
i\i^n  Besatzungen  aller  türkischen  Redouten  vereinbarter  Ausfall  von  Zukato  blutig 
vereitelt.  Diesen  Gefechten  folgte  am  27.  Juni  ein  heftiger  Angriff  Ibrahim  Pasas 
auf  die  russische  Stellung.  General  Isajeffs  linker  Flügel  hatte  Mühe,  sich  zu 
behaupten,  und  ebenso  Oberst  Skapsky,  der  mit  zwei  Bataillonen  vom  Regiment 
Skarakolsk  der  türkischen  Übermacht  tapfer  widerstand.  Der  Zähigkeit  des 
Zentrums  gelang  es,  die  Türken  zurückzuwerfen.  Die  Frucht  dieser  Kämpfe 
war  die  Kapitulation  von  „Cima  Dudu",  dessen  auf  150  Mann  geschmolzene 
(jarnison  sich  kriegsgefangen  gab.  Am  nächsten  Morgen  kampierten  die  Russen 
bei  dem  nur  3  km  von  Prahovo  fernen  Kusjak,  um  dort  den  Erfolg  der  gegen 
Brza  Palanka  eingeleiteten  serbischen  Operation  abzuwarten,  an  der  ein  Bataillon 
des  Neu-Ingrischen  Regiments  und  vier  russische  Geschütze  teilnahmen.  Am  I.Juli 
kapitulierte  dieser  starke  Platz,  was  die  Verbindung  mit  der  kleinen  Walachei 
sicherte.  Die  dort  frei  gewordenen  Serben  rückten  nun  gegen  Kladovo,  Zukato 
aber  zum  Angriff  des  durch  drei  starke  Redouten  verteidigten  Prahovo,  indem 
er  eine  feste  Stellung  auf  der  Carica  nahm,  die  gleichzeitig  Negotin  bedrohte. 

Der  weitgedehnte  türkische  Schanzengürtel  hinderte  Zukato,  dessen  Ver- 
teidigern die  Verbindung  mit  Vidin  abzuschneiden.  Krankheiten  und  Kämpfe 
dezimierten  seine  Truppen,  mancher  tapfere  Offizier  ging  verloren,  und  er  musste  um 

')  Docunientl  privitore  la  istoria  Roniaiiilor.     Vol.  III    Siippl    I.  Fase.  I,  S.  302  ff.  1887. 


474  iUicr  RacluJL'vac,  Nciiotiii.  dt-n  Dcli  Jnvaii  usw,  auf  den  Miroc. 

Verstärkungen  bitten.  Erst  nach  längerer  Zeit  vermociite  General  Zass  ihm  von 
Rustschuk  den  Grafen  Orurk  mit  dem  Regiment  Ladoga  und  fünf  Eskadronen 
woliiynischer  Ulanen  zu  senden.  Seine  Lage  wurde  kritisch,  als  die  Türken  von 
Nis  und  Zvornik  mit  starken  Korps  gegen  Serbien  rückten  und  Karadjordje 
schleunigste  Hilfe  forderte.  Hier  bewährte  sich  glänzend  Zukatos  militärisches 
Talent.  Es  galt,  Prahovo  rasch  zu  nehmen  und  eine  Diversion  gegen  Nis  zu 
machen,  um  die  Vereinigung  des  türkischen  Moravakorps  mit  dem  bosnischen 
zu  verhindern.  Der  Plan  war  kühn.  Am  13.  August  Hess  er  Isajeff  mit  vier 
Bataillonen  und  100  Serben  in  die  rechte  Flanke  der  türkischen  Stellung  vorgehen 
und  sich  dort  verschanzen.  Es  war  kaum  geschehen,  als  die  Türken  energisch 
hervorbrachen.  Die  tapferen  Offiziere  Skapsky,  Turcaninoff,  Vtoroff,  Oleboff  und 
Jukoff  zwangen  sie  aber  mit  grossen  Verlusten  zur  Flucht,  wobei  Ibrahim  Pasa  fiel. 
Bei  etwas  grösserer  Entschlossenheit  hätte  Isajeff  leicht,  mit  dem  Feinde  eindringend, 
sich  der  Werke  bemächtigen  können.  Am  25.  August  ging  Graf  Orurk  mit  seinen 
Rustschuker  Truppen  und  einigen  Hundert  von  Veljko  und  Tanasije  Carapic 
geführten  tapferen  Serben  energischer  vor.  Die  Türken  fielen  abermals  aus, 
wurden  aber  von  der  Donschen  Artillerie  zum  Stehen  gebracht.  Viele  Serben, 
darunter  Carapic,  deckten  das  Feld.  Die  von  Vidin  ohne  Unterstützung  gelassenen, 
durch  die  häufigen  Angriffe  dezimierten  Türken  verliessen  endlich  entmutigt  ihre 
Werke  am  18.  September,  und  damit  war  das  Timokgebiet  für  drei  Jahre  ihrer 
Herrschaft  entzogen. 

Das  1813  erfolgte  Wiederaufleben  des  türkischen  Regiments  in  Serbien 
berührte  ich  wiederholt,  ebenso  die  Ereignisse,  welche  es  1833  in  der  Krajina 
beendeten.  Im  Juni  1862,  als  nach  dem  Belgrader  Bombardement  neue  Kämpfe 
mit  der  Türkei  befürchtet  wurden,  eilte  man  serbischerseits,  den  schon  geschilderten 
Timok-Schanzengürtel  und  namentlich  das  alte  Römerwerk  unterhalb  Radujevac 
durch  Schanzkörbe,  Palisaden  und  Gräben  verteidigungsfähig  zu  machen;  die 
Gefahr  ging  durch  die  Vermittelung  der  Grossmächte  glücklich  vorüber.  1876  kam 
es  aber  während  des  serbisch-türkischen  Krieges  dort  wirklich  zu  ernsten  Gefechten. 

Am  8.  Juli  überschritt  eine  serbische  fliegende  Kolonne  unter  Oberst  Ostojic 
den  Timok  bei  Bregovo,  erschien  bei  Gamzova,  16  km  von  Vidin,  wurde  aber 
nach  mehrstündigem  Gefechte  durch  Fasli  Pasa  zum  Rückzuge  gezwungen.  Seine 
Tscherkessen  rächten  die  Zerstörung  ihrer  Ansiedelungen  grausam  an  den  christlichen 
Ortschaften,  namentlich  an  solchen,  in  welchen  verwundete  serbische  Soldaten 
freundliche  Aufnahme  oder  Pflege  gefunden  hatten.  Eine  Ostojicsche  Abteilung 
schlugen  sie  aus  Kosovo  hinaus,  und  die  von  den  Serben  besetzt  gewesenen 
Dörfer  Novo  Selo  und  Vurf  an  der  Donau  wurden  zur  Strafe  von  Kriegsdampfern 
bombardiert.  Man  begnügte  sich  nicht  damit  und  schleppte  viele  als  „Komitee" 
verdächtigte  Bauern  in  die  Vidiner  Feste,  wo  sie  nach  kurzem  Prozess,  mit  einer 
das  Urteil  enthaltenden  Tafel  auf  der  Brust,  beschimpft  und  verhöhnt  vom 
moslimischen  Pöbel,  durch  Zigeuner  an  den  Galgen  geknüpft  wurden!  Bereits 
brachen  einzelne  tscherkessische  Reitertrupps  in  das  Negotiner  Vorland  ein,  und  da 
es  an  ausreichenden  Truppen  fehlte,  erteilte  die  Regierung  den  Befehl  zu  dessen 
Räumung.      Die    Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft   sandte    bereitwilligst    eine 


über  Radujevac,  Ncgotin,  den  |)eli  Jnvnn  usw.  auf  den  Miroc.  475 

grosse  Zahl  von  Remorkören  und  Schleppern.  1600Ü  Flüchtige  aus  Negotin 
und  den  Nachbarorten  wurden  im  rumänischen  Gruja  und  Turn-Severin  gelandet, 
lirst  nach  sechs  Wochen,  als  die  üefalir  vorüber,  kehrten  sie  zurück. 

Im  Herbst  1864  besuchte  ich,  dicht  bei  Bregovo,  eine  auf  keiner  Karte 
verzeichnete  Insel,  welche  der  Timok  durch  eine  seiner  häufigen  Laufänderimgen 
vor  Jahrzehnten  bildete.  Die  Türken  hielten  ihren  grösseren  südlichen,  die  Serben 
den  mittels  eines  Palisadenzauns  gelrennten  nördlichen  Teil  durch  Karaulen  besetzt. 
Nach  der  Begründung  des  bulgarischen  Fürstentums  forderte  das  Belgrader  Kabinett 
die  Abtretung  der  ganzen  Insel.  Es  entspann  sich  ein  heftiger  Notenwechsel,  der 
stetig  schärfer  wurde  und  mit  anderen  Verhältnissen  im  Herbst  1885  zur  serbischen 
Kriegserklärung  führte.  Schon  vor  derselben  hatte  Hauptmann  Solarovic  mit 
einer  Kompanie  und  zwei  Geschützen  die  Position  bei  Bregovo  besetzt,  welche 
die  von  Vidin  heranziehenden  bulgarischen  Milizen  mit  einigen  wohlgezielten 
Kanonenschüssen  vertrieben;  die  nahe  der  Insel  errichtete  serbische  Kriegsbrücke 
wurde  von  tien  Bulgaren  zerstört.  Später  trat  das  siegende  Bulgarien  die  viel- 
umstrittene Insel  an  Serbien  ab;  doch  fand  ich  sie  weder  1887,  noch  1897  besetzt. 

Wie  die  Donau  stetig  ihr  Bett  an  der  Mündiuig  des  Timoks  gegen  SW. 
vorrückt,  so  letzterer  das  seine  gegen  Norden,  was  periodisch  die  Zurückverlegung 
der  serbischen  Karaulen  gegenüber  dem  bulgarischen  Rakovica  notwendig  macht. 


XVI. 

Von  Brza  Palanka  über  Kladovo 

am  römischen  Eisernen  Tor-Kanal  nach  Tekija  und  Ada  Kaleh. 


EIN  grosses  Verdienst  erwarb  sich  Fürst  Mihails  Regierung  durch  die  Erneuerung 
der  direkten  Römerstrasse  von  Brza  Palanka  über  die  Miroc-Vorberge  nach 
Kladovo.  Vor  ihrer  Herstellung  war  man  genötigt,  dem  in  südöstlicher  Kurve 
weit  ausgreifenden  Uferrande  zu  folgen,  dessen  Reben-,  Wein-  und  Wiesenland 
wohl  günstig  vom  jenseitigen,  in  riesige  Staubwolken  gehüllten  walachischen  Ufer 
abstechen,  aber  den  eilenden  Reisenden  doch  nicht  für  den  grossen  Zeitverlust 
entschädigen  konnten.  Nach  mehrmonatlichen  Reisen  im  Lande  zur  raschen 
Heimkehr  gedrängt,  schlug  ich  am  25.  Juli  1860  von  Brza  Palanka  die  direkte 
Strasse  durch  den  Brlogaer')  Eichenwald  nach  Kladovo  ein,  verlor  aber  dadurch  die 
Gelegenheit,  Kaiser  Trajans  grossartigen  Brückenbau  (S.  468)  und  Kastellgürtel 
kennen  zu  lernen.  Im  Oktober  1889  holte  ich  aber  mit  dem  Ingenieur  Pavlovic 
das  Versäumte  nach  und  fand  auf  der  gegen  0.  vorspringenden  Landzunge,  auf 
welcher  Marsigli  nur  zwei  und  Milicevic  nur  fünf  Kastelle  anzugeben  wussteii, 
13  antike  Befestigungen. 

Von  Brza  Palanka  genau  1,5  km  N.  und  von  der  Brücke  über  den  Pivnicaer 
Bach  1  km  W.  liegt  auf  einer  Höhe  seines  rechten  Ufers,  gegenüber  Grabovicas 
Kellereien,  das  erste  im  Rechteck  erbaute  römische  Strassenkastell  mit  stark 
verwüsteten  Mauerwällen  von  30  und  50  m.  Nicht  viel  besser  ist  das  zweite 
nordöstlichere  Kastrum  auf  dem  linken  Ufer  des  Gradacki  potok  erhalten,  der,  mit 
dem  vorgenannten  parallel  laufend,  durch  Grabovica  fliesst.  An  dessen  Ursprung 
auf  einem  heute  dicht  mit  Gestrüpp  bewachsenen  Plateau  quadratisch  angelegt, 
messen  die  Fronten  32  m;  das  abgebrochene  Material,  darunter  sehr  viele 
Deckziegel,  wurde  wahrscheinlich  zu  der  Baute  benutzt,  von  der  am  Bachunterlaufe 
noch  Reste  vorhanden  sind.  Das  hochliegende,  mit  dem  unteren  korrespondierende 
Kastell  übersah  das  rechtsuferige  Vorterrain  auf  22  km  Länge  und  spähte  auch 
hinüber  in  das  jenseitige  feindliche  Dazierland. 

In  dem  von  der  Strasse  durchschnittenen  Grabovica,  in  dessen  Nähe  man 
Braunkohle  anschürfte,  besichtigte  ich  seine  1885  geweihte  Kuppelkirche  Sv.  Nikola, 


')  Dieser  Ort  heisst  seit  1899  Mihitinovnc, 


478 


Vdii  Rrzn  Pnlaiikn  über  Klndovo  usw.  nncli  Tckijn  und  Adn  Knicl 


deren  Architekt  recht  hübsch  die  byzantinische  Balltechnik  mit  roten  und  j^elben 
keramischen  Horizontalbändern  anwendete,  den  harmonischen  Gesamteindruck 
aber  dadurch  beeinträchtigte,  dass  er  das  Radfenster  zu  nahe  an  das  Portal 
rückte.  Eingeholten  Erkundigungen  im  Dorfe  folgend,  fuhren  wir  zwischen  Feldern, 
Eichenständen  und  Weingärten  zum  2  km  (istlicheren  Bordelj  '),  dessen  Namen 
höchstwahrscheinlich  von  den  in  die  Erde  gebauten  Wohnungen  seiner  ersten 
walachischen  Besiedler  stammt.  Seine  heutigen,  meist  netten  Gehöfte,  mit  schönen 
Zwetschken-,  Nuss-  und  Birnbäumen,  umgeben  von  frischgrünen  .Akazienhecken, 
verleihen  ihm  ein  recht  freundliches  Aussehen. 

Eigentümlich  ist  allen  Walachenorten  dieses  „Kljuc"  genannten  Uferstriches 
der  zierliche,  türmchenartige  Schornstein  und  die  oft  hübsch  geschnitzten  Balkone 
ihrer  meist  weiss  getünchten  Häuser.  3,5  km  NO.  von  Ljubicevac  liegen  am  Ciganski 
potok  seine  berühmten  Weinberge.    Auf  dem  12m  hohen  Terrassenrande  fand  ich, 


Donau-Romerkastell  am  Baclie  Jakomir  iiii  Jahre  1889. 


etwa  15  m  von  der  seine  Häuser  stark  bedrohenden  Donau,  wieder  die  Grundfeste 
eines  rechteckigen  Kastells,  von  dessen  52  und  60  m  langen  Fronten  die  dem 
Strome  zugekehrte  am  meisten  gelitten  hat.  Sein  römischer  Ursprung  ist,  abgesehen 
vom  Mauerwerk,  durch  viele  der  charakteristischen  Dachziegel  erwiesen. 

Auf  einem  nördlichen  Feldwege  erreichte  ich  kurz  vor  dem  mit  riesigen 
Pflaumengärten  umgebenen  Velesnica  die  Chaussee,  und  nachdem  wir  die 
Podvrska  reka  gekreuzt,  zwischen  den  Gehöften  des  östlicheren  Milutinovac  ein 
von  Maulbeer-  und  Zwetschkenbäumen  überwachsenes  Kastell,  dessen  Vernichtung 
bis  zur  letzten  Spur  bald  bevorsteht.  Nur  mit  Mühe  gelang  es,  die  drei  Eigner 
des  Territoriums  zur  Öffnung  ihrer  Zäune  zu  bewegen,  worauf  ich  die  stellenweise 
noch  2  m  hohen  Mauern  des  Rechtecks  mit  50  und  60  m   mass. 

NW.  von  Milutinovac  krönt  das  höchste  Plateau  der  in  mehreren  .-Xbsätzen 
sanft  zur  Donau  streichenden  Cuka  mare  (366  m)  ein  Erdwerk,  das  vielleicht 
während  der  ersten  serbischen  Freiheitskämpfe  auf  antiken  Rudimenten  erbaut 
wurde.     Auf   dem,   einen    weiten    Ausblick    nach    allen   Richtungen   gestattenden 


')  Seit  1899  heisst  dieser  Ort  Ljubicevac. 


Von  Brza  Palnnkn  über  Kladovd  usw.  nacli  Tekija  und  Ada  Kaleli. 


479 


Gipfel  der  nordwestlichen  Podvrska  sieht  man  Reste  eines  von  Steinen  und  Ziegeln 
erbauten  quadratischen  Rinnerkasteils,  das  1887  durch  Offiziere  aus  Kladovo  mit 
355  m  Höhe  liestimmt  wurde. 

Am  Fusse  dieses  scharf  profilierten  Berges  entspringt  eine  salzig  schmeckende 
lieisse  Quelle,  die  vor  18  Jahren  missglückte  Bohrversuche  auf  Salz,  unfern  dem 
vor  drei  Dezennien,  durch  Montenegriner  besiedelten  Dorfe,  veranlasste. 

Über  prächtiges  Wiesenland  gelangten  wir  hart  am  Donauraiide  weiter  zum 
Bache  Jakomir.  Trotz  eifrigen  Suchcns  wollte  sich  auf  der  topf  ebenen  Terrasse 
am  Rinnsal  und  in  den  nahen  GeluJizen  keine  Stein-  oder  Ziegelspur  von  dem 
Kastrum    finden,    das    uns    der    Milutinovacer    Kmete    signalisiert    hatte.      Auch 


Q       10      n      30      *0      51      10      fp 


Kastell  bei  VajiiKa. 


herbeigerufene  Hirtenknaben  wussten  nichts  von  alten  Mauern.  Der  von  mir  in 
ein  fernes,  isoliertes  Gehiift  entsandte  Pandur  loste  alle  Zweifel.  An  der  Mündung 
des  Baches  lag  unter  seinem  rechtsutcrigen  Terrassenrande,  von  oben  nur  aus 
unmittelbarer  Nähe  sichtbar,  was  von  iIlmii  wahrscheinlich  quadratischen  Bau 
verschont  geblieben.  Felsartig  widerstand  nur  der  nordwestlichste  Bauteil,  trotz 
der  seit  16  Jahrhunderten  ihn  angreifenden  Fluten  und  seiner  auf  einen  Limesturm 
deutenden  geringen  Mauerstärke  von  nur  0,8  m,  dem  unabwendbaren  Lose.  Die 
vielen  antiken  Deckziegelreste  im  Ufersclilamme  lassen  mich  annehmen,  dass  er 
voll  überdeckt  war. 

Durch  das  Dorf  Vajuga  gelangte  ich,  100  in  W.  von  seinem  Friedhofe, 
zum  nächsten  hart  am  Donauufer  liegenden  Kastelle  mit  sehr  interessantem 
Grundrisse.  Von  den  Seiten  des  rechteckig  auf  dem  kleinen  Plateau  ange- 
legten  Hauptwerks  misst   die   (istliche    und    westliche   je   86  m,   die    Donau-    und 


480 


Von  F?rza  Palaiika  über  Kladovo  usw.  nach  Tekija  iiiul  Ada  Kaleh. 


entgegengesetzte  Landseite  je  80  ni.  Inmitten  der  letzteren  befand  sicii  ein 
rechteckiger  Anbau  mit  44  ni  langen  Flügeimaiiern  und  22  m  breiter  Stirnfrunte, 
mit  dem  durch  zwei,  von  den  Ecken  des  Hauptwerks  vorspringenden  Rundtürmen 
geschützten  Kastellzugang.  Soweit  die  an  einigen  Mauern  stark  fortgeschrittene 
Zerstörung  erkennen  lässt,  betrug  ihre  durchschnittliche  Stärke  2  m.  Im  Schutte 
stiess  ich  auf  vorzüglich  gebrannte  Deckplatten  und  Gusswerk  von  felsartiger  Härte. 
Links  vom  Wege  nach  dem  6  km  fernen  Korbovo  steht,  von  einer  Akazie 
beschattet,  ein  originelles  Kreuz  walachischer  Dorfkunst,  das  in  Skulptur  und 
Malerei  ausser  dem  Heiland  und  den  Apostelfürsten  auch  den  hl.  Trifun,  die 
rumänisch  „Vinjera  niare"  genannte  hl,  Paraskeva  und  andere  Heilige  des  orthodoxen 
Olymps  unter  schirniartigem  Dache  verherrlicht.   Weiter  folgten  rechts  drei  Tumuli, 

und  bald  darauf  fuhren  wir  durch  das  Pfahltor 
der  „carina",  des  hohen  Zaunes,  welcher  das 
Dorfareal  nahezu  aller  walachischen  Donauorte 
uiifriedet.    Im  Hofe  des.  Gemeindehauses  ging 
es  anlässlich  des  Sv.  Paraskeva-Kirchen- 
patrontages     hoch     her.      Der    Orotanz 
war   bereits   im    besten   Gange   und   bot 
ein  derartige  serbische  Feste  an  Jugend- 
lust und  Farbe  noch  übertreffendes  Bild. 
Es  schien,  als  ob  die  Frauen  ihre  ganze 
Zeit  und  Habe  ihren  überreichenKostümen 
opferten.     Niemals    sah    ich    prächtigere 
in  einem  Dorfe.    Abgesehen  von  den  ge- 
schmackvoll ausgeführten  bunten  Streifen 
der  Hemden,  den  prächtigen  Kopftüchern, 
überraschten    mich   ganz  besonders    die 
schwarzen  und  karmesinroten,  mit  Pelz- 
und    Schnurvverk    reich    verzierten,    dolmanartigen 
Jacken  der  älteren  Frauen,  die  von  der  Estrade  des 
kleinen   Amtshauses    am   Feste    teilnahmen.     Viele 
Mädchen  hätten  gewiss  ohne  die  stark  aufgetragene 
Schminke   noch  hübscher   ausgesehen;  geschicktes 
Hantieren  mit  Pinsel  und  Farbe  gehört  nun  einmal 
zur    Vervollständigung    der  walachischen    Frauen- 
toilette. Nur  sehr 
schwer      entging 
ich    den   mir  zu- 
gemuteten Ehrun- 
gen   seitens    der 
Honoratioren, und 
nicht  leichtwares, 
sie  zu  bestimmen, 

Walachisches  Holzkreuz  zu  Korbuvo.  l-'nS    endlich    UaCh 


Von  Brza  Palanka  über  Kladovo  usw.  nach  TcUija  und  Ada  Kaleli.  481 

dem  „Cetace"  zu  führen.  —  Im  Gehöfte  des  Petar  Grucic,  mitten  im  Dürfe,  fand  ieh, 
dem  Westende  der  gleichnamigen  rumänisciien  Insel  gegenüber,  nahe  am  Donau- 
steilrande, ein  stark  verwüstetes  quadratisches  Römerkastell  mit  24  m  langen 
Fronten,  welches  mit  dem  von  Marsigli  als  „Corvingrad"  verzeichneten  identisch 
sein  dürfte. ')  Das  kleine  Werk  wurde  wahrscheinlich  zur  Überwachung  iler  zum 
linken  Ufer  gehörenden  bedeutenden  Insel  angelegt,  denn  nur  2  Millien  stromaufwärts 
stiess  ich  auch,  ihrer  Ostspitze  und  dem  rumänischen  Inovo  gegenüber,  10  m  vom 
30  m  hohen  Uferrande  entfernt,  auf  ein  zweites  quadratisches  Werk  mit  20  m  langen 
Wallmauern,  welche  der  stetig  westlich  vorrückende  Strom  bald  unterwaschen 
imd  begraben  dürfte.  Fünf  riesige  Werkstücke,  die  ich  im  Popenhause  des 
benachbarten   Rtkovo  sah,  stammen  aus  diesem  Kastelle. 

Unten  auf  dem  breiten  Strome  steuerte  der  stolze  „Ferdinand  Max",  unsere 
scharf  ausgreifenden  Pferdchen  überholend,  nach  Turn-Severin,  wir  aber  nach 
Rtkovo,  in  dem  sich  die  malerische  Szene  von  Korbovo  auf  dem  kleinen  Platze 
vor  dem  neuen,  stattlichen  Popenhaus,  etwas  abgeschwächt,  wiederholte.  Nur 
das  Töchterlein  des  Geistlichen  schien  alles  an  Feiertagsstaat  bisher  Gesehene 
übertreffen  zu  wollen.  Das  jugendfrische  Madchen  strahlte  in  golddurchwirkten 
Stoffen  und  mit  echtem  Schmuck,  dem  man  so  selten  in  diesen  Regionen  begegnet. 
Der  zweite  Reisetag  ging  zu  Ende,  als  unser  Gefährt  die  bei  Feuerschein  dem 
Tanze  huldigende  Jugend  des  gleichfalls  walachischen  Velika  Vrbica  für  einen 
Augenblick  vom  Wege  scheuchte.  Bei  dem  folgenden  Mala  Vrbica  bezeugten 
die  grossen  Ahnen  der  heutigen  Anwohner  ihre  einstige  Siedelung  am  Strome 
durch  ein  quadratisches  Kastell,  dessen  Grundfeste  mit  40  m  langen  Fronten  nur 
noch  bei  sehr  niederem  Wasserstande  sichtbar  wird.  Die  Mauerreste  liegen  genau 
dem  rumänischen  Simijanu  gegenüber. 

Stromaufwärts  von  dieser  Befestigung  stand  Kaiser  Trajans  berühmte  Donau- 
brücke (S.4f58).  75  m  von  ihrem  mösischen  Uferpfeiler  fand  ich  auf  dem  bis  zum 
Uferrande  streichenden  Plateau  Mauern  eines  Kastells  —  das  dreizehnte  von  Brza 
Palanka  —  welches  dem  westlicheren  Dorfe  Kos  toi  seinen  Namen  gab.  Dort 
sieht  man  in  allen  Gehöften  grosse  Haufen  antiken  Materials,  darunter  riesige 
Architrave  von  Sandstein.  Das  Kastell  gliedert  sich  in  zwei  Teile.  Die  ältere, 
streng  N.  gerichtete  Anlage  besitzt  50  m  lange  und  30  m  breite  Mauern,  von  deren 
Ecken  Rundtürme  mit  6  m  Durchmesser  vorsprangen;  die  anschliessende,  zweifellos 
spätere,  deren  stark  verwüstete  Fronten  ich  nach  längerem  Rekognoszieren  mit  120  m 
langen,  2  m  starken  Mauerwällen  feststellte,  bildete  ein  gegen  NO.  gerichtetes  Recht- 
eck, das  einige  grössere,  in  den  Rudimenten  noch  erkennbare  Bauten  umschloss. 
Der  Kern  des  seiner  Steinverklcidung  grösstenteils  beraubten  Mauerwerks  besteht 
allerorts  aus  durch  Findlinge,  kleine  Ziegelstücke  und  trefflichen  Mörtel  her- 
gestelltem Gusswerk.  Ich  halte  den  älteren  Teil  dieser  Brückenfeste  mit  dem 
Kastelle  „Pontes"  für  identisch,  das  (nach  Procopius)  von  Trajan  erbaut,  durch  die 
Barbaren  zerstört  und  von  Justinian  erneuert  wurde.  Die  Verteidigungsfähigkeit 
dieses  Werkes  wurde  gegen  0.  noch  durch  einen  jetzt  versumpften  Donauarm  und 


')  A.  a.  O.,  Bd.  2,  Tab.  VIII. 

F.  KANITZ,   Serbien.    U.  31 


482  Von  Rrza  Pninnkn  über  Kladovo  usw.  nach  Tekija  und  Ada  Kaleli 

gegen  W.   durch   einen   mit  diesem  korrespondierenden,  wahrsclieinlicii  künstlich 
vertieften  Hohlweg  erliciht. 

Im  tiefsten  Nachtdunkel  fuhren  wir  durch  Kostol.  Jenseits  erstrahlte  das 
amphitheatralisch  sich  aufbauende ,  durch  seine  Wahl  zum  Werftplatze  der 
Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft  in  30  Jahren  vom  unbedeutenden  Dorfe  zur 
prächtigen  Stadt  erblühte  Turn-Severin.  Als  wäre  es  illuminiert,  liess  der 
Glanz  seiner  nach  Hunderten  zählenden  Gasflammen  das  nur  durch  wenige 
Petroleumlaternen  beleuchtete  Kladovo  noch  finsterer  erscheinen.  Wenig  bekannt 
ist  selbst  in  serbischen  Kreisen  die  Tatsache,  dass  in  der  handclslätigen 
rumänischen  Hafenstadt  etwa  240  Familien  aus  Deber  (Dibra)  am  Drimflusse 
leben,  welche,  wie  mir  ihr  Priester  und  Lehrer  Luka  Dozudic  versichert,  in  treuer 
Anhänglichkeit  ihrer  altserbischen  Heimat  zugetan,  ihren  dortigen  Verwandten 
und   Freunden   innigst  verbunden  sich  fühlen. 

Zu  Kladovo  nächtigten  wir  im  reinlichen  Hause  der  deutsch  sprechenden 
hübschen  Wirtin  Maria.  Der  Frühmorgen  aber  traf  uns  wieder  auf  dem  Wege 
nach  Kostol  und  seiner  2  km  östlicheren  Römerbrücke.  Der  Schilderung  meiner 
Forschungsresultate  an  ihrem  mösischen  Uferkopfe  geht  hier  das  knappe  Bild 
der  welthistorischen  Ereignisse  voran,  welche  ihre  Erbauung  und  Vernichtung 
nach  kurzem  Bestände  herbeiführten. 

Gleichzeitig,  als  Kaiser  Trajan  in  männlicher  Vollkraft  dem  Reiche  seine 
weitesten  Grenzen  gab,  indem  er  den  vom  Niederrhein  zur  oberen  Donau 
laufenden  „Limes  Romanus"  anlegte  und  dadurch  Roms  schimpfliches  Verhältnis 
zu  den  germanischen  Nachbarn  unter  Domitian  brechen  konnte,  rüstete  er  auch 
zum  Kriege  an  der  unteren  Donau,  um  den  widerstrebenden  Dazierherrscher 
niederzuwerfen.  Schon  der  erste  dazische  Feldzug,  begonnen  im  Frühjahr 
101  n.  Chr.,  brachte  Trajan  nach  der  glücklichen  Schlacht  bei  Tapae  unter 
unausgesetzten  Kämpfen  mit  den  geharnischten  Reitern  der  gefürchteten  Rhoxolanen 
bis  zum  „Eisernen  Tor"-Passe  der  Siebenbürger  Karpathen.  Eine  dort  geschlagene 
zweite  Schlacht  erschloss  ihm  auch  ihre  anderen  Tore,  und  ein  dritter  Sieg  im 
Hatzeger  Tal  über  den  aus  seiner  Hauptstadt  heranziehenden  Decebalus  befreite 
Rom  von  diesem  hartnäckigen  Gegner,  nachdem  seine  zahlreichen,  stark 
befestigten  Lager  und  Burgen  nach  in  den  Reliefs  der  Trajanssäule  bezeugten 
hartnäckigem  Widerstände  genommen  und  niedergebrannt  waren. 

Der  gedemütigte  König  erschien  vor  dem  siegreichen  Imperator,  legte 
seine  Waffen  ab,  flehte  auf  den  Knien  um  Gnade  und  leistete  die  ihm  auferlegte 
Huldigung.  Zur  Sicherung  seiner  mit  bewundernswerter  Umsicht  vorbereiteten 
Eroberung  errichtete  Trajan  sofort  in  Sarmizegethusa  (Värhelj)  ein  befestigtes 
Lager,  liess  in  den  wichtigeren  Orten  Besatzungen  zurück  und  beging  dann  erst 
zu  Rom  einen  feierlichen  Triumph.  Gleichzeitige  Münzen  tragen  unter  Trajans 
Ehrennamen  den  Titel  „Dacicus",  mit  welchem  seine  Krieger  ihn  begrüsst  hatten 
und   den  der  Senat  bestätigte. 

Roms  Siegesjubel  war  noch  nicht  verklungen,  und  schon  schickte  sich  Trajan 
an,  Dazien  dauernd  in  einen  römischen  Besitz  zu  verwandeln.  Der  die  drohende 
Gefahr    erkennende    Decebalus    rüstete    im    geheimen,    stellte    die    geschleiften 


Von  Brza  F'alanka  ülier  Kladi)vo  usw.  nach  Tckija  iiiul  Ada  Kalcli.  4813 

Befestigungen  wieder  iier,  schloss  Bündnisse  mit  licnaclibarten  Völi<crn,  rief  die 
Hilfe  der  Partlier  an,  beschleunigte  aber  dadurch  nur  den  Ausbruch  des  zweiten 
dazischen  Krieges. 

Im  Frühjahr  105  ging  Trajan,  begleitet  von  Hadrian  und  Lucius  Quintus, 
zum  Heere  ab.  Während  der  kaum  , vierjährigen  Waffenruhe  schuf  des  Kaisers 
Genie  bei  Drobetae  (Turn-Severin)  aber  jene  grossartige  Brücke,  welche  mit  dem 
bereits  geschilderten  Befestigungsgürtel  seine  Operationen  gegen  Dazien  wesentlich 
förderte.  Ais  erfahrener  Bauherr  und  fachkundiger  Leiter  zahlreicher  Brücken- 
bauten in  Italien,  Spanien,  Deutschland,  über  den  Luphrat  und  Tigris,  hafte  er 
für  den  schwierigen  Donaubau  im  griechischen  Meister  Apollodorus  von  Damaskus 
die  richtige  Wahl  getroffen.  Die  gesicherte,  feste  Verbindung  mit  dem  rechten 
Stromufer  befähigte  Trajan,  langsam,  doch  unaufhaltsam  in  Dazien  vorzudringen. 
Nach  der  Wegnahme  vieler  fester  Plätze  verliess  eine  starke,  schon  früher  Rom 
zugetane  Partei  den  unglücklichen  Decebalus  und  trat  gleich  den  Sarmaten, 
Rho.xolanen,  Jazygern  und  germanischen  Buriern  zu  Trajan  über,  der  durch  eine 
siegreiche  Schlacht  seinen  Truppen  den  Weg  auch  in  die  unwirtlichen  nördlichen 
Gegenden  bahnte,  in  welchen  eine  Reihe  von  Festungen  das  Vordringen  sehr 
schwierig  gestaltete.  Oft  musste  mit  Leitern  gestürmt  werden,  und  erst  nach 
fortgesetzten  Kämpfen  mit  dem  tapferen  Feinde  ergab  sich  die  Hauptstadt.  Ihre 
Edlen  steckten  die  Häuser  in  Brand.  Decebalus  wählte  den  freiwilligen  Tod.  Sein 
Haupt  wurde  nach  Rom  gesandt.     Unermesslich  gross  war  die  Beute  der  Sieger! 

Trajan  scheint  noch  einige  Zeit  in  Dazien  verweilt  zu  haben,  um  die 
Kolonisation  und  Verwaltung,  die  Anlage  neuer  Strassen  und  Befestigungen 
anzuordnen  und  damit  die  ersten  Schritte  zu  dessen  Umgestaltung  in  eine 
römische  Provinz  persönlich  vorzubereiten. 

Die  neuen  Untertanen  nahmen  rasch  Sprache  und  Sitten  der  Sieger  an. 
Wie  hochinteressant  sich  Daziens  Kulturleben  in  jener  Epoche  gestaltete,  dafür 
geben  dort  zahlreich  aufgefundene  Denkmale  umfassenden  Aufschluss.  Die 
meisten  Städte  der  von  einem  Proprätor  regierten  Provinz  wurden  nach 
römischem  Schema  umgestaltet  und  das  Land  mit  Veteranen  des  Heeres  besiedelt, 
deren  physische  Vorzüge  bei  den  Rumänen  und  selbst  bei  den  Walachen  der 
serbischen  Donaustriche  erkennbar  sind. 

Die  nach  gleichzeitigen  Münzen  im  Jahre  104  vollendete  Steinpfeilerbrücke 
bei  Turn-Severin  zählt  zu  den  grossartigsten  Werken  römischer  Bautechnik  und 
wurde  auch  auf  der  „Trajanssäule"  verewigt.  In  neuerer  Zeit  machte  Graf 
Marsigli  in  seinem  berühmten  „Danubius  Panonico-Mysico"  (Band  II)  zuerst  auf 
ihre  Reste  aufmerksam.  Erst  aber  der  selten  gleich  niedere  Wasserstand  von 
0,42  m  unter  Null  am  Orsovaer  Pegel  ermöglichte  es  im  Januar  1858  dem 
Ingenieur  Deuster,  einen  sehr  instruktiven  Längenschnitt  und  eine  Draufsicht  der 
zutage  getretenen  Pfeiler  anzufertigen.  Der  begleitende  Fundbericht  findet  sich 
in  meinem  „Serbien"  (349  f.)  abgedruckt,  und  im  Herbst  1889  konnte  ich  Deusters 
Pläne  durch  eine  Detailaufnahme  des  musischen  Brückenkopfes,  seines  Viadukts 
und  des  ihn  schirmenden,  von  mir  aufgefundenen  Kastells  „Pontes"  (S.  485) 
ergänzen,  wobei  sich  die  Zuverlässigkeit  der  durch  Dio  Cassius  auf  Grundlage  von 

31* 


484 


Von  Brza  Palanka  über  Kladovo  usw.  nach  Tekija  und  Ada  Kaleli. 


leider   verlorenen    Berichten    des    Apoilodorus    uns    überlieferten    Einzelmasse    in 
überraschender  Weise  ergab. 

Dass  die  Römer  es  verstanden  haben,  nicht  allein  Wölbungen  von  ausser- 
ordentlicher Spannweite  auszuführen,  wie  jene  zu  Martorell  und  Lissabon  mit 
32—43  m  Durchmesser,  sondern  auch  Brücken  von  bedeutender  Länge  mit 
29  und  32  Quadernbogen,  dafür  sprechen  die  bekannten  über  den  Kurttschai  und 
Naher-Kjor  in  Syrien  u.  a.  Die  Ueberbrückung  der  zwischen  dem  mösischen 
und  dazischen  Uferkopfe  1127  m  breiten  Donau  erfolgte  durch  20  voneinander 
durchschnittlich  36,5  m  entfernte  Pfeiler,  bei  der  Fundamentierung  der  schon  von 
Vitruv  geschilderte  Betonbau  mit  Pfahlrosten  und  Kastensetzungen  unserer 
modernen  Technik  angewendet  wurde.  Die  1858  hervorgetretenen  16  Pfeiler 
zeigten,  je  nachdem  sie  einen  kleineren  oder  grösseren  Teil  ihres  den  Betonkern 
umhüllenden  Quadernpanzers  verloren  hatten,  meist  die  ursprüngliche  Stärke  von 
18  m.     Die  hohen  Ufer  bedingten  eine  aussergewöhnliche  Höhe  der  Strompfeiler; 


P1.1I1  der  Tr.ijansbriicke 


a    Q 


0 


c.     (.1     n.    öl 


sie  betrug  nach  Dio  Cassius  46  m.  Vor  dem  mösischen,  turmartig  aufragenden 
Kopfpfeiler  brachte  ich  die  Grundfesten  des  im  bezüglichen  Relief  der  Trajanssäule 
angedeuteten  Viadukts  in  Plan,  dessen  erster  Pfeiler  1  m,  die  folgenden  2  m 
stark  durch  gemauerte  Bogen  von  1,  4,  8,  10  m,  wie  am  dazischen  Brückenkopf, 
den  Uebergang  vom  Hochplateau  auf  die  Brückenbahn  vermittelten.  Obgleich 
der  4  m  starke  Kopfpfeiler  durch  die  Elemente  sehr  gelitten  hat,  fand  ich  ihn 
noch  10,5  m  hoch.  Soldaten  der  mazedonischen,  spanischen  und  anderen  Legionen 
haben  sein  festes  Mauerwerk  aus  prächtig  roten,  fein  geschlämmten  Ziegeln 
hergestellt.  Diese  sind  in  den  unteren  nördlichen  Lagen  45  cm  lang,  6  cm  hoch, 
in  der  obersten  Partie  nur  30  cm  lang,  6  cm  hoch.  Die  ursprünglich  mit 
Quadern  bekleideten  Schmalseiten  verloren  diese  bis  auf  wenige  durch  die 
Plünderungsversuche  der  Anwohner;  schwieriger  scheint  es,  das  lockende  Material 
dem  zu  Fels  verhärteten  Gusswerke  des  noch  3  m  hohen  und  7  m  breiten 
Widerlagers  abzugewinnen.  Nach  Deusters  Frontansicht  des  dazischen  Uferpfeilers 
besass  dieses  auch  stromabwärts  einen  4  m  langen  Keilfortsatz,  wie  ich  ihn 
aufwärts  feststellte,  und  somit  die  gesamte  untere  Pfeilerbreite  15  m.  Die  an 
ihren  Stromseiten    sichtbaren    vier   Reihen    eingemeisselter    quadratischer   Löcher 


\'on  Brza  F'nlankn  über  Kladovo  usw.  nach  Tekija  und  Ada  Kalch. 


4S.- 


dienten  höchst  wahrscheinlich  zur  Befestigung  der  Stützbaiken  des  durch 
Konstantin  erneuerten  Oberhaues,  als  er  im  Jahre  328  gegen  die  Goten  zog.  Dass 
jener  des  Apollodorus  aus  Steinbogen  bestand,  ist  wahrscheinlich,  geht  aber 
weder  aus  Dios  Beschreibung,  noch  aus  der  scheniatischen  Darstellung  der 
Brücke  auf  der  Trajanssäule  bestimmt  hervor.  Das  bezügliche  Relief  veranschaulicht 
nur  ihre  neben  einem  Rundturme  des  Uferkastells  „Pontes"  an  den  letzten 
Viaduktbogen  schliessende  gezimmerte  Längsgalerie.  Auf  den  Münzen  zeigt  der 
imposante  Bau  an  beiden  Uferviadukten  hohe,  Triumphbogen  ähnliche  Türme, 
deren  Attika  über  dem  Wächtergeschosse  zwischen  zwei  Trophäen  eine  Statue  (?) 
trägt.  Um  1850  zogen  Fischer  nahe  dem  serbischen  Uferpfeiler  aus  dem  Strombett 
einen  prächtig  gearbeiteten  Bronze-Porträtkopf,  der  gegenwärtig  eine  Hauptzierde 
des  Belgrader  Nationalmuseums  bildet. 

Ob   er    einst    der  Brückenkopfstatue   angehörte,    und    wen    diese    verewigen 
sollte  (?),    ist  heute    schwer   zu   entscheiden.    Jedenfalls   liegt    das  Porträt    eines 


und  des  Kastells  Pontes. 


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Römers  in  hervorragender  Stellung  vor.  „Man  könnte"  -  meint  Dr.  Ank)\\ 
V.  Premerstein  —  „an  einen  der  Statthalter  von  Obermösien  denken,  die  nach 
einer  neugefundenen  Basis  im  Hauptquartier  der  Provinz  zu  Viminaciuni  wohl 
alle  ihre  Statuen  hatten.  Leider  sind  fest  bestimmbare  Porträts  der  römischen 
Kaiserzeit,  soweit  nicht  die  Kaiser  selbst  in  Betracht  kommen,  sehr  selten.  Der 
Arbeit  nach  wird  der  interessante  Kopf  wohl  noch  in  die  erste  Hälfte  des  zweiten 
Jahrhunderts  fallen.  Dafür  spricht  auch  die  Bartlnsigkeit.  Ich  will  nicht  ver- 
schweigen, dass  er  mir  auf  den  ersten  Anblick  einige  Ähnlichkeit  mit  Köpfen  zu 
haben  schien ,  die  auf  den  Vater  des  Kaisers  Trajan  (divus  Traianus  pater) 
gedeutet  werden.  Aber  diese  Zuweisungen  sind  an  sich  recht  unsicher."  Nach 
Froehner')  lagen  den  Turmfassaden  der  Trajansbrücke  mehrstufige  Treppen  vor, 
was  ich  bezweifle,  weil  sie  die  Zufahrt  der  Katapulte,  Rüst-  und  Proviantwagen 
behindert  hätten;  eher  wäre  es  denkbar,  dass  die  auf  den  Münzen  angedeuteten 
Treppen  den  Zugang  vom  Ufer  in  die  Scitentore  der  Brückenkopftürme  vermittelten, 
wie  es  mein  Restaurationsversuch  der  letzteren  zeigt. 


')  La  coionne  Trajanne,  111.  Bd.,  S.  129.        Auch  Barfoli,  Tab.  74,  Scgm   295  f. 


486 


Von  Brza  Palaiika  über  Kladovo  usw.  nacli  Tekija  uiul  Ada  Kaleli. 


Trajans  feste  prächtige  Donaiibriicke  bei  Pontes')  liätte  sicii  woiii  bis  auf 
unsere  Zeit  erhalten,  ohne  seines  Nachfojf^ers  Hadrians  Missfj;unst,  der  —  vor- 
schützend, sie  erleichtere  den  nordischen  Barbaren  das  Eindringen  in  Dazien  —  sie 
nach  kaum  20jährigem  Bestände  zerstören  Hess.  Nach  gleichzeitigen  Berichten  traf 
Apollodorus'  Werk  der  Neid  des  in  den  Wissenschaften  mit  mehr  Glück  als  auf 
künstlerischem  Gebiete  sich  betätigenden  Kaisers.  Der  Architekt  aus  Damaskus 
hatte  durch  seine  viel  gepriesene  Baute  allzusehr  Trajans  Ruhm  gemehrt,  sich 
überdies  an  dessen  Triumphbogen  zu  Rom  durch  ein  später  in  das  Konstantinstor 
versetztes  Relief  verewigt,  wie  er  dem  Kaiser  einen  Bauriss  vorlegt,  auch  soll  er 
Hadrians  Bauten  ironisierend  beurteilt  haben,  was  er  zuletzt  mit  Verbannung  und 
gewaltsamem   Tode   büsste.     Mit  Trajans   Namen   lebt  aber  der  seines  genialen 


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Bui  der  Trajansbrücke  gefundener  Brtmzekopf  im  Belgr.ider  .Museum. 


Architekten    dauernd   fort,   dessen   allerdings   angezweifelte   Büste    die   Münchener 
Glypthotek   bewahrt. 


')  Dieses  von  mir  1889  gefundene  und  1892  geschilderte  Kastell  erscheint  in  einem 
Relief  mit  des  Kaisers  Weilinpfer  an  seiner  vollendeten  Brücke  auf  der  Trajanssäule  und 
soll  durch  seine  Anordnung  in  ihrem  grossen  Bilderzyklus  Prof.  Benndorffs  Hypothese  stützen: 
,.Das  Tropaeum  zu  Adam  Klissi  wurde  errichtet  zur  Verewigung  eines  von  Trajan  in  der 
Dobruüa  im  Jahre  105  persönlich  erkämpften,  historisch  allerdings  unerweisbaren  Sieges  über 
die  Barbaren."  Benndorff  äussert  in  der  interessanten  Kontroverse  mit  Petersen,  Furt- 
wengler  u.  a.,  welche  diesen  Sieg  in  eine  frühere  Zeit  verlegen  (Arch.-epigr.  Mitteil.  Wien 
1896):  „Drobetae  ist  Municipium,  später  Kolonie  und  aus  zahlreichen  Inschriften  bekannt; 
Pontes  jüngst  von  Kanitz  gefunden  und  aufgenommen  (Kanitz,  Römische  Studien  in  Serbien. 
Denkschriften  der  Wiener  Akademie,  phil.-hist.  Klasse.  CLL  u.  II.  Bd.,  S  44,  Fig.  25.  1892), 
ein  blosses  Kastrum  von  massiger  Grösse  und  bisher  ohne  alle  Inschriften.  Hier  ist  also 
nicht  auszuweichen.  Die  alte,  durch  die  Gesetze  einer  Frieskomposition  bedingte  Reihenfolge 
besteht  zu  Recht,  die  Kaiserschlacht  bleibt  auf  dem  rechten  Donauufer  und  findet  statt,  ehe 
Trajan  an  die  Donaubrücke  gelangt  und  seine  Armee  über  sie  in  Feindesland  führt." 


Von  Brza  Palankn  über  Kladovo  iisw    nach  Tckijn  und  Ada  Kalcli.  487 

War  aber  die  Steinbrücke  zwischen  Kostol  und  Turn-Severiii  wirklich 
dieselbe,  auf  der  Trajan  seine  Legionen  nach  Dazien  führte?  Darüber  wurde, 
nachdem  Marsigii  auch  bei  dem  östlicheren  Vadin  antike  Pfeilerreste  signalisiert 
hatte,  von  namhaften  Forschern  viel  gestritten.  Für  den  Standort  der  Trajansbrücke 
bei  Vadin  traten  ein:  Trajans  tüchtiger  Biograph  Franke,  der  Philologe  Schwarz, 
die  Historiker  Sulzcr,  Büdinger  (f  1902)  u.  a.  —  für  ihre  Identität  mit  den 
Resten  bei  Turn-Severin;  ausser  Marsigii  auch  D'Anville,  Engel,  Mannert,  Aschbach, 
deren  überzeugenden  Ausführungen  ich  schon  1868  beipflichtete.  Obgleich  es 
mir  seither  gelang,  durch  weitere  historisch-archäologische  Forschungen  im  Terrain 
von  Bulgarien  viele  seit  Marsigii  und  Lejean  gebliebene  Lücken  am  mösischen 
Donauufer  zu  schliessen,  vermochte  ich  leider  nicht,  wie  ich  schon  früher  aus- 
führte '),  die  von  Marsigii  in  flüchtiger  Vorbeifahrt  erhaltene  Notiz  über  die 
Brückenpfeiler  bei  Vadin  durch  eine  authentische  Aufnahme  zu  ersetzen.  Was 
ich  aber  selbst  bei  hohem  Wasserstande  in  situ  sah  und  durch  kundige  Steuerleute 
erfuhr,  bestätigt  die  einstige  Existenz  einer  zweiten  antiken  Steinbrücke  allerdings 
nicht  bei  Vadin-),  sondern  5  km  östlicher  vom  bulgarischen  Gigen,  wo  das 
Kastell  Palatiolum3)  sie  deckte,  und  nahe  dem  rumänischen  Celei,  wo  schon 
Marsigii  ein  Römerwerk  verzeichnete  und  künftige  Forscher  die  bei  niederem 
Wasserstande  den  Spiegel  I — 2  m  hoch  überragenden  Pfcilerreste  näher 
bestimmen  werden. 

Am  mösischen  Brückenkopfe  bei  Kostol  herrschte  tiefste  Ruhe.  Nur  selten, 
wenn  hoher  Wasserstand  die  Uferpassage  hindert,  wird  sein  Widerlager  von 
aufwärts  fahrenden  Schiffern  behend  erklettert,  um  ihr  Schleppseil  über  dasselbe 
wegzubringen  (S.468).  Jenseits  liess  König  Sigismund  im  August  1396  das  ungarisch- 
deutsch-französische Kreuzheer  auf  serbischen  Boden  übersetzen,  wo  es  Sultan 
Bajazid  am  28.  September  bei  dem  nahen  Nikopoli  vernichtete.')  Am  linksuferigen 
Romerpfeiler  sieht  es  heute  lebhafter,  ich  möchte  sagen:  viel  moderner  aus.  I^orl 
qualmen  auf  dem  Hochplateau  aus  dem  Schlote  einer  Werkstätte  schwere 
Rauchwolken  in  den  blauen  Äther,  hart  an  seinem  Widerlager  unten  braust  ein 
nach  Bukarest  eilender  Schnellzug  vorüber,  und  ein  Remorkör  mit  schwerbelasteten 
„Schleppern"  pustet  auf  dem  unterhalb  der  antiken  Brückenpfeiler  durch  eine 
Insel  geteilten  Strome  langsam  abwärts.  Der  grosse  Frachtenverkehr  wird  ihm 
auch  weiter  bleiben,  wenn  Rumänien  und  Serbien  die  am  18.  Januar  1898 
vereinbarte  Eisenbahnlinie  mit  Brücke  zwischen  Turn-Severin  und  Kladovo 
wirklich  einmal  bauen  sollten. 


')  Donau-Bulgarien  u.  d.  Balkan    II.  Auf!    II.  Bd.,  S.  101. 

-')  Danub.  II.  Bd.,  S.  38. 

')  Heerstrasse  v.  Belgr.  n    Konstant     S.  159. 

')  Dass  diese  Schlacht  bestimmt  bei  NIcopoli  an  der  Donau  und  nicht,  wie  der  Odessaer 
Prof.  Braun,  ferner  Slavejkov,  Jirecek  u.  a  annahmen,  bei  „Nicopolis  ad  Haenuun"  stattfand, 
wies  ich  in  „Donau-Bulgarien  u.  d.  Balkan"  (II.  Aufl.,  II  Bd  ,  S.  47,  58  ff.)  so  überzeugend 
nach,  dass  die  den  folgenschweren  Kampf  kritisch  erörternden  neueren  Schriften  des 
k.  preuss.  Generals  G.  Koehler  (1882)  und  des  k.  u.  k.  FML.  Kupelwieser  (1895)  mir  voll- 
kommen beipflichteten. 


488 


Von  Brz;i  Pal;iiil<a  über  Kladovo  usw.  iiacli  Tckija  und  Ada  Kalch. 


Begleitet  von  den  jenseitigen  langen  Häuserzeilen  Turn-Severins,  dessen 
1864  von  mir  gezeichneter  römischer  „Severinsturm"  aus  frischem  Parkgrün 
hervorlugte,  ging  es  an  Kostols  auf  halbem  Wege  liegenden  Schanzen  vorbei 
wieder  nach  Kladovo.  Kurz  vor  diesem  erbaute  ein  spekulativer  Russe  hart  am 
Donaurand,  um  dem  höheren  Zollsätze  zu  entgehen,  ein  kleines  Petrolcuin- 
Raffineriewerk  für  dort  kaukasisches  Rohöl  landende  Caissondampfer.  Wir  fuhren 
dnekt  in  die  niu'   10  Minuten  von  der  Zivilstadt  entfernte  Feste. 


DONAU 


Riinierkastcll  Zancs. 

Einige  Worte,  dass  es  mir  erwünscht  wäre,  die  von  Marsigli  dort  angedeuteten 
antiken  Reste  zu  sehen,  genügten,  und  der  mich  als  alten  Bekannten  von 
Kragujevac  begrüssende  Kommandant,  Oberstleutnant  Sima  Vlasic,  stellte  sich 
mir  in  allem  zur  Verfügung.  Ob  bei  Kladovo  eine  prähistorische  Siedelung 
bestand,  ist  trotz  des  im  Ufersande  gefundenen,  in  der  Mitte  aus  dünnem 
Bronzeblech  gewundenen  Halsringes  im  Belgrader  Museum  ')  fraglich. 

Bei  den  vielen  Um-  und  Zubauten,  welche  die  Feste  seit  den  Völkerstürmen 
völlig  veränderten,   war  es   schwierig,    ihre   römische  Anlage   zu    bestimmen.     Es 


•)  Starinar,  VII.  Bd.,  S.  93. 


Von  Brza  Palanka  über  Kladovo  usw.  nach  Tekija  iiiul  Ada  Kaloh.  4Si). 

bedurfte  vieler  Stuinieii  forti^esetzten  Auf-  und  Abkletterns  der  Wälle,  wiederholter 
Betretun^  des  gefüllten  Pulvermagazins,  und  stetiger  Prüfung  des  Mauerwerks 
mit  der  Spitzliaue,  die  ein  von  zwei  Soldaten  überwachter,  in  Eisen  geschmiedeter 
herkulischer  robijas  (Festungssträfling)  trefflich  führte,  bis  es  mir  mit  Hilfe  des 
Ingenieurs  Pavlovic  gelang,  den  hier  beigefügten  Grundriss  des  Römerkastclls  so 
weit  fertigzustellen,  als  dies  überhaupt  auf  dem  von  iWinengängen  durchzogenen 
Terrain  nuiglich  war. 

Die  erlangten  Resultate  ergaben  eine  rechteckige  Umwallung  mit  100  m 
langen,  54  m  breiten  und  1,5  m  starken  Steinfronten,  von  welchen  tlie  nördliche 
schmale  wenige  Schritte  vom  Donaurande  sich  erhob.  3  m  nach  innen  umschloss 
eine  zweite,  gleich  starke  Ummauerung,  deren  Seiten  85  m  und  45  m  niassen, 
das  nur  durch  einen  schmalen  Gang  von  ihr  getrennte,  73  m  lange  und  38  m 
breite  eigentliche  Kastrum,  mit  Rundtürmen  an  den  Ecken  und  inmitten  der 
Breitfronten,  die  zwei  quadratisch  vorspringende  an  den  Schmalseiten  verstärkten. 
Sollten  Nachgrabungen  die  von  mir  nur  hypothetisch  angegebene  nördliche 
Kastellanlage  bestätigen,  dann  dürften  die  in  ihrer  Mitte  aufgefundenen  vier 
Mauerreste  einem  quadratischen  Hauptturme,  sonst  aber  der  Nordfront  des  nur 
vier  Rundtürme  zählenden  Kastrums  angehört  haben.  Römisch  scheint  auch  eine 
von  mir  besuchte,  I  km  südlich  vom  Kastell  entfernte  Wasserleitung  mit  zwei 
Kammern  zu  sein,  deren  ruinierte  türkische  Rohre  jüngst  durch  neue,  zur  Speisung 
des  Zitadellen-Brunnens,  ersetzt  wurden. 

Genau  5Ü0  m  westlich  von  der  Kladovoer  Feste  und  gegenüber  der 
rumänischen  Skela  Kladovska,  wo  dem  „Pester  Steinbruch"  ähnliche  Salase 
angelegt  wurden,  stand  ich  vor  einem  zweiten  rechteckigen  Römerkastelle,  von 
dessen  55  m  langer  Nordfront  die  24  m  messenden  Schmalseiten  zur  15  m 
höheren  Plateauniauer  aufstiegen.  Die  innere  und  äussere  Verkleidung  der  oben 
stark  verwüsteten,  unten  besser  erhaltenen  2,2  m  starken  Mauern  besteht  aus 
40  cm  grossen  Quadratziegeln,  mit  ihrer  Höhe  von  5  cm  entsprechend  breiten 
Mörtelfugen,  der  Kern  aber  aus  festem  Gusswerk.  Die  von  dem  Donau-Hoch- 
wasser bespülte  Strommauer  besitzt  nach  aussen  abgerundete,  nach  innen  vertikal 
abgeschrägte  Ecken,  eine  auch  von  der  Trajanssäule  bezeugte  Bauweise '),  die, 
wenn  auch  in  Mosien  nur  selten,  doch  bei  den  Kastellen  am  germanischen 
Donau-Limes  häufig,  beispielsweise  am  grossen  Butzbacher  sogar  an  allen  vier 
Ecken  vorkommt.  Die  geringe  Entfernung  zwischen  beiden  Kastellen  und  die 
vielen  dort  gemachten  antiken  Funde  deuten  auf  eine  grössere  Niederlassung 
hin,  die  ich  für  das  vom  Kaiser  Justinian  wieder  hergestellte  Zanes  halte,  von 
dem  Pro«copius  ausdrücklich  erwähnt,  dass  es  stromaufwärts,  nahe  von  „Pontes" 
lag,  welches  ich  unterhalb  Kladovo  bestimmte. 

Die  Bedeutung  des  auf  den  römischen  Ruinen  erstandenen  mittelalterlichen 
Bollwerks  sank  nach  der  Erfindung  des  Schiesspulvers  und  der  fortschreitenden 
Ballistik  stetig  mehr.  Gegenwärtig  besitzt  die  auf  120U  Schritte  von  nahen  Höhen 
dominierte  Feste  sechs  Türme,  Bastionen  und  Wallmauern,  die  das  Römerkastell, 


')  Froehncr,  La  Colonne  TrajaniK',  S.  134. 


4!)l)  Von  Rizn  Palanka   über  KIndovo  usw.  nach  Tckija  und  Ada  Kalch. 

einen  Zwinger  und  tias  l'ulvermagazin  unisciiliessen.  Über  den  4  ni  breiten  Graben 
mit  gemauerter  Konter-Escarpe  führen  drei  Tore,  das  Dunavski-,  Orospi-  und 
Varos  Kapu,  sowie  einige  Nebeneingänge  in  das  Innere.  Dort  hat  sich  seit  dem 
Abzüge  der  Türken  nichts  geändert,  die  Sultans-Chiffern  und  Inschriften  über  den 
Toren,  eine  Moschee  mit  Minarett,  der  Brunnen  und  Gefängnisse,  weiche  20  Festungs- 
sträfiinge  beherbergten,  die  Kaserne  für  die  kleine  Garnison,  alles  blieb  wie  es  war, 
nur  herrscht  allerorts  grössere  Reinlichkeit;  so  erscheint  der  „grad"  mit  seinen  durch 
romanischen  Zahnschnitt  belebten  weissen  Türmen  recht  freundlich,  und  sein 
malerisches  Aussehen  gewinnt  nocii  an  Reiz  durch  die  historischen  Erinnerungen, 
die  an  demselben  haften. 

Obschon  die  Türken  Kladovo,  das  türkische  „Fet  islam"  (Hort  des  Glaubens), 
stets  hartnäckig  verteidigten,  wurde  es  von  Österreichs  Kriegern  mehrmals  genommen. 
Der  Markgraf  Ludwig  von  Baden  Hess  dort  den  angeblichen  letzten  Sprossen  des 
Fürstengeschlechts  Braiikovic  im  Jahre  1689  verhaften,  weil  er,  wie  der  Markgraf 
am  7.  November  dem  Kaiser  berichtete,  „mit  deiu  von  Ew.  Majestät  verliehenen 
Diplom  nicht  allein  Missbrauch  macht,  sondern  sich  mit  dessen  Hilfe  für  den 
absoluten  Despoten  von  Serbien,  lllyrien,  Mysien,  Bosnien,  Syrmien  und  vieler 
anderer  Provinzen  ausgab,  und  aus  diesem  Grunde  die  Restitution  aller  dieser 
Länder  pretendicrt,  und  nachdem  er  sowohl  von  dem  griechischen  Patriarchen 
und  dem  gesamten  Klerus,  welche  nur  zuviel  Einfluss  auf  das  gemeine  Volk 
haben,  als  auch  von  einigen  tausend  Leuten  anerkannt,  und  in  dieser  Weise 
bereits  einen  bedeutenden  Anhang  hat,  was,  wenn  man  dem  länger  zusähe,  die 
ernstesten  Folgen  haben  könnte".  —  Nachdem  man  Brankovic  das  k.  Diplom 
abgenommen  hatte,  ward  er  über  Orsova,  Hermannstadt  und  Wien  nach  Eger 
gebracht,  wo  er  als  Staatsgefangener  nach  22jähriger  Haft  starb.  (III.  Bd.,  Kap.  III.) 

Im  Jahre  1737,  nach  der  Niederlage  der  Kaiserlichen  bei  Grocka,  fiel  auch 
Kladovo  wieder  an  den  Halbmond.  Die  vor  dem  Abzüge  teilweise  zerstörten 
Werke  stellten  die  Türken  wieder  her.  Dies  wurde  in  noch  erhaltenen  Inschrift- 
tafeln an  den  Toren  und  Gebäuden  im  blumenreichsten  Stile  verewigt:  „Seine 
Erhabene  Majestät  Mahmud  Chan,  der  Völker  Gerechtigkeit  und  Wohltätigkeit, 
voller  Grossmut  und  Gnade,  wie  das  Meer,  dessen  ruhmvoller  und  siegreicher 
Name  die  Sieben  Himmel  erfüllt;  dem  der  Allerhöchste  die  siegreiche  Fahne 
gegeben,  mit  welcher  er  die  Ungläubigen  bezwungen  hat,  dass  sie  ihn  um  Gnade 
anflehen  mussten;  mit  Hilfe  des  Allerhöchsten  eroberte  er  viele  Festungen,  unter 
diesen  auch  diese  der  Rajah  gehörige  Festung,  die  durch  die  Hände  der  Unreinen 
ganz  ruiniert  war.  Er  aber,  der  Herrliche,  hat  selbe  verschönert  und  darinnen 
viele  prächtige  Gebäude  aufführen  lassen,  so  auch  dieses  wunderbare  'Hamam 
(Bad),  das  als  Muster  architektonischer  Schönheit,  soweit  der  Horizont  reicht, 
betrachtet  werden  kann.  Dasselbe  ward  von  der  Hand  des  geschicktesten  und 
vollendetsten  Baumeisters  erbaut.  Seine  Formen  sind  schön  und  ausgezeichnet, 
dass  deren  Anblick  Verwunderung  erregt.  Möge  der  grosse,  allmächtige  Gott 
diesen  erhabenen  Kaiser,  der  die  ganze  Welt  beherrscht,  in  Glück  und  Wohl- 
ergehen auf  dem  Kaiserthron  erhalten.  Dieses  schrieb  der  schwache  Sklave 
Taksin  zum  Andenken  an  das  neue  „Mahmud-Hamam"    1156  (1739),  gemeisselt 


Von  Brza  Palanka  ühcr  Kladovo  usw.  nacli  Tckija  und  Ada  Kaleh.  491 

von  dem  armen  Sklaven  Melimed  Refia  Catib  Zadeli.  Möge  Gott  ihn  seiner 
Gnade  würdig  finden." 

Als  1804  der  serbisLhc  Freiheitskampf  begann,  fühlten  die  in  der  Krajina 
befehligenden  Wojwoden  wohl  die  Notwendigkeit,  sich  des  festen  Kladovo  zu 
bemächtigen,  der  Mangel  an  Belagerungsgeschütz  machte  dies  aber  unmöglich, 
und  Milenko  musste  sich  begnügen,  die  Ausschreitungen  der  Garnison  möglichst 
einzuschränken.  Erst  1809  belagerte  es  Milenko  Stojkovic  ernstlicher,  als  der  in 
der  kleinen  Walachei  befehligende  General  Isajeff  ihn  zu  gemeinsamer  Aktion 
aufforderte.  Dies  geschah,  nachdem  die  Russen  am  5.  April  sich  der  grossen 
Insel  bei  Brza  Palanka  bemächtigt  und  sie  am  27.  Juni  energisch  gegen  die 
Türken  verteidigt  hatten.  Am  14.  Juli  setzte  isajeff  über  die  Donau,  um  Kladovo 
zu  nehmen,  von  dem  aus  die  Türken  stetig  das  linke  Donauufer  bedrohten  und 
dessen  Besitz  die  Verbindung  der  Russen  mit  den  Serben  zu  sichern  versprach. 
Isajeff  vereinigte  an  Truppen,  was  er  in  der  kleinen  Walachei  entbehren  konnte: 
6  schwache  Bataillone  Infanterie,  300  Panduren  und  einige  Kosaken.  Dazu  kamen 
1000  Serben,  die  Kladovo  aus  einem  erhöhten  verschanzten  Lager  beobachtet 
hatten.  Am  17.  Juli  war  die  Einschliessung  vollzogen,  und  am  19.  Juli  begannen  drei 
Batterien,  darunter  eine  mit  vier  Geschützen,  vom  linken  Ufer  das  Feuer.  Der 
eingetroffene  kaiserliche  Generaladjutant  Vasil  Trubeckoj  scheint  General  Isajeff 
bestimmt  zu  haben,  die  Feste  mit  Sturm  zu  nehmen.')  Dieser,  am  22.  Juli  mit  fünf 
Kolonnen  versucht,  misslang;  von  allen  drang  nur  die  fünfte,  welche  vom  linken 
Ufer,  oberhalb  Kladovo,  übersetzte,  bis  zur  Zitadelle  vor.  Die  kleiiirussischen 
Grenadiere  erklommen  wohl  den  Wall,  doch  von  der  in  falsche  Richtung  geratenen 
F^eserve  und  den,  das  türkische  Geschützfeuer  nicht  aushalteiiden  anderen  Kolonnen 
im  Stiche  gelassen,  mussten  auch  sie  Kehrt  machen.  Die  dritte  Pandurenkolonne, 
geführt  von  dem  Obersten  Kurt,  einem  geborenen  Moldauer,  hatte  sich  am  feigsten 
benommen,  350  Soldaten  und  6  Offiziere  blieben  tot,  600  Soldaten  und  20  Offiziere 
wurden  verwundet.  Die  Serben,  welche  in  den  Batterien  standen,  nahmen  keinen 
Anteil  am  Sturm  und  kehrten  in  ihre  alte  Stellung  zurück,  nachdem  Isajeff  auf  das 
linke  Ufer  zurückging.  Bei  den  Anwohnern  verbreitete  sich  der  auch  in  verschiedene 
Werke  übergegangene  Glaube,  dass  Isajeff  durch  eine  mit  Dukaten  gefüllte  Melone 
türkischerseits  bestochen  worden  sei,  eine  Meinung,  die  auf  dem  Boden  des 
allregierenden  „bakschisch"   nicht  verwundern  kann! 

Wie  wir  schon  sahen,  hielt  es  Graf  Zukato  im  Jahre  1810  für  seine  wichtigste 
Aufgabe,  die  Verbindung  der  kleinen  Walachei  mit  Serbien  durch  seine  Festsetzung 
zwischen  Negotin  und  Kladovo  zu  sichern.  Zu  diesem  Zwecke  entsandte  er  nach 
der  Einnahine  von  Brza  Palanka  eine  Kolonne  unter  dem  Oberst  Cvileneff,  die 
gemeinsam  mit  3000  Serben  unter  Petar  Dobrnjac  am  10.  Juli  Kladovo  einschloss. 
Die  von  Ibrahim  Beg  befehligte,  nur  500  Mann  starke  Besatzung  streckte  die 
Waffen,  übergab  21  Geschütze  und  verpflichtete  sich,  ein  Jahr  lang  nicht  gegen 
Serben  oder  Russen  zu  kämpfen.  Ibrahim  Beg  versprach  überdies,  seinen  zu 
Ada  Kaleh  (Neu-Orsova)  kommandierenden  Neffen  Redzeb  Aga  dahin  zu  bestimmen, 


')  Documentc  privitore  la  istoria  Romanilor.     1709— IHi:^.    S.  102  f.    Bukuresci  1887. 


492 


Von  Brza  F'nlniiUa  über  Kladovo  usw.  nach  'l'ckija  und  Ada  Kak-Ii. 


dass  dieser  das  serbische,  besetzt  geiiaitene  Tekija  verlasse  ')•  Das  nächste  Jahr 
traf  dort  den  1811  wieder  die  Beamtenlaufbalin  aufsuchenden  Vuk  Karadzic  im 
Zollamt  als  „pisar"  (Schreiber)  beschäftigt. 

Nachdem  die  Türken  das  um  seine  Freiheit  ringende  Serbien  1813  wieder 
zeitweilig  unterworfen  hatten,  sah  Kladovo  eine  jener  furchtbaren  Blutszenen,  wie  sie 
Rachelust  und  Fanatismus  damals  in  allen  von  den  Siegern  betretenen  serbischen 
Städten  herbeiführten.  Entmutigt  durch  die  Misserfolge  bei  Negotin,  von  welchen 
die  Kunde  rasch  sich  nach  Kladovo  verbreitete,  und  noch  mehr  durch  die  wirksame 
türkische  Beschiessung  der  Feste,  entfloh  der  dort  kommandierende  Wojwode 
Zivkü  Konstantinovic  nächtlicherweile  mit  seinen  Burschen,  und  die  ratlose  Besatzung 
wurde  von  den  eindringenden  Türken  ohne  Gnade  niedergemacht. 

Im  Jahre  1818  befahl  der  Sultan  die  vollständige  Wiederherstellung  der 
Kladovoer  Werke,  und  ähnliche  überschwengliche  Lobschriften  wie  die  mitgeteilte 


Kladovo. 


verherrlichten  über  den  Toren  diese  Tat,  welche  in  Wahrheit  die  Krajina  bis  1833 
dem  Halbmond  unterwarf.  Auch  nachdem  dieses  Gebiet  in  jenem  Jahre  endgültig 
an  Serbien  fiel,  hielt  die  Pforte  ihr  Besetzungsrecht  in  Kladovo  aufrecht.  Erst 
im  Sommer  1867  räumte  sie  es  zufolge  der  Konvention  mit  Fürst  Mihail,  welche 
alle  serbisch-türkischen  festen  Punkte  serbischen  Garnisonen  überantwortete.  Im 
Kriegsjahre  1876  bildete  Kladovo  das  serbische  Werbungszentrum  für  eine  bulgarische 
Hilfslegion,  die,  nachdem  sie  dort  militärisch  eingeübt  worden,  sehr  energisch 
in  die  Kämpfe  bei  Zajecar  eingriff.  Und  ist  es  nicht  merkwürdig?  Wie  der 
unserer  modernen  Schiffahrt  erneuerte  römische  „Eiserne  Tor"-Kanal  dachte  man 
1898  daran,  auch  die  Trajansche  Riesenbrücke  bei  Turn-Severin,  dank  der 
Initiative  des  Königs  Karl  von  Rumänien  und  des  Serbenherrschers  Alexander, 
ihre  Auferstehung  mit  dem  Eisenbahnverkehr  angepasster  Konstruktion  für  den 
Verkehr   zwischen    der   Donau    und   Adria    herzustellen.      Eingehende    technische 


')  Ibid.,  S.  306,  309  ff. 


Von  Brza  Palanka  über  Kladovo  usw.  nach  Tekija  und  Ada  Kaleh.  493 

Untersuchungen  Hessen  jedoch  einen  Neubau  an  benachbarter  Stelle  zweckmässiger 
erscheinen.  Ich  verweilte  bei  der  Trajansbrücke  und  ihren  Schutzwerken  länger, 
weil  in  der  Schilderung  ihrer  Entstehung,  Zerstörung  und  späteren  Geschicke 
sich  jene  der  meisten  wichtigen  Plätze  am  mösischen  Donaulimes  spiegeln  und 
dies  mir  gestattet,  bei  der  antiken  Epoche  seiner  folgenden  westlicheren  Punkte 
mich  kürzer  zu  fassen. 

Sowie  man  die  letzte  Serpentine  der  Brza  Palanka— Tekijaer  Strasse  hinfährt, 
erglänzt  im  breiten  Donaubette  der  hohe  weisse  Turm  der  1861  geweihten  hl.Georgs- 
Kuppelkirche,  die  Kladovos  einzige  monumentale  Zierde  bildet.  Seit  1860,  wo 
ich  es  zuerst  besuchte,  entstanden  auf  dem  grossen  Platze  und  in  der  Hauptstrasse 
wohl  einige  hübsche  Häuser;  doch  obschon  das  Gericht  für  den  Kljucer  Bezirk 
dort  amtiert,  es  auch  c^e  Vorteile  einer  Garnison  geniesst  und  eine  Haltestelle 
der  Dampfboote,  sowie  eine  Fähre  nach  Turn-Severin  seinen  Verkehr  begünstigen, 
will  sich  die  nur  1830  Seelen  zählende  Bevölkerung  wenig  vergrössern');  auch 
das  Umland  ist  dünn  bevölkert.  Die  Kljucer  galten  als  Ultraradikale.  1895 
schickte  der  Kladovoer  Bezirk  den  regierungsfreundlichen  „Kaviarkönig"  Djordje 
Tomic  in  die  Skupschtina;  seine  Radikalen  enthielten  sich  aber  der  Wahl.  Das 
prächtige  Wiesenland  um  Kladovo  begünstigt  den  Aufschwung  der  stark  betriebenen 
\'iehzucht,  die  Hochebene  „Ceribasa"  gilt  als  Kornkammer,  Wein  und  Obst  geraten 
in  Fülle,  namentlich  sah  ich  viele  prächtige  Nussbäume. 

Am  5.  September  1900  traf  nahe  bei  der  Stadt  den  aufwärts  fahrenden 
serbischen  Remorkör  „Negotin"  eine  Kesselexplosion,  welche  den  ganzen  Schiffs- 
körper zerriss,  wobei  der  Kapitän  Bozarovic,  der  Kontrolleur,  ein  Maschinist, 
10  Steuerleute,  Heizer  und  Matrosen  mit  dem  sinkenden  Schiffe  ertranken.  Nur 
ein  Steuermann  rettete  sich  auf  eins  der  vier,  infolge  der  Explosion  frei  gewordenen, 
mit  Mais  beladenen  Schleppboote,  von  welchen  das  leckgewordene  „Milos"  ver- 
sank, bevor  der  von  dem  telegraphisch  verständigten  Hafenamte  zu  Orsova  rasch 
abgesendete  Hilfsdampfer  es  retten  konnte.  Dieser  konnte  sich  nur  an  der  Hebung 
der  beiden  gesunkenen  Schiffe  beteiligen. 

Stromaufwärts  von  Kladovo  wird  die  Uferlandschaft  vvechselreicher.  Im 
waldgrünen  „Saju  potok"  liegt  das  trotz  seines  Waldbesitzes  von  250  Hektar 
arme,  nur  an  Erinnerungen  reiche  Kloster  „Manastirica".  Der  hl.  Nikodim-) 
soll  unter  Kralj  Milutin  die  Heilstätte  gestiftet  und  Zar  Lazars  dem  Sultan 
Bajazid  vermählte  Tochter  Maria  hier  Zuflucht  gesucht  haben,  als  sie  aus  dem 
Lager  seines  Besiegers  Timur  flüchtete.  Das  Kloster  „arbeitete"  zuletzt  nicht,  weil 
seine  kaum  10  Hektar  betragenden  Nutzgründe  und  kleinen  Bareinnahmen  selbst 
für  bescheidene  Monchsansprüche  nicht  hinreichen. 

Auf  Kladusnica  folgt  das  gleichfalls  walachischc  Dzedzerac  •).  Beide  treiben 
den    Hausenfang    als    Haupterwerb.     Im    November   1897    wurde    hier    ein   98  kg 

')  1905  zählte  Kladovo  in  408  Häusern  1783  Einwohner. 

-)  über  einen  höchst  interessanten  serbischen  Popen  Nikodim,  der  bei  dem  walachischen 
Wojvvoden  Radul  (1372—1386)  in  hohem  Ansehen  stand,  siehe  Ced.  Mijatovic,  „Srpski 
odzraci  usw."     Letopis  matice  srpske.    Knjiga  187,  S.  16  ff. 

'■)  Seit  1899  heisst  dieser  Ort  Davidovac. 


494 


Von  Brza  Palniika  über  Klndovo  usw.  nach  Tekija  und  Ada  Kalch. 


schwerer  Hausen  gefangen,  dessen  27  kg  erbsengrosser  Kaviar  400  d  brachte. 
Die  Kaviarpreise  stiegen  in  den  letzten  Jahren  unglaublicii.  Man  bezaiilt  per 
Kilogramm  15—20  d.  Ausser  Moruna  (Hausen)  fängt  man  auch  die  grossen 
Störarten:  jesetra,  pastruga,  sini  u.  a.,  da  sie,  um  zu  laichen,  die  Donau  in  Menge 
hinaufschwimmen.  Turnu  bildet  den  Hauptstapcl  für  den  immer  schwungvoller 
betriebenen  Kaviarhandel. 

Bald  hinter  Davidovac  befindet  sich,  etwa  20  m  von  der  Strasse,  gegenüber 
dem  rumänischen  Dorfe  Gura  Vaj,  ein  „Karatas"  (Schwarzer  Stein)  genanntes, 
stark  überwachsenes  Plateau,  dessen  stark  verwüstetes  Kastell  zu  den  bedeutenderen 
Bauten  des  mösischen  Donaulimes  zählt.  Sein  interessanter  Grundriss  bildet  ein 
Parallelogramm    mit   172  m  langen,    100  m  breiten  und  2  m    starken  Wallmauern, 


Kastell  auf  dem  Karatas. 

von  deren  Mitte  und  Ecken,  wie  ich  an  der  Südwestseite  deutlich  erkannte,  einst 
mächtige  Rundtürme  vorsprangen.  Eine  Abweichung  von  dieser  regelmässigen 
Anlage  konstatierte  ich  im  südöstlichen  Teile.  Dort  verlängerte  sich  die  zur 
Donau  gerichtete  Schmalseite  20  ni  gegen  einen  quadratischen  Turm,  von  dem 
zwei  Mauern  mit  schmalem  Zwischengange  schräg  zur  Mitte  der  südöstlichen 
Front  zogen.  Ein  in  der  Kladusnicaer  Kirche  eingemauerter  römischer  Inschrift- 
stein stammt  aus  dem  Innern  des  Kastells,  das  mit  einem  anderen  korrespondierte, 
von  dem  Reste  auf  der  nahen  rumänischen  Insel   „Ciplak  ada"  sichtbar  sind. 

Das  3  km  nordwestlichere  S i  p  birgt  einen  der  interessantesten  Beweise  römischer 
Tatkraft.  Sein  serbischer  Name  stammt  von  sipati  =  anschütten '),  von  hier  durch 
Anschüttung  hergestellten  hohen  Erddänimen  eines  noch  in  seinen  Überresten  unser 
Staunen  erregenden  Kanals,  den  die  Römer  zur  Umgehung  des  gefährlichsten  Riffes 


')  Vuk,  Dnnica,  1827,  S.  50. 


Von  Brza  Pnlanka  über  Kladovo  iisw    nach  Tekija  und  Ada  Kaleh.  495 

im  „Eisernen  Tore"  erbauten.  Irri.L;  ist  die  vielverbreitete  Ansicht:  das  in  den  letzten 
Jahrzehnten  energischer  aufgetretene  Verlangen  nach  Beseitigung  der  Schifi'ahrts- 
hindernisse  am  „Eisernen  Tore"  gehöre  ausschliesslich  der  Neuzeit  an.  Denn  lange 
bevor  der  Dampf  die  schwere  Ruderarbeit  abgelöst,  schon  in  den  Tagen  der 
von  mystischem  Dunkel  umhüllten  Argonautenfahrt,  und  mehr  noch,  als  Trajan 
auf  seinen  Kriegszügen  nach  Dazien  oft  die  Bewegung  der  mächtig  eingreifenden 
istrischen  I-lotte  durch  die  von  tosenden  Wellen  umschäumte,  Schiffe  und  Menschen 
verschlingende  riesige  Felsenbarrikade  gehemmt  sah,  wurde  an  ihre  Beseitigung 
gedacht.  Zog  Kaiser  Trajan  wirklich  seinen  durch  die  grossartige  Brücke  bei  Turn- 
Severin  (S.  486)  berühmten  Architekten  Appolodor  von  Damaskus  in  der  schwierigen 
Stromregulierungsfrage  zu  Rate  —  und  alle  Verhältnisse  sprechen  dafür  —  dann 
betätigte  der  gleich  grosse  Mathematiker  und  Kriegsbaumeister  auch  am  „Eisernen 
Tore"  sein  Genie  in  solch  trefflicher  Weise,  dass  die  zur  Lösung  der  gleichen 
Aufgabe  berufenen  scharfsinnigsten  Hydrotechniker  unserer  Zeit,  von  dem  genialen, 
1795  geborenen  Väsärhelyi  (1834)  bis  herab  auf  die  letzte  Enquete,  seinem  Bei- 
spiele folgten.  Auch  sie  empfahlen,  und  zwar  meist  nahezu  an  derselben  Stelle, 
die  Anlage  eines  die  Katarakte  umgehenden  Kanals  beim  serbischen  Sip,  in 
dessen  Nähe  die  Reste  des  römischen  unser  Staunen  erregten.  Gleicht  der  dort 
für  die  Dampfschiffahrt  entsprechend  konstruierte  Kanal  auch  nicht  in  den  Details 
seinem  antiken  Vorbilde,  jedenfalls  haben  die  römischen  Bautechniker  bei  der 
Wahl  des  F'unktes,  bei  der  Kurven-  und  Längenbestimmung  der  Anlage  ihren 
allerorts  hervortretenden  Scharfsinn  bewährt. 

Leider  vernichteten  das  Donaubett  weit  in  das  serbische  Uferland  vor- 
schiebende Elementarereignisse  den  römischen  „Eisernen  Tor"-Kanal  bis  auf  wenige, 
etwa  200  m  lange  Dammreste  am  Kasajnabach  und  an  den  Mündungstoren.  Die 
Katastrophe  ereilte  ihn  höchst  wahrscheinlich  am  Trstenicabache,  wo  des  Stromes 
Hochfluten  zwei  Inseln  und  jene  nur  6  m  breite  Fahrrinne  schufen,  durch  welche 
bei  gutem  Wasserstande  seichttauchende  Kähne  mittels  zwanzig  bis  vierzig  Ochsen 
mühsam  aufwärts  gezogen  wurden.  Als  der  über  das  Terrain  der  erwähnten,  vom 
Festland  abgetrennten  Inseln  laufende  Römerkanal  dort,  am  südlichsten  Punkte 
seiner  Flachkurve,  durchbrochen  war,  hatten  die  Donau-Hochfluten  und  später 
auch  die  von  Süden  gegen  seine  Flügel  anstürmenden  Gebirgswasser  leichtes  Spiel. 

Des  antiken  „Eisernen  Tor"-Kanals  wurde  bisher  selbst  in  fachmännischen 
Schriften  nur  flüchtig  gedacht.  Deshalb  schritt  ich  auf  meiner,  namentlich  der 
Erforschung  des  obermösischen  Donaulimes  gewidmeten  Reise  am  27.  Oktober 
1889  zur  Aufnahme  seiner  Neubau  gewidmeten  Reste.  Nach  meiner  Berechnung 
betrug  die  Länge  des  vom  felsigen  Uferrande  durchschnittlich  150  m  entfernten, 
mit  nach  Süden  ausbiegender  Flachkurve  angelegten  Kanals  3220,  seine  Sohlen - 
breite  57,  die  Höhe  der  zwei  meist  künstlich  angeschütteten  Dämme  14,  ihre 
Fussbreite  10,  der  Abstand  zwischen  ihren  Kronen  75  m.  Zum  Schutze  des 
Süddammes  gegen  die  starken  Mirocbäche  Kosovica  und  Kasajna  befanden  sich 
hart  vor  demselben  an  drei  Punkten  1,2  m  starke  Steinmauern,  welche  ihre 
Wasser  seitlich  ableiteten.  Von  diesen  felsartigen  Wehren  sind  bei  Sip  noch 
fil,5  m  lange,   2  m  hohe  Reste,  an  der  Ka.sajna  ein  25  m  langes  Stück  erhalten. 


lOfi 


Von  Firza  Pnlnnkn  über  Kladovo  iisw    nnch  Tekija  und  Ada  Kaleh. 


Von  dem  Kastelle,  welches  das  West-Eingangstor  schützte,  fand  ich  40  ni 
lange  Mauern  mit  entsprechendem  Graben  und  einen  von  der  Mitte  der  Ostfront 
ausgehenden  80  m  langen  Steindanim,  welcher  als  Kern  den  südlichen  Kanaldamm 
verstärkte.  Ganz  verwüstet  ist  das  Kastell  am  Mündungstore  des  Kanals  in  einem 
Garten  des  Nordteils  von  Sip.  Seit  dem  Bau  des  nahe  dem  Römerkanal  im 
Strombett  angelegten  modernen  Kanals  für  tiefgehende  Dampfer  (XVlll.  Kap.), 
welcher  auf  der  „Salaria"  bei  Sip  eine  von  tausenden  Rumänen,  Italienern, 
Slaven  bewohnte  Kolonie  mit  deutschen  Ingenieurhäusern,  ungarischen  Restau- 
rationen, serbischen  Cafes  usw.  entstehen  und  vergehen  sah,  sind  auch  die 
Dammreste  des  antiken  Kanals  nahezu  verschwunden.    So  endet  alle  Herrlichkeit! 

Früher  bildeten  die  ausgedehnten  Vorrichtungen  zum  Hausenfang  die  einzige 
Sehenswürdigkeit  zu  Sip;  sie  waren  jedenfalls  interessanter,  wie  sein  altes  Kirchlein 


Reste  des 


von  Fachwerk.  1889  besass  es  aber  schon  einige  hübsche  Häuser,  auch  eine 
leidlich  gute  Mehana,  und  seit  im  Oktober  1893  zu  Orsova  eine  ungarisch-serbische 
Kommission  wegen  der  Überlassung  des  oberen  Uferstreifs  bei  Sip  für  die 
Dampfer-Kanalanlage  sich  einigte,  brachte  sie  ihm  goldene  Tage,  die  es  für  den 
gestörten  Hausenfang  glänzend  entschädigten. 

Die  häufigen  Austritte  der  Donau  führten  1889  zum  Umbau  der  Strasse 
nach  Tekija,  welche  nun  hart  unter  der  Südmauer  des  Kasajna-Kastells  läuft.  Auf 
der  Vorhöhe  des  südlichen  „Dzeverinski  Kamen"  entspringt  eine  Schwefelquelle, 
für  deren  Benutzung  in  alter  Zeit  die  Reste  eines  etwa  3  m  grossen  Bassins 
und  Mauern  eines  Kastells  auf  dem  370  m  hohen  Berge  Gradac  sprechen, 
von  dem  man  jede  Bewegung  im  „Eisernen  Tore"  überwachen  konnte.  Während 
unserer  Fahrt  zum  Dzeverinski  potok  erfreute  mich,  wie  schon  oft  zuvor,  mit 
unvermindertem  Genüsse  die  prächtige  Stromszeneric,  die  zweifellos  keine  andere 
europäische  an  Grossartigkeit  übertrifft. 

Selbst  der  in  den  rumänischen  Uferrand  eingeschnittene  Schienenweg  und 
die    modernen    weissen    Bahngebäude    von    Verciorova    vermochten    nicht    den 


Von  Brz;i  Pnlnnkn  iiher  Kladovo  usw.  nach  Tckijn  iiml  Adn  Knich. 


407 


roniantisclien  tincirtick  zu  stören,  wcldieii  das  weithin  vernehmbare  Brausen  des 
an  den  „Eisernen  Tor" -Kuppen  schäumend  sich  brechenden  Wogenschwails  übt. 
Wie  im  grauen  Altertum  stellte  die  „Pregrada"  noch  1896  zeitweise  dem  mittel- 
europäischen Verkehre  mit  den  Pontusländern  unbesiegbaren  Widerstand  entgegen, 
welcher  oft  die  durchdachtesten  militärischen  Pläne  und  kaufmännischen  Speku- 
lationen durchkreuzte.  Heute  sichert  der  am  1.  Oktober  1898  eröffnete,  selbst 
bei  niederstem  Wasserstande  fahrbare  „Siper  Donaukanal"  auch  tieftauchenden 
Seeschiffen  die  Bergfahrt  nach  Ungarn.     (IM.  Bd.,  Kap.  IX.) 

Es  waren  aber  trotz  der  Kataraktenhemmnisse  jedenfalls  günstigere,  weil 
konkurrenzloseZeitenfürdie  „k.k.  privilegierteDonau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft", 
als  ich  am  26.  Juli  1860  durch  das  etagenförmige,  vom  österreichischen  General 
Hamilton  1730  erbaute  und  von  den  Serben  1867  gesprengte  „Elisabethfort"  fuhr, 


Donaulimes. 


Über  dessen  Trümmer  nun  mein  Wagen  rollte.  Wir  eilten  damals,  weil  die  beim 
Kagajnabach  abzweigende,  die  türkische  Ufersperre  umgehende  Bergstrasse  wohl 
begonnen,  aber  noch  unvollendet  war.  Knapp  vor  Sonnenuntergang  erreichte  ich 
das  zu  Ada  Kaleh  gehörende  Fort,  dessen  Tore,  sobald  der  laute  Ruf  des  zum 
Abendgebete  rufenden  Muezzins  herüberschallte,  unnachsichtig  bis  zum  nächsten 
Morgen  geschlossen  wurden.  Der  zufällig  verspätete  Reisende  mochte  dann 
unter  freiem  Himmel  die  Stunde  erwarten,  in  welcher  der  Gebetrufer  den  nächsten 
Tagesanbruch  verkündete. 

Man  wundere  sich  nicht  über  diese  Rücksichtslosigkeit.  Ein  Türke  hat  nie 
Eile;  mit  dem  Abend  schliesst  für  ihn  alles  Leben  ab,  und  kein  noch  so  wichtiges 
Ereignis  könnte  selbst  europäische  Moslims  zu  einer  nächtlichen  Reise  bewegen. 
Kardinalzüge  im  türkischen  Charakter  schufen  aber  tiefe  Gegensätze  zwischen 
den  türkischen  Herren  und  der  Rajah  in  den  Städten,  welche  durch  die  immer 
zahlreichere  Berührung  mit  dem  Occident  dessen  Sitten  und  Lebensweise  annahm. 

Ein  Nizam-Caus  (Korporal)  machte  sich  eben  mit  den  Torschlüsseln  des 
Sperrforts   zu    schaffen,    als    wir    durch    seinen  Vorhof   jagten.      Die  Sonne    war 

F.   KANITZ,   Serbien.    M.  32 


498 


Von  Brza  Palanka  über  Kladovo  usw.  nach  Tekija  und  Ada  Kaleli. 


hinabt^esunken,  und  die  alten  Tort'lüj»el  scliluj,'en  hinter  uns  zusammen.  Mitten 
im  majestätischen  Strom  erschienen  die  heilen  Bastionen  von  Ada  Kaleh,  der 
seit  1878  ungarischen  Festungs-lnsel,  deren  Reflexe  sich  im  dunklen  Wasserspiegel 
brachen,  während  die  scharfen  Umrisse  ihres  weissen  Uhrturms  und  Minaretts 
sich  prächtig  von  den  hohen  Bergen  ablösten,  welche  den  Strom  hier  auf  beiden 
Seiten  begrenzen.  Einzelne  lichte  Punkte  verrieten  die  jenseitigen  Blockhäuser, 
mit  welchen  Österreich,  abgesehen  von  politischen  Motiven,  dem  von  seinen 
serbischen  Nachbarn  lebhaft  betriebenen  Salz-  und  Tabakschmuggel  steuern 
wollte.  Schwach  vernehmbar  tönte  der  Anruf  der  sich  ablösenden  türkischen 
Wachen  herüber,  melancholisch  stimmende  Ruhe  herrschte  in  der  grossartigen 
Landschaft.  Alles  Leben  schien  erloschen.  Nur  auf  dem  neutralen  schmalen 
Landstriche,  welcher  die  ungarisch-rumänische  Grenze  bildet,  loderte  das  helle 
Wachfeuer     des     Blockhauses,     neben     dem     eine     kleine,     im     orientalischen 


Das  „Eiserne  Tor"  bei  niederem  Wasserstande. 


Stile  aufgeführte  Kapelle  die  Stelle  bezeichnet,  wo  nach  der  Katastrophe  von 
Vilägos  Ungarns  verehrtestes  Kleinod  seit  dem  24.  August  1849  in  der  Erde  ruhte, 
um   am  Tage   „Maria  Geburt"  des  Jahres   1853  zu   neuem  Glänze  aufzuerstehen. 

Welch  interessanter  Boden ,  welche  Fülle  historischer  Erinnerungen  und 
welch  reicher  Stoff  zu  Parallelen  von  Kaiser  Trajan    bis    auf   Kaiser   Franz  Josef! 

Die  letzte  Stunde  nächtlicher  Fahrt  auf  der  oft  sehr  schmalen,  durch  die 
immer  näher  rückende  Donau  stark  bedrohten  Strasse,  und  wir  kamen  bei  einem 
1866  angeschürften,  später  aber  verlassenen  Kohlenbau  und  an  der  Stelle  vorüber, 
wo  dem  dort  von  den  Türken  an  den  Galgen  geknüpften  Freiheitshelden  der 
„Kocina  Krajina"  ein  Denkmal  errichtet  werden  soll.  Nach  einem  resultatreichen 
Tage  hielt  ich  vor  Tekijas  kleinem  Ufer-Gasthof,  in  dem  bereits  mehrere 
Reisende  eingetroffen  waren,  um  gleichfalls  den  von  Orsova  aufwärts  gehenden 
Dampfer  zu  benutzen. 

Der  nächste  Morgen  war  Tekijas  römischen  Resten  gewidmet.  Ausser  den 
unterhalb  des  römischen  „Eisernen  Tor"-Kanals  von  mir  bestimmten  Uferpunkten 
Pontes  (S.  485)  und  Zanes  (S.  488)  werden  aufwärts  desselben  von  grösseren 
Niederlassungen  in    der   Notitia  dignitatum    Imperii:    Zerna   und  Transdierna,   von 


J 


Von  Brza  Palanka  über  Kladnvo  usw.  nach  Tekijn  und  Ada  Kalch 


499 


Procopius  aber  nur  das  letzte  genannt.  Manncrts  Ansatz  von  Zerna  bei  Alt-Orsova 
ist  gleicii  falsch,  wie  jener  von  Transdierna  durch  Aschbach  beim  rumänischen 
Cernec,  denn  beide  verlegten  die  von  den  genannten  Quellen  auf  dem  rechten 
Stronuifer  angeführten  Orte  auf  das  linke.  Auf  diesem  suchten  auch  Kiepert  und 
Böhm  ')  irrtümlich  Transdierna  in  Orsova,  wo  sicher  nach  der  Tabula  Peut.  das 
20  Millien  von  Taliata  entfernte  „Tierna"  lag,  das  in  der  Not.  Imp.  wie  in 
Ziegelstempeln  richtiger  „Dierna"  hiess  und  schon  bei  Ptolemäus  (III,  8,  4)  als 
bedeutende  Stadt  in  „Dazien"  erwähnt  wird.  Diese  bestimmt  lautenden  Angaben 
wichtiger  Zeugen  verbieten  es,  Dierna  auf  das  rechte  Ufer  zu  versetzen  -),  obschon 
gerade  bei  Golubinje  und  Prahovo  Ziegel  mit  dem  Stempel  DIERNA  gefuntlen 
wurden.     Man   führte   sie   auf  Schiffen   zum  Bau   der   dortigen  Kastelle   hin,   ganz 


Das  „Eiserne  Tor"  bei  mittlerem  Wasserstande. 


SO,  wie  zuletzt  Baumaterialien  jeder  Art  vom  imgarischen  Ufer  zum  Kai-  und 
Nacelstvobau  in  Smederevo  oder  Orsovaer  Ziegel  bei  den  Schutzbauten  der 
Trajanstafel  im  Jahre   1890  verwendet  wurden.  * 

Auf  dem  musischen  Ufer  gab  es  zwischen  der  Porecka  reka-Mündung  (Taliata) 
und  Kladovo  (Zanes)  nur  bei  Tekija  und  Sip  genügenden  Raum  für  grössere 
Gemeinwesen,  deren  einstigen  Bestand  an  beiden  Punkten  auch  ausreichende 
Anzeichen  beweisen.  Ich  glaube  demnach  das  von  der  Not.  Imp.  aufwärts  von 
Zanes,  mit  einer  Abteilung  der  Leg.  XIII.  Gemina,  verzeichnete  Zerna  bei  Sip 
und  ihr  gleichfalls  von  Fusstruppen  besetzt  gehaltenes  Transdierna  in  dem 
Orsova  (Dierna)  gegenüberliegenden  Tekija  ansetzen  zu  dürfen.  Die  spärlichen 
Überreste  von  Zerna  erwähnte  ich  schon  bei  Sip  und  darf  hier  zur  Schilderung 
der  Reste  von  Transdierna  übergehen. 

Unter  der  Bezeichnung  „Orsova  vetus  Servie"  hatte  schon  Marsigli  eine 
Rönierbaute    zu   Tekija   in  Karte   gebracht.-)     Was   ich   aber   dort   fand,   stimmte 


')  C.I.L.,  III.  Bd.,  Tab.  II.  -^ 
■)  Siehe  Fussnote  S   486. 
^)  A.  a.  O ,  Bd.  II,  Tab,  VI. 


Arch.-cpigr.  Mitl..  XII.  Bd.,  S.   180. 


3-2 1 


500 


Von  Rrza  Pnlnnkn  über  Kladovo  usw.  iinch  Tekijn  umr  Adn  Kaleh. 


durchaus  nicht  mit  seiner  iTeziiglichen  Skizze.  Statt  eines  quadratischen  Kastells 
mit  vier  Rundtiirmen  und  Graben  traf  ich  an  der  bezeichneten  Stelle  des  rechten 
Tekijabachufers  die  Rudimente  einer  teilweise  von  der  Donau  zerstörten  Baute, 
deren  durchschnittlich  3,2  m  starke  Mauern  für  ein  hier  bestandenes  festes  Werk 
sprechen,  das,  nach  dem  Fortsatze  seiner  36  m  langen  Südfront  zu  schliessen, 
wohl  mehrere  Abteilungen  besass,  aber  keine  Spur  von  einstigen  Rundtürmen 
zeigte  und  auch  nicht  das  eigentliche  Kastell  war.  Dieses  von  Marsigli  unbeachtet 
gelassene,   auf  dem  linken  Bachufer  im  Rechteck  angelegte  Werk   besass   100  m 


Plan  der  Reste  von  Transdierna. 


lange,  84  m  breite  und  2  m  starke  gemauerte  Fronten,  auf  und  innerhalb  welcher, 
wie  auf  meinem  Plane  ersichtlich,  Tekijas  nördlicher  Teil  mit  dem  Zollamte  steht. 
Diese  Befestigungen  bildeten,  vereint  mit  dem  Kastell  auf  der  benachbarten 
Insel  „Ada  Kaleh"  und  dem  antiken  Werke,  auf  dessen  Stelle  zweifellos  das 
rechtsuferige  „Fort  Elisabeth"  entstand,  den  oberen  Sperrschlüssel  zum  „Eisernen 
Tor"-Kanal,  der  aber  trotz  seiner  scheinbaren  Unbezwinglichkeit  von  den  Barbaren 
ebenso  überwältigt  wurde,  wie  die  serbischen  und  österreichischen  dort  angelegten 
Befestigungen  von  den  Türken. 

Auf  Jakob  Alts  Abbildung  von  Tekija  (1824)  sind  noch  die  Schanzen  sicht- 
bar, welche,  nachdem  die  Serben  1810  den  Ort  ohne  Kampf  genommen,  im 
fortgesetzten  Befreiungskriege  mit  abwechselndem  Glück  verteidigt  wurden.  Im 
allgemeinen  teilte  Tekija  während  dieser  Epoche   das  Schicksal  des  südwestlichen 


Von  Brza  Palanka  über  Kladovo  usw.  nach  Tekija  und  Ada  Kaloli.  501 

Porec,  dessen  bewegte  Vergangenheit  ich  im  folgenden  Kapitel  erzählen  werde. 
Während  Tekijas  serbische  Bewohner  sich  vor  ihren  türkischen  Orangem  in  die 
Berge  zurückzogen,  besiedelten  es  später  Walachen  vom  jenseitigen  Ufer,  die 
dort  durch  Fleiss  zu  ansehnlichem  Wohlstande  gelangten.  Trotzdem  es  aber  als 
wichtige  Ausfuhr-  und  Dampferstation  durch  eine  stabile  Fähre  mit  Orsova 
verbunden  ist,  besitzt  es  ausser  einer  netten  Kirche  mit  hohem  Turm  und  dem 
bescheidenen  Zollhause,  das  an  der  Nordmauer  des  Römerkastells  steht,  nur 
wenige  bessere  Gebäude  '). 

Tekija  rühmt  sich,  dass  dort  die  Wiege  jenes  des  Wortes  und  der  Feder 
gleich  mächtigen,  1791  geborenen  Avram  Petronijevic  stand,  der  durch  besondere 
diplomatische  Begabung  seinem  Lande  grosse  Dienste  leistete.  Im  jenseitigen 
Orsova,  wo  er  die  Schule  besuchte,  eignete  er  sich  mehrere  fremde  Sprachen 
an.  Milo§  würdigte  diese  damals  seltenen  Kenntnisse  des  seit  1817  im  Bezirke 
Gruza  angestellten  Schreibers.  Er  benutzte  Petronijevic  als  Sekretär  und  liess  ihn 
1821  eine  Gesandtschaft  an  die  Pforte  begleiten,  welche  erst  1826  zurückkehrte.  Zwei 
Jahre  später  ward  er  zum  ständigen  Vertreter  des  Fürstentums  in  Konstantinopel 
ernannt  und  zeitweilig  mit  besonderen  Missionen  nach  Petersburg,  betraut.  In  dem 
von  Vucic  gegen  Milos  geführten  Parteikampfe  zur  Einschränkung  der  fürstlichen 
Macht  stand  Petronijevic  auf  Seite  der  Opposition.  Als  der  Gebildetste  unter 
seinen  Landsleuten  besass  er  grossen  Einfluss  auf  alle  Angelegenheiten.  Auch 
die  heimische  Industrie  suchte  er  zu  heben;  die  erste  serbische  Glasfabrik  zu 
Jagodina  dankt  ihm  ihre  Entstehung.  Dabei  fand  er  Zeit  für  literarische  Arbeiten. 
Er  versuchte  eine  Übersetzung  der  Apokalypse  und  verkehrte  gern  in  gelehrten 
Kreisen.    In  Stanibul  erlag  er  einem  Schlaganfall  und  wurde  in  Haskoi  begraben. 

Weit  mehr  als  heute  kontrastierte  Tekijas  äussere  Erscheinung  zur  Zeit 
meines  ersten  Besuchs  von  jener  des  gegenüberliegenden  ungarischen  Orsova, 
dessen  viele  Amts-  und  Quarantäne  -  Gebäude  ihm  jene  deutsclistädtische 
Physiognomie  gaben,  welche  nahezu  alle  früheren  militärisch  organisierten  Grenz- 
komnumen  auszeichnete.  Bei  genauerer  Betrachtung  täuschte  aber  ihr  scheinbarer 
Wohlstand  kaum  über  den  ersten  flüchtigen  Eindruck  weg.  Veraltete  Normen 
hinderten  das  autonome  Gebaren  der  Bürger,  welche  in  allem  dem  am  Buchstaben 
haltenden  Militärregiment  unterworfen  waren.  In  vielen  Grenzstädten  wuchs  buch- 
stäblich Gras  auf  den  öden  Plätzen,  und  wenn  Orsova  nicht  gleiches  Schicksal  teilte, 
dankte  es  dies  seiner  Quarantäne  und  der  Dampfschiffahrts-Gesellschaft,  welche 
dort  namhafte  Etablissements  anlegte,  ferner  dem  nahen  vielbesuchten  Mehadija 
und  der  türkischen  Inselfeste  Ada  Kaleh,  die  mit  ihrem  nicht  unbedeutenden 
Bedarf  grösstenteils  auf  Orsova  angewiesen  war.  Nun  soll  sein  Verkehr  durch 
die  1895  genehmigte  Anlage  eines  „Umladungshafens",  der  eine  Million  Gulden 
erforderte,  und  durch  die  dort  zu  errichtende  Administration  des  „Eisernen  Tores" 
gehoben  werden. 

Da  früher  das  nachbarliche  Verhältnis  der  Türken  zu  Österreich  ebenso 
freundlich,   wie    zu  Serbien   feindlich    war,    empfahl    sich    ein  Ausflug   nach    dem 

')  Tekija  zählte  1905  in  295  Häusern  1332  Kinwohner 


502  Von  r?rza  Palankn  über  Kladovo  usw.  nach  Tekija  und  Ada  Kalch. 

grossherrlicheii  Ada  Kaleh  besser  von  Orsova ,  als  von  Tekija.  Mit  dein 
notwendigen  Passvisnni  des  k.  k.  Piatzkommandanten  und  einem  braunen,  in  noch 
dunklerer  Uniform  steckenden  Grenzsohne  fuhr  ich  durch  Orsovas  Quarantäne 
zur  Fähre,  weiche  die  Verbindung  über  den  schmalen  Donauarm  mit  der 
Festungsinsel  unterhielt.  Ein  durch  meine  Ankunft  aus  seiner  kauernden,  ganz 
unmilitärischen  Stellung  aufgerüttelter  Nizam-Caus  nahm  mich  jenseits  in  Empfang. 
Seine  nach  dem  Zwecke  des  Djaurenbesuchs  forschenden  Züge  heiterten  sich 
erst  auf,  als  ich  mein  mit  dem  imponierenden  grossen  Vidiner  Paschasiegel 
beglaubigtes  Bujuruldi  vorwies  und  zum  Festungskonimandanten  geführt  zu 
werden  verlangte.  Da  man  es  nicht  wagte,  dessen  Kef  (Siesta)  zu  stören,  konnte 
ich  Ada  Kaleh   ruhig  besichtigen. 

Ausser  einigen  ursprünglich  österreichischen  Kasernen,  Verwaltungsgebäuden 
und  der  zur  Moschee  umgewandelten  Kirche  erweckte  die  Niederlassung  nur 
klägliche  Eindrücke.  In  einem  plumpen,  türkischer  Baukunst  wenig  zur  Ehre 
gereichenden  Konak  empfing  mich  der  Kommandant,  ein  zwischen  Obstkörben, 
ausgekramter  Wäsche  und  allerlei  Gerumpel  hockender  Mir-Alaj.  Nach  kurzer 
Präsentation  meines  Bujuruldis  und  Schlürfung  des  obligaten  Kaffees  und  Cibuks 
lud  mich  der  freundliche  Effendi  zur  Besichtigung  der  Feste  ein.  Da  ich  jedoch 
auf  dem  Wege  zum  Konak  das  Interessanteste  bereits  gesehen,  benutzte  ich 
seine  Gunst  zur  Croquierung  einiger  Punkte  und  verliess  sodann  die  schicksals- 
reiche Insel. 

Im  Jahre  1691  begannen  die  Oesterreicher  die  oft  gewonnene  und  verlorene, 
1400  ni  lange,  300  m  breite,  gegen  Osten  spitz  zulaufende  Insel  zu  befestigen. 
Marsigli  fand  dort  zu  Beginn  des  18.  Jahrhunderts  ausser  einem  quadratischen 
römischen  Werke  mit  Rundtürmen  an  den  Ecken  und  zwei  isolierten  antiken  Türmen 
nur  einige  Schanzen.  Erst  1717  begann  Gouverneur  Mercy  Ada  Kaleh  nach 
Prinz  Eugens  Plänen  auszubauen.  Es  entstand  ein  nach  allen  Regeln  der 
Verteidigungskunst  erbautes  bastioniertes  Viereck  mit  entsprechenden  Aussenwerken, 
und  auf  dem  serbischen  Ufer  das  Fort  „Elisabeth".  Bis  zum  Ausbruch  des 
erneuten  Kampfes  (1737)  geschah  viel  zur  Verstärkung  der  Werke,  und  im  Osten 
der  Insel  bildete  sich  eine  kleine  Kolonie  deutscher  Händler  und  Handwerker. 
Wie  alle  österreichischen  Militärbauten  jener  Epoche,  tragen  auch  diese  Werke 
das  Gepräge  grosser  Solidität,  und  namentlich  wird  die  Stärke  ihrer  Kasematten 
gerühmt.  Der  in  zahlreichen  Winkeln  gebrochene  Bastionenkranz  springt  nahezu 
überall  bis  an  den  Inselrand  vor  und  blieb  bis  1878  mit  den  von  den  Kaiserlichen 
1739  dort  zurückgelassenen  Geschützen  armiert.  Seitens  der  Pforte  geschah  gleich- 
wenig wie  in  Belgrad  etwas,  um  die  Verteidigungsfähigkeit  zu  erhöhen;  bei  der 
grossen  Zahl  türkischer  Festungen  an  der  Donau  hätte  aber  auch  der  Stand  der 
grossherrlichen  Finanzen  ein  anderer  sein  müssen,  um  Bedeutenderes  in  dieser 
Richtung  zu  leisten. 

Es  waren  nicht  die  besten  Freunde  der  Türkei,  welche  sie  im  zähen 
Festhalten  aller  festen  Punkte  in  Serbien  bestärkten;  hätte  sie  sich  auf  Orsova 
und  Belgrad  beschränkt,  die  einem  äusseren  Feinde  gegenüber  ganz  sekundären 
Forts    von    Smederevo.  Kladovo,   Sabac   und   Mali   Zvornik    aber  aufgegeben,    so 


Von  Brza  Palankn  über  Kladovo  usw.  nach  Tckija  und  Ada  Kalcli.  503 

wäre  dadurch  ein  Kardinalwunsch  dieser  in  ihrer  Entwickelung  gehemmten  Handels- 
städte erfüllt,  ein  fortwährend  wuchernder  Streitpunkt  mit  Serbien  beseitigt  worden,  • 
und  man  hätte  auch  grössere  Mittel  gewonnen,  um  das  verfallende,  unstreitig  eine 
wichtige  strategische  Position  bildende  Ada  Kaluli  in  besseren  Stand  zu  setzen. 
Mit  dem  Feuer  des  Elisabethforts  sperrte  es  den  breiten  Donauarni,  welchen  die 
Dampfschiffe  benutzen  mussten;  auf  dem  linken  Ufer  schützte  es  der  Sistovocr 
Friedensschluss  (1791)  vor  einem  von  dort  leicht  zu  bewerkstelligenden  Angriff, 
indem  er  das  Uferstück  von  der  Cernamündung  bis  zur  rumänischen  Vodicaer 
Mühle  als  neutrales  Gebiet  stipulierte.  Vor  der  Erklärung  der  Donau  als  freie, 
internationale  Verkehrsstrasse  war  jede  Ada  Kaleh  besitzende  Macht  befähigt, 
dem  Donauhandel  ernste  Hindernisse  zu  bereiten.  Allerdings  hätte  man  die  mit  zwei 
Bastionen  und  einem  höher  liegenden  Wachturm  1736  durch  General  Hamilton 
erbaute  und  zu  Ehren  der  Kaiserin  genannte  „Elisabetlischanze"  wieder  herstellen 
und  zugleich  auf  dem  linken  Ufer  neue  Werke  aufführen  müssen.  Gegen  einen 
Angriff  zu  Wasser  durch  eine  von  der  Donaumündung  aufwärts  dringende  Flotte 
bedurfte  es  früher  keines  künstlichen  Schutzes;  das  seit  altersher  gefürchtete 
„Eiserne  Tor"  machte  ihn  überflüssig. 

Ein  Rückblick  auf  Orsovas  Schicksale  in  dem  für  Österreich  verhängnisvollen 
Kriege  1737  —  1739  besitzt  grosses  Interesse,  denn  durch  die  Beteiligung  eines 
sächsischen  Hilfskorps  und  andere  Verhältnisse  gibt  es  Anlass  zu  lehrreichen 
Parallelen  mit  den  1866  in  Böhmen  gewonnenen  Erfahrungen.  Versetzen  wir 
uns  in  jene  Zeit,  wo  sich  in  der  Wiener  Kaiserburg  noch  kein  Monument 
Prinz  Eugens  erhob,  dort  aber  die  Traditionen  des  „edlen  Ritters"  und  grossen 
Staatsmannes  bewahrt  wurden,  welche  Österreichs  Stellung  in  Ost  und  West 
gefürchtet  machten.  Damals  erblickte  der  Kaiserstaat  eines  seiner  wichtigsten 
Ziele  in  der  Erlösung  der  christlichen  Völker  an  seiner  Südgrenze  vom  fort- 
schrittfeindlichen türkischen  Regimente,  so  wenig  glücklich  man  auch  oft  die 
Mittel  und  Personen  wählte,  um  das  durch  Eugen  begonnene  grosse  Werk  zu 
vollenden. 

Wie  heute ,  erwies  sich  Oesterreich  unter  Karl  VI.,  ungeachtet  seiner 
schlimmen  Finanzlage  und  inneren  Kalamitäten,  unerschöpflich  im  Aufbringen 
mächtiger  Heere.  Ihre  Führung  lag  aber  in  der  Hand  mittelmässiger  oder  ganz 
unfähiger  Feldherren,  und  ihre  Verpflegung  besorgten  gewissenlose,  nur  auf 
Selbstbereicherung  spekulierende  Intendanten.  Anfängliche  Siege  verkehrten 
sich  durch  beschauliches  Zuwarten  und  unverzeihliche  Missgriffe  in  Nieder- 
lagen, die  gewonnenen  Sympathien  der  mit  den  österreichischen  Befreiern 
kämpfenden  Rajah  durch  Bedrückung  des  orientalischen  Kultus  zugunsten  des 
Katholizismus  und  grosse  Steuerauflagen  in  Hass  und  Abfall  von  der  kaiserlichen 
Sache.  Bei  Sabac,  Uzice,  Novi  Pazar,  Nis,  Pirot  und  anderen  Orten  erzählte 
ich  von  dem  Missgeschicke  der  kaiserlichen  Waffen  im  Feldzuge  1737, 
das  die  weitreichenden  Pläne  des  Wiener  Hofes  für  lange  Zeit  vertagte.  Der 
unvorhergesehene  rasche  Fall  von  Nis,  Vidins  verzögerte  Belagerung  durch 
den  mit  Terrain  und  sonstigen  Verhältnissen  gänzlich  unbekannten  Marschall 
Khevenhüller   leiteten    die  Katastrophe   ein,    der  schlecht   geleitete  Rückzug   über 


504  Von  Brza  Palanka  über  Kladovo  usw.  nach    Tckija  und  Ada  Kalcli. 

den  Tiniok  vollendete  sie.  Auf  diesem  Hess  die  kaiserliche  Arrieregarde  das 
feste  Fiorentin  unbesetzt,  und  schon  am  25.  Oktober  überschritten  die  Türken 
unj»ehindert  den  Fiuss.  Es  geschah  unter  den  Augen  des  Generals  Loewenwald, 
der,  durch  Vedettcn  auf  die  landenden  türkischen  Sajken  aufmerksam  gemacht, 
diese  komischerweise  für  Schwärme  grosser  „Nimmersatt"  (Pelikane)  hielt  und 
Khevenhüller  in  Sicherheit  wiegte.  Das  türkische  Gewehrfeuer  störte  ihn  bald 
aus  dieser;  der  Feind  drang  in  eine  zwischen  dem  sächsischen  Korps  und  den 
aus  ihren  Kantonnements  hervorgebrochenen  kaiserlichen  Truppen  entstandene 
Lücke  ein,  trieb  die  serbischen  Freiwilligen  vor  sich  her  und  massakrierte 
Trainsoldaten  und  Kranke  beim  Sturm  des  Lagers.  Das  sächsische  Kontingent 
unter  Graf  Rudoffsky  deckte  mit  bewunderungswürdiger  Bravour  den  durch  allerlei 
sich  kreuzende  Befehle  erschwerten  Rückzug,  welcher  den  Türken  die  ungehinderte 
Besetzung  Brza  Palankas  und  Sips  ermöglichte. 

Nach  dieser  unglücklichen  Wendung  des  Feldzugs  beschloss  Seckendorff, 
die  zersprengte  Armee  bei  Orsova  zu  sammeln.  Sein  immer  fühlbareres 
Schwanken  hatte  jedoch  seine  Autorität  im  Offiziersrate  wie  im  Lager  schwer 
erschüttert  und  sein  Verhältnis  zu  Rudoffsky  so  sehr  gelockert,  dass  dieser  des 
Marschalls  Verlangen,  zwei  sächsische  Bataillone  von  Belgrad  nach  Majdanpek 
zu  senden,  rundweg  abschlug.  Die  von  allen  Seiten  stark  anstürmenden  Nach- 
richten von  durch  die  Oberleitung  herbeigeführten  Unfällen  im  Passo  Augusto 
und  anderen  Orten  demoralisierten  die  Armee  vollends,  alles  schien  nur  mehr 
auf  die  persönliche  Rettung  bedacht.  Seckendorffs  Abberufung  vom  Oberbefehl 
und  seine  Ersetzung  durch  Philipp!  im  Oktober  kam  zu  spät.  Die  Abneigung 
der  Sachsen,  weiter  mit  den  Kaiserlichen  zu  kämpfen,  war  bereits  in  vollste 
Widersetzlichkeit  übergegangen.  Auf  einen  Befehl  des  Hauptquartiers,  der  sie 
anwies,  in  ihrem  Verbände  mit  dem  Batthiänyischen  Korps  zu  bleiben,  antwortete 
Rudoffsky,  ungeachtet  ihm  Khevenhüller  mit  der  Entziehung  aller  Subsistenzmittel 
drohte,  dass  er  abziehen  werde.  Dieser  Konflikt  wurde  nur  durch  die  Ernennung 
des  widerstrebenden  Generals  zum  Kommandanten  für  den  nach  Wien  gesandten 
Batthiänyi  auf  kurze  Zeit  behoben,  denn  die  Sachsen  zogen,  trotz  aller  Bitten, 
den  Rückzug  zu  decken,  in  Eilmärschen  nach  Mehadia,  wodurch,  da  man  bereits 
die  kleine  Walachei  geräumt,  der  schutzlos  gelassene  Train  der  durch  das 
Elisabethfort  retirierenden  Seckendorffschen  Armee  bei  Brza  Palanka  von  den 
Türken  nahezu  gänzlich  erbeutet  wurde.  Die  Verwirrung  scheint,  nach  einzelnen 
von  Schmettau  geschilderten  Episoden,  heillos  gewesen  zu  sein.  Ein  Oberst 
Lange  mit  vielen  Offizieren,  die  es  sich  in  Sip  beim  Frühstück  wohl  sein  Hessen, 
entgingen  nur  durch  die  Schnelligkeit  ihrer  Pferde  der  türkischen  Gefangenschaft. 

Am  11.  November  erschien  der  Pascha  von  Vidin  mit  130  Sajken  vor 
Orsova,  wo  er  am  9.  November  die  kaiserlichen  Galeeren  „Karl"  und  „Elisabeth", 
von  je  22  Kanonen^),  in  den  Grund  bohrte;  nach  Schmettau  geschah  dies  durch 
die  Kaiserlichen   selbst.     Es  waren    die   zwei   einzigen  Schiffe   der  aus  2  Sajken 


')  Briner,  Gesch.  d.  k.  k.  Pion.-Reg.  I,  1,  S.  116  (Wien  1878i,  führt  die  Schiffe  „Karl" 
mit  33,  „Elisabeth"  mit  32  Kanonen  ausgerüstet  an,  was  schhessen  lässt,  dass  ihre  Zahl 
wegen  der  schwierigen  Passage  verringert  worden  war. 


V(Mi  Brza  Palaiika  über  Klatlovo  usw.  nacli  Tckija  und  Atla  Kalcli  ")();') 

ZU  30  und  40,  6  zu  36  und  7  zu  22  Geschützen  unter  dem  Oberbefehle  des 
Marquis  Pallavicini  stehenden  Flotte,  weiche  trotz  des  niederen  Wasserstandes 
bis  Orsova  vordrinj,'en  konnten.  Der  mittlerweile  eingetretene  Winter  machte  der 
achttägigen  Blockierung  Orsovas  ein  Ende. 

Der  zweite  Feldzug  wurde  im  März  1738  durch  den  Heranzug  Amiakum 
Paäas  mit  20000  Mann  eröffnet.  Nachdem  er  Mehadia  belagert,  dessen  Pass 
durch  Piccolominis  Kapitulation  mit  500  Mann  frei  geworden  war,  brachten  die 
Türken  ihr  schweres  Geschütz  auf  beide  Donauufer  vor  Orsova  und  nahmen 
auch  dieses.  Weder  die  durch  2000  Mann  verteidigte  Inselfestung,  noch  das 
durch  240  Soldaten  gehaltene  Elisabethfort  hatten  jedoch  bei  ihrer  ausgezeichneten 
Kasemattierung  x'oin  feindlichen  Feuer  besonders  zu  leiden. 

Einen  grossen  Teil  des  türkischen  Belagerungskorps  bildeten  erbitterte 
walachische  Gebirgsbauern,  die  unter  dem  Reginiente  des  ebenso  grossen  Kriegers 
wie  weisen  Politikers  Eugen  in  den  eroberten  Donauländern  nach  Möglichkeit 
geschont,  in  ihrem  Kultus  geschützt  und  auch  durch  keine  übermässigen  Steuern 
—  sie  bezahlten  I  Dukaten  pro  Kopf  —  bedrückt  worden  waren.  Gern  hatte 
die  von  dem  humanen  Gouverneur  Mercy  mild  behandelte  Rajah  jene  von  Eugen 
angeordneten  grossen  Bauten  ausgeführt,  die  zum  Teil  noch  heule  als  Zeugen 
eines  ruhmvollen  Abschnittes  der  österreichischen  Vergangenheit  sich  erhielten. 
Nach  Mercys  Tode  verdarb  jedoch  die  kaiserliche  Bureaukratie  bald  Eugens 
Werk.  Ohne  staatsmännischen  Blick,  verlor  sie  Österreichs  hohe  Aufgabe  im 
Osten  aus  den  Augen.  Auf  die  Füllung  des  stets  leeren  Staatssäckels  bedacht, 
schrieb  die  Domänenkammer  in  Serbien  und  in  der  Walachei  harte  Steuern  aus. 
Das  Landvolk  aber,  stets  geneigt,  die  Güte  jeder  Regierung  nach  der  Höhe 
der  Abgaben  zu  messen,  überdies  durch  vexatorische  Massregeln  in  der  freien 
Übung  seines  Kultus  oft  gekränkt,  begrüsste,  was  früher  kaum  denkbar,  die  heran- 
ziehenden Türken  als  sehnlichst  erwartete  Befreier  von  der  kaiserlichen  Herrschaft! 

Marschall  Wallis  von  Belgrad  und  General  Neipperg  von  Teme§var  führten 
endlich  die  Korps  heran,  welche,  bei  Lugos  vereinigt,  Vidin  angreifen  und  das 
seit  dem  29.  Mai  aus  56  Kanonen  und  16  Mörsern  beschossene  Orsova  entsetzen 
sollten.  Am  25.  Juni  setzte  sich  endlich  die  Armee  in  Bewegung.  Ein  Teil 
derselben  wurde  zwischen  Dognacka  und  Gornja  an  der  Karaä  überfallen,  und  die 
Türken  drangen  bis  zum  Zelte  des  Oberkommandanten  Herzogs  von  Lothringen, 
der  eben  dinierte,  wurden  aber,  nachdem  man  sich  von  der  ersten  Überraschung 
erholt,  durch  die  herbeigeeilten  Kavallerieregimenter  Diemar,  Scher  und  Schulenburg 
zurückgeworfen.  Die  Szene  verkehrte  sich  nun.  Die  Kaiserlichen  verfolgten  den 
Feind  bis  in  sein  Lager  und  erbeuteten  nach  vierstündigem  harten  Kampfe  sieben 
Kanonen.  Graf  Schmettau  erzählt,  dass  man  1200  Christenköpfe  mit  abgeschnittenen 
Ohrläppchen  fand,  deren  jedes  der  türkische  Oberfeldherr  mit  1  Dukaten  ein- 
gelöst und  bemerkt:  „Es  gehörte  der  gute  Glaube  eines  Muselmannes  dazu,  sich 
mit  einer  solch  schwachen  Probe  zu  begnügen,  unsere  Soldaten  würden  uns 
wahrscheinlich  unsere  eigenen  verkauft  haben." 

Am  6.  Juli  wurde  der  Sieg,  welcher  den  Kaiserlichen  grössere  Verluste  als 
den  Türken  kostete,  bei  Mehadia  durch    eine   dreifache  Decharge  gefeiert.     Man 


SOf)  Von  Brza  Palankn  über  Klndovn  usw.  nach  Tckija  und  Ada  Kaleh. 

säumte  auch  nicht,  den  blutigen  Triumph  durch  Übersendung  erbeuteter  Fahnen 
und  Tambourins  nach  Wien  zu  melden.  Im  feierhchen  Aufzuge,  unter  Voranritt 
von  24  Postillonen,  zog  Oberst  Reissing  dort  ein.  Das  durch  die  unerwartete 
freudige  Nachricht  und  mehr  noch  durch  allerlei  Pamphlete  aufgestachelte  Volk 
sammelte  sich  aber  in  grossen  Haufen  vor  dem  Gefängnisse  des  in  Untersuchung 
gezogenen  „protestantischen"  Marschalls  Seckendorff,  dem  es  allein  die  Unfälle 
des  ersten  Feldzugs  zuschrieb,  man  fluchte,  beschimpfte  ihn  und  brach  zuletzt 
die  Tore  ein,  bis  ein  Detachement  Soldaten  anrückte,  das  dem  schmählichen 
Unfug  ein  Ende  machte. 

Während  dieser  Vorgänge  gelangte  die  kaiserliche  Armee  am  9.  Juli  vor 
Mehadia,  dessen  600  Jenisseri  sich  bedingungslos  ergaben.  Dort  erschienen 
Abgeordnete  der  aufständischen  Walachen,  um  ihre  Untreue  zu  entschuldigen  und 
dem  Kaiser  aufs  neue  zu  huldigen.  Auch  weiter  erwies  sich  der  kaiserliche 
Schwiegersohn  als  begünstigter  Sohn  des  Glückes.  Ohne  Schwertstreich  verliessen 
die  Türken  die  bei  Orsova  zum  Schutze  ihres  Lagers  aufgeworfene  Redoute,  und 
bald  dieses  selbst  mit  Zurücklassung  ihrer  gesamten  Artillerie  und  Bagage.  Graf 
Gyulai  wurde  zu  seiner  Besetzung  abgeordnet.  Orsovas  Kommandant,  v.  Kehrenberg, 
versicherte  dem  Prinzen,  die  Festung  sei  trotz  der  64tägigen  Einschliessung  im 
besten  Stande  und  hätte  sich  jedenfalls  bis  zu  Ende  des  Jahres  gehalten.  Mehr 
als  40  Geschütze  und  Mörser  wurden  von  der  Beute  nebst  grossen  Provisionen, 
namentlich  an  Reis,  nach  Orsova  gesendet,  viele  Rossschweife  und  Fähnlein 
prangten  vor  des  Prinzen  Zelt. 

Ohne  die  leicht  gewonnenen  Vorteile  rasch  zu  verfolgen,'  kampierte  die 
Armee  zwei  Tage  untätig  zwischen  Mehadia  und  Orsova,  bei  Toplec.  Man  Hess 
dem  Grossvezier  Zeit,  sich  zu  sammeln,  und  schon  am  12.  Juli  zog  er  heran. 
Graf  Neipperg  tat  nichts,  um  den  Übergang  des  Feindes  vom  linken  Cernaufer 
zu  hindern,  obwohl  wenige  Bataillone  zur  Verteidigung  des  wichtigen  Defilees 
genügt  hätten,  durch  welches  der  feindliche  Verstoss  allein  möglich  war.  Sicher 
gemacht  durch  ihre  leicht  errungenen  Vorteile,  unterliessen  die  Kaiserlichen  selbst 
die  einfachsten  Vorsichtsmassregein.  Schon  befand  sich  der  Grossvezier  auf  dem 
linken  Cernaufer,  als  der  Prinz-Oberkommandant  mit  den  Generalen  Königseck 
und  Wallis  einen  Spazierritt  in  das  verlassene  türkische  Lager  machen  wollte; 
nur  ihren  schnellen  Rennern  dankten  sie  es,  dass  sie  nicht  aufgehoben  wurden. 
Die  raschen  Bewegungen  des  Grossveziers  erregten  grosse  Bestürzung  im  kaiser- 
lichen Hauptquartiere.  Man  dachte  weder  daran,  den  Feind  zu  schlagen,  noch 
an  das  beabsichtigte  Unternehmen  gegen  Vidin,  und  überliess  Orsova  seinem 
Schicksal.  In  das  Fort  von  Mehadia  wurde  eine  kleine  Garnison  unter  Oberst 
Baerenklau  geworfen,  mit  der  Freiheit,  nach  Umständen  zu  kapitulieren.  Den  übereilt 
ausgeführten  Rückzug  suchten  die  Türken  durch  geschickte  Flankenmärsche 
zu  hindern.  Ein  12000  Mann  starkes  Korps,  welches  den  Kaiserlichen  auf  der 
grossen  Heerstrasse  und  zwei,  über  Höhen  führenden  Saumpfaden  nachfolgte, 
erreichte  die  Nachhut  in  den  Defileen  nördlich  von  Mehadia.  Im  edlen  Wetteifer 
mit  ihrem  prinzlichen  Anführer  vollbrachten  die  Österreicher  hier  wahre  Wunder 
der  Tapferkeit  und  trieben  die  Gegner  mit  einem  Verluste  von  5000  Mann  zurück. 


Von  Brza  Palanka  über  Klaitovo  usw    nach  Tckija  und  Ada  K'alcli 


')07 


Durcli  diese  f^ünstige  tntschei- 
diing  lies  vierstündigen  Kampfes  für 
das  i<aiseriiche  Heer  war  sein  ge- 
sunkener AAiit  neu  belebt;  es  hätte 
nur  eines  raschen  Entsclilusses  der 
Füiirer  zur  Rückkehr  nach  Orsova 
iiedurft,  und  die  Türken  wären 
geflohen.  Offiziere  und  Soldaten 
ersehnten  diesen  Befehl;  man  blieb 
jedoch  ruhig  im  Lager,  gönnte  dem 
Feinde  Zeit,  Mehadia  zu  nehmen,  und 
setzte  endlich  am  16.  Juli  den  Rückzui; 
gegen  KaranSebes  fort,  wo  das  Heer, 
nachdem  sein  schlecht  gedeckter 
Train  von  der  kaum  unterworfenen 
Bevölkerung  geplündert  worden,  am 
20.  Juli  eintraf.  2001)  Kranke  und 
Verwundete  wurden  nach  Pancova 
weiter  transportiert,  die  Infanterie 
lagerte  bei  Lugoselo,  die  Kavallerie 
in  Lugos;  der  Prinz  von  Lothringen 
reiste  aber  am  24.  Juli  nicht  mit 
freudigsten  (jefühlen  nach  Wien  ab. 
Seine  retirierende  Armee  erfreute 
sich  nicht  lange  der  notwendigen 
Erholung;  hart  bedrängt  von  dem 
energischen  Vezier,  musste  sie  ihren 
Rückmarsch  fortsetzen.  Den  Skorbut 
und  die  Pest  im  Gefolge,  und  diese 
traurigen  Geissein  über  die  schuld- 
lose Bevölkerimg  verbreitend,  zog 
sie  von  üenta  über  Versec,  ent- 
lang der  alten  Römerstrasse,  durch 
Jasenuva  und  Dubovac  nach  Kubin, 
in  dessen  Nähe  sie  die  Donau  auf 
zwei  Brücken  überschritt,  bis  Bel- 
grads Mauern  ihre  Reste  schützend 
aufnahmen.  So  traurig  endete  durch 
die  abermalige  verfehlte  Leitung 
der  kaiserlichen  Heere  der  zweite 
Feldzug  des  dreijährigen,  dem 
Kaiserstaate  seine  besten  Kräfte 
raubenden  Krieges  an  der  unteren 
Donau. 


o 


fiOS  Vdii  Riza  Palanka  über  Kladovo  usw.  nacli  Tckija  iiiul  Ada  Kak'li. 

Mit  dem  Rückzüge  der  Operationsarmee  war  Orsovas  Schicksal  entschieden. 
Aus  120  Kanonen  und  40  Mörsern  am  18.  Juli  beschossen,  übergab  es  Kehrenberg^ 
trotz  der  abgegebenen  schönen  Versprechungen,  im  August  unter  der  Bedingung 
freien  Abzugs  nach  Belgrad;  dort  endete  er  durch  Selbstmord  die  gegen  ihn 
eingeleitete  kriegsrechtliche  Untersuchung.  Der  Kommandant  des  Elisabethforts 
verweigerte  dessen  Auslieferung,  da  er  an  jene  Orsovas  nicht  glauben  wollte. 
Derselben  überwiesen,  kapitulierte  auch  er.  Der  im  folgenden  Jahre  abgeschlossene 
Belgrader  Friede  überlieferte  Orsova  auch  formell  dem  Sultan. 

Im  nächsten  österreichisch-türkischen  Kriege  wurde  die  Inselfestung  1789 
unter  Kaiser  Josefs  persönlicher  Leitung  belagert  und  nach  langwieriger  Blockade 
1790  genommen.  Schon  im  Jahre  darauf  gelangte  sie  im  Sistover  Frieden  wieder 
an  die  Türkei. 

Zu  Beginn  des  serbischen  Freiheitskriegs  spielte  sich  auf  Ada  Kaleh  eine 
blutige  Katastrophe  ab.  Die  Unterwerfung  der  unfügsamen  Janitscharen  und 
Dahien  war  als  Parole  von  der  Pforte  auch  an  den  Belgrader  Gouverneur  Becir 
Pasa  gelangt.  Dieser  säumte  nicht,  dem  Befehle  mit  Hilfe  der  Rajah  zu 
entsprechen.  Die  berüchtigtsten  Dahienhäupter:  Aganlija,  Focic,  Kucuk  Ali  und 
Mula  Jussuf,  flohen  von  Belgrad  nach  der  Festungsinsel.  Da  erbot  sich  der  später 
berühmt  gewordene  (I.  Bd.,  S.  219)  Milenko,  sie  zu  töten.  Mit  einem  Schreiben 
von  Redzep  erschien  er  vor  dessen  Oheim,  dem  Kommandanten  von  Ada  Kaleh,  als 
walachischer  Bauer  verkleidet.  Als  Ibrahim  aus  dem  Schreiben  entnahm,  um  was 
es  sich  handle,  bestellte  er  Milenko  für  die  einbrechende  Nacht.  Er  kam  mit 
seinen  50  Momken,  überfiel  das  Haus,  in  dem  die  Dahien  wohnten,  ermordete 
sie  und  brachte  ihre  Köpfe,  wie  ihm  geheissen  war,  nach  Belgrad.') 

Im  Mai  1867  übergab  die  Pforte  das  „Elisabethfort"  dem  Fürsten  Mihail, 
der  es  schon  im  September  sprengen  Hess,  und  am  25.  Mai  1878  überliess  der 
Sultan  das  für  ihn  wertlos  gewordene  „Ada  Kaleh"  durch  friedliche  Uebereinkunft 
an  Österreich-Ungarn,  welches  die  Sultansflagge  —  wie  ich  am  29.  September 
1896  bei  der  „Eisernen  Tor"-Kanalweihe  selbst  sah  —  weiter  von  den  ver- 
fallenen Werken  wehen  lässt,  weil  ihre  faktische  Besitznahme  bisher  international 
gleichwenig  ausdrücklich   anerkannt  wurde,    wie  jene    von  Bosnien-Herzegowina. 

Wem  es  nicht  gestattet  ist,  türkisches  Wesen  im  europäischen  oder  asiatischen 
Orient  kennen  zu  lernen,  gehe  nach  „Ada  Kaleh".  Dort  wird  erdenkbar  bequem 
ein  höchst  charakteristisches,  an  belehrenden  Einzelzügen  reiches  Bild  gewinnen. 
Eingekeilt  zwischen  den  auf  beiden  Donauufern  aufstrebenden  serbisch-rumänischen 
Königreichen  bildet  Ada  Kaleh  eine  fremdartig  anmutende  moslimische  Oase, 
welche  den  Besucher  bei  einiger,  über  gewöhnliche  Neugierde  hinausgehender 
Beobachtung  überzeugend  lehrt,  weshalb  die  letzte  Stunde  türkischen  Regiments 
auf  europäisch-christlichem  Boden  näher  rückt,  obgleich  die  zeitweilige  Beilegung 
der  griechisch-arnautisch-bulgarisch-serbischen  Ansprüche  und  die  Langmut  der 
Grossmächte  sie  bisher  verzögerte. 


')  Vuk,  Pravitelstviijusci  Sovjet,  S.  71. 


XVII. 


Durch  den  Kazan  und  von  Donji  Milanovac 

durch  den  Greben  auf  der  Donau  nach  Belgrad. 


VIERZEHNMAL  seit  1862,  zuletzt  1896  anlässlicii  der  feierlichen  Eröffnung  des 
„Eisernen  Tor"-Kanals  und  1897  zu  weiteren  Studien  in  seiner  Umgebung, 
durchfuhr  ich  den  von  Ogradina  bis  Gulubinje  22  km  langen  „Kazanpass",  und 
jedesmal  ergriff  mich  die  Grossartigkeit  seiner  Szenerie  so  mächtig,  dass  vor  ihrem 
tiefen  Eindrucke  selbst  die  mir  unvergesslich  schönen  Bilder  des  prächtigen 
Rheinstromes  zurücktraten.  Denn  wenig  störte  die  Menschenhand  im  Kazan  die 
majestätische  Grösse  der  fest  in  sich  abgeschlossenen  Natur,  was  aber  im  Kazan 
künstlich  geschaffen  wurde,  erweckt  durch  seine  Kühnheit  das  genugtuende  Gefühl, 
dass  es  keine  natürliche  Barriere  gibt,  und  wäre  sie  scheinbar  noch  so  gewaltig, 
welche  der  menschliche  Geist  nicht  zu  überwältigen  vermöchte,  sobald  sie  seinem 
stetig  wachsenden  Assoziationstriebe  sich  'entgegenstellt. 

Die  im  Kazan  tosend  hinströmende  Donau  grub  sich  dort  ihr  stellenweise 
48  m  tiefes  Bett  zwischen  hohen,  schroff  aufsteigenden  Jurakalkmauern,  deren 
auf  beiden  Ufern  gleichartige  Schichtungen  für  ihre  einst  ungebrochene  Zusammen- 
gehörigkeit sprechen.  Bald  mit  Laubholz  bewachsen,  bald  nackt  mit  gezackten 
Gipfeln,  wie  sie  der  Kalkformation  eigen,  begrenzen  die  Berge  den  Strom.  Auf  dem 
linken  Ufer  schneidet  in  ihren  Steilrand  die  den  „grössten  Ungar"  verherrlichende 
„Szechönyistrasse  ein,  über  Viadukte  und  durch  vielbogige  Felsgalerien  unter 
senkrecht  überhängenden  Felsen  in  mannigfachstem  Wechsel  geführt,  bei  jeder 
Flusskrümmung  neue  pittoreske  Bilder  entwickelnd  und  an  Kühnheit  der  Anlage 
mit  der  jenseitigen  Römerstrasse  wetteifernd,  deren  Erbauer  die  berühmte  „Trajans- 
tafel"  verewigt. 

Dieses  in  jüngster  Zeit  endlich  gänzlichem  Verderben  entrissene,  in  einen 
serbischen  Uferfelsen  gemeisselte  Monument  befindet  sich  12  km  von  Orsova 
stromaufwärts,  gegenüber  dem  ungarischen  Ogradina.  Die  „Trajanstafel"  ist  vom 
künstlich  dem  Felsen  abgerungenen  Heerwege  bis  zur  kassettierten  Decke  nahezu 
4  m  hoch,  mit  den  Eroten  8  m  breit  und  hat  ein  1,62  m  hohes,  3,57  m  breites 
Inschriftfeld,  dessen  an  den  Schmalseiten  in  0,83  m  breite  Dreiecke  übergehenden 
Rahmen  zwei  von  Delphinen  begleitete,  geflügelte  Genien  tragen.  Oben  krönt 
die  Tafel  eine  anschliessende,  0,5.5  m  ausladende,  0,60  m  hohe  kassettierte  Leiste 


510  Durch  tlt'n  Knzaii  und  von  Dnnji  Milarnivae  usw.  nach  Belgrad. 

mit  7  Lukiinarieii,  von  welchen  die  mittlere  ein  Adler,  die  anderen  Rosetten 
zieren;  unten  wurde  sie  von  einem  knienden,  nackten,  wahrscheinlich  den  Ister 
personifizierenden  Manne  mit  erhobenen  Armen  i^estützt.  Die  rot  gefärbten  Buch- 
staben des  4,5  m  über  dein  mittleren  Stromniveau,  leider  aber  nur  1,5  m  über 
der  Strasse  angebrachten  Schriftfeides  schnitt  man  prismatisch  in  eine  dünn 
aufgetragene  Stucksciiicht  ein. 

Trotz  der  bekannten  Festigkeit  des  römischen  Mörtels  wurde  dieses  technische 
Verfahren  für  die  Inschrift  verhängnisvoll.  Denn  mehr  noch  als  elementare  Einflüsse 
schädigten  sie  vorüberziehende  Schiffer  und  Fischer,  welche  unter  dem  schützenden 
Tafel -Feisdach  ihre  den  Mörtel  sprengenden  Lagerfeuer  anzündeten.  Dies 
beklagend,  schrieb  ich  schon  1868:  „Wenn  irgendwo,  fände  die  serbische  Regierung 
hier  Gelegenheit,  durch  die  Anlage  einer  die  Annäherung  erschwerenden  Schutzbaute 
ihre  Pietät  gegen  eine  grosse  Vergangenheit  zu  bezeugen."  Leider  verhallte  mein 
Mahnruf,  und  1887  fand  ich  nicht  allein  die  erwähnte,  die  Tafel  unten  stützende 
Figur,  sondern  auch  ihre  letzten  drei  Zeilen  nahezu  gänzlich  vernichtet.  Noch  im 
selben  Herbste  forderte  ich  die  Belgrader  „Gelehrte  Gesellschaft"  in  einer  motivierten 
Denkschrift  zu  energischen  Schritten  an  hoher  Stelle  auf.  Professor  Jovan  Boskovic 
las  und  unterstützte  dieselbe  in  öffentlicher  Sitzung,  und  als  auch  dies  erfolglos 
blieb,  wandte  ich  mich  persönlich  an  den  Bautenminister  Velimirovic.  Dieser 
genehmigte  den  von  mir  gemeinsam  mit  dem  Negotiner  Kreisingenieur  Pavlovic 
entworfenen  Schutzplan,  und  sein  gleich  pietätvoller  Nachfolger  wies  1200  d 
für  dessen  Ausführung  an.  Interessanterweise  stellten  Orsovaer  Rumänen  die 
Mauerwehren  her,  vielleicht  also  direkte  Abkömmlinge  derselben  Legionäre, 
welche  die  „Trajanstafel"  vor  nahezu  1800  Jahren  ihrem  ruhmreichen  Imperator 
errichtet  hatten.  * 

Seit  300  Jahren  wurde  die  Inschrift  wiederholt,  doch  stets  fehlerhaft  publiziert. 
In  unserer  Zeit  von  Neugebauer^),  der  den  Tafelfelsen  nach  einem  fiktiven  Serben- 
dorfe  „Tactalia"  verlegte  (!).  Der  verdiente  Archäologe  Josef  Arneth  veröffentlichte 
ihre  im  Mai  1855  durch  österreichische  Ingenieure  angefertigte  erste  Papiermatrize 
und  Zeichnung,  in  welcher  noch  die  vorerwähnte,  die  Tafel  tragende  Figur 
erkennbar.     Die  schon  damals  lückenhaften  Schlusszeilen  ergänzte  Arneth -): 

MONTIS  E  FLVVII  ANFRACTIBVS 

SVPERATIS  VIAM  PATEFECIT. 
Aschbacli  schlug  für  dieselben  die  Lesung  vor'^): 

MONTIS  ET  FLVVII  DANVBI  RVPIßVS 

SVPERATIS  VIAM  PATEFECIT. 
Mommsen  vervollständigte  sie^): 

MONTIBVS  EXCISIS  AMNIBVS 

SVPERATIS  VIAM.FECIT. 


')  Dacieii,  S.  7. 

-)  Jahrb.  d.  k.  k.  Zentr.-Komm.  z.  Erf.  u    Erh    d.  Baud     185(5.     I,  S.  83  ff. 

•■')  Ibid.  1858,  III,  S.  200 

-)  C.  I.  L    111,  No.  1699. 


Durch  den  Kazan  und  von  Donji  Milanov.nc  usw.  nach  Belgrad. 


511 


Benndorf  publizierte,  nachdem  er  einen  Abklatsch  vergeblich  versucht,  jedenfalls 
die  trcueste  Kopie  auf  Grundlage  der  genau  ausgemessenen  Entfernungen  zwischen 
den  erhaltenen  Buchstaben  und  Spuren  von  solchen')  und  las  die  letzten  Zeilen: 

MONTIBVS  EXClSls  ANCOniBVS 

SVBLATiS  VIAm  Fecit. 
Das  von  Monimsen  vermutete  „Montibus  excisis"  wird  somit  voll  bestätigt; 
ob  sein  „viam  fecit"  oder  vielleicht  „refecit"   oder  „restauravit"  richtiger,  ist  nicht 


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Die  ,, Tabula  Traiana"  mit  den  nach  den  Angabfn  des  Autors  im  Jahre  IS'.il  ausgeführten  Schut/!bauten. 

mehr  zu  entscheiden.  Benndorf  liiilt  alle  anderen  Lesarten  für  irrig  und  das 
„anconibus  sublatis"  (d.  h.  auf  oder  mit  erhobenen  Kragbalken)  für  „eine  technische 
Spezialität,  die  man  eher  im  Vitruv,  als  in  einer  offiziellen  Inschrift  vermuten 
würde,  hier  aber  einen  passenden  Sinn  gibt.  Die  ungewisse  Konstruktion  des 
Weges,  der  halb  im  Felsen  gehend,  halb  auf  einem  über  dem  Wasser  schwebenden 
Holzgerüste  lief,  wäre  damit  deutlich  bezeichnet,  und  dass  die  Worte  eine  Bezeich- 
nung dieser  Singularität  enthielten,  scheint  einfach  natürlich."     Hervorhebenswert 


')  C.  1.  L.  111,  üuppl.,  S.  1469,  No.  8267. 


512 


Iliircli  den  Knznn  iiiul  von  Donji  Milanovnc  usw.  nach  Belgrad. 


erscheint   in   der  insclirift  des  Kaisers  Consulat  IUI,   demzufolge   seine   giücl<liche 
Vollendung  des  Strassenbaues  in  das  Jahr  lüü  n.  Chr.  fälU. 

Zum  besseren  Verständnisse  des  hier  übersichtlich  geschilderten  früheren  und 
heutigen  Zustandes  der  Trajanstafel  gebe  ich  ihre  Abbildung  mit  den  1890  aus- 
geführten Schutzvorrichtungen  und  einen  Durchschnitt,  in  dem  ich  die  Konstruktion 
der  „auf  erhobenen  Kragbalken"  ruhenden  Holzbahn  versuchte.  Das  von  dem 
Baumeister  des  Kaisers  Tiberius  angewendete  System  zur  Verbreiterung  der  in 
den  Felsen  durchschnittlich  2  m  breit  und  3  m  hoch  ausgesprengten  Strassentrace 
unterschied  sich  von  dem  ihrer  Trajanschen  Fortsetzung  im  Kazanpasse.  Im 
Greben   wurden    auf   der  Strassensohle   3   m   voneinander   entfernte,    bis    in    die 


Die  Trajanstafel  in  römischer  Zeit  mit  den  neuen  Schutzbauten. 


rückwärtige  Steilwand  greifende  quadratische  Einschnitte  für  die  durch  Zimmerung 
zu  verbreiternde  Fahrbahn  eingehauen;  im  Kazan  aber  befestigte  man  ihre  hölzernen 
Querträger  in  ein  oder  zwei  Reihen  an  der  Ufermauer  eingemeisselten,  durchschnitt- 
lich 1,50  m  voneinander  entfernten  quadratischen  Öffnungen.  Die  stellenweise 
auch  an  der  Tiberiusstrasse  sichtbaren  unteren  Balkenlöcher  dürften  wahrscheinlich 
von  ihrer  Verbesserung  während  der  Trajanschen  Feldzüge  herrühren. 

In  hohem  Grade  überraschend  wirkte  auf  die  Fachkreise  die  1891  im 
Belgrader  „Starinar"  publizierte  Inschrift  der  Trajanstafel,  angeblich  von  dem  ihre 
Schutzbauten  leitenden  Ingenieur  Pavlovic.  Wie  ich  aber  nach  seiner  schriftlichen 
Mitteilung  bestimmt  versichern  darf,  stammt  dieses  epigraphische  Kuriosum  nicht 
von  ihm.  Um  jeder  möglichen  Irreführung  vorzubeugen,  gebe  ich  hier  die 
barbarisch  verstümmelte  Inschrift  fac  simile  und  daneben  Benndorfs  authentische 
Kopie.     Bei    einem   Vergleiche   wird   man  staunend  bemerken,   dass  bei  Valtrovic 


Durch  den  Kazan  und  von  Donji  Milanovac  usw.  nach  Belgrad. 


513 


am  Schlüsse  der  ersten  Zeile  das  F  fehlt,  an  jenem  der  dritten  die  Zahl  IUI, 
ferner,  dass  die  vierte,  ohne  alle  BerücksichtiLjunt^  der  Stellung  ihres  erhaltenen 
RIAE  •  CO  und  ihrer  anderen  Reste,  gleich  den  Schlusszeilen  mit  teilweise 
lädierten  Lettern  derartig  ergänzt  wurden,  als  existierte  die  Inschrift  in  dieser 
vom  Redakteur  Valtrovic  publizierten  falschen  Form.  Jedem  das  Seine!  Herr 
Valtrovic  ist  aber  kein  Freund  des  „suuni  cuique",  sonst  hätte  er  die,  meine 
kräftige  Anregung  und  Mitwirkung  zur  Erhaltung  der  Trajanstafel  erwähnende 
Stelle  im  Paviovicschen  Begleitte.xte  nicht  gestrichen.  Wie  kleinlich!  Nicht  rechten 
will  ich  mit  ihm,  dass  er  meine  von  der  Fachkritik  anerkannten  „Römischen  Studien 
in  Serbien"  obenhin  beurteilte,  weil  ich  in  denselben  bei  Viminaciuni  u.  a.  0. 
seine  bewiesene  Unfähigkeit  für  archäologische  Arbeit  im  Terrain  berühren  musste. 


'"  A^^^^''V-  'W'>[^^'\    '^^^''^T^*'   '>'^'&^'^ >    y^'  ' /      ^.r^"' ' — '  "^ 


m  i  i>''l  MßWTÜVS  lEXCtSäS  AM  :  ^^^ 
C9lllliVSSViLATlSVIAu..F..^  ^^"^ 


füSIf» 


-.:.;."';t:-S-''.    : 


Die  Trajanstafel  nach  Valtrovit. 


Ein  arabischer  Spruch  sagt:  „Bellen  auch  die  Hunde,  die  Karawane  zieht  trotzdem 
weiter!"    Setzen  auch  wir  unsere  Donaufahrt  stromaufwärts  fort! 

Etwa  200  m  oberhalb  der  „Tabula  Traiana"  bemerkte  Benndorf  in  einer  flachen 
Felsnische  eine  0,60  m  hohe,  0,82  m  breite  Ädikula,  deren  zwei  glatte,  ein  mit 
Akroterien  geziertes  Giebeldreieck  tragende  Säulen  mit  diesem  ein  quadratisches 
Feld  umschliessen,  dessen  wahrscheinlich  figuralische  Reliefskulptur  unkenntlich 
wurde.  Kaum  2  km  weiter  gelangt  man  zur  „Mrakonija".  So  heisst  ein  von 
üppigem  Grün  durchwachsener  kleiner  Talsporn  unter  dem  Strbac,  zwischen  dessen 
Steilfelsen  eine  mächtig  herausquellende  Wasserkraft  das  1889  erneuerte  Mühlwerk 
in  Bewegung  setzt.  Dicht  neben  diesem  sah  ich  etwa  30  m  lange  starke  Mauern 
eines  quadratischen  Werkes,  dessen  Wasserfront  durch  die  Unterwaschungen  des 
Stromes  in  diesem  begraben  wurde.  Vielleicht  hatte  ihm  das  seit  40  Jahren  stärkste, 
am  Orsovaer  Pegel  mit  6,53  m  gemessene  Hochwasser  von  1876,  welches  die 
Römerstrasse  im  Kazan  überflutete,  so  übel  mitgespielt.    Das  Kastell  korrespondierte 


F.  KAN'ITZ,  Serbien.    W. 


33 


)14 


Oiirdi  deti  Kazaii  imd  von  Donji  Milannv;ic  iisw,   nach  Belgrad. 


mit   den   römisclien  Befestigungen    im   gleichnamigen,    weit   bedeutenderen   lini<s- 
uferigen  Mrakonijatale,  von  welchen  gleiciifaiis  Spuren  erhalten  blieben. 

Bei  normalem  Wasserstande  ist  die  Befahrung  des  Kazans  für  Dampfer 
ungefährlich;  bei  niederem  wird  sie  aber  schwierig,  weil  dann  sein  Spiegel 
am  Beginne  des  Defilees  nahezu  zweimal  so  hoch  wie  bei  Orsova  und,  im 
stellenweise  nur  200  m  breiten  Passe  steigend,  starke  Strömungen  und  Wirbel 
bildet.  Früher  erschien  der  Kazan  auf  den  meisten  Karten  als  „Eisernes  Tor", 
bis    ich    nachwies,    dass   diese   Bezeichnung    nur    dem    grössten    Donaukatarakt 


Im  Kazan-Defilee. 


unterhalb  Orsova   zukommt.     Die  Serben  nennen   den  Kazan    zur  Unterscheidung 
vom  Grebenpasse  „Donja  Klisura"  (unterer  Pass). 

Ausser  den  stetig  wechselnden  pittoresken  Felskonturen  erfreuen  im  SW.  bis  NO. 
streichenden  Kazan-Defilee  schöne  Forste  auf  dem  serbischen  Ufer  das  Auge.  Die 
ungarischen  haben,  namentlich  in  der  Nähe  der  Ortschaften,  arg  gelitten,  wozu 
zwei  Sägewerke  aufwärts  von  Ogradina  mitwirkten.  Altes  Holz  gehört  dort  bereits 
zur  Seltenheit.  Mit  der  am  meisten  vertretenen  Buche  mengen  sich  Walnussbäume, 
Eichen,  die  orientalische  Hainbuche,  Blumeneschen,  Korkulmen,  und  von  Sträuchern; 
einzelne  Hartriegelarten,  Perücken-Sumach,  Syrene  u.  a.  Wilder  Wein,  Schling- 
pflanzen und  ein  reicher  Waldblumenflor  bringen  überall  Farbe  in  die  Landschaft. 


Durch  (Jen  Kazan  und  von  Donji  Milanovac  usw.  nach  Belgrad.  515 

Wenn  jedocli  tiefe  Wolkenschatten  FeLs  und  Veiietatinn  in  düsteres  Grau  hüllen 
und  neben  dem  Rauschen  der  Sturzbäche  in  den  steilgebüschten  Qucrschiuchten 
auch  das  Auffliegen  gieriger  Raubvögel  die  lautlose  Stille  unterbricht,  dann  weckt 
die  Brandung  der  an  den  Klippen  sich  brechenden  Wogen,  besonders  dort,  wo 
sich  das  Defilee  bei  PlaviSevica  auf  160  m  verengt,  eine  uns  bedrückende 
Stimmung,  die  erst  weicht,  wenn  wir  hinter  tien  dunklen  Serpentinbergen  beim 
ruinengekrönten  Jucriffe  des  plötzlich  sich  ausbreitenden  Donauspiegels  ansichtig 
werden.  Der  ganze  Gebirgszug  zeichnet  sich  durch  teilweise  schon  in  Abbau 
genommene  Kohlenflöze,  Chromerze  und  grossen  Höhlenreichtum  aus.  Das 
Hochplateau  des  8Ü0  m  hohen  serbischen  Strbac  ist  stark  verkarstet,  und 
oft  500  m  lange  Tunnel  mit  meist  rumänischen  Namen  durchziehen  die 
jenseitigen  Höhen. 

An  einzelne  Kazanpunkte  knüpfen  Sage  und  Geschichte  interessante 
Erinnerungen.  Die  bequem  600  Mann  aufnehmende  „Veterani-Höhle"  wurde 
wahrscheinlich  schon  in  prähistorischer  Zeit  bewohnt,  sicher  aber  von  den 
Römern  in  ein  schwer  zugängliches  Bollwerk  umgestaltet.  Unfern  Dubova 
erblickt  man  sie  im  „Cukaru  miku"  (Kleiner  Blutberg),  der  im  Mittelalter  die 
Feste  „Pet"  trug.  Von  ihrem  unteren  antiken  Werke  „Piscabara"  gab  Marsigli 
(Dan.  II,  Taf.  6)  den  quadratischen  Grundriss,  Griselini  aber  auch  die  Höhle 
darstellende  Abbildungen  (Gesch.  d.  Temesv.  Ban.).  Ich  selbst  hörte  von  dort 
gefundenen  Inschriften,  konnte  jedoch  nicht  erfahren,  wohin  sie  kamen.  Der 
heutige  Höhlennanie  stammt  von  dem  kaiserlichen  General  Grafen  Veterani  '),  der 
diese  natürliche  Position  gegen  die  Türken  erfolgreich  verwertete.  Der  leicht 
verbarrikadierbare  schlundartige,  nur  1,40  m  hohe,  4  m  breite  Höhlenzugang  wurde 
1692  von  dem  Hauptmann  Dominik  du  Saix  Baron  d'Arnau  des  Mansfeldschen 
Regiments  durch  kleine  Vorwerke  unzugänglich  gemacht,  und  im  etwa  50  m  langen, 
25  m  breiten  und  hohen  Hauptraum,  der  durch  eine  Öffnung  in  der  Decke 
genügendes  Licht  erhält,  Hess  er  für  seine  350  Soldaten  und  5  Geschütze  eine 
Zisterne  und  Backöfen  anlegen.  So  beherrschte  das  Mangel  an  gutem  Trinkwasser 
und  schwer  ableitbarem  Rauch  leidende  Höhlenbollwerk  längere  Zeit  den  dort 
nur  265  m  breiten  Kazanpass.  Die  von  Orsova  auf  15  Sajken  angelangten 
Türken  suchten  die  Kaiserlichen  durch  Umgehung  und  Beschiessung  von 
dominierenden  Punkten  in  der  Höhle  zu  zernieren.  Trotzdem  sperrte  ihre  kleine 
Besatzung  45  Tage  lang  jede  feindliche  Bewegung  auf  dem  Strome.  Nur  der 
Mangel  an  Munition  und  Lebensmitteln  zwangen  den  schwer  verwundeten  d'Arnau 
und  seine  Tapferen,  vor  Ali  Paäas  Übermacht  unter  ehrenvollen  Bedingungen  zu 
kapitulieren.  Und  gleich  rühmlich  wurde  die  Höhle  im  österreichisch-türkischen 
Kriege  1788  verteidigt.  Major  Baron  Stein,  ein  Bruder  des  berühmten  preussischen 
Staatsmannes,  und  Artillerie-Leutnant  Voith  hielten  die  eigenartige  Feste,  trotz  des 
unausgesetzten  Artilleriefeuers  des  bedeutend  stärkeren  Gegners,  volle  21  Tage. 
Die  auch  diesmal  wegen  ungenügender  Lebensmittel  unter  zugestandenem  ehren- 
vollen   Abzug    kapitulierende    heldenmütige    Besatzung    verlor    über   400    Mann, 


')  Des  Grafen  Veterani,  FM.,  Feldzüge  von  1683-1694.    Dresden  1788. 

33' 


HK!  Durch  ilcn  Kazaii  uiurvnn  Dnnji  Milanovac  usw.  nach  Belfjrad. 

darunter  die  Grafen  Thierlieini  und  Clary  d'Aldringen,  der  Belagerer  aber  nahezu 
2000  Kämpfer. 

Einige  Minuten  weiter  zeigt  sich  am  Fusse  des  „Cukaru  Mare"  der 
Eingang  zur  „Fledermaushöhle",  durch  deren  500  m  langen  und  30  m  hohen 
Schlund  man,  entlang  des  sie  durchströmenden  Pojnikovabaches,  zu  seinem 
Quellberge,  dem  808  ni  hohen  Golecu  gelangen  kann.  Gleich  darauf  eine  über 
Eibenthal  herabkommende  Schienenbahn,  die  zur  Ausbeute  des  mächtigen 
Kohlenflözes  im  oberen  Tisovicatal  angelegt  wurde.  Die  Romantik  des  auf 
186  m  sich  verengenden  Kazans  erreicht  ihren  Höhenpunkt  dort,  wo  aus  dem 
50  m  tosend  hinbrausenden  Strome  die  „Kalinikklippe"  (serbisch  Kanlik) 
aufragt,  auf  welcher  ein  prosaischer  Fischer  seinen  Fangapparat  geschickt  und 
malerisch  befestigte.  Bei  dem  linksuferigen  Pylon  des  überwältigend  romantischen 
Felsentors  feierte  der  ungarische  Ingenieur-  und  Architektenverein  den  Strassenbau 
des  genialen  Grafen  Szechenyi  im  Jahre  1885  durch  eine  in  denselben  gemeisselte 
Inschrift. 

Der  jenseitige  Trajansweg  litt  stark  durch  die  erodierenden  Wasser,  wird 
jedoch  eine  Stunde  vor  Golubinje  sogar  fahrbar.  In  diesem  wohlhabenden 
Walachendorfe,  dessen  Römerkastelle  ich  bereits  geschildert  habe,  wurde  am 
13.  Oktober  1808  der  türkische  Ausgleich  mit  dem  aufständischen  Serbien  versucht.') 
Der  Russe  Rodofinikin  erschien,  um  nicht  das  Misstrauen  der  Türken  zu  erregen, 
in  serbischen  Kleidern  als  Sekretär  des  Senats.  Mit  ihm  kamen  der  Metropolit 
Leontije  u.  a.  Von  türkischer  Seite  waren  anwesend:  Mursajbija  (Siegelhüter) 
des  Mula  Pasa,  der  Metropolit  von  Vidin,  ein  Kapucehaja  des  Fürsten  Suca  u.  a. 
Die  Unterhandlungen  verliefen  resultatlos,  weil  Karadjordje  die  Garantierung  des 
abzuschliessenden  Vertrags  durch  Russland  und  Frankreich  forderte  und  die  Pforte 
sich  gegen  jede  Einmengung  fremder  Mächte  in  ihre  inneren  Angelegenheiten 
energisch  sträubte.  Noch  am  selben  Tage  kehrten  die  serbischen  Abgeordneten 
nach   Porec,  die  türkischen  nach  Ada  Kaleh  zurück. 

Auf  dem  ungarischen  Ufer  zieht  zuletzt  noch,  Golubinje  gegenüber,  die 
Ruine  einer  englischen  chemischen  Fabrik  für  Chromerze  unsere  Blicke  auf  sich, 
und  gleich  darauf  gelangen  wir  über  die  von  Grünstein  und  Trachit  gebildete 
Juc-Felsbank  aus  dem  Serpentin  des  Kazans  in  das  von  sanft  profilierten  Kalk- 
bergen umschlossene  grosse  Milanovacer  Becken.  Der  Dampfer  nimmt  auf  dem 
seeartigen  Wasserspiegel  westlichen  Kurs;  Kapitän  und  Steuerleute  ruhen  nun 
auf  der  10  km  langen  Strecke  bis  zum  Grebenpasse  von  ihrer  ebenso  schweren, 
wie  verantwortlichen  Arbeit  aus.  Links  tritt  über  der  seichten  Porecka  reka- 
Mündung,  an  deren  schon  geschilderten  Römerwerken  wir  vorüberfahren,  das 
pyramidenförmige  Profil  des  Sto  in  Sicht-),  während  jenseits  die  charakteristischen 
„Tri  Kule",  jene  malerischen  drei  Türme  auftauchen,   welche  Petar  Petrovic  von 


')  Milicevic,  Knezevina  Srbija,  S.  977 

'')  Der  nur  vom  Abschreiben  fleissiger  Reisenden  lebende  Spiridion  Gopcevic,  welcher 
nur  selten  Gegenden,  die  er  schildert,  selbst  gesehen,  erblickte  hier  in  seinem  „Monumental- 
werk Serbien  und  die  Serben"  (1888)  den  Rtanj  —  weil  ich  in  meinem,  von  ihm  geplünderten 
„Serbien"  1I868)  durch  einen  Schreibfehler  diesen  Berg  statt  des  Sto  nannte. 


Diircli  ilcii  Knznn  und  \'(in  Onnji  Milnnowic  usw.  nach  Relijrad.  517 

Suraklic,  „durch  des  Sultans  Gnade  Bau  von  Luj^os  und  Karansebes",  im 
16.  Jahrhundert  hart  am  Donauufer  erbaute.  Nordwestliclier  fol):;t  der  amphi- 
theatralisch  aufsteigende  Svinjica;  ilim  gegenüber  erheben  sich  die  metailreichen 
Berge  des  Pekgebietes,  in  dessen  durch  seinen  hohen  weissen  Kirchturm 
gekennzeiclineten  Ausfuiiriiafen  wir  landen. 

Das  Städtchen  Donji  Milanovac,  von  dessen  interessanter  Rönierepoche  ich 
im  Xlll.  Kapitel  ausführlich  sprach,  ist  eine  Schöpfung  des  Fürsten  Milos.  Er 
liess  die  auf  der  Porecer  Insel  wohnenden  Serben,  welche  bei  starkem  Eisgang 
wiederholt  durch  Überschwemmungen  litten  und  deshalb  klagten,  1832  im  linken 
Mündungswinkel  der  nahen  Zlatarska  reka  ansiedeln,  schenkte  ihnen  zu  diesem 
Zwecke  25000  d  und  lud  die  Bewohner  des  östlichen  Walachendorfes  Oreäkovica 
gleichzeitig  ein,  ihre  Heimstätte  mit  den  rechtsuferigen  Gründen  am  selben  Bache 
zu  vertauschen.  So  entstand  das  bis  heute  zweisprachig  gebliebene  Milanovac, 
dem  der  Fürst  den  Namen  seines  ältesten  Sohnes  Milan  mit  dem  Beiworte 
„Donji"  (Unter)  zur  Unterscheidung  von  dem  gleichnamigen  hochliegenden 
Rudniker  Orte  gab  und  die  Vorteile  eines  Bezirkssitzes  sicherte.  Vor  der  Einführung 
der  Dampfschiffahrt  auf  der  unteren  Donau  war  Donji  Milanovac  auch  ein 
bedeutender  Werftplatz.  Zahlreiche  Karlasen  liefen  hier  jährlich  vom  Stapel. 
Damit  hat  es  nun  ein  Ende;  1886  wurde  nur  noch  ein  Schiff  gebaut.  Dafür 
erhielt  die  Stadt  eine  ihren  Handel  fordernde  Dampferstation,  ferner  ein  Zoll-, 
Post-  und  Telegraphenamt,  auch  wurde  der  Stab  des  Territorial-Bataillons 
hinverlegt,  und  ein  bedeutendes  städtisches  Einkommen  brachte  auch  der  reiche 
Fischfang  am  Grebener  „Gospodjin  Vir". 

Die  Krajina  mit  91  Orten,  in  weiclien  es  heute  ausser  dem  Negotiner 
Gymnasium  65  Knaben-  und  Mädchenschulen  gibt,  besass  1836  nur  vier,  zu 
Negotin,  Mijailovac,  Kladovo  und  Donji  Milanovac;  1807  zur  Türkenzeit  aber  nur 
die  von  Porec  nach  Donji  Milanovac  übertragene,  an  welcher  heute  drei  Lehrkräfte 
etwa  100  Knaben  und  Mädchen  unterrichten,  im  September  1861  wurde  die  1840 
geweihte,  weithin  sichtbare  Nikolauskirche  von  einem  altserbische  Fresken  gründlich 
verachtenden  Karlovicer  Maler  mit  Ölbildern  in  altakademischer  Wiener  Manier 
geschmückt.  Ein  E.xkurs  mit  diesem  nicht  wenig  von  sich  eingenommenen 
Kunstjünger  auf  das  Gebiet  der  byzantinischen  Malerei  zeigte  aber,  dass  er  von 
dieser  gleichwenig  wie  von  Serbiens  alten  Kirchenbauten  wusste.  Spaziergänge 
auf  die  südlichen  rebenbekränzten  Höhen,  welche  nun  eine  1876  erbaute  Redoute 
tragen,  kürzten  weit  angenehmer  die  Stunden,  bis  der  „Seelenkränker"  ausgerüstet 
war,  der  mich  stromaufwärts  bis  Dobra  bringen  sollte.  Bei  meinen  letzten  Besuchen 
(1887  und  1889)  fand  ich  die  nun  1340  Seelen  zählende  Bezirksstadt')  nur  wenig 
fortgeschritten.  Dieselben  erdgeschossigen  Häuser,  mit  nur  wenig  besseren, 
grösstenteils  österreichische  Manufaktur-,  Glas-  und  Eisenwaren,  englische  Garne, 
Belgrader  Bauernschuhe,  Jagodinaer  Messer,  ungarische  Eisengussofen,  rumänisches 
Salz,  russisches  Erdöl  usw.  verkaufenden  Läden.  Auch  der  Vieh-  und  Roh- 
produkten-Export  war  nicht  glänzend  und  erhielt  nur  durch   die    neuestens    stark 


')  1905  zählte  fJonji  Milanovac  1560  Einwohner  in  370  Hiiiisern. 


518  Diiicli  tieii  Kazati  und  von  Donji  Milniiovac  usw.  iiacti  Belgrad. 

vermehrte  Kiipferproduktion  zu  Majdaiipek  j^eringen  Zuwachs.  Das  Städtchen 
schien  unter  der  allf^fenieincn  Handelsflauheit  mehr  noch  als  die  benachbarten  zu 
leiden,  wozu  nicht  wenig  das  politische  Parteigezänke  beitrug,  das  sein  geringes 
soziale  Leben  vergiftete.  Dass  die  Dankbarkeit  gegen  die  Dynastie  Obrenovic 
trotzdem  nicht  gelitten,  davon  überzeugte  sich  König  Alexander,  als  er  im  Juni 
190Ü  auf  seiner  schon  mehrfach  erwähnten  Rundreise  in  Ostserbien  dort  den 
Dampfer  Zar  Nikola  11.  verliess  und  vom  Prota  Jelenije  inmitten  der  zusammen- 
geströmten Volksmenge  auf  das  wärmste  begriisst  wurde. 

*  * 

* 

So  klein  und  gebrechlich  die  „Oranica"  war,  der  ich  mich  mit  meiner  Habe 
zur  Fahrt  durch  die  von  den  Serben  „Gornja  Klisura"  (Oberer  Engpass)  genannten 
Grebenkatarakte  anvertraute,  so  geschickt  und  mutig  erwiesen  sich  die  Leute, 
welche  das  Schifflein  führten.  Ohne  Zagen  fügte  ich  mich  in  die  allerdings  nicht 
bequeme,  durch  die  geringe  Breite,  sowie  das  Fehlen  jedes  Sitzbrettes  diktierte 
Position,  streckte  mich  der  Länge  nach  hin  und  genoss  schon  nach  wenigen 
Ruderschlägen  in  aller  Gemütsruhe  das  schöne  Landschaftsbild,  das  im  klaren 
Lichte  eines  nicht  allzu  heissen  Sonimertages  vor  uns  lag. 

Wir  longierten  die  serbische  Insel  Porec,  mit  gleichnamigen  Hirtenkolibe 
(Hirtenhütten)  und  Resten  der  verlassenen  Hauptstadt  der  Porecka  Nahija.  Die  älteste 
Stadt  Porec  stand  nach  der  Tradition  bei  den  Kastellen  an  der  Papratnica,  nach 
einer  anderen  aber  an  der  Porecka  reka-Mündung,  also  dort,  wo  ich  die  östlichsten 
Reste  der  Römerstadt  Taliata  feststellte.  Dass  diese  altserbische  Ansiedelung 
„Visesava"  hiess,  ist  nach  Novakovics  Ausführungen  zweifelhaft.  Glaubhafter 
erscheint,  dass  ihre  Bewohner  beim  Nahen  des  Türkensturmes  auf  die  westlichen 
Donauinseln  flüchteten  und  auf  der  grössten  ein  neues  „Porec"  gründeten.  In  den 
österreichisch-russisch-türkischen  Kriegen  wurde  öfters  um  Porec  gekämpft,  und 
noch  ist  seine  starke,  stumpfwinkelige  Schanze  in  einer  Ausdehnung  von  nahezu 
300  m  erkennbar.  1806  wurde  Porec  von  den  aufständischen  Serben  unter 
Milenko  dem  Vidiner  Usurpator  Pasvan  Oglu  Pasa  entrissen.  Major  Gramberg 
schilderte  die  dreiteilige  Insel  1808  „als  eine  die  Donau  sperrende  feste  Position, 
bewehrt  mit  30  Geschützen  von  1  —  12  Pfund".  Als  Vorwerk  wurde  am  Greben 
eine  Batterie  errichtet,  bei  der  alle  auf  serbischer  Seite  fahrenden  Schiffe  anlegen 
mussten,  um  die  zollamtliche  Behandlung  durchzumachen.  Als  die  siegreichen 
Türken  1813  sich  der  Insel  nahten,  Hess  ihr  Kommandant  auch  den  dreistöckigen 
hölzernen  Wachturm  durch  Erdwerke  in  ein  starkes  Bollwerk  umwandeln.  Die 
damaligen  Vorgänge  bilden  eine  der  traurigsten  Erinnerungen  des  Freiheitskampfes. 
Hajduk  Veljko,  der  verwegenste  serbische  Führer,  war  bei  Negotins  Verteidigung 
gefallen.  Brza  Palanka  und  Kladovo  wurden  von  den  der  grossen  Über- 
macht weichenden  Serben  geräumt,  und  die  von  den  Türken  im  letzteren  verübten 
Greuel  —  Männer  wurden  gespiesst,  Kinder  zur  Verspottung  der  Taufe  in  siedendes 
Wasser  geworfen  —  brachten  Schreck  in  die  Reihen  der  um  ihre  Familien 
besorgten  Kämpfer.  Allen  erschien  das  wasserumgebene  Porec  ein  letzter  Zufluchts- 
ort.    „Die  allgemeine  Gefahr  hatte  bewirkt  --  erzählt  Ranke  —   dass   hier  unter 


Durch  den  Kazan  und  von  Donji  Milanovac  usw.  nacli  Belgrad.  519 

einem  tüchtigen  Wojvvoden  von  Mladens  Anstellung,  ein  fähigerer  Befehlshaber, 
Hadzi  Nikola,  die  Gewalt  an  sich  gebracht  hatte.  Jedoch  auch  dieser  konnte 
nicht  helfen.  Er  errichtete  eine  Schanze  am  unteren  Ende  der  Insel;  aber  der 
Feind  landete  zwischen  Stadt  und  Schanze,  und  sowie  er  sich  zeigte,  flohen  die 
der  Flucht  bereits  Gewohnten  aufs  neue."  Auf  Schiffen,  Flössen  und  Brettern, 
einige  schwimmend,  suchten  sie  sich  vor  der  türkischen  Rache  auf  das  öster- 
reichische Ufer  zu  retten.  Hadzi  Nikola  wurde  gefangen  und  enthauptet;  bis 
Smederevo  war  nichts,  was  den  Türken  hätte  widerstehen  können. 

Zwei  Jahre  später  rächte  Miloä  Obrenovic  die  1813  Gefallenen.  Im  Friedens- 
schlüsse mit  Marasli  Ali  Pasa  (1815)  wurde  das  feste  Porec  den  Serben 
überantwortet')  und  die  zweite  Insel  zu  Ehren  ihres  tapferen  Verteidigers  „Hadzi 
Nikolino  cstrvo"  (Insel)  genannt.  Zu  jener  Zeit  besass  Porec  etwa  40 — 50  Häuser 
in  einer  Carsija  und  anschliessenden  Gässchen.  An  der  Stelle  der  durch  einen 
Blitzschlag  vernichteten  Kirche  baute  Fürst  Milos  die  noch  heute  als  Ruine 
erhaltene,  1818  ausgemalte,  mit  sechsseitigem  Chore  und  dreiseitigen  Apsiden. 
Das  kleine  fürstliche  Kanzleigebäude  trug  echt  türkischen  Charakter.  Fürst  Milos 
suchte  auch  die  Schiffahrt  am  serbischen  Ufer  in  jeder  Weise  zu  begünstigen, 
jeder  Porecer  zahlte  jährlich  vier  Groschen  zur  Erhaltung  einer  Schenke,  in 
welcher  Schiffer  eine  bestimmte  Zeit  frei  zechen  durften. 

Die  Porecer  galten  als  die  verlässlichsten  Lotsen  durch  das  seil  altersher 
verrufene  klippenreiche  Greben-Defilee.  Sie  besassen  einen  Verband,  welcher 
die  Schiffe  auf  gemeinsame  Rechnung  bis  Belgrad  führte.  Man  zählte  dahin 
32  Haltestellen,  an  welchen  gerastet  wurde.  Nach  diesen  „Pocivaljke"  (pocivati 
-=  ausruhen)  wurde  die  Entfernung  zwischen  den  Stationen  und  auch  der  Lohn 
bemessen.  Zur  Gilde  dieser  höchst  intelligenten  Schiffer  zählte  der  1803  auf 
der  Insel  geborene  Misa  Anastasijevic,  welcher  allein  über  70  Schiffe  besass 
und,  begünstigt  durch  den  an  seinen  gross  angelegten  Geschäften  mit  Kapital 
beteiligten  Fürsten  Milos,  im  Salzhandel  so  riesige  Summen  erwarb,  dass  er  für 
die  Hebung  des  Unterrichts  und  anderer  nationalen  Interessen  (I.  Bd.,  S.  88) 
grosse  Opfer  bringen  konnte,  und  ausser  einer  hohen  sozialen  Stellung  auch  die 
Titel  „Kapelan"  und  „Major"  errang.  Er  starb  1885  in  Bukarest,  wo  er  seine 
letzten  Lebensjahre,  fern  von  aller  Politik,  ruhig  beschloss. 

Porec  ist  auch  der  Geburtsort  des  in  den  neueren  Kämpfen  Serbiens 
vielgenannten  Senatspräsidenten  Stevan  Slefanovic-Tenka.  Zu  Oravica  im  Banal 
erhielt  der  1797  geborene  Stevan  seine  erste  Bildung.  1817  trat  er  in  den 
Staatsdienst.  1825  —  1834  stand  er  als  Kapelan  der  Porecer  Nahija  vor,  ward 
hierauf  A^itglied,  Vize-,  1836  wirklicher  Präsident  des  Senats  und  1838  Minister 
der  Justiz  und  Volksbildung.  Als  solcher  erwarb  er  sich  grosse  Verdienste  um 
die  Organisation  des  Schulwesens;  1839  erhielt  er  nach  der  Publikation  des 
Ustavs  (Grundgesetz),  an  dem  er  eifrig  mitwirkte,  auch  das  Portefeuille  der 
Justiz.  1840  ging  er  als  Gegner  des  Fürsten  Mihail  mit  seinen  Anhängern  nach 
Konstantinopel.     Unter  Alexander  trat  er  1842  wieder    in    den  Senat,   als  dessen 

')  Vuk,  .Wiios  übreiiüvic,  S    132. 


520  Dnrcli  cic'ii  Kazriii  und  von  Donji  MilaiiDvac  iisvv    nach  Belgrad. 

Präsident  er  1857  an  der  j^ej^en  das  Leben  des  Fürsten  gerichteten  Verschwörung 
teilnahm,  was  ihn  in  den  Gurgusovacer  Kerker  brachte.  1858  begnadigt,  lebte 
er  verbannt  zu  Konstantinopel  bis  zu  Fürst  Milos'  Rückkehr  auf  den  Thron. 
Als  Staatspensionär  schloss  er  sein  wechselvolies  Leben  1865  in  Belgrad.  Beide 
Porecer,  der  kaum  des  Lesens  und  Schreibens  kundige  Misa  und  der  sprach- 
und  federgewandte  Stevan,  leisteten  auf  verschiedenen  Wegen  viel  für  die 
intellektuelle  Hebung  Serbiens.') 

Der  Kurs  meines  Schiffleins  richtete  sich  bald  auf  den  775  m  hohen 
Grebenfels,  dessen  wuchtige  Masse  ihn  vor  seiner  Sprengung  (1.  Bd.,  S.  209)  zum 
mächtigen  Pylon  des  nach  ihm  genannten  Defilees  gestaltete.  Gegenüber,  auf 
dem  ungarischen  Ufer,  traf  der  Geologe  Kudernatsch  in  einer  30  cm  mächtigen 
roten  Eisen-Oolithschiciit  zahllose  Ammoniten  einer  meist  nur  in  den  Alpen  und 
Karpathen  vorkommenden  fossilen  Cephaloidenart ,  von  welcher  einzelne  bis 
30  kg  wiegen.-)  Hart  am  Fusse  des  durch  seine  starken  Verwerfungen  inter- 
essanten Greben  verengt  sich  plötzlich  der  breite  Donauspiegel.  Das  heftige 
Tosen  des  an  den  Klippen  sich  brechenden  herausstürmenden  Wasserschwalles 
wurde  immer  lauter.  Ein  hartes  Stück  Arbeit  erwartete  meine  Bootsleute. 
Bevor  wir  in  die  Stromenge  eindrangen,  Hess  ich  sie  kurz  bei  einer  kleinen 
Fischerkolonie  ruhen.  Sie  benutzten  die  erwünschte  Müsse  zu  einer  ausgiebigen 
Razzia  in  den  nahen  Weingärten.  Auf  meine  Rüge  dieses  unberechtigten  Eingriffs 
in  fremdes  Eigentum  antworteten  sie:  Gott  lasse  die  Trauben  nicht  für  einen, 
sondern  für  alle  Menschen  wachsen,  und  dieselben  geringen  Skrupel  fand  ich  in 
gleichen  Fällen  auch  in  Bulgarien,  ja  selbst  bei  türkischen  Gendarmen. 

Auf  einer  kurzen  Strecke  gelang  es  meinen  Leuten,  das  Boot  von  der 
Grebenspitze  durch  Rudern  allein  vorwärts  zu  bringen,  bald  mussten  sie  aber 
sondieren  und  die  Hebestangen  einsetzen.  Die  gefährliche  Passage  in  dem  hier 
zwischen  den  Klippen  nur  sehr  schmalen  Fahrwasser  führte  zur  Anlage  einer 
Signalstation  bei  Svinjica,  welche  die  Begegnung  der  auf-  und  abwärts  fahrenden 
Dampfer  hinderte,  immer  dichter  traten  schroffe  Klippen  im  Strombette  auf. 
Stosswellen  und  Wirbel  brachen  sich  beutelustig  an  den  schwachen  Wänden 
unseres  Schiffleins.  Sein  Schwanken  wurde  immer  heftiger;  ein  einziger  Fehlgriff 
am  Steuer  konnte  es  begraben.  Gleich  einem  Fische  elastisch  und  heil  wand 
sich  jedoch  das  Boot  unter  der  sicheren  Hand  seines  Steuermanns  durch  alle 
sichtbaren  und  verborgenen  Hindernisse  der  gefährlichen  Bahn,  und  es  hätte  nicht 
erst  dessen  wiederholten  ermutigenden  Zurufs  „Ne  boj  se"  (fürchte  dich  nicht) 
bedurft,  um  mich  über  den  glücklichen  Ausfall  unseres  Wagnisses  zu  beruhigen. 
Nur  wo  die  Klippen  zu  sehr  am  Tage  und  die  Wasserrinne  so  seicht,  dass  eine 
Erleichterung  des  Schiffleins  notwendig,  näherten  wir  uns  dem  Uferrande,  und 
zwei  Bootsleute  zogen  es  aufwärts,  eine  furchtbare  Arbeit,  wie  meine  Skizze  zeigt. 

Wir  gelangten  heil  über  die  Tahtalija-  und  Izlaz-Riffe.  Jenseits  der  gleich 
gefährlichen    „Bivoli"    (Büffelköpfe)    durchbrach    die    eruptive    Rhyolitmasse    des 


')  Millcevic,  Pomenik,  S.  673. 

-)  Mitt.  d.  k.  k.  Geolog.  Reichsanstalt    Wien  1852. 


Durch  den  Kazan  iiiul  von  Doiiji  Milanovac  usw.  nacli  Belgrad. 


521 


ungarischen  Treskovac  die  über  ihr  lagernden  Sedimente  und  erhebt  sich  als 
670  m  hoher,  isolierter  Felskopf  über  die  frischgrüne  Waidregion.  Stellenweise 
erschien  auch  am  serbischen  Uferrande  eine  kleine,  ebene,  bebaute  Oase;  ich 
verliess   dann   das   Boot,    um    die   an   den   felsigen   Stellen   oft   nur  1,60—1,90  m 


Auf  der  Urcbciispitze. 


breite  Romertrace  zu  verfolgen,  welche  durch  ihre  mühevolle  Anlage  fortwährend 
zum  Staunen  herausfordert.  Leider  versäumten  es  meine  Fährleute,  mich  rechtzeitig, 
wie  ich  es  in  Donji  Milanovac  verlangt,  auf  die  Felsen  an  der  Boljetinska  reka 
aufmerksam  zu  machen.  Im  Herbste  1889  lernte  ich  auf  einer  zweiten  Kahnfahrt 
nicht  nur  sie,  sondern  auch  die  Tiberiustafel  am  „Gospodjin  Vir"  kennen.  Der 
Leser  findet  sie  mit   der  Schilderung  der  von  Porec   bis  Oolubac   aufgefundenen 


522  Diircli  den  Kn/aii  und  von  Donji  Milannvac  usw.  nach  Belgrad. 

Römerstädte  und  Kastelle  an  dieser  kataraktenreichen  Limesstrecke  im  VI.  Kapitel 
des  I.  Bandes. 

Mit  dem  ungevvüliiilich  niederen  Wasserstande  war  eine  bereits  durch 
Wochen  dauernde  schwierige  Epoche  für  die  Dampfschiffahrt  eingetreten.  Ich 
begegnete  Leichterschiffen,  die  von  Ochsen  und  Pferden,  oft  aber  auch  von  50 
und  mehr  Walachen  mit  Überanstrengung  der  Lungen  aufwärts  geschleppt  wurden, 
eine  Arbeit,  welche  bei  dem  stark  undulierten  Terrain  nicht  weniger  entsetzlich 
aussah,  als  jene  auf  den  Galeeren.  Ich  war  glücklich,  wenn  eine  Krümmung  des 
Stromes  mir  den  peinlichen  Anblick  entzog.  Stellenweise  ist  die  linke  Stromseite  der 
Schiffahrt  günstiger  als  die  serbische;  beim  Grenzcardak  Muntoana  näherten  wir  uns 
dem  ungarischen  Wachthause,  und  wurden  auch  gleich  von  dem  auf  Pikett  stehenden 
braunen  Grenzsohne  mit  „Halt,  wer  da?"  angerufen.  Ich  gab  befriedigende  Antwort, 
stieg  ans  Land,  um  den  Bootsleuten  das  Aufwärtsrudern  zu  erleichtern  und  meine 
durch  die  ungewohnte  Sitzweise  ermüdeten  Beine  in  normalere  Verhältnisse 
zu  bringen.  Begleitet  von  einem  zweiten  Soldaten  des  Blockhauses,  machten 
wir  eine  ziemlich  lange  Promenade  auf  banatischem  Boden.  Mein  militärischer 
Begleiter  trug  Riemenzeug,  Patronentasche  und  Gewehr  auf  der  bequemsten 
Uniform  der  Welt,  auf  seinem  faltigen  Hemde  und  landesüblichem  weiten  Gätya 
(Leinen-Beinkleid),  das  „Ärar"  lieferte  nur  die  blaue  Feldmütze  zu  dem  pittoresken 
Kostüm,  das  wenig  kriegerisch  aussah,  den  armen  Grenzsoldaten  aber  die 
Begleitung  von  Schiffen  und  Reisenden  im  Sonnenbrande  erleichterte,  während 
die  „kaiserliche  Montur"  für  den  Parade-  und  Felddienst  geschont  wurde. 

Die  Spitzen  der  serbischen  Berge  wurden  von  der  tief  stehenden  Sonne 
nur  noch  mit  schmalen  Streiflichtern  angestrahlt.  Violettblaues  Dunkel  lag 
bereits  auf  Vegetation  und  Wasserspiegel,  als  wir  den  hohen,  nackten  Sliborafelsen 
und  die  kühn  in  denselben  eingeschnittene  Szechenyistrasse  erreichten.  Der  Mond 
warf,  siegreich  einige  ruhig  ziehende  Wolken  durchbrechend,  sein  Licht  auf  den 
isolierten  Turm  einer  alten  Zwingburg,  die  nach  der  Tradition  dem  berühmten 
Pandurenführer  Trenk  gehörte,  welcher  auf  dem  Brunner  Spielberg  in  Versen  seine 
Treue  zum  Kaiser  beschwor,  und  dessen  Namen,  wie  man  glaubt,  auf  die  nahe 
Dampfschiffstation  Drenkova  überging.  Freundlich  winkten  ihre  weissen  Gebäude;  es 
schlug  die  neunte  Stunde,  doch  kein  Lichtschimmer  verriet  Leben  in  dem  kleinen  Hafen. 

Glücklicherweise  hatten  wir  alle  Riffe  und  auch  den  gefürchteten  „Gospodjin 
Vir"  (Frauenwirbel)  hinter  uns,  auch  ermässigten  sich  die  Berge  auf  beiden  Ufern. 
Das  Strombett  wurde  breiter  und  im  gleichmässigen  Takte,  hellglänzende  Tropfen 
werfend,  teilten  unsere  Ruder  die  feuchte  Bahn.  Meine  Bootsleute  schienen  bester 
Laune,  Steuermann  Djuro  stimmte  eines  jener  vielstrophigen  Lieder  an,  deren 
Wiege  die  schwarzen  Berge,  dessen  Held  ein  tapferer  Wojwode  im  Kampfe 
zwischen  Kreuz  und  Halbmond  war;  auch  die  Liebe  eines  türkischen  Aga  zu 
einem  der  leichtfüssigen  montenegrinischen  Mädchen  spielte  mit  hinein.  Die 
Entwickelung  des  blutigen  Dramas  war  kaum  erzählt,  als  Djuro  auf  einen  langen, 
dunklen  Schiffskörper  mit  magerem,  hohem 'Schlote  am  serbischen  Ufer  lossteuerte. 
Wir  landeten  dicht  neben  ihm,  gegenüber  einigen  weissen  Häuschen,  und  waren 
am  Ziele  meiner  romantischen  Kataraktenfahrt,  in  Dobra. 


Durch  den  Kazan  und  von  Donji  Milanovac  usw.  nach  Belijrad.  ^2'A 

Hat  der  Reisende  mehrere  Wuclien  oder  i^ar  Monate  im  europäischen  Osten 
zugeliracht,  was  Verzicht  auf  heimische  Gewohnheit  und  Sitte  bedeutet,  erwacht  in 
ihm  manchmal  und  oft,  wenn  er  tapfer  alle  Rückschläge  vollkommen  überwunden 
glaubt,  das  sehnliche  Verlangen,  wieder  occidentaien  Boden  zu  betreten.  Er 
zählt  dann  die  Tage  und  Stunden,  welche  ihn  noch  von  der  nächsten  Dampf- 
schiffstation trennen,  und  begrüsst  mit  unsagbarer  Freude  die  von  hohem  Mäste 
flatternden  bekannten  Farben.  Mit  dem  Betreten  des  Dampfers  befindet  er  sich 
am  ersehnten  Ziel,  er  fühlt  sich  auf  kultiviertem  Boden.  Unzähligemal  habe  ich  am 
Pontus,  an  der  Adria  und  Donau  solches  Glück  empfunden.  Die  beiden  österreichischen 
Unternehmungen  boten  aber  auch  alles  auf,  um  ihre  Fahrzeuge  mit  jedem  erdenklichen 
Komfort  auszurüsten.  Namentlich  am  Borde  der  prachtvoll  eingerichteten  Eildampfer 
der  Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft,  welche  zwischen  Belgrad  und  Oalatz 
verkehren,  wähnt  sich  der  Reisende  phUzlicli  auf  eine  flott  gewordene  Pension 
vom  Comosee  oder  in  eines  der  luxuriösen  Hotels  am  Rhein  —  und  wer  sie  kennt, 
weiss,  was  dies  sagt  —  versetzt.  Mit  dem  Genie  des  Schiffbauers  verband  sich 
der  feine  Sinn  des  Dekorateurs,  um  alle  Anforderungen  raffinierten  Komforts  in 
die  reizenden,  von  schönen  Bojarinnen  gern  aufgesuchten  Boudoirkabinen  und 
gesonderten  Rauch-,  Spiel-,  Lese-  und  Speisesalons  hinein  zu  zaubern.  Als  noch 
keine  rumänische  Uferbahn  den  Dampfern  schwere  Konkurrenz  machte  und  die 
ganze  vornehmere  Welt  vom  Bosporus  bis  zur  Dimbovica  und  Save  diese  zu  ihren 
sommerlichen  Badereisen  benutzte,  gab  es  nach  langen  Entbehrungen  nichts 
Angenehmeres,  als  einen  mehrtägigen  Aufenthalt  auf  der  „Sophie"  oder  auf  einem 
der  anderen,  gleich  prächtig  ausgestatteten  Schnellboote.  Man  erzählte  mir  von 
einem  ehemals  reichen  rumänischen  Bojaren,  der  mit  seiner  Jugend  auch  den 
grössten  Teil  seines  Vermögens  in  Paris  vergeudet  hatte,  dass  er,  um  sich  für 
die  entbehrten  occidentaien  Genüsse  zu  entschädigen,  wiederholt  von  Giurgevo. 
nach    Mehadia    auf    den    luxuriösen    Eildampfern    während    der    Badesaison    fuhr. 

Nicht  so  grosse  Ansprüche  als  diese  herabgekommene  Type  walachischen 
Feudalwesens  brachte  ich  an  Bord  des  franko-serbischen  Dampfers  mit,  dessen 
nach  einigem  Parlamentieren  herabgelassenes  Fallreep  ich  nach  der  anstrengenden 
Kahnfahrt  etwas  schwer  hinankletterte.  Im  Miniatursalon  hatten  es  sich  beim 
mageren  Scheine  einer  Öllampe  einige  serbische  Passagiere  bequem  gemacht,  die 
gleich  mir  am  nächsten  Morgen  stromaufwärts  reisen  wollten.  Ihr  vielstimmiges 
„dobro  dosli"  (glückliche  Ankunft)  schallte  mir  entgegen.  Weniger  angenehm 
als  diese  landesübliche  Aufmerksamkeit  berührte  mich  das  nach  „Pecenje"  (Braten), 
Zwiebeln  und  Käse  duftende  Parfummixtum,  jene  unbeschreibbare  Atmosphäre 
serbischer  Mehanen,  der  ich  mich  glücklich  entronnen  wähnte.  Auch  um  das  mit 
wahrem  Heisshunger  ersehnte  occidentale  Abendessen  wurde  ich  schmählich 
betrogen.  Mit  artigem  „Pardon,  Monsieur!"  schlug  ein  Matrosen-,  Küchen-  und 
Stewarddienste  versehender  alter  Bursche  meine  Stürme  in  dieser  Richtung  ab,  und 
ohne  den  freundlichen  Kapitän,  der  mich  zum  Tee  lud,  hätte  ich  hungrig  zu  Bette 
gehen  oder  richtiger  meine  müden  Glieder  auf  eine  der  schmalen  Bänke  des  „Salons" 
hinstrecken  müssen.  In  der  mit  Pistolen  und  Dolchen  phantastisch  aufgeputzten 
Kapitänskabine  fand  ich  seine  Gattin,  den  Maschinisten  und  Steuermann  traulich 


524  Durch  den  Knznn  und  von  Donji  Milanovac  usw.  nncli  Belgrad. 

vereint.  Jeder  Rang  schien  liier  im  Gegensatze  zu  unseren  deutsciien  Schiffen 
aufgehoben.  Gemeinsames  Leid  vermittelt  rasche  Annäherung,  und  im  Grunde 
waren  alle  die  armen  Leute  sehr  zu  bedauern.  Wie  ich  erfuhr,  hinderten 
gleiche  Übelstände  wie  in  Majdanpek  den  Aufschwung  der  franko -serbischen 
Schiffahrts-Unternchmung;  denn  obwohl  die  serbische  Regierung  ihr  die  prächtigen 
Kohlengruben  zu  Dobra  nahezu  bedingungslos  ausgeliefert  hatte,  befand  sich 
die  Kompanie  doch  hier  wie  dort  wegen  mangelnder  Betriebsfonds  auf  dem 
Trockenen. 

Wie  konnte  man  aber  auch  nur  einen  Augenblick  denken,  mit  solchen 
Schiffen  dauernd  in  wirksame  Konkurrenz  mit  Europas  erstem  Flussdampfer- 
Unternehmen  treten  zu  können,  wenn  man  nicht  durch  terroristische  Massregeln 
wenigstens  die  heimische  Bevölkerung  zwingen  konnte,  sich  ausschliesslich  der- 
selben zu  bedienen.  Das  jedem  gesunden  Kalkül  widersprechende  Unternehmen 
war  eben  nur  ein  Ausfluss  der  gereizten  Stimmung,  welche  während  der  zweiten 
Milosschen  Regierung  Serbiens  leitende  Kreise  gegen  Österreich  und  seine 
Danipfschiffahrts-Gesellschaft  beherrschte.  Letztere  hatte  sich  bei  verschiedenen 
Anlässen  nicht  immer  taktvoll  gegen  das  auf  seine  Rechte  eifersüchtige  Ländchen 
und  seinen  Fürsten  benommen;  so  entstand  in  Belgrad  das  begreifliche  Verlangen, 
sich  von  der  österreichischen  Flagge  tunlichst  unabhängig  zu  machen,  ferner  das 
reiche  Kohlenlager  bei  Dobra  auszubeuten.  Nur  war  man  bei  dem  Versuche  in 
die  unrechten  Hände  geraten. 

Als  ich  am  nächsten  Morgen  unser  Schiff  näher  besichtigte,  überflog  mich 
leichtes  Bangen;  doch  mit  dem  im  Orient  angeeigneten  Fatalismus  bekämpfte 
ich  es.  An  seine  Stelle  trat  aber  Staunen,  wie  selbst  nur  zwei  der  ursprünglich 
für  den  Rhonekanal  gebauten  Dampfer,  bei  ihrer  schwächlichen  Konstruktion,  den 
weiten  Weg  durch  die  Dardanellen  und  den  noch  gefährlicheren  durch  den  Pontus 
und  die  Donaukatarakte  glücklich  zurücklegen  konnten.  Der  dritte,  welcher  die 
Effekten  der  bedauernswerten  französischen  Bergingenieure  und  Beamten  trug, 
scheiterte  bei  Konstantinopel.  Die  See  wollte  ihr  Opfer  haben!  Zwingende 
Verhältnisse  bestimmten  die  franko-serbische  Kompanie,  nicht  ohne  vorher- 
gegangene Fehlversuche,  die  materielle  Unterstützung  des  serbischen  Publikums 
zu  gewinnen,  sich  auf  Majdanpek  zu  beschränken. 

Das  weitere  Schicksal  des  Dobraer  Kohlenbaues  zeigt,  dass  es  auch  in 
Serbien  nur  der  Umsicht  und  des  Kapitals  bedarf,  um  solche  Unternehmungen  zur 
Entwickelung  zu  bringen.  Vor  40  Jahren  angeschürft,  wurde  das  750  ha  umfassende, 
stark  bewaldete  Dobraer  Kohlenrevier  zuerst  von  dem  Belgrader  russischen  General- 
konsul im  Hinblick  auf  das  jenseitige,  gut  arbeitende  Berzaskaer  Werk  erworben, 
von  der  serbischen  Regierung  aber  aus  politischen  Gründen  zurückgekauft  und 
1861  der  vorerwähnten  franko-serbischen  Dampfschiffahrts-Gesellschaft  überlassen, 
welche  den  Sacinski-StoUen  sehr  primitiv  anlegte  und  auch  sonst  nur  billigen 
Raubbau  trieb.  Nach  ihrem  Zusammenbruch  übernahm  ein  Mr.  J.  Kern  die 
Gruben  und  die  erwähnten,  ganz  unpassenden  Rhonekanal-Dampfer;  als  diese 
aber  durch  Scheitern  und  Kesselexplosion  ausgelebt  hatten,  verfielen  auch  die 
Minen,  aus  welchen  in  drei  Jahren  etwa  60000  q  gefördert  wurden. 


Durch  den  Kaznn  und  von  Donji  Milanovac  usw.  nach  Belgrad  r)2r) 

Im  Mai  1887  erwarb  das  bracliliegeiuie  Werk  der  sofi;leicti  seinen  rationellen 
Abbau  beginnende  Belgrader  Kaufmann  A.  Ozerovic.  Ausser  dem  Elisenunterbau, 
dem  Milan-  und  Fortunastollen  wurden  mehrere  am  „Bosman"  und  der  8000  ni 
lange  Trajanschacht  mit  drei  anderen  am  „Podvalac"  eröffnet.  Beide  Reviere 
verbindet  eine  14  km  lange  Schmalspurbahn,  und  zwei  Bremsberge  (Drahtseilranipen) 
fördern  die  Kohle  zur  Wäsche  an  die  Donau.  Schon  1891  wurden  aus  den 
4000  ni  langen  Schachten  und  Galerien  10000  t  gefördert,  die  sich  loco  Grube 
auf  15  d  per  Tonne  stellten. 

Die  zur  tiefsten  Lyasstufe  (Synemurien)  gehörende  Dobracr  Steinkohle  steht 
in  verschieden  mächtigen  Flözen  von  2 — 8,  ja  stellenweise  10  m  an.  Bei  einer 
durchschnittlich  mit  2  m  angenommenen  Mächtigkeit  wurde  der  mögliche  Abbau 
auf  mehr  als  20  Mill.  Tonnen  berechnet.  Eine  durch  den  Leobener  Professor 
Schöffel  1889  ausgeführte  Analyse  ergab:  79,84 »„  Kohlenstoff,  3,97 "/o  Wasserstoff, 
6,79 o/o  Sauerstoff,  8,91%  Aschegehalt,  0,49%  Feuchtigkeit  und  Wärmeeinheit  von 
7808"  n  Kalorien,  im  Hinblick  auf  Dobras  für  die  Dampferversorgung  sehr  günstige 
Läge,  ferner  da  alles  benötigte  Holz  aus  den  das  Werk  umgebenden  Staatsforsten 
frei  geschlagen  werden  durfte,  und  da  die  rumänische  Regierung  die  Dobraer 
Kohle  zollfrei  eingehen  liess,  während  andere  in  diesem  grossen  Absatzgebiet 
einem  hohen  Zolle  unterworfen  war,  eröffnete  sich  dem  jungen  Unternehmen 
eine  um  so  günstigere  materielle  Perspektive,  als  auch  die  Verarbeitung  der  Kohle 
für  Koks  und  Briketts  beabsichtigt  wurde.  Über  die  weitere  Ausgestaltung  der 
Dobraer  Mine  gelangten  auffälligerweise  keine  weiteren  Daten  zur  Veröffentlichung. 
Als  ich  jedocii  im  Herbste  1898  stromaufwärts  vorüberfuhr,  bemerkte  ich  neben 
einer  hübschen  Villa  und  dem  erheblich  verlängerten  Bremsberge  neue  Schächte 
am  Ufer.  Die  jenseitigen  grossen  Werkgebäude  bei  Izlaz,  gegenüber  dem  von  mir 
besuchten  Bosman  (siehe  I.  Bd.),  gehören  zum  grossen  Steinkohlenbau  der  Wiener 
Firma  Gebrüder  Gutmann.  Sie  hat  auch  die  nahen  Waldungen  gepachtet  und 
beschäftigt  400  Arbeiter.  Die  langen  Reihen  der  für  diese  erbauten  Wohnhäuser, 
die  Administrations-,  Maschinen-  und  Hafengebäude,  die  Schleppbahn,  die  Lände 
für  den  Dampfer  „Wilhelm"  und  26  Schleppboote,  deren  Bau  und  Instand- 
haltung die  eigene  Werft  heim  nahen  Kozla  besorgt,  geben  ein  lebensvolles 
Bild  industrieller  Tätigkeit,  das  die  sonst  im  Defilee  herrschende  Grabesstille 
angenehm  unterbricht. 

Mit  der  vollsten  Kraft  seiner  armseligen  Maschine  suchte  unser  kleiner 
Rhonedampfer  über  die  durch  stärkeren  Wogenschlag  sich  ankündende  „Stenjka- 
bank"  wegzukommen.  Die  landschaftlichen  Bilder  des  im  VI.  Kapitel  des  1.  Bandes 
geschilderten  Defilees,  dessen  schärfere  Kurven  wir  vorsichtig  durchfuhren,  entzückten 
das  Auge.  Überall  war  der  Kampf  des  unermüdlich  ausnagenden  flüssigen  mit 
dem  beharrenden  festen  Elemente  sichtbar.  Wie  viele  Jahrtausende  mochten  an 
der  heutigen  Gestalt  dieser  Felsmauern  gearbeitet  haben?  —  Ein  Rechenexempel, 
eines  Lyell  würdig,  Hesse  es  sich  so  leicht  wie  am  Niagarafalle  lösen! 

Glücklich  erreichten  wir  das  Ende  des  Passes,  nahmen  hier  von  den  schönen 
Kunstbauten  der  Szechenyistrasse  Abschied  und  steuerten,  einen  Schwärm  beschau- 
lich treibender  Möwen  aufscheuchend,  hinaus  auf  den  breiten  Spiegel.    Nahe  dem 


526  Durch  den  Kaznii  und  von  Donji  Milanovac  usw.  nach  Belgrad. 

Defileetore  zeigten  sich  im  karstartigen  Kalke  der  serbischen  pfadlosen  Steilwand 
in  8  m  Höhe  die  beiden  Ausgänge  der  berüchtigten  Höhle,  durch  welche  die  schon 
von  Virgil  (Georgica  üb.  111)  erwähnten  „Oestren"  ihre  Verheerungszüge  antraten. 
Die  Anwohner  legen  sich  den  Ursprung  dieser  gefährlichen  Mücken  in  hübscher, 
ihre  poetische  Gestaltungskraft  bekundender  Weise  zurecht:  Der  hl.  Georg  hieb 
einem  giftigen  Drachen  den  Kopf  ab,  warf  diesen  in  die  Höhle,  und  seither 
entfliegen  ihm  alijährlich  Millionen  Mücken  als  Gottesgeissel  für  das  sündige 
Landvolk.')  Nach  der  Schilderung  eines  Engländers,  der  1836  die  Höhle  erforschen 
wollte,  gelangte  er  nach  50  Schritten  an  ein  tiefes  Bassin,  dessen  ihm  bis  zum 
Halse  reichendes  Wasser  ihn  zur  Umkehr  zwang.  Die  furchtbaren  Verheerungen 
der  Golubacer  Mücke  veranlassten  Süchtige  Entomologen,  so  den  Pozarevacer 
Physikus  Dr.  Medovic,  zu  ernsten  Studien  über  ihre  Entstehung,  Verbreitung  und 
mögliche  Ausrottung.  Nach  Kollar-)  rivalisiert  diese  Mückenart  mit  der  gleich 
gefährlichen,  von  Linne  geschilderten  lappländischen  „Culex  rept.",  mit  der 
berüchtigten  „Simulium  pertinax"  Brasiliens,  der  Black  fly.in  Nord-  und  den 
Moustiques  von  Mittel-  und  Südamerika.  Schon  eine  wahre  Landplage  für  Serbien, 
das  Banat  und  Donau-Bulgarien,  dringt  sie  über  deren  Grenzen  oft  hinaus,  so 
1830,  wo  ihren  Verletzungen  an  der  mährischen  A\arch  viele  hundert  Pferde, 
Kühe   und  Schweine  erlagen. 

Im  beginnenden  Frühling  überfallen  wolkenartige  Mückenschwärme  das 
weidende  Vieh  und  oft  auch  die  Feldarbeiter.  Indem  sie  die  zarten,  unbehaarten 
Teile  zum  Angriff  wählen,  setzen  sie  sich  meist  in  den  Augenwinkeln,  Ohren, 
Nasenhöhlen,  im  Schlünde,  in  der  Luftröhre  des  Viehes  in  solcher  Dichtigkeit  fest, 
dass  ihre  Opfer  ersticken  müssen.  Das  Landvolk  hält  die  erste  ausfliegende  Brut 
für  die  gefährlichste.  Jeder  Stich  verursacht  eine  rasch  entstehende  schmerzende, 
harte  Geschwulst,  die  bei  Menschen  im  besten  Falle  selten  vor  8 — 10  Tagen  heilt. 
Mehrere  Stiche  nebeneinander  führen  heftige  Entzündungsfieber,  bei  sehr  reizbaren 
Personen  auch  Konvulsionen  und  manchmal  sogar  den  Tod  herbei.  Die  an  der 
unteren  Donau  gegen  die  Golubacer  Mücke  angewendeten  Mittel  beschränken 
sich  bei  ihrem  Erscheinen  auf  das  Anzünden  von  Stroh,  Mist  und  Reisig;  das 
geängstigte  Vieh  sucht  Schutz  in  dem  sich  entwickelnden  Rauch,  der  wohl  einen 
Teil  der  Schwärme  vernichtet,  während  die  Brut  des  sich  rettenden  Teiles  weiter 
ihre  gefährlichen  Überfälle  fortsetzt. 

Weil  man  die  Geburtsstätte  der  Golubacer  Mücke  früher  in  der  gleichnamigen 
Höhle  vermutete,  vermauerte  man  alle  ihre  Öffnungen,  bis  die  genauere  Beobachtung 
ergab,  dass  nur  Schwärme,  welche  bei  Unwetter  in  dieselbe  flüchten,  sie  bei 
günstiger  Witterung  wieder  verlassen.  Über  die  Entwickelungszeit  der  Mücke 
weiss  man  jetzt,  dass  diese  bald  früher,  bald  später,  manchmal  schon  im  März 
eintritt,  die  Dauer  des  Schwärmens  aber  durch  Kälte,  Regen  und  Stürme 
vermindert  wird.  Nach  Dr.  Medovic  erzeugt  sich  das  Insekt  in  einiger  Entfernung 
vom    Ursprünge    verschiedener    Bäche    im    gelblichweissen    Schleime    an    Gras, 


')  Siehe  eine  Variante  in  Vuk,  Kjefnik,  S.  93. 

-)  Sitzungsber.  d.  Wiener  k.  k.  Akad.  d.  Wiss.,  math.-naturw.  Kl.,  I,  S.  92. 


Durch  den  Kazan  iitui  von  Donji  Milanovac  usw.  nacli  Belgrad.  ■'i-7 

Holzspänen  usw.  Der  Sclileini  füllt  sich  mit  Eierchen,  welche  allmählich  wachsen 
und  die  künftigen  Mücken  enthalten.  Medovic  tritt  hier  als  Anhän^jer  der  freien 
Zeugung  auf.  Kollar,  ihr  Gegner,  meint  aber,  dass  Wesen  auf  solch  hoher 
Entwickeiungsstufe  gewiss  nicht  von  selbst  entstehen,  sondern  wie  andere  Insekten 
Eier  legen,  aus  welchen  sich  Larven  entwickeln,  die  sich  verpuppen  und  endlich 
als  Insekten  zum  Vorschein  kommen.  Er  zweifelt  auch  nicht  an  der  Möglichkeit, 
diese  auszurotten,  falls  sich  ihre  Entstehungsherde  wirklich  in  Serbien  auf  die 
von  Dr.  Medovic  bezeichneten  sechs  Bäche  unterhalb  der  Golubacer  Höhle 
beschränken  sollten.  Für  ungenügend  hält  er  jedenfalls  aus  verschiedenen  Gründen 
das  von  Medovic  vorgeschlagene  Mittel:  durch  Abkehrung  des  die  Eier  ent- 
haltenden Schleimes  die  Fortpflanzung  der  gefürchteten  Mücken  zu  hindern,  die 
nach  meinen  Erkundigungen  nicht  allein  bei  Golubac,  sondern  auch  in  den  nassen 
Erdstrecken  (pistaline)  bei  Dobra  und  selbst  in  solchen  auf  dem  linken  Stromufer 
sich  entwickeln. 

Dass  die  Golubacer  Mücke  bei  dem  Menschen  gefährliche  Entzündungskrank- 
lieiten  hervorruft,  erwähnte  ich  bereits.  Ob  sie  aber  gleich  ihrer  Schwester  in 
Deutsch-Neu-Guinea  —  wie  Geheimrat  Robert  Koch  dort  im  Frühjahre  1900  fand  — 
auch  „als  Verbreiter  von  Malariakeimen"  an  der  unteren  Donau  mitwirkt,  darüber 
können  nur  bisher  mangelnde  eingehendere  Untersuchungen  Aufschluss  geben. 
Trostreich  für  die  betreffenden  Donaustrichc  bleibt  jedenfalls  der  Ausspruch  des 
berühmten  deutschen  Arztes,  nach  dem  in  nicht  allzu  ferner  Zeit  wohl  ein  letztes 
sicheres  Urteil  über  die  Ausrottbarkeit  der  gefährlichen  Golubacer  Mücke  erhofft 
werden  darf.  Koch  äusserte:  Die  Ausrottung  der  Malaria  sei  möglich  mittels 
eines  von  ihm  hergestellten  Präparats,  dessen  Hauptbestandteil  Chinin  ist.  Er 
habe  viele  erfolgreiche  Experimente  gemacht  und  nach  einer  mehrere  Wochen 
dauernden  Untersuchung  sich  überzeugt,  dass  die  Mücken  die  Verbreiter  der 
Malariakeime  in  Neu-Guinea  sind.  Seine  Bemühungen  seien  daher  teilweise  auf 
die  Entdeckung  von  Mitteln  zur  Ausrottung  der  Mücken  gerichtet  gewesen.  Diese 
aber  müsse  je  nach  der  Lokalität  auf  verschiedene  Art  erreicht  werden.  Allem 
nach  scheint  das  Wesentliche  von  Kochs  Entdeckung  zu  sein,  dass  der  Gebrauch 
seines  Präparats  jeden  Malariadistrikt  purifizieren  und  so  total  von  Erkrankungen 
freihalten  werde. 


Gern  gedenke  ich  hier,  weil  nicht  leicht  eine  Krankheit  wie  das  Wechselfieber 
gleiche  erdkundliche  Wichtigkeit  besitzt,  jul.  Mannabergs  „Malariakrankheiten"  ') 
wegen  der  klaren,  umfassenden  Darstellung,  obschon  das  Kartographische  manches 
zu  wünschen  übrig  lässt,  und  obwohl  die  sogenannte  „Moskitotheorie"  in  den 
letzten  Jahren   die  Ansichten  über  die  Krankheitsverhütung  vielfach  geändert  hat. 

Zwischen  den  westlichen  Greben-Defilee-Pylonen  hinausdampfend,  sahen  wir 
uns  plötzlich  der  romantischen  Golubacer  Schlossruine,  der  jenseitigen  Hochburg 
Läsziövar  und  dem  die  breite  Stromfläche  überragenden  Babakajfelsen  gegenüber, 

')  Mit  4  Tafeln  und  2  Karten  in  Farbendruck.     Wien,  Holder,  1899. 


528  Durch   den  Kazaii  und  von  Donji  Milanovat  usw.  nach  Belgrad. 

deren    pittoreske    Reize    und    alte    Traditionen    schon    viele    Stifte    und    Federn 
beschäfti.üten.     (I.  Bd.,  S.   197.) 

Wir  betraten  hier  das  berüchtigte  Sandgebiet  des  gewaltigen  Südostwindes 
„Kosava",  der  jedes  Jahr  nahezu  durch  vier  Monate  die  oberen  Sandschichten 
der  Uferberge  und  Flächen  zu  alle  Vegetation  vernichtenden  riesigen  Wolken 
aufjagt  und  oft  ganze  Wohnhäuser  verschüttet.  Das  serbische  Sandhügelgebiet 
beginnt  östlich  vom  Städtchen  Golubac  und  zieht,  korrespondierend  mit  jenem 
des  ungarisch-rumänischen  Donaugeländes,  SO.  zur  Timokmündung,  wo  es  zwischen 
Prahovo  und  Radujevac  200  Hektar,  am  Berge  Kapudjal  gegen  600,  zwischen 
Kostol  und  Kladovo  800  Hektar  bedeckt.  Der  Sandhügel  unterhalb  Zatonje  dürfte 
60,  jener  an  der  Klicevacka  bara  (Sumpf)  gleich  viel,  der  grosse  Sandkegel  bei 
Ram  aber  1000  und  der  vom  Pek  bis  Golubac  streichende  Sandkomplex  sogar 
2000  Hektar  einnehmen;  setzt  die  Kosava  diesen  in  Bewegung,  dann  gewährt  die 
ihm  am  stärksten  ausgesetzte  Umgebung  der  NW.  von  Golubac  liegenden  Orte 
Usje,  Vince  und  Pozezena  einen  unsagbar  traurigen  Eindruck.  —  Alle  Versuche 
•  der  ungarischen  und  serbischen  Regierung,  die  Verheerungen  der  Kosavastürme 
durch  Bindung  des  Sandes  und  andere  Schutzmittel  abzuschwächen,  blieben 
bisher  erfolglos,  weil  die  Sandregion  aus  den  alljährlichen  frischen  Alluvionen 
des  Stromes  stets  neuen  Zuwachs  erhält.  Die  Elemente  erweisen  sich  hier  stärker 
als  des  Menschen  Witz  und  Kraft. 

Über  die  Natur  des  Kosavawindes  und  die  Sandberge  an  der  Donau 
veröffentlichten  Prof.  Pancic  und  der  Major  Stefanovic  v.  VilovoO  lehrreiche 
Studien.  Die  Kosava  peitscht  im  Frühjahre  das  Hochwasser  in  starken  Wellen 
an  den  entgegengesetzten  Flussrand;  während  des  September-Äquinoktiums  wird 
der  Wasserstand  niedrig,  die  Hälfte  des  Strombettes  und  seine  Sandbänke  liegen 
dann  ebenso  bloss,  wie  die  Sandflächen  auf  dem  Lande,  und  selbst  die  Acker- 
schicht wird  locker.  Dieses  leichtbeweglichen  Materials  bemächtigt  sich  die  von 
den  Rumänen  „Krivac",  in  Italien  und  in  der  Levanta  „Scirocco",  in  der  Sahara 
„Samum"  genannte  Kosava,  treibt  es  in  riesigen  Wolken  SO.  gegen  NW.  und 
lässt  es  beim  Ermatten  in  Parallelstreifen  oder  Ringen  fallen.  Ob  aber  im  Banat 
und  in  Serbien,  wo  diese  Gebilde  „greda",  oder  in  der  Sahara,  wo  sie  „semla" 
heissen:  überall  dehnen  sich  ihre  Längenachsen  in  der  angegebenen  Richtung 
aus.  Die  Macht  des  Flugsandes  schiebt  die  Flüsse  seitlich  vorwärts,  indem  er 
von  der  Windseite  ihr  Bett  stetig  ausfüllt,  oder  lässt  sie  im  Laufe  der  Zeit 
gänzlich  verschwinden.  Durch  die  Gewalt  des  Südost-Monsuns  wächst  die 
Sahara  gegen  NW.,  durch  den  „Jube"  wird  der  Amu-Darja  versandet,  und 
gleiches  Los  trifft  viele  andere  Flüsse. 

Am  28.  Oktober  1889,  als  ich  am  Bord  des  „Boreas"  aus  dem  Greben-Defilee 
in  das  Golubacer  Becken  hinausfuhr,  sollte  ich  die  Schrecken  der  „Kosava"  kennen 
lernen.  Die  Rumänen  nennen  ihn,  wie  gesagt,  „Krivac".  Schon  die  Kahnfahrt 
am  Morgen  von  Tekija  nach  Orsova  versprach  keinen  angenehmen  Tag.  Der 
höchste  Strbacgipfel  blickte  kalt  aus  den  noch  dunkleren,  eisig  grauen,  unheimlich 


'j  Glasnlk,  Bd.  XVI  —  Ungarns  Stromregulierungen.    Wien  1883. 


Diircli  den  Kazan  iiiid  von  Donji  Milanovac  nsw.  nach  Belgrad.  ")'29 

weiss  geränderten  Wolken;  doch  verlief  die  Fahrt  bis  Schloss  Goiubac,  trotz  des 
schneidig  kalten  Windes,  der  die  Passagiere  vom  Deck  in  die  geheizten  Kajüten 
trieb,  vollkommen  normal.  Um  so  wütender  erfasste  der  Sturm  unser  Schiff,  als 
es  gegen  3  Uhr  nachmittags,  aus  den  schützenden  Bergen  heraustretend,  mit 
verändertem  Kurs  SW.,  zum  Städtchen  Oolubac  wandte.  Ringsum  in  dem  5,5  km 
breiten  Donaubecken  peitschte  die  heulende  Kosava  das  Wasser  mit  dem  Sande 
der  breiten  Moldova-Insel  und  der  Ufergelände  zu  hoch  emporgewirbelten  Wolken 
auf,  welche  jeden  Ausblick  in  die  Ferne  hinderten.  Unser  nur  schwer  gegen 
den  Wogenschwall  ankämpfender,  auf  und  niederstampfender  Dampfer  ächzte  und 
krachte  in  allen  Fugen,  die  Stangen  des  Zeltdachgerüstcs  brachen  zusammen,  und 
was  in  den  Kajüten  nicht  festgenagelt  war,  Karaffinen,  Gläser,  Lampen  usw.,  ging 
in  Trümmer.  In  der  Kabine  des  Kapitäns  stürzte  der  geheizte  Ofen  um,  und  die 
wackeren  Matrosen  hatten  zu  tun,  Feuerausbruch  zu  verhindern.  Finen  Augen- 
blick schien  sich  das  Tosen  des  Sturmes  zu  verringern.  Nach  kurzem  Lavieren 
vollzog  sich  das  schwierige  Landen  am  Golubacer  Kai.  Kaum  hatten  wir  uns 
aber  von  den  schützenden  südlichen  Höhen  entfernt,  da  erfasste  uns  die  jetzt  auf 
die  Breitseite  des  N.  fahrenden  Schiffes  wirkende  Kosava  mit  verdoppelter  Kraft. 
Man  konnte  sich  bei  stärkstem  Scirocco  auf  dem  Meere  wähnen.  In  den  Kajüten 
lagen  Frauen,  Kinder,  ja  selbst  Männer  auf  den  Knien,  Gott  und  den  hl.  Nikolaus 
um  Hilfe  anflehend.  Der  viele  Jahre  diese  Strecke  befahrende  Kapitän  versicherte 
mir,  er  könne  sich  eines  gleich  mächtigen  Kosavasturms  nicht  erinnern,  und  da  er 
seinen  altersschwachen  „Boreas"  kannte,  war  er  glücklich,  als  wir  unter  der 
etwas  schirmenden  Moldova-Insel  mit  aller  Kraft  hindampften. 

Und  noch  gefährlicher  soll  die  Fahrt  bei  selbst  schwächeren  Orkanen  am 
ungarischen  Ufer  sich  gestalten,  wo  sie  für  tiefertauchende  Dampfer  oft  schon 
bei  ruhigem  Wetter  genügend  schwierig  ist;  denn  selten  dürfte  die  Tiefe  in  einem 
mächtigen  Strome  so  unvermittelt  auf  verhältnismässig  kurzer  Strecke  wechseln, 
wie  vom  Golubacschloss  bis  Moldova.  Dort  50  m  Tiefe,  hier  kaum  die  nötige 
Wasserhöhe  selbst  für  kleine  Dampfer.  Unfern  des  Babakaj  sah  ich  im 
September  1896  die  „Barostafel"  zur  Erinnerung  an  die  1890  von  ihm  inaugurierte 
Regulierung  der  Katarakte,  welche  mit  der  Entfernung  einzelner  Felsen  und 
Koäavasandriegel  im  „Coronini"  wohl  abgeschlossen  sein  dürfte  (Kap.  XVIII). 
Diesen  Namen  des  letzten  Gouverneurs  der  „Vojvodina"  trägt  auch  die  1858 
hier  am  ungarischen  Ufer  begründete  Ansiedelung,  deren  gleichmässig  gebaute 
Häuschen  einem  weissen  Feldlager  gleichen.  Auf  der  Terrasse  sieht  man  die 
schon  zu  Beginn  des  Jahrhunderts  angelegten  Orte  St.  Helena  und  Weizenried. 
Ihre  protestantisch-katholische  Bevölkerung  hat  sich  mit  dem  den  Böhmen  eigenen 
Fleisse  zu  grossem  Wohlstand  emporgearbeitet  und  es  zu  trefflichen  Schulen  und 
hübschen  Kirchen  gebracht.  Sie  geben  den  umwohnenden  Serben  ein  nachahmens- 
wertes Vorbild.  Teilweise  finden  sie  lohnende  Beschäftigung  im  ausgedehnten 
metallurgischen  Gebiete,  das  mit  dem  gleich  reichen  serbischen  am  Pek  korrespon- 
diert, und  dessen  Verbindungsadern  unterhalb  Goiubac  und  an  vielen  anderen  Stellen 
das  Strombett  durchsetzen.  Hauptorte  des  Banater  Montandistrikts  sind:  Oravica, 
Saäka,  Dognacka,  Moldova   und  Bazias.     Der  grösstc  Teil  ihrer  wald-,   erz-  und 

F.  KANITZ,   Serbien.    U.  '■^i 


530  Diircli  den  K;iz;iii  und  von  Doiiji  Milnnovac  usw.  nach  Belgrad. 

kohlenreichen  Berge  wurde  vom  Staate  unter  Brucks  Regime  an  die  k.  k.  priv. 
Staatsbahn-Gesellschaft  veräussert,  welche  namentlich  bei  Saska  viele  Millionen 
kostende,  neuestens  aber  wenig  rentable  Werke  anlegte,  von  welchen  Resica  die 
spärlicheren  Aufträge  für  das  1899  schon  ziemlich  vollendete  ungarische  Lokal- 
bahnnetz schwer  empfindet.  Unter  der  einstigen  Tiirkenherrschaft  war  das  durch 
endlose  Kriege  verödete  dortige  Gebiet  von  einem  noch  bunteren  Völkergemenge 
als  heute  besiedelt.  Neben  Deutschen  gab  es  auch  Italiener  und  Spanier,  welche 
um  1720  bei  Beckerek  das  Dorf  „Neu-Barcelona"  gründeten,  um  den  Reis- 
und  Seidenbau  im  Banat  einzuführen.  Ihre  Bestrebungen  scheiterten.  Besser 
gelangen  die  Versuche  mit  1740  herangezogenen  Kolonisten  aus  Schwaben. 
Alt-Serbien,  Bulgarien  und  Rumänien,  deren  Gebiete  heute  wahre  Getreidekammern 
bilden,  doch  neuestens  durch  die  amerikanische  Konkurrenz  leiden. 

Der  Nordspitze  der  grossen  Moldova-Insel  gegenüber  liegt  der  nett  gebaute 
ungarische  Flecken  Alt-Moldova  mit  hübscher  Kirche  und  neuem  Kordonshause. 
Von  seiner  einstigen  fortifikatorischen  Bedeutung  sind  wenig  Spuren  erhalten, 
denn  der  grösste  Teil  der  von  Mercy  angelegten  Werke  musste  nach  dem 
Belgrader  Frieden  geschleift  werden.  Nordöstlicher  auf  der  Kastellruine  erhebt 
sich  das  einstöckige  Wachhaus  von  Neu-Moldova,  das  auf  den  Rudimenten 
des  antiken  Centum  stehen  soll.  Zweifellos  hatten  die  Römer  hier  eine  wichtige 
Station,  denn  ausser  vielen  Münzen-  und  Inschriftfunden  sprechen  dafür  alte 
Hüttenbauten  mit  in  das  feste  Gestein  getriebenen  Schächten,  welche  den  heute 
noch  reichen  Kupferminen  auch  archäologisches  Interesse  verleihen.  Die  gegen- 
überliegende serbische  Zollstation  Vi  nee  ist  denkwürdig  durch  ein  glückliches 
Gefecht  gegen  die  von  Vidin  heranziehenden  Türken  im  Jahre   1815. 

Bei  Moldova  ermässigen  und  ziehen  sich  die  Berge  auf  beiden  Ufern  zurück. 
Der  Steuermann  nimmt  den  Kurs  direkt  auf  die  Mündung  des  grossen  Pek,  wo  auf 
einer  spitzen  Landzunge  die  nächste  Haltestelle,  das  (1.  Bd.,  S.  189)  geschilderte 
Gradiste,  liegt.  Von  diesem  aus  umfuhren  wir  die  serbische  Insel  Ostrovo  mit 
gleichnamigem  Orte  auf  der  ungarischen  Seite  und  gelangten  bald  darauf  an 
Divics  reiche  Sumachernten  gebende  Höhen  vorüber  nach  Bazias,  bei  dem 
sich  die  letzten  Ausläufer  der  Karpathen  zur  Donau  herabsenken.  Bazias  bildet 
die  Endstation  der  hier  Personen  und  Waren  der  Donau  zuführenden  und  von 
dieser  übernehmenden  Staatsbahn  und  zugleich  eine  sprechende  Illustration,  wie 
kulturfähig  diese  von  der  Natur  reich  gesegneten  Gebiete  sind,  sobald  Kapital, 
Intelligenz  und  Arbeit  sich  ihnen  zuwenden.  Vor  35  Jahren  noch  ein  in  tiefem 
Waldgrün  verstecktes  Klösterchen,  besitzt  es  nunmehr  ausser  einem  stattlichen 
Bahnhofe  mit  grossartigen  Werkstätten  auch  eine  aufblühende  Kolonie  mit  nettem 
Gasthof  und  hübschen  Wohngebäuden;  die  nahen  Werke  von  Steierdorf,  deren 
Kohle  mit  der  englischen  an  Güte  wetteifert,  haben  eine  reiche  Zukunft.  Von 
Bazias  zieht  die  Bahntrace  nördlich  gegen  Versec,  dessen  scharfgeschnittene 
Gebirge  den  Horizont  beherrschen.  Sie  unterbrechen  wohltätig  die  Monotonie 
der  hier  beginnenden,  zur  Theiss  streichenden  fruchtbaren  Ebene. 

Bazias'  Hafen  steht  bei  den  Dampferkapitänen  in  verdient  schlechtem  Rufe. 
Unbeschreibbar  schwierig  gestaltete   sich   bei    dem    am    29.   Oktobermorgen    mit 


Durch  den  Kazan  und  von  Donji  Milanovac  usw    nach  Belgrad.  581 

unverminderter  Heftigkeit  wehenden  Ko§ava-Orl<an  dort  unsere  Landung  und 
geradezu  lieängstigend  die  Fahrt  um  den  serbischen  Sandpyion  vor  Rani.  Drei 
Meter  hohe,  mit  weissem  Gischt  gekräuselte  braune  Sturzwellen  fegten  das  Deck 
gründlich  rein.  Der  Sturm  pfiff  gellend  durch  alle  Fugen,  die  Mäste  krachten, 
dazu  kam  das  die  hoch  im  Äther  zerstäubenden  Wassertropfen  magisch  färbende 
Sonnenspektrum  und  die  in  vollste  Bewegung  geratenen  Ramer  Berge,  mit  ihren 
Milliarden  feiner  Sandkörner  alles  Grün  so  lange  gelb  färbend,  bis  ein  starker 
Nordwind  sie  wieder  zurück  auf  ihre  frühere  Stelle  trägt;  alles  in  allem  ein 
unvergessbar  prächtiges,  aber  aufregendes  Naturschauspiel,  mit  überraschend 
schönen,  stetig  wechselnden  Details.  Unter  den  schützenden  Westhang  des 
Ramer  Berges  glücklich  gelangt,  wo  einige  Remorköre  mit  zahlreichen  Schleppern 
die  Abnahme  des  Sturmes  seit  tags  zuvor  erwarteten,  begrüsste  ihre  Bcniannung 
durch  laute  Zurufe  und  Schwenken  der  Mützen  unser  Wagnis. 

Und  wieder  erfreute  mich  der  Anblick  der  vieltürmigen  Ranier  Feste, 
deren  Schicksale  mit  jenen  des  Bollwerks  beim  linksuferigen  Palanka  meist 
parallel  liefen.  Auf  beiden  Ufern  bemerkt  man  die  Spuren  bedeutender  oblong- 
quadratischer  Rönierwerke  zum  Schutze  der  mit  Benutzung  eines  bei  niederem 
Wasser  noch  bei  der  „Cibuklija-lnsel"  sichtbaren  mächtigen  Stützpfeilers  von 
der  Legio  VII  Claudia  erbauten  zweiteiligen ')  Brücke  mit  gemauerten  starken 
Uferköpfen,  auf  welcher  der  linke  Trajansche  Heerflügel  über  Lederata  nach 
Dazien  vordrang  (I.  Bd.,  S.  184).  1860  besichtigte  ich  zum  erstenmal  Lederatas 
Hauptwerk  auf  der  spitz  zur  Donau  vorspringenden  Syenitporphyrzunge.  Rasch 
war  der  spärlich  bewachsene  Felsen  erklommen.  Die  ziemlich  gut  erhaltenen 
Mauern  und  Türme  zeigten  türkisches  Gepräge;  der  schon  von  Marsigli  skizzierte 
Grundriss-)  deutet  aber  auf  das  hier  bestandene  Römerkastell  hin.  Dieses  bildete 
ein  längliches  Rechteck  mit  neun  Türmen,  von  welchen  vier  sich  zu  einem  kleinen, 
nach  der  Donau  gerichteten  Zwinger  zusammenschlössen.  In  den  öster- 
reichisch-türkischen Kriegen  wurde  das  stets  hartnäckig  verteidigte  Schloss  stark 
verwüstet  und  wiederholt  umgebaut.  Auf  General  Miskovics  Planskizze ■^)  erscheint 
die  Ruine  als  Polygon  mit  fünf  Ecktürmen,  von  welchen  zwei  gegen  den  Strom 
vorspringen.  Mit  Ausnahme  des  als  Pulverturm  benutzten  südwestlichen,  sind 
alle  nach  innen  kehlenförmig  geöffnet.  Steintreppen  führten  zur  Galerie  der 
Hauptmauer,  der  eine  niedrigere  zweite  mit  breitem  Graben  vorlag.  Im  Burghöfe 
sind  Reste  einer  starken  Römerbaute  erhalten,  auf  welcher  eine  nunmehr 
verschwundene  primitive  Moschee  stand.  Aus  den  Mauern,  Kanälen,  Bädern 
der  1  km  SW.  gelegenen  antiken  Zivilstadt  stammen  der  von  grossen  Ziegel- 
platten hergestellte  Estrich  der  Ramer  Kirche,  dann  grosse  Werkstücke,  Bronzen, 
Münzen  usw.  An  der  Ostmauer  der  südlichen  Schlossbastei  erscheint  ein  dreizeiliger 
Votivstein,  und  unter  der  Nordwestbastei  am  vom  Trajanswege  durchschnittenen 
Felsen    die    schon    in    meinem    „Serbien"    (S.  406)    erwähnte    fünfzeilige   Inschrift, 

')  Hertzberg,  üesch.  d.  Körner  im  Altert.     1885.    S.  530. 

-)  A.  a.  O ,  Tab    V. 

■')  Starinar,  IV.  Bd  ,  Tab.  IV. 

34* 


532  Durcli  den  Kaz;ni  und  von  Donji  Milanovac  usw.  nacli  Belgrad. 

in  welcher  die  LEG.  Vi!.  CL  genannt  wird '),  von  der  wahrsciieiniicli  eine 
Abteilung  zu  Lederata  lag.  Nach  der  Not.  imp.  bestand  seine  Besatzung  aus 
Fussvolk  und  berittenen  Bogenschützen.  Im  I.  Bande,  S.  185,  entwickelte  ich 
die  Gründe,  die  mich  schon  1861  bestimmten,  im  Gegensatze  zu  namhaften 
Historikern  Lederata  mit  Rani  zu  identifizieren,  und  heute  zweifelt  kein  mit  den 
Quellen  und  den  Terrainverhältnissen  vertrauter  Forscher,  dass  ich  dabei  im 
vollbegründeten  Rechte  war. 

Wenden  wir  uns  zu  Rams  interessanter  Vergangenheit.  Nach  der  Verheerung 
der  musischen  Donaustädte  baute  Kaiser  Justinian  Lederatas  linksuferigen  Brücken- 
kopf zu  einem  starken  Kastell  aus,  bei  dem  um  1126  die  Donauflotte  und  Truppen 
des  für  seinen  Verwandten  Bela  parteinehmenden  Griechenkaisers  Johannes  II. 
die  Magyaren  schlugen,  deren  Schiffe  verbrannten,  Branicevo  mit  Belgrad,  Semlin 
und  nahezu  ganz  Sirmien  besetzten  und  einen  diese  Eroberungen  sichernden 
Frieden  schlössen.  Das  nach  1444  von  den  Türken  wieder  aufgebaute  Serben- 
schloss  Rani  wurde  1478  durch  den  tapferen  Temesvärer  Grafen  Paul  Kiniszi 
angegriffen.  Mit  seinen  30  000  Kämpfern  besiegte  er  das  türkische  Heer,  konnte 
aber  das  eroberte  Territorium  nicht  behaupten  und  kehrte  mit  50000  flüchtigen 
Serben  nach  Ungarn  zurück.  1482  wurde  Rani  von  dem  über  Teniesvär  mit 
einem  starken  ungarischen  Heere  heranziehenden  Knez  Pavle  Brankovic  genommen. 
Um  seine  Verteidigungsfähigkeit  zu  erhöhen,  wurde  das  linksuferige  feste,  Hrom, 
Horoni,  auch  Jeni  Horoni  (Neu-Ram)  genannte  Fort  um  1590  durch  den  es 
erobernden  Temesvärer  Alajbeg  Caus  Halim  erneuert.-)  Im  November  1697 
stürmte  der  nach  Eugens  Sieg  bei  Zentä  mit  3000  Reitern  in  das  türkische  Gebiet 
einfallende  russische  General  Rabutin  das  verpalisadierte  Schloss.  500  Türken 
wurden  niedergemetzelt,  50  Mann  gefangen,  die  ihrer  Geschütze  beraubten  Wälle 
rasiert.  1737  kämpften  Österreicher  und  Türken  wieder  um  den  wichtigen 
Brückenpunkt.  Gänzlich  zerstört  wurde  die  Ramer  Feste  und  Türkenstadt')  erst 
1788,  als  der  kaiserliche  Leutnant  Baron  Lopresti  sie  mit  nur  23  Soldaten  gegen 
die  übermächtigen  Türken  glänzend  verteidigte  und  der  gerechtfertigten  Übergabe 
den  Tod  mit  den  Seinen  vorzog.  „Dem  Helden  von  Rama"  wurde  1878  auf 
seiner  Grabstätte  im  jenseitigen  Uj  Palanka  durch  den  Temeser  Komitatsvorstand 
Sigmund  v.  Ormos  ein  würdiges  Denkmal  errichtet. 

Deutsches  Blut  klebt  nahezu  an  jedem  Steine  der  zerbröckelnden  Donaufesten; 
das  deutsche  Schwert  brach  zuerst  den  Blutbann,  dem  die  Christen  der  Türkei 
verfallen  waren.  Der  Wunsch  nach  dauernder  Befreiung  Hess  am  15.  September 
1804  eine  serbische  Deputation  heimlich  bei  Rani  über  die  Donau  setzen,  um  in 
Petersburg  des  Zaren  Hilfe  zu  erflehen.  <)  Nach  beendetem  Kampfe  erbaute 
das    Dorf  eine    Schule,    1839   weihte    es   seine   hl.   Erzengelskirche,    doch    wuchs 


>)  Die  Inschriften  von  Ram:  C.  i.  L.  111,  1643-1645,  Addit.  Moes  sup.  ad  1643,  1644, 
die  dreizeilige  Turniinschrift,  6299;  Suppl.  Pasc.  11,  8099-8101. 

')  Hadzi  Chalfa,  Rumeli  und  Bosna,  S.  153. 

')  Ihre  einstige  Wohlhabenheit  bezeugen  die  Reste  einer  grossen  Karawanserei,  auf 
dessen  Grundfesten  Milos  die  Kirche  erbauen  Hess. 

*)  Prota  Matija  Nenadovic,  Menioare,  S.  104. 


Durch  den  K.iznn  iiml  von  Donji  Milanovac  usw.  nncli  Belgrad 


533 


seine  Bewohnerzahl  wenig,  obschon  sein  Hafen  bald  für  den  Export  wichlif^ 
wurde,  insbesondere  für  Schweine,  von  welchen  Rani  durchschnittlich  jedes 
Jahr  36  000  Stück  verlud.  Seit  der  Eröffnung  des  Belgrader  Schienenwegs  sank 
diese  Zahl  stetig  herab  und  damit  der  Aufschwung  des  heute  nur  320  Seelen 
in  75  Häusern  bergenden  Dorfes.') 

Unter  dem  Schutze  der  grossen  Insel,  welche  den  riimischen  Übergang  in 
das  Dakerland  erleichterte,  setzte  unser  „Boreas"  den  Kampf  gegen  den  unaus- 
gesetzt wütenden  Kosavastiirm  leichter  fort.     Am   Hange  der  niederen  serbischen 


^^ 


KLICEVAC.     Prähistorische  Tnnfigur. 

Uferberge  liegt  Klicevac,  der  Geburtsort  des  Freiheitskämpfers  Milenko  Stojkovic, 
dessen  erste  ihn  populär  machende  Tat  ich  bei  Ada  Kaleh  erzählte;  auch  an 
anderen  Stellen  erwähnte  ich  seine  Kämpfe  gegen  die  Türken.  Als  Kapetan  der 
Porecer  Nahija  siedelte  er  nach  Porec  über,  teilte  aber  dann  —  nach  Vuk'^)  —  181 1 
als  unzufriedener  Emigrant  das  Schicksal  seines  treuen  Waffengefährten  Dobrnjac 
im  fernen  Russland  (I.  Bd.,  S.  219).  1881  fand  man  zu  Klicevac  neben  drei 
prähistorischen  Gefässen  eine  interessante  34  cm  hohe,  17  cm  breite  schwarze 
Tonfigur,    wahrscheinlich    eine    weibliche    Gottheit,    deren    Büste,    Gürtel    und 


')  1905  zählte  Rani  354  Einwohner  in  79  Häu.sern. 
=)  Gradja,  S.  174  ff 


534  Durch  den  Kaznii  und  von  Donji  Milanovac  usw    nach  Belgrad. 

Unterkleid  vertiefte,  mit  lichter  Erde  ausgefüllte  Ornamente  schmücken,  die  sich 
prächtig  vom  dunklen  Grunde  abheben.')  Die  ganze  Auffassung  und  Technik 
erinnern  an  ähnliche  Tongebilde  in  Westpreussen,  welche  Lissauer  der  Hailstadt- 
Epoche  zuschreibt.  2)  1898  erbaute  das  2060  Seelen  3)  zählende  Dorf  für  18  000  d 
eine  Schule,  deren  Lehrer  hoffentlich  den  antiquarischen  Funden  gebührende 
Aufmerksamkeit  schenken  wird. 

Nicht  weniger  als  zwölf  von  der  grossen  ungarischen  Insel  „Ostrovo" 
allmählich  abgetrennte  kleine  Inseln  deckten  mit  dieser  die  Mlavamündung,  an 
welcher  Viminacium,  die  römische  Kapitale  von  Moesia  superior,  stand.  Seine 
im  V.  Kapitel  des  1.  Bandes  geschilderten  weitläufigen  Überreste  auf  der  vom 
Ufer  sich  zurückziehenden  massigen  Terrasse  sind  vom  Dampfer  gleich  unsichtbar, 
wie  jene  der  Stadt  Margus,  an  welchen  wir  bald  darauf  vorbeifahren;  wir  sehen 
nur  ihr  hochliegendes  Polygon,  das  die  gleichnamige  Flussmündung  beschützte 
(I.  Bd.,  S.  185  ff.).  Auch  bezüglich  der  auf  Margus  folgenden  historischen 
Donaupunkte  auf  die  sie  schildernden  Kapitel  IV  und  V  des  ersten  Bandes  hin- 
weisend, knüpfe  ich  an  meine  bisherigen  Ausführungen  einen  meine  vieljährigen 
archäologischen  Forschungen  an  der  unteren  serbischen  Donau  zusammenfassenden 
Überblick.  Alles  in  allem  brachten  meine  oft  auf  schwierigen  Kahnfahrten  durch 
die  Katarakte  und  sonst  meist  zu  Pferde  ausgeführten  Reisen  erhebliche  Beiträge 
zur  historischen  Geographie. 

Wie  ich  erwähnte,  spricht  ein  altvererbtes  Volkslied  von  77  lateinischen 
Werken,  der  französische  Akademiker  Blanqui  sogar  von  80  Römerbauten  zwischen 
der  Save  und  dem  Pontus,  während  der  Graf  Marsigli  zwischen  der  Save-  und 
Timokmündung  allein  schon  22,  ich  selbst  aber  mehr  als  70  grössere  und  kleinere 
befestigte  Punkte  in  Karte  brachte.  Dies  bezeugt  die  von  Roms  Imperatoren 
dem  obermösischen  Donaulimes  beigelegte  Wichtigkeit  und  bietet  einen  selbst 
für  unsere  Zeit  lehrreichen  Einblick  in  sein  mit  staunenswertem  Scharfsinne 
kombiniertes  Verteidigungssystem.  Wir  sehen,  wie  die  Transversalstrassen  aus 
den  Westprovinzen  strahlenartig  in  die  mit  dem  Donaulimes  parallel  laufende, 
alle  Uferfesten  verbindende  Heerstrasse  mündeten,  was  mit  den  in  stärker 
befestigten  Hafenplätzen  stationierten  Flottenabteilungen  die  rascheste  Unterstützung 
jedes  einzelnen  bedrohten  Donaupunktes  ermöglichte. 

In  den  die  Teilstrecken  des  obermösischen  Donaulimes  behandelnden 
Kapiteln  III— VII  des  I.  und  XV— XVII  des  II.  Bandes  konstatierte  ich  bei  fort- 
währender Vergleichung  der  römischen  itinerarien,  der  einschlägigen  Literatur  und 
auf  Grundlage  meiner  auf  dem  Terrain  selbst  gewonnenen  Erfahrungen  die  Identität 
folgender  25  wichtiger  römischer  Donaupunkle:  1.  Singidunum  =  Belgrad, 
2.  Ad  Sextum  —  Mokri  Lug,  3.  Tricornium  Ritopek,  4.  Ad  Sextum 
miliare  =  Grocka,  5.  Aureus  mons  =  Reste  am  Seonabache,  6.  Vinceia 
--  Reste    im    Cirilovactale,      7.   Margus  Ruinen    an    der    Moravamündung, 

')  Starinar,  VII.  Bd.,  S.  110  f. 

-')  Die  präh.  Denkm.  d.  Prov.  Westpreussen,  S.  Gl  ff. 

■')  1905  hatte  Klicevac  in  374  Häusern  2375  Einwohner. 


Durch  den  Kazan  und  von  nnnji  Milnnovac  usw.  nncli  Belgrad.  535 

8.  Viminacium  Kostolac  an  der  Mlavaiinindung,  9.  Lederata  m.it  Kaiser 
Trajans  Schiffbrücke  -^  Rani,  10.  Pincum  ^=  Gradiste,  11.  Vico  Ciippe 
Golubac,  12.  Novae  Briijica.  13.  Ad  Scrofulas  Dobra,  14.  Taliata 
mit    Kaiser    Trajaiis    Donau  -  Übergang  Reste    an    der    Poreci<a    reka- 

Miindung,     15.    (lerulatis  —    Mirocevo,     16.   Unani  auf    dem    Mirocplateau 

(Lage    unentscliieden),     17.    Egeta  Brza    Palanka,     18.     Kaiser     Trajans 

Steinbriicke  Brückenkopf  bei  Kostol,  19.  Zanes  -  Kiadovo,  20.  „Eiserner 
Tor"-Kanal  Kasajna-Sip,  21.  Zerna  Sip,  22.  Transdierna  Tekija, 
23.  Clevora  Kamenica,  24.  Ad  Aquas  Reste  auf  dem  Vidrovac-Plateau, 
25.  Dortico         Rakovica  am  Tiniok. 

Beim  Vergleichen  dieser  Ansätze  mit  jenen  meiner  Vorgänger  dürften  sich 
an  vielen  Punkten  bedeutende,  an  jedem  einzelnen  begründet  nachgewiesene 
Abweichungen  ergeben;  ich  selbst  würde  aber,  im  Hinblick  auf  die  sich  häufig  wider- 
sprechenden alten  Quellen  (I.  Bd.,  S.  185),  in  den  oft  gerügten  Fehler  mancherPorscher 
verfallen,  wollte  ich  in  jedem  einzelnen  Fall  auf  absolute  Richtigkeit  Anspruch  erheben. 
Habe  ich  ja  an  verschiedenen  Stellen  betont,  dass  weniger  apodiktisches  Absprechen 
in  archäologischen  und  ethnographischen,  die  Balkanländer  betreffenden  Fragen 
dringend  geboten  erscheint.  Diese  Mahnung  zu  grösserer  Vorsicht  erscheint 
begründet,  wenn  ich  beispielsweise  an  die  auf  S.  444  geschilderte  komische 
Entstehung  des  fiktiven  Ortes  „Tactalia"  erinnere,  der  seit  hundert  Jahren  in  allen 
Kombinationen  über  römische  Städte,  Donauübergänge  usw.  eine  bedeutende  Rolle 
spielte,  bis  ich  nachwies,  dass  ein  solcher  nicht  existiert  und  nur  eine  Felsbank 
im  Grebenpasse  diesen  Namen  führt  —  oder  wenn  ich  aus  so  vielen  anderen 
Tatsachen  hier  noch  die  eine  erwähne,  dass  ich  1864  unfern  von  Ni§  die  auf 
allen  Karten  figurierenden  Städte  „Pirsnik"  und  „Isnebol"  wegzustreichen  hatte, 
weil  ich  auf  ihrer  angeblichen  Stelle  wohl  hohe  Berge,  aber  sonst  nicht  die  kleinste 
menschliche  Niederlassung  fand  usw.  Aus  der  Studierstube  allein  kann  man  weder 
aktuelle  noch  historische  Karten  schaffen;  es  ist  durchaus  unerlässlich,  sich  auf 
das  Terrain   zu  begeben,  was  allerdings  nicht  jedermanns  Sache  ist. 

Wer  jemals  die  Lösung  derartiger  schwieriger  Probleme  versuchte,  dürfte 
also  nachsichtig  entschuldigen,  wenn  der  ihr  entgegengebrachten  Opferfreudigkeit 
nicht  immer  gleichwertige  Resultate  entsprechen.  Niemand  dürfte  sehnlicher 
als  ich  selbst  wünschen,  dass  meine  Untersuchungen  jüngere  Kräfte  zu  neuen, 
ergebnisreicheren,  anregen  möchten.  Weitergehende  Erhebungen  an  den  von 
mir  durchforschten  Punkten  werden  allerdings  nur  durch  viel  Zeit  und  Kosten 
beanspruchende,  zielbewusste  Ausgrabungen  erreichbar  sein.  Solche  dürften  aber 
zweifellos  wertvolle  architektonische  und  fortifikatorische  Details,  vielleicht  auch 
Inschriften  zutage  fördern,  welche  den  Namen  mancher  hier  ungetauft  gebliebenen 
Römerstadt  nennen  und  die  von  mir  aufgenommenen  Situationspläne  im  Detail 
berichtigen  werden.  Diese  Arbeiten  müssten  aber  sehr  beschleunigt  unternommen 
werden,  weil  die  Zerstörung  aller  antiken  Reste,  bei  dem  der  Bevölkerung  inne- 
wohnenden geringen  Verständnisse  für  ihren  historischen  Wert,  täglich  fortschreitet 
und  mit  jedem  vernichteten  Monument  ein  schwer  ersetzbarer  Behelf  für  die 
Geschichte  und  historische  Geographie  verloren  geht. 


5f!fi  Durch  den  Kazan  und  vnn  Donji  Milanovac  usw.  nach  Belgrad. 

Denn  ob  wir  nun  an  die  einst  stolze  Babylonis  denken,  auf  welcher 
nomadisierende  Beduinenstämme  gegenwärtig  ihre  Zelte  aufschlagen,  oder  an  die 
alten  Kulturstätten  Südamerikas,  ob  wir  am  Nil  zwischen  säulcnreichen  Tempeln 
stehen,  an  die  barbarische  Fellahs  ihre  Schmutznester  kleben,  ob  wir  auf  Ninives 
Trümmern,  welche  Loyard  uns  zuerst  kennen  lehrte,  oder  auf  jenen  des  zum 
prosaischen  Steinbruche  benutzten,  einst  prächtigen  mösischen  Viminacium  wandeln, 
immer  durchzieht  uns  das  schmerzliche  Gefühl,  dass  jede  Kultur  ihren  Höhe- 
punkt nur  deshalb  zu  erreichen  scheint,  um  von  schonungslos  einher  stürmender 
barbarischer  Gewalt  wieder  weggefegt  zu  werden!  Werden  die  Erben  des  klassischen 
Bodens,  welche  so  emsig  bemüht  sind,  die  letzten  Reste  monumentaler  Pracht 
der  einstigen  mösischen  Kapitale  zu  zerstören,  vielleicht  ähnliche,  durch  Kunst 
und  Technik  verschönte  Gemeinwesen  schaffen?  Und  wenn  dem  so  ist,  welchem 
Volke  wird  nach  dem  ewig  waltenden  Naturgesetze  die  Aufgabe  zufallen,  sie  dem 
traurigen  Lose  der  römischen  Kulturstätten  zu  überliefern? 


XVUl. 


Von  Belgrad  zur  bulgarisch-türkischen  Grenze 

mit  der  Bahn. 
Durch  die  regulierten  Donau-Katarakte  zum  Eisernen  Tor-Kanal. 


DIE  Welt  stellt  im  Zeichen  des  Verkehrs! 
Ein  halbes  Jahrhundert  s^in^  ins  Land,  seit  Ami  Boiie,  der  Abkunft  nach 
Franzose,  durch  Geburt  Hamburger,  seinem  ganzen  Wirken  nach  aber  Kosmopolit 
im  edelsten  Sinne  des  Wortes,  zuerst  ein  Bahnnetz  für  die  europäische  Türkei 
entwarf,  und  25  Jahre  sind  verstrichen,  seit  der  geniale  Konsul  v.  Hahn  seine 
Studien  für  eine  Linie  Belgrad — Salonik  veröffentlichte.  Der  erste,  berühmt  als 
Schöpfer  des  epochalen  Werkes  „La  Turquie  d'Europe"  (1840),  skizzierte  in  seinen 
„Itin^raires"  in  grossen  Zügen  ein  grundlegendes  Bahnnetz  für  die  Balkan-Halb- 
insel, Georg  V.  Hahn,  der  die  Welt  mit  den  kaum  gekannten  Albanesen  vertraut 
gemacht,  entwarf  auf  Grund  äusserst  mühsamer  Terrainstudien  die  Bahntrace 
Belgrad— Salonik,  deren  richtige  Führung  durch  die  Täler  der  Morava  und  des 
Vardars  von  dem  tüchtigen  Ingenieur  Wilhelm  Pressel  viele  Jahre  später  rühmend 
anerkannt  und  festgehalten  wurde. 

Die  genialen  Entwürfe  von  Boue  und  Hahn  treten  um  so  leuchtender  hervor, 
als  sie  in  eine  Zeit  fallen,  wo  noch  die  Fabel  von  der  Erstreckung  der  Balkankette 
vom  Pontus  bis  zur  Adria  auf  unseren  besten  Karten  spukte,  wo  ich  selbst  hart 
an  der  bulgarischen  Donau  und  in  ihrem  Hinterlande  Gebiete  von  der  Ausdehnung 
deutscher  Fürstentümer  entdecken  konnte.  Beide  Pioniere  erlebten  leider  nicht 
die  Verwirklichung  ihrer  weitzielenden  Pläne.  Heute  fährt  man  von  Wien  nach 
dem  Goldenen  Hörn  oder  zur  ägäischen  Hafenstadt  in  ebenso  vielen  Stunden, 
als  das  Mittelalter  dazu  Tage  benötigte,  in  unserer  leichtlebigen  Zeit  vergisst 
man  rasch;  keine  der  vielen  Reden  während  der  Niser  Bankette  erinnerte  an  den 
hochverdienten  Verfasser  des  ersten  Bahnbauprojekts  „Belgrad — Salonik",  an  den 
wackeren  österreichischen  Konsul  Georg  v.  Hahn. 

Wie  es  kam,  dass  diese  für  Mitteleuropa  hochwichtigen  Eisenstrassen,  mit 
denen  für  das  Sultansreich  eine  neue  Ära  anbrach,  so  spät  vollendet  wurden, 
erörtere    ich    im   IX.  Kapitel    des   111,  Bandes.     Hier   genüge,   dass    der   Orientale 


538  Von  Belgrad  zur  bulgariscli-tiirkisclicn  Orcnzc  mit  der  Balm. 

den  hohen  Wert  der  Zeit  nicht  zu  würdigen  vermag,  dass  viele  dem  Fortschritt 
feindliche,  einflussreiche  Mosiims  in  den  Eisenbahnen  eine  das  bisherige  staatliche 
und  wirtschaftliche  Vegetieren  der  Türkei  bedrohende  Gefahr  erblickten,  und 
dass  die  türkische  Regierung,  als  sie  den  von  allen  Seiten  andrängenden  Sturm 
nicht  länger  durch  passiven  Widerstand  abweisen  konnte,  bei  der  Beschaffung 
des  nötigen  Baukapitals  mit  den  denkbar  grössten  Schwierigkeiten  zu  kämpfen 
hatte.  Die  am  Bosporus  das  „Goldene  Vlies"  suchenden  Finanzmänner  stellten 
dort  so  abenteuerliche  Forderungen,  die  Pfortenminister  verlangten  andererseits  so 
hohes  Backschisch  (Trinkgelder),  dass  die  Unterhandlungen  stets  scheiterten. 

Die  von  allen  Kulturfreunden  ersehnte  endliche  Eröffnung  der  türkischen 
Bahnen  bildete  ein  Ereignis  von  hoher  Bedeutung.  Man  blicke  nur  nach 
Rumänien  und  Serbien  und  wird  staunen  über  die  Entwicklung  ihrer  Städte, 
ihrer  wirtschaftlichen  Verhältnisse,  ihrer  Fortschritte  in  G-ewerbe  und  Industrie, 
seit  die  Dampfkraft  ihre  früher  armseligen  Verkehrsmittel  ersetzt.  Gleich  erfreuliche 
Erscheinungen  sehen  wir  in  Bulgarien,  Mazedonien,  Griechenland  und  namentlich 
auffallend  in  der  Physiognomie  der  serbischen  Städte,  auf  deren  vorausgegangene 
Schilderungen  ich  verweise.  Doch  nicht  allein  in  den  grösseren  Gemeinwesen, 
sondern  selbst  in  den  Dörfern  hat  sich  der  Häuserbau  verbessert,  entstanden 
allerorts  Dampfmühlen,  Spiritusfabriken  und  andere  industrielle  Anlagen,  um  die- 
reichen  Naturschätze  des  Landes  besser  zu  verwerten.  Diese  Wahrnehmung  und 
die  an  vielen  Punkten  pittoreske  Landschaft  gestalten  eine  Fahrt  auf  den  serbischen 
Bahnen  höchst  interessant. 

1.  Belgrad — Nis. 

Gleich  hinter  Belgrad,  bei  der  ersten  Station  der  am  10.  September  1884 
eröffneten  Belgrad— Niser  Bahn  und  dem  durch  König  Milan  durch  eine  Fasanerie 
bereicherten  Lustschlosse  „Topcider",  dessen  Steinbruch  (I.  Bd.,  S.  119)  das 
Material  für  den  Semliner  und  Belgrader  Kaibau  lieferte,  erblickt  man  die 
Molkerei  der  Brüder  Gruber  mit  prächtigem  Viehstand  für  den  Milchbedarf  der 
Hauptstadt,  und  nahe  Cedics  durch  Wasser  und  Dampf  betriebene  Kunstmühle. 
Im  Sommer  verkehren  bis  Topcider  Vergnügungszüge.  Von  seinen  schönen 
Triften  wandert  der  Belgrader  gern  durch  lauschigen  Eichenwald  zum  Kloster 
„Rakovica",  dessen  Gründung  das  Volk  dem  hl.  Sava  zuschreibt  (I.  Bd.,  S.  119). 

Bald  darauf  erscheinen  im  tiefen  Einschnitte  zwischen  km  20  und  21,  am 
Fusse  der  burggekrönten  Avala,  eine  Zementfabrik  und  die  Werkhäuser  zur  Aus- 
beute ihrer  während  des  Bahnbaues  wieder  aufgefundenen  Quecksilberadern, 
welche,  wie  Geräte  und  Waffen  aus  der  neolithischen  Epoche  zeigen,  schon 
frühzeitig,  gewiss  aber  den  Römern  zum  Gewinne  von  Zinnober  bekannt  waren. 
Der  anfänglich  vielversprechende  Betrieb  der  Mine  wurde  1894  eingestellt  (1.  Bd., 
S.  124).  Das  auf  die  Station  Ripanj  (21,4  km  von  Belgrad)  folgende  gleich- 
namige Dorf')  überraschte  mich  schon  1860  durch  seine  zahlreichen  wohlhabenden 

')  Hier  wurde  der  bekannte  serbische  Schriftsteller  und  Akademiker  Milan  Dj. 
Milicevic  —  dessen  Schriften  der  verewigte  Verfasser  dieses  Werkes  vielfach  erwähnte 
und  benützte  —  7./19.  Mai  1831  geboren.     Er  starb  am  4.  17.  November  1908  zu  Belgrad. 


Von  Belgrad  zur  bulgarisch-türkischen  Grenze  mit  der  Bahn.  539 

Gehüftf.  Der  hier  anstehende,  seit  1883  l"abrii<mässi{>  erzeugte  und  stark 
exportierte  Zement  wurde  auch  in  dem  folgenden  16Ü0  m  langen  „Raljatunne!" 
verwendet,  was  doch  aber  seinen  durch  unausgesetzte  Regengüsse  in  der 
15.  Septembernacht  1899  verursachten  teilweisen  Einsturz  nicht  aufzuhalten 
vermochte.  Beim  Tunnelausgange  beginnt  auch  das  ältere  Schmerzenskind  der 
Belgrad  — Niser  Linie.  Die  Trace  übersetzt  den  tiefen  Ralja-Einschnitt  auf  einem 
hochangeschütteten  Steindamme,  dessen  häufige  Senkungen  nur  mit  grossen 
Opfern  zum  Stillstande  gebracht  werden  konnten.  Etwas  weiter  erscheint  bei 
der  netten  Station  Ralja  der  anschliessende  neue  stattliche  Ortsteil  mit  freund- 
lichen Häusern  und  zahlreichen  Kalkbrennereien.  Hier  verarbeitet  der  Italiener 
Tonetti  den  weissen  und  grauen,  metallisch  geäderten  Marmor  zur  architektonischen 
Dekoration  für  Belgrader  Bauten.  Sehr  reges  Treiben  herrscht  im  Herbste  auf 
der  53  km  von  Belgrad  entfernten  Station  Medjuluzje.  Auf  zahllosen  Wagen 
wird  aus  der  obstreichen  Umgebung  die  Pflaumenernte  herbeigeführt,  von  einem 
spekulativen  ungarischen  Kaufmann  zu  „Pekmez"  (Pflaumenobstmus)  gesotten  und 
exportiert.  Gleich  Medjuluzje  entwickelt  sich  das  auf  seine  Station  angewiesene 
nördlichere  junge  Städtchen  Mladenovac  durch  seinen  grossen  Viehniarkt  zu 
wachsender  Bedeutung. 

14,5  km  entfernt  von  dieser  zukunftreichen  Station  halten  wir  in  einem 
parkartig  aussehenden  Buchenhaine  bei  dem  freundlichen,  5050  Seelen  zählenden 
Kusadak. ')  In  diesem  Riesendorf  ist  Miloje  Djak,  Sekretär  des  während  der 
Freiheitskämpfe  viel  genannten  Wojwoden  Vujica,  geboren.  Unzufrieden  mit  dem 
oft  schwer  drückenden  Willkürregimente  des  ersten  Obrenovic,  organisierte  Miloje 
1825  eine  gegen  dessen  Herrschaft  gerichtete  Insurrektion  im  Smederevoer  Kreise. 
Mit  5000  Leuten  zog  er  gegen  Kragujevac,  ward  aber  von  Vucic  geschlagen  und 
auf  Milos'  Befehl,  ohne  richterlichen  Spruch,  zu  Batocina  getötet.  Das  nördlich 
von  Kusadak  liegende  noch  grössere  Selevac  (6803  Seelen)  ist  der  Geburtsort 
des  populären  Freiheitskämpfers  Stanoje  Glavas.  Schon  vor  der  grossen  Erhebung 
suchte  er  die  Berge  auf.  Den  Türken  Tod  und  Verderben  schwörend,  überall 
„verbrüdert",  d.  h.  mit  Gleichgesinnten  verbunden,  machte  er  sich  den  Unter- 
drückern gefürchtet.  1804  schlug  er  sich  nach  Topola  durch.  Als  man  dem 
Tapferen  die  Führung  des  aufgestandenen  Volkes  damals  anbot,  lehnte  er  ab: 
„Hajduk  bin  ich,  Hajduk  will  ich  bleiben!"  Nicht  nach  Auszeichnung  strebte  er, 
doch  wo  gekämpft  wurde,  war  er  unter  den  Ersten.  Als  1813  die  nationale 
Sache  unterlag  und  die  meisten  Führer  über  die  Save  flüchteten,  blieb  er  zurück. 
Skopljak  Pasa  hatte  aber  Glavas'  Aufenthalt  zu  Banicina  erfahren  und  sandte 
einen  Vertrauten  dahin,  ihn  zu  töten.  40  Arnauten  von  der  benachbarten  Karaula 
umzingelten  das  Haus,  in  dem  er  Zuflucht  fand.  Nachdem  sieben  Moslims 
gefallen,  brach  Glava§  im  nächtlichen  Dunkel  durch  den  dichten  Haufen,  strauchelte 
aber  und  konnte  sich  nicht  weiter  verteidigen.  Rasch  schnitt  ihm  ein  Arnaute 
den  Kopf  ab,  der  im  Triumphe  nach  Belgrad  gebracht  und  vor  dem  Paschakonak 
aufgespiesst  wurde.    Den  von  einer  mutigen  Frau  entwendeten  Schädel  beerdigte 


')  1905  zählte  dieser  Ort  (3044  Einwohner  in  855  Häusern. 


540  Von  Belgrad  zur  bulgarisch-türkischen  Grenze  mit  der  F^nhn. 

man  mit  dem  Körper  des  Patrioten  auf  dem  Batocinaer  Friedhofe.  Dem  nördlicheren, 
von  8320  Seelen  bewohnten  Dorfe  Azanja  entstammt  Djnsa  Vulicevic,  dessen 
rühmliche  Taten  während  des   Freiheitskriegs  ich   im  I.  Bande,  S.  133,  schilderte. 

Nach  zweimaliger  Kreuzung  der  Kubrsnica  erreichen  wir,  vorbei  an  blumigem 
Wiesengrund,  die  erste  grössere  Station  Palanka.  Das  Bezirksstädtchen  ist 
historisch  interessant.  Hier  traf  Bertrandon  de  la  Broquiere  1433  den  Serben- 
fürsten Brankovic,  Schwiegervater  des  Sultans  Murad,  mit  seinen  Söhnen 
und  grossem  Gefolge.  Der  vom  Fürsten  in  einem  Schlosse  bei  der  Stadt 
„Nikodim"  empfangene  berühmte  Reisende  schilderte  die  Hofleute  als  durch- 
gehends  schöne  Männer  mit  langem  Haar  und  Bart.  1428  bestätigte  der  Fürst 
in  dieser,  der  reichen  Jagd  wegen  von  ihm  gern  aufgesuchten  Residenz  den 
Ragusanern  urkundlich  ihren  Besitz  in  Serbien.  Man  vermutet  dieses  verschollene 
Nikodim  auf  dem  südwestlichen  „Jabucar"  zwischen  Palanka  und  Pridvorica, 
bei  dem  des  Fürsten  Gemahlin  Jerina  eine  mächtige  Feste  erbauen  wollte.  Als 
sie  die  Stelle  persönlich  besichtigte,  auf  der  bereits  viel  Material  gesammelt 
worden,  erhob  sich  plötzlich',  wie  eine  Volkssage  erzählt,  ein  den  Flug  gegen 
Norden  nehmender  Gänseschwarm  vor  ihr.  Die  Fürstin  folgte  diesem  Zeichen, 
entschied  sich  für  Smederevo,  liess  aber  aus  den  angehäuften  Steinen  viele 
Kirchen  in  Nikodims  Umgebung  bauen.  Als  der  Reisende  Gerlach  Palanka  im 
Gefolge  einer  kaiserlichen  Gesandtschaft  an  den  Sultan  1573  passierte,  hiess  es 
serbisch  Bela  Crkva  und  türkisch  „Ak  kilise"  (weisse  Kirche);  als  diese  zerstört 
war:  „Hasan  Pasa  Palanka",  jetzt  einfach  Palanka.  Bei  Palanka  schlug  1689  der 
Markgraf  von  Baden  sein  Lager  auf,  als  er  die  Türken  auf  der  von  Belgrad 
über  Grocka  und  Kolare  nach  Batocina  führenden  Heerstrasse  verfolgte;  es 
erhielt  eine  kleine  Besatzung,  die,  wie  In  allen  eroberten  „Palanken",  neben 
wenigen  Deutschen  meist  aus  Serben  bestand,  welche  sich  anfänglich  der  kaiser- 
lichen Fahne  angeschlossen  hatten.  In  einer  Depesche  klagte  der  Markgraf  über 
die  spätere  geringe  Unterstützung:  Das  serbische  Volk  ziehe  es  vor,  unter  die 
türkische  Herrschaft  zurückzukehren,  als  die  Nörgeleien  der  kaiserlichen  Beamten 
zu  ertragen.  Dies  erinnert  an  ähnliche  Berichte  in  den  ersten  Jahren  der 
österreichischen  Okkupation  Serbiens  (1717—1737)  seitens  der  vorurteilslosen 
Generale  an  den  k.  Hofkriegsrat. 

Im  Freiheitskrieg  erlangte  Palanka  wiederholt  Bedeutung.  1804  trat  hier 
Karadjordje  mit  türkischen  Belgrader  Notabein  zusammen,  um  über  die  friedliche 
Schlichtung  alles  Streits  zu  verhandeln.  ich  erzählte,  wie  resultatlos  dieser 
Versuch  verlief.  1809  tagte  hier  eine  Skupschtina,  die  den  an  der  Katastrophe  von 
Nis  schuldigen  Wojwoden  Miloje  Petrovic  schimpflich  des  Dienstes  entsetzte, 
und  1820  leisteten  sämtliche  Knezen  und  Kmeten  der  östlichen  Kreise  Milos 
als  „Erbfürsten  von  Serbien"   den  Eid  der  Treue. 

Das  78,75  km  von  Belgrad  entfernte,  durch  seine  grossen  Viehmärkte  und 
nahe  dem  Bahnhof  erbauten  steinernen  „Schweine-Salase"  berühmte  Palanka 
besitzt  3180  Einwohner'),  sehr  hübsche  Häuser,  zwei  Dampfmühlen,  eine  Sparkasse, 


')  1905  zählte  dieses  Bezirksstädtchen  in  739  Häusern  3739  Einwohner. 


Von  Belgrad  zur  buls,'arisch-tiirkischen  Grenze  mit  ilcr  Bahn.  541 

die  1895  mit  dem  Hilfs-  und  Sparvereiii  „Sumadija"  11,5  Mill.  d  zu  12"/o(!)')  in 
Verkehr  brachte,  eine  Apotheke,  eine  gute  Schule  und  seit  kurzem  eine  neue  Kirche, 
obschon  das  Material  für  diese  seit  20  Jahren  aufgestapelt  lag.  Fürst  Mihail 
erliess  nämlich,  angeregt  durch  die  1862  von  mir  in  Bild  und  Wort  nachgewiesene 
Schönheit  der  altserbischen  Kirchen  in  byzantinischem  Stile,  dessen  Formen  am 
besten  dem  orientalischen  Kultus  entsprachen,  einen  Ukas,  der  einzig  dessen 
Anwendung  für  alle  neu  zu  erbauenden  gestattete.  Die  Palankaer  Notabein 
forderten  aber  beharrlich  eine  Kirche  mit  hohem  Turme,  wozu  das  Baulen- 
ministerium  die  Frlaubnis  verweigerte.  Zuletzt  schloss  man  ein  Kompromiss, 
das  in  einem  nicht  allzu  hohen  Turme  und  Kuppeln  zum  Ausdruck  gelangte.  Die 
ein  hübsches  architektonisches  Zentrum  gewinnende  Stadt  wird  weit  mehr  Fremde 
anziehen,  sobald  ihr  wohlschmeckender  Säuerling  im  nahen  Vodice  zur  Anlage 
eines  Badeortes  führen  wird.  Palankas  auch  am  Bahnhofe  verkaufte  „gibanice", 
eine  Art  Kuchen,  sind  als  die  trefflichsten  in  ganz  Serbien  bekannt. 

Grasreiche  Triften,  schöne  Maiskulturen  und  dichte  Laubwäldchen  durch- 
schneidend, gelangen  wir  nach  Velika  Plana  (90,545  km  von  Belgrad).  Hier 
münden  die  von  den  Donauhäfen  Smederevo  und  Dubravica  ausgehenden  Zweiglinien 
in  den  Niser  Schienenstrang.  Vor  dem  vom  Dorfe  ziemlich  weit  entfernten  netten 
Stationsgebäude  herrscht  reger  Verkehr,  und  kann  man  an  diesem  zukunftreichen 
Knotenpunkte  so  recht  beobachten,  wie  sehr  die  abendländische  Tracht  das 
bunte  Bauernkostüm  namentlich  in  den  Arbeiterkreisen  verdrängt.  Im  Sommer 
1890  gründete  hier  die  Cöllner  Firma  Klefisch  &  Scheuss  ohne  allen  Lärm  eine 
Fleischwarenfahrik,  die  bald  grosse  Vorteile  dem  unmittelbaren  und  selbst  weiteren 
Umlande  durch  die  lohnendere  Verwertung  ihres  Viehes,  Geflügels  usw.  brachte. 
Schon  während  der  ersten  Winterkanipagne  wurden  400  Ochsen,  3000  Schweine, 
20000  Stück  Geflügel  und  Wildbret,  darunter  mit  1.20  Frank  das  Paar  bezahlte  Reb-, 
Haus-  und  Steiiihühner  von  Nis  und  Pirot,  frisch,  in  Wurstform  oder  geräuchert  nach 
Deutschland  exportiert.  Diese  schon  seit  1891  durch  Dampf-  und  Maschinenbetrieb 
alljährlich  gestiegenen  und  grösseren  Gewinn  abwerfenden  Resultate  bewogen  die 
1895  zu  Belgrad  konstituierte  serbische  Gesellschaft  für  Schweineschlachtung 
nach  amerikanischem  System,  das  Etablissement  zur  beabsichtigten  Erweiterung  um 
100000  d  anzukaufen.  Scheuss  errichtete  dort  eine  Dampffleischerei,  die  gleichfalls 
mit  gutem  Erfolg  arbeitet.  Neuestens  wird  auch  der  Eierexport  im  grösseren 
Massstabe    betrieben,    was  ihr   niederer   Preis:    12  —  20  Cent   in    Pirot,   begünstigt. 

5  km  südlicher  liegt  nahe  der  Bahnlinie,  in  einer  romantischen  Schlucht, 
das  kleine  Kloster  Koporin,  das  nach  langem  Verfalle  1880  durch  vier  umliegende 
Gemeinden  erneuert  und  mit  11  Hektar  Feldern,  Weingärten  und  Wald  begabt 
wurde.  Die  Haupteinnahme  erzielt  es  durch  den  starken  Besuch  seines  wunder- 
tätigen Sv.  Stevan-Kirchleins,  dessen  Gründung  man  Stevan  Visoki  (1389—1427) 
zuschreibt.  Dieser  erscheint  al  fresco,  mit  dem  Kirchenmodell  in  der  Hand, 
unter  anderen  mittelmässig  ausgeführten  Bildern.     Der  Narthex  des  in  Kreuzform 


')  1906  betrug  der  Umsatz  der  Sparkasse   11,6  und  jener  des  Sumadija-Sparvcreiiis 
nur  3,1  Mill    d.     Die  Sparkasse  wurde  1887  und  der  Sparverein  1894  gegründet. 


542  Von  Belgrad  zur  bulgarisch-tiirkisclK'ii  nreiizL'  mit  der  Bahn. 

mit  halbrunden  Chor-  und  Seitenapsiden  angelegten  alten  Baues  wurde  bei  der 
Renovierung  vergrössert.  Da  man  von  verschiedener  Seite  behauptete,  dass  sich 
unter  dem  Estrich  Grüfte  befinden,  wurde  1886  eine  Kommission  entsendet;  doch 
blieb  die  von  dem  Smederevoer  Kreisingenieur  Karakasevic  geleitete  Aufgrabung 
vergeblich.  Der  Palankaer  Kapetan  sammelte  Geld  zum  Bau  eines  neuen  Hauses 
für  die  Mönche,  und  gläubig  pilgert  selbst  von  fern  das  Volk  an  Sonn-  und 
Feiertagen  hin,  um  Linderung  in  Krankheit  zu  finden.  Auch  dem  „Vidova  voda" 
beim  nahen  Vodice  schreibt  es  besondere  Heilkraft  zu,  weil  es  bei  einem  in 
Ruinen  liegenden  Kloster  entspringt,  das  der  am  Vidov  dan  auf  Kosovo  getötete 
Zar  Lazar  gestiftet  haben  soll.  Man  sieht,  der  Wunderglaube  ist  auch  bei  den 
Moravaserben  stark  im  Schwange. 

Durch  die  fruchtbare  Niederung  geht  es  hart  an  der  Morava  vorüber  an 
Stari  Adzbegovac,  dessen  neue  Kirche  mit  roter  Kuppel  es  hoch  überragt, 
nach  Markovac,  wo  nahe  der  Lepenicamündung  eine  Fähre  über  den  Fluss 
setzt.  In  der  folgenden,  109,7  km  von  Belgrad  fernen  Station  Lapovo  kreuzen 
sich  die  von  Belgrad  und  Nis  kommenden  Züge.  Auch  die  30  km  lange,  bereits 
geschilderte  Zweigbahn  von  Kragujevac  mündet  an  diesem  bedeutsamen  Punkte, 
bei  dem  schon  zur  Römerzeit,  wie  ich  1888  feststellte,  sich  eine  grosse  An- 
siedelung befand  (siehe  I.  Bd.).  Lapovo  nimmt  nicht  allein  einen  grossen  Teil  der 
Zerealienausfuhr  des  fruchtbaren  Svilajinacer  Morava-  und  Mlavabeckens  auf, 
sondern  auch  den  Vieh-,  Holz-  und  Rohproduktenexport  aus  dem  Westen  von 
Kragujevac,  Kraljevo,  Cacak  und  anderen  Orten.  Es  zählt  zu  den  gewinn- 
bringendsten Stationen  der  Belgrad— Niser  Strecke.  Alle  Züge  machen  hier 
längeren  Halt,  und  die  bescheidene  Restauration  kann  mittags  kaum  die  bunte 
Menge  der  Aussteigenden  fassen.  Kaufleute,  Offiziere,  Popen,  Bauern  drängen 
sich  um  die  wenigen  Tische  und  den  stets  umlagerten  Bierausschank. 

Von  Lapovo  erblickt  man  am  jenseitigen  Ufer,  auf  dem  steilen  Terrassenrande, 
das  von  Baumgrün  umrahmte  Kloster  Miljkov,  dessen  1854  erneuertes,  „Maria 
Reinigung"  geweihtes  Kirchlein  und  Mönche  für  das  Seelenheil  der  nahen  Orte 
sorgen.  47  Hektar  Felder,  Wiesen,  Obstgärten  und  Wald  nennt  es  sein  eigen; 
Einnahmen  und  Ausgaben  balancieren  mit  rund  3000  d.  Entsprechend  der 
traditionellen  Sage,  dass  ein  frommer  Bauer  Miljko  mit  seinen  vier  Brüdern  Tuta, 
Jakov,  Zlatko  und  Tonia  fünf  Klöster  an  der  Morava  stiftete,  erscheint,  nachdem 
wir  die  W.  von  den  Rudniker  Bergen  begrenzte  reiche  Ebene  durchfahren  haben, 
der  Station  Bagrdan  gegenüber,  die  Ruine  des  Kirchleins  Tomic.  Das  von 
der  Osaonica  durchflossene  „  Deve" -Bagrdan  („Devi  Bakerdan"  in  damaligen 
österreichischen  Karten),  dessen  nun  abgelegten  Beinainen  Vuk  von  „deve"  (Kamel) 
ableitete,  ist  eine  um  1700  gegründete  türkische  Palanke,  um  welche  1717  von  den 
Kaiserlichen  und  namentlich  1815  von  den  Serben  viel  gestritten  wurde.  Zu  jener 
Zeit  rechnete  man  nach  dem  gleichfalls  befestigten  Jagodina  4  Tage,  heute  selbst 
bei  langsamer  Bahnfahrt  gleichviel  Stunden!  Dicht  an  die  Morava  vorspringende 
Felsen  zwangen  auf  dieser  Strecke  die  Schienentrace  hart  an  den  Fluss,  dessen 
Ufer  durch  viele  künstliche  Steinsporne  versichert  werden  musste.  Die  gegen 
W.  und  S.  auftauchenden  hohen  Gebirgszüge  verschönen  das  abwechselungsreiche 


Von  Bels^r;i(J  zur  bulgarisch-türkischen  Grenze  mit  der  H;ihn.  543 

Landschaftsbild  bis  zu  dem  durch  eine  junge  Anpflanzung  verschönten  Stations- 
hause des  geschichtsreichen  Jagodina  (1.  Bd.,  S.  168). 

Vorüber  an  jagodinas  von  Dohlen  umflatterter,  allen  Stürmen  trotzender 
Moscheeruine,  die  an  des  Halbinonds  Olanzepoche  erinnert,  während  die  neue 
prächtige  Kuppelkirche^  die  Schornsteine  seiner  Glasfabrik  und  anderer  Industrien 
den  Anbruch  einer  neuen  Zeit  verkünden,  geht  es  über  die  32Ü  m  lange,  elegant 
konstruierte  Morava-Eisenbrücke  nach  Cuprija,  dem  Horreum  Margi  der  Römer. 
F^feilerreste  zeigen,  dass  bereits  diese  den  FIuss  überbrückten,  und  gleich  interessant 
ist  es,  dass  die  Serben  auf  der  Stelle  des  antiken  Arsenals  in  den  letzten  Jahren  ein 
neues  für  die  Pontonier-  und  Geniewaffe  erbauten  (I.  Bd.,  S.  228).  Der  alten  Römer- 
trace  folgend,  zieht  die  Bahn  geradlinig  auf  topfebenem,  oft  Überschwemmungen 
ausgesetztem  Terrain  nach  der  schon  geschilderten  rechtsuferigen  Station  Paracin. 
Das  Städtchen  vollendete  einen  für  seine  Verhältnisse  riesigen  Kirchenbau  mit 
llochturm  und  Kuppel.  Ein  dampfender  Schlot  verrät  die  Lage  seiner  vom  Mährer 
Münch  gegründeten  Tuchfabrik. ')  Paracin  ist  nicht  allein  der  Mittelpunkt  des 
serbischen  Wollhandels  —  selbst  sächsische  Fabrikanten  treten  als  Käufer  auf  — 
sondern  auch  Exportstation  für  die  landwirtschaftliche  Produktion.  So  erwacht 
in  diesen  früher  stillen  Tälern  durch  der  Lokomotive  Zauberkraft  überall  frisch 
pulsierendes  Leben  und  unbeachtete  Bodenschätze  werden  nunmehr  zu  lohnenderer 
Verwertung  gebracht.  Auf  den  grasreichen  linksseitigen  Höhen  weiden  grosse 
Schafherden;  vielleicht  stammen  sie  von  jenen  der  prähistorischen  Hirtenvölker, 
ileren  Anwesenheit  auf  diesem  reichen  Boden  neolithische  Funde  in  Paracins 
Umgebung  bezeugen.  Auf  dem  westlichen  Moravaufer  ragen  die  Steilhöhen  des 
Jnhors  auf,  an  welchen  Reste  römischer  und  mittelalterlicher  Burgen  kleben  und 
manches  romantische  Märchen  sich  knüpft  (1.  Bd.,  S.  533). 

Bei  dem  unterhalb  der  nächsten  Station  Sikirica  berührten,  in  372  Häusern 
2300  Bewohner-)  zählenden  langgedehnten  Orte  Cicevac  wurde  vom  Belgrader 
Advokaten  Dr.  Milan  Markovic  1894  ein  Lignitkohlenbau  hoffnungsvoll  begonnen, 
doch  schon  1897  wegen  ausgebrochenen  Prozesses  wieder  eingestellt.  Südwest- 
licher drängen  riesige  Kalkfelsen  die  Bahntrace  hart  an  den  Uferrand.  Es  folgt 
die  Station  Stalaci,  von  der  eine  treffliche  Strasse  zur  westlichen  Zarenstadt 
Krusevac  führt  und  den  Verkehr  mit  seiner  obst-  und  weinreichen  Umgebung 
vermittelt.  Dass  dieser  im  Wachsen,  zeigen  die  vielen  neuen  Mehanen  (Gasthäuser) 
hinter  dem  Bahnhof,  der  starke  ambulante  Obsthandel,  welchen  hier  Bauernfrauen 
treiben;  das  weissrot  gestreifte,  malerisch  gefaltete  Kopftuch  kleidet  sie  hübsch.  Die 
Männer  tragen  niedere,  dunkle  Fellkappen.  Links  bleibt  das  Kirchlein  Sv.  Nikolje. 
Von  der  jenseitigen  Höhe  blickt  das  zerbröckelnde  Turmgemäuer  des  Schlosses 
Stalac  herab,  der  Ort  von  Todors  Heldentat,  die  eines  der  schönsten  serbischen 
Volkslieder  besingt. 

Hinter  Stalac  schliessen  die  den  Moravalauf  begleitenden  rauchblauen 
Berge,    deren   stetig  wechselnde  Profile  kaleidoskopartig   immer   neue   Bilder   vor 

')  S.  Fussnofe  auf  S.  379. 

■')  1905  zählte  dieser  Ort  3210  Einwohner  in  Ö34  Hausern. 


544  Von  Bel.nrad  zur  bulsiariscli-türkisclieii  Grenzt.'  mit  der  Bahn 

das  Auge  zaubern,  eng  zusammen.  Die  Bahnlinie  musste  mit  grossen  Opfern 
hier  in  die  steilgeböschtcn,  die  Ufer  besäumenden  Granitmassen  geschnitten 
werden.  Diese  bilden  pittoreske  Klippen  im  Fiussbett;  aus  dem  durchgrabenen 
Löss  ragen  zwisciicn  alten  Silberpappeln  hohe  Felsmonolithe  in  die  Luft.  Auf 
dem  langen,  von  der  Morava  bespülten  Steindamme  nimmt  die  Lokomotive  ein 
behutsames  Tempo.  Das  schwierigste  Objekt  bildet  der  bald  hinter  Stalac 
angelegte,  224  m  lange  Tunnel,  ohne  den  es  unmöglich  gewesen  wäre,  hinaus  in 
das  Aleksinacer  Becken  zu  gelangen.  Wegen  des  Rutschterrains  am  Defileeausgange 
musste  die  Linie  weiterhin   wieder   auf  das   rechte   Ufer  hinüber  geführt  werden. 

Das  zwischen  den  linksuferigen  Kalkfelsen  mit  eingesprengten  Granaten 
stehende  Kirchlein  Sv.  Nestor  (S.  106)  bildete  den  Schlüsselpunkt  der  von  den 
Serben  im  Jahre  1876  verteidigten  Position  bei  Djunis;  bis  zu  dem  in  der 
rechtsuferigen  Schlucht  liegenden  Kloster  Sv.  Roman  (S.  106)  waren  die  feind- 
lichen Flankier  vorgedrungen.  Vorbei  an  den  Höhen,  von  welchen  die  feindliche 
Artillerie  diese  erschütterte,  und  dem  jenseitigen  befestigten  Lager  von  Deligrad, 
bei  dem  sich  die  grossen  Kämpfe  im  ersten  Freiheitskriege  abspielten  (S.  107), 
fahren  wir  bei  der  Station  Korman  mit  schöner  Mehana  an  einer  zum  Deligrader 
Lagergürtel  gehörenden  Schanze  von  1809  vorüber  und  an  den  nahe  im  nördlichen 
Mündungswinkel  des  Pescanica  sichtbaren,  285X115  Schritte  langen  Grundmauern 
eines  oblongen  Römerkastells  mit  2  m  starken  Mauern  von  26X32  cm  grossen 
Ziegeln,  welche  das  Material  zum  Wiederaufbau  des  1876  arg  verwüsteten  reichen 
Dorfes  lieferten,  bei  welchem  Anlasse  man  dort  auf  zwei  antike  Gräber,  viele 
Münzen  vom  Kaiser  Claudius  usw.  stiess.')  Auch  das  1876  zerstörte  alte  Kloster- 
kirchlein Sv.  Petka  wurde  seitdem,  doch  ohne  Kuppel,  als  Pfarrkirche  für  Trnjane, 
Gredetin,   Gornji  und  Donji  Adrovac  erneuert. 

Am  Fusse  der  rebenbepflanzten  Höhen  von  Prcilovica,  in  dem  Anta  Petrovic 
einen  lateinischen  Inschriftstein  bewahrt,  steht  inmitten  vieler  Mehanen  die  grössere 
Station  Aleksinac;  die  Stadt  selbst  liegt  aber  4  km  landeinwärts.  Man  erblickt 
ihre  Häuser,  den  Kirchturm  und  den  hochstehenden  Obelisken,  den  die  Russen  ihren 
1876  an  der  Seite  der  Serben  gefallenen  Landsleuten  errichteten.  Jeder  Schritt 
Boden  weiter  südlich  ist  mit  Blut  getränkt;  doch  sind  die  Kriegswunden  äusserlich 
nicht  mehr  sichtbar.  Die  freundlich  anmutenden  Häuser  im  Talgrunde  wurden 
mit  drei-,  selbst  fünfbogigen  Vorhallen  und  roten  Ziegeldächern  wieder  aufgebaut. 
Allerorten  zeigen  grosse  Zwetschkengärten,  riesige  Lämmer-  und  Truthühnerherden, 
dass  hier  der  Boden  seiner  fleissigen  Bevölkerung  gut  lohnt.  Bei  dem  alten 
Grenzblockhause  Supovac  setzt  der  Schienenstrang  über  die  Morava  und 
durchschneidet  die  vorgeschobenen  Forts  und  das  Vorglacis  mit  den  grossartigen 
neuen  Kasernen -Pavillonbauten  der  Geburtsstadt  Konstantins  des  Grossen.  Im 
V.  Kapitel  findet  man  sie,  das  heutige  Nis,  im  VII.  Kapitel  seine  Umgebung 
geschildert. 

Nis'  grosse  Bahnstation  bildet  den  Abzweigungspunkt  für  die  Linien  nach 
Salonik  und  Konstantinopel.    Hier  befinden  sich  die  Werkstätten  für  die  Erhaltung 


')  Slarinar,  VII,  S.  45. 


Von  Bolyrad  zur  bulgarisch-türkischen  Orcnze  mit  der  Fiahii.  545 

des  Bahnkörpers  und  rollenden  Materials.  Zwischen  Nis  und  Bcijj;rad  verkehren 
gegenuiirtii;  drei  Züge.  •)  Der  Personenverkehr  bdtrug  1906:  627  930  Passagiere,  die 
Frachtenbevvegung  4  753300  Meterzentner;  die  Einnahmen  aus  beiden  brachten 
1906  nahezu  5  710000  d. 

2.    Nis — Zibevce  (Salonik). 

Im  Frühjahre  1888  ward  das  mitteleuropäisciie  Baiinnetz  mit  Salonik  durch 
die  122  km  lange  Linie  Nis  — Vranja  verbunden.  Diese  ist  reich  an  pittoresken 
Punkten.  Nahe  bei  der  auf  S.  174  geschilderten  Schlossruine  Kurvingrad  über- 
setzt die  Vranjaer  Linie  die  Morava  und  gleich  darauf  die  Toplica,  um  in 
der  breiten  Ebene,  mit  Berührung  der  einträglichen  E.xportstation  Pecenjevce, 
das  freundliche  Leskovac,  den  Stapelplatz  des  dardanischen  Hanfhandels,  zu 
erreichen,  dessen  Bedeutung  ich  im  IX.  Kapitel  würdigte.  Dort  findet  man  auch 
die  Geschichte  und  interessanteren  Bauten  dieser  Stadt  besprochen,  ihre  weithin 
in  die  schöne  Landschaft  leuchtende  hochliegende  Kuppelkirche  beherrscht  das 
reiche  flache  LIniland,  dessen  interessantere  Punkte  die  Leser  bereits  kennen 
lernten. 

Zwei  Stunden  südlich  von  Leskovac  tritt  der  Schienenweg  in  die  ürdelicka 
Klisura  ein,  deren  linksuferige  Steilhänge  ihn,  wie  früher  die  römische  Heerstrasse, 
zum  Übergang  auf  das  rechte  Moravaufer  zwangen.  In  diesem  strategisch 
wichtigen,  von  dünnplattigen  Glimmerschiefern  konstituierten  Defilee  sieht  man 
auf  dem  linken  Ufer,  am  Einfluss  der  Kopasnica,  ausgedehnte  Ruinen  einer  alten 
Stadt,  genannt  „pazariste",  auf  dem  rechten  an  der  Kozarska  reka -Mündung 
und  auf  dem  südlichen  Berge  bei  Dedina  Bara  auch  Reste  von  Kastellen,  welche 
die  Anwohner  mit  dem  „lateinischen"  Zaren  Konstantin  in  Beziehung  bringen- 
Sie  hatten  die  von  Turres  (Pirot)  auf  den  Thessalonicher  Heerweg  übergehende 
Römerstrasse  zu  schützen.  Andere  Kastelle  befanden  sich  am  iinksuferigen 
720  m  hohen  Jasenovac  bei  Grahovo,  SW.  von  Padez  und  NW.  von  Zebince  auf 
der  Kukavica.  Eine  Sage  erzählt,  dass  die  Türken  das  Schloss  an  der  Kozarska 
reka  erst  bezwingen  konnten,  nachdem  sie  seinen  „lateinischen"  Verteidigern 
das  Wasser  abgeschnitten;  diese  flüchteten  nach  dem  ürahovicafelde,  wo  sie 
eingeholt,  niedergemetzelt  oder  zu  Sklaven  gemacht  wurden.  Das  Feld  heisst 
seitdem  „Robin  Delo"  (Sklavenfeld)  und  blieb  eine  grosse  Grabstätte.  Zu  jener 
Zeit  sollen  auch  zwei  alte  Kirchlein  in  und  bei  dem  nahen  Slatina  zerstört 
worden  sein. 

In  der  günstigen  Position  bei  Donja  Kopa.snica  versuchten  die  aus  der 
Umgebung  von  Leskovac  vertriebenen  Türken  und  ;\rnauten  im  Januar  1878  die 
vordringenden  Serben  aufzuhalten.  Am  20.  Januar  verlor  die  vom  Major  Milovan 
Paviovic  befehligte  Artillerie  ein  Geschütz,  das  aber  nach  heissem  Kampfe  zurück- 
gewonnen wurde.  Am  nächsten  Tage  kam  es  zur  Entscheidung  und  wurden  die 
Mosüms  südlicher,  bei  ürdelica,  durch  den  Oberst  Nicifor  Jovanovic  entscheidend 

')  Ausserdem  verkehren  zwischen  Beigrad  und  Nis  {Konstantinopel)  wöchentlich  drei 
„Blitzzüge". 

F.   KANITZ,  Serbien.    M.  35 


54(5 


Von  15clgrad  zur  bulgarisch-türkischen  Grenze  mit  der  Balui. 


auf     der     kurzen     Strecke     zwischen 

letzterem  befand  sich  am  Manastirski 

Nacii     der    Tradition    töteten    seine 

mit    seinem    Gefolge.      Ein    .glücklich 


geschlagen  und   gegen   Vranja  zurückgedrängt.     Die   Serben    verloren    in    diesen 
Gefechten  54  Tote  und  242  Verwundete. 
Zweimal     kreuzt    die     Schienentrace 
Grahovo  und   Repiste  die  Morava.     Bei 
potok    das    grosse     Kloster   Sv.    Nikola. 
70   Mönche    einen    hier   lagernden    Pascha 
entkommener   Jüngling    kehrte    an    der  Spitze    einer    über    den  Verrat    erbitterten 
Türkenschar   zurück,    welche    alle    Mönche    des    in    Brand    gesteckten    Klosters 
ermordete;  mehrere  Vertiefungen  im  Boden  bezeichnen  ihre  Gräber. 

Von  dem  rechtsuferigen  Susevje  streicht  ein  bisher  nicht  aufgeschlossenes 
Steinkohlenlager  zum  jenseitigen  Mrtvica  hinüber.  Einige  Kilometer  weiter 
fesselt  im  südlichen  Defileeteil,  in  dem  durch  eine  mächtige  Revolution  chaotisch 
durcheinandergeworfenen,  von  Buschwerk  durchwachsenen  Felsgewirr,  das  auf 
dem  rechten  Moravaufer  weiss  in  des  Himmeis  Bläue  starrt,  ein  Monolith,  der 
„Devojkin  Kamen"  (Jungfraustein),   unsere  Blicke.     Das  Volk   erzählt  von   ihni 

in  verschiedener  Weise  folgende  Sage.  Einst  zogen 
christliche  Mädchen  des  nahen  Dorfes  Dupljane  zum 
Fluss,  um  Wache  zu  bleichen.  Eins  blieb  länger  zurück. 
Die  besorgte  Mutter  sucht  und  findet  ihre  Tochter 
schwatzend  mit  vorüberziehenden  türkischen  Soldaten. 
Vergebens  mahnt  sie  jene,  nach  Hause  zu  eilen.  Da  flucht 
ihr  die  Mutter:  „Dass  Gott  Dich  in  Stein  verwandle!", 
was  sofort  geschah.  So  steht  das  Mädchen  mit  der 
Wäsche  auf  dem  Kopfe  versteinert  da  für  alle  Zeiten, 
und  das  Defilee  hiess  fortan  bulgarisch  „Moniina 
Klisura",  albanesisch  „Dzepa",  türkisch  „Kis  derbend", 
was  gleichfalls  „Mädchenpass"   bedeutet. 

Durch  einen  Tunnel  schneidet  die  Trace  eine 
bedeutende  Flusskurve  ab,  geht  sodann  auf  das  ihr 
geringere  Schwierigkeiten  entgegensetzende  linke  Ufer 
über  und   erreicht  die   wichtige  Station  Vladicin  Han, 

bei  der  man  eine  lohnende  Aus- 
sicht in  das  jenseitige  reiche 
Vrla-  und  Masuricatal  gewinnt. 
Die  in  dasselbe  über  Altserbien 
eingedrungenen  Amanten  sie- 
delten dort  bis  1878  in  elf 
Dörfern,  emigrierten  aber  nach 
dem  Übergange  dieses  Ge- 
bietes in  serbischen  Besitz  und 
wurden  seitdem  durch  serbische 
Einwanderer  ersetzt. 

Landschaft  und  Orte  dieser 
Der  .Mom.n  Kamen.  ii"     IX.    Kapitel    geschilderten 


Vom  Belgrad  /.iir  bulgarisch-Iiirkischcn  ürciuc  mit  tfur  Bahn.  r)47 

Strecke  bis  V'raiija  traj^en  unwirtlichen  Ciiarakter.  Unterhalb  der  Station  Pribuj 
wechselt  die  Linie  wieder  das  Ufer  und  gelani^t  zur  Haltestelle,  von  welcher 
man  das  berühmte  Vranjska  Bau  ja,  eine  der  heissesten  europäischen 
Thermen  mit  85"  C,  in  einer  Stunde  erreicht.  Nochmals  kreuzt  die  Bahn  den 
Fluss,  läuft  am  Fusse  der  jenseits  1251  m  aufragenden  Placevica  hin,  welcher 
i^egenüber  die  1 196  m  hohe  Krstilovica  erscheint.  Zwischen  beiden  erscheint 
Marko  Kraljevics  berühmte  Hochburj^  (S.  250),  doch  die  einst  durch  sie 
beschützte,  eine  halbe  Stunde  von  ihrer  Bahnstation  entfernte  Stadt  Vranja 
entzieht  eine  sie  deckende  Vorhöhe  gänzlich  unserem  Blicke.  Dafür  tritt 
gegen  W.  die  weisse  Ljubotinspitze  des  Sargebirges  in  Sicht,  die  Grisebach  1839 
barometrisch  mit  2500  m  berechnete,  die  Generalkarte  des  k.  k.  milit.-geogr. 
Instituts  trotzdem  aber,  unaufgeklärt  auf  welcher  Grundlage,  1870  irrig  mit 
3050')  m  verzeichnet,  wie  sie  fortan  nahezu  auf  allen  Karten  als  höchste  der  Balkan- 
lialbinsel  erschien,  bis  Cvijic  1890  anlässlich  seiner  Besteigung  des  Ljubotin 
ihre  Höhe  auf  2740  m  feststellte,  was  neuere  Messungen  auf  das  schon  von 
Grisebach  vor  60  Jahren  bestimmte  Mass  -von  rund  2500  m  erniedrigten  -), 
so  dass  der  alte  Göttersitz,  der  griechische  Olympos  (2973  m),  wieder  den 
ersten  Rang  unter  sämtlichen  Bergen  zwischen  iler  Save,  Adria  und  dem  F^)ntus 
zurückgewann. 

In  einer  Stunde  erreichten  wir  auf  der  schon  geschilderten  letzten  kurzen 
Strecke  die  Grenzstation  Ristovac-Zibevce.  Sie  liegt  schon  auf  türkischem 
Gebiet.  Hier  wurde  am  19.  Mai  1888  im  Beisein  zahlreicher  geladener  Gäste 
die  letzte  Schiene  zu  Belgrads  Verbindung  mit  Salonik  feierlich  gelegt.  Das 
moslimische  Zeremoniell  war  sehr  originell.  Auf  den  Schienen  wurde  ein  Hammel 
rituell  geschlachtet,  und  ein  Imam  rief  Allahs  Segen  auf  das  vollendete  Werk 
herab.  Die  Stationsgebäude  sind  unbedeutend,  die  türkischen  Trains  werden  mit 
orientalischer  Bedächtigkeit  zusammengestellt,  die  Pässe  genau  revidiert.  Während 
die  serbischen  Beamten  meist  deutsch  oder  französisch  sprechen,  kann  man  sich 
den  sie  ablösenden  Türken  nur  durch  das  übliche  Backschisch  verständlich 
machen.  Das  charakteristische  „Javas,  javas!"  beschwichtigt  Ungeduldige.  Alles  zeigt 
stark  asiatischen  Zuschnitt.  Ein  Schritt  über  die  serbische  Grenze,  und  man  fühlt 
sich   auf  der  Schwelle  zwischen   Occident  und   Orient! 

In  den  ersten  Betriebsjahren  gab  es  keinen  direkten  Zug  von  oder  nach 
Salonik;  die  Reisenden  mussten  mit  grossem  Zeitverlust  im  primitiven  Han 
zu  Zibevce  übernachten.  Seit  1890  wurde  diesem  empfindlichen  Übelstande 
abgeholfen.  Direkte  Züge  verkehren  zweimal  täglich  in  jeder  Richtung,  und 
seitdem  hob  sich  der  anfänglich  äusserst  geringfügige  Verkehr.  1898  betrug  die 
Personunfrequenz  der  Strecke  Nis — Zibevce  215500,  die  Frachtenbeförderung 
1434400  Meterzentner;  demnach  höchst  bescheidene  Resultate  gegenüber  den 
sanguinischen  Erwartungen,  welche  an  die  Eröffnung  des  Belgrad -Saloniker 
Schienenwegs  geknüpft  wurden. 


')  S.  Fussnote  auf  S.  121. 

')  Mitt.  d.  k.  u.  k.  milit  -gcogr.  Inst.,  XVIII.  Bd  ,  S.  97.  Wien   1898. 

35* 


r)4S 


Von  Belgrad  zur  bulgariscli-türkischeii  Grenze  mit  der  Bahn. 


3.  Nis — Caribrod  (Konstantinopel). 

Auch  diese  am  1.  August  1888  eröffnete  Strecke  erfüllte  nicht  die  gehegten 
überschwenghciien  Hoffnungen.  Es  verkehren  nun  täglich  drei  Passagierzüge  und 
wöchentlich  drei  „Bützzüge"  in  jeder  Richtung.  Die  Zahl  der  Reisenden  hob 
sich  schon  im  ersten  Betriebsjahre,  ebenso  der  Frachtenverkehr. 

So  reich  auch  die  Nis-Vranjaer  Linie  an  landschaftlichen  Schönheiten  ist, 
steht  sie  an  pittoreskem  Reize  weit  zurück  hinter  der  Nis-Piroter  Seitenlinie. 
Insbesondere  ist  das  7  km  lange  Nisava-Defilee  zwischen  Banja  und  Bela 
Palanka  ein  wahres  Schatzkästlein  hochromantischer  Felsszenerien;  Geschichte, 
Sage  und  Mystik   leihen   ihnen   erhöhtes  Interesse.     Die  geradlinig  aufsteigenden 


BANJA.    Suv;i  Piariiiia  von  der  Nis.i\a-BahnbriKkc  i^eiehen. 


Kalkmauern  rücken  dort  so  eng  zusammen,  dass  der  über  die  Felssohle 
hinbrausende  Fluss  ihren  Fuss  benagt  und  die  Römer  es  vorzogen,  ihre  Strasse 
hoch  über  die  Berge  zu  führen.  Der  modernen  Ingenieurkunst  war  es  vorbehalten, 
den  sich  türmenden  natürlichen  Schwierigkeiten  durch  grossartige  Felssprengungen, 
hohe  Stützmauern,  Brücken  und  sechs,  oft  in  Kurven  angelegte,  40—250  m  lange 
Tunnels  die  Bahn  für  den  Schienenstrang  abzuringen.  Die  häufigen,  jede  Aussicht 
hindernden  Felssporne  machten  die  Anlage  von  30  Wächterhäusern  zwischen 
Nis  und  Bela  Palanka  notwendig;  die  Wächter  erhalten  nur  55  Franken  monatlich 
trotz  ihres,  der  häufigen  Steinabstürze  wegen  s§hr  verantwortlichen,  schwierigen 
Dienstes. 

Nachdem  der  Schienenstrang  von  Nis  die  östlich  sich  dehnende  Ebene 
parallel  mit  der  geradlinigen  Konstantinopeler  Strasse  bis  zur  Station  „Warmbad 
Banja"  durchschnitten  und  dann  bald  darauf  die  Nisava  gekreuzt,  biegt  er 
zwischen    Prosek   und    Malca    in    ihr  von  braunroten  Tonschiefern,  Sandsfeinen 


Von  Belgrad  zur  bulgarisch-türkischen  Grenze  mit  der  Bahn. 


549 


und  tjraucn  Kalken  konstituiertes,  10  km  langes  Defilee  ein,  dessen  viel- 
gekrüinnitem  Laufe  mit  allerorts  rauschenden  Kaskaden  seine  Trace  sich  in 
Schlangenwindungen  anschmiegt.  Ihre  vortreffliche  Anlage  und  Durchführung 
gereicht  dem  deutschen  Ingenieur  Kapp  zu  hoher  Ehre. 

Unter  den  vielen  pittoresken  Punkten,  welche  den  Reisenden  fortwährend 
beschäftigen,  dürfte  wohl  Sicevo  die  Palme  gebühren.  Vor,  neben  und  unter 
dem  hochliegenden  Dörflein  lugen  allerorten,  zwischen  Weinreben,  Nussbäuincn, 
l'elsen  und  Giessbächen  eingebettet,  die  Ruinen  von  Schlössern,  Klöstern  und 
Kapellen  hervor,  an  welche  sich  mannigfache  Sagen  knüpfen.  Nahe  bei  der 
Station  erscheint  links  ein  hoher  quadratischer  Turm  mit  starken  Mauern,  gleich 
darauf    ihr    gegenüber,    unter    den    Steilmauern    des    610  m    hohen    Kusaca,    das 


SICEVO.    Vavcdcnje  Sv.  Bogoro 


Kloster  „Vavedenje  Sv.  Bogorodice",  ein  Kirchlein,  dessen  köstlich  mundender 
QueU  die  Niser  anzieht,  weil  er  grosse  Heiltätigkeit  besitzen  soll.  An  Feiertagen 
liest  der  Sicevoer  Pope  in  der  1648  geweihten,  1875  restaurierten,  mit  Fresken 
geschmückten  Kirche  die  Liturgie. 

Etwas  weiter  erblickt  man  auf  dem  rechten  Flussufer,  unfern  von  Sicevo, 
die  Ruinen  des  Klosters  Trnova  Sv.  Petka,  dessen  Sabortag  noch  heute  die 
Bevölkerung  ringsum  anzieht.  Einst  ward  es  an  solchem  Festtage  währenti  des 
Gottesdienstes  überfallen,  und  als  man  später  nach  dem  Schmucke  der  unter 
den  Trümmern  begrabenen  Bräute  suchte,  fand  man  sie  in  Mühlsteine  verwandelt. 
Glaubhafter  erscheint  die  Sage,  welche  dem  „Jankulov  Zbeg",  unfern  der  starken 
Burgmauern  auf  der  Slabica,  anhaftet.  In  unruhigen  Tagen  pflegte  die  Rajah  in 
diese  unzugängliche  Wildnis  zu  flüchten.  Ihre  moslimischen  Bedränger  erhielten 
Kunde,  dass  dort  viele  christliche  Familien  weilten,  mid  brachen  auf,  um  sie 
leibeigen  zu  machen.  Der  Weg  führt  über  einen  nur  für  eine  Person  Raum 
gebenden  Steilpfad.     Auf  diesem  tötete  der  beherzte  Bursche  lankulo  den  ersten, 


550  Von  Belgrad  zur  bulgarisch-lürkisclien  Grenze  mit  der  Bahn. 

zweiten  und  mehrere  nachfolgende  Türken.  Als  deren  Genossen  das  ihnen 
drohende  Schicksal  gewahrten,  machten  sie  kehrt,  und  die  Örtlichkeit  tru^  fortan 
Jankiilos  Namen. 

Über  die  Zerstörung  des  benachbarten  Klosters  Sv.  Uspenijc  auf  dem 
Gradac  erzählt  das  Volk:  Seine  Mönche  hätten  vor  etwa  zweihundert  Jahren 
eine  schöne,  junge  Braut  entführt.  Lange  suchte  sie  ihr  Bruder  vergeblich;  als 
er  aber  an  einem  Sonntage  zur  Kirche  ging,  da  fiel  aus  einem  Fenster  des 
Klosterkonaks  ein  Frauenschuh  herab,  den  er  sogleich  als  jenen  der  Gesuchten 
erkannte.  Die  Mönche  verleugneten  sie.  Die  türkischen  Nachbarn,  an  welche 
sich  der  aufgebrachte  Rächer  der  Ehre  seiner  Schwester  wandte,  befreiten  wohl 
diese,  töteten  aber  die  Mönche  und  zerstörten  das  ausgeplünderte  Kloster. 

Alle  diese  durch  mehr  oder  weniger  romantisch  gestaltete  Legenden  inter- 
essant aufgeputzten  Werke  der  Menschenhand  verschwinden  aber  neben  der 
vom  941  m  hohen  Oblik  und  1327  m  aufragenden  Ples  gebotenen  Szenerie,  durch 
welche  die  Lokomotive  nur  allzu  rasch  uns  führt.  200  m  abstürzende  Steilwände 
mit  Felstoren,  dazwischen  kleine  Einschnitte  mit  wilden  Birnbäumen,  jungen 
Buchen,  Eichen,  Ahornen  und  Niederholz  durchwachsen.  Hier  ein  tosend 
abstürzender  Giessbach;  dort  scheinbar  unnahbare  Hfihlen,  in  welchen  man 
trotzdem  bei  Sicevo  unter  einer  jüngeren  Schicht  mit  Resten  von  Menschen  und 
Tieren  auch  ältere,  gemengt  mit  Knochen  von  Ursus  spelaeus,  fand.  Auch  am 
„Popov  Stub"  des  rechtsuferigen  Gradiste  gibt  es  derartige,  nur  mit  Lebens- 
gefahr nahbare  Höhlen,  welche  sich  aber  gerade  deshalb  für  die  mit  allen  Wegen 
und  Stegen  vertraute  christliche  Bevölkerung  während  der  bösen  Türkenzeit  zu 
Verstecken  eigneten.  Wieder  setzen  wir  über  den  lärmend  im  eingezwängten 
Felsbette  sich  hinwälzenden,  bald  lichtgrünen  und  stellenweise  von  dem 
mitgerissenen  Rotliegenden  dunkel  gefärbten  Fluss.  An  einigen  steilgeböschten, 
durch  Erosion  in  Bewegung  gebrachten  Schutthalden  sieht  man  in  kurzen 
Abständen  etagenartig  aufgeführte  starke  Mauern  zum  Schutze  der  Bahnlinie 
gegen  hier  häufig  abrollende  Felsstücke.  Bei  Dolap  und  Crveni  Breg  krönen 
einzelne  Kalkmassen  türm-  und  burgartig  die  Höhen;  so  der  „Suplji  Kamen", 
neben  dem  wir  hinaus  in  das  sich  verbreiternde  Tal  von  Bela  Palanka  gelangen. 

Von  dem  südlich  aufsteigenden  Goles  der  hier  wieder  hervortretenden 
Suva  Planina  hebt  sich  das  stetig  wachsende  nette  Städtchen  hell  ab.  Oben 
liegt  inmitten  der  es  dominierenden  Schanze  ein  weisses  Pulvermagazin,  unten, 
hart  am  Bahndämme,  sieht  man  die  während  seines  Baues  freigelegten  Fundamente 
grosser  römischer  Gebäude,  und  am  Fusse  der  rebenbepflanzten  Höhen,  wo 
die  Balkanstrasse  sie  durchschneidet,  erscheint  das  Denkmal,  welches  den  bei 
der  Befreiung  Bela  Palankas  gefallenen  Kriegern  errichtet  wurde  (S.  202). 
Seine  interessante  Vergangenheit,  türkische  und  heutige  Physiognomie  schilderte 
ich  im  VIII.  Kapitel. 

Aus  der  vom  Sv.  Nikola- Balkan  und  den  Vorbergen  der  Suva  Planina 
umrahmten  Tiefebene  von  Bela  Palanka,  über  dessen  Neubauten  einige  Türme 
des  zerstörten  Türkenschlosses  emporragen,  führt  uns  der  Schienenweg  in  das 
freundliche  östliche  Defilee  der  Nisava,   zwischen  Wein  zeitigende  Vorhöhen  des 


Von  Belgrad  zur  bulsjarisch-tiirkischeii  Grenze  mit  der  Bahn. 


ö-)] 


Balkans  auf  ihrem 
rechten  und  den 
oft  sterilen  Bela- 
vahängenauf dem 
hnken  Ufer.  Beim 
Kirchlein  Sv.Otac 
und  dem  jenseiti- 
gen 477  m  hoch 
liegenden  Römer- 
kastelle vor  Sinjac 
kreuzt  die  Trace 
den  in  starken 
Kurven  sicli  hiii- 
wälzendcn  Fluss. 
Ausser  der  vor- 
genannten Heilstätte  arbeiteten  hier  in  alter 
Zeit  noch  mehrere,  nun  in  Ruinen  liegende 
kleine  Klöster. 

Das  sich  stetig  verbreiternde  Tal  er- 
scheint bei  Stanicenje  gut  bebaut.  Dieses 
ansehnliche,  geschlossene  Dorf  entstand  auf 
dem  Schutte  abgestürzter  Kalkfelsen;  die 
hier  nahezu  senkrechten  Belavahänge  kenn- 
zeichnen unverwischt  die  Ausdehnung  der 
furchtbaren  Katastrophe.  Vom  Bahnhofe 
geht  es  bald  über  die  Temskabrücke.  Von 
ihren  fünf  Bogen  wurden  zwei  zerstörte 
durch  einen  Holzbau  ersetzt;  sonst  konnte 
ich  von  dem  1871  zuerst  in  Karte  gebrachten 
Tale  von  der  Bahn  aus  nichts  mehr  erspähen. 

Und  doch  ist  es,  wie  ich  im  VIII.  Kapitel  zeigte,  voll  landschaftlicher  Schön- 
heiten und  reich  an  geschichtlichen  Erinnerungen.  Eine  vom  Belavagebirge 
nördlich  vorspringende,  von  der  Nisava  umflossene  Nase  machte  einen  Tunnel 
und  zwei  Brücken  hier  notwendig.  Hart  am  Rechtsufer  hinfahrend,  gelangen 
wir  nun  im  ebenen  Plane  zum  netten  Bahnhofe  von  Pirot.  Die  von  einer 
dreikuppeligen  Kirche  überragte  freundliche  Stadt  wurde  im  Occident  durch 
ihre  prächtigen  Teppiche  wohl  bekannt.  Ihre  Eroberung  im  serbisch-bulgarischen 
Kriege  und  der  durch  das  energische  Eingreifen  des  Grafen  Khevenhüller  rasch 
abgeschlossene  Wc-*ffenstillstand  bildeten  die  letzten  Episoden  des  von  Kriegen 
oft  heimgesuchten  Pirot  (Vlll.  Kap.). 

Hart  bei  der  im  Pavillonstil  erbauten  grossartigen  Kaserne  kreuzt  der 
Schienenstrang  die  Nisava  und  läuft  in  südöstlicher,  schnurgerader  Linie  bis  zur 
Grenze  auf  dem  Linksufer  des  mit  prächtigen  Feldern,  Obst-  und  Weinkulturen 
bedeckten  Alluviums  ihres  breiten  Beckens.     Auch   der  Belgrad-Konstantinopeler 


Das  Fcisentor. 


552 


Vüii  Belgrad  zur  bulgarisch-türkischen  (Ireii/.c  mit  der  Halm. 


HccTwcti;  nahm  gleiche  RichtuiijJ.  Noch 
im    16.  Jahrhundert    sah    Sciiweigf^er 
Seine    Trace.      Ergötzlich     sind    die 
Bemerkungen    der    Reisenden     über 
den  Ursprung  dieser  alten  „gebauten" 
Strasse.      Sie    wird    dem     „Hunnen- 
führer Attila  oder  einem  ungarischen 
König"   zugeschrieben   „und  soll  von 
Ofen      bis     Konstantinopel     gereicht 
haben,   von    den   Türken    aber    zum 
Bau    ihrer    Städte    teilweise   zerstört 
worden    sein".      Vor    der   Sukovska 
reka-Alündung  sind  N.  von  Gradiste 
noch  Reste  eines   Römerkastells  und 
beim  westlichen  Jalboti na  jene  eines 
/weiten  erhalten.  Nahe  der  serbischen  Bahn-Zollstation 
bukovo,  wo  die  Bahn  heute  den  gleichnamigen  Bach 
kreuzt,  bemerkte   der  Venezianer  Katarin    Zeno    die 
Mauern   einer  alten  Stadt.      Südwestlich   liegt  unter 
dem   Westhange   des    642   m    hohen    Carev    Kamen 
das    „Sukovski    manastir",    welches    der   fromme 
Krupacer     Landmann    Viden     gemeinsam     mit    dem 
Popen    Jovan     1859    zu     Ehren     der     „Himmelfahrt 
Mariens"  erneuerten.    Die  Heilstätte  hat  keine  Pfarre, 
erfreut   sich   aber  grossen  Zuspruchs,  seit  die  1878 
gezogene  Grenze  den  serbischen  Talbewohnern  den 
Besuch    des    höher     liegenden,     jetzt     bulgarischen 
Klosters    Sv.   Nikola   erschwert.     Der  Archimandrit 
des   wohlhabenden    Klosters    Sukovo    bewirtschaftet 
mit  einem  Mönche  das  aus  27  Hektar  Feldern  und  Wiesen,  5  Hektar  Obst-  und 
Weingärten,  45  Hektar  Wald,  1  Mühle,  1  Walke  und  gutem  Viehstande  bestehende 
Klostergut,  dessen  Ertrag  die  2400  d   erfordernden  Ausgaben  übersteigt. 

Kaum  4  km  von  der  Sukovska  reka-Brücke  erreicht  der  Schienenweg  im  sich 
verengenden,  von  grauen  Kalken  und  petrefaktenreichen  Sandsteinen  begrenzten 
Nisava-Defilee  die  bulgarische  Grenze.  Östlich  von  dieser  sieht  man  auf  der 
„Paska  Sija",  bei  dem  früher  gleichfalls  so  genannten  Dorfe  Milojkovac,  die 
Ruinen  eines  antiken  Kastells,  das  mit  der  nach  dem  Itin.  Hieros.  12  Millien  von 
Turres  (Pirot)  fernen  mutatio  Translitae  identisch  sein  dürfte,  falls  sie  nicht  etwas 
nördlicher  an  der  Sukovska  reka-Brücke  lag.  Die  10  Millien  weiter  folgende  mutatio 
Ballavstra  lag  schon  auf  heute  bulgarischem  Boden,  und  ebenso  die  nächste 
Mansion  Meldia,  welche  ich  bei  dem  im  November  1885  berühmt  gewordenen 
Dragoman  bestimmte.')    Auf  der  ganzen  Strecke  von  Pirot  bis  Slivnica  begleiten 


Nisnv.i-Tiinnel. 


')  Donau-Bulg    u.  d.  Balkan,  II.  Aufl.,  III.  Bd.,  S.  205,  24ü. 


Von  Belgrad  zur  bulgarisch-türkischen  Grenze  mit  der  Bahn.  553 

uns  zahllose  Tumuli,  in  und  bei  welchen  viele  brave  serbische  und  bulgarische 
Krieger  neben  prähistorischen  Menschen  ihre  Ruhestätte  fanden.  Hoffen  wir,  dass 
es  der  letzte  Krieg  zwischen  beiden  Bruderviiikern  war,  und  dass  selbst  ihr  Streit 
um  die  mazedonische  Erbschaft  i<einen  neuen   zwisciien    ihnen    entzinulen   werde. 

4.  Durch  die  regulierten  Katarakte  zum  „Eisernen  Tor"-Kanal. 

Im,  ersten  und  in  diesem  Bande  verfolgten  wir  die  unter  den  Kaisern 
Tiberius  und  Trajan  in  die  Felsen  des  rechten  „Danubius"-Ufers  gesprengte, 
115  km  lange  Strasse,  bewunderten  Apollodorus'  riesige  Steinbrücke  bei  Turn- 
Severin,  und  bei  Sip  den  antiken  Kanal,  durch  welchen  Rom  seiner  Flotte  das 
„Fiserne  Tor"  stets  offen  hielt.  Seif  dieser  weit  zurückliegenden  epochalen 
lätigkeit  geschah  aber  bis  1830  nichts,  um  die  Donau  ihrer  natürlichen  Mission 
gemäss  zur  grössten  und  billigsten  Verkehrsstrasse  für  den  Occident  nach  dem 
Orient  zu  gestalten. 

Das   „Eiserne   Tor"    schied    durch   Jahrhunderte    die    ungarische    von    der 
türkischen   Donau;    Orsova    deckte    den   oberen,  Vidin   den   unteren   Strom.     Bei 
militärischen   Operationen    gegen    diese  festen   Plätze   war   der  Wasserstand    am 
„Eisernen  Tore"    stets    massgebend    für    die   Verwendung    der    österreichischen 
Galeeren    und    türkischen    Kriegsschajken.      Deshalb    betrachtete    die    Pforte    die 
Katarakte  als  natürlichen  Schutzwall  gegen  das  stärkere  Österreich  und  wies  alle 
Vorschläge  zu   ihrer  Regulierung  unter  nichtigsten  Vorwänden    beharrlich  zurück. 
1835  verwarf  sie  Baron  v.  Stürmers  bezügliche  Anträge,  und  1870  andere,  weil  sie 
für  ihr  Schosskind,   die   Rustschuker  Dampfer-Kompanie   „Azizieh",   eingebildete 
Gefahren  erblickte.    Österreich-Ungarn  feindliche  äussere  Einflüsse  nährten  diese 
Bedenken;   denn  nur  so  war  der  zuletzt  vorgebrachte,   geradezu  absurde  Einwurf 
türkischer  Kommissare  zu  erklären:  die  Anlage  eines  Schiffahrtskanals  im  „Eisernen 
Tor"  würde  eine  permanente  Überschwemmungsgefahr  für  Vidin  bedeuten.  Nachdem 
es    den    österreichischen    Unterhändlern    gelungen,    diesen    ernsten    oder    vorge- 
schützten Wahn   zu   zerstören,   bereiteten   Rumänien   und  Serbien,   welche   die'  zu 
regulierende  Wasserstrasse    hauptsächlich    berührt,    neue    Hindernisse.      Die    auf 
ihre  Autonomie  eifersüchtigen,  ihre  Donauufer  durch  Militärkordons  bewachenden 
jungen  Staaten  wollten  durchaus   bei   den  Unterhandlungen  durch  vollberechtigte 
Kommissare   vertreten    sein,   wogegen    die   hohe    Pforte    als   Suzerän    protestierte. 
Stets    dringender    aber   forderte    der   wachsende    mitteleuropäische    Orienthandel, 
sowie  der  an  den  ungarisch-serbischen  Kataraktgestaden  sich  kräftig  entwickelnde 
Bergbau  und  die  leichtere  Verwertung  ihrer  reichen  Forste  die  langverzögerte  Besei- 
tigung des  „Eisernen  Tores",  und  dies  um  so  kräftiger,  als  Väsärhelyis  Sondierungen 
sämtlicher  Katarakte  schon    1834   das  Märchen  von  ihrer   undenkbaren  Schiffbar- 
machung  —  das  zur  Anlage  der  kostspieligen  Szcchenyistrasse  geführt  —  beseitigt 
hatte.     Seine  trefflichen  Arbeiten  spornten  zunächst   die  Donau-Dampfschiffahrts- 
Gesellschaft  an,  auf  eigene  Kosten  die  selbst  bei  hohem  Wasserstande  gefährlichsten 
Klippen    sprengen    zu    lassen.      Schon   1834    verausgabte    sie    17  800  fl.    für   die 
Beseitigung    von    530    Kubikklaftern    festen    Gesteins    im    Greben-Defilee,    also 


554  Von  Belgrad  zur  biils^nriscli-tiirkisclicn  Grenze  mit  der  Balin. 

durchschnittlich  33  fi.  per  Kubikkiafter.  An  diesen  bis  1866  fortgesetzten 
Arbeiten  beteiligte  sich  1854,  zum  Zwecke  des  leichteren  Truppentransports  nach 
der  okkupierten  Walachei,  auch  die  kaiserliche  Regierung.  Durch  46  Minen 
von  20  Zoll  Tiefe  und  2  Zoll  Starke  wurden  1856  für  die  eigens  bei  Blyth  in 
London  erbauten  Dampfer  „izlaz"  und  „Tahtalija"  (mit  je  2  Maschinen  und 
4  Rädern),  welche  die  oberen  Katarakte  bei  nur  3'  5"  befuhren,  zwei  Felsenriffe 
im  „Eisernen  Tore"  beseitigt  und  ihnen  seine  Passage  selbst  bei  nur  4'  2"  am 
Orsovaer  Pegel,  welcher  als  1834  beobachtetes  niedrigstes  Wasserniveau  zur  Basis 
aller  in  Karte  gebrachten  Stromtiefen  diente,  ermöglicht. 

Vasärhelyis  eminente  Arbeiten  bildeten  auch  die  Grundlage  für  die  Regu- 
lierungspläne der  hervorragenden  Hydrotechniker  Pasetti,  Wex-Dinelli,  Mac  Alpine, 
Marchetti  u.  a.  Er  selbst  empfahl  die  Umgehung  der  vier  gefährlichsten  Riffe: 
Izlaz,  Tahtalija,  Juc  und  Pregrada  mittels  horizontal  eingedämmter,  an  den  Aus- 
gängen abwärts  mit  Kammerschleusen  versehener  Seitenkanäle,  ferner  die  Herstellung 
solcher  mit  durchfliessendem  Stromwasser  und  ohne  Schleusen  an  der  Stenjka-  und 
Grebenbank,  endlich  die  Verbesserung  der  Fahrrine  mittels  Schutzbauten  an  den 
minder  gefährlichen  Kozia-  und  Dojke-Riffen. 

Mit  Benutzung  dieser  und  neuerer  Vorschläge  gelangte  das  Departement  für 
Strassen-  und  Wasserbau  im  Wiener  Handelsministerium  nach  langen  technisch- 
ökonomisch-kommerziellen Erwägungen  zur  Annahme  eines  kombinierten  Projekts, 
das  in  der  Anlage  eines  Schiffahrtskanals  am  rechtsseitigen  Ufer  gipfelte.  Es 
wurde  damit  motiviert:  weil  die  Schiffahrtslinie  im  Strombette  ober-  und  unterhalb 
des  „Eisernen  Tores"  in  der  beiderseitigen  Verlängerung  der  Kanalrinne  liege; 
weil  das  Absturzgefälle  in  diesem  geschlossenen  Kanal  auf  eine  angemessene 
Strecke  sich  verteilt,  mithin  auch  die  Geschwindigkeit  der  Wasserströmung 
vermindert  würde;  ferner,  weil  die  Herstellung  des  Kanals  keine  besonderen 
Schwierigkeiten  böte  und  sein  Gelingen  in  kürzester  Zeit  sicher  erwartet  werden 
dürfe.  Die  Kosten  für  sämtliche  Arbeiten  veranschlagte  der  k.  k.  Bau-Inspektor 
Wex  auf  4  A\illionen  Gulden  Ö.  W. 

Dies  war  alles,  was  bis  1870  in  Wien  geschah.  Seit  dem  Pariser  Frieden 
hielt  man  dort  nämlich  an  der  Ansicht  fest:  die  Beseitigung  des  „Eisernen  Tores" 
müsse,  gleich  der  Sulina-Regulierung,  als  internationale  Angelegenheit  betrachtet 
werden,  und  die  in  zahllosen  Kommissionen  erörterten  Projekte  wanderten  auf  lange 
Zeit  nach  den  Archiven!  —  Die  Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft  besass  aber 
ein  zu  vitales  Interesse  an  der  Lösung  der  „Eisernen  Tor"-Frage,  als  dass  sie 
dieselbe  ruhen  lassen  konnte.  1872  bildete  ihr  Direktor  von  Cassian  mit  dem 
ungarischen  Minister  Trefort  und  dem  Wiener  Bankier  Samson  ein  Konsortium, 
das  durch  den  berühmten  Erbauer  des  Erie-Kanals,  Mac  Alpine,  ein  neues  Projekt 
für  die  Regulierung  der  Katarakte  entwerfen  Hess.  Es  basierte  in  der  Haupt- 
sache auf  dem  Schleusen -System  und  erschien  so  praktisch,  dass  einige 
Kapitalisten  die  Mittel  zu  seiner  Durchführung  gern  anboten.  Nun  raffte  man 
sich  in  den  offiziellen  Bureaus  wieder  auf  und  entsandte  1873  eine  internationale 
Kommission,  bestehend  aus  österreichisch-ungarisch-türkischen  Ingenieuren  und 
Donau-Dampfschiffahrts-Beamten,  welche  nach  langen  Beratungen  einen  Vorschlag 


Von  Belgrad  zur  bulgarisch-türkischen  Grenze  mit  der  F^nhn.  555 

ausarbeitete,  der  die  gesamten  Aiisführiingskosten  mit  Hi  Millionen  Franken 
feststellte. 

Der  1876  aiisgelirociiene  serbisch-türkische  Krieg  vereitelte  leider  die  schon 
nahe  Vervvirklicluing  des  aiicli  von  mir  freudig  begrüssten ,  eifrig  geförderten 
Projekts.  Wieder  gingen  mehrere  Jahre  ins  Land,  da  kam  1879  die  verheerende 
Theiss- Überschwemmung,  welche  die  ungarische  Regierung  veranlasste,  eine 
[Inquete  ausländischer  Wasserbau-Ingenieure  zu  berufen,  die  gleichzeitig  auch 
ihr  Gutachten  über  das  Regulierungs-Projekt  der  unteren  Donau-Katarakte  vom 
Jahre  1874  abgeben  sollte.  Im  Herbste  1883  traf  ich  in  Orsova  von  der 
ungarischen  Regierung  entsendete  Ingenieure  mit  der  Lösung  dieser  schwierigen 
Aufgabe  beschäftigt;  auch  wurden  Versuche  mit  Oberst  Lauers  neuer  Sprengpatrone 
gemacht,  welche  überraschend  günstig  ausfielen. 

Seit  diesem  letzten  staatlichen  Anlaufe  bildete  das  „RiserneTor"  lange  wieder 
ein  stehendes  Diskussionsthema  in  verschiedenen  Wiener  Vereinen,  in  welchen 
die  von  mir  in  einem  am  27.  Januar  1874  in  der  Wiener  Geographischen 
Gesellschaft  gehaltenen  Vortrage  berührten  einschlägigen  Daten  und  tlie  schon 
früher  in  meinem  „Serbien"  (1868)  ausgesprochene  Mahnung  wiederholt  oder 
variiert  wurde:  „Sollen  die  Seestaaten  England  und  Frankreich  die  mitteleuropäische 
Produktion  nicht  ganz  vom  orientalischen  Markte  verdrängen,  und  die  höherer 
Kultur  und  vermehrtem  Konsume  zustrebenden  reichen  Länder  am  Schwarzen 
imd  Kaspischen  Meere  nicht  länger  dem  Konstantinopeler  Zwischenhandel  tributär 
bleiben,  so  erscheint  es  unabweisbar,  dass  dem  mitteleuropäischen  Verkehre  eine 
möglichst  unbehinderte  und  billige  Strasse  nach  den  Häfen  Samsum,  Trapcznnt, 
Rescht  und  Poti  schleunigst  eröffnet  werde.  Dieser  grosse  und  von  allen  Banden 
befreite  Verkehrsweg  kann  aber  kein  anderer  sein,  als  der  durch  seine  Nebenflüsse, 
sowie  durch  ein  richtig  kombiniertes  Eisenbahnnetz  mit  seinen  Hinterländern  in 
Verbindung  gesetzte  Donaustrom.  Verstehen  die  Regierungen  der  Donaustaaten 
ihre  Aufgabe,  besitzen  sie  den  weiten  Blick,  über  augenblickliche  Bedrängnisse 
hinweg  ihre  handelspolitischen  Interessen  zu  fördern,  dann  werden  die  Barrikaden 
an  der  unteren  Donau  nicht  länger  mehr  auf  einen  Trajan  warten,  und  die  Nachwelt 
wird  dieselben  mit  ihrer  traurigen  Wirkung  auf  Kultur  und  Verkehr  nur  aus  den 
zeitgenössischen  Schilderungen  kennen  lernen.  Möchte  dieser  Moment  nicht  fern  sein!" 

Zehn  Jahre  später  strich  der  Berliner  Vertrag  die  Türkei  definitiv  aus  der 
Reihe  der  Donaustaaten,  betraute  gleichzeitig  im  57.  Artikel  Österreich-Ungarn 
in  bindender  Weise  mit  der  Beseitigimg  aller  Schiffahrtshindernisse  des  unteren 
Stromlaufs  und  berechtigte  sie,  wie  schon  früher  der  Londoner  Vertrag  vom 
13.  März  1871,  als  Kostenersatz  zur  Einhebung  einer  Tonnenta.xe  von  das  „Eiserne 
Tor"  passierenden  Schiffen.  Nach  langen  Verhandlungen  übernahm  Ungarn  die 
technische  Durchführung,  das  gemeinsame  Ministerium  des  Äussern  das  bezügliche 
y\rrangement  mit  Rumänien  und  dem  territorial  am  meisten  beteiligten  Serbien. 
Im  Juni  1888  wurde  das  von  dem  tatkräftigen  Kommunikations-Minister  Baros 
eingebrachte  bezügliche  Gesetz,  sowie  der  mit  6  Millionen  Gulden  präliminierte, 
auf  6  Jahre  verteilte  Kostenaufwand  vom  ungarischen  Parlamente  einstimmig 
angenommen. 


556  Von  Bclf^rad  zur  bulgarisch-türkisclien  Cirenze  mit  der  Bahn. 

Wie  ich  sciioii  in  der  Schilderung  meiner  Kahnfahrten  durch  die  Donau- 
Katarakte  im  1.  (S.  252)  und  in  diesem  Bande  hervorhob,  bestehen  sie  aus 
drei  durcii  die  klippeniosen  breiten  Becken  von  Donji  Miianovac  und  Orsova 
getrennten  Hauptpartien.  Es  sind,  von  dem  seichten,  einzelne  Felsstücke  bergenden 
„Coronini-Arm"  bei  Moldova  abgesehen:  1.  das  „Greben-Defilee"  zwischen  Golubac 
und  Donji  Miianovac,  2.  der  „Kazan-Pass"  zwischen  Golubinje  und  Ogradina, 
3.  das  „Eiserne  Tor"  zwischen  Orsova  und  Sip.  Betrachten  wir  nun  die  einzelnen 
Katarakte  und  die  grossartigen  Arbeiten  näher,  welche  an  denselben  ausgeführt 
werden  mussten. 

19  km  unterhalb  Moldova  stösst  die  Schiffahrt  bei  Golubac  auf  das  erste 
Riff,  auf  die  760  m  lange  „Stenjka".  Der  hier  950  m  breite  Strom  fliesst  bei 
massigem  Gefälle  ziemlich  ruhig,  doch  bei  0,75  m  über  Null  wird  der  Verkehr 
über  diese  Felsbank  für  grössere  Boote  unmöglich.  15  km  abwärts,  nahe  den 
Gutmannschen  Kohlenwerken  bei  Drenkova,  folgen  die  Quarzit-Glinimerschiefer- 
Bänke  „Kozla  und  Dojke"  im  stellenweise  auf  340  m  veren-gten  Flussbette.  Das 
Gefälle  betrug  2,65  m  auf  2280  m  Lauf,  und  erst  bei  1,60  m  über  Null  konnten 
die  durchschnittlich  1,60  m  tauchenden  Dampfer  gefahrlos  passieren.  Hier,  am 
„Gospodjin  Vir"  (Frauenwirbel),  zeigen  in  Felsen  gehauene  römische  Votivtafeln, 
dass  die  am  rechten  Ufer  ausgesprengte  Römerstrasse  unter  Kaiser  Tiberius  im 
Jahre  28—30  n.  Chr.  durch  die  vierte  und  fünfte  Legion  ausgeführt,  unter 
Valentinian  und  Titus  aber  verbessert  wurde  (1.  Bd.,  S.  204). 

9  km  weiter  ragen  unterhalb  der  dunklen  Bivoli  (Büffelfelsen)  die  1765  m 
langen  braunroten  Quarzporphyr-Klippen  „Izlaz"  und  „Tahtalija",  umgeben  von 
jeder  Auswaschung  widerstehendem  felsitischem  Schiefer,  0,95  m.  über  die  530 
bis  950  m  breite  Stromfläche  auf,  welche  bei  einem  Gefälle  von  2,85  m  auf 
1900  m  an  einigen  Stellen  die  Fahrt  nur  in  einem  3,80  m  breiten,  durch  rote 
simandra  (Bojen)  gekennzeichneten  Kanal  gestatten.  Bald  darauf,  am  Greben 
(1.  Bd.,  S.  195),  mit  seinem  gegen  Svinjica  streichenden  Riffe,  erweitert  sich 
plötzlich  der  auf  440  m  verengte  Stromspiegel  gegenüber  der  Porecinsel  auf 
2220  m,  und  das  erste  Klippen-Defilee  findet  hier  im  pittoresken  Grebenpylon 
seinen  Abschluss. 

Die  zur  Beseitigung  der  skizzierten  Schiffahrtshindernisse  des  Greben-Defilee 
geplanten  Arbeiten  sind  grösstenteils  mit  den  von  der  internationalen  Kommission 
vorgeschlagenen  und  von  dem  erfahrensten  Kenner  der  unteren  Donau,  Direktor 
Marchetti,  amendierten  Entwürfen  identisch.  Durch  die  „Stenjka"  wurde  ein  800  m 
langer,  60  m  breiter  Kanal  geführt,  der  die  Sprengung  von  7400  m^  Gestein 
erforderte.  Der  zweite  geradlinige,  3500  m  lange,  durch  die  „Kozla-Dojkc", 
bedurfte  der  Entfernung  von  85  000  m'  quarzigen  Glimmerschiefers;  der  dritte, 
3800  m  lange,  von  den  Riffen  „Izlaz"  und  „Tahtalija"  bis  zum  „Grebenpylon", 
wurde  durch  Sprengung  von  47  000  ni'  Felsen  hergestellt;  damit  aber  das  an 
letzterem  riesige  Gefälle  vermindert  und  bei  Svinjica  der  Strom  vertieft  werde, 
schnitt  man  die  Grebennase  durch  Sprengung  von  400000  m  •  ab  und  stellte  mit 
dem  gewonnenen  Material  einen  350  m  vom  linken  Ufer  entfernten,  das  Bett  auf 
500  m  verengenden,  6200  m  langen  Damm  her,  dessen  Kronenpflaster  68000  m- 


I 


Von  Belgrad  zur  bulgarisch-türkischen  Grenze  mit  der  Bahn  557 

beträgt;  ferner  zur  Abhaltung  von  Querstrümungen  zwei  i|iicrlautcniic  Stiitzdäninie 
am   serbischen  Ufer. 

9  km  abwärts  vom  Greben  beginnt  das  zweite  Klippen-Defilee.  Der  das 
Donji  A\ilanovacer  Becken  mit  dem  schmäleren  Orsovaer  verbindende  6260  m  lange 
„Kazan"  vereinigt  in  seinen  tief  eingeschnittenen  Schluchten  eine  Kiille  romantischer 
Bilder  und  grossartiger  Werke  von  Menschenhand.  Trajans  rechtsuferigen  Weg- 
bauten gegenüber  erblickt  man  die  Szechenyi-Strasse  mit  prächtigen  Galerien  und 
Viadukten,  ferner  grossartige  Sprengungen  am  Cukar,  welche  in  Anbetracht  der 
damaligen  geringen  technischen  Hilfsmittel  unsere  Bewunderung  erregen;  nicht 
leicht  hätte  sich  eine  noch  würdigere  Stelle  zur  Errichttmg  von  Denktafehi 
für  den  grossen  Imperator  und  den  ungarischen  Staatsmaini  gefinideii,  als  im 
Kazan  mit  stellenweise  auf  200  m  sich  nähernden,  majestätisch  emporsteigenden 
Kalkmauern,  in  deren  Spalten  unzählige  Adler  horsten,  und  an  deren  Fuss  sich 
der  mächtig  hinbrausende  Strom  sein  steilenweise  50  m  tiefes  Bett  grub.  Am 
oberen,  850  m  breiten  Defileetore  bei  Golubinje  zieht  sich  die  530  m  lange,  aus 
Granit,  Porphyr  usw.  bestehende  Felsbank  wehrartig  quer  über  den  Strom  hin. 
Sein  Gefälle  beträgt  hier  2,40  m  auf  1000  m,  die  Strömung  2,85—3,85  m  per 
Sekunde,  und  erst  bei  1,60  m  über  Null  war  die  Fahrt  über  dieses  gefährliche 
Riff  möglich.  Man  schuf  hier  durch  Aushebung  von  rund  32000  m  •  einen  2  m 
tiefen,  tiO  m  breiten  und  1300  m  langen  Kanal  und  zur  Einengung  der  Fahrbahn 
einen  3  m  langen  Staudamm,  der  eine  Steinbewegung  von  über  120000  m- 
erforderte,  mit  derartigem  Profil,  dass  er  bei  mittlerem  Wasserstande  überflutet  und 
durch  Bojen  den  Schiffern  gekennzeichnet  wird.  Weiter  gibt  es  im  Kazan  nur 
eine  erst  bei  3,77  in  über  Null  sichtbare  Klippe,  der  Kaliniki;  sonst  hatten  die 
Dampfer  im  Kazan  nur  bei  hohem  Wasserstande  stark  mit  der  kaskadenartigen 
Strömiuig  auf  der  Bergfahrt  zu  kämpfen.  Das  dritte  und  letzte  Katarakten-Defilee, 
das  eigentliche  „Eiserne  Tor",  beginnt  4  km  unterhalb  der  Festungsinsel  ürsova 
(Ada  Kaleh).  3  knt  von  der  ungarischen  Grenze  wird  dort  das  Flussbett  durch 
hohe  Felsniauern  auf  der  rumänischen  und  zwei  riesige  Waldbach-Schuttkegel 
auf  der  serbischen  Seite  von  950  auf  600  m  verengt.  Eine  380  m  lange,  zum 
rechten  Ufer  hinüberstreichende  Felsbank  staut  hier  die  nur  0,30—1,60  m  über 
sie  tosend  wirbelnde  Wassermasse,  und  die  noch  ausgedehntere,  aus  zahllosen 
F.inzelklippen  bestehende  Prigrada  drängt  einen  grossen  Teil  des  Schwalles  nach 
dem  linken  Ufer,  wo  er  zwischen  dessen  Riffen  La  Recze,  Krafjovin  und  dem 
von  der  Prigrada  vorspringenden  Cifucki-Kamen  in  zahllosen  Wirbeln  und  Wider- 
strömen mit  3 — 4,75  m  Schnelligkeit  in  einen  115  in  breiten  und  50  m  tiefen  Kanal 
stürzt.  Diese  gefährlichste  Stelle  des  „Eisernen  Tores"  zu  befahren,  wurde  für 
Ruderschiffe  oft  geradezu  unmöglich,  für  Dampfer  höchst  gefährlich,  und  bei  einem 
Wasserstande  von  nur  2  m  über  Null  musste  jede  Fahrt  über  die  Prigrada 
eingestellt  werden.  Das  in  diesem  gefährlichsten  aller  Katarakte  ausgeführte 
Regulierungsprojekt  entfernt  sich  wesentlich  von  dem  durch  Marchetti  verfassten 
und  von  der  fachmännischen  Kommission  des  Österreichischen  Ingenieurvereins 
gebilligten  Vorschlage.  Marchetti  empfahl  einen  Schleusenkanal,  da  die  durch  Wex 
befürwortete    einspurige,    60  m   breite   offene    Fahrrinne    die    Schiffahrt    nur  wenig 


558 


Vom  Hclyrad  zur  luiluariscli-tiirkiscliuii  Oifiizc  iiill  der  I5aliii. 


fördere  und  die  gegen  das  Sclileuscnsystem  erhobenen  strategischen  Bedeni<en 
alle  Projekte  gleich  berühren.  Dagegen  gestatte  diese  kostspieligere  Anlage  eine 
tägliche  Passage  zu  Berg  und  zu  Tal  von  20  Convois  100  Schleppern  mit 
einer  halben  Million  Kilogramm  Ladung,  ohne  zu  dieser  grossartigen  Leistung  mehr 
als  zwei  kleine  Schranbendampfer  mit  sechs  Personen  Bemannung  zu  erfordern. 
An  massgebender  Stelle  beschloss  man  jedoch,  im  Einvernehmen  mit  den 
Ministerien  des  Handels  unti  des  Krieges,  einen  offenen  Kanal  mit  zwei  Dämmen 
von  2000,  bezw.  2650  m  Länge,  80  m  Breite  und  3  m  Tiefe  anzulegen,  welcher  nach 
Trockenlegung  der  Baustelle  durch  die  .'Xussprengung  von  380000  in  ■  Felsboden, 


Der  „Eiserne  Tor"-Kanal. 


etwas  nörillicli  und  parallel  vom  roinischun,  mit  elnichaus  gepflasterten  Böschungen 
von  hartem   Kalkstein  angelegt  wurde. 

im  Hinblick  auf  die  grosse  Verantwortlichkeit  gegenüber  der  Schiffahrt 
und  auf  die  bedeutenden  materiellen  Opfer,  welche  gebracht  werden  mussten, 
haben  alle  an  dem  grossartigen  F^egulierungswerke  beteiligten  Kräfte  mit 
hoheiu  Ernste  und  vollem  Können  seine  Ausführung  unternommen.  Im  Herbste 
1889  begrüsste  ich  freudig  die  bereits  allerorts  aufgestellten  Nivcllierungs- 
zeichen  der  Ingenieure,  welche  die  ungarische  Regierung  zur  Angriffnähme  der 
riesigen  Arbeiten  entsendet  hatte.  1890  wurden  sie  damit  eröffnet,  dass 
ihr  eifrigster  Förderer,  der  am  22.  Mai  1892  im  42.  Lebensjahre  früh  verblichene 
Gabriel  v.  Baros,  in  Gegenwart  der  Ressortminister  von  Österreich-Ungarn 
und  Serbien  eine  mit  4000  kg  Carboazotinpulver  im  Grebenpylon  vorbereitete 
Mine  durch  elektrische  Zündung  auffliegen  Hess.  Dieser  bedeutungsvolle  Akt  wurde 
Golubac  gegenüber  in  einem  ungarischen  Uferfelsen  durch  folgende  Inschrift 
verewigt:  „Die  mit  Gesetzartikel  XXVI  im  Jahre  1888  angeordnete  Regulierung 
der  unteren   Donau-Katarakte    wurde    unter    der    Regierung    Franz    Josefs   i.    und 


Von  Bcl.yKid  /.Hl   Inil.uariscli-tiirkisclicii  (jrcii/.c  iiiil  dci   H;ihii.  559 

MiiiistL'r-PräsideiitscIiaft  des  Grafen  Julius  Szapary  durch  den  k,  unt^arisclieii 
Handelsininisler  Gabriel  Barüs  de  Velus  am  15.  September  1890  begonnen.  Gottes 
Segen  walte  über  diesem  Werke  und  seinen  Schöpfern." 

Was  in  den  folgenden  Jahren  von  den  Autoren  des  ministeriell  genehmigten 
Regulierungsplanes  und  den  staatlichen  Leitern  seiner  Durchführung,  dem  k.  Sektions- 
rate Hrnst  Wallandt,  k.  Baurate  Hoszpotzky,  Baudirektor  Ruptschitsch  und  last 
not  least  —  von  dem  Montanisten  Ottermann,  den  Ingenieuren  Hugo  Luther  und 
Lemmer,  als  Vertretern  der  Berliner  Diskontogesellschaft  und  der  Braunschweiger 
Maschinenfabrik  G.  Luther,  mit  ihrem  tüchtigen  Technikerstabe  geleistet  wurde, 
um  die  übernommenen  Arbeiten  /um  bestimmten  'renulii  (1895)  trotz  vieler 
unbesiegbar  scheinender  elementarer  Schwierigkeiten  zu  vollenden,  ist  schwierig 
zu  schildern.  Nur  andeuten  lässt  sich,  dass  hier  eine  Aufgabe  unter  Verhältnissen 
gelöst  wurde,  wie  sie  in  der  Geschichte  der  Sprengungen  auf  der  ganzen  Hrde 
einzig  dasteht  und  nach  den  ersten  Resultaten  weniger  Beharrliche  entmutigt  hätte. 
Beispielsweise  zerschellten  anfänglich  am  stahlharten  Gestein  der  Jucbank  kolossalste 
Mcissel;  aus  den  Bohrkronen  brachen  während  dreier  Tage  schwarze  Diamanten 
im  Werte  von  25000  Mark  heraus,  und  Bohrmaschinen  tragende  Schiffe  blieben 
hei   niederem  Wasser  zwischen  den  spitzen   Klippen  hängen. 

Diese  und  tausend  Hemnuiisse  anderer  Natur  wurden  durch  bewunderns- 
werte Zähigkeit,  deutschen  Arbeitsmut  und  Krfindungsgeist  siegreich  überwuntien. 
Bald  lieferten  die  im  grossen  Stile  eigens  angelegten  Maschinen-,  Schiffs-  und 
Waggonbau-Werkstätten  bei  Orsova  eigenartig  konstruierte  „Meisselschiffe",  deren 
iS  — lU  Tonnen  schwere  Fallmeissel  mit  unwiderstehlicher  Kraft  gewaltige  Stücke 
von  den  härtesten  Felswänden  trennten  und  die  aufragenden  Felsspitzen  der 
Stromsohle  zertrümmerten.  Auch  baute  man  verbesserte  Bohrschiffe,  welche  mit 
12  Maschinen  12  Reihen  Zündlöcher  in  die  Felsen  trieben  und  sodann,  mit  zuverlässigen 
Patronen  gefüllt,  durch  gleich  viele  mit  denselben  verbundene,  in  dem  elektrischen 
Zündapparat  auf  dem  sich  entfernenden  Schiffe  zusammengeführte  Drähte  nach 
Stromschluss  gleichzeitig  entzündet  winden.  In  dieser  Weise  wurden  Riesenminen 
von  3000- 8ÜU0  kg  und  einzelne,  allerdings  32  000  Mk.  kostende,  von  selbst 
13000  kg  Dynamit  zur  Explosion  gebracht.  Das  meist  durch  kleine  Ladungen 
unter  Wasser  gewonnene,  mittels  löffel-  und  greiferartig  gestaltete  Förderapparate 
heraufgeholte  Sprenggut  wurde  gleich  am  Orte  zur  Anlage  der  Kanal-  und 
Staudämme  verwendet;  mit  Fallmeissel,  Kranen  und  Greiferkörben  ausgerüstete 
„Universalschiffe",  deren  herabgelassene,  pendelnd  aufgehängte  Peilrahmen  durch 
oben  ersichtliche  Bewegung  noch  etwa  vorhandene  Felsspitzen  anzeigten,  hatten 
allerorts  die  letzte  Reinigung  und  Ebnung  des  Strombettes  vorzunehmen. 

Im  Millenniumsjalire  Ungarns  war  das  Gigantenwerk  in  seinen  schwierigsten 
Partien  vollendet.  Wahrlich,  seit  die  Römer  ihren  Staunen  erregenden  Limes  an 
der  Donau  erbaut  und  der  geniale  Szechenyi  den  Dampf  auf  derselben  ein- 
geführt, hatten  ihre  Annalen  kein  gleich  wichtiges  Ereignis  verzeichnet  wie  die 
pomphafte  Feier,  mit  welcher  Kaiser  Franz  Josef  dessen  glücklichen  Abschluss 
am  27.  September  1896,  im  Beisein  der  Konige  von  Serbien  und  Rumänien, 
beging.     Das  herrliche  Schauspiel,   als   der   stolze   Dampfer  „Ferencz  Joszef"  bei 


560  Von  Relc;rnd  zur  biilgari.sdi-tiiil<iscln.'ii  Orciizc  mit  der  l^nlni. 

blauendem  Himmel  und  unter  dem  Donner  der  Geschütze  über  die  ieiclvtf^espannte 
Kette  in  den  neuen  Kanal  einfuhr,  wird  gewiss  allen  auf  seinem  rechten,  serbischen 
Leitdamme   „Salaria"  versammelten  Zeugen  unvergesslich  bleiben. 

Erst  am  folgenden  Tage  aber,  als  ich  auf  der  vom  Kapitän  Kreiherrn 
V.  Merode  geführten  „Elisabeth"  durch  die  Katarakte  bis  Semlin  ging,  die  in 
diesen  bewältigten  Arbeiten  und  am  Juc  und  Greben  noch  einige  der  erwähnten 
Meisselschiffe  usw.  am  Werke  sah,  wurde  mir  so  recht  klar,  was  hier  menschlicher 
Geist  in  fortgeschrittenster  technischer  Wissenschaft,  befeuert  von  patriotischem 
Pflichtgefühl,  Ehrgeiz  und  denkbar  höchstgespannter  Willenskraft,  den  wider- 
strebenden Elementen  abgerungen  hatten.  Urteilsfähige  Fachmänner  rühmten 
schon  damals  die  Anlagen  am  Juc,  Greben,  Tahtaiija,  izlaz,  Dojke,  Stenjka 
und  bezeichneten  das  ganze  grossartige  Werk  als  eine  bewundernswert  gelungene 
Grosstat  unserer  modernen  Technik.  Nur  die  berührten  bescheideneren 
Arbeiten  im  „Coronini",  ferner  einige  weitere  Sprengungen  bei  Golubac, 
Kozla,  Pietra  negro  und  longo  sollten  noch  ausgeführt  und  der  Süddamm  des 
„Eisernen  Tor"-Kanals  um  600  m  stromaufwärts  verlängert  werden,  um  das  eine 
Geschwindigkeit  von  4,5  m  erzeugende  schwallartige  Hereinstürzen  der  Fluten 
zu  hindern. 

Vollendungsfristen  und  Kostenpräliminarien  lassen  sich  begreiflicherweise  für 
ein  Unternehmen,  bei  dem,  abgesehen  von  den  staatlichen  Organen  und  der 
Direktion,  40  Ingenieure,  9000  Arbeiter,  30  Sondier-,  Spreng-,  Meissel-  und 
Baggerschiffe,  5  Universalschiffe,  92  Steinprahme,  5  Schwimm-  und  3  Fahrkrane, 
9  Lokomotiven  und  1400  Waggons  tätig  waren,  das  eine  Felsenbewegung  von 
rund  1,5  Mill.  m'  (von  diesen  die  Hälfte  unter  Wasser)  erforderte,  und  für  das 
Wasserbau-  und  A^aschinentechniker  erst  vervollkommnete  Bauapparate  erfinden 
mussten,  niemals  ziffernmässig  genau  vorher  bestimmen. 

Am  1.  Oktober  1898  wurde  das  mit  6  Millionen  Gulden  präliminierte,  mit 
allen  Ergänzungsarbeiten  aber  18,25  Millionen  kostende  Werk,  dessen  Durch- 
führung mit  Interkalarzinsen  eine  45  Millionen  Kronen-Anleihe  erforderte,  von  der 
ungarischen  Regierung  in  liberalster  Weise  kostenfrei  dem  internationalen  Verkehr 
provisorisch  übergeben.  Namentlich  erfüllte  sein  Hauptobjekt,  der  „Eiserne 
Tor"-Kanal,  dessen  Eröffnung  etwa  90  mit  Getreide  für  Süddeutschland  befrachtete 
Schiffe  sehnlich  am  rumänischen  Ufer  erwarteten,  sofort  die  auf  ihn  gesetzten 
Hoffnungen.  Vom  Oktober  bis  Dezember  passierten  bei  sehr  kleinem  Wasser- 
stande schon  1208  Dampfer  und  710  Schleppschiffe,  welche  ohne  die  Regulierung 
gar  nicht  hätten  verkehren  können,  mit  1  810  000  q.  Als  erstes  schleppte  das  neue 
Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaftsboot  „Daniel"  ein  vollbelastetes  Schleppschiff 
in  42  Minuten  durch  den  Kanal.  Ihm  folgte  eine  ganze  Reihe  Remorköre  mit 
1—4  Schleppern.  Unter  diesen  brachten  „Vindobona"  bei  nur  0,82  m  Wasserstand 
am  Orsovaer  Pegel  einen  auf  17  dm  getauchten  und  mit  „Europa"  am  25.  November 
bei  0,87  m  einen  auf  18,25  dm  tiefgehenden  Schlepper  durch  den  Kanal,  dessen 
Passage  mit  grösseren  Convois  man  gleich  wenig  beabsichtigt  hatte,  wie 
Begegnungen  von  zu  Berg  und  Tal  fahrender  Schiffe,  weil  für  erstere  der  Vor-, 
für  letztere  der  Nachmittag  bestimmt  worden  war. 


Von  Beltjrad  zur  bulgarisch-türkischen  Grenze  mit  ilcr  Bahn.  ^^61 

So  allgemein  aber  die  Anerkennung  der  grossen  Vorteile  der  glücklich 
durchgeführten  Donaureguiierung,  insbesondere  seitens  der  am  Rohprodukfenhandel 
stark  beteiligten  Uferstaaten,  so  peinlich  wurden  diese  durch  die  Höhe  der  von 
der  ungarischen  Regierung  am  19.  Februar  1899  infolge  des  Österreich-Ungarn 
im  Berliner  Vertrage  zuerkannten  Rechtes  publizierten  und  mit  1.  Mai  eingehobenen 
Schiffahrtsgebühren  auf  der  regulierten  Strecke  Moldova  Turn-Severin,  ferner 
durch  die  hohe  Kanal-Remorkierungstaxe  berührt,  welche  vielfach  direkt  prohibitiv 
erschienen  und  das  grossartige  Regulierungswerk  für  sie  illusorisch  zu  machen 
drohten.  Am  meisten  hielt  Rumänien  seinen  Transit- Getreidehandel  nach 
Deutschland  bedroht,  da  der  durchschnittlich  früher  von  üiurgevo  — Budapest 
64  Kreuzer  per  q  betragende  Frachtsatz  durch  die  oktroyierte  Gebühr  um  1 1  Kreuzer, 
also  nahezu  um  18»/,,  erhöht  wurde,  welches  schädigende  Verhältnis  sich  auf 
weitere  Distanzen  wohl  ermässigte,  doch  niemals  ganz  ausglich. 

Das  Schiffsgebühren-  und  Remorkierungstaxen-Normaie  für  die  von  Ungarn 
regulierte  Donaustrecke  verordnet: 

§  1.  Die  den  regulierten  Stromabschnitt  der  unteren  Donau  ganz  oder 
teilweise  passierenden  Dampf-  und  Schleppschiffe,  Barkassen  und  sonstige 
Personen  oder  Waren  befördernde  Wasserfahrzeuge  haben,  insofern  dieselben 
nach  §  2  von  der  Zahlung  dieser  Gebühr  nicht  befreit  sind,  die  im  §  3  fest- 
gesetzten Schiffahrts-  und  Remorkierungs- Gebühren  zu  bezahlen.  In  der 
Schiffahrtstaxe  sind  die  für  die  Benutzung  der  regulierten  Donau-Abschnitte  und 
für  das  Lotsen  entfallenden  Gebühren  inbegriffen.  Für  die  Benutzung  des  zu 
Zwecken  der  zwischen  Turn-Severin  und  Orsova  durch  das  „Eiserne  Tor"  zu 
liewirkenden  Remorkierung  dienenden  Remorkörs  wird  eine  separate  Remorkierungs- 
taxe  eingehoben.  Es  können  auf  dem  regulierten  Donau-Abschnitt  ausser  diesen 
Taxen,  sovvie  ausser  den  in  den  einzelnen  Anlageplätzen  etwa  in  Kraft  stehenden 
separaten  Lokalgebühren  keinerlei  sonstigen  Taxen  eingehoben  werden. 

§  2.  Von  der  Zahlung  der  Schiffahrts-  und  Remorkierungstaxe  sind  befreit: 

I.  die  Kriegsschiffe;  2.  überhaupt  alle  stromabwärts  fahrenden  Ruderschiffe  und 
Barkassen,  deren  Tragfähigkeit  1000  Meterzentner  nicht  übersteigt  und  deren 
Tiefgang  weniger  als  1  m  beträgt,  ferner  die  Flösse;  3.  die  Schleppdampfer, 
insofern  auf  denselben  keine  Waren  untergebracht  sind. 

§  3.  Der  regulierte  Donau-Abschnitt  wird  tarifmässig  in  zwei  Teile  geteilt, 
und  zwar:  a)  der  Abschnitt  Turn-Severin  -  Orsova,  b)  der  Abschnitt  Orsova— 
Moldova.  Von  den  durch  beide  Abschnitte  verkehrenden  Schiffen  werden  nach- 
stehende Gebühren  eingehoben:  I.  Von  jedem  leer  oder  beladen  verkehrenden 
Frachtendampfer  oder  Schleppschiff,  Ruderschiff  oder  Barkasse  auf  Grund  der 
im  kubischen  Zertifikate  des  betreffenden  Wasserfahrzeugs  ersichtlich  gemachten 
vollen  Ladungs-,  bezw.  Tragfähigkeit  per  Tonne    ä   1000    Kilogramm    20    Heller. 

II.  Für  die  auf  Dampf-  oder  Schleppschiffen,  Ruderschiffen,  Barkassen  und 
sonstigen  Wasserfahrzeugen  untergebrachten  Waren  sind  an  Schiffahrtstaxe  für  je 
100  Kilogramm  18  Heller  zu  bezahlen.  An  einer  ausnahmsweisen  Begünstigung 
partizipieren  Steinkohlen  (Anthrazite,  Braunkohlen,  Lignite),  Bruchsteine,  Kies, 
Zement,  Kalk,  Brennholz,  Düngersorten   und   rohes  Steinöl,  für  welche  diese  Taxe 

F.  KAM  TZ,  Serbien.   U.  'M 


562  Von  Belijrad  zur  bulgarisch-türkischen  Grenze  mit  der  R;ihn. 

per  100  Kiloj^ramm  6  Heller  beträgt.  Die  naeh  publiziertem  Fahrplane  verkehrenden 
und  wöchentlich  mehr  als  eine  regelmässige  Tour  absolvierenden  Personendampfer 
haben  für  die  auf  ihnen  untergebrachten  Waren  den  unter  11  festgesetzten  vollen 
Tarifsatz,  dagegen  für  ihre  Tragfähigkeit  bloss  50  Prozent  des  im  Punkte  1  fest- 
gesetzten Tarifsatzes  zu  bezahlen.  Wenn  irgendein  taxpflichtiges  Schiff  bloss 
durch  einen  der  oben  erwähnten  zwei  Teile  des  regulierten  Donau-Abschnittes 
verkehrt,  so  wird  von  demselben  die  Hälfte  der  unter  1  und  11  festgesetzten  Taxen 
eingehoben.  111.  Für  die  Benutzung  des  zwischen  Orsova  und  Turn-Severin  im 
„Eisernen  Tor"-Kanal  verwendeten  Remorkörs  werden  unter  dem  Titel  einer  Remor- 
kierungs-(Schlepp-)Taxe  eingehoben:  a)  von  leeren  oder  beladenen  Dampf-  und 
Schleppschiffen,  Ruderschiffen  oder  Barkassen  für  die  im  kubischen  Zertifikate 
des  betreffenden  Wasserfahrzeugs  ersichtlich  gemachte  volle  Ladungs-,  bezw. 
Tragfähigkeit  per  Tonne  ä  1000  Kilogramm  5  Heller;  b)  für  die  auf  den  Schiffen 
untergebrachte  Ladung  für  je   100  Kilogramm  4  Heller. 

§  4.  Der  Führer  eines  jeden  in  Moldova  oder  Turn-Severin  in  die 
regulierten  Donau-Abschnitte  eintretenden  Schiffes  ist  verpflichtet,  auf  einem 
Anmeldescheine  die  Ladungsfähigkeit  und  die  Ladung  des  Schiffes  zu  fatieren. 
Diesen  Anmeldeschein ,  dessen  richtige  Ausfertigung  der  Lotse  tunlichst  zu 
überwachen  verpflichtet  ist,  reicht  der  Lotse  behufs  Feststellung  der  entfallenden 
Schiffahrts-  und  Remorkierungstaxe  der  Schiffahrtsbehörde  in  Orsova  ein.  Das 
bezüglich  der  Einhebung  der  entfallenden  Schiffahrts-  und  Remorkierungstaxe 
einzuhaltende  Verfahren  bestimmt  ein  besonderes  Normale. 

Im  Finanzausschuss  des  ungarischen  Abgeordnetenhauses  erklärte  der  Handels- 
minister Hegedüs  am  7.  November  1899,  dass  eine  wesentliche  Herabsetzung  dieser 
Remorkierungs-Gebühren  in  Aussicht  genommen  sei.  Was  aber  den  allgemeinen 
Tarif  der  Stromgebühren  betrifft,  wäre  es  nicht  seine  Absicht,  daran  zu  rütteln, 
bis  gründliche  und  erschöpfende  Erfahrungen  auch  über  diesen  Punkt  einen 
Fingerzeig  bieten  werden. 

Die  aus  national -politischen  Gründen  grossenteils  Ungarn  feindliche 
rumänische  Presse  und  selbst  österreichische,  serbische,  bulgarische  Journale 
stritten  weiter  gegen  die  „magyarische"  Belastung  des  unteren  Donauhandels,  und 
die  rumänische  Regierung  machte  sich  notgedrungen  zum  Dolmetsch  der  von 
der  heimischen  Publizistik  und  in  den  Handelskreisen  erörterten,  auf  die 
Freigebung  der  Donauschiffahrt  abzielenden  Vorschläge.  Diese  gipfelten  darin:  Es 
seien  dem  mit  80»;o  am  Donauverkehre  beteiligten  Ungarn  20"/,,  der  Regulierungs- 
kosten, demnach  9  Millionen  Kronen ,  durch  die  Donau-Uferstaaten  Russland, 
Rumänien,  Bulgarien,  Serbien  nach  dem  sie  treffenden  Verkehrs-Prozentsatze 
zurückzuerstatten.  Diesen  Anregungen  gegenüber,  und  auch  den  von  Russland  in 
einer  Note  unterstützten  Rumäniens:  die  Höhe  des  Tarifs  möge  im  Einvernehmen 
mit  den  Vertragsmächten  festgesetzt  werden,  hielt  die  ungarische  Regierung  den 
Standpunkt  fest:  Die  aufgeworfene  Frage  entziehe  sich  der  diplomatischen 
Erörterung,  weil  Ungarns  vertragsmässiges  Recht  zur  Einhebung  von  Strom- 
gebühren unanfechtbar  sei;  doch  schliesse  dies  Ausnahmebegünstigungen  für 
gewisse  Warentransporte    unter    bestimmten   Bedingungen    nicht    aus.      So   wolle 


Von  Belgrad  zur  bulgarisch-türkischen  Grenze  mit  der  i?.ihn.  563 

man  beim  rumänischen  Saiztransport  liie  wesentlich  niedrigere  II.  Tariftaxe 
anwenden,  wodurch  sich  dieselbe  um  0,18  Krone  per  q  iierabmindern  würde 
(Januar   1900). 

Nachdem  nun  im  April  1900  auch  Serbien  zur  Regelun<^  einzelner  mit  der 
Eröffnung  des  „Eisernen  Tor"-Kanals  entstandener  Grenzschwierigkeiten  eine 
Kommission  im  konzilianten  Sinne  abordnete,  scheint  es,  dass  die  unteren 
Donaustaaten  sich  mit  der  selbst  von  neutraler  Seite  für  die  Entwickelung  des 
internationalen  Verkehrs  als  hinderlich  betrachteten  „Peage"  und  mit  dieser 
zusammenhängenden  Belastung  werden  geduldig  fügen,  da  sie  bei  der  gegen- 
w'ärtigen  Sachlage  in  Österreich-Ungarn  und  Deutschland  von  deren  grossen 
Einfluss  besitzenden  Agrariern  kaum  eine  wirksame  Diversion  zugunsten  ihrer 
Wünsche  erwarten  dürfen. 

Ich  schliesse  mit  dem  anlässlich  der  Weihe  des  „Eisernen  Tor"-Kanals  von 
seinem  hohen  Protektor  Kaiser  Franz  Josef  in  Gegenwart  der  Könige  von 
Rumänien  und  Serbien  am  27.  September  1896  ausgesprochenen  Wunsche:  „Das 
„Viribus  unitis"  vollbrachte  epochale  Werk  möge  für  alle  Zeilen  die  Bande  guter 
Nachbarschaft  zwischen  den  Donaustaaten  festigen!" 


36* 


Alphabetisches  Sachregister. 


Seite 
Ak  kilise  (Pnlanka)  540 


Seite 
Abadzi  (Schneider)           209 

Alabana                               294 
Aladzahisar  (Krusevac)       87 

Abdulah  Beg                     215 

— ,  Sandschak                     288 

Abdul  Kerim         126  129  130 

Alakinci                        262  263 

Abdul  Medzid,  Sultan  153  342 

Albanescn                             50 

AbdurF^ahniauPasa,  Gou- 

Albini-Höhlen                      73 

verneur       154  164  171   207 

Aldinac                                352 

Abdur  Rahnian,  türkischer 

Aleksandrolit,  Mineral          64 

Grundherr                        327 

Aleksandrovac   (Kozetin) 

Abogovic,  Mihail                361 

79  284 

Ackner                               444 

Aleksinac,    Stadt    33    89 

Ad   Aquas    370  440  470 

103    109    110    111    124 

471    472  535 

125    126    129    130    131 

Ada  Kaleh    497  498  500 

132    133    140    142    158 

501   502  503  508  557 

193   349   415  544 

Adam,  Diiiiitrije                   136 

-,  Befestigungen               125 

Adam  Klissi                        486 

- ,  Bezirk                          170 

Ad     Fines     (Kursumlija) 

— ,  Garnison                       132 

252   277    286   302   321 

— ,  Gymnasium                   132 

324  326 

,  Kreis         146  147  202  234 

Ad  Herculeiii        283  284  286 

,  Obelisk                          132 

Adlija  Kula                          357 

— ,  Quarantäne                    125 

Ad   malum    (Bononia  = 

Aleksinacka  banja              114 

Vidin)                               472 

AIcssio  (Lissus)                  137 

Adrianopel                   218  241 

Alexander,   König  9    169 

Adrianopcler  Friede              33 

177  184  353  390  420  492  518 

Ad  Scnifula.s                       535 

— ,  Zar                                 131 

Ad  Sextum                         534 

Ali    Alijatja,     türkischer 

Afis  PasaAgic,  Kaimakam  234 

Grundherr                       327 

Agaluks                               312 

Ali    Beg,    karamanischer 

Aganlija,  Dahienführer       508 

Fürst                                301 

Agatangel,  Archimandrit    220 

Aliksar,    Kohlenflöz    bei 

Agic  Pasa                    236  242 

Brza  Palanka                  454 

Ahmed  Ejub  Pasa  126  129 

Ali  Pasa                       143  515 

348  349 

Ali  Sahib  Paäa                   126 

Ahmed  Khan  111.,  Sultan    152 

Allium  melanantherum       268 

Ahorn                                  310 

Almus                                  472 

Ajdanovacka    crkva    (hl. 

Aloisios,  Holzschnitzer      454 

Georgskirche)                 295 

Aloviti  Kamen                    232 

Seite 
Alrusi  (Atrimi)  203 

Alt,  Jakob  5(10 

Alt-Moldova  530 

Aiuta  453 

Amam  Ciftlik  135 

Amboncn  23 

Amiakum  Pasa  505 

Ammian  172 

Ammoiiiten  346  520 

Amselfeld  (Kosovo  polje)  139 
Ana,    Stevan     Ncmanjas 

Gemahlin  307 

Anastasija  307 

Anastasijevic,  Misa     519  520 
Anausarum  252 

Andjelina,   Gemahlin  des 

Stevan  Brankovic  398 

Andjelko,  Hadzi  273 

Andreas,  Ungarkönig         355 
Andrija,  Baumeister  280 

Andrijev  potok  400 

Andronikos  138 

Angelus,  Isaak,  Kaiser       138 
Anna,  Heilige  25 

Antin,  Bischof  205 

Antonije,  Kapelan  288  ' 

AntonijeviO,  llija,  Kajietan 

66  67  71  73  75  79 
d'Anville  444  472  487 

Apel,  J.  123 

Apollodorus,  griechischer 

Baumeister  483  484  485 

486  495 
Appel,  Brauer  158 

Aquis  470  471 

Aranibasa  Petar  413 

Arandjelkovic,    Dragutin, 

Offizier  332 

Arandjel,  Sv  ,  Kloster  106 

134  362  365  366 


566 


Alpliabetisclics  Saelircgistcr. 


Seite 

B. 

Seite 

Arbanaska  reka 

315 

321 

Seite 

Banjica,  Heilquelle             112 

Arcar,  Fluss 

356 

Baba-Gebirgsriickcn 

389 

Banjska  reka       303   309 

— ,  Ort 

356 

Babakajfels 

527 

529 

310    319    326    336  337 

Arcer  (Rafiaria) 

109 

137 

Babecki, Roman,  Ingenieur 

Banjskatal                             315 

Aredin 

134 

377  383  389 

Baptisteriuni  in  Salona       172 

Argos 

411 

Babicka-Gebiet 

189 

Baragin  (Paracin)               376 

Arkacliapolis,  Schlacht  bei 

138 

Babicka  gora 

188 

189 

Baranica                              347 

Arniata,  Kastell 

471 

Babina 

273 

Baranicaer  Höhen               349 

d'Arnau  Üniniiiik  du 

Saix, 

—  Glava               221 

223 

225 

Baranica,  Ruinenfeld          354 

Baron,  Hauptniann 

515 

—  Glava-Plateau 

223 

Barba  ros                            422 

Arnaiit,  Bach 

399  400 

—  Gorica 

190 

Barbatovac           294  301  319 

Arnauten  124  125  311  312 

Babinca 

272 

Barbeskahöhen                   190 

315  316  327  328  331  332 

Babin  Nos 

357 

Barbeska  reka                    189 

339  340 

—  Zub  (Orossniutter 

- 

Barbeskatal                          189 

Arnauti,  Familie 

366 

zahn) 

223  232 

Barjaktarovic,  llija              144 

V.  Arneth 

140 

Babisin  Vrh 

232 

— ,  Lazar                             414 

Arneth,  Josef,  Archäo 

löge 

510 

Babusnica 

215 

Barje                                    248 

Arribantiuni 

233 

Badajova 

48 

142 

Barlovo                                301 

Arsen, Erzbischofvon 

Pec 

Badincer  Han 

277 

V.  Baros, Gabriel,  Handels- 

(Ipek) 

24  30 

Badnjevac 

290 

minister                    555  558 

Arsena 

109 

Badnjevo       374  436  439  471 

Barostafel                            529 

Arsenije     IV.,     Patriarch 

Bären-Haselnussbaum 

310 

Barth,  Afrikaforscher           51 

252  412 

Baerenklau,  Oberst 

506 

Bartos,     Franja,     Kreis- 

Arsenovic 

176 

Bagrdan 

542 

ingenieur  158    163    165 

Asaf  Pasa 

253 

Bajazid,  Sultan,  Sohn 

Mu- 

176    177    180    186    189 

Aschbach    444   453 

472 

rads  81  85  86  252 

288 

242    258    266    268    272 

487 

499 

510 

318 

467 

487 

273  282 

Asemus 

472 

Bajir           I 

149 

Basarski  Kamen                  229 

Asinae 

46 

Balajinac 

175 

Basknezen                   430  431 

Asperula  ciliata  Koc 

1 

121 

Balajnski,  Ingenieur 

113 

Batal  (Teppichart)              210 

Atanas,  Schlossriiine 

206 

Balcinca 

232 

Batocina                              539 

Atanasovic,  Andrija 

294 

295 

Baldovin,  Schatz- 

—,  Schlacht  bei                  140 

Athos 

6 

kämmerer 

252 

Battard,   Auguste,    Berg- 

Atruni (Alrusi) 

203 

Balduin  II.,  Kaiser 

36 

138 

ingenieur                          427 

Atta  Beg 

255 

Balej 

439 

Batthiänyi                            504 

Attila 

552 

--,  Staatsdomäne 

465 

Batulovac                            277 

Auersperg,  Graf 

60 

Balicevac 

290 

Bazias                           529  530 

Augustae 

472 

Baljevac 

34 

35 

Becar,  Miloje                      144 

Aureus  mens 

534 

Balkan              60  118  232 

551 

Becevica                             204 

Aurum  dardanicum 

341 

Ballavstra,  Mutatio 

552 

Becir  Beg                            159 

Ausfuhrverkehr 

267 

Balta,  Kreisingenieur 

214 

Becir  Pasa                          508 

Avakuniovic 

160 

220 

221 

Becirovac,  Berg                   64 

Avala 

538 

Baltina  Cuka 

260 

— ,  Karaula                    62    66 

Avaren 

138 

Bamburek 

292 

293 

Beckerek                             530 

Avena  rufescens 

268 

Banicina 

539 

Becker,  Oberst            126  225 

Avramov  potok 

423 

Banja        88  172  173 

174 

Begovic,  Hassan,  Türken- 

Aya Sophia 

23 

188  463 

548 

familie                              290 

Azanja 

540 

— ,  Bezirk 

170 

Bejasnica                             294 

Azizieh,      Kustschuk 

er 

— ,  Kreis 

146 

Beklemeh  Kozeljokus         196 

Dampfer-Kompanie 

553 

—  Mündung 

302 

Bela   Crkva   (Kursumlija) 

Aziz  Pasa 

129 

130 

-  -  (llidza),  Therme 

46 

303  307 

Banjica,  Fluss 

114 

174 

(Palanka)                  540 

Alphabetisches  Sachregister. 


5(i7 


Seile 

Bela  III.,  Ungarkönig         138 

Belan  232 

Bela  Palanka       126    189 

193    194    196    197    198 

201    202    203    204    207 

211    212    220    22 1    222 

225    54«  550 
,  Bezirk  232 

—  -,  Denkmal  der  1877 
gefallenen  Serben  202 

—  --,  1877.      Eroberung 
durch  die  Serben  201 

,  EntWickelung  201  202 

—  -  ,  Konstantinopelcr 
Strasse  202 

—  — ,  römische  Baurestc 
und  Gräben       197  198  199 

,  Tiirkenschloss  198 

200  201 
Belasica  131 

Bela  reka     190  373   407 

409   410  411 

—  Keka,  Ort  407 
Belava.  Fluss  216 
— ,  Gebirge  202  551 
Bela  Voda.  Quelle  296 
Belemnites  canaliculatus   423 

—  giganteus  423 
Belgrad        137    141    143 

144    193   253   502   507 

532  534  538  545  547 
Belgrader  Friede  109  530 
Belgrad-Konstantinopeler 

Bahn  193 

—  Heerweg  552 
Belgrad-  Niser  Bahnlinie  212 
Belica  (Weissbach)  381 
Beli  Izvor,  Bittersalzquellc  455 
Bell  Kamen  (Weisser  Fels) 

261  281 
Beli-A\arkovic,    General 

148  150  253  263 


,  Regent 

9 

Beli  Potok 

245 

Beljanica 

404  405 

Beljkicev  grob 

275 

Belmuz 

68 

Belo  Brdo 

64  178 

Belogradcik   193  ???  226 

356  414 

— ,  Kreis 

225 

Beloljin 

294  307 

Seite 
Belloni,  Milos'  Leibarzt  113 
Belopalanacki,  Bezirk  211 
Belo  Polje  206  301 

Benedikt  II.,  Cir,  Bischof 

146  162 
-  XIV.,  F'apst  24 

Benndorf,  Professor    486 

511  512  513 
Beogradska  mahala  136 

Berilje  284 

Berilovac  206  223  224 

Berkovac,  Kreis  150 

Bcrkovica-Balknn  206 

Berliner  Vertrag  555  56! 

Bernstein  2 

Berzaskaer     Kohlenwerk 

524  525 
Besevic,      Bürgermeister 

von  Nis  160 

Bezded  Kamen  368 

Beziste  216  220 

Bienensteuer  430 

Bigrenica  382 

Biljeg  289 

Bilo  399 

Binicki  164  299  307 

Binovice,  Dorf  262 

Birnbäume,  wilde  313 

Bitordja  265 

— ,  Kastell  265 

Bivoli  (Büffclfelsen)    520  556 
Bivolje  105 

Blace       294  297  298  3«)  319 
Black  fly  (amerikanische 

Mücke)  526 

Blanqui ,       französischer 

Akademiker  222  534 

Blaska  (Srbovo?)  472 

Blatasnica  298 

Blato  202  211  214 

Bleierze  270 

Bljuvanovac  (Veljkovo)     425 
Bobalic,  Vuk  87 

Bobote  80 

Boboviste  129  131 

Böhm  447  499 

Bogdan,  l,jutica,Wojwode 

134  373 
Bogdanica  363 

Bogicevic,  Anta,  General  355 
BogiSic  111 

Bogojevac  327 


Seite 

Bogorodica,  Sv., 

Kloster 

106 

180  189  190 

Bogovadja 

463 

Bogovina,  Dorf 

401  402 

,  l-luss 

401 

Bogujevac 

321 

Bogutovac 

11 

Bojadzija,  Stanko               276 

Bojnik 

326  327  328 

Bokludza,  Bach 

202  207 

Boljetinskn  reka 

521 

Boljevac,  Bezirk 

420  421 

-,  Ort 

400  413 

Boljevacki    poto 

k    (Bad 

Ribare) 

105 

Bononia  (Vidin) 

422  472 

Bor 

407  408  409 

Borac 

87 

Bordelj  (Ljubicevac)  478 

Borkenkäfer  66 

Borova  Qlava  295 

Borska  reka  407  410 

Boskovic.Jovan,  Professor  510 
Bosman  525 

Bosnjaci  344 

Bosnjacka  djula  380 

Bosnjane  380 

Botune  204 

Botunja  75 

Boue,  Ami  37  51  61   108 

133    194.200  222   223 

224  370  537 
Bovan  108   122   123  131 

Bovaner  Kula  122 

Bozarovic,  Kapitän  493 

Bozovic,  Luka,  Pfarrer      237 
— ,  Nacelnik  322  344 

— ,  Pera,  Präfekt  292 

— ,  Pctar,  Kreishauptmann 

158  285 
— ,  Professor  270 

Bozurnja  284 

Brajinski  Vis  337 

Braljina  93 

Branicevo  532 

Brankovic,  Djordje,  Fürst 

87  139  195  203  234  284 

288  341  362  540 

-  ,  Fürstengeschlecht        490 
~,  Lazar  362 

-  ,  Pavle,  Knez  532 

-  ,  Vuk  82  83  84  85  311 


568 


Alphabetisches  Sachregister. 


Seite 

Bratendorf  (Pecenjevce)  279 
Bratisevac  216 

Bratjevac  374 

Bratkov  Vrh  231 

Bratujevac  439 

Braun,  Professor  487 

Brauneisensteinmine, 

Brestovacer  407 

Brdarsl<i,  Jovau  200 

Bregova-Insel  425 

Bregovo  431  471  474  475 
Brekinja  (Eberesche)  310 
Bresnica  11   175  258 

Bresnicic  300 

Bresnicka  reka  295 

Bresnik  15  26  204  267 

Brestovac  281  407 

Brestovacka  Banja  405  406 
Brezina  253 

Breznik,  Bezirk  211 

Brezova  25    26 

Brezovica  55 

Brijanje  328 

Brikettfabrik.  Radujevacer 

423  426  427 
Briner  504 

Brkina  Vrtaca  348 

Brloga  (Milutinovac)  477 

Brnjica  535 

Brocard,       französischer 

Mönch  341 

Brod  271  272 

Brodska  opstinska  kuca  272 
Bertrandon  et  laBroquiere 

87  97  138  203  341 
Brown,  Edward  87  94  249 
— ,  George  234 

Brus  74 

Brüll,  Budapester  Bankier  423 
Brusnik  425 

Brvenica  35  318 

Brvenik,  Schloss  36 

— ,  Stadt  15  36  52  64 

Brvenikschjuclit  36 

Brza  246 

Brza  Palanka  449  450  451 

452    453    454    455    470 

473    477    481    491    504 

518  535 

,  Bezirk  439 

Brzece  64  66  70  71 

Brzi  Brod  148  172 


Seite 
Brzi  Brod,  antike  Bauten 

172  173 
Bublica  327 

Bubna  148 

Buchenstännne,  verstei- 
nerte 11 
Buci  am  Jastrebac  105 
Bucinac  326 
Bucje  349  366  407 
Bucovic,  Oberst  126  150 
Bucumetska  reka  327 
Budilovina  76 
Budimlje  76 
Budin  Del  211 
Büdinger,  Geschichts- 
forscher 487 
Bugarinovacka  reka  283 
Bugar  Korito  417 
Bugarski,  k.  Baurat  259 
Buje  327 
Bujedzov,  Stevan  Dobrn, 

Färber  243 

Bujisic,  Prokopije,  Iguman 

462  463  464 
Bujkovski  putok  422 

Bujmir  130 

Bukarest  241 

Bukarester  Friede  89 

Bukova  Glava,  247 

Padina  202 

Bukovce  425  471 

Bukovik  275  276 

Bukovi  potok  400 

Bukovo,  Kloster  374  438 

458  462  463  464 
Buljane  380  385 

Bunatovac  248 

Bunike  (Bilsenkraut)  443 

Burci  402 

Burdizu  472 

Burgus  Altus  371 

Burier  483 

Buttler,  Major  143 

Byzanz  138 


Cacak  9  33  542 

— ,  Kreis  1 

Caglavica  303 

Cagoljski  rid,  Hochebene  260 
Cagrovac  186 

Cagrovacka-Pass  186 


I  Seile 

Campanuin  pinifolia  l^J'chtr. 

J       in  litt,  121 

Camurlija  148  178 

Capljinac  148 

i   Carapic,  Tanasije  474 

Caretina  450 

Caretina-Höhe  446 

Carevac  389 

Carev  Kamen  552 

Caribrod  222  230  548 

'    — ,  Schlacht  bei  212 

Carica  473 

Caricina(Bolboros),Quelle  469 
-   (Starisina)  328 

Caricin  Kladenac  268 

Carigrader  Brücke  375 

Carina  103 

Carostävnik  284 

Carrara  172 

Carska  Lavra,  Kloster  17  181 
Caruni  graecinn  Boiss.  121 
Casal      de     Constantina 

(Kostimpolje)  296 

Casnji,  Maler  454 

V.  Cassian,  Direktor  554 

Castrenses  (castellani)  192 
Caus  Halini,  Alajbeg  532 

Cebrus  472 

Cecevica  311 

Cecinabrücke  189 

Celei  487 

Cefalov  Do,  Haltestelle  424 
Cegr,  Berg  144  177 

Ceker,  Berg  92 

Cekmin  280 

Cele  Kula  (Schädelturm) 

144    150    179    180    194  345 
Celije  186  188 

Cemcretica  270 

Cemernik  264  269  270 

Cemerno,  Berg  2    59 

Centum  530 

Cephaloiden  520 

(ieraniidi  (Rundziegel)  333 
Ceribasa,  Hochebene  493 
Cercmidzari  (Ziegel- 
schläger) 231 
Cerevic  (Syrniien)  25 
Cernec  453  499 
Cernjajeff,  General  108 
129    130    131     132    147 

225   226  416 


Alphabetiscilcs  Sachregister. 


569 


35 


(Gruiul- 
33 


Seile 
226 
226 
216 
399 
393 
449 
258 
199 

65 
531 

11 
543 

312 
557 
478 
471 
473 
216 
198 


Cerova  106 

Karaiila 
Cesma  Rakos 
Cestobrodica        380  392 

Pass 
Cetace  446 

Ccvrljuga 

Chalkedonisches  Konzil 
Child,  Clifton 
Cibiiklija-Insel 
Cibukovac 
Cicevac 
Ciftlik-Sahibien 

lierren) 
Cifucki-Kamcn 
Ciganjski  potok 
Cikoljskabrücke 
Cinia  Diidu 
Cincarcn 
L'incarin,  Kosta 
Cingene    derven,    Kalk- 

defilee 
Ciperus  niger 

vadius 
Ciplak    ada,    runiänisclie 

Insel 
Ciporovica 

Balkan  210  225 

Cirilovactal 

Cista  Pticina  bei  Liika 
Ciul 
Cizniic 

Clary  d'Aldringcn,  Graf 
Claudius,  Kaiser 
—  II.,  Kaiser 
Clevora  (Mijnilovac)  453 
456  470  471 
Clissura,  Wasserscheide 
Cobani  (Hirten) 
Cohadzi,  Nikola  136 

Cohortcs  Thracuni 

Siriacae  355 

Cokoce,  Berg       382  383  387 
Cokotin  grob  105 

Colak-Antic,  Oberst      49  300 
Colombots,  Schioss  249 

Coliinibina  (Oolubinje)      444 
Coiutea  arboresceus  75 

Conbustica81  347  354  356  357 
Constantinopolis  137 

Constantiiis  138 

Copin  grob  179 


Cornu  de  capra  (Geishorn) 

Coronini,  Donauarm    529 

Cortanovic,  Maler       432 

Corvingrad 

de  Courtenay,  Robert 

Crambianis 

Crcavac 

Crep,  Wojwode 

Crispae 

Crkovnica 

Crkvena  Mahala         268 

Crkvina  130  326 

Crna  Cuka.  Karaula 

Crnajka.  Fluss  441 

-  ,  Ort 

Crna  reka,  Fluss  373  407 

—  Reka,  Gebiet  346  413 
414  415   416   421    435 

Crnatovo 

Crna  Trava   187  270  271 

Crnica  375  380  381  384 


Seite 

Seite 

409 

Cukljenik               184  185  244 

556 

Cukljenicka  reka                 244 

463 

Culex  rept.  (Mückenart)    526 

481 

Culic                                    374 

I3S 

Cuppae                                444 

134 

Cupren                                226 

248 

Ciuprija            140  142  380  543 

389 

-  ,  Kreis                      234  375 

371 

Cuprilic  {Köprülü),Oross- 

190 

vezier                                47 

272 

Curkovac,  Weiler               265 

327 

Curlina           145  149  180  181 

339 

— ,  Kirche                      182  183 

442 

Curtea  de  Arges,  Kirche  397 

441 

Cvetanovac,Staatsdoniane465 

410 

Cvetkovic,  Ingenieur            15 

Cvijic,  Professor  219  402  547 

442 

Cvilenijeff,  Oberst       473  491 

323 

273 

202 

386 

55 

Crni  Vir 

55 

CrniVrh92    188   216   222 

223    226    246   248    331 

494 

346    374   389   405    407 

232 

Crnobarska  reka 

230 

Crnoglavac,  Mijat,  Ceta- 

534 

führer 

407 

Crnovrska  reka 

453 

Crnovunci     (Schafhirten) 

258 

59  188  216  217  218  219 

516 

220 

544 

-,  Weiler 

137 

Crvena  Jabuka            272 

Crvena  reka,  Bach      188 

535 

189  195 

249 

-,  Bahnstation  188  195 

216 

—    ,  Bergstadt  an  der 

156 

Crveni  Breg         270  327 

-  Kamen 

Cubra 

Cubre 

Cucale  294 

Cuka  186 

—  marc 

Cukar  187 

Cukaru  Marc 

—  miku  (Kleiner  Blutberg) 
Cukic',  Kosta,  Minister  90 
— ,  Petar 

— ,  Wojwode 


387 
279 


441 
133 

307 
223 


293 
232 
273 

I9() 
196 
64 
550 
399 
471 
249 
298 
190 
478 
557 
516 
515 
416 
32 
90 


D. 

Dadinci  275 

Dahien  87 

Damjanov,  Andrija,  Bau- 
meister 162 
Damjanuvic,  l'aln)miie  457 
Dainnjan,  Sv.  94 
Dampfschiffahrt,  franko- 
serbische 523  524 
Daniele  249  341  357  398 
Danilo,  Bischof  146 
Daphne  Cneorum  L.  121 
Darda  (wilder  Birnbaum)  313 
Dardania  233  313 
Darkovac  267 .272 
Dasnica  80 
Daun,  Graf,  Major  48 
David,  Heiduckenführcr  366 
Davidovac  366  380  493  494 
Dazien  447  449  453  482  483 
Debela  ülava  388 
Debeli  Del  270  MH 
Dec  (Deez),  Kastell  470 
Decani,  Kloster     163  181 

335  343 
Decebalus      118  470  482  483 
Deda  Viktor,  Bischof         304 
,  Mönch  146 

Dedic(Medvedja)289  334  335 
Dedina  Bara  273  276  545 
Dedojevci  2 

Deez  (Dec),  Kastell  470 


570 


Alphnbetisclic's  Sachregister 


Seite 

Deez  (Prahovo)  472 

Üegrmen,  Klosterriiiiie  316 
Dejanovac  352 

Deligrad         88    1Ü7    108 
110    111    122    126    129 

131  144  544 
Deli  Jovan  374  440  441  462 
Delique,  Holzhäiullcr  454 
Oemetrios-Lavra  zu 

Salonik  220 

Demetriuskirclic  zu 

Smyrna  23 

Dcmir  Barjam,  Heg  247 

Denska  181 

Denta  507 

Dernschwamni  139  167 

Derven  346  347  348 

Descani  Kladennc  268 

Despina  Poljana  93 

Desturca,  Sarban  Voda  458 
Deuster,  Ingenieur  483  484 
Deve-Bagrdan  542 

Devi  Bakerdan  542 

Devica-Gebirge  170  366 

DevKazan(Teufelskessel) 

245  246 
Devojkin  Kamen  (Jung- 
fraustein) 546 
Devolin  248  253 
Devotinska  reka  249  250 
Dezeva  46 
Dianthus  pelviforniis 

Heuff.  121 

Dibocica  233  335 

Didron  24 

Dierna  444  448 

—  (Orsova)  447  499 

„Die  Schlacht  am  Amsel- 
feld", Epos  84 
Dilaver  Begova  Kula  234  245 
Dimic,  Mala,  Ingenieur  353 
Dimitrije,  Sv.,  Kloster  202 
Dimitrijevic,  Djoka,  Dr.  123 
Dimitr,  Wojwode  203 
Dimnica(Rauchfangsteuer)  146 
Dinic,  Dr.,  Arzt  214 
Die  Cassius  483  484  485 
Divic  530 
Divljane  220 
Divljanski  manastir, 

Kloster  220  221 

Divus  Traianus  pater         485 


Seite 

Djak  Brdo  31 1  316  317  318  328 
— ,  Milojc  539 

Djakovo,  Berg  11  15  16  34  59 
— ,  Brunnen  17 

—,  Ort  26  311  333 

Djakus  283 

Djalucberg  410 

Djemizlok,  Bach  402  404 

Djerdjelez,  Heilquelle  112 
Djordje,  Bischof  143 

~,  Sv.,  Kloster  226  229 

Djordjevic,  Hauptmann  126 
— ,  Mihailo,  Beamter  367 

-,  Milisav  413  414  415 

— ,  Ministerpräsident  465 

— ,  Tih.  R.,  Professor  132 
Djuknic,  General  420 

Diumrukdzija(Zollbeamte)  38 
Djunis  103  129  130  131  544 
Djuniska  Meana  106 

—  reka  103  105  106  129 

130  142 
Djuniski  krs  106 

Djurdjevi  Stubovi 
(Georgssäulen),Kloster- 
ruine  46 

Djurevac  298 

Djuricagipfel  293 

Djuric,    Dimitrije,    Ober- 
leutnant 253 
Djurina    Sreca    (Georgs- 

Glückzeche)  270 

Djusince  294 

Dlugojnica,  Dorf  262 

Dobra  522  524  525  527  535 
Dobra  Glava        279  281  282 

—  Gera  282 
Dobric,  Bezirk             312  213 

—  Hochplateau    283  284  294 

—  Terrasse  175 
Dobridol,  Kastell  229 
Dobrnjac,  Petar,  Wojwode 

107  118  144  376  460  473  491 
Dobrodolska  reka  64 

Dobrojance  248 

Dobro  Polje  272  413 

Dobrotic  291  318 

Dobruca    ,  '         241  486 

Dobrujevac  413 

Dochat,  General  142  143  152 
Dognacka  503  529 

Dojke,  Donauriff  556 


Seite 

Dojkinci  229 

Doktoroff  130 

Dolac  25 

Dolap  550 

Dolinen  188  346  402  422  451 

Doljevac  283 

Dolova  412 

Domaszewski  233  448 

Domitian  482 
Donau- Danipfschiffahrts- 

gesellschaft  474   482 

497    501    523  524   553  554 

Donaulimes   81  122   398 

447    453    471  472    489 

493   494  534 

Donja  Bresnica  293  294 

—  Dragusa  294 

—  Hrtica  315 

—  Josanica  294 

—  Kamenica  345  360  361  362 

—  Klisura      (Kazanpass) 

446  514 

—  Konjusa  294 

—  Kopasnica  233  545 

—  Koritnica  220 

—  Mutnica  389  392 

—  Pupavica  316 
~  Recica  294 

—  Riana  265 

—  -  Studena  184 

—  Vrezina  179 
Donje  Krnjino  216 

—  Romanovce  265 

—  Stopanje  279 

—  Tocanje  294 
Trebesinje  258 

Donji  Adrovac  129  544 

—  Barbes  189 

—  Dedinac  320  321 
^  Dusnik  186  187  189 

—  Krcmar  320 

—  Ljubes  106  130 

—  Matejevac  345 

—  Milanovac  443   444 
445    447    455  517    518  556 

Plocnik  301 

Rinj  198 

Dortico  535 

Dorticum  472 

Dozudic,     Priester     und 

Lehrer  482 

Draga,  Königin  160 


Alpluibctisches  Sachregister 


iU 


1 


Seite 

Seile 

üraganice,  Karaula 

45 

Dusan,  Zar  2  4  46  60  93 

DraganoviO,  Sava.  Kreis- 

180 194  252  257  361  397  467 

förster 

395 

Dusanjevo(Dzanjevo 

,Du- 

üragasevie,  Oberst 

I8Ü 

sanovac) 

467 

124    2»;    302    347 

371 

453 

Dusanovac       (Dzan 

evo) 

Dragoman 

203 "552 

361  467  468  469 

,  Schlacht  bei 

212 

Dusica,  Klosterruine 

468  469 

üragovac 

327 

Dusmanica,  Kloster 

76    79 

üragovlje 

188 

Duvari  brdo  (Mauern 

lerg)  301 

Dragusa,  Bach 

190 

Dva  Brala,  Bergterrasse    258 

Dragutin,  König 

46 

Dyonisije,  Iguman 

389 

Drajinci 

334 

Dzanjevo(Dusanovac 

)361 

Draäkovac 

282 

467  47! 

Draskovacki  grad 

190 

Dzaverov  Lug 

281 

Draäkova  Kutina  185 

18ti 

192 

Dzedzerac  (Davidov 

ac)      493 

Drazevac,  ürenzkaraula 

134 

Dzep 

263 

Drei  Ohren  (Tri  U§i) 

282 

Dzepa 

546 

Drekalovici 

46 

Dzepnica 

294  298 

Drenca 

76 

Dzevrin 

439 

Drenkova 

522 

556 

Dzeverinski  Kamen 

496 

Drenovac 

322 

potok 

496 

Drenovacki  potuk 

108 

Dzidsko  groblje   be 

Sv. 

Drenovcc 

249 

Djordje 

229 

Drin 

59 

Drina 

142 

148 

E. 

-  Gebiet 

49 

Drobetae    (Turn-Severin) 

Eberesche 

310 

483  486 

Edrisi 

203 

Drobnjak 

49 

Egeta    449    430    451 

453 

Drogoman 

221 

470  535 

Droz,  Dimitrije 

232 

Egri  Palanka 

252 

Drubetis  ('lurn-Severin) 

453 

Eierausfuhr 

541 

Drvodelja 

332  335 

Eilschiffe  (Donau) 

135 

Dubasnica,  Bach 

402 

Einsiedlerkapelle  bei 

Stu- 

Dublje 

93 

denica 

25 

Dubnica 

386  400 

Eisenbahnen,  Belgrad 

-Nis 

Dubocica 

11 

15 

538    539    540    541 

542           1 

Duboki  polok 

372 

543 

544  545 

Dubova 

515 

— ,  Nis— Caribrod  (Kon- 

Dubovac 

507 

stantinopel)     548 

549 

Dubovo 

323 

550  551 

552  553 

Dubravica 

541 

— ,  Nis    Zibev£e(Salonik) 

Dugacki  Trap 

367 

545 

546  547 

Duga  Poljana 

186 

Eisenindustrie 

269  270 

Dugo  Polje 

186 

Eisenläger 

400 

Dukatski  Vis 

335 

„Eisernes  Tor"    495 

503 

Dundjeri     (Häuserbauer) 

514    553   554   555 

556 

269  272 

557 

558  559 

Dupljane 

279  546 

„Eisernes  Tür"-Kanal  492 

Dupljaner  Bach 

468  ! 

495   496   498   500 

509 

Durmitor,  Berg 

60 

535   558   559   560 

561 

Durostorum 

472 

562  563 

Seile 
497 
482 
122 
50 
134 


„Eisernes  Tor"-Klippen 

Pass 

Eishöhle  (Ledenica) 
Ejub  Bey,  Major 
Ejub  Pasa 
Elisabethfort  497  500  502 

503  508 
Elisabethschanze  503 

Eminova(Prva)Kutina  145  185 
Engel  487 

EpiscopusRemessianensis  199 
Erdbeben  357 

Erzlager  407  441  442 

Erzzone  265 

Esad,  Ferik  253 

Esat  Beg  234 

Eski-Dzuma  207 

Eugen,  Prinz  118  141  234 

289  502  503  305  506 
Euphemia,  Nonne  23 

Evans,  Artur  John       233  326 
Evstatijc,  Bischof  214 


Faeniopteris  stenoneura    423 
Fahrpost  Vidin— Nis  193 

Falkenbad  110 

Falkovce  193 

Fasli  Pasa  474 

Fassdaubenfabrikation  315  3  Kl 
Fazil  PaSa  129  130  131 

Feldzug,  serbisch-türki- 
scher, 1876  348  349  351  352 
Ferdinand,  Fürst  von  Bul- 
garien 160 
Festetics,  üraf  48 
Fef  islam  (Kladovo)  490 
Feudalsystem  34 
Fichtenwald  121 
Filipov  Han  366 
Filosof,  Kostadin  80  229 
Fledermaushühle  51(') 
Fleischwarenausfuhr  541 
Florentiana  472 
Florentin  504 
Fluchhügel  (prokletije)  366 
Focic,  Dahienführer  508 
Forbiger  347  472 
Forstorganisation,  Tiroler  57 
Franke,  Geschichts- 
forscher                  453  487 


572 


Alphabetisches  Sachregister. 


Seite 
Franl<o-serbisclie  üanipf- 

schiffahrts-Gcsellschaft 

523  524 
Franz  Josef,  Kaiser  559 

Frauen,  serbische  68 

Frauen-Eis  249 

Freiheitskampf,  serbischer, 

1804  144 

Friedrich  1 ,  Kaiser  138 

Fritzmann,  St ,  Apotlieker  438 
Froehner  485 

Fronic,  Glisan,  Hauptmann  226 
Funija,  Höhle  422 

Furtwengler  486 


üabar 

187 

Gabarbach 

441 

Gabrovac,  Ort 

180 

,  Kloster 

180 

181 

Gabrovacki  potok 

180 

Gadzin  Han 

189 

Gagince 

248 

Gaglovac,  Dorf 

105 

— ,  Pulverfabrik 

105 

Gaglovacka  rek? 

-Tal 

105 

Gaglovica 

130 

Gaglovo 

130 

Gajtan 

284  331 

334 

—  Fabrikation 

210  243  244 

Galibabinacka  rt 

'ka 

366 

Gamza,  Prinzessin 

370 

Gamzigrad  370  371  372  400  471 

--  Plateau 

370 

Gamzova 

474 

Garca,  Heiducke 

366 

Garcina  Cuka 

366 

Gare 

272 

Garvanica 

270 

Gastfreundschaft 

ser- 

bische 

71 

Gavra 

145 

Qavrilo,  Iguman 

464 

Gavrilovic  Uros, 

Advokat  353 

Geistliche,  serbische 

70 

GenistasubcapitataPancic  121 

Gentiana  ciliata 

L. 

121 

Georgi,    Veliki 

Parkalab 

Zupan 

397 

Georgssäulen 

(Kloster- 

ruineDjurdjev 

Stubovi) 

46 

Seite 

Qerlach,  Reisender  203  540 
Gerulatis  450  535 

„Gesänge  der  Serben"  95 
Gigen  487 

Gikic  64 

Gilan  248  337 

Ginci-Balkanpass  230 

Ginzovo  417 

Glasovicki  potok  323 

Glavas,     Stanoje,     Hei- 
duckenführer   289  415  539 
Glavica  380  400  462 

-  Plateau  446 

Glavicica  349  362 

Glavicka  Cukara  380 

Gleboff,  russischer  Offizier 

473  474 
Glibocka  335 

Gligorijevic,  Vule  32 

Glogovac  374 

Glogovacko  Brdo  357 

Glogovica  131  410 

Glubocica  233  288 

Gobelja,  Berg  92 

Goc,  Berg  92  93  249 

^,  Engpass  92 

Godovic  25 

Qötting,Bergingenieur410  423 
Gojinovac  294 

Golaca-Alp  293 

Golas  188  202 

Goldwäschcrei  373  410 

Golecu  516 

Golema  Cuka  232 

—  reka  326  327 
Goleme    Bukve,    Grenz- 
zollamt 267 

Golemo  Selo  248  249 

—  Straziste  188 
Goles  Planina  311 
Golija-Planina  46 
Golina  367 
Goli  Vrh  441 
Qolombotz,  Schloss  249 
Golub,  Knez  249  399 
Golubac  249  327  528  529 

535  556  558 
-,  Burg  351 

— ,  Schloss  527  529 

Golubinja  448  450 

Golubinje  443  444  447  448 

450  499  516  556  557 


Seite 

üohibinjcGebir), 

cl2 

1388 
395  402 

—  (Vranja) 

249 

Golubovac,  Fels 

424 

Gombos 

371 

Gopcevic,  Spirid 

on 

516 

Gorica   148   149 

150 

154 

158 

180  181 

Gorina 

246 

Gornja 

505 

-    Bresnica 

293  294 

—  Dragusa 

294  297 

—  Josanica 

294 

-~  Kanienica 

345  362 

—  Klisura 

518 

—  Konjusa 

294 

-     Koritnica 

220 

-    Mutnica 

388 

--  Rccica 

294 

—  Rzana 

265 

—  Svarca 

297 

Vrezina 

178 

181  345 

Gornjak,  Kloster 

435 

Gornje  Krnjino 

215  216 

"    Tocanje 

294 

-     Vlase 

188 

üornji  Adroväc 

544 

-    Barbes 

189 

—  Krupac 

206 

—  Ljubes 

130 

—  Matejevac 

178  345 

-    Prisjan 

188 

Rinj 

198 

Statovac 

321 

Qortschakoff,  Fii 

rst 

133 

Gorunovac 

387 

Gospodjin    Vir 

(Frauen- 

Wirbel)        517 

521 

522  556 

Gostusa 

230 

Grabova  Mika 

441 

Grabovacer  Kloster 

383 

Grabrovacka  reka 

320 

Grabovica 

477 

Qrabovnica 

321 

Grabovnicka  rck 

a 

334 

Gracanica,  Fluss 

67 

-  ,  Kloster 

252  254 

Gradac 

106 

118  296 

— ,  Berg  109  496  550 

-    breg  277 

— ,  Klosterkirche  36 

Gradacki  potok  271  477 


Alphabetisches  Sachregister 


57;] 


Seite 

GradaCko  brdo  10(5 

Gradasnica  118  190  229 

Gradiska  Cuka  356 

Gradiste       122  174    175 

176    275    283  357    535- 

550  552 

Gradnja  248  249  252 

Gradska  Glama  356 

-  reka  265  272 
Gradskov  424 
Grad  Stalac  94 
Gräber,  römische  221 
Gräberfeld    bei  Kraljevo 

123  124 
Grahovo  545  546 

Gramada  158 

Gramadahölien  348 

Gramadasattel  345  346 

Gramadja  261  265 

Gramberg,  Major  518 

Grampiana  134 

Gran,  ungarischer  Fluss  139 
Graniranis  371 

Granirianis  134 

Granit  11 

Grant,  E.  M.  374 

Graphit  2 

Grasevacka  reka  73 

Graäevci  64 

Graätica  331 

Grbavie  364  366 

Grbavci  332 

Grbljanovic.  Lazar,  Zar  111 
Grci  (Griechen)  216 

Grdelica  269  274  281  545 
Grdelicka  Klisura  234  545 
Greben  512  520  556 

-  Katarakte  518 

-  Pass        444   447   516 
518   519   520   527    535 

553  556 
Pylon  55G  558 

Greda  (Flugsand)  528 

Gredelina  352 

Gredetin  544 

Gregoriusklostcr  auf  dem 

Berge  Athos  24 

Grenzregelung  33    89 

Grgur,  Sohn  des  Djuradj 

Brankovic  350 

Grgure  294 

Grigorije,  Bischof        1-J6  162 


Seite 

Grisebach  547 

Qriselini  444  515 

ürivas,  Fanarlote  144 

Grkinja  189 

Grljan  369  417 

Grljiäte  369  413 

Grncari  (Töpfer)  231 

Grob  187 

Grocka  490  534 

Gröber,  Kar!  84  467 

Grohatljevica  podvis  349 

Gronsteld,  Graf  60 

Grossmutterzahn     (Babin 

Zub)  223 

Gross-Stalac  94 

Gruja  475 

Grujic,  Ministerpräsident     10 
~,  Mladen,  Dr.  157 

Grumbckow  Pasa  341 

Grza  380  389  391 

Guberevac  243 

Gubes  230 

Gulijan  346 

Gulijanska  Planina  364 

Gundulic  196 

Gura  Vaj  494 

Gurgusovac    (Knjazevac) 

88  143  144  350 
Gurgusovacer  Kula  350 

Gursovic,  Jakov,  Buljuk- 

basa  62 

üuruSehehce(Kurucesme)  199 
Gusa  (Kropf)  11 

Gusanac  Ali  460 

Gutmann,  Gcbriitler  525 

Guzevje  270 

Gyulni,  Graf  506 


H. 

Hadrian,  Kaiser  483  486 

Hadzi,  Titel  67 

Hadzi  Chalfa  199  2«)  224 

341  362  532 

—  Jovan,  Isposnik      391  392 

—  Nikolino  ostrvo  519 
-  Prodanscher  Aufstand      2 

Hämus  249 

Gebiet  224 

Hafis  Pasa    159   176  348  376 


Seile 

V.   Hahn,    Konsul  61   133 

176    194   233   236   245 

252    253   283   296   301 

307    321    323   324    326 

327  334  341  343  537 
Hajducka,  Terrainwclle  455 
Haladza  (KruJcvac)  87 

Mali  Beg,  Kaimakam  220 

Halikaniburg,  Kastell  471 

llalil  Pasa  148  149  343 

Hamilton,  General       497  503 
Hamites  banaticus  423 

rigulus  423 

Hammaum,  Mansion  286 

302  326 
Hammer 
Hamsa  Beg 
Handschartanz 
Hanfbau 
Harac  (Steuer) 
Haralampije,  hl 
Harzovina 


Hassan  Pasa 

Hatzeger  Tal 

Hebrusgebiet 

Heiducken 

Heiszier 

Helvetier 

Heraklestenipel 


203  224 
136 

340  341 

238  241 

430 

Kirche     202 

335 

417  540 
482 
259 
55  56  196  231 
141 
192 
284 


V.  Herder,  Baron  63  64  (35 

81  112  374  398  406  407  441 
Herniaria  glabra  310 

hirsutn  310 

Herodot  238 

Hertzberg  531 

Herzegowina  46  463 

Herzog  der  Zeta  17 

Herzog    von    Lothringen 

142  505  507 
Heuschrecken  274 

Hierokles  233 

Hilandar.  Athoskloster  23 

147  252  390  391 
Hirsch,  Baron  267 

Hisarberg  204 

Hochzeitsstcuer  430 

Hodi>a-Balkan  194 

Höhle,  Oolubacer        526  527 
Höhlen  346  526  527 

Hofmann,    Bergingenieur 

346  374  404  407  441   442 
Hajduk  Veljko-Denkmal     432 


574 


Alphabetisches  Sachregister. 


Seite 


Seite 


Hoiiigtcniie       (Mcdcnno 

Ipek  (Pec) 

4  335 

Giimno) 

279   , 

Isajeff,  üraf,  General  460 

Hormuzaki 

467 

461 

473  474  491    \ 

Horom,  Fort 

532 

Isferlik  (Svrijig) 

362  363 

Horreum    Margi    81 

109          ; 

Ismail  Bej 

88 

299  370  380 

387  543 

—  Pasa 

235 

Horstig,  Artillerie-Oberst   166 

Isnebol  (Trn) 

224  535 

Horvatovid,  Heerführer  126 

Isker 

265 

129  130  176  225 

348  349 

Nisavagebiet 

267   1 

Hoszpotzky,  k.  Baiirat       559 

Isperik 

347 

Hram,  Feier  des  Kirchen-           j 

Isposnica-Kirche 

bei  Stu- 

patrons 

67 

denica 

25 

Hristovina  (Christusgriin)  333 

Ister 

118 

Hrom,  Fort 

532 

Ivackovic,  Architekt           237 

Hrtica  Brdo 

317   1 

Ivan  Beg 

318  ' 

V.  Huhn,  A. 

213 

Ivanj-dan  (24.  Juli  a.  St.)    98 

Hum 

177 

Ivanje 

327 

Humac 

322 

Ivankovac 

414  415 

—  Plateau 

293 

Ivan  Kula 

316 

Huinbrocht.  Oberst 

143 

-,  Sv. 

180 

Huinhöhe 

136 

Ivanova  Kula  317  318  319  331 

Hussein  Beg 

253 

—  Livada 

223  357  421 

—  Pasa                 145 

254  270 

Ivanovic,    Ljuba, 

Stabs- 

Hunyädy,  Jänos    87 

139 

offizier 

150  331    ' 

194  195  298  299 

311  319 

Ivanovo  Brdo 

311 

—  ,  Ladislaw 

60 

Izlaz 

525 

Hyena  speloca 

404 

-  Riffe 

520  556 

Izom 

259 

Izvor,  Dorf  206  223  347  367  389 

I. 

— ,  Karaula 

223 

Izvori  (Rumisiana)              199 

Ibar,  Fluss   2  4  1 1  51  59 

Izvorska  reka 

223 

142  296  297  298 

-  Gebiet 

295  296 

Ibisov  Zabran 

349 

J- 

Ibrahim  Beg 

491 

—  Ferik 

253 

Jablanica,  Bach 

188    279 

—  Pasa                 473  474  508 

281  331 

Ignjatieff 

130 

— ,  Bezirk 

257  342 

Ilic,  Dimitrije,  Pope 

462 

— ,  Ort 

399  413 

— ,  Djura,  Lehrer 

184 

-,  Tal 

344 

— ,  Milutin,  Bezirkskapetan 

Jabucar 

540   ■ 

331   333 

Jabucatore 

458  459 

— ,  Petar,  Kniet 

298 

Jabukovac 

456  457 

Ilidza  (Banja),  Therme         46 

]ag\i,  Professor 

463 

llija  (serbischer  Donner- 

Jaglicje 

186 

gott) 

66 

Jagnjilohöhe 

15 

-,  Sv.,  Kloster 

261 

Jagodina 

140  542  543 

llinoer  Kula 

414 

Jajino 

243 

Inogosta 

252  261 

Jakobljev,  Oberst                353 

Inokentijc,  Bischof 

163 

Jakobojev,  Oberstleutnant 

Inovo 

481 

164  IGG 

Seite 
Jakomir,  Bach  479 

Jakovac,  Bach  93 

Jakovljevic,      Aksentije, 

Offizier  309 

Jaksi  Beg  138  203 

Jalbotina  552 

Jan  (Teppichart)  210 

Janicije,  Bischof    143  146  147 
janja  (Joanikije),  Bischof  4  6 
,  Dorf  224 

— ,  Karaula  224 

Janjevo  338  341 

Janjevoer  Gold- und  Silber- 
minen 277 
Jankova    crkva    (Kirche) 

298  299 

—  Khsural03  289  298  299 

300  319 

—  Klisura-Strasse  301 
Jankulov  Zbeg  549 
Janosica  358 
Jarcevpotok.Vlasinaquelle  266 
Jarcujak  2 
Jasenica  426  436  439  471 
Jasenova  507 
Jasenovac,  Berg  545 
Jasika  88  103 
Jasikaer  Pontonbrücke  93 
Jasikovac  425 
Jasikova  reka  373 
Jastrebac  75  145  284  293 

311  365 
Jastreboff,  russischer 

Generalkonsul  163 

Jasunja  190 

—  Quellen  189 
Javor                                    216 

—  Armee  49 
Javorac  298 
Javorek,  Jovan,  Heiliger  93 
Javorje  272 
Jazyger  483 
Jelasnica,  Dorf  156  183  262  418 
-,  Fluss  183  185 
— ,  Gebiet  158  184  260 
—,  Kohlenbergwerk            183 

,  Pass  183 

Jelec,  Schlossruine  46 

Jelena,  Gemahlin  des  Ka- 

radjordje  Petrovic  24 

— ,  Gemahlin  König  Uro§  I.  36 
Jelenatag,  hl.  36 


Alphabetisches  Sachregister. 


:}(■,) 


Seite 
387 
206 
532 
172 
•  47 


Jelcn-Brdo 

Jeni  Han  202 

—  Horom,  Fort 

—  Kiisla 
Pazar  (Neiimarkt) 

Jerina,  Gemahlin  des 
Fürsten  Brankovic     35 

122  383  540 
JermenJic,  Kirciie  118 

Jeronim,  Bischdf  163 

Jesetra  (Störart)  494 

Jeskovik  Planina  133 

Jevta,  Knez  346 

Jezero  366 

Jezerski  bik  (Seestier)        268 

—  -  potok  249 
Je^evica  2 
Jiracek,  Jan.  Ingenieur  121 

422  425  436 
Jirccek  108   109    134    176 

194    203   335    347    287  487 

Jiiakim,  Heiliger  25 

Joanikije,  Archiniandrit       180 

— ,  Bischof  von  Uzice  6 

-,  Metropolit  280 


Johannes    II 

kaiser 
Joko,  Knez 
lornandes 


üriechen- 

532 

413  414 

283 


Joäanica,  Ort  11 

— ,  Fluss  55 

Josanifka  Banja,   Bad  51 

54  55 
,  Granit  54 

Josef,  Kaiser  508 

Josif,  Bischof  5 

Jovackasclilucht  261 

Jovan,  Sv.,  Kloster       178 

189  UK)  205 
Jovancev  potok  387 

Jovanova  Ornica  220 

Jovanovac  109 

Jovanovic,    Djoka,    Bild- 
hauer 432 
— ,  Djordje  399 
— ,  Dragoljub   K.,   Kreis- 
präfekt                      412  420 
,    Kosta,    Kapetan  von 
Niäevci  .364 
,  Lazar,  Oberst  316  331  348 
-,  Ljuba,  Oberst  254 
",  Milutin,  Oberst  126 


Soitu 

Jovanovic,  Nicifor,  Oberst 

253  545 
— ,  Persida,  Lehrerin  281 

Jube  528 

Jucriff      446  447  515  516  569 
Juden,  spanische  208 

Jug    Bogdan,     Wojwodc 

288  290  318 
Juhor,  Berg  92  543 

Jukoff,  Major  4.53  474 

Julius  Apostata  138 

Jungfraustein  546 

Jurisic,  Jevdjcnije,  Offizier  332 
Justinian,  Kaiser  138    172 
196    199   286   371    453 
470   471    472   481    489  532 
Jussuf  Aga  118 

-  Paäa  50 


K. 

Kacabae  282  328 

Kacanik,  Schloss  60 

Kacapunski      manastir, 

Kloster  261 

Kadibogazpass    355    356 

357  367  417 

I   Käsebereitung  59 

I   Kalabovce,  Dorf  262 

Kalafatfeld  415 

Kalafat,  Hochebene  395 

Kaletinac  188 

I   -,  Kastell  188 

Kalimance.  Dorf  262 

Kaliniki  (Kanlik),  üonau- 

klippe  516  557 

Kahnikos,  Bischof        147  172 
Kaiinka  448 

Kaina,  Blockhaus  223 

Tal  223 

Kalofer  210 

Kaludjer,  Kirchenriünc        1 18 
Kaludjere,  Bach  178 

Kaludjerska     Livada 

,       (Monchswiese)  248 

Kaludjerski  Rt  424 

Kaludra  294 

Kamenica,  Bach  456 

-.Ort  144   148  178  535 

Kamenski,  Sergius,  Graf    473 
Kamilauchion  54 


Seile 

Kanlik  (Kalinikklippe)  516 
Kantakuzenos  tJü 

Kaonik  93  129  130  131 

Kapit  332  335 

Kaplanoglu,  Djordje  217 

Kappcr,Siegfried,Dichter8495 
Kapudjal,  Berg  528 

Karadjordje  2  48  49  73 
88  89  118  144  159  289 
346    376    413    431    460 

462    473   474    516  540 
Karadjordjevic,  Alexander, 

Fürst  24  85  212  406 

Karadzic,  Vuk  431  454  492 
„Karadzic",  Zeitschrift  132 
Kara  Feis  460 

Karaguzov  Del  270 

Karakasevic ,  Kreis- 
ingenieur 542 
Karanovac  1 
Karanovic,  Milutin,  Haupt- 
mann 229 
Karansebes  507 
Karapandza,  Geschlecht  430 
Karas  505 
Karatas,  Plateau  494 
Karic  387 
Karimaiiovic,  Ali  Aga  308 
Karl,  König  von  Rumänien  492 
— jösterreichischerKaiser  142 
~  VI.  503 
Karliiki  Kamen                    190 

—  Pass  189' 
Karlovo                                210 
Karlowitzer  Friede  141 
Karstphänomene          395  402 
Kaäajna-Bach               495  497 

—  Kastell  496 

—  Sip  535 
Kasapsko  Polje  400 
Kaskavaljkäse  216  217  232  269 
Kastavar  280 
Kastrat  315 
Katakombe  in  Sofia  166 
Katancic  285 
Katun  133 
Katunska  rcka  126  134 
Kavgalija,  Niederung  242 
Kaviargewinnung  493  494 
Kazan-Pass   444  447  449 

509    512    513   514   515 

516   556  557 


uG 


Alphabetisches  Sachregister. 


Seite 
Kazanski  potok  445 

Kebab  210 

V.  Kehrenberg,  Komman- 
dant 506  508 
Keramische  Erzeugnisse  209 
Kern,  J.  524 
Khevenhiillcr,  Uraf  503504  551 
-  ~ ,  österreichisclier  Diplo- 
mat 212 
Kiepert,  Geograph  134  222 

357  444  453  472  499 
Kijak  415 

Kijevac  263 

Kiko,  Ingenieur  15 

Kiniszi,  Paul,  Graf  532 

Kiradzis  (Pferdeverleiher)  135 
Kirijeff.Niknla,  Oberst  417  418 
Kirschlorbeer,  serbischer 

271  274 
Kischinjew  415 

Kis  derbend  546 

Kisela     cnrba     (Ragout- 
suppe) 100 
Kita                                      246 
Kitka                             341  357 
Kladovo  430  453  473  477 
482    487    488    489    490 
491    492    493    503    517 

518   528  535 
— ,  Bevölkerung  493 

— ,  Bezirk  493 

— ,  Georgskirche  493 

— ,  Geschichte  490  491  492 
Kladrup  356  357 

Kladusnica  493 

Klefisch  &  Scheuss,Fleisch- 

viiarenfabrik  541 

Kleiderwaren  208 

Klein-Stalac  94  98 

Klementiner  47 

Klencus,  Bach  402 

Klepala  (Syniantra)  162 

Klicevac  533  534 

Klicevacka  bara  528 

Klinar,  Ingenieur  15  29  51 

55  61 
Klinkovski,  Arzt  HO 

Kljuc,  Berg  250 

— ,  Uferstrich  430  431  438 

439  478  493 
Klokocevac  443 

Kloster  bei  Naupara  103 


Seite 
Knautia  flavescens  var.  268 
Knezevic,  Proka,  Kapelan 

213  214 
Knezevo  Brdo  294 

Knez-Selo  178  345 

Knjazevac    (Gurgusovac) 

88    126    212    223    225 

226   347   348   349   350 

351    352   353   354   418  435 
— ,  Bezirk  225 

— ,  Einwohnerschaft  353 

— ,  Kreis     147    202    351 

353  358 
— ,  Wiederaufbau  352 

Kobasica,  Berg  92 

Kobisnica  471 

Kocane  282 

Koch,  Robert,  üeheimrat  527 
Kocina  Krajina  498 

Koehler,  G.,  General         487 
Königseck,  General  506 

Königssteig  187 

Köprülü(Cuprilic),  Gross- 

vezier  47  205 

Köstendil  252 

Kohlenlager  35    188   367 

374   443    454   459    516 

524    525    530  543 
Kohlenwerk  auf  derVrska 

Cuka  422  423 

Kolac  99  100 

Kolasin  49 

Kollar  526  527 

Kolotanz  67 

Komiga  174 

—  Kloster  174 

Komin  187 

Kominski,  Tscherkessen- 

offizier  131 

Komnena,  Anna  251 

Komplos  (Prokuplje?)        287 
-,  Landschaft  138 

Komplott,  Cebinacer  257 

Komren  148  177 

Konaks,  neue  206 

Konarevo  11 

Koncic  294 

Kondzelj  322 

Konjuvska  reka  326  327 

Konopnica  273  276 

Konstantin  der  Grosse  137 

138  168  172  325  485  544 


Seite 
Konstantin,  Ftirst  467 

Konstantinopel  168221  325  544 
Konstantinopeler      Heer- 
strasse 107  108  193  194 

375  380 
Konstantinovic .       Zivko, 

Wojwode  492 

Konstantinsbrücke  472 

Kopaonik  2  11  38  51  56 
58  59  60  61  62  63  64 
65  66  92  121    216  289 

297  311  365 
63  64 
70 
267  545 
287 
260 
296 
541  542 


— ,  Erze 

— ,  Gehöftebau 

Kopasnica 

Koperhanum 

Kopiljak 

Koporic 

Koporin,  Kloster 

Koprijan  87  162  174  176 

287  288 
Koprive  246 

Koprivnica  186  190  418 

Koprivsticasattel  229 

Korallenreste  223 

Korbevac  260  265 

Korbevacka  reka  260 

Korbovo,  Dorf  480  481 

-,  Insel  481 

Korman  129  130  544 

Kornjet  457 

Koroglas-Kirche   466  467  468 
Kosancic,  Ort  284  328 

-,  Ivan,  Wojwode  318 

Kosanic  388 

Kosanica,  Bezirk  291  294 

312  313  315  319 
-,  Fluss  304 

Kosava  (Südostwind)  528  529 
Kosmaca  320 

Kosmovac  188 

Kosovica  495 

Kosovo,  Dorf  412 

-,  Ort  474 

—  polje  (Amselfeld)  60  85 
86  87  139  288  298  300 

303  311  317  319 

—  Schlacht  301 
-  Vilajet                     234  311 

Kosta,  Cir  180 

Kostadinca  188 

Kostiljnik  265 


Alphabetisches  Saclircgister. 


577 


Seite 
Kostimpolje  296 

Kostol     481  482  487  488 

528  535 
Kostolac  413  535 

Kostur,  Ort  202 

.  Fels  "  36 

Kotar,  Bacli  400 

Koflenik  92 

Kovacevac  64 

Kovacevic,    Ljuba,    Ge- 
schichtsforscher 85  166 

226  389 
Kovioci  103 

Kozaricahöhen  275 

Kozarnik  351 

Kozarska  reka      273  274  545 
Kozelj  357 

Kozetin  (Aleksandrovac)      79 
Koziji  grad  (Kozjak)  357 

Kozla  525 

— ,  Donauriff  556 

Koziic,  Ivan,  Ingenieur       158 
Koziica,  Erzstätle  270 

KozmovaCko  tocilo  185 

Koznik,  Schloss  75    76 

Krafjovin,  Donauriff  557 

Kragujevac  539  542 

Kragiijevacer  Zweigbahn  542 
Krajina  397  410  415  416 
429    430   431    432    435 
437    438   ';39    448    464 

474    492  517 


—  Minen 

442 

-  Wein 

438  439 

Krajkovac 

289 

Kraku-Ku-Üdnele 

441 

Kraljevac 

122  123 

Kraljevic,  Marko 

52  84 

— ,  Ackerbauschule 

3 

— ,  Bischofskonak 

3 

— ,  Heil.  Geist-Kirche 

2 

— ,  Marmor 

3 

— ,  Maschinenfabrik 

3 

— ,  Nacelstvo 

3 

— ,  Römerniederlassung 

2 

— ,  Schanze 

2 

—  Selo  (Novi  Han) 

357 

F.  KAM  TZ,  Serbien. 

11. 

181  196  203  247  261 

327  400  443  467 

— ,  Schloss  des  249 

Kraljevica  370  413 

Kraljevo  1  9  47  92  12;n24  542 


Seite 

Kraljevoer  Ebene  15 

Krasnic,  Arnautenstamm     333 
Krastavce  186 

Kratovo  341 

Kraus,  Franz  402 

Krautsfeuer  430 

Kravije  134  365 

Krcmar  301 

Krdzalieii  (Banden)  144 

Kremen  282 

Kremenica,  Berg  92 

Krepicevoer  Klosterkirche  399 
Kretinismus  1 1 

Kreuzfahrer  138 

Krieg,  serbisch-türkischer 
1876  225  226 

,  1877  226 

Krimkrieg  146 

Kritobulos  341 

Kriva  Bukva  189 

Krivac  (Kosavasturm)        528 
Krivaca  331 

Krivelj  405  407  409 

Krivi  Vir  372  395  399  400  413 


Krivobarska  Straza 

Krivovirski  Timok 

Krnjina-Moschee 

Krs 

Kräevica,  Dorf 

— ,  Fluss 

Krsija  saturlui  (Sel.ski 
Kamen) 

Krsni  kolai 

Krst 

Krstic,  Mihail 

Krsticeva  Mahala 

Krstilovica   249   250   253 

258  547 

Krupac 

Krusa 

Krusevac  33  47  81  82  84 
85  87  88  89  90  91  92 
93  98  100  103  139  142 

175  298  319  543 

-  ,  Brücken  100  103 

— ,  Denkmal  91 

— ,  Kreis         103  104  146  234 

— ,  Votivkirche  91 

-,  Zarenkirche  81  82  84  85  87 

Krusevica  273 

Krusje  129  187 

Krvavac,  Bach  129 


425 
395 
322 
407 
258 
258 

402 
99  100 
187 
269 
272 


207 
188 


Seite 

Krvavi  Vis  (Bluthügel)  108 
Ksenija, Klostervorsteherin 

in  Sv.  Bogorodica  189 

Kubin  507 

Kubrsnica  540 

Kubusor  405 

Kucaj-Gcbirge  402 

Kuci  46 

Kucuk  Ali,  Dahienführer  508 
Kuczinski,  Ingenieur  304 

Kudernatsch,  Geologe  520 
Kukavica,Berg244246  262  545 

,  Dorf  262 

Kukurek  (Niesswurz)  216 

Kula  414  418  422  423 

Kulaer  Hochebene  369 

Kulina  175 

,  Ruinenberg  von  105 

Kulinska  Banja  134 

Kumanovo  218  252 

Kumarevo  279 

Kumarevska  Cuka-Felsen  258 
Kunawit  (Suva  HIanina)  139 
Kundovic,  Zollanitschef  268 
Kunovaiki  Vrh  196 

Kunovica  194 

—  Pass  184  185  189  194 

195  196  198 

—  — ,     1443    christlich- 
türkischer Feldzug   194 

195  196 
Kunovo  267 

Kupelwieser,  FML.  487 

Kupferzone, vorgeschicht- 
liche 408 
Kupina  (Brombeerstrauch)  216 
Kurilovohöhe  221 
Kurmus  328 
Kuräid  Pasa  108 
Kursula,  Jovan,  Wojwode 

108  110 
KurSumlija    103    286   289 
294   299   300   301    302 

303   304   307    308  319 
— ,  Bevölkerung  308 

— ,  Kirchenruine    Sv. 

Petka  304  307 

— ,  Kreis  150 

— ,  öffentliche  Gebäude  308 
— ,  serbisch-türkische 

Kämpfe  307  308 

—  ,  Sv.  Nikolakirche   303  304 

37 


57S 


Alphabetisches  Sachregister. 


Seite 
Kurt,  übcist  491 

Kurttschai  484 

Kuruf  csme  (BelaPalanka) 

199  203 
Kurvingrad      174  176  183  325 

Pass  174  283 

Kurvingrader  Höhe  174 

Schlossruine  174  545 

Kurvin  Han  174 

Kusaca  194  549 

Kusadak  539 

Kusjak  471  473 

Kusjaker  Hafen  437 

Kutinatal  185 

Kutles  281 

Kutleska  Kapela  Sv.  Petka  281 
Kutleski  Drenak  282 

Kutlovac  294 

Kyrill,  Apostel  205 

Kvrillica  205 


Lab 

60 

311  317 

-  Tal 

318  319 

Lacisled 

80 

Ladovce 

318 

Laeti 

192 

Lagarde,  de,  französischer 

Vizekonsul  192 

Lakat  15 

Lalinac  366 

Lalinacka  reka  364 

Lalince  248 

Landwirtschaft  280  281 

Landwirtschaftsschule, 
staatliche,    zu   Bukovo 

464  465 
LanzonI,  Apotheker  171  179 
Lapastica  332  333  335 

Lapie  194 

Lapovo  542 

La  Recze,  Donauriff  557 

Lasnojevnc  64 

Lasovacka  Planina      357  366 
Lasovo  413  415 

Lastavicko  polje  349 

Läszlövar,  Hochburg  527 

Latif  Aga,  Muselim  2 

Latif  Beg  276 

Latin,  Filip  53 

Laube,   russische   Diplo- 
matenfaniilie  114 


Seite 
Lauer,  Oberst  555 

Laurocerasus  Primus         274 
Laz  387 

Lazar,  Fürst  24  60  75  81 
82  83  86  92  95  138 
203  248  290  299  301 
311    318    319    397    442 

443  542 
„Lazar    der    Serbenzar", 

Epos  84 

Lazarev  Kamen  403 

Lazareva  pecina  403  404 

Lazarevac  294 

Lazarevic,  Jakov  435 

— ,  Lazar,  Oborknez  435 

— ,  Mihail,  Bürgermeister 

von  Negotin  432 

-,  Stevan  80  96  114  203 

252  389  397 
Lazarevo  Selo  185 

Lazarica  92 

— ,  Epos  82  83  84 

Lazine  399 

Lebane   331  332  337  343  344 
Ledenica  (Eishöhle)  122 

Lederata  531  532  535 

Lejean  487 

Leko,  Marko,  Dr.  258 

Lemendzehöhe  263 

Lemmer,  Ingenieur  559 

Lenovac  413  414 

Lentulus,  Oberst  2  47  48 

Leontije,  Metropolit  516 

Lepaja  290 

Lepcince  258 

Lepenica  249  542 

—  Gebiet  249  261 

Lepterijaquelle  114 

Lesjanin,  Miloje,  Jurist      390 
— ,  Oberst  bezw.  General 
148  149  150  254  308  309 
315316319  390  416  417  418 
-,  Rajko  390 

— ,  Stojan  Jovanovic         390 
Lesje  389  390  392 

Leskova  Padina  270 

Leskovac  138  174  201 
233  234  235  236  237 
238  241  242  251  253 
260  277  280  281  289 
321    332   335   344   391 

413  545 


Seite 
Leskovac,  Basilika  „Sveta 

Bogorodica"      236  237  280 
~  ,  Bezirk.  160  257  313 

— ,  Einwohnerschaft  237 

-  ,  Hanfbau  238  241 

-  ,  Hisar      (Schlossberg) 

234  237  242 
-,  Industrie  und  Gewerbe 

241  242 

-  ,  Kirchen  237 
— ,  Kreis  145  150 
-,  Mudirlik  337 
— ,  öffentliche  Bauten        236 

,  Pasa-Saraj  235  236 


— ,  Rajah-Aufstand 

234 

— ,  Schulen 

237 

— ,  serbisch -türkisch 

e 

Kämpfe 

234 

— ,  Verwaltung 

238 

Leskovica 

233 

Leutrum,  General 

142 

Liaskohle 

423 

Liberali 

403 

Limes  Romanus 

482 

Linne 

526 

Lipljan 

283 

Lipovac 

131 

— ,  Bach 

109 

— ,  Schloss 

134 

Lipovica,  Ort 

281 

-,  Berg 

349 

Lisac 

249  262 

Lissabon 

484 

Lissauer 

534 

Lissus  (Alessio)   137 

233 

283  303 

Litica 

188 

Livada 

64 

Ljesnica 

311 

Ljocic,  Svetozar,  Ge 

nie- 

Oberst 

215  424 

Ljubicevac 

478 

Ljubotin,  Berg  121  31 1318  547 
Ljubostinja,  Kloster  252 

Ljuta  Bara,  Vlasinaquelle  266 
-  Stena  424 

Ljuti  Vrh  364 

Loewenwald,  General        504 
Logorberg    bei    Eminova 

Kutina  145 

Logoriste  124 

Lokosnica  190 


Alphabetisches  Sachregister. 


579 


Seite 
Lokva  439 

Lokvica,  Karaula  310 

Lom,  Fluss  193  222  223 

— ,  Stadt  193  367 

Lomnica  ,  103 

Londoner  Vertrag  555 

Longiniana  371 

Lopatnica  1 1  202 

Lopresti,  Baron,  Leutnant  532 
Lopusl<a  mehana  274 

Lopusnja,      Kirchenruine 

396  397  398 
Lozanic,    Professor    123 

184  258 
Lubnica  413 

Lubniiiki  potok  316 

Lucius  Quintus  483 

Lucjak,  Bach  402 

Ludwig.  König  von  Ungarn  4 
XV.,  König  von  Frank- 
reich 1 1 1 
Lugnmir,  Fluss  94 
— ,  Gau  94 
Lugos  505  507 
Lugoselo  507 
Luka  369  407  409 
Lukadizza  448 
Lukadnizza  (Lukadnica)  444 
Lukavica  398 
Lukovo  296  398  399  400 

413  415 
Lukovska  reka  296 

Luther,  Hugo,  Ingenieur    559 
Luznica,  Bach       188  215  272 
,  Bezirk  211  232 

Lyperitza  (Lepenica)         249 


M. 

Mac  Alpine,    Hydrotech- 
niker 534 
Macdonald,  Sir,  englischer 

Konsul  192 

Macedonci  331  336 

Macija  Stena,  Karaula  317 
Maciner  „Heiligenwasser"  327 
Mackovac  301  307  319 

Macsay,  Dr.,  Chefarzt  350 

351  354  360  367  410 
Madan,  Gebirge  318  331 

Madjare  107  294 


Seile 
MagdaleniL-,A\ihail,Oberst  215 

-  ,    Divissionskomman- 
dant 424 

Magien,  Gebirge  347  357 

Maglic,  Dorf  12     15 

— ,  Schlossruine  1 1 

Mahmud  Celebi  195 

Chan  490 

Hamam  490 

Pasa  179 

-  PaSa-Han  194 

-  Pasa  Prizrcnac,  Gou- 
verneur 154 

Majdanpek,  Stadt  518 

-  Gebirge  441  457 
Majdevo  103 
Majkovacki  potok  327 
Makresani  93 
Mala  üolubinja  448  449 

-  Grabovnica  243 
Jasikova  373 

-  Kamara  149 
Kamenica  455 
Kosanica  316 

-~  Plana  289  294  322 
~  Reka  105 
Tal  250 

-  Teskoba  389 
Vrbica  481 

Malajnica  459  462 

-  ,  Gefecht  bei  431 
Malaria  527 
Malca  144  548 
Maicevica  188 
Malenik  401 
Malerei,  orthodoxe  6 
Maletina  106 
Mali  Izvor  413 

-  Jastrebac  110  121  134  175 

-  most  208 

-  Siljegovac  130 

-  Sokolov  Vis  311 

-  Stalac  98 
Suvodol  202 

-  Timok  121  225 

-  Zvornik  503 
Malo  Kurilovo-Berg  199 

Zdrelo  357 
Manasijaer  Marmorkirche  307 

Manastirica,  Kloster  493 

Manastirska  reka  190 

Manastirski  potok  546 


Seite 
Mannaberg.  Jul.,  527 

Mannert  233  347  371  444 

471  472  487  499 
Manteanu,  J ,  Berg- 
ingenieur 409 
Manuel  1 ,  Kaiser  335 
--  II ,  Kaiser  138  162 
Mara,  Brankovics  Gattin 

82  83  84 
— ,  Sultanswitwe  288 

Marasli  Pasa  31  519 

Marburg,  Kastell  471 

Marchetti,  Hydrotechniker 

554  556  557 
Marcianopolis  472 

Margancc  258 

Margum  81 

Margus  534 

Marija,  Sv.  94 

Marina  Kutina  186 

Marinacka  Greda  60 

Mariolovic,  Vandjel  263 

—  Vasilje  269 
Marjanov,  Brüder  180 
Markgraf  von  Baden  140  141 
Marko  Kraljevics  grad  249 

250  547 
Markovac  542 

Markov  grad  249 

—  Kamen  285  400 

—  Vis,  Berg  311 

—  -,  Karaula  317 
Markovic,  llija»  Oberst       126 

—  ,  Kosta  183 
,  Milan,  Dr.                  '    543 

Markovo  Kaie  149  181 

Marmorlager  93 

Marsigli,  Graf       197   444 
445    448    450    451    470 
477    481    483    487    488 
499    500  502   515   531  534 
Martinova  Cuka  232 

Martorell  484 

Maskare  89    98 

Maslo  (Schmalz)  218 

Masurica,  Dorf  262  270 

Masuricabach  263  265 

Masuricagebiet    257    260 

261     202    263    264    289  546 
MasuriCko  polje  263  265 

Masutin,    Petar,    moldau- 
ischer Wojwode  397 
:i7* 


n.sn 


Matejic,  Ort 
,  Pavle 

Mathias  Corvinus,  König 

Maüi,  Rista  R.,  Bezirks- 
hauptmann 275 

Matijasic,    Kreisingenieur 
93 

Matijevac 

Mecl<aplateau 

Medena  Stcna 

Medeno  Gunino 

Mediana,  römisches  Lust- 
schloss  171 

Medja 

Medjova 

Medjuana 

Medjuluzje 

Medjurovska  crkva 

Medosevac  158  175 

Medovic,Dr.,Physikus526 

Medvedja,  Fhiss  333 

-  Gebiet  328  331 

—  leska    (Bären-Hasel- 
nussbaum) 

-,  Ort 

Medza  Planina 
Medzininoff,  Oberst 
Mehadia  501  504  505  506 
Mehana  Sekirica 
Mehandzijas  (Wirte) 
Mehanski  potok 
Mehemed     Ali     Effendi, 

Passapordzija 
Pasa      50 


151  253 
254  276 


—  Pasa  Agie 

—  Ruzdi  Pasa 
— ,  Sultan 
Mehlis,  C,  Dr. 
Meldia,  Mansion 
Melentije,  Bischof 
Mercy,    Gouverneur 


97 


145 
502 
505 


Merion 

Merosinska  reka  175 

Mesembria  138 

— ,  Johanneskirche 

Messe  von  Uzundzova 

Metalica,  Berg 

Metallwaren 

Meteoritenfall 

Meteris 


Seite 
24 

108 
174 

276 

105 
144 
109 
194 
279 

172 
282 
232 
294 
539 
283 
176 
527 
335 
337 

310 
334 
232 
130 
507 
109 
135 
316 

312 

463 
280 
415 
288 
191 
552 
146 

530 
233 
283 
182 
182 
125 
80 
209 
117 
451 


Alphabetisches  Sachregister. 

Seite 
Midzor  225  232 

Miglio,  General  124 

Mihail,  Bulgarenzar  252 

— ,  Fürst  45  145  459  477 

492  508  541 
— ,  Kir,  Iguman  464 

— ,  MetropoMt  10  114  163  220 
— ,  Vidiner  Teilfürst  361 

Mihailjevic,  Oberst  2 

Mihailo,  Djak  79 

Mihajlovic,  Tema,  Pfarrer  269 
Mihalck,  Ingenieur  263 

Mihalovski,  Ingenieur        346 
Mijailovac  455  517 

Mijatovic,   Geschichts- 
forscher 85  397  493 
Mijovce  248 
Mikaschifthöhen  266 
Miklosic                               390 
Milan,  Fürst  bezw.  König 
89    108    131     147    148 
163 
189 
281 


I 


150  160 
183  184 
214   257 


177 
212 
339 
393 


169 
211 
335 
379 

Milanovacer  Becken 
Milcin  Vrh 

Milenko,    Wojwode    431 
460  508 
Milenkovic,  Antonije 
Milenov  Vrh 
Mileriadis,      griechischer 

Arzt 
Mileta,  Knez 
-  ,  Nikolic 

Miletic,  Radovan,  Major 
Miletina  crkva 
Mileva  (Olivera),  Sultan 
Bajazids  Gemahlin  24 
Milica,  Zarin  82  87  123 
301 
Dj., 
176 
233 
308 
373 
421 
516 


454 
516 
202 

518 
198 
362 

157 
346 
32 
253 
364 

493 

397 


Milicevic,      Milan 
Schriftsteller    166 
180    182   203 

246 

331 

396 

468 


244 
318 
387 
458 


224 
296 
357 
411 
502 


284 

354 

399 

477 

Militärspital  bei  Cele  Kula 
Miljko,  Knez 
Miljkov,  Kloster 
Miljkovac  134 


520 
180 
435 
542 
178 


Seite 
Miljkovac,  Kampf  bei  145 
Miljkovacer  Schloss  366 

Miljkovic,  llija  70 

Miloje,  Wojwode        108  145 
Milojkovac  552 

Milojkovic  64 

Milos,  Fürst  31  32  33  37 
38  109  112  113  118  122 
145  146  159  350  356 
406  416  430  432  436 
443   455   501    517    519 

539  540 
Miloseva  Kula  442  443 

Milosevac  294 

Milosevic,  Blagoje  181 

— ,  Stevan,  Pope  411 

Milosevo  466 

Milovanova  Cuka  445 

Milovanovic,  Bürger- 
meister von  Nis  169 
Milutin,  Ban  2 
-  ,  Kral]  252  258  493 
Milutinovac  477  478 
Milutinovic  54 
Mino,  Heiduck  322 
Miranovac,  Blockhaus  223 
Mircia  I.  467 
Miroc      441  448  449  450 

457  462  477 


Mirocevo 

Mirocplateau 

Miroestrasse 

Mirosevce 

Mirovacer  Plateau 

Mirovo 


450  451  535 
451  535 
451 
247 
316 
413 


Miskovic,  Jovan,  General 
85  88  108  215  347  353 

373  409  413  424  531 
Misljenovacki  potok  373 


Mita,  Zabunov 
Mithad  Pasa 
163    164    172 


32 


150    151 
175    180 


183    189    193    206    207 

223    232    234    258  367 
Mithadstrasse  bei  Donja 


Vrezina 
Mitrofsky 
Mitrovica 
Mladen,  Knez 
Mlava 
—  Becken 
Mladenovac 


179 

142 

48  49  162 

89  346 

381  534 

542 

539 


Alphabetisches  Sachregister. 


581 


Seite 
MIec  (WolfsmÜLh)  216 

Modra  Stena  272 

Mönche,  serbische  30  31 
Moesia  inferior  472 

—  superior  472  534 
Mösien  445  489 
Mösier  192 
Müsisch-thrazisch-darda- 

nisches  Strassennetz       137 
Mohamed  Pasa  159  234 

Mohammed  I ,  Sultan  87  96  363 

—  11.,  Sultan  96  252 

—  111.,  Sultan  95 
Mojsia  (Musa),  Zar  80  87  97 
Mojsinje,  Bach  188  197  220 
— ,  Dorf                                93 

—  Planina  93 
Mokra,  Ort                          221 

—  Planina  59 

—  Schlucht  199  221 
Mokranja  439  455 
Mokri  Kamen,  Karaula      317 

—  Kremen,  Karaula  317 

—  Lug  534 
Mokro,  Landschaft  138 
-,  Ort  216 
Mokros  (Rumisiana)  199  221 
Moldova,  Ort               529  556 

Insel  529 

Aloltke  325 

MomCilo,  Wojwode  203 

Momcilovo  326 

Momin  Kamen  114 

Momina  Klisura  546 

Mommsen  192  197  510  511 
Montenegro  46 

Moralija,  Buljukbasa  196 

—  Han  196 

—  Klisura  196 
Morava  94  95  97  98  100 

105  106  121  126  129 
136  142  170  174  189 
233  248  250  258  2«) 
26!  262  265  267  272 
277  279  281  282  283 
289  298  326  534  542 

543  544  545  546 
Bahn  45 

—  Donau-Strassc        260  375 

—  Eisenbrücke  bei  Djunis  103 
-  Gebiet  49  94  131   133 

169  170  279  299  319  398  542 


Seite 

Morava-Pass 

135  174 

-  Tertiärbecken 

259 

—  Timokscheide 

402 

Moravica               122 

124  366 

-   Schlucht 

HO 

Tal                    HO 

117  398 

Moric 

275 

Moruna  (Hausen) 

494 

Moskowitisches  Glas 

249 

Mosna 

443 

Mosor-Höhe 

190 

-  Kuppen 

188 

Moustiques  (amerika 

nische  Mücken) 

526 

Mozgovacka  reka 

108  122 

Mozgovo 

HO 

Mrakonija 

449  513 

~  Tal 

514 

Mramor,  Berg 

59 

-  ,  Moravabrücke 

148 

— ,  Ort     139  148  175  254  283 

Mrdarberg  302 

Mrka  Poljana  270 

Mrkonj  326  337 

Mrkonjska  reka  336 

Mrmos  80 

Mrnjavcevic,  Djordje, 

Wojwode  139  220 

Mrselj  293  294 

Mrsolj  129 

Mrtvica  546 

Mrtvina  (Totensteuer)        430 
Mrvez,  Dorf  328 

— ,  Hochebene  328 

—  pol  je  327 
Mucibaba  232 
Mücke,  Golubacer  526  527 
Mühlsteinbrüche  93 
Müller  444 
Münch,  Brüder,  Tuch- 
fabrik  in    Paracin    378 

379  386  543 
Muhti  Effendi  185 

Mujurdar  Mustafa  Effendi  149 
Mukinja  (Baumart)  310 

Mula  Jussuf,  Dahienführer  508 

—  Paäa  460  461  516 
Mulasim  Ra§id  Pasa  149 

Salih  Pasa  145 

Atumdzija,  Kosta  llic  276 

Mundarten  328  421 

Muntoana,  Grenzcardak     522 


Seite 
Murad  1 ,  Sultan      60  81 
82   84  86   138    139  194 

203  301  311  325  442 

—  IL,  Sultan     60  87  195  284 
IV.  200 

Mursovica  272 

Musa,  Mojsia,  Sultan    80 
87  96  123  139  203  229 

252  363 
Pasa,  Kaimakam  199 

Musija,  Zar  381 

Musta  Beg  160 

Mustafa,  türkischer  Feld- 
herr 60 

—  Pasa  145 
Palanka  (Bela  Pa- 

lanka)  143  196  200 

Musteranstalt,     landwirt- 
schaftliche 282 
Mutatio  Cametae  109 
~  Latina                             202 

—  Redicibus  (Radia)  194 

—  Sarmatae  109 

—  Ulmo  194 
Mutavdzi  (Wollweber)  231 
Mutnica  389 
Mutnicaer  Kohlenflöz  386 
Mutnicko  polje  380 
Muzinac  118 

N. 
Nafelniks  45 

Naher-Kjor  484 

Nahija  2 

Naissus  (Nis)  98  122  137 
138  167  168  171  172 
175  178  184  191  192 
197    283   284   286   347 

375  398 
— ,  Kämpfe  um  138 

—  Kastrum  167 
Naissus  — Thessalonik- 

Slrasse  174 

Nakrivanj  244 

—  ,  Kloster  244 
Namen  im  Timokgebiet     354 
Naprednjaci  (Fortschritts- 
partei)       353  393  403  418 

Nasalevci  268 

Natalie,  Königin     93  160  163 
Nationallieder,  Serbische, 
von  Vuk  95 


582 


Alphabetisches  Sachregister. 


Seite 

Naupara  103 

Navissos  (Nisava)  137 

Nedelja,  Sv.,  Kapelle  94 

Nedzri,  Dichter  86 

Negotin  33  226  374  415 
416    430   431    432   435 
436   437   438   439   454 
461    465  475    491    492  517 
— ,  Baba  Finka  432 

— ,  Bewohnerschaft   436   437 
-,  Bezirk  439 

— ,  Entstehung  430 

— ,  Industrie  und  Handel  437 
— ,  Kreis  439 

,  Maria  Geburts-Kirche  435 
,  Milos-Denkmal      436  437 
— ,  öffentliche  Bauten  435  436 
— ,  serbisch -türkische 

Kämpfe  431 

— ,  Veljkos  Schanze  432 

V.  Neigebauer  444 

Neipperg,   Graf,   General 

505  506 
Nejinci,  Weiler  366 

Nejo,  Heiduck  366 

Nemanja,  Heil  25 

--,  Stevan   6  17  138  161 
162   234   252   303   304 

355  357  363 
— ,  Zupaner-Geschlecht  46 
Nenadovic,  Ljubomir  432 
— ,  Prota  Matija  532 

Nericev  Han         108  109  122 
Nerva,  Kaiser  325 

Nesa,  Pope  258 

Nesic,  Djordje  158 

Neskovic,Janicije,  Bischof     9 
Nestor,  Sv.,  Anhöhe    130  131 


~  — ,  Kirche 

544 

,  Kloster 

106 

Nestus 

139 

Neu-Barcelona 

530 

Neugebauer 

145  510 

Neumarkt  (jeni 

Pazar)        47 

Neu-Moldova 

530 

Neu-Ram,  Fort 

532 

Nicetas,  St. 

199 

Nikanor,  Bischol 

25 

-,  Mönch 

458 

Nikifor,  Bischof 

146 

Nikodim,  Heil.,  Erzbischof 

458  493 

Nikodim,  Pope 

-,  Stadt 

Nikola,    Fürst  von  Mon- 
tenegro 

— ,  Hadzi 

— ,  Sv.,  Heiliger 

,  Kirche  107 

,  Kloster  546, 

Nikolajevic,  Professor 

Nikolaus,  Heiliger 

Nikolic,  Milan 

— ,  Tesa,  General 

Nikolicevo 

Nikolina  voda,  Quelle 

Nikopoli  140 

Nikopolis  ad  Haemum 

—  —  Istrum 

Niksic,  Hadzi  Melentije 

Nis  47  89  98  133  135 
136  137  138  139  140 
141  142  143  144  145 
146  147  148  149  150 
151  152  154  155  156 
157  158  159  160  161 
162  163  164  165  166 
167  168  169  170  171 
180  183  185  186  189 
192  193  194  195  196 
200  203  204  222  224 
230  233  251  253  280 
283  284  287  288  303 
332  367  415  416  418 
474  503   544   545 

— ,  administrative    Be- 
deutung 

— ,   altchristliche    Grab- 
stätten 165 

— ,  antike  Funde  166  167 
,  Bäder 

— ,  Bahnhof 

— ,  Befestigungen  139  142 
152 

-,  Bezirk      160  169  170 

— ,  Bistum 

— ,  Carsija  (Basarstrasse) 
155 

— ,  1443  Schlacht  bei 

— ,  1689  Schlacht  bei 

—,  1690  Belagerung  und 
Kapitulation  140 

— ,  1737  Einnahme  durch 
die  Österreicher       141 


Seite 

Seite 

493 

Nis,  1737  Kapitulation        203 

540 

—  1809  serbische  Nieder- 

lage bei                            144 

49 

-,   1838  Pest                      146 

519 

— ,  1841  Bauernaufstand    146 

52 

— ,  1877  Bombardement     148 

134 

--,  1877/78    serbisch- 

552 

türkischer  Krieg       148  149 

184 

— ,  1878  Kapitulation          149 

25 

— ,  Ejalet                           234 

432 

—,  Eparchie                138  363 

393 

— ,  Festung                         147 

373 

— ,  Frauenleben           156  157 

441 

— ,  Garnison                        168 

487 

— ,  Gewerbe                       168 

487 

-,  Hospital                         165 

472 

— ,  Kämpfe  um                    139 

31 

-  ,  Kathedrale              162  163 

-   ,  Kirche  Sv.  Nikola  „Pa- 

liiulska"  164 

Sv.  Pantelejmon  161  162 

Königskonak  159  160 

Kreis  150  160  169  170  349 
Kreisamt  160  161 

Kumanovoer  Strasse    258 
Lage  150 

Leskovacer  Strasse      189 
Moscheen  150  152 

Moslims  151 

Nationalitäten  168 

Neubauten  154  155 

neue  Kathedrale  146 

548      — ,  Nisavabrücke  151 

öffentliche  Bauten  151  152 
150      — ,  Pokrivena  carsija  151 

politisches  Leben         157 
166      — ,  Prokupljer  Strasse        175 
168      -  ,  Prostitution  und  Hy- 
150  giene  157 

154      — ,  Schulen  157 

Schweineschlächterei   158 
153      -  ,  Stadtregulierung    158  159 
313   !   —,  Stara    crkva    (alte 
146   j       Kirche)  162 

Strassenleben        155  156 
156   I   —  ,  Timok- Donaubahn 
284   I       nach  Rumänien  158 

140  — ,  Tore  152 
Trachten                       156 

141  — ,  Tulben  154 
Übergabe    an    die 

142  Türkei  143 


Alphabetisches  Sachregister. 


583 


Seite 
Nis,  Uhrtiim  152 

— ,  Umgebung  136  172 
173  174  175  176  177 
178  179  180  181  182 
183    184    185    186    187  , 

188  189 
— ,  Verkehrsverliältnisse  158 
— ,  Vinikschanzen  150 

— ,  Vranjaer  Balin  174 

— ,  Weinbau  in  der  L'm- 

gebung  178 

-  ,    wirtschaftliche    Ver- 
hältnisse 157  158 
-,  Wohnungen  und  Kauf- 
läden 154  155 
— ,  Zahlungseinstellungen  158 
Nisa,  Prinzessin  136  174 
Nisava   136   137   140   168 
170    179    185    194    198 
202    218    222    229    345 

548  551 


,  Bezirk 

211  232 

Brücke 

136 

Gebiet 

122  138  150 

178  193 

196  206  222 

0. 

Seite 
Obilic,  MiloS     76   82   84 

203  442 
Obia,  Rtanj-Vorberg  399 

Oblaöinsko  jezero  284 

Oblik  260  363  550 

363 
327 
89 
92 
365 
294 
211 
472 
526 
274 
232 
509  556 


264  319  328 

—  -  Pass  135  548  550  552 
Nissa  (Nis)  137  221 
Nischlmeissel,  Rittmeister  47 
Nischt  139 
Nisevci  (Niscvac)  347  362  366 
Nisko  polje  136 
Nisor  211  229 
Nosoljin  45 
Novae  472  535 
Novakovic,  Aleksa.  Ad- 
vokat                               270 

— ,  Dositije,  Bischof  435 

— ,  Gelehrter  85  114  176 

467  518 

—  ,  Gesandter  343 
Novi  Han  (Kraljevo  Selo)  357 

—  Lom  399 

—  Pazar  45  46  47  48  49 

50  89  144  148  289  294  295 
,  Dzamien  46 

—  — ,  Schloss  46 
Novo  Brdo  246  252  326  337  341 

—  Korito  356  357 

—  Selo  149  175  320  366  474 

—  Vlase  328 
Nysos  (NiS)                 137  192 


Höhlen 
Obrazda 
übrenovic,  Milos 

II.,  Milan,  Fürst 
— ,  Mihail  III.,  Fürst 
Obrtinci 

Obst,  Ödenburger 
Öscus 

Östren  (Mücken) 
Ogorela  Cuka 
Ogost-Quellgebiet 
ügradina 
Olivera  (Mileva),  Sultanin    85 
Olmar-lnsel  460  473 

Olympos  216  547 

Omer  Effcndi,  Kadi       47    48 

—  Pasa  124  146  342 
— ,  Subasa  357 
Omerovac  294 
Oniophorion  54 
Orah  272 
Orahovicafeld  545 
Orana  Njiva  260 
Orasu  Njampuluj  441 
Oravica  529 
Oresac  349  367 
Oreskovic  150 
Oreskovica  517 
Oriziste  134 
Orlid  294 
Urliste,  Grenzblockhaus  311 
Orlovacberg  93 
Orlovic,  Wojwode  389 
Orlov  Kamen  225  232  328 
v.  Ornios,  Sigmund  532 
Ornithogalum  Nyssanum  184 
Orobus  rubescens  184 
Orsova    499  501  502  503 

504  505  506  508  515  553  556 
,  1737,39  österreichisch- 
türkische Kriege      503 

504  505  506  507  508 

— ,  1789/90  österreichisch- 
türkische  Kriege  508 

— ,  Insel  557 

—  vetus  Servie  500 


Seite 
Orurk,  Graf,  General    88 

89  111  350  415  431  474 
Osaonica  542 

Osljane  356 

üsman  Saliovid,  Arnaute  332 
Paäa  4tX)  416  417  418 

Osnic  400 

Ostojic,  Major  417 

-  ,  Oberst  474 
Ostra  Cuka  149  366 
Ostraci  296 
Oätrelj  407 
Ostrica  275 
OstroSehöhen  130 
Ostrovica  137 
Ostrovo,  Insel  530  534 
— ,  Ort                                 530 

—  mare,  Dorf  455 

,  Insel  455 

Ostrozub  274 

Otac,  Sv.,  Kirche  551 

Ottermann,  Montanist  559 
Ozerovic,  A,  Kaufmann  525 
Ozrengebirge        112  121   170 


P. 

Padei. 

Padina 

Pajsije,  Vladika 
Paklestica 


545 
328 
261 
229 


Palanka  531  540  541 

—  Kruschowaz(Kru§evac)    89 
Palanken  124 

Palatiolum,  Kastell  487 

Paleologos.Manuel.Kaiser  467 
Pälffy,  Graf  140- 

Palikuca  243 

Palilula  308  363 

Paljevstica  73 

Pallavicini,  Marquis  505 

Palmotid  196 

PanagiaNikodimozuAthen  23 
Pancie,  Professor  62  1 17 

184    268    271    274    406  528 
Pancova  507 

Pandiralo  223  225 

Panjkovac  130 

Panojevici  46 

Panselinos  6 

Panta,  Postmeister  333 

Pantelija,  Sv.,  Kloster         123 


584 


Alphabetisches  Sachregister. 


Seite 
Pnntelije,  Sv.,  Kloster  258 
Pantheiejmon,  Heiliger  66  67 
Paprat  388 

Papratnica     445  447  448  518 
Paracin     89  138  140  376 

377    378   379   380   391 

392   415  543 
— ,  antike  Baureste  380 

— ,  Entwickelung  377 

— ,  Geschichte  376  377 

-,  Industrie  378  379 

— ,  Kirche  377 

— ,  Kreis  146 

— ,  Schulen  377 

Paraffin  367 

Paraljevo  400 

Partenije,  Bischof  214 

Pass    zwischen    Maglicer 

und  Dubocicaer  Tal         15 
Paschalik  133 

Pasetti,  Hydrotechniker      554 
Pasic  276 

Pasjacagebirge  284326  328  331 
Paska  Sija  552 

Passarovitzer  Friede  109 

Passionei,  Nuntius  167 

Passe  Auguste     143  354 

367  368  504 
Pastruga  (Störart)  494 

Paul],  Wojwode  118  144 

Pauvlitz  194 

Patarica  259 

Paten,  Konsul  61     46 

Pavla  Orlovica  gradic        389 
Pavlica  204 

— ,  Höhen  von  52 

— ,  Kirche  52  53   54 

Pavlov  Krst  (Paulskreuz)  232 
Pavlevce  258 

PavlovicAdamovagradina  221 
— ,     Dimitrije,      Bezirks- 

kapetan  293 

,  Bischof  237 

— ,  Dragoljub,   Professor  395 
— ,  Ingenieur       432   435 

439    451    455    467    477 

489    510  512 
— ,  Kosta,  Nacelnik  161 

-,  Krsta  284 

-,  Milovan,  Major      253  545 
— ,  Peko,herzegowinischer 

Insurgentenfiihrer  284 


Seite 
Pazarislc  545 

Pazvan  Oglu  Pasa      144 

356    372    413    414    431  518 
Pazvandzija,  Osman  118 

Pcinja  257  335 

Pec  (Ipek)  4    48 

— ,  Bezirk  335 

Pecenje  (=  Braten)  3 

Pecenjevacka  reka  281  282 
Pecenjevce    236  279  280 

281  545 
— ,  Kirche  Sv.  llija  279  280 
Pecina  (Höhlenbach)  402 

Pek  528  530 

—  Gebiet  517 
Pepeljevac  81  301  320 
Pepeljusa  76 

—  Tal  81 
Perlenkiesk  zu  Konstanti- 
nopel                             159 

Persiani,  Gesandter  10 

Pertate  344 

Pesa  Prsid  243 

Pescabara  444 

Pescanica  129  544 

Pesic,  Jovanca  198 

—  Mihail,  Hadzi  185 
~,  Naka  198 
Pesterek  388 
Pestis  321 
Pet,  Feste  515 
Petar,  Sv.,  Grlister  Kloster  413 

—  —    (Petrova    crkva), 
Kirche  46  183  184 

Peter  von  Amiens  138 

Petersen  486 

Petka,  Sv.,  Kirche        103  107 

,  Kloster       215  388 

391  392  544 
Petkovic,  Sava,  Offizier  309 
— ,  Zaharije,  Pope  380 

Petkovica,  Kloster  464 

Petronijevic,    Avram    89 

145  501 
Petrova  crkva  (Sv.  Petar), 
Kirche  46 

—  Gera  328  334 
Petrovic,  Jovan,  Major  189 
— ,  Michaile,  Kapetan  45  51 
— ,  Milan,  Cetaführer  307 
— ,  Miloje,  Wojwode  144  540 
— ,  Petar,  von  Suraklic      516 


Seite 

Petrovic    &   Raiiftl,   Bel- 
grad 374 
—,  Vasilije,  Kniet        448  450 
— ,    Veljko,     Hajduk     89 
111     114    144    350    414 
415    420    431    432   435 

473  474  518 
Petrevo  Jezero  331 

Petrus,  Festung  87 

Petrusa,  Ruine  381 

Petruska  crkva  381  382 

Petschka(Pe(5),  Erzbischef 

von  143 

Philadelphus,  Kenst.Aug., 

Feldherr  138 

Philipp  von  Burgund  341 
Philippi.  Graf  141  504 

Philippepel  149  241 

Philippus  Arabs,  Kaiser  197 
Pholadomya  ambigua  423 
Piccolomini  505 

— ,  Graf  47  288  319 

Pilatovica,  Karaula  296 

Piletic,  Wojwode  156 

Piljakev  Sanac,  Gebirgs- 


sattel 
Pincum 
Pirch 
Piret 


15 
535 
194 


126 


194    195 


142 

200   201    202    203   204 
205   206   207   209   210 
211    212    213    214    217   ' 
220    221    222    224    225 

226   229   318  418  551 

— ,  Aufstände  204 

— ,  Bewohnerschaft  214 

— ,  1688   österreichisch- 
türkische Kämpfe  203 

— ,  1737    österreichisch- 
türkischer Krieg       203  204 

-  ,  1876  Eroberung  durch 
Serbien  211 

",  1885  serbisch-bulga- 
rischer Krieg  212 

— ,  Kastell  213 

,  Kirche    „Rozdestvo 
Hristevo"  214 

— ,  —  Sv.  Trojica  214 

— ,  Kirchen  204 

,  Kreis  145  150  160 

163  196  211  270 

— ,  NiJava-Eparchie  204 


Alphabetisches  Sachregister. 


r)85 


Seite 
Pirot,  öffentliche  Bauten 

204  213 
— ,  Panajir  (Messe)     206 

207  208  209  210  211 
-,  Schloss  -203 

— ,  Teppiche  210 

— ,  Zwetschken  211 

Piroter  Becken  202 

—  Strasse  181  183 
Pirotski      Cilini     (Piroter 

Teppiche)  210 

Pirsa  453 

Pirsnik  535 

Piscabara  515 

Piskalj  294 

Piskanja  52 

Pita  (Kuchen)  '  210 

Pivnica,  Bach  II  477 

PlaCevica  249  250  253  547 
Plana,  Stadt  64 

PInnabach  293 

Planinica  400  413 

Plavisevica  515 

Plavijenje  439 

Plavna  459 

Ples  550 

Plinius  341 

Ploca  U  194  196  348 

Plofnik  294  301  322 

Plos  385 

Plot  (Palisadenzaun)  38 

Podgorac  400  401  402  413  415 
Podujevo  (Vindenae)  303  316 
Podujevoer  Han  302 

Podvalac  525 

Podvis,  Kohlenwerk  367 

Podvisberg  364 

Podvisschloss  363 

Podvrska,  Berg  479 

-  reka  478 
Pogledgipfel  293 
Pojata  Sliva  451 
Pojnikovabach  516 
Poljana  260 
Poljanica,  Bezirk  248  257 

261  262  263 
,  Ort  415 

Poluniir  15 

Ponikve  395 

Ponor  202  211  232 

Pontes,  Kastell     481  483 

■185  486  489  498 


Seite 
Ponteserium  371 

Pontonbrücke,  Jasikaer  93 
Pontus  534 

Popen  (Weltgeistliehe)  30 
Popina  93 

Popljesak  380 

Popov  Stub  550 

Popova  Cuka  270  410 

Mahala  266 

Popovac  337  380 

~,  Brücke  bei  149 

Popovii,  Arzt  114 

— ,  Djordje,  Metropolit  141 
— ,  Dositijc,  Duhovnik  26 
— ,  Jovan,  Kaufmann  455 

— ,  Juwelier  173 

— ,  Nestor  163 

— ,  Radojko  J.  163 

-,  Radul,  Kmet  469 

— ,  Stevan,  Protojerej  270 
Popovica  441 

Popovo  294 

Porec  Ali  118 

— ,  Bezirk  439 

-,  Insel  518  519  556 

—  Insel-Schanze  446 
-,  Stadt  460  501  518  519 
Porecka  reka      409   443 

444   446   447   449   450 

472    499    516    518  535 
Porez  (Steuer)  430 

Porta  Naissitana  326 

Poskurnjnk-Modell  99 

Posrana,  Höhle  363 

Postzug  136 

Potier,  Jules,  Ingenieur  422 
Potok  290 

Po^arac  94 

Polare  386 

Pozega  47  142 

Pozezena  528 

Praesidiuni  Dasniin       98  109 

-  Pompei  81  98  108  109 

122  134 
Prahovo   88  431  455  469 

470   471    473   474   499  528 
PraporCetovic,  Jovan, 

Offizier  309 

Praskovce  131 

Pravoslavni     (Rechtgläu- 
biger) 69 
Prcilovica                     130  544 


Seite 
Prebreza  294 

Predejane  270 

Predejanska  reka  270 

Pregrada  497  557 

Prekadin  294 

Prekodoice  262  263 

Prekonoge  346  364 

Prekonozi  131 

Prekopcelica  326  328  331  341 
Prelesje,  Bach  229 

-,  Berg  229 

V.  Premerstein,  Anton,  Dr.  485 
Preobrazenje,  Dorf  257  258 
-,  Sv.,  Kirche  261 

Preobraienska  reka  257 

Prepolac  254  302  303  310 

311  319 
— ,  Berg  309  319 

— ,  Schanze  318 

— ,  Therme  303 

Prepolacka  reka  309 

Preradovac  9 

Presaknberg  382 

PreseCina  243 

Preseka  362 

Presevo  252 

Preslab  202  221 

Preslop  190 

Pressel ,  Wilhelm ,  In- 
genieur 537 
Preteiana  294 
Pretresnja  294 
Prevalac  26(J 
Previti£ki  Vis  311 
Pribacka,  Nahija  43 
Pribakova  43 
■Pribakovic,  Filip,  Kape- 
lan 43  44 
Priboj  260  261  463  547 
—  Han  260 
PriCevac  352  362 
Pridvorica  294  328  540 
Prijesda,  Schlosshcrr  auf 

Stalac  95   96   97 

Prijodbach  455 

Prilepac  277 

Prilip  209 

Priljepac,  Schloss  341 

Prinz  von  Hannover  60 

Priscus,  Geschichts- 
schreiber 138 
Prista                                   472 


586 


Alphabetisches  Sachregister. 


Seite 
Pristina     60  149  150  209 

303  311  315  319  333 


— ,  Ejalet 

234 

— ,  Mudirlik 

337 

Prizren 

311 

— ,  Ejalet 

150 

Prizrenac,  Schloss 

341 

Priita 

417  422 

Priitski  potok 

422 

Procopius     172    199 

202 

— ,  Hisar 

285  286 

— ,  Hochburg 

286  287 

—,  Incar  dzamija 

291 

— ,  Konak 

291 

— ,  Kreis 

150 

-,  Lage 

285  286 

— ,Sv  Prokop-Kirche  290  291 

— ,  Weinbau 

292 

Prolovic,  Mijailo, 

Rajah- 

führer 

294 

Prosek 

548 

Prosenik 

265 

Protic,  Konstantin, 

Oberst  129 

— ,  Regent 

9  259 

Provaljenik 

216 

Prpor 

187 

Prügelmaschine 

79 

Prugovo 

131 

Prva  (Eminova)  Kutina       185 

Prvonek 

259 

Psolog  (Salzberg) 

64 

Ptolemaeus    233  453  472  499 

Pujca 

405 

Pukovac 

282 

Putnik,Radomir,Major253  254 

233   371    446    453    470 

471    481    489  499 
Progorelica  11 

-,  Felsentor  bei  11 

Prokletije  (Fluchhiigel)       366 
Prokop,  Sv.,  Kloster  248 

Prokopiam  287 

Prokopios,  Heiliger     162  288 
Prokopje  288 

ProkopovaKutinal85  186  189 
Prokuplje  47  48  103  176 

284   285   286   287   288 
289   290   291    292   318 
—,  Bewohnerschaft     291  292 
— ,  Bezirk  291  312  313 

— ,  Geschichte  287  288  289  290 
— ,  Handel  und  Gewerbe  292 


Q. 

Seite 

Quarantäne-Einrichtungen, 

serbische  41 

Quecksilberadern  538 


R. 

Rabadzi,  Jelenska  210 

Rabutin,  General  532 

Raca,  Kloster  463 

— ,  Ort  316 

Räczok  37 

Radan  Planina  328 

Radenkovac  131  366 

Radenkoviö,  Vladimir  234  244 
Radevci  130  332 

Radia(MutatioRedicibus)  194 
Radikale  393 

Radinovac  332  333  337 

Radivoj,  Deli  122 

Radojkovic,  Dina.Buljuk- 

basa  352 

Radojioviä,  Gruja  365 

~,  Vuja  365 

Radomir  149 

Radosav,  Pop,  Knez  369 

413  414 
Radoslav,  König  4  6 

Radov  Trn  272 

Radovanjska  reka  399 

Radu-Bessarab  397  398 

Radu  Negru,  Wojwode     397 
Radujevac   425    429   437 

443   469   471    474  528 
Radul,    Joan,    Wojwode 

397  398  399  493 
Radus  11 

Radusa  34 

Rafunska  328 

Rafunski  Vis  333 

Raizenstadt  37 

Rajac,  Berg  184 

— ,  Ort  425  429  439 

Rajah  38  41  42  43  45  47 
48  110  133  136  141 
143  144  145  146  147 
162  171  279  280  289 
295    312    331    430   431 

448   505  549 
—  Aufstände  134  295  413 

414  415  416 


Seite 
Rajah  Cifcije  (sahibije)  280 
Rajinkovac  326  333 

Rajko,  sirm.  V/ojwode  288 
Rajkovic,  Petar,  Ritt- 
meister a.  D.  333 
Rakib,  Caus  196 
Rakijabereitung  274 
Rakitnica  417 
Rakos    188   215  216  218 

219  220 
Rakovica,  Kloster  538 

— ,  Ort  472  475  535 

Raija  539 

Tunnel  539 

Ram  48  528  531  532  533  535 
—  Buco,  Arnaute  334 

— ,  Feste  •  531 

Ramberti  296 

Ramis  Pasa  255  262 


Ramni  Kamen 

246 

Ramondia  Nathai 

iae           184 

—  serbica  Pancic              121 

Ranke 

518 

Ranos,  Maler 

110 

Ranutovac 

258 

Rappiana 

134 

Ras,  Residenz 

46 

Rascijani 

37 

Rascije 

37 

Raseva  padina 

178 

Rasic,  Tanasije, 

Bezirks- 

hauptmann 

216 

Rasica 

294 

Rasina 

75  103  298 

-   Furt 

93 

Raska ,    Quarantänestadt 

36  37 

38  41  42  43 

— ,  Schule 

41  42  43 

—  Tal 

46  49 

Rasnica 

414 

Rassiani 

37 

Rastavnica     crkva     (Ab- 

schiedskirche) 

bei  Pro- 

kuplje 

318 

Ratiaria  (Arcer) 

81   109 

137 

354  357  472 

Ratzen  (Raizen) 

37 

Rauchfangsteuer 

146 

Ravanica,  Fluss 

381 

— ,  Kloster        92  95  382  404 

Ravna 

354  355  358 

—  Banja 

332  337  341 

Alphabetisches  Sachregister. 


587 


Seite 

Ravno  Buöjc,  Ort        224  226 

,  Bach  223  224 

Raianj  89  109  142  415 

V.  Rebain,  Hauptmann        194 
Reblaus  429  438  ^öö 

Redzeb  Aga  491 

Rejjio  Naissatensis  196 

Reiskulturen  134 

Reissing,  Oberst  506 

Remisiana  (Bela  Palanka) 

189    196    197    198    202  221 
Repince  261 

Repiäte  546 

Reponja,  Karaula  316 

Repuäarski  potok  392 

Resava  381 

Resavac,  Knez  414 

Reäica  530 

Resinac  294 

Resnik  216 

Respublica  Ulpianorum      197 
Rgoste  349  362 

Rgotina  373  410  411  412  443 
Rgotski  Kamen  410 

Rhabdophyllia  (Korallon- 

reste)  223 

Rhäter  192 

Rhodope  216  260 

Rhoxolanen  482  483 

Ribare,    Bad    (Boljevacki 

potok)  105 

Ribari  75 

Ribarska  banja  105  175 

Ribnica-Ruine  80 

Ribnicki  potok  445  446 

Ribnik  92 

Riener.  Josef,    Ingenieur 

248  250  258  266  268 
Rinau,  Oberstleutnant  143 
Rinjska  Planina  198 

Ripaljka,  Wasserfall  114 

Ripanj  538  539 

Ristid,  Regent  259 

Ristovac-Zibevie         258  547 
Ritopek  534 

Ritter,  Geograph  346 

Riznic.  Mihail  St.,  Lehrer 

93  98  467 
Rjecnik  469 

Robin    Deo    (Orahovica- 

feld)  545 

Robov  Dol  221 


Rodofinikin 

Seite 
516 

s. 

Seite 

Römerberg  bei  Kreinbach 

Sabac 

503 

(Rheinpfalz) 
Römerburgen    im   Rl 

191 
ein- 

Sabor  (Saborfeier)  66  67 

68  70  93  94  178 

lande 

191   192 

—  Svctog  Method 

a               70 

Rönicrstrasse    Ni§— 

kuplje— Adria 
Rogljevo 

Pro- 

176 
439 

Sabovljevic,  Ingenieur        198 
Sadni  Kamen                      369 
Sadrvan,  Brunnen               159 

Rogozna-Planina 
Roman,  Sv.,  Kloster 

46 
106 

Safarik 
Sahatci 

353  354 
209 

107  544 

Sahsuvar  Paäa 

235 

Romanovmost,Haltestelle  425 
Romanovska  reka               263 
Romansiana  (Remesiana)  197 

Sajaktuch                           210 
Sajid,  Arnaute  332  333  337  340 
Sajinovac                     243  290 

Romanski  put                      114 
Rosberg,  Bergingenieur     454 
RosomaCa                          229 

Sajkovac                              316 
Saju  potok                          493 
Saka,  österreichischer 

Roteiche 
Rotliegendes 
Rotmäntler 
Rsovci 

310 

231 

68 

229 

Hauptmann 
Sakrna  strana 
Salaria  bei  Sip 
Salas 

36 

346 

496 

374  417 

Rtanj  76  110  114  118 

121 

Salona 

172 

122    347    370   395 

396  399 

Salonik    137  253  544  545  547 

"   Flora 

121 

— ,  Golf  von 

50 

—  Pyramide 

223 

Salz 

63  64 

Rtkovo 
Rudare 

481 
243  315 

-  Quellen 
Samaila 

11 
2 

Rudarski  manastir 

242 

Samarinovac 

471 

Rudinje 

Rudnjak,  Mine  bei 
Rudoffsky,  üraf 
Rudovica 

229 

64 

504 

216 

Samarnica                           275 
Samija  (Kopftuch)               125 
Samokov               266  309  315 
Samokovska  reka,  Eisen- 

Ruj 

266 

werk  an  der 

64 

Rumänien 

118 

Samson,  Bankier 

554 

Runiisiana  (Mokros) 

199 

Samum 

528 

Ruplje                                  270 
Ruptschitsch,  Baudirektor  559 
Ruschambach, Hauptmann  288 
Rusen  Aga                          118 

Sandhügelgebiet 
Sapatura 
Saprance 
Saraka 

528 
451 
255 
402 

Ruäid,  Mehemed,  Pasa  88  346 
Rustschuk                           207 
,  Ejalet                           234 
Ruvarac,    Hilarion,     Ge- 

Sarbanovac          117  406  413 
Sargebirge  59  252  31 1  440 

471  547 
Sarkamenbach                     440 

schichtsforscher  52  85 

Sarköi  (Pirot) 

199  203 

176  252  287  296 
Ru2in  Grob 

387  398 
244 

Sarlinski  potok 
Sarmaten 

282 
483 

Rvati 
Riana 

52 
25  207 

Sarmisegethusa  (Varhelj) 

447  482 

— ,  Kloster  bei 
Rzavci 

229 
352 

Sarparijakuppe 
äaäir  Paäa 
Saäit  Paäa 

405 
235 
431 

449 

588 


Alphabetisches  Sachregister. 


Seite 

Saska  529  530 
Sass,  General  431 
Sastanci  316 
Sastavcimühle  316 
Satjir  Effendi  38  41 
Sava,  Konsislorialrat  163 
— ,  Heiliger  17  269 
Save  50  142  534 
Savic,  Milutin  438  464 
Savarni  Dol  189 
Savrani  103 
Schafhandel  218 
Schafkäse,  Vlasinaer  269 
Schafsteuer  430 
V.  Scheda,  Oberst  222 
Scherdire  (Pirot)  203 
Schiffsgebühren-  und  Re- 
morkierungstaxen  (Do- 
nau) 561  562  563 
Schir  köi  (Pirot)  203 
Schloss  des  Marko  Kral- 


ini 


Graf  47 
141  142 
280   368 


250 
Toplica- 

176 
110 
200 

504  505 
45 


jevic 
Schlösser 

gebiet 
Schmettau, 

111    124 
204 
Schmiedewerkstätten 
Schöffel,  Professor 
Schwarz,  Philologe 
Schwarzkohle 
Schweigger    167  199  203 

204  552 
Schweinesteuer 
Scirocco 
Scunae 
Scupi 

Sebastiani,  Graf 
Secanica 
Seckendorff,  Graf  47  141 

142    204    319    376   504  506 
Seeligmann,  Romeo,  Pro- 


525 

487 

122  123 


430 
528 
233 
233 
461 
175 


148 


fessor 
Sehir  koi 

Seka  Biber,  Mollah 
Sekiraca 
Selacka  reka 
Selevac 

Selicevica      145  174 
185 
Selim,  Beg 
~,  Sultan 


123 
214 
343 
311 

357  358 
539 

181 

189  194 

89 

189 


Seite 

Selski  Kamen  402 

Semla  (Flugsand)  528 

Semlin  532 

Senje  387 

Seonabach  534 

Serbiaco  bei  Rom  325 

Seres  253 

Serpentin  11 

—  Anlage  35 
Sestak  (Teppichart)  210 
Severinsturm  488 
Sevket  Pasa,  Gouverneur  154 
Sezemca  105 
Sibinjanin  Janko  (Hunyädy 

Jänos)  298 

Sibinovic,  Stevan,  In- 
dustrieller 367 
Sibnica  294  298 
Sicevo  179  180  194  549  550 
Sidzade  (Teppichart)  210 
Sigismund,  König  487 
Sijakovic.  Misa  253 
Sijarina                  332  335  337 

—  banja  337  338  339 


Sikiraca,  Karaula 

Sikirica 

Sikirije 

Sikje 

Sikole 

Sikolska  reka 

Siljakspitze 

Siljegarnik 

Siljomane 

Silovo 

Silvester,  Metropolit 

Sim  (Störart) 

Simeon,  Bulgarenzar 

-  ,  Iguman 

-  (Nemanja),  Heiliger 
Simic,   Lazar,    Stadtkmet 

von  Paracin 

-  ,  Svetislav,  Professor 
Simijanu 
Simon,  Knez 
Simonovic,  Mileta  Vujica, 

Pope  294  295 

Simulium  pertinax  (brasi- 
lianische Mücke)  526 
Sinajedenbrüder  106 
Sinan  Paäa                    87  203 
Sindjelic  -  Denkmal      am 
Cegr                                177 


317 

543 

249 

222 

374  454 

374  425 

118 

281  282 

294  297 

333 

296 

494 

138 

5 

163 


379 
395 
481 
464 


Seite 
Sindjelic,    Stevan,    Knez 

von  Resava  144  177 

Singidunum  (Belgrad)  137  534 
Sinjac  551 

Sinji  Vir  425 

Sinkovce  242 

Sip  494  495  496  499  504 

535  556 
Siper  Donaukanal  497 

Sirenjar,  Petar  414 

Sirine  249 

Sirmien  532 

Siroka  Padina  149  261 

Siroke  Njive  294 

Sisevac-Vrcic,    Kohlen- 
werk 385  386 
Sisnian,  Bulgarenfürst  138  284 
Sismanov  108 
Sisoje    (Sisojevac,    Sise- 

vac),  Klosterruine    386  387 
Sisojevac    (Sisevac), 

Klosterruine  386  387 

Sistovoer  Friede         503  508 
Sitnica  59  311 

Sjenica  48  50 

Skapski,  Oberst   431  473  474 
Skela  Kladovska  489 

Sklavenfeld  54S 

Skobaljevic,    Nikola    246 

247  259 
Skopija  (Skoplje)  241 

Skopljak  Pasa  539 

Skoplje  209  218  233  241 

Skorica  389 

Skoska  456 

Skrep,  Karaula  317 

Skrobnica  170 

Skupstina        67  157  160  169 
Slabica  549 

Slap  232 

Slatina  366  369  407  409 

410  455  545 
Slatinska  reka  410  455 

Slava  67  99  100 

Slavej,  Berg  229 

Slavejkov  487 

Sliborafels  522 

Slisane  328  331 

Slivje  364 

Slivnica,  Schlacht  bei        212 
Sljivovik  216 

Slovica  178 


Alphabetisches  Sachregister. 


589 


Seite 
Smaka,  Beg  89 

Smederevo  298  499  503 

540  541 
— ,  Kreis  539 

Smedovo  439 

Snietenik  (Teppichart)  210 
Smiljevac  249 

Smith  472 

Snegpolje  266 

Sob,  Arnautenstaiiini  333 

Sofia    138    142    195   202 
203    212    221    230  232  267 

-  ,  Diözese  204 
,  St.  Sophia-Kirche         183 

Sofronije,  Bischof  205 

— ,  Kir,  Bischof  464 

— ,  Mönch  25 

Soko-Banja    110  Hl   112 

113   114  134  143  415 

,  Schloss  366 

--  grad  114  366 

Sokolica  187  292 

Sokolnica  1 14 

Sokolov  Kamen    186  188  424 

-  Vis  318 
Sokolovac  328 
Sokolovo  Brdo  315 
Sokolovski  potük  266 
Sokolska  Planina  309  315 
Solarovic,  Hauptmann  475 
Solinian,  Suitan  189 
Sopci  230 
Sopocani,  Klosferruine  46 
Sopot,  Kirche  122 
Sopotnica  187 
Sovanic,  Djak  Mihail  66 
Spahije  34 
Spaj  188  272 
Spance  (Spanza)  294  296 
Spanza  (Spance)  296 
Spasic,  Milovan  131 
SpasovdanSabür(Hinimel- 

fahrtstag)  335 

Spiridion  146 

Sracimir.BruderNemanjas  106 
Srbovlah  (Srbovo)  438 

Srbovo  (Srbovlah)  438  471 
Srebrnac  (Silberberg)  64 

Srebrnica,  Burg  80 

-,  Fluss  80 

(Veluce),  Kloster  80 

Sreckovic,  Mihail,  Major  253 


Seite 

Seite 

Sreckovic,  Panta    24  414  415 

Stickereien                         209 

Srednji  potok 

392 

Sliliburg,  Kastell                 471 

Sretenje,  Kirche 

34 

Stitarac,  Marko                     32 

Sretenovic,  Sava 

2 

Sto          407  409  421  441  516 

Srez  Zaplanjski 

186 

Sto-  und  Trnak-Felsentor     15 

Srndak,  Nikola 

146 

Stoclet,  Viktor                    426 

Srp 

271 

Stojanov  Trap                    275 

Städtegründungen 

200 

Stojanovic,    M    ü.,    Kgl. 

Stalac       87  94  95  96  97 

Direktor                           377 

543 

544 

Stojka                                  447 

Stalaktiten 

346 

Stojko,  Pop                         273 

Stamenkovic,  Professor 

187 

Stojkovic,  Milenko      491  533 

Stanca 

12 

Stolovi-Berge  2  11  59  92  193 

Staniccnje 

551 

—  Pass                        392  393 

Stanisav,  Kniet 

415 

Straovac                              385 

Stanjanskareka,  Fluss  223  226 

Straänik                               296 

,  Ort 

226 

Strasser,  Oberst                    (50 

Stankovac,Todor,Kapetan 

344 

Straza,  Berg                366  387 

Stanoje 

89 

^,  Karaula                         395 

-,  Pope 

276 

Strbac     441  449  513  515  528 

Stanojevic,  St. 

85 

Strbi  Kamen                        269 

Stara  Planina  (Suva  Pla- 

Strbica                                272 

nina)                          194  221 

Strelac                                 272 

-  Srbija  (Alt-Serbion) 

45 

Streija,  ilija                         276 

Starhemberg,  üuido    140 

141 

Streser                                 265 

Stari  Adzbegovac 

542 

Strimon  (Struma)  252  259  265 

Glog 

259 

Strizevac                             216 

Starina  Novak 

122 

Strojkovce                    243  244 

Starisina  (Caricina) 

328 

Strpci                                   360 

Staro  Plandistc 

187 

Struma                          265  267 

—  selo  Boljevac 

4(X) 

Strzugowski                        325 

Statovac 

327 

Stubal                           252  294 

Stava 

296 

Stubaler  Hochebene          300 

Stavska  crkva  (Kirche) 

296 

Stubalj                                 261 

Stefan  der  Erstgekrönte, 

Stubik                           459  469 

König 

4 

Studena                            2  187 

-    1.,  „Prvovencani" 

17 

Studenac                             323 

V.,  König  von  Ungarn 

17 

Studenica,  Bach            11     17 

.  Sohn  des  Lazar 

87 

Studenica,  Kloster  (Carska 

Stefanovic,     Kadoslav, 

Lavra)          3  17  31  34  464 

Pope 

335 

,  Besitztümer               26 

—  Tenka,  Stevan,  Senats- 

 ,  Gebeine  des  hl.  Si- 

präsident                  519  520 

meon                                23 

Steierdorf,  Kohlenwerke 

530 

,  Höhle  des  hl.  Sava    25 

Stein,  Baron,  Major 

515 

—  — ,  Kirchensehatz            24 

Steinbeil-Funde 

137 

,  Kraljevska  crkva      25 

Stenjkabank                 525 

556 

—    -,  Maria  Himmelfahrt- 

Steuern,  türkische       430  431 

Kirche   17   18  21  22  23 

Stevan                   139  174  229 

24  25  29 

,  Sv.,  Kloster    126  133  258 

,  Sanktuarium              23 

Stevanac 

93 

,  Sarkophag  des  hl. 

St.  Helena 

529 

Simeon                               22 

590 


Alphabetisches  Sachregister. 


Seite 

Studenica,  Kloster,  Tana- 

sije,  Archimandrit        25  26 
Studcnski  Vrh  184 

V.  Stürmer,  Baron  553 

Stupnica  188  190 

St>'locoenia(Korallenreste)  223 
Styrum,  üraf  60 

Subasen  (Lehnsherren)  33 
Subotinac  122 

Suca,  Fürst  516 

SuEavatal  385 

Sucha- Felsengebirge 

(Suva  Planina)  194 

Sümpfe  279 

Sürüdzis  (Postillone)  135 

Sugrin  226 

Sukovo,  Bach  552 

— ,  Bahnstation  552 

Sukovska  reka  552 

Sukovski  manastir  552 

Suleiman  Aga  333 

—  Pasa  349 

— ,  Ramis  Pasas  Bruder  255 
Sulejman,  Sultan   87   129 

130  229 
Sulemanj  (Siijomane)  297 
Suleyman  Beg  215 

Suli  Aga  234 

Sulzer,  Geschichtsforscher  487 
Sumadija  118  121  413  421 
Sumadijski  puk  3 

Sumanska  reka  331  337 

Sumatovac  352 

Sumber  234 

Samen,  Mihail,  Bischof  289 
Sumpfbecken     bei     den 

Viasinaquellen  266 

Sumrakovac  402  413 

Supanj,  türkisches  Zollamt  41 
Supeljak  (Jovanovac)  109  142 
Supiji  Kamen  188  196  276  550 
Supovac  148  158  175  544 
Surdulica,  Dorf  262  264  265 
— ,  Kirche  Sv  Roman  265 
— ,  Römerkastelle        264  265 


Susevje 

546 

Susiana,  Kastell 

471 

Susica 

415 

Susice 

129 

Susnjak,  Karaula 

311 

Suva  cesma 

322 

Suvaja 

294  395 

Suva  Morava 
—   Planina    60 

139    177 

188    189 

202   204 


184 
193 
216 


110 
185 
194 
219 


Seife 
260  261 
121 
187 
196 
221 
328  550 
258  294  301 
211 
358 
65  296 
61  62  63 
294 
bei 


Suvi  Dol 
Suvodol 
— ,  Kloster 
Suvo  Rudiste 

,  Karaula 

Svarca 

Sveta  Petka- Kirche 

Rudare  243 

Sveti  Method-Höhe  66 

—  Nikola-Balkan  121  193 
204  205  207  221  222 
223    224    225    226    357 

367  550 

-  Nikola-Pass  193  226 
Sveto  Blagovestenje,  Ka- 


blarkirche 
Svilajinac 
Sviliste 
Svinjare 
Svinjarica 
Svinjica 
Svirce 
Svoboda 
Svodj 
Svodje 
Svrljig 
— ,  Bezirk 
— ,  Schloss 


2 

415 

331 

325 

328 

517  520  556 

332  337  338 

448 

272 

189  215 

144 

138  170 

362  363  366 


SvrljiskiTimok  134223  346  349 
Syenitporphyr  11 

Szechenyi,  Graf  516 

-  Strasse   509   522   525 

553  557 
Szegediner  Friede  (1444) 

203  234  287  288 


Tabakovacko  Brdo  425 

Tagebuch    des  Generals 

Miskovic  347  348  349 

Tahtalia,  Felsenriff  444 

Tahtalija-Riffe  520  556 

Taliata  409  442  444  445 

446   447    449    450   453 

499   518  535 


Seile 
Tamnic  425 

Taninjanica  i94  196 

Tanda  441  442 

Tankosic,  Brüder  372 

Tanuel,  Bergingenieur  426 
Tapae,  Schlacht  bei  482 

Taraijawiese  268 

Tarana  (Maismehl)  218 

Tactalia  510  535 

Tatalia  444 

Tatarna,  Ebene  373 

Tatarsko  Polje  400 

Taufakt  68  69 

Tefik  Bey  146 

Tegostica  272 

Tekija,  Bach  331  500 

,  Ort  492  496  498  499  500  535 
Telals  210 

Temeni  Vrh  178 

Temska,    Fluss    229   230 

231  232  551 
Temska-Gebiet  205  231  232 
— ,  Ort  211  226  229 

Tendzerlije  146 

Tenka,  Woivifode  431 

Teodorovic,  Ingenieur  388 
Teppichfabrikation  imCi- 

porovicagebiet  232 

Tertiär-Plateau,  Kraljevoer  II 
Tesica  129 

Teskovo  270 

Tetomirov  grad  114  118 

Theodoropolis,  Kastell  471 
Theopompos,  Claudius  363 
Thessalonica  (Salonik)  137 
Thessalonicaer  Heerweg  545 
Thierheim,  Graf  516 

Thüngen,  General  142 

Thürheim,  Graf  47 

Tiberius,  Kaiser  512  556 

-  Strasse  512 

-  Tafel  521 
Tibiscuni  .  447 
Tierna  499 
Tiesenhausen,  Graf,Major  131 
Tijelovac  202 
Tilva  Mik  405 

—  njagra  405  406 

—  ros  400  409 
Timaccolum  347 
Timachum  majus,  Mansion  347 

minus,  Mansion  347 


Alphabetisches  Sachregister. 


591 


Seite 


Seite 


Seite 


Timacum    minus    (Bara- 

Toplica,  Gebiet  138 

289 

TrgoviSki  Tiniok  193  223 

nica)    81    354  356  358  364 

296 

297  299 

226  349 

Timacus                             355 

Hohen 

176  283 

Trgoviäte 

47  351 

Timcna,  Kastell                  471 

,    Kreis    160    269 

270 

Trha 

315 

Timociani                            353 

291    292   312   313 

316 

Tricornesium 

447 

Timocka   Palanka   (Gur- 

332  343 

Tricornium 

534 

gusovac)                        350 

,  Milan 

318 

Tri  Cuke 

232 

Tiniok  222  223  231    349 

Toplicka  ravnica 

59 

Trikir 

99 

357   372   373   402   410 

Toplik,  Bach 

367 

Tri  Kladenca 

189 

415   417    424    470   471 

Topoia 

539 

-  Kule 

447  516 

472   473   475   528  534 

Topolnica              122 

126  443 

Usi  (Drei  Oh 

ren) 

282 

-  Bahn  374  418  423  424  425 

Toponica       134  135 

136 

Trn                 204 

224 

230  267 

—  Diözese                          435 

146  148  178 

189  366 

— ,  Bezirk 

211 

—  Gebiet  49  111  122  146 

Tori-Stara-Planina    (Crni 

Trnava 

2 

25    45 

178   226   347   Md   350 

Vrh) 

222 

— ,    Kirche    „Maria 

Ver- 

356   367   372   395   412 

Torlaci 

230  231 

kündigung 

2 

420   421  474 

Torlak 

230  231 

Trnavska  reka 

293 

--  Grenze                          416 

—  Volksbräuchc 

230  231 

Trnjane 

243  374  544 

—  Nisava-Wasserscheide  226 

Tosovic,  Cira 

223 

Trnjanska  reka 

374 

—  Pass                               354 

,  Mino 

223 

Trnova  Sv.  Petka 

,  Kloster  549 

—  Schanzen                      474 

Tovrljan 

321 

Troglav 

2 

59    92 

—  Strasse,  römische         409 

Trachyt 

11  225 

Trojanovic 

366 

—  Weg  Vidin— Nis            193 

Trajan,  Kaiser      118 

444 

Trojica,  Sv ,  Kloster 

180  362 

Timurtas                             138 

447    469    470   472 

481 

Trompetenziegel 

361 

Tirnovo                        285  397 

482    483    486 

495  512 

Tropaeum 

48(i 

Tismana,  Kloster                397 

-  Brücke    471    477 

481 

Trpeza 

315  318 

Tisovicatal                           516 

483    484    485    486 

487 

Trpezica 

261 

Titus,  Kaiser                       556 

492  535 

Trstenicki  potok 

495 

Tmava                                 294 

—  Säule        483  484  485  489 

Trstenik 

92 

100  142 

Todor                                  543 

—  Strasse             109  516  531 

Trubarevo 

1(X) 

130  131 

- ,  Wojwoüc                        97 

—  Tafel  499  509  510 

311 

Trubeckoj,  Vasil 

kaiser- 

Todorovic,  Janja                216 

512  513 

licher  Generaladjut 

ant     491 

— ,  Viikoje,  Leutnant  332 

Transdierna  453  498  499  535 

Trupale 

136 

333  337 

Translitae,  Mutatio 

552 

Tuchstoffe 

113 

Todorturm               93   95    97 

Transniarisca 

472 

Tularc 

294  301 

Tohanj                                141 

Trbunje 

294 

Tularska  reka 

337 

Tolovac                               412 

Trebotin 

81 

Tuiben  (runde  Mütze)        125 

Tomaschek                  233  252 

Trebuc 

409 

Tumba 

296 

Tomatschek,  W.                 134 

Trefort,    ungarischer 

Mi- 

Tumuli 

134 

Tomic,  Djordje,  „Kaviar- 

nister 

554 

Tuna-Vilajct 

130  205 

könig"                              493 

Trem 

187   188 

Tupale 

332  335 

— ,   Kirchcnruiiic                  542 

Trencevic,  Zeka,  Beg  89  109 

Tupan 

388 

Tomin-dan                            94 

Trenk,  Pandurenführer       522 

Tupiznica 

357  414 

Topalovic,  Qeneralstabs- 

Trepanjska  reka 

246 

Turcaninotf,  russischer 

major                        150  416 

TrepCa,  Stadt 

64 

Offizier 

474 

Topcider,  Lustschloss        538 

Tresak 

357 

Turla 

231 

Topla                           362  407 

Tresibaba  223  347  348  349  351 

Turn  Severin  453  475  482 

Toplac                          252  284 

Treska 

296 

483  487  488 

Toplec                               506 

Treskovac 

521 

Turnu 

494 

Toplica         174    175   218 

Treänja 

265 

Turres  (Pirot) 

202  233 

283   284   285   288   296 

Tresnjica,  Blockhaus 

310 

318 

337  545 

301    302   303   317   328  545 

Tresta 

404 

Turribas 

202 

592 


Alphabetisches  Sachregister. 


Seite 
Turribus(Turres),Mansion  202 
Tutunovic,  Brüder  157  158 
Tvrtko,  Kral]  301 

Tymazit  225 

u. 

Ugljesa,  Kesar  23  252 

Ugrinovic,  Erzpriester  411 
Uhren,  schweizerische  209 
Uilla  Chonazi  (Kovaci)  103 
Uj  Palanka  532 

Ulpia    Traiana    Sarmise- 

gethusa,  Colonia  453 

Ulpiana  (Lipljan)  283  303 
Umac  247 

Unam  450  535 

Ungurani  369 

Urania  249 

Urban  VIII.,  Papst  24 

Urkup  (Prokuplje)  288 

Uros  I.,  Stevan  46  463 

—  II.,  Milutin  Stevan    25  463 

-  III.,  Stevan  252  284 
Urosevic,  Professor  64 
Ursus  spelaeus  404  550 
Usce  26  34 
Usje  528 
Uspenije,  Sv.,  Kloster  550 
Utus  472 
Uysterhagen,  Jean  454 
Uzice  33  48 
Uzundzova  207 
Uzun-Mirkovic,  Oberst  126  225 

V. 


Seite 

Vanosplateau  279 

Vardenikalpe  263 

Varna,  Schlacht  bei  87 

Varnica  298 

Varos  109  362  363 

Varoski  potok  445 

Varvarin  88 

Vasaca  392 

Väsärhelyi ,  Hydrotech- 
niker 495  553  554 
Vasic,  Professor  108 
Vasilj  362  367 
Vasiljevac  318 
Vasilievic,Branko,  Offizier 

150  309 
Vasojevici  46 

Vavedenje  Sv.Bogorodice, 


Kloster 

549 

Vecir,  Subasa 

414 

Vegetius 

192 

Veles 

264 

Velesnica 

478 

Velika  Grabovnica              243 

—  Kamara 

149 

—  Kosanica 

316 

—  Lukanja 

230 

-  Plana 

293  294  541 

—  Reka 

401 

—  Vrbnica 

80  481 

Veliki  Izvor 

373  417  424 

—  Jastrebac 

121   134 

—  Krcimir 

188 

—  Siljegovac 

129  130 

—  Sokolov  Vis 

311 

—  Stalac  (Gross-Stalac)    100 

—  Suvodol  202 

—  Timok       121  346  347  367 


Vadin                                   487 

Veliko  Brdo 

442 

Vajuga                                 479 

-  Zdrelo 

357 

Valakonje              399  400  413 

Velimirovic ,     Baute 

n- 

Valens,  Kaiser             191  325 

minister 

510 

Valenta,  Ingenieur       281 

Veljkovo  (Bljuvanovac) 

425 

286  302  315  323 

Veluce,  Dorf 

80 

Valentinian,  Kaiser      191  556 

—  (Srebrnica),  Kloster 

80 

Valerian  Domitianus           178 

Verantius,  Erzbischof  109 

Valja  mare  potok              450 

123 

139 

Valjanica                            402 

Verciorova 

496 

Valtrovic,  Professor      54 

Vermond,  Graf 

196  202 

84  318  361  448  512  513 

Versec 

507 

530 

Vampirgräber  (Vanipirsko 

Verwaltungssystem, 

tür- 

groblje)                     123  124 

kisches 

430  431 

Vanlic,  Oberst                     420 

Veta 

189 

196 

Seite 
Veterani,    Graf,    General 

140  515 
Veterani-Höhle  515 

Veternica     233   244   247 

248   249  279 

—  Gebiet  246  261 
Vetren  358 
Vetrilahühe  364 
Vica  294  301 
Vicianum    (Pristina)    277 

302  303  318  326  328  337 
Vico  Cuppe  535 

Vida,  Prinzessin  136  370 

Vidin    136    141    144    193 
225   356   367   369   414 
416   417    418   423   431 
473    475    503    553 
— ,  Sandschak  363 

—  Belogradcik  — Niser 
Strasse  193 

Vidov  dan  322 

Vidova  voda  542 

Vidovica  planina  322 

Vidrovac  465  471  473 

—  Plateau  471  535 
Vierzig  Märtyrer-Quelle    250 
Vignje,  ehemaliges  Eisen- 
werk 270 

Viktor,  Deda,  Bischof  147  163 
Vilägos  498 

Vilandrica  189 

Viljokolo  265 

Viljokostica  265 

V.    Vilovo,      Stefanovic, 

Major  528 

Viminacium   81    444   472 

485  534  535 
-  Thessaloniker  Heer- 
strasse 134 
Vina  246  247 
Vince  528  530 
Vinceia  534 
Vindenae  (Podujevo)  302  303 
Vinik  140  148  150  154  177 
Viola  rupestris  L.  121 
Viquesnel  121 
Virgil  526 
Virmond,    Graf    142   203 

221  222 
Visegrad  194  198 

Visesava  518 

Viseselo  294 


Alphabetisches  Sachregister. 


5911 


Seile 

Seile 

Seite 

Visol<a                          315  439 

Vranja  234  246  247 

248 

Vrska  Cuka  356  357  369 

Visoki,  Stevan                   541 

249    251    252    253 

254 

413   416   417   418 

422  427 

Vitanovfelsen                     229 

255    256    257    258 

265 

VrJnik 

285 

Vitkovac                              130 

289 

544  547 

Vrtaca  Brezovica 

388 

Vitkovo                             •    79 

— ,  Bewohnerschaft 

252 

Igriste 

388 

Vitoä                                    219 

253  254 

padina 

388 

Vitruv                                  484 

— ,  I878Erstürniungdurch 

Trgoviste 

388 

Vlachos      (thessalische 

Serben  und  Russen  253  254 

Vrtibog-Karania 

231 

Wanderhirten)                   5'J 

,  1897  Rrdbeben 

257 

VrtiÄte 

136 

Vlad    ).,      walachisclier 

,  (jarnison 

256  257 

Vrtop 

232  331 

Wojwode                        397 

,  Cjescliichte 

252 

Vtoroff,  russischer  Offizier  474 

VladiCin  Han        261  263  546 

— ,  Handel  und  Industrie 

Vuöid                     435  501  539 

Vladikina  Pinea  (Bischnfs- 

256  257 

Vufiji  Del 

194 

platte)                               229 

— ,  Kirche              253 

255  256 

Vucjanska  reka    244  245  246 

Vladislav,  König  von  Un- 

,  Kreis  145  211  232  248 

Vucje      234  244  245 

246  248 

iiarn    194   195   196  203 

257  292 

VuCji  Del 

149 

284  298 

— ,  öffentliche  Baute 

n        255 

-  Kr§ 

66 

Vlahinja                               244 

Vranje  (Vranja) 

251  252 

Vuckovic,  Dragomir 

215  424 

Vlaho,  Heiduck                   366 

Vranjska  Banja   258 

259 

Vujic,  Ingenieur 

15 

Vlahovci,  Weiler               366 

260  547 

Vujica,  Wojwode 

539 

Vlajkovci                               73 

,  antike  Baureste      259 

Vuk      230   414    430 

435 

Vlase              248  249  294  332 

Defilee 

252 

467    469    494    508 

519 

Vlasic,  Sinia,  Oberstleut- 

—,  Schlacht  bei 

246 

526 

533  542 

nant                                 488 

reka 

252 

Vukan 

17 

Vlasina,    Fluss     188   221 

-  Tal 

249 

Vukotic,  Vule,   Kreisprä- 

263   265   268   270   271 

Vrapce 

336  337 

fekt 

409 

272  277 

Vrata  (Tor),  Defilee 

76 

Vulidevic,     Djuäa, 

Hei- 

Gebiet             262  269  276 

Vratari 

76 

duckenführer 

415  540 

,  Ort   265  267  268  269  274 

Vratarnicn 

368  369 

— ,  Vujica 

108  431 

See                               269 

-     Pass                 358 

367  368 

Vulovo    Brdo    (Trpeza), 

Vlasinska  Klisura                270 

Vratna,  Bach 

457 

Karaula 

317 

Vlasinsko  Blato                  266 

-,  Dorf 

458 

Vurf 

474 

Viaski  Do                    423  424 

Felstore 

458  459 

Vlaäko  Polje                     349 

-  ,  Kloster 

457  458 

Vlasotincer    Bezirk     160 

Vrazija  Qlava 

232 

w. 

211  232  257  273 

—   —  Pass 

232 

Vlasotinci    201    215    269 

Vrazogrnac    373  412  413 

Wahlen 

186  187 

273    275  276 

415  424 

Wahlregleinent 

186 

Vodica,  Kloster                 397 

VrazogrnaC'ka  reka 

373 

Waichia  piniforlnis 

423 

Vodice                          541  542 

Vrbica 

358 

Waldwirtschaft,  serbische 

Voichna,  Cesar                     23 

Vrbicaer  H<ihen 

421 

57  58 

Voith,  Artillerie-Leutnant  515 

Vrbovac 

294  413 

Wallis,  Marschall 

505  .506 

Vojihna    (Mitar    Vojino- 

Vrbovo 

262  265 

Wallandt,   Ernst,    königl. 

vic)                                   203 

Vrcenovica 

175 

Sektionsrat 

559 

Vojinovic,  Mitar(Vojihna)  203 

Vrdilska  reka 

2 

Wege,  neue 

207 

Vojska                                 67 

Vrdnik,  Kloster 

86  87 

Weifert,  Industrieller 

270 

Vojvodina                           529 

Vrelo 

345 

Wein,  Krajinaer 

421 

Voljavia,  Klosterkirche       25 

Vre^ina 

137 

Weinbaukongress,  ei 

ster  1.57 

Votivsteine,  römische  185  204 

Vrla                        263 

265  266 

Weinbauschule, staatliche  438 

-,  serbische                     204 

Tal            2(il  263  269  546  \ 

Weinsteuer 

430 

Vrabce                               332 

Vrmd2a 

118  398 

V,  Weiss,  Oberstleutnant  222 

VraCevi                              295   i 

Vrnjci.  Bad 

93 

Weizenried 

529 

F.  KANITZ,  Serbien.    11. 

38 

r)94 


Alphabetisches  Snchregister. 


Seile 

Werkzeuge,  vorgeschicht- 
liche 408  409 
Westball<an  232 
Wex-Dinelli,  Hydrotech- 
niken 554  557 
Wilhchn  von  Tyrus  138 
Wirk-  und  Webwaren  209 
Wollhandel  543 
Wollwäscherei                     372 


Zameanje 
Zamna 

—  Gebiet 

—  Höhen 


Seite 

II 

459 

456 

461 


Zablace 

2 

Zabrdjski  potok 

333 

Zabrega 

382 

Zach,  General  49  108  125 

133  323  324 

Zachariä,  Militärarzt 

157 

Zaglavak,  Bezirk 

420  421    1 

—  Grenzberge 

357 

Zagorci 

230 

Zagradje 

318  358  373   | 

Zagubica 

405   \ 

Zaguzane 

263 

269 

Zahac 

327 

Zaja,  Pascha 

413 

Zajecar   121  226  348  354 

357    370   372 

393 

395 

400    413    415 

416 

417 

418   419    420 

421 

424 

435  492   1 

--,  Bewohnerschaft 

420 

— ,  Bezirk 

420  421 

— ,  1876    serbisch -türki- 

scher Krieg 

416  417  418 

— ,  1883  Bürgerkrieg 

418 

— ,  1885   serbisch-bulga- 

rischer Krieg 

418 

,  Hntwickclun 

g 

418 

,  Garnison  un 

d  Befesti- 

gungen 

420 

— ,  Industrie 

419 

-  ,  Kreis 

437 

Zajecarka  ('l'any 

) 

405 

Zanes  488  489  498  535 

Zaplanje,  Bezirk   HM  186  291 
-,  Ort  189 

Zarevo  73 

Zasa ,     Majstor ,      Holz- 
schnitzer 236 
Zavetina      Sv.     Trojica- 

Höhe  400 

Zavoj  230 

Zass,  General  '    474 

Zatonje  528 

Zbeziste  245  246 

Zdravica  297 

Zdravinje  294 

Zdravko,  Heiduck  366 

Zdravkovci,  Weiler  366 

Zdravkovic,Aleksa,  Land- 
tagsabgeordneter 411 
Zdravnicaschlucht  295 
Zebicaniühle  316 
Zebince  545 
Zedja,  Berg  59 
Zehent  430 
Zelenicki  Do  274 
—  potok  274 
Zelenika  (Immergrün)  274 
Zelezna  231 
Zeleznica  25 
Zeleznik  (Eisenpforte)  134 
Zeljin  11  59  92 
Zement  183 
Zeno,  Katariii  552 
Zentralbalkan  231 
Zerna  498  499  535 
Zerophyten  268 
Zibevce  545  547 
Zica,  Kloster  3  4  5  6  7 

8  9  10 

,  Stadt  4 

,  Besitz,  Einnahmen     10 


Seite 

Zidanje  Ravanice  (Bau 
der  Ravanica),  Volks- 
lied 53 
Zika,  Kapetan  107 
Ziljci  74 
Zimovnik  38 
Zitkovac  129  351 
Zitni  potok  (Weizenbach) 

321  326  327 
Zitoradje  176  262  263  283 

284  286  323 
Zivanovic,  Architekt  328  413 
— ,  Radak  466 

Zivko,  Pop  258 

Zivkovic-,  Brüder  198 

,  llija  C,  Major  307 

Zlata  -321  323  324  325  326  327 
-,  römische  Festung  323  324 
— ,  Prinzessin  325 

Zlatari  103 

Zlatarska  reka  517 

Zlatica,  Bach  446 

-,  Ort  195 

Zlatna  reka  323  325  326 

Zlatni  potok  (Goldbach)  324 
Zljeb,  Berg  59 

Zlodol,  Bach  190 

Zlokucane  \90  215 

Zlot         402  403  404  405  413 
Zlotska  reka  402 

Zölle  auf  Käse  217 

Zograf,  Kloster  am  Athos  435 
Zubni  Vis  335 

Zujovic,  Geologe  64 

Zukato,  Graf,  General  88 

453  456  473  474  491 
Zukovac  354 

Zukovacka  reka  356 

„Zum   KraljeviO  Marko"- 

Han  274 

Zupa,  Bezirk  79 

Zupskovino(ZupaerWein)104 
Zvezdan  372 

Zvornik  474 


INHALT. 


Seite 

I.  Von  Cacak  über  Kraljevo,  Zica  nach  Studenica I 

II.  Durch  das  Raskatal  zum  Nnvi  Pazar-Detilee 33 

III.  Vom  Ibar  über  Josanica  auf  den  Kopaonik 51 

IV.  Über  Brus,  Koznik  und  Kruäevac  nach  Stalac 73 

V.    Über  Deligrad,  Soko-Banja  auf  den  Rtanj  und  nach  Aleksinac 105 

VI.    Stadt  und  Festunij  Nis I33 

VII.    Durch  Nis"  L'mgebung  zur  Suva  Flanina 17] 

V'III.     Von  NIS  über  Bela  Palanka,  Pirot  auf  den  Rakos,  Sveti  NIknIa-  und  Clporovica- 

Balkan I93 

IX.  Von  Leskovac  an  der  Veteruica  nach  Vranja.  Durcli  die  Masurica  ins  Viasinagebiet  233 

X.  Über  Prokupljc  durch  die  Jankova  Klisura  und  Kursunilija  auf  den  Prepolac  .     .  279 

XI.  Von  Kursumhja  durch  die  Kosanica.  Fu.sta  Reka  und  den  Jablanicacr  Arnauten- 

bezirk  nach  Leskovac    .    .     ■ 315 

XII.  Von  Nis  über  Knjazevac,  Soko-Banja  und  Zajecar  nach  Negotin Mb 

XIII.  Von  Paracin  durch  das  Crnica-  und  Baba-Qebiet  zum  Cestobrodica-Passe    .    .  375 

XIV.  Am  Krivi  Vir  über  Zlot,  Brestovacka  Banja,  Zajecar,  VrSka  Cuka  zur  Jasenica   .  39.5 

XV.  Über  Radujevac,  Negotin,  den  Deli  Jovan   und  Donji  Milanovac  auf  den  Miroc. 

Von  Brza  Palanka  über  Vratna,  Bukovo,  Prahovo  zur  Timokmündung    .     .  429 

XVI.  Von   Brza    Palanka    über  Kladovo    am    römischen    „Eisernen    Tor"-Kanal    nach 

Tekija  und  Ada  Kaleh 477 

XVII.  Durch  den  Kazan  imd  von  Donji  Milanovac  durch   ilen  (Ireben  auf  der  Donau 

nach  Belgrad 509 

XVIII.  Von    Belgrad    zur   bulgarisch-türkischen    Grenze    mit    der    Bahn.      Durch    die 

regulierten  Donau-Katarakte  zum  „Eisernen  Tor"-Kanal 537 


Druck  von  Bernhard  Meyer,  Leipzig. 


DR  Kanitz,    Felix  Philipp 
317  Das  Königreich  Serbien 

K25  und  das  Serben volk 
Bd.  2 


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