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SERBIEN UND DAS SERBENVOLK
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FELIX KANITZ^^E^^^^^^"^
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Das Königreich Serbien
und
das Serbenvoli<
von der Römerzeit bis zur Gegenwart
Zweiter Band: Land und Bevölkerung
UurcligeselicM und ergänzt
BOGOLJUB JOVANOViC
Oirektor des Künigl. Serbischen Statistischen Landcsamtes a. L).
LEIPZIG
VERLAG VON BERNHARD MEYER
1909.
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Kronprinz AIcxümcIlt vhii Suiincri
Alle Rechte vorbehalten.
Vorwort.
Fünf lahrc nuL-li Erscheinen des von der wissenschaftlichen Kritik wie \on
dem j^rossen Publikum so beifällig aufgenommenen ersten Bandes \on
Kanitz' „Serbien" erscheint nunmehr der zweite in der gleichen Ausstattung
und annähernd demselben Umfange.
Die Ursache der Verspätung, die der Ergänzung des reichhaltigen Ma-
terials nur zugute kam, lag in erster Linie in dem unerwarteten Hinscheiden
des verehrten Herrn Verfassers.
Infolgedessen betraute der Verlag den Unterzeichneten mit der Heraus-
gabe dieses und des binnen kurzem folgenden Schluss-Bandes.
Meine Aufgabe hierbei war vor allem die, eine tunlichste Gleichmässigkeit
und Korrektheit in der Wiedergabe der serbischen Gebirgs-, Fluss- und Orts-
namen herzustellen, um so die Zuverlässigkeit des Werkes für die wissen-
schaftliche Forschung zu erhiihen; die Fassung der geographischen Bezeich-
nungen darf letzt als authentisch gelten. Ferner ergänzte ich hier — und noch
mehr im Manuskripte des dritten Bandes — die statistischen Angaben des ver-
ewigten Verfassers nach Möglichkeit durch neuere Daten. An dem übrigen
Texte wesentliche Aenderungen vorzunehmen fühlte ich mich trotz manchen
\ erlockenden Anlasses aus Gründen der Pietät nicht bewogen, obwohl ich
überzeugt war, dass der Autor selbst wohl hie und da einige Aenderungen
vorgenommen haben würde, wenn es ihm vergimnt gewesen wäre, die Druck-
legung dieses Bandes zu erleben.
Das ungemein reiche, vielfach hier erstmalig an die Oeffentliehkeit ge-
langende geographische, \ölkerkundliche, kulturhistorische, \ nlkswirtschaftlich-
statistische sow ie alt- und neugeschichtliche, antiquarische und kunsthistorische
Material ist wiederum auf 18 Kapitel verteilt.
Vornehmlich wertvoll für den Geographen dürften die Kapitel Vi bis XI
sein. Sie behandeln ausführlich die vier „neuen Kreise" Nis, Pirot, Vranja
und Toplica, die nach den Beschlüssen des Berliner Kongresses 1878 an
VIII
X'nrwnrt.
Serbien kamen und lange Zeit — für die auswärtige Forschung zum Teil
noch bis auf unsere Tage — eine terra incognita fast in jeder Beziehung
bildeten.
Mit nicht minderem Interesse wird der l.eser im XII. Kapitel den Ver-
fasser durch das Timok gebiet begleiten, das im serbisch-türkischen Kriege
1876—77 \on den Türken erst nach schweren Verlusten besetzt werden konnte,
und im Xlll. bis XVI. Kapitel sich an den wertvollen Resultaten der Forschungs-
reisen durch die Crna Reka und die Krajina erfreuen, jene Bezirke, die
den Türken im serbischen Befreiungskriege durch den in Volksliedern hoch-
gefeierten, später in dem Unglücksjahre 1813 bei Negotins Verteidigung
gefallenen Hajduk Veljko entrissen wurden.
Lieberall hat der Verfasser neben dem geographisch-historischen Moment
mit liebevollem Verständnis die Volksseele studiert und mit volkswirtschaft-
lichem Scharfblick die reichen Schätze aufgewiesen, die in Volk und Land
noch einer grossen Entwicklung und umsichtigen Verwertung entgegenharren.
Zahllos sind seine Verbesserungen altvererbter Irrtümer auf allen
Gebieten, nicht zuletzt hinsichtlich der Ueberreste aus römischer Vorzeit.
Mit einem wahren Falkenauge hat er hier Römerstrassen und Römerkastelle
aufgespürt, bei deren Festlegung andere Forscher \on Ruf ratlos im Dunkeln
tappten oder verzweifelnd die Arbeit aufgaben.
Ganz besonders wohltuend wird jeden Leser neben der lichtvollen,
plastischen Darstellungsgabe unseres Autors seine — bei einem Gelehrten
von der Gediegenheit eines Felix Kanitz allerdings nahezu selbstverständliche
— Objekti\ität in der Vorführung und Beurteilung aller Verhältnisse und
Ereignisse berühren.
Wenn aber ein solcher unparteiischer Grosser im Reiche der Forschung
es offen bekennt (vergl. das Vorwort zum ersten Bande), dass diese Ergebnisse
seiner mühevollen Arbeiten dem Serbenvolke zur Ehre gereichen werden,
so darf die heute in ihrer Volkskraft noch immer nicht voll gewürdigte serbische
Nation auf das gediegene Werk ebenso stolz sein wie die Wissenschaft, deren
verschiedenartigste Gebiete es in willkommenster Weise und vollkommenstem
Masse zu bereichern geeignet und berufen ist!
Belgrad, am 19. Jänner 1909.
Bogoljub Jovanovic
Direktor des Kgl. Serbischen Statistischen Landesamts a. D.
Die serbo- kroatischen Schriftzeichen lauten im Text, in den Bilder -Erklärungen,
Plänen und Karten:
c = . . deutsches z
e = tj
e = tsch
h = „ ch
V = . „ w
ä = „ seh
s = .... scharfes „ s
z = weiches , s
i = französisches i
II.
Land und Bevölkerung.
^.
Serbische Kircliweili.
Von Cacak über Kraljevo, Zica
nach Studenica.
AUF nieineni Prüjfranim stand das Bereisen des stark {^ebir^igen und
^^ deshalb weni^ bevölkerten Cacaker Kreises. Sein Priifekt zeigte grosses
Verständnis für meine Aufgabe und dankenswerten Eifer, sie müglichst zu
erleichtern. Fir gestattete seinem Ingenieur Klinar, mich zu begleiten, und den
Bezirkskapetanen band er schriftlich die Sorge für mein sicheres Fortkommen auf
die Seele. Unsere Gesellschaft vergrösserte der tüchtige Belgrader Oberingenieur
Zermann, den eine kommissarische Verhandlung gleichfalls nach Raska, an die
türkische Grenze, führte.
Zunächst ging es nach dem 6 St. fernen Karanovac, das im Jahre 1882
seinen alten Namen mit dem stolzeren „Kraljevo" (Königsstadt) vertauschte.
Der Weg zieht SO. durch wohlhabende Dörfer, prächtige Fichenwaldungen und
über diluviales Hochland, das reizende Blicke auf das westlich vom Kablar, Ovcar
und der Jelica, gegen 0. vom Kotlenik und den Rudniker Bergen umsäumte
Moravatal gestattet.
F KAMTZ, Serbien. U. 1
2 \on Cacak über Kraljevo, Zica nach Studenica.
Rechts vom Wege bleibt das Kirchlein „Maria Verkündigung" des Dorfes
Trnava, bei dem alte Waffen. Morgensterne, Pfeilspitzen usw. gefunden wurden.
Zur Zeit des serbischen Freiheitskampfes war es ein Kloster und Mittelpunkt
des Hadzi Prodanscheii Aufstandes (1. Bd., S. 586) gegen den Aluselim Latif Aga.
Ein anderer alter Bau im südwestlicheren Jezevica wird dem Ban Milutin,
einem Zeitgenossen des Zaren Dusan, zugeschrieben; er mahnt im Grundriss
an die geschilderte Kablarkirche Sv. Blagovestenje (1. Bd., S. 525). Auch
Zablace, das eine neue Kirche hart an der Strasse ziert, ist interessant durch
den in Serbien einzigen Bernstein und durchlöcherte Kügelchen, die, aneinander
gereiht, den Hals oder Arm einer prähistorischen Schonen schmückten; jetzt im
Belgrader Museum.
Vor Samaila (250 m) erscheinen in weitgedehnter Linie SW. der scharf-
gezackte dreigipfeligeTroglav (1221 m) und die gerundeten 1649 m hohen Kuppen
der Cemerno mit prächtigen Weiden, welche der Staat verpachtet. Gegen S.
dominieren die Graphit bergenden Stolovi (1443 m), über die südlichere 1415 m
hohe Studena ragt fern derKopaonik auf, und sanft abdachende, bis zur Strasse
mit frischgrünem Laubwald bedeckte Höhen bilden den anmutigen Vorgrund. Wir
kreuzten die Vrdilska Reka (Fluss), an deren Oberlauf Sava Sretenovic, der treffliche
Kenner des Kirchenslavischen, 1828 in Dedojevci geboren wurde (1. Bd., S. 120),
und erreichten vom höchsten Strassenpunkt (273 m) über Jarcujak im breiten,
fruchtbaren Tale auf nahezu geradliniger Trace das vom rauschenden grünen
Ibar durchströmte Kraljevo.
Im J. 1884 aufgefundene Kupfer-Pfeilspitzen, Bleigewichte usw. deuten darauf
hin, dass sich schon in prähistorischer Epoche und zur Römerzeit eine bedeutende
Niederlassung bei Kraljevo befand. 7 km SW. sieht man auf dem linken Ibar-
ufer am Janok starke Mauern, die bei Hochwasser überflutet werden. Dieses
stetige bedrohliche Vorrücken des Flusses mochte zur Wahl der heutigen Stadt-
stelle geführt haben. Auch die neue Ansiedelung blieb bis zuletzt stark befestigt.
Beim Bezirksamt sah ich Überbleibsel einer Schanze, deren türkische Besatzung
sich 1737 ohne Gegenwehr dem kaiserlichen Oberst Lentulus ergab. Zwei Jahre
später geräumt, nahmen sie am 20. Nov. 1789 nach kurzem Gefechte das vom
Oberst Mihailjevic geführte Freikorps und im Befreiungskrieg 1804 Karadjordje.
Dauernd wurde aber das Bollwerk erst im Juli 1815 serbisch; die Besatzung zog
unter Milos' Geleite nach Novi Pazar ab, damit war die Nahija von dem berüch-
tigten Muselim Latif Aga erlöst, und schon 1824 weihte das rasch wachsende
Städtchen seine neue hl. Geistkirche. Seither sah Kraljevo gute, aber auch
böse Tage. Vor 1858 war es der Verwaltungssitz des Kreises; dessen Verlegung
nach Cacak hemmte die Fortentwickelung, und das weitläufige Kreisgebäude
stach lange Zeit von den es einschliessenden niedrigen, dorfähnlichen Häusern
ab. Seit zwanzig Jahren, seit Kraljevo mit dem linksuferigen Moravatal und
dem Ibargebiet durch treffliche Strassen mit guten Pontonbrücken verbunden
ist, hebt sich sein Produktenhandel, und die 1905 über 6 Mill. d umsetzende
Sparkasse fördert die Baulust. In der nun 3800 Einwohner zählenden Stadt
entstanden viele nette Wohnhäuser, ein neues Bezirksamt, eine grosse Schule;
Von Cacak über Kraljevo. Zita nach Studcnica. 'i
das verödete Nacelstvo wurde für das Feldartillerie-Regiment der Morava-Division
eingerichtet und der ehemalige Bischofskonak in ein Staatsgehäude für den
Sumadijski puk umgewandelt; die 1882 begründete Ackerbauschnle zahlte
7 Lehrkräfte, welche jährlich etwa 80 Schüler, darunter 50 Stipendiaten, in
3 Klassen theoretisch, und praktisch in der 86 Hektar umfassenden Muster-
wirtschaft ausbilden. Bis Ende 1905 verliessen 540 Eleven das Institut, für
welches der Staat 1905 80 400 d verausgabte.
Von Industrieversuchen hat sich die Verarbeitung des unfern gebrochenen
Marmors für Grabmonumente gut bewährt; dagegen wurde die mit einer Staats-
subvention von 24 000 d begründete landwirtschaftliche Maschinenfabrik 1886
wieder aufgelassen.
Das aufstrebende Städtchen bemühte sich, dem es im September 1901 auf
der Durchreise nach den berühmten Klüsfern Zica und Studenica besuchenden
Königspaar einen möglichst guten Empfang zu bereiten. Nunmehr findet aber
auch der Fremde dort mehrere einstöckige Hotels, welche ganz anderen Komfort
bieten als die elende Mehana, die mich 1860 beherbergte. Als wir sie am Spät-
abend des 18. Juni betraten, waren ihr Wirt und sein Gesinde vollauf beschäftigt,
die einige Stunden vor uns eingetroffene Raskaer Kommission mit grossem
Pandurentross unterzubringen, und man schien durch unseren Zuwachs nicht erfreut,
weil wir ihre Sorge wegen des Abendessens noch steigerten. Der lustige Pisar
von Kraljevo vergrösserte durch schallendes Gelächter erregende Witze die
Verlegenheit des Mehandzija. Aufgestachelt in seinem Ehrgefühl, begab er sich
in die Carsija, um die Leere seiner Speisekammer zu mindern. Dies gelang ihm
aber so wenig wie dem Jäger, der am Mittag auf Auerhühner ausgehen wollte.
Verzweifelt kehrte er zurück, griff nach dem in jeder Mehana aus dem Dacli-
gcsperre an einer Schnur herabhängenden „pecenje" und setzte es unter tausend
Entschuldigungen, statt der erwarteten Hühner und Fische, auf den Tisch.
„Pecenje" bedeutet serbisch „Braten"; man könnte demnach den Hohn
ungerechtfertigt finden, welcher das Beginnen des unglücklichen Wirtes begleitete,
wenn ich nicht hinzufüge, dass „pecenje" ein Stück kaltes, halb gar gebratenes
Hammelfleisch ist, dessen geringe Fleischteile in einer dicken Fettumhüllung so
gründlich verschwanden, dass jeder mit einem Dochte durchzogene Teil trefflich
als Kerze dienen konnte. Die arg enttäuschte Gesellschaft sah nach den Quer-
säcken, welche, dank der fürsorgenden serbischen Hausfrauen, stets Notbehelfe
für ein improvisiertes Mahl bergen, zu dessen Schluss ich mit Aufopferung des
halben Inhalts meiner Rumflasche einen deutsche wie serbische Kehlen gleich
belebenden und zu Wechselgesängen begeisternden „caj" braute. Mitternacht
war längst vorüber, als wir heiter gestimmt die grosse Stube aufsuchten, auf deren
Boden wir uns mit Hilfe der an den Wänden laufenden Strohkissen betteten. Ich
hätte hier die schönste Gelegenheit, mich für eine schlaflos zugebrachte Nacht zu
rächen und gleich dem Oldenburger Professor Greverus, der in Griechenland
reiste, ein Fragment mit der drastischen Leidensschilderung einer Nacht in
serbischer Mehana alten Stils zu füllen. Ich unterlasse es und will gern ihren
seither erfolgten Fortschritt anerkennen.
1*
4 Von Cacak über Krnljcvo. 2ica nacli Studenica.
Der nächste Vormittag fand unsere Gesellschaft in einer Art Sprechzimmer
des in Kraljevo residierenden Uzicer Bischofs „Janja" (Joanii<ije) versammelt.
Der kleine: bewegliche geistliche Würdenträger erwiderte die ihm dargebrachten
Huldigungen mit eingehenden Kommentaren zu den auf einem Tische ausgebreiteten
Restaurationsplanen des nahen Zica. Er erzählte, wie er allein mit seinen
Cincaren das nun vollendete Werk ausgeführt, warf einige Seitenhiebe auf die
grosse Kosten verursachende Gründlichkeit „schwäbischer" Ingenieure und forderte
mich schliesslich auf, die wiederhergestellte Kirche in seiner Begleitung zu
besichtigen.
Die Residenz des Bischofs, augenscheinlich gleichfalls ein Bauwerk der
primitiven Meister aus Makedonien oder Alt-Serbien, Hess meine Erwartungen
keinen allzu hohen Plug nehmen. Dem Bewohner der serbischen Waldgebirge
mochte sie vielleicht imponieren; ärmlich, regel- und planlos erschien aber der
kleine, im türkischen Stile gehaltene Konak dem an die reichen, kunstgeschmückten
Sitze occidentaler Kirchenfürsten gewöhnten Auge.
Mit berechtigterem Stolze durfte der Bischof auf die prächtige Szenerie
seines gesegneten Sprengeis, auf das Panorama aus seinen Fenstern blicken.
Nachdem wir den Ibar gequert, führte uns ein südwestlicher, etwa eine
halbe Stunde langer und zwanzig Schritte breiter Durchhau zwischen herrlichem
Waldesgrün nach Zica. Schon in der Mitte der natürlichen Allee angelangt,
glitzerten vor uns die mit weissem Zinkblech 'gedeckten Türme der einstigen
Krönungskirche von sechs serbischen Zaren auf. in saftig grünem Plane, dessen
landschaftlicher Reiz bei sonniger Beleuchtung mich lebhaft an die prächtige Brianza
zwischen Como und Mailand erinnerte, liegt inmitten hübscher Dörfer, fruchtbarer
Felder und junger Laubgehölze, im Gegensatze zu den meist in tiefem Waldesdunkel
verborgenen serbischen Klöstern, auf sanfter Anhöhe Zica. Nahe fliesst der Ibar
vorbei, welcher, seiner beengenden Fesseln ledig, hier in ansehnlicher Breite die
fruchtbare Ebene durchzieht, um bei Kraljevo in die Morava zu münden. Der
an die Kirche grenzende Friedhof mit phantastisch geformten Kreuzen und Grab-
steinen erhöht die malerische Lage der 1889 vielgenannten Heilstätte. Man erzählt,
dass hier früher der Brauch herrschte, dem Toten einige Geldstücke ins Grab
mitzugeben, „da bi se otkupio!" (damit er sich loskaufen könne).
Gestiftet wurde die grosse erzbischöfliche Kirche zu Zica') um 1210 zu
Ehren des hl. Erlösers von König Stefan dem Erstgekrönten und seinem Sohne
Radoslav für dessen Bruder Sava, der als erster serbischer Erzbischof dort
residierte. Aber schon im Ausgang des 13. Jahrh., nach anderen erst, als Zar
Dusan das serbische Patriarchat gründete (1346), wurde der Sitz des obersten
nationalen Kirchenhauptes nach Pec (Ipek) verlegt. Nahe dem Kloster — vielleicht
auf dem erwähnten westlichen „Janok" — stand eine „Stadt Zica", bei der Zar
Dusan 1353 das Heer sammelte, welches den eingefallenen Ungarkönig Ludwig
siegreich über die Save zurückdrängte und Belgrad samt dem Macvagebiete den
Ungarn entriss.
Daniele, Rjeciiik I, 340.
Von Cacak über Kraljevo, Ziia nach Stiidenica. 5
Die 2icacr Kirche bildet einen von mächtiger Kuppel überragten Zentralbau,
dessen breites Mittelschiff eine halbkreisförmige Chorapsis schliesst und aus
dessen aulfällig grossem Narthex niedere Eingänge in zwei Kapellen mit halb-
kreisförmigen Altarapsiden und eigenem Narthex führen. An die quadratisch
vorspringenden, tonncngewölbten Querflügel wurden bei der Restauration des
während der türkischen Invasion stark verwüsteten Monuments vom Hauptschiff
zugängliche oblonge Räume (Diakonikon und Prothesis) angebaut. In den
/ILA. 1)R' KroiiuiiHskirchc der Ncmanjidcn im )iini ISTil).
Langmauern eines 16 m langen und breiten, die Westfassade einschliessenden
Hallenbaues mit quadratischem Zugangsturm sieht man noch die Konsolenreste
der Gurten seines noch immer pietätvoller Erneuerung harrenden Gewölbes; an
den Innenwänden des rundbogigen Turmeingangs neben den Stiftungsinschriften
solche von Ariljer Bischöfen vom Jahre 1633 und späterer Zeit. Zu jener des
Bischofs Josif (1729) schrieb ein Türke: „Es gibt nur einen Gott, und Muhammed
ist sein Prophet!" Einer Inschrift, welche den Iguman SImeon nennt, ist beigefügt:
„Unter ihm verfiel 2ica, 1824."')
') Starinar II, 58.
6 Von CaCak über Kraljevo, Zica nach Studenica.
Bis zur ersten Restauration (1856) konnte man die unveränderte, hüciist
originelle Anlage des einstigen Prachtbaues und die malerische Wirkung des
Mauerwerks aus wechselnden farbigen Ziegel- und Bruchsteiniagen bewundern.
Zahlreiche erhaltene Skulpturen sprechen auch für dessen einstige reiche Deko-
rierung und zugemauerte Türöffnungen — man nennt Zicas Kirche im Volksniund
„sedmovratna" (die siebentürige) — für die Begründung der Tradition, dass für
jeden neu zu krönenden König ein besonderer Eingang eröffnet und nach voll-
zogener Zeremonie gleich wieder geschlossen wurde, was an die französische
Grenzstadt St. Jean de Luz mahnt, deren A\agistrat das Kirchenportal, durch
welches Ludwig XIV. und die Infantin Maria zur Verlobung ein- und ausgetreten
waren, zu ewigem Gedächtnis zumauern liess.
Der baulustige Bischof „Janja" begnügte sich nicht, durch seine Restaurierung
die Kirche dem Gottesdienste zurückzugeben, sondern liess ihr eine zweite folgen,
welche die auf meiner im Juni 1860 gefertigten Zeichnung erscheinenden Zelt-
dächer von weissem Zinkblech durch ganz unpassende occidentale Bedachungen
ersetzte und den ursprünglichen Bau (s. Plan 111, XVlll. Kap.) durch einige Zutaten
noch mehr entstellte. Der unverständige Restaurationseifer versündigte sich aber
nicht allein an dem Bau, sondern auch an dem weissmarmornen Sarkophag,
in dem König Radoslav die früher zu Studenica bewahrten Gebeine seines Vaters
Stefan Nemanja, des Gründers der ersten serbischen Dynastie, beigesetzt. Die
reich skulptierte obere Platte wurde einiger Risse wegen zerstört und eine neue
inschriftlose trat an ihre Stelle. Unter Schutt und Gerumpel fand ich ihre Bruch-
stücke, bunt gemengt mit jenen eines alten Taufbeckens. Ich empfahl diese
Reste dem Schutze des Mannes, dem die Ehre von Zicas besser gemeinter als
gelungener Restauration gebührt, dem seit 1854 vom Sabacer auf den Stuhl des
hl. Sava gelangten Joanikije, Bischof von Uzice.
Zu Joanikijes Entlastung sei hier bemerkt, dass die damaligen Belgrader
Bureaukraten ebensowenig das richtige Verständnis für stilgemässe Renovierung
alter Monumente besassen, ja an Opferfreudigkeit ihm sehr nachstanden. Die
Kostenvoranschläge der Architekten für den Aufbau der Zicaer Kirche erschreckten
derartig, dass sie glücklich waren, als Bischof Joanikije sich erbot, die in Ruinen
liegende Kirche, in welcher nur einmal im Jahre Gottesdienst gehalten wurde und
deren Chor ein Bretterdach notdürftig schützte, auf eigene Kosten „wie immer"
vor gänzlichem Untergang zu retten. Dieses „wie immer" war wohl ein Fehler,
an dem aber die damalige Regierung mindestens gleiche Schuld trug wie der
opferwillige Geistliche.
Von der inneren Ausstattung der Zicaer Kirche sind erwähnenswert der ihr
von Joanikije gewidmete marmorne .Altartisch und das aus Russland gespendete
reiche Tabernakel in Tempelforni, zur Aufbewahrung des konsekrierten Brotes.
Die älteren, glücklicherweise nicht erneuerten Fresken boten mir erwünschte
Gelegenheit, meine Studien über altserbische Malerei zu ergänzen.
Bekanntlich entstand auf dem Athos unter Panselinos im XI. Jahrhundert
eine Hochschule für orthodoxe Malerei, in der Jünger gebildet wurden, welche
die Kirchen von Kares bis zur adriatischen Küste, von Salonik bis zur Newa
Von CaCak über Kraljevo, Zica nach Sdiiknica. 7
mit Biltiern hcdeckten. Scluiler des durch seine Fresken im Protaton zu Kares
berühmten Malers Pansclinos schmückten auch die serbisciien Monumente mit
1-resken. Sie rühren aus verschiedenen Jahrluinderten her, sind sich aber trotzdem
untereinander ähnlich und können bei Vergleichen mit den Bildern in Griechenland
oder Russland ihre gemeinsame Mutter, die Schule von Kares, nicht verleugnen.
So erscheint die Himmeilalirl Maria zu Zica von einer solchen in Stuclenica
ZI CA. Marniorreste eines allen raudieckcns und Grabes.
beinahe abgeschrieben, und beide zeigen wieder grosse Ähnlichkeit mit derselben
Darstellung auf der Rückseite des Bildes „unserer lieben Frau vom Don" in der
Kathedrale zu Moskau, abgebildet in den „Drevnosti rusiceskago gosudarstva'.
Entgegen aber der Mitteilung Didrons über die stets gleiche, sklavisch befolgte
räumHche Anordnung der einzelnen Bilder in den griechischen, makedonischen
und thessalischen Kirchen, fand ich in jenen Serbiens eine viel freiere Bewegung.
So befindet sich das oben erwähnte Bild „Maria Himmelfahrt" zu i\t3. auf der
grossen Westwand über dem Haupteingang, in Studenica aber auf der nördlichen
über dem Seitenportal usw.
8
Von CaCak über Kraljevo, Zica nach Studcnica.
Wälirend bei der äusseren Dekorierung der serbisciien Bauten abendländische
Einflüsse, unbeengt durch Kanone und sonstige Vorschriften, sich geltend machten,
begegnete ich bei den älteren Fresken nur selten occidentalen Anklängen. Zu
diesen Ausnahmen zählt eine sehr edel gehaltene hl. Maria zu Zica, welche gegen
byzantinische Tradition das Jesuskind auf dem Arme trägt. Die Zeichnung der
serbischen Maler ist, wie ich schon in meinem, verschiedene Illustrationen aus
Zica enthaltenden Werke „Serbiens byzantinische Monumente" bemerkte, gewöhn-
lich eine streng stilisierte. Die Köpfe sind schön geformt, ihr Ausdruck ernst,
die Profile edel und bei den Königen manchmal von glücklicher Individualisierung;
bei ihnen verliert sich auch zuweilen die schematische Behandlung der Gewandung.
ZlCA. Fresken.
Die Heiligen halten meist Schriftrollen und Bücher in den Händen, mit Sentenzen
oder Auszügen aus ihrem Leben; in den Niniben sind ihre Namen eingeritzt
oder geschrieben. Oft begegnet man im einzelnen, namentlich in den Köpfen,
einer wahrhaft innerlichen Belebung, mit der Figur und Situation ganz
angemessenem Ausdruck. Der segnende Christus und die hl. Jungfrau an den
Pfeilern des Scheidbogens zu Zica zeigen Köpfe von tadelloser Zeichnung, sehr
glücklich ist auch die Haltung der klagenden Frauen auf dem Bilde der Kreuzigung
im rechten Querschiff; eine Kreuzabnahme im linken wurde leider stark zerstört.
Auch im Langschiff befinden sich Spuren figurenreicher Darstellungen, ebenso in
den Pendentifs der Kapelleneingänge. Sehr gelungen ist das erwähnte figurenreiche
Bild der „Himmelfahrt Maria" auf der Westwand. Es zeigt Maria im Sarge, von
vielen Heiligen umgeben, deren Blicke sich aufwärts richten, nach einer kleinen
geflügelten Maria, emporgetragen von Christus, mit zwei Engeln zur Seite. Die
Von Cacak über Kraljevo, ^icn nach Stiidcnica. 9
Vervvunderimir ausdrückenden Köpfe der Umstehenden sind von vorzii^'licher
Cliarakteristik.
Verraten schon einige dieser Fresken abendländische Einflüsse, so möchte ich
aber das Bild im Torbogen Tympanon des grossen Westturmes ganz bestimmt
einem Maler der italienischen Schule zuschreiben. Dafür spricht die Komposition,
die Ausführung, das Kolorit und einzelne Gewandmotive der zahlreichen Figuren.
Auf dieses Votiviiild und sein, eine thronende Maria mit dem Jesuskind in einem
von Engeln, den anbetenden Hirten und hl. drei Könige umgebenen Rundfuedaillon,
zu dessen beiden Seiten reich gekleidete weltliche Personen und Heilige sich
gruppieren, werde ich im 111. Bande (XVIll. Kapitel) eingehend zurückkommen.
Die gemalten Ornamente an Gesimsen und Sockeln im Innern bestehen
aus stilisiertem Blattwerk, Guilloche, Mäandern, wellenförmigen und bei den oft
restaurierten Umrahmungen der Bilder aus barocken Verzierungen. Auf den
Mauern im Torwege des grossen Tuinies befinden sich, neben den Votivgemälden
der königlichen Stifter, zwei mit schwarzer Farbe aufgemalte Chrysobullen, welche
sich auf deren Schenkungen beziehen. Sie erschienen zuerst in P. J. äaffariks
„Denkmälern der südslavischen Literatur" im Originaltext abgedruckt; ihre von
Prof. Sandle für mich angefertigte, von Prof. Daniele durchgesehene deutsche
Uebersetzung erscheint zur Charakterisierung der sozialen Verhältnisse und
Stellung des Klerus im altserbischen Reiche gleichfalls im lli. Bande.
Ich hatte zu lica. fleissig gearbeitet. Am Abend sandte mir der Vladika,
wahrscheinlich als Zeichen seiner Anerkennung, wohlschmeckende Kirschen und
einen prächtigen Leibgürtel mit vielen ürüssen in den Han. Erstere verteilte
ich, den letzteren bewahre ich aber als Erinnerung an den beweglichen alten
Herrn, dessen Ansichten ich wohl nicht auf dem Gebiete der Kunst teilte, dessen
hochherzigen Sinn ich aber zur Nacheiferung für seine Amtsbrüder hier gern
rühme. Der 1804 zu Milandza im Uzicer Kreise geborene (1. Bd., S. 574),
1849 zum Bischof geweihte Janicije Neäkovic stiftete, nachdem er für l\ca so
grosse Opfer gebracht, 1500 Dukaten zur Herausgabe kirchlicher Bücher, in
seinem Heimatdorf eine Schule und Kirche, eine andere im benachbarten
Preradovac. Er starb 1873 und fand seine Ruhestätte im warm geliebten i\ca.
Wie hätte es seinen Lebensrest verschönt, wäre er Zeuge gewesen des Aktes,
der sich bald nach seinem Tode in der von ihm hergestellten Krönungskirche
abspielte.
Nachdem 1886 der Sitz des Bistums 2ica nach Cacak verlegt worden,
sahen nach vielen Jahrhunderten gänzlicher Vergessenheit die altehrwürdigen
Kirchenräume 1889 ein für Serbiens Geschichte denkwürdiges Ereignis, die
Salbung seines jugendlichen Königs Alexander. Selbstverständlich geschah das
Möglichste zu ihrer würdigen Ausstattung für diese Feier. Der König war am
1. Juli von Krusevac in Begleitung der Regenten Belimarkovic und Protic,
der Minister, seiner Adjutanten und eines stattlichen Banderiums im festlich
geschmückten Kraljevo eingetroffen. Tausende Landleute, darunter viele Frauen
und Kinder, die zum Teil Tagereisen gemacht hatten, um den „Mladi Kralj"
zu sehen, empfingen ihn mit höchster Begeisterung, in der hl. Geistkirche
10 Von Ca£ak über Kraljevo, Zicn nach Stiidcnica.
hielt Pfarrer Stanic, vor der Ackerbauscliule der Büri^ermeister patriotisclie
Begrüssungsreden. Das Volk strömte bis zum Abend vor die Wohnung des Königs,
der stundenlang am Fenster die ihm dargebrachten Huldigungen entgegennahm.
Am 2. Juli wurde die Salbung in der Zicaer Kirche durch den kurz zuvor
aus dem russischen Exil zurückgekehrten Metropoliten Mihail, welcher mit dem
hohen Klerus den König am Eingang empfing, mit allem Pomp vollzogen. Als
das Credo rezitiert werden sollte, hielt ein Vladika an den König eine kurze
Ansprache und fragte ihn, welchem Glauben er treu zu bleiben gedenke. Nach
der Antwort richtete der Metropolit, dem alten Brauche gemäss, an den König
die Bitte, das Credo zu rezitieren. Zwei Vladiken nahmen den König darauf an
den Händen und führten ihn vor die Ikonostasis. Dort kniete er nieder und
wurde, als er sich erhoben, nach orientalischem Ritus an der Stirn, den Schläfen
und der Oberseite der Hände gesalbt.
Während der feierlichen Handlung wurden 101 Kanonenschüsse abgefeuert.
Rechts vom König standen der Gesandte Persiani, den einzige zur Feier
erschienene auswärtige diplomatische Vertreter, die Regenten, die Minister unter
der Führung des Ministerpräsidenten Gruic und die Staatsräte; links die Jour-
nalisten mit dem „Times"-Korrespondenten an der Spitze. Die Armee war durch
je einen Abgeordneten jeder Charge vertreten, die Kreise des Landes durch je
zwei Vertreter. Ausserdem nahmen Gäste aus dem Ausland und Gesangvereine
an der Feier teil; vor dem Kloster harrte eine zahlreiche Menge des 2 '2 Stunden
langen Wagenzugs. Alles verlief in bester Ordnung ohne jede Störung. Es
folgte eine Festtafel zu Ehren des russischen Gesandten Persiani, bei welcher
der König auf den Zaren, seinen geliebten Paten, ein Hoch ausbrachte.
Die Kaiser Alexander 111., Franz Josef 1. und Wilhelm II., die Königin
Viktoria von England, König Humbert und Präsident Carnot sandten dem jungen
König Alexander telegraphisch ihre Glückwünsche. Andererseits sandte Minister-
präsident Gruic Telegramme an König Milan und die Königin Natalie, welche ihnen
die erfolgte Salbung anzeigten, was sofort durch Glückwünsche erwidert wurde.
Mit den reichen Donationen aus altserbischer Zeit verglichen, ist Zicas
heutiger Besitz geringfügig, denn er betrug 1893 an Feldern, Wiesen, Obstgärten,
Wald usw. nur 109 Hektar und wurde auf kaum 40000 d geschätzt. Da aber
ausser einer Pfarre mit fünf Orten noch drei andere Orte auf Zicas Kirche
angewiesen sind, decken die etwa 5000 d betragenden Einnahmen die Steuern
und bescheidenen Bedürfnisse des Archimandriten und seiner zwei Mönche.
Meine Aufgabe zu Zica war beendet und weiter ging es zum gleich
berühmten Studenica. Der Kraljevoer Kapetan hatte die Führung übernommen;
also fehlte es auch nicht an einem Trosse karakolierender Panduren und an
Überraschungen aller Art, welche das damals übliche, einen Tag früher auf der
ganzen Route angekündigte Erscheinen eines höheren Besuchs die gastfreund-
lichen Bauern vorbereiten liess. Strömender Regen entzog leider bald den
Kotlenik und die Krusevacer Berge unseren Blicken; selbst das niedrig hängende
Gewölke konnte aber der Kraljevoer Landschaft nicht die Wirkung ihrer
örtlichen Reize gänzlich rauben.
Von Lacak über Kraljcvo, Zica nach Stiidenica 11
Über die fetterdi^a- Höhe von Cilnikovac ritten wir SW. in ein grosses
fruchtbares Tai hinab. Seine Orte Konarevo, Bo^uitovac, durch welche wir
i<amen, sowie mehrere andere bergen salzige Quellen. Etwas östlicher sieht
man versteinerte Buchenstänmic im ibarbette. Vor dem engen Felsentor bei
Progorelica, durch welches der Ihar seine Gewässer aus Alt-Serbien der west-
lichen Morava zuliihrt, tritt die Schönheit und Üppigkeit des Pflanzenwuclises dieses
Landstrichs auffallend hervor. Neben in voller Reife prangenden Kornfeldern
sah ich Wiesen mit mannshohem, weithin duftendem Gras, dem leider die
würzigsten Teile, weil es oft monatelang des Schnitters harrt, entzogen werden.
Der Boden ist hier so reichtragend, dass man bei rationellerer Wirtschaft zuver-
lässig auf zwei, ja drei Ernten zählen dürfte. Ich gedachte der vielen Deutschen,
welche weit weg der amerikanischen Urwildnis eine neue Heimat abzuringen
suchen: was könnten diese fleissigen Arme aus der von paradiesischer Urkraft
strotzenden Ebene machen!
Im lustigen Galopp ging es vorwärts; es war die letzte freie Bewegung,
welche das vor Bogutovac beginnende bergige Terrain dieser subalpinen Region
für längere Zeit gestattete.
Wenige Stunden S. vom Kraljevoer Tertiär-Plateau schliessen sich an die
auf S. 2 genannten Gebirge der Djakovo, 2eljin, die Ploca, um mit dem
Kopaonik den höchsten Punkt zwischen Savc und Balkan zu erreichen. Die
ganze Erhebungskette konstituiert sich neben Granit, Syenitporphvr und Trachyt
vorherrschend aus Serpentin. Dem entspricht auch der Charakter der Flora, die
ernste Physiognomie der Landschaft. Öfter als bisher zeigten sich vegetationslose
Kuppen und Spitzen. Von der Lopatnica, Bresnica, Pivnica, Dubocica, Studenica,
den Radu§ und anderen reissenden Bächen durchfurchte Gehänge erschwerten
hier früher den Verkehr, und ihre sterilen Täler gewähren der spärlichen
Bevölkerung auch heute noch eine nur kümmerliche Existenz. Die Terrain- und
Vegetationsverhältnisse üben leider auf ihre Physis und Psyche traurigen Einfluss.
Vor uns lag Zamcanje, dessen Bewohner meist vom Kretinismus schwer
heimgesucht sind, wie denn Kropf und Gehirn -Atrophie in der ganzen
Ibarspalte endemisch auftreten. Auch am jenseitigen Ufer, im Kruäevacer Kreise,
kommen viele Kröpfe (guäa) vor, besonders bei Josanica und in den Tälern des
Kopaonik.
Nach vierstündigem Ritte standen wir dem von Regenwolken teilweise
eingehüllten Stolovi und der Ruine des Schlosses Maglic gegenüber. Entsprechend
seinem Namen lag nebelhaftes Grau auf seinen sieben Türmen und den sie
verbindenden Mauern; solches liegt auch auf seiner Entstehung und Geschichte.
Weder Sagen noch Volkslieder wissen etwas von Maglic zu erzählen; es hatte
wahrscheinlich die früher unten am Ibar ziehende Strasse zu sperren. Ruinen,
wenn sie nicht besonders pittoresk, bedürfen aber notwendig einer interessanten
Vergangenheit. Um ihr zerbröckelndes Gemäuer müssen die Tradition und
anziehende Sagen weben, sollen sie uns festhalten. Ich zog an dem wahr-
scheinlich auf römischen Rudimenten entstandenen mittelalterlichen Feudalbau
unbewegt vorüber, begnügte mich, ihn zu skizzieren, es Nachfolgern überlassend,
12
\'oii Cacak über Kraljevo. Zicn nach Stiidcnica.
diese und eine andere Befestigung NW. bei StanCa, an der oberen Lnpatnica,
ausführlich zu beschreiben.
Im Lichte des ersten Sonnenstrahls, der sich durch das zerrissene Gewöike
Bahn brach, ringeHen sich die blauen Rauchsäulen des nahen Dorfes Maglic
als „gut Wetter" verkündende Zeichen lustig empor. Einen Augenblick, dann
gedeckt durch „Segler der Lüfte", wieder erscheinend, etwas länger andauernd,
endlich siegreich vorbrechend und die ganze südliche Landschaft mit Licht
überströmend, erquickte das Himmelsgestirn zur rechten Zeit das beengte Gemüt.
Bald fand ich auch, dass gute, gastfreundliche Menschen den breiten Talsporn
Schloss Maglic am Ibar.
bewohnen, welcher die Maglicer Berge trennt. Unter einer schattigen Eiche
fanden wir den nassen Rasen mit Teppichen überdeckt und Erfrischungen vor-
bereitet. Guter Rakija, dem wir abwechselnd mit Wein zusprachen, vertrat die
Stelle wärmender Suppe, die nahe fischreiche Dubocica lieferte köstliche Forellen
zum Mahle; Eier und Käse waren die begleitenden Vor- und Nachgerichte.
Ich konnte es mir nicht versagen, einen Blick in das Haus des Kmeten,
des reichsten Mannes von Maglic, zu werfen und lade den Leser ein, mir zu
folgen in den grossen Raum, Stube kann man ihn wohl nicht nennen, denn er
ist zugleich Küche und Vorratskammer. Besser als jede Schilderung spricht
seine treue Abbildung für die Genügsamkeit dieser armen Gebirgsbewohner,
welche von Fischfang und Schnitzen hölzerner Gefässe, insbesondere bauchiger
Branntweinflaschen (cuture), leben; auch zeigt sie die Stufe, welche die guten
Von CnCak ülxi Kraljevo, Zii^a nach Studenica. 15
Leute auf der Leiter sozialen Erdenvvaliens einnehmen. Und doch sind diese
Menschen glücklich und lieben die sterile Scholle, auf der sie das Schicksal
lieberen werden Hess. Bei Guslespiel singen sie von der einstigen Grösse ihres
Vaterlandes und seinem künftigen Glänze!
Maglic bildet den südlichsten Punkt des . Kraljevoer Bezirks auf dem
linken Ibarufer; der Kapelan verabschiedete sich, liess aber einige Pandurcn zu
unserer Begleitung zurück. Hier bog unser Weg nach Studenica westlich vom
Ibar ab. Ein schmaler, über nacktes Gestein aufwärts strebender Pfad führt in
einer Stunde auf den Pass, welcher das Maglicer Tal mit dem Dubocicaer
verbindet. Ich blickte zurück auf die geschlängelte tiefe Furche, welche der durch
viele Zuflüsse verstärkte Ibar in das mächtige Serpentinmassiv sich grub. Die
IJferhänge fallen grossenteils steil ab und ihre Verrückbarkeit erschwerte den
Bau der lange geplanten Strasse, welche den Verkehr zwischen dem Distrikte
Novi Pazar und dem mittleren Moravabecken erleichtern sollte. Erst im Jahre 1875
schritt mein Begleiter Klinar an ihre Tracierung und 1881 mit den Ingenieuren
Vujic, Kiko und Cvetkovic an ihre fünf Jahre dauernde Ausführung, welche
1 177 580 d — den Kuluk ungerechnet — kostete. Die 8fi km lange Strasse
schmiegt sich, bis auf eine kleine Strecke, dem linken Ibarufer an und musste
grossenteils durch mühsame Sprengungen gewonnen werden; so durch den
schwierigen Einschnitt im Glimmerschiefer bei Lakat, durch die Jagnjilohöhe
hinter Polumir und die 60 m hohen Granitfelsen bei Brvenik, wo sich auch
die grösste der 22 Brücken befindet. Sie ist 97 m lang mit drei Öffnungen.
Zur Versicherung der Ufer bedurfte es an zwei Punkten 600 m langer Stützmauern.
Die technische Durchführung gereicht den beteiligten Ingenieuren zu hoher Ehre;
es ist ein wahrer Kunstbau, der bequem ini Phaetoii befahren werden kann. Die
Trace ist äusserst sanft, die Kurven sind gut entwickelt, und die grösste Steigung
an der Raduäka bei Vodice beträgt 6: 100 m.
Beim Rückblick durch das im tiefen Schatten liegende Pilone des Sto-
uiui Tniak-Felsentores leuchtete fern ein in Sonnengold getauchter Streif, die
Kraljevoer Ebene, auf, die ich in ihrer ganzen Pracht zuerst vom hohen Kablar
erblickt hatte, nach langem Intervall bei Krusevac wieder sehen sollte. Ein
Scheidcgruss dem gastlichen Maglic, ein Blick noch auf sein stummes Schloss-
gemäuer und hinab ging es auf abschüssigem Kletterweg zum tief unten liegenden
Dubocica. Wir machten die Partie zu Fusse, um unsere ermatteten Tiere zu
schonen, denn noch wartete ihrer harte Arbeit. Nach kurzer Rast ging es bei
Bresnik über den Sattel „Piljakov Sanac" (1280 m) des 1528 m hohen Djakovo,
dessen Osthang ein Buchenwald von seltener Pracht bedeckt. Obgleich die
nördlicheren Gebirge des Kreises, namentlich die Stolovi und Kobasica, prächtige
Stände von Eichen, Weissbuchen, Eschen, Birken, Ahornen usw. zeigen, trat ich
nun erst in den waldreichsten, auch Koniferen bergenden Teil des Landes. Nur
in Montenegro, wo seine Bergmauern bei Stanjevic steil zum Kattarogolf
abfallen, und in Tharandts berühmten „heiligen Hallen" erinnere ich mich, ähnliche
majestätische Buchen gesehen zu haben. Ihr prächtig ineinandergreifendes Ast-,
Zweig- und Laubwerk mahnte lebhaft an die Pfeiler, Rippen und Blätterhündel
1(5 Von Cacak iihcr Krnljevo, Zica nach Studenica.
gotischer Dome; im Sciiattcn der hochwipfiigen Kronen entfaltete sicii aber eine
reiclie Flora als bunter Mosaik-Estrich des grünen Natiirdonies. Unsere Ausrufe
der Bewunderung gingen in weithallende Melodien über; wohl zum erstenmal
ertönten deutsche Lieder in diesem serbischen Waldmünster. Langsamen Schrittes
durchzogen wir dasselbe und erquickten uns an seinen „Weihbrunnen", den
köstlich mundenden Silberquellen in geheimnisvollen Verstecken.
Docli Serbien ist nicht ganz und gar das Land süsser Träumereien, auch
kennt man in seinen „heiligen Hallen" die Rache wohl! Noch ist es nicht lange
her, da glich die Menschenbrust dort seinem Boden voll ungebändigter Urkraft.
Die Gegensätze menschlichen Begehrens, der Kampf der Leidenschaften war unter
der Türkenherrschaft mehr durch Gewalt als durch weise, sänftigende Gesetze
niedergehalten worden. Mit der Entfernung des jahrhundertelang lastenden Druckes
schössen sie empor; während der Befreiungskriege und nach denselben hatte der
unparteiische Chronist neben Zügen patriotischer Hingebung auch Fälle rohester
Willkür zu verzeichnen.
Es war zur Zeit des ersten Milos-Regiments, da zogen zwei Männer den-
selben Weg. Sie hatten aber kein Auge für des Waldes Pracht; das Gefühl
tiefer Trauer beherrschte ihre Seele, denn sie mussten ins Exil. Dicht hinter
ihnen ritten finster blickende Männer, ihre Eskorte, Milos' Momken. An der
künstlich aufgeworfenen, rasenbedeckten Stelle, an welcher wir auf den Wink des
vorausziehenden Panduren unsere Pferde anhielten, fiel damals ein Schuss, und
einer der beiden Exilierten war des grössten Schmerzes ledig — er durfte sein
Vaterland nicht mehr verlassen! Des Weges ziehende Bauern fanden den Leich-
nam und betteten ihn im prächtigen Buchendom, in heimatlicher Erde. Welch
Schicksal seinen Leidensgefährten ereilte? Unser Erzähler schwieg. Doch wer
weiss es nicht, im Krieg und Bürgerzwist wiegen Menschenleben leicht! Vorbei!
Noch ^war der wechselvolle Tag nicht an Ueberraschungen erschöpft; neue
Eindrücke harrten unser auf der Südseite des Berges. Wir hatten den Djakovo
kaum überstiegen, da tat sich ein weites, von buntesten Abendtinten übergossenes
Panorama vor uns auf, das, mit dem höchsten serbischen Berge Kopaonik
beginnend, in weit hintereinander sich aufbauenden Ketten die türkischen Gebirge bis
zum klassischen Hämus vor uns aufrollte. Dem sonnig angestrahlten Linienspiel
in der Ferne lieh die sterile, in Abendschatten gehüllte Landschaft im Vorgrunde
Kontrast und Folie. Der Aug' und Herz erfreuende blumengeschmückte Rasen
verschwand hier, losgewaschenes, in mächtige Blöcke geborstenes Gestein trat
an seine Stelle, und struppiges, düsteres Nadelholz, das erste, welches ich in
Serbien erblickte, drückte dem Südhange des Djakovo und der sich anschliessenden,
viel zerklüfteten Hochebene, mit gleichnamiger ärmlicher Ansiedelung, ein unsere
früher empfangenen Eindrücke gänzlich umstimmendes melancholisches Gepräge
auf. Wenn im Wechsel der Gegensätze der höchste Reiz für die jeder Monotonie
feindliche occidentale Menschenseele liegt, so empfand ich ihn wahrlich an jenem
Tage in überschwenglichem Masse.
Gerne hätte ich die rauhe Einöde, eine der wildromantischsten Landschaften
auf meinen Kreuz- und Querzügen durch Serbien, skizziert, doch unser Führer
Von Ca^ak über Kraljevo, iiia nach Studenica. 1 7
mahnte wegen des vorgerückten Abends zur Eile; so zogen wir an den schönen
Motiven eines i<ieinen Wasserfalles, einer pittoresken Mühle iintl am hnchliegcnden
Brunnen von Djakovo (692 m), den rauhes, fremdartiges Hirtenvolk umlagerte,
beschleunigten Schrittes vorüber. Bei Mondschein ging es durch die rauschende
Studenica. Auf ihrem rechten Ufer erheilte der Feuerschein eines Zigeunerlagers
unseren Pfad. Über den Wipfeln hoher Baumgruppen hoben sich bald darauf die
dunklen Umrisse einer Kuppel vom Horizont ab. Nach einstündigem Ritte durcii
das langgedehnte Klostergut kamen wir endlich um 9 Uhr abends an das ersehnte
Ziel, zum 160 m tiefer liegenden Studenica.
Von sechzehn Stunden hatten wir zwölf, Höhen auf- und abklimmend,
grösstenteils im Sattel zugebracht. Ermüdet und deshalb wenig gelaunt, mit dem
Archimandriten in so später Stunde noch Komplimente zu tauschen, zogen wir
es vor, in der leidlich guten Mehana uns nach Möglichkeit einzurichten. Die
aus dem Kloster gesandte Einladung zur Übersiedelung änderte nichts an dem
gefassten Beschluss. Der Mehandzija setzte uns am Spiesse gebratene „Lipen"
vor. „Fische zum Frühstück, zu Mittag und zum Abendbrot!" lamentierten wir
im Chore. Diese kleinen „Lipen" schmeckten jedoch besser wie Forellen; ein
trefflicher Säuerling von einer nahe dem Kloster entspringenden Quelle würzte
den prächtigen, aus seinen Rebengärten gewonnenen Wein, und erquickt schritt
ich zur Ordnung meiner Notizen.
Das einst stark befestigte, wahrscheinlich auf einem Römerkastell erbaute
Studenica ist von Stefan Nemanja, dem glorreichen Ahnherrn der gleichnamigen
Dynastie, in einem romantischen Gebirgskessel (405 m), zur Verherrlichung der
„allerseligsten Gottesgebärerin" gestiftet. Nachdem Stefan dem Throne 1195
entsagt hatte, lebte er hier zwei Jahre und starb 1200 als Mönch auf dem Athos.
Sein Sohn, der hl. Sava, auf einer Freske „hochwürdiger Erzbischof vom ganzen
serbischen Lande und von den Meeresküsten" genannt, Hess 1203 die Gebeine
seines Vaters nach Studenica übertragen und versöhnte während dieser, mit
grossem Pompe vollzogenen Feier seine Brüder Vukan, Herzog der Zeta, mit
Stefan 1. „Prvovencani", welchen der erstere, unterstützt durch König Slcfah V.
von Ungarn, entthront hatte.
Die „Carska Lavra" ist heute noch das grösste, prächtigste und reichste
Kloster des Landes. Seine 1172 aus Marmorquadern erbaute „Maria Himmel-
fahrt"-Hauptkirche zeigt schon in der organischen Anlage und reizvollen Durch-
bildung des Grundrisses eine höchst interessante Verbindung der römischen
Basilika mit dem byzantinischen Zentralbau und bietet auch sonst ein lehrreiches
Beispiel occidentalen Einflusses auf die altserbische Architektur. Der westliche
schlechte Anbau, welcher die in die Kirche einbezogene alte Stirnfassade am
Giebel stark beschädigte, rührt aus neuerer Zeit von cincarischen Meistern her. Von
den drei östlichen, rund abgeschlossenen Altarräumen ist der mittlere bedeutend
breiter und das durch die Ikonostasis von diesen getrennte Hauptschiff durch einen
reich gegliederten Eingang mit dem Narthex verbunden; N. und S. von der
Vierung öffnen sich Querschiffe von geringer Tiefe und Höhe. Die Fassaden sind
in romanischer Weise mit Lisenen und Bogenfriesen dekoriert und die oktogonale,
F. KANITZ, Serbien II. -
18
Von Catnk über Kraljevo, Ziöa nach Stiidcnica.
Stark restaurierte Kuppel mit baroci<en Ornamenten bemalt. Das lini<sseitige Portal
erscheint ganz einfacii gegliedert und ohne alle Verzierung, ebenso das Fenster
der linken Seitenapside im Gegensatze zum reichen rechtsseitigen Portal und
dem Fenster der rechten Seitenapside. Weit mehr zeigt noch das Haupttor der
Stirnfassade spätere Eingriffe in den Plan des ersten Architekten; denn es steht
nicht nur ausser allem Verhältnis zu ihrer Breite, sondern erscheint geradezu
an ihre mittleren Lisenen geklebt. Der ursprünglich beabsichtigten spärlicheren
Dekoration entspricht der kleine Eingang mehr als der grosse Portalüberbau, denn
STUDENICA. Orimdriss der alten Kirche.
er harmoniert besser mit den einfach profilierten Rundbogen der durch Säulen
geteilten beiden Fenster, welche der reich geschmückte Portalbogen beinahe berührt.
Die Stirnfassade besitzt gewissermassen zwei Portale. Das Tympanon des
kleinen eigentlichen Eingangs enthält nur ein Doppelkreuz und einfache Ornamente
von vertiefter Arbeit; die glatten Pfeiler und seinen Bogen umschliesst aber eine
zweite, reichverzierte Umrahmung, welche an jene der um das Jahr 1000 gegründeten
griechischen Abtei „Grotta ferrata" im Sabinergebirge bei Rom mahnt. Wie dort,
sehen wir in den Füllungen des Rahmens zarteste Arabesken und Blumengewinde
und im Querbalken Tiere zwischen Rankenverzierungen en relief; die dem kleinen
Eingang zugewendeten beiden Langseiten der Pfeiler zeigen die zwölf Apostel
/,
=/
mm^
STUDENICA Hauptportal.
Von Caiak über Kraljevo, iiia nach Sliidcnica. '21
gleichfalls in erhabener Arbeit. Diesen quadratischen Rahmen schliessen sich
wohlgegliedcrte Pfeiler, Halbsäiilcn inid von Löwen getra<;enc Vollsiiulen an,
deren korinthisciic, weni^^ stilisierte Kapitale eine mit Akanthusblatt gezierte
Gesimsleiste tragen; auf ihrer Platte ruhen die ein wenig hufeisenfürmig geformten
Bogen, von welchen die zwei innersten mit Akanthusblatt verziert und gleich dem
Tympanon, welches sie umrahmen, bemalt sind. Letzteres zeigt einen thronenden
Christus mit zwei anbetenden Engeln in streng byzantinischer Auffassung, die
Nimben sind mit im Kreise laufenden Akanthusblättern gefüllt. Dieses Relief,
eines der wenigen figurengezierten in Serbien, scheint von einem alleren Baue
herzurühren und ward von den Türken stark beschädigt. Der unverhaltnismässig
grosse äussere Bogen wird von zwei phantastisch geflügelten Tieren getragen,
deren Plinthen auf zwei freistehenden Säulen ruhen. Den Mittelpunkt seiner
Dekoration bildet ein Tierkopf, aus dessen Rachen Ornamentranken hervorgehen,
in welchen zentaurenartige Bogenschützen Löwen und andere Tiere jagen. Das
Ganze atmet Leben und Bewegung und wetteifert, obschon stilistisch behandelt,
gleich allen übrigen Skulpturen, Oi der technischen Durchführung mit den schönen
Marmorarbeiten zu St. Ambrogio in Mailand. Das Gleiche gilt von dem durch
zwei Säulen geteilten Fenster der grossen Apsis, welches, dem der Panagia
Nicodimo zu Athen ähnlich, in seiner Umrahmung einen lebendigen Wechsel von
Ornamenten, Blumen und Tieren, darunter einzelne Zeichen des Zodiakus, zeigt.
Neben dem reichverzierten unteren Querbalken sind zwei verstümmelte Konsolen
eingelassen, die wahrscheinlich eine Mönchs- und Tiergestalt darstellten. Weniger
rein, ja oft roh, ist das Detail des mit spiralförmig gewundenen, kannelierten
und sonst reich verzierten Säulen und Bogen ausgestatteten Südportals.
Die alten Fresken im Innern der Kirche sind grösstenteils zerstört und
wurden bei der vor etwa fünfzig Jahren erfolgten Restaurierung der Kirche teil-
weise durch neue ersetzt, welche in Anordnung und im Detail den ursprünglichen
Resten nachgebildet erscheinen; auch von ihnen gilt, was ich schon bei 2ica
über die serbischen Fresken äusserte. In „Serbiens byzantinische Monumente"
beschrieb ich die malerische Ausstattung der Kirche, als Beispiel der in Serbien
durchschnittlich eingehaltenen Anordnung der Bilder, die auch eine Vergleichung
mit der im ..Handbuch der Malerei vom Berge Athos" vorgeschriebenen gestattet.
Besondere Erwähnung verdienen, ihrer trefflichen Ausführung wegen, im Narthe.x-
Tympanon eine Maria mit dem Kinde, darüber auf der Waiulfläche die leider
sehr beschädigte Darstellung des Weltgerichts, in der nur noch oben eine von
Aposteln oder Heiligen umgebene Weltkugel in Wolken, unten vier herabfliegende
Engel mit Posaunen und andere mit dem Kreuze und heiligen Marterwerkzeugen zu
erkennen sind. Auf der Scitenwand rechts kniet der hl. Sava vor der thronenden
Jungfrau mit dem Kinde; neben ihr erscheinen in besonderen Feldern die Heiligen
Markus und Onofrius, letzterer mit bis auf die Erde reichendem weissen Barte in
härenem Gewände, ferner Peter von Atona, nackt mit Schürze und Aleksi. Auf
der Rückwand im Narthex sieht man (sehr verwischt) rechts: das hl. Abendmahl,
darüber Christus vor Pilatus, in noch höherem Felde eine Gruppe von Heiligen,
über diesen mehrere E!ngel. Auf der Wand, gegenüber der Ikonostas, befindet
22
Von Caiak über Kinljevo, Zita nach Studenica.
sich ein jj;rosses Bild: Christus am Kreuze mit Maria, den klagenden Frauen und
dem hl. Johannes; in den Wolken schweben kleine Engel. Über dem Sarkophag
des hl. Simeon zeigt ein Votivbild denselben (?) mit einer Kirche auf dem Arme,
von der hl. Jungfrau geführt, vor Christus tretend. Von grossen Bildern sind
noch zu nennen auf der rechten Wand: Christi Geburt mit den hl. drei Königen,
auf der linken: Maria Verklärung; am Bogen, gegenüber der Ikonostas: Christi
Verklärung mit Elias und Moses auf einem Gebirge. In den Sendentifs erscheinen
die vier Evangelisten; im Kuppcltambour, zwischen den Fenstern, die zwölf Apostel,
"4\
STUDENICA. Apostelfiguren und Clmr.-ipsidenfenster.
Über diesen die Heiligen des alten Bundes und in der Wölbung der von Engeln
umgebene thronende Pantokrator, die Weltkugel haltend; den grossen Schneid-
bogen zieren die Bilder der Heiligen: Simeon, Sava, Lazar und Stefan. Die Apsis
zeigt von grösseren Darstellungen die hl. Jungfrau mit dem Jesuskind und zwei
Engeln, darüber Christus an einem Tische sitzend mit den zwölf Aposteln.
Die das Sanktuarium von den übrigen Kirchenräumen abschliessende
Ikonostasis wurde in Studenica in alter Pracht erneuert; von ihren drei Eingängen
ist, wie in allen orientalischen Kirchen, der mittlere, die „carske dveri" (Kaisertor),
ausschliesslich dem zelebrierenden Priester vorbehalten; für die Diakone und Djaci
(geistliche Schüler) sind die Seitenpforten bestimmt. Das Kaisertor ist mit durch-
brochenen, vergoldeten Arabesken verziert; hinter demselben hängt ein purpurner,
Von CaCak über Kraljcvo, 2ica nach Stiidenica 'JM
reich gestickter Vorhang. In frühbyzantinischer Zeit waren diese Eingänge monu-
mental gehalten. In der Panagia Nikodimo zu Athen bestanden die Türpfeiler aus
Marmorsäulen mit Architraven aus gleichem Material. In der Demetriuskirche zu
Smyrna sind die sechs Säulen der Eingänge aus schönem Marmor, ihre Kapitale
und Basen aus massivem Silber. Zu Hilandar auf dem Athos wird noch heute
ein in Gold und Silber reich gestickter seidener Vorhang bewahrt, der dem Kloster
von der serbischen Nonne Euphcmia, Tochter des Cesaren Voichna und Witwe
des Despoten Ugljesa, 1399 geschenkt wurde. Die Hauptfelder neben dem
Königstor der Ikonostasis zu Studenica werden von den grossen Bildern des
Erlösers und der hl. Jungfrau eingenommen. Die übrigen Räume der zwei Dritt-
teile der Schiffshöhe erreichenden Scheidewand sind mit Bildern der Heiligen
in vergoldeten Umrahmungen bedeckt.
Die Ambo, das Vorlese- oder Singpult, schon in den ersten Jahrhunderten
bei den griechischen Christen eingeführt, befindet sich zu Studenica vor der
Ikonostasis, in der Mitte des Schiffes, genau unter der Kuppel; sie ist rund und
hat zwei Stufen. Der Diakon betritt die Ambo, wenn er dem Volke vorbetet
oder das Evangelium vorliest; der Zelebrant, wenn er ihm den Segen erteilt.
Solche reiche Ambonen, wie die aus der Sophienkirche nach St. Markus zu
Venedig übertragene, oder wie jene in den neueren griechischen Kirchen zu
Konstantinopel, Smyrna u. a. 0., deren Pulte oft aus einem reichvergoldeten Adler
oder aus den Symbolen der vier Evangelisten bestehen, fehlen in den serbischen
Kirchen, und ebenso die reichverzierten Tische mit von vier Säulen getragenem
Dache, auf welchen die Heiligenbilder ausgestellt werden.
Auch die Einrichtung des Sanktuariums ist zu Studenica sehr einfach. Der
Apsis entlang läuft eine Steinbank, deren Lehne die Mauer bildet, unter dem
Mittelfenster erhebt sich ein nur etwas höherer, sonst gleichfalls schmuckloser
Sitz für den Archimandriten. Die Sitze im Sanktuarium der Aya Sophia sollen
von gleicher Anordnung, aber aus vergoldetem Silber gewesen sein. Bei der
Schilderung ihres Altars ruft ein altbyzantinischer Chronist aus: „Wer könnte den
Glanz der Farben, den Refle.x der Saphire und der Metalle lange ertragen!"
Seine ursprüngliche Form war nach einem Manuskript der Pariser Bibliothek
und nach den Fresken in der Markuskirche zu Venedig jene eines Tisches mit
vier, eine kreuzgezierte Kuppel tragenden Säulen. Von dieser so reichen Aus-
stattung orientalischer Altäre ist in den serbischen Kirchen und auch zu Studenica
nichts als der einfache Unterbau geblieben, nur das bewegliche Inventar ist kostbar.
Auf dem Altar steht eine Art Tabernakel mit konsekriertem Brot, ein mit Rubinen
und Smaragden besetztes Kreuz mit eingelegten reizenden Holzschnitzereien aus
dem Leben der Heiligen, ein Evangelienbuch und drei Leuchter. Alle diese
Gegenstände sind aus Gold und Silber, reich verziert und grösstenteils russische
Geschenke.
Die Studenicaer Kirche bewahrt auch die heiligste Reliquie des Landes; die
Gebeine des unter seinem Mönchsnamen „Simeon" heilig gesprochenen Stefan
„Prvovencani"; durch seinen Sohn Radoslav aus dem im Hauptschiff rechts vom
Eingang befindlichen ursprünglichen marmornen Sarkophag nach 2ica übertragen.
24 Von Cacak über Kraljcvo. Zica nach Studenica.
wurden sie später zurückgebracht. Nach erneuten Wanderungen zu Beginn des
vorigen Jaiirhunderts (I. Bd., S. 35]) ruhen sie nun in einem vor der li<onostasis
stehenden, mit Ebenholz und Perhnutter ausgelegten alten Sarge. Am Tage des
Heiligen (13. Febr.) wird er geöffnet und das Volk zum Kusse der entblössten
Stirne zugelassen. Der Körper ist gegen jede Profanierung durch eine Umhüllung
geschützt, welche das Siegel des hl. Sava schliesst, und überdies mit prachtvollen
liturgischen Gewändern bekleidet. Das auf der Brust des Heiligen liegende Kreuz
steht beim Volke in höchster Verehrung, denn es soll einen Splitter vom Kreuze
des Erlösers enthalten. Die Gnade, Kopf und Kreuz des Heiligen küssen zu
dürfen, erwidert man mit einer Spende für das Kloster. Zwei reichgestickte Decken,
von Jelena, Gemahlin des Karadjordje Petrovic, zieren den Sarg; Fürst Alexander
Karadjordjevic hielt ihn zu wenig würdig für den kostbaren, dem Serbenvolk so
teueren Inhalt und liess zu Wien für 1500 Dukaten eine prachtvolle Umhüllung
anfertigen, geziert mit den Hauptmomenten aus dem Leben des Heiligen und dem
altserbischen Wappen in silbergetriebenen Reliefs. Das sehr reich ornamentierte
Kissen wurde von den Frauen der fürstlichen Familie kunstvoll gestickt.
Studenica erfreute sich stets der grössten Freigebigkeit seitens der serbischen
Fürsten, des Episkopats und des Volkes bis herab auf die letzte Zeit. Zahlreiche
Schenkungen bereicherten es, und sein in der nördlichen Kapelle des Anbaues
bewahrter Kirchenschatz zeigt, dass es in schlimmsten Tagen selbst von den
jenseits der Save wohnenden Serben in hohen Ehren gehalten wurde. Ausser
einigen altbyzantinischen Evangeliendecken sah ich Kirchengewänder, welche vom
hl. Sava herrühren sollen, ihren Ornamenten nach aber aus viel späterer Zeit, dann
zwei silberne Ripiden vom J. 1637, ein Weihrauchfass vom J. 1701, ein golddurch-
webtes, für den Sarg des hl. Sinieon bestimmtes Leintuch von der Sultanin Mileva
(Olivera), Tochter des Fürsten Lazar, mit einer zwischen goldenem Rankenwerk
gleich in den Stoff eingewebten tü-'kischen Inschrift, und ein zweites, gestiftet
1747 zu Karlovic in Syrmien, durch Arsen, den vierten rechtgläubigen Erzbischof
von Pec (Ipek) und „Patriarchen von ganz illyrisch Serbien", wegen seiner reichen,
in Gold, Silber und grünem Samt gewebten und gestickten Ausführung besonders
hervorzuheben, im Kirchenschatz wird ein interessantes kleines Dyptichon
aufbewahrt, das auf einem Flügel die hl. Dreieinigkeit mit drei Gesichtern auf
einem Körper, umgeben von geflügelten Seraphinen, zeigt. Es ist dies die zuerst
im Occident aufgetauchte Darstellung mit vier Augen, drei Nasen und gleich vielen
Mundüffnungen, welche 1628 von Papst Urban VIII. und 1745 von Benedikt XIV.
anathematisiert, trotzdem stark verbreitet und im Orient nachgeahmt wurde. Die
hl. Dreieinigkeit wird von Malern der orthodoxen Kirche auch durch Gott
Vater, Sohn und hl. Geist in Gestalt einer Taube dargestellt. Von Bildern des
oben charakterisierten verpönten Typus sind bisher nur bekannt eine von Didron ')
auf dem Berge Athos im hl. Gregoriuskloster gesehene Freske aus dem
Jahre 1736, ein von Panta Sreckovic'-) in der Muttergotteskirche bei Matejic in
») Manuel d'lconograpliie etc.
«) Brastvo 11, 131
Vnn Cacak über Krnljevo, Zica nach Stiidenica. 25
Altserbien auf einer Säule gefundenes mit der Aufschrift „Tristaja", wahrscheinlich
aus dein XIV. Jahrh., und ein aus der Backa nach Cerevic in Syrniien
übertragenes 38 cm langes und 30 cm breites, aus dem 18. Jahrh. Der Vll. Band
des „Starinar" bringt eine ausführliche Beschreibung der Altertümer Studenicas
vom Bischof Nikanor. '
Durch den späteren Zubau gelangte ein früher vor der Kirche freistehender
Taufbrunnen von weissem Marmor und sehr schöner Arbeit in die Kirciie. Leider
sind von demselben nur die Säulenbasen der Baldachinlräger erhalten, welche
seinen oktogonalen Grundriss bezeugen: das kleine marmorne Taufbecken rührt
aus späterer Zeit her und wird gegenwärtig zur Aufbewahrung des am hl. Ürei-
königstag geweihten Wassers benutzt, das als Heilmittel an Landleute verteilt
wird, „wenn ihnen die Augen oder andere Gebrechen weh tun". Früher, solange
die Gebeine des hl. Königs im steinernen Sarge ruhten, entquoll ihnen „heiliges
Oel", das in drei Tiegeln aufgefangen wurde, um das Volk mit demselben
an grossen Feiertagen zu salben. Besondere Verehrung geniesst ein kunstvoll
gearbeitetes, reich verziertes Bild, das der hl. Nemanja auf der Brust getragen
haben soll, wenn er auf dem hl. Atlios predigte.
Westlich von der grossen Kirche steht im Hofraum die nach einer Inschrift
(1314) von Milutin Stefan Uros dem hl. Joakini und der hl. Anna erbaiite
„Kraljevska crkva". Aussen und innen vielfach restauriert, sind demungeachtet ihre
schönen architektonischen Verhältnisse erkennbar. Es ist ein strenger Zentralbau
mit oktogoner, etwas schwerer Kuppel und drei Apsiden an der Ostseite, von
welchen die mittlere grösste durch ein gekuppeltes Fenster erleuchtet wird. Die
Tanibourseiten werden durch Bogen tragende Säulchen getrennt und von sehr
schmalen, hohen Fenstern durchschnitten. Das Innere ist durchweg mit Bildern
al fresco geschmückt. Ein noch kleinerer, schmuckloser, oblonger, dem hl. Nikolaus
geweihter Bau mit runder Altarapside nahe der Hauptkirche gilt als ältester
Teil des Klosters, in dem bis zur Vollendung seiner grossen Kirche der Gottes-
dienst abgehalten wurde.
Selbstverständlich fehlt es auch zu Stiidenica nicht an einer Höhle, in
welcher der hl. Sava fastete. In ihrem, 1 St. westlich vom Kloster liegenden Sv. .
„Isposnica"-Kirchlein befanden sich nach der Sage kostbare Manuskripte, welche,
als die Türken 1813 das Kloster teilweise verbrannten, der letzte flüchtende
Mönch Sofronije vernichtete, um sie vor moslimischer Profanation zu bewahren.
Noch höher liegt die dem hl. Georg geweihte „Einsiedlerkapelle" des hl. Sava.
Viele mittelalterliche Kirchen in Studenicas Umgebung, zu Godovic, Zeleznica,
Dolac, Trnava, Rzana, Brezova u. a. 0. — es sollen in allem 31 sein • besitzen
grosse Ähnlichkeit mit den geschilderten kleinen Bauten zwischen dem Kablar
und Ovcar (I. Bd., S. 536), doch wie beispielsweise die Klosterkirche Voljavca,
welche 1050 begründet worden sein soll (?), besitzen sie meist nur geringes
kunsthistorisches Interesse.
Studenicas Archimandrit bewohnt ein im türkischen Stile eingerichtetes
Häuschen neben dem schmucklosen Glockenturm, und gleich bescheiden sind die
Zellen der Mönche in den benachbarten älteren Baulichkeilen. Ein 1839 beendigter
26 Von Cacak über Krnljevo, Zica nach Stiidcnica.
einstöckiger Bau mit Galerien, für die übernachtenden Pilger, gereicht, abgesehen
von dem mit der alten Kirche im Widerspruch stehenden Stile, seinen cincarischen
Meistern zur Ehre. Das Kloster ist heute noch das wohlhabendste des König-
reichs. Im Jahre 1896 besass es: 240 Hektar Felder und Wiesen, 119 Hektar
Obstgärten, 2 Hektar Weinberge, 238 Hektar Wald, 2 Mühlen, 2 Mehanen, 1 Ducan,
prächtige weisse Marmorbrüche bei dem nur 1 St. fernen Brezova usw.,
zusammen geschätzt auf rund 50000 d. Seine Einnahmen decken reichlich die
Ausgaben mit jährlich 12700 d, die ihm grossenteils aus der meist unentgeltlichen
Bewirtung der herbeiströmenden Gläubigen der umliegenden 3 Pfarren Usce,
Bresnik und Djakovo, mit 13 auf seine Kirchen angewiesenen Orten erwachsen.
Schon in früher Stunde herrscht am Sonntag reges Leben im weiten Hofraum
der Carska Lavra. Durch die zahlreichen Gruppen, welche bei Glockenmusik
von allen Seiten zwischen Waldesgrün und über die hellen Kalkklippen der
nahen Berge herabgestiegen waren, bahnten wir uns den Weg zum Häuschen
seines Archimandriten Tanasije. Nahe demselben begegnete uns ein hoher Mann
von etwa 35 Jahren, gehüllt in weitfaltiges, dunkles Mönchsgewand, mit breitem
roten Seidengürtel unter dem zurückgeschlagenen Oberkleid; das Sonnenlicht
haftete auf einem grossen Goldkreuz, das seinen Reflex nimbusartig gegen den
schön modellierten Kopf mit prächtig schwarzem Barte und noch dunkleren
Augen warf; es war ein Typ vollendetster Mannesschönheit, wie sie sonst
nur auf dem Hagion Gros heimisch. Auch ohne die Attribute seiner hohen
Würde, und hätte das Volk sich auch nicht so sehr an die freundlich auf uns
zuschreitende Persönlichkeit gedrängt, um unter ehrerbietigen Kniebeugungen den
weitfaltigen Rock oder die sorgfältig gepflegten Hände mit den Lippen zu
berühren, würden wir in ihr den geistlichen Herrscher Studenicas erkannt haben.
Doch wie wenig entsprechend den ebenmässig ruhigen, wie aus Marmor
gemeisselten Gesichtszügen war Ton und Inhalt der von dem Archimandriten
geführten Unterhaltung! Das ihn zunächst berührende Gebiet, die Vergangenheit
seines Klosters, interessierte ihn nur wenig. Studenica ist ebensowenig ein
„Leuchtturm" serbisch-byzantinischen Wissensdranges, geschichtlicher Forschung
oder philosophischer Spekulationen, wie die Anachoretenklöster am Kablar, oder
das cönobitische „von üppigen Kräutern und Farngebüsch, düster durchwachsenem
Hochwald, mit Walnuss- und Kastanienbäumen, Steineichen und Zypressen"
umgebene Karyas auf dem Athos. „Studierte Leute bringen alles in Unordnung"
ist Glaube und Richtschnur hier wie dort, und, sagen wir es nur gleich, beinahe
ausnahmslos in allen Konventen der türkischen orthodoxen Christenheit.
Unter Studenicas gesamter Mönchsbevölkerung war beispielsweise nur der
Duhovnik Dositije Popovic imstande, die altslavischen Umschriften der Fresken
zu lesen und zu ergänzen. Man erinnert sich vielleicht einer früheren Bemerkung
über die bedauernswerten Lücken, welche das sündhafte mönchische Gebaren
mit wertvollen Dokumenten in der altserbischen Geschichte verursachte. „Vor
etwa 30 Jahren," erzählte mir Vuk, „fand ich Studenica in Ruinen und nur einen
Mönch daselbst, der wertvolle Pergamente zur Ersetzung des fehlenden Fenster-
glases seines elenden Häuschens verwendete." Mir schien es, dass auch seine
7.
U
Q
D
H
Von CaiJak über Kraljevo. 2ifa nacli Stucleiiica. 29
Nachfol<^er nicht viel besser mit „alten Büciiern" umgehen würden, wenn harbarischer
Unverstand sie nicht insj^esamt schon früher verschachert oder sonst zerstört
hätte. Konnte dies aber anders sein? Gehörten ja doch auch die Mönche jener
si<lavisch unterjochten Rajah an, deren Unterdrücker auf wenn möglich noch
tieferer Bildungsstufe standen! Dank dem serbischen Kultusdepartement werden
jedoch die natürlichen Folgen zweiluindertjähriger Versäumnisse nach Möglichkeil
beseitigt. Schon ein Ministerialreskript von 1862 an die Bischöfe Serbiens
verordnete, ungeschulte Mönche auf Kosten ihrer Klöster zur notwendigen
Ausbildung in das Priesterseminar nach Belgrad zu senden.
So wenig wie bei anderen Monumenten aus Serbiens Vorzeit fand ich auch
für Studenica, ausser vagen touristischen Notizen, fördernde wissenschaftliche
Vorarbeiten zur kunsthistorischen Schilderung seiner Kirche. Die Aufnahme von
Grundrissen und Fassaden, bei welcher Ingenieur Klinar mithalf, die Zeichnung
architektonischer Details usw. beanspruchten mehrere Tage; also hatte ich
Gelegenheit, das Mönchsleben in der Carska Lavra ein wenig zu studieren. Soviel
wurde mir bald klar, dass die Physis auf ein Minimum zu reduzieren, und
dieses Minimum, mit dem Karst in der Hand, selbst dem Boden abzugewinnen, wie
dies auf dem Hagion Gros oder in der Moravaschlucht üblich, nicht „leitender
Grundsatz" in Studenica sei. Selbst die „weibliche Kreatur" war hier weniger
gefürchtet als von den „guten Vätern" auf dem Athos, welche eine kühne Tochter
Albions in nicht geringen Schreck versetzte. Die „versteinerte Verfassung" des
heiligen Berges nicht achtend, war sie kühn genug, bei Iviron ihn zu betreten.
Da erhob sich aber in allen Klöstern weit und breit das Geklapper der
Symantrons; die älteren Mönche jagten die jüngeren eiligst in ihre Zellen und
riefen: „Weiche hinweg, Satanas!" Zu Studenica wäre die englische Dame
gewiss freundlicher empfangen worden.
Ich hatte nun Serbiens berühmteste Klöster kennen gelernt, und begreiflich
drängten sich mir sehr oft Gedanken über ihr Verhältnis zum Volke auf; vor allem
die Frage: Was ist es, was die Klöster in Serbien, Bulgarien und Russland, auf
dem Athos, in Griechenland, Rumänien und in der Türkei fort und fort bev()lkert?
Ist es wirklicher Hang zu Einsamkeit und beschaulichem Leben? Ist es religiöse
Schwärmerei oder der anziehende Nimbus, welcher jede einzelne dieser Gott
und den Heiligen geweihten Stätten umstrahlt?
Wohl liebt der Serbe Wald und Flur. Ihr Dickicht und die zarte blumen-
gestickte Wiese, die rieselnde Quelle und den rauschenden Bach wusste früh
schon seine rege Phantasie mit Gestalten zu beleben, welche sie in engste
Beziehung zum Kampfe der Naturkräfte, zum Wechsel der Jahreszeiten und ihrem
Einfluss auf Menschen und Tiere brachte. Selbst nach Einführung der Christus-
lehre existierten sie fort. Feenhafte Vilen beleben den dichten Hain, Vampyre
bedrohen des Nachts den armen Menschen usw. Das Christentum mit seinen
in enge Satzungen eingeschlossenen Glaubensformeln konnte den Trieb zum
Mystischen nicht gänzlich bannen, ihm nur eine veränderte Richtung geben; an
die Stelle der heidnischen Götter traten Heilige oder Märtyrer der neuen Lehre
und verschafften ihr so beim Volke leichteren Eingang. In den Wundersagen,
30 Von CaSak über Krnljevo, ZiCa nach Stiidcnica.
welche sich an bevorzugte Heilige knüpfen, in der Gewalt, die einzelnen von
ihnen zugeteilt wurde, spiegelt und verewigt sich der Übergang vom alten
zum neuen Glauben. Der hl. Elias wurde zum Donnergott, die hl. Maria zur
„flammenden" Göttin der Blitze, der mit den Attributen des griechischen Äolus
ausgestattete hl. Pantcleimon zum Beherrscher der Stürme, und zu jenem über alle
Gewässer der hl. Nikolaus an Neptuns Stelle erkoren. „Boze pomozi i sveti
Nikola!" (helfe Gott und der heilige Nikolaus) ruft der Serbe, wenn er in einen
Kahn steigt oder wenn Wassergefahr ihn bedroht.
Der tiefe Zug des Serbenvolkes zum Mystischen, früher jedenfalls in noch
grösserem Masse vorhanden, begünstigte also die Stiftung der heute noch zahl-
reichen Klöster. Das ganze religiöse Leben des serbischen Landvolkes gravitiert
nach denselben; in Schmerz und Lust, in allen ungewöhnlichen Fällen des Lebens
werden sie stets als sichere Stätten des Rates und der Hilfe aufgesucht. Doch nicht
allein diese charakteristische Neigung zur Naturwelt mit ihrem mystischen Inhalte
lieh dem Klosterleben Reiz und Anziehungskraft, sondern gleich sehr die der
Mönchswelt vom Volke eingeräumte bevorzugte Stellung. Als einziger Schirmer
der über alles geliebten Religion während der osmanischen Herrschaft, dann durch
den grossen Anteil an ihrer Niederwerfung, erwarb sich der serbische Mönchs-
klerus ein Anrecht auf Dankbarkeit.
Die eingetretene Finsternis nach dem unheilvollen Entscheidungstag von
Kosovo im ehemals grossserbischen Reiche Hess nur geringe Lichtstrahlen in die
Zellen seiner stillverborgenen Klöster fallen. Gleich dem kulturfreundlichen Städte-
leben, wie Gewerbe und Künste, ging während der folgenden traurigen Periode
auch die Liebe und Pflege der Wissenschaften verloren. Als mit Arsen, dem
Ipeker Patriarchen, später nahezu der gesamte höhere Klerus über die Save
floh, blieb nur jener der Klöster zurück und teilte Leid und Wehe mit dem
Volke. Durch äussere Ereignisse, einreissende Unkenntnis und Missachtung
verschwanden die Bibliotheken und mit ihnen die Grundlage und notwendigen
Lehrmittel zur Selbstbildung der Mönche und Belehrung des Volkes. Chronistische
Aufzeichnungen aus jener Zeit sind deshalb, weil meist Phrase und Aufzählung
unwichtiger Dinge, für den Geschichtsforscher beinahe wertlos. Die Bewahrung
des Evangeliums, des Andenkens der von der Kirche heilig gesprochenen nationalen
Könige, die Beförderung der Liebe zur Nationalität und Freiheit muss jedoch dem
serbischen Klosterklerus uneingeschränkt zuerkannt werden, und wahrlich, dies ist
ein so grosses Verdienst, dass es nur zur Erklärung mancher psychologischen
Erscheinung beim Serbenvolk erwähnt werden muss, dass seine intellektuelle
Bildung durch die Klöster nicht gefördert wurde.
Serbiens neue Ära fand sein Volk und den Klerus auf nahezu gleich niedriger
Bildungsstufe. Abgeschlossen von aller Welt, ohne höheren gemeinsamen Mittel-
punkt, lebte die Geistlichkeit, wie eine ministerielle Beleuchtung der klösterlichen
Verhältnisse vom Jahre 1843 an den Fürsten lehrt, in grösster Unwissenheit.
Wenig unterschieden von den noch ignoranteren Popen (Weltgeistlichen), welche
kaum mehr notdürftig lesen konnten, vermochten auch die Mönche keinen bildenden
Einfluss auf das Volk zu üben; denn wie dieses standen sie selbst unter der
Von Cafak über Kraljevo, 2ica nach Studenica. 31
Macht überkommener Vorurteile. Sie hatten demnach nur geringen Anteil an
dem unleugbaren Fortschritt Serbiens auf dem Gebiete der Volkserziehung. Die
bekannte Anekdote, in der ein altes Mütterchen sich wegen des Verkehrthaitens
des Gebetbuchs damit entschuldigte, dass die Kinder ihr es daheim so in die
Hand gegeben, ist in Serbien mit der Variante im Laufe, dass ein Pope in gleichem
Falle die Schuld den Djaci (Schülern) beimisst. Von Liturgie war unter dem
Türkenregiment kaum die Rede, die Popen lernten die. nötigen Gebete hersagen,
und das Lesen aus dem Buche war nur eine Fiktion, um die religiöse Feier in
den Augen des Volkes zu erhöhen.
Wie überall, wo die höhere Bildung im Laienstand überwiegt, begann sich
auch in Serbien der Gegensatz zwischen dem weltlichen und geistlichen Stande
auszubilden. Der Lehrer der Volksschule, der Kreisarzt, der Ingenieur und Beamte
entzogen langsam, aber stetig den Klöstern ihre Klienten. Der Einfluss dieser
aufklärenden Elemente wird von den Mönchen sehr gefürchtet, denn bei der
Mehrzahl der serbischen Klöster handelt es sich nicht allein um ihre moralische
Stellung; den grössten Teil ihrer einst bedeutenden Donationen von königlichen
Stiftern büssten sie schon während der türkischen Okkupation ein, mit dem
Aufhören der Volksgunst wäre also ihre Existenz ernstlich gefährdet.
Fürst Miloä fand es im Interesse des jungen Staates, die wieder hergestellte
serbische Hierarchie möglichst unabhängig von Konstantinopel zu machen. Er
ernannte nationale Erzbischöfe und Bischöfe, dotierte sie aus Staatsmitteln,
restaurierte viele Kirchen und verbesserte die Lage einzelner Klöster; doch gab er
den letzteren ihre alten Besitzungen nicht zurück. Er, der keine beschränkende
weltliche Gewalt neben sich duldete, wollte nicht einen über mächtige Mittel
gebietenden Klerus, einen Staat im Staate schaffen. Übrigens hätte er auch
nur schwer die Klöster reicher dotieren können, da nach beendetem Freiheitskrieg
deren ehemaliger Besitz grossenteils in andere Hände übergegangen war. Im
Jahre 1848 rettete eine darüber verhandelnde Kommission mit grosser Anstrengung
einzelne Waldparzellen für den Viehstand der Mönche, und die Opposition der
Gemeinden gegen diese Massregel ist, wie ich wiederholt ausführte, noch heute
nicht ganz geschwunden.
Aus den stillen Klosterzellen Studenicas gingen zahlreiche Männer hervor,
welche im Gebete stark, sich auch als glaubenseifrige, waffentüchtige Kämpfer
für des Vaterlandes Befreiung erwiesen. Unter ihnen fesselt durch sein bewegtes
Leben und tragisches Ende Hadzi Melentije Nik§ic. Geboren zu Brezova bei
Studenica, wurde er dort im Jahre 1800 zum Mönch geweiht und 1804 dessen
Hegumenos. Als 1813 die Gebeine des hl. Simeon von Vracevsnica nach
Fenek in Ungarn geflüchtet wurden, ging er dahin; doch 1815 stand er mit
Milos an der Drina den Türken gegenüber. Nach hcendetem Kampfe sandte ihn
Milo§ nach Konstantinopel, wo er zum Bischof von Sabac geweiht wurde; doch
entzweite er sich bald mit seinem Gönner, als dieser 1816 die Einkünfte des
Klerus beschränkte. Miloä' Erbitterung gegen den Bischof wuchs, als man diesen
des Einverständnisses mit den Türken beschuldigte. Er sollte Maraäli Pa§a zu
Belgrad die Auslieferung des nach der Fürstenwürde strebenden Nationalhelden
32 Von Cacak über Kraljevo, Zica nach Studenica.
und die Entwaffnung der Rajah versprochen haben, ge^en die Zusicherung einer
geistlich-weltlichen Überhauptstellung, ähnlich jener des Vladika von Montenegro.
Milos handelte rasch. Er entsandte den während seines autokratischen Regiments
mit Vorliebe die Rolle eines Privathenkers übernehmenden Marko Stitarac (I. Bd.,
S. 361) in Begleitung von Petar Cukic und Vule Giigorijevic, um den Bischof zu
töten. Nach einem Fehlversuch, ihn auf der Strasse zu überfallen, eilten sie nach
Sabac, wo Stitarac in deji Konak drang und, nachdem er zwei im Vorzimmer
schlafende Djaci (Schüler), welche erwacht waren, ermordet, den vergebens
um Gnade bittenden Bischof in dessen Schlafgemach niederstach. Die blutige
Tat, welche Milos' Neidern um die höchste Macht zeigte, was sie im Wettbewerb
mit ihm erwarte, erfolgte am 28. Juni 1816. Melentije ward in der Sabacer
Kirche begraben. Die ihm von dem pietätvollen Bischof Joanikije gesetzte
Grabschrift besagt: „Melentije, Bischof von Uzice, Rudnik, Valjevo und Pozega,
Metropolit von Sabac, 36 Jahre alt, von Mörderhand getötet." Darunter: „Hier
ruhen auch die mit ihm gefallenen Schüler Nikolic Mileta und Zabunov Mita!"
II.
Durch das Raskatal zum Novi Pazar-Defilee.
DER wildromantische Anstrich des südhchen Djakovo charai<terisiert auch
die Landschaft von Studenica bis zur türkischen Grenze iiei RaSka. Über
fünfzig Jahre sind es, seit dieses Gebiet faktisch Serbien gehört. Als die Pforte
nach dem griechischen Freiheitskrieg sich ihrer Ohnmacht bewusst geworden,
erst nachdem ihre europäisierte Heeresniacht 1829 besiegt, der schutzverheissende
Balkan von den Russen überstiegen und selbst die Sultansstadt bedroht erschien,
versprach der Grossherr im Adrianopeler Frieden, seine schon im Bukarester
Vertrag gegen Serbien eingegangenen Verpflichtungen, samt den nachträgiiciien
Stipulationen von Akerman, endlich erfüllen zu wollen.
Der 30. September 1829 brachte den Serbiens Grenzen regelnden Kirnian,
und das Frühjahr 1830 fand eine russisch -türkische Kommission mit ihrer
Feststellung beschäftigt. Nicht ohne Widerstand wollten die jeder Verringerung
ihrer Gebiete feindlichen Paschas von Nis, Vidin und Novi Pazar die eingegangenen
Verpflichtungen anerkennen, ja der Zworniker Pascha liess sogar eine serbische
Deputation ins Gefängnis werfen, welche die Räumung des vertragsmässig abzu-
tretenden Gebietes verlangte. Subaäen (Lehnsherren) und Ciflik-Sahibien (Grund-
herren) machten ihre vermeintlichen Rechte auf die Rajah geltend und quälten,
vereint mit albanesischen Söldnern, die bereits durch den Befreiungskampf hart
mitgenommene christliche Bevölkerung der Grenzdistrikte. Aufstände der Timoker
und Krajinaer Serben waren die Folge des türkischen Wortbruchs. Erst als die
Vorschläge der Grenzregulierungs-Kommission in einer Konferenz zu Konstantinopcl
festgestellt und am 25. Mai 1833 vom Sultan genehmigt waren, sollte endlich die
Auslieferung jener Gebiete verwirklicht werden, welche heute den grösstcn Teil
der Kreise von Uzice, Cacak, Krusevac, Aleksinac und Negotin bilden.
Für alle Zeit waren nun die im Befreiungskrieg blutig erkämpften, 1813 aber
verlorenen Gebiete den Türken entrissen, ein Ereignis, dessen Bedeutung Glocken-
geläute und Freudenschüsse von Ort zu Ort, bis zur Drina und Save verkündeten.
Damals stand Fürst Milo§ im Zenith seines Glanzes. Seine Klugheit hatte nicht
geringeren Anteil an der zweiten unblutigen Besitznahme dieser Gebiete, wie
Karadjordjes Tapferkeit an ihrer ersten kurzdauernden Erringung.
F. KANITZ, Serbien. U. ■'
34 Durch das Raäkatal zum Novi Pazar-Defilee.
Der Djakovo mit seinem unvergleichlichen Buchendom, die „Carska Lavra"
mit iiiren historischen Erinnerungen, die Marniorlager, weiche die schönen
Quadern zu ilirer „weissen Kirche" geheferf, die Ruinen des Kirchleins Sretenje
am Einfluss der Studenica in den Ibar, erbaut, weil man hier dem Leichnam des
hl. Stefan Nemanja begegnete (sresti begegnen), als er in feierlicher Prozession
vom Athüsklüster Hilandar nach Studenica übertragen wurde, auch die reichtragenden
Weinberge gegenüber von Usce und die hart mitgenommenen Kiefernwaldungen,
durch welche wir abwechselnd über ernst stimmende Glimmerschiefer und
durch farbenreiche Serpentinflora des Radusatals zogen, standen vor etwa sechzig
jähren unter türkischem Regiment; seine Spuren sind aber der Landschaft noch
heute aufgedrückt. Zerstörte Kirchen und verheerte Wälder, verlassene Bergbaue
und entvölkerte Täler erinnern allerorts an das Feudalsystem, welches, sultanlichen
Firmanen trotzend, noch im letzten Jahrhundert das ausschliessliche Nutzungsrecht
von Land und aller darauf lebenden Kreatur hartnäckig beanspruchte. Keine
Neuerung! Kein Vergleich!
Mit dem letzten Ayan von Studenica verliessen endlich die Spahije den nicht
mehr zu haltenden verwüsteten Distrikt; sie zogen nach Bosnien, dort gab es ja
noch eine Rajah, an der man nach Koransrecht ungestraft sein Mütchen kühlen
konnte. Welche Kurzsichtigkeit bewiesen diese fanatischen, jeder Schaffungskraft
baren Abkömmlinge der Janifscharen verglichen mit den religionsverwandten
Mauren, deren kulturfreundliche Bestrebungen in Spanien noch heute unser Staunen
erregen! Einzig gross in der Negation selbst gerechtester Forderungen, geschickt
nur in diplomatischen Kleinkünsten, im paralysierenden Auslegen der zugunsten
der „Rajah" feierlich proklamierten Hate, in Schlichen und Krümmungen dem
wilden Radusa ähnlich, dessen ungeregelter Lauf uns zwang, sein Bett acht-
zehnmal zu kreuzen, beschworen Türken und Arnauten jene Wetter herauf,
welche die über Serbiens Qrenzberge aufsteigenden Gipfel der herzegowinischen
Alpenwelt bis 1878 mit dem Widerschein brennender Dörfer, mit den Greueln
barbarischer Rassenkämpfe eifüllten und diese Gebiete so entvölkerten, dass
heute noch im Studcnicaer Bezirk nur 20 — 30 Seelen auf den Quadratkilometer
kommen.
Als wir über den Südhang des Radusa hinaufzogen, lag düsteres Gewölk
auf den bosnischen Bergen. Unruhig wälzten sich die dunklen Ibarfluten vorwärts,
als ob sie Trauerkunde brächten vom traurigen Rajahlose im kurz zuvor ver-
lassenen „Arnautluk". Unten auf einer etwas grösseren Talausweitung lag aber
dicht vor uns in prächtiger Abendbeleuchtung das Dorf Baljevac, an dessen
Stelle der „Städtegründer" Milos noch im letzten Jahre seiner ersten Herrschaft
diesem wohlverdienten Epitheton gerecht werden wollte. Friedlich sassen die
Männer, Angelegenheiten der Gemeinde beratend, vor der Mehana; vielleicht der
Zeit gedenkend, wo die Moslims ihre alte, kleine Kirche zerstört hatten. Manche
hatten den Türken noch Handdienste geleistet. Nun waren sie alle gleich vor
dem Gesetz, ihnen gehört das Erträgnis ihrer Arbeit, Weiber und Töchter wissen
sie nun im Hause sicher vor jener Schandsteuer, welche Frauen und Jungfrauen
oft mit ihrer Ehre einzulösen gezwungen wurden.
Durch das F^askal;il /um Novi Pazar-Defilce.
m
Etwa eine halbe Stuntie von Baljevac wurde in neuerer Zeit ein reiciies
Braunkohlenla^er angeschürft, für dessen Ausbeutung der Engländer Clifton Child
vor einigen Jahren die Konzession erwarb, aber bisher nicht verwertete, obschon
auch die dort anstehenden Kupfererzgänge, wie alte Halden zeigen, vor langer
Zeit betrieben wurden und nun vielleicht lohnender zum Abbau gelangen könnten.
Die hart vorüberziehende neue Strasse überwindet den 300 ni betragenden Niveau-
Unterschied vom nördlichen Progorelica bis Baljevac durch eine ausgedehnte
Serpentin-Anlage und konnte auch südlich nur durch Sprengung der zum Ibar
BRVENIK. Neue Brücke.
steil abfallenden Felsmauern und eine kostspielige Überbrückung der sie durch-
brechenden Brvenica hergestellt werden. An der Mündung dieses stellenweise
tosenden, 15 Mühlen treibenden Baches krönt den linksufcrigen Pylon ein
zerbröckelnder Feudalbau, der, wahrscheinlich auf antiken Rudimenten entstanden
und noch in der Türkenzeit mit Palisaden umgeben, der Landschaft ringsum
den Namen gab. Als Erbauerin des Schlosses gilt im Volke die im schlimmen
Andenken stehende Despotin Jerina (1. Bd., S. 132); auch der Fall des Bollwerks in
feindliche Hände wird ihr zugeschrieben. „Der Feind liess - erzählt die Sage
- eine Karawane mit grossen Kisten bepackter Saumpferde dicht an der Feste
vorbeiziehen. Ein ebenso hübscher als schlauer Bursche unter den Treibern
wusste sich der vom Söller herabblickenden Schlossherrin bemerkbar zu machen.
36 Durch das Raskntal ziiin Novi Pazar-Üefilee.
Sie bescliied ihn zu sich und bot ihm ein Nachtlager an. Der Bursche wiHigte unter
der Bedingung ein, dass er auch die mit kostbarem Gut beladenen Pferde in
den Hof bringen dürfe, was ihm gewährt wurde. Kaum hatte jedoch das letzte
der Tragtiere das Tor durchschritten, sprangen aus den Kisten eine Menge Krieger
heraus, welche sich der Feste bemächtigten."
Etwas westlicher, in der pittoresken Brvenikschlucht, befindet sich die kunst-
historisch höchst interessante, leider stark beschädigte Klosterkirche Gradac, welche
des Königs Uros I. Gemahlin Jelena, eine Verwandte des „lateinischen" Kaisers
Balduin IL, im Ausgang des 13. Jahrh. aus Tufstein erbauen liess. Im Grundriss
geradezu eine verkleinerte Kopie der geschilderten Kirche zu Studenica, doch
mit gotischer Ausgestaltung vieler konstruktiver und dekorativer Teile, soll sie
noch im kunsthistorischen Abschnitt des 111. Bandes kritisch gewürdigt werden.
Über dem weissen Marmorsarg der Stifterin zeigt eine Freske sie neben ihrem
Gemahl und dem hl. Nemanja, dem thronenden Erlöser das Modell des der
hl. Gottesmutter geweihten Baues darbringend. Das Volk pilgert namentlich am
hl. Jelenatag in Menge zur Kirchenruine, welche durch einen zu Raska gebildeten
Verein restauriert werden soll; ein lobenswertes Beginnen, das besten Erfolg
verdient. Auch im folgenden Brvenik erzählt ein verwüsteter kleiner Kuppelbau
auf dem Ortsfriedhof von den schlimmen Türkentagen.
Ungemein fesselnd gestaltete sich die Szenerie am Steilfelsen „Kostur",
nahe einer Gruppe inschriftloser malerischer Gräber. Die hier herrschende Stille
wird nur durch munteres Rauschen des gleichnamigen forellenreichen Bächieins
unterbrochen. An der Strasse, bald hinter Beocis altem Kirchlein, muss sich
das Auge wieder an den Gegensatz, an eintönige Maisfelder und kahle Bergrücken
gewöhnen. Nicht immer sah es hier so trostlos aus. Erst im Jahre 1737, als der
österreichische Hauptmann Saka zur Züchtigung der von Novi Pazar bis Cacak alles
niederbrennenden türkischen Horden auszog, doch, bei dem „Schloss Brvenik"
mit Verlust zurückgeschlagen, den unglücklichen Landstrich räumen musste, wurde
derselbe von den rachedürstenden Spahis ganz verwüstet und der Wald vernichtet.
Es war nicht mehr das linke Ibarufer, sondern jenes der Raska, an dessen
Rand wir nun hinzogen, und wenn nicht die Versicherung meines Begleiters,
hätte das schallende Lachen des lustigen Pisars von Cacak, sowie das freund-
liche „dobro dosli" (glückliche Ankunft) unserer Kraljevoer Mehanagefährten
mich belehrt, dass wir mit dem Vereinigungspunkte der beiden Flüsse auch unser
Reiseziel Raska erreicht hatten, das zum Glück für unsere abgeweideten Pferde,
allerdings nur auf Kieperts Karte, drei Stunden aufwärts der Raskamündung lag.
Was hatte mich nach dem Quarantänestädtchen geführt? Welche Ausbeute
durfte ich dort erwarten? Was sollte mich für den mühevollen Ritt, was für
jene erste schlaflose Nacht entschädigen, die ich, gepeinigt von allerlei schwarzem
Getier, in der niederen, heissen Mehanastube verbracht hatte? Was für die an
„Athosübcrwindung" grenzende Selbstverleugnung, die ich im Hinabwürgen der
Durch das Raskatal zum Novi Pazar-Dcfilee. 37
Stets wiederkelirenden, mit Paprika versetzten Hanimelfleiscli^crichte bewies?
Nun, zunächst fiiiirte niicii derWunscii nach Raska, den ureigenen Sitz der Serben,
den Fiuss Raska und die Landschaft kennen zu lernen, weiche der Wiege des
Zarenreichs ihre älteste Bezeichnung „Rascije" und den Serben den Namen
„Rascijani", im mittelalterlichen Latein Rassiani, ungarisch „Raczuk", deutsch
Ratzen oder Raitzen ') geben; ferner die Absicht, mehrere Täler und Orte im
Raäkadefilee genauer zu bestimmen, welche mein alter Freund Ami Boue seit etwa
zwanzig Jahren vergebens aufzufinden bemüht war; endlich wollte ich jenes
schmalen Landstrichs ansichtig werden, der, nur sechs Stunden breit, Montenegros
hohe Felsenmauern keilartig vom südwestlichen Serbien trennt. Wahrlich Ursachen
genug für ein in Forschungstrieb entbranntes Gemüt, wenn nötig, noch grösseres
Ungemach zu ertragen. War es ja zudem durch Genüsse gemildert, die allerdings
wieder nur eine, für fremdgeartete, in lautloser Ruhe und Mondenschein phan-
tastisch anmutende Szenerie, empfängliche Seele tiefinnerlichst zu empfinden vermag.
Auch des stets dienstwilligen, überall Rat schaffenden Ingenieurs, des anfangs
misstrauischen, nach Einsichtnahme des offiziellen Empfehlungsschreibens freund-
licheren Raskaer Kapetans, des zu Spässen stets gelaunten Pisars und der übrigen
Beamten sei hier gedacht, welche in jeder Weise dem Fremden sich angenehm
und nützlich zu machen suchten. Und da wäre es eine Unterlassungssünde, wenn
ich hier der edlen Frau vergässe, welche, über die stark türkische Sitte der Raskaer
Bevölkerung sich wegsetzend, den beiden um eine Nacht schändlich betrogenen
Fremdlingen den luftigen Cardak ihres Hauses zur Schlafstelle für die folgenden
Nächte überliess. Allerdings geschah es erst nach einigem Parlamentieren und
unter der Zusicherung, strenge Zucht unverbrüchlich halten zu wollen. West-
europäer gelten nämlich in den Ländern byzantinischer Christenheit insgesamt für
Leute von la.xem Glauben und losen Sitten. Auch unsere in diesem Wahne
befangene verwitwete Schutzgottin begnügte sich nicht damit, ihre Türe zu ver-
riegeln, sondern rückte allnächtlich noch eine schwere Kiste vor dieselbe. Sie
mochte wohl denken: vielleicht wird es den „Schwaben" doch einmal in Gottes
freier Luft unter ihren Mänteln zu kalt und fühlten sich vielleicht dann versucht,
in das einladende Heiligtum des Hauses zu dringen. Es wurde ihr darob nicht
gegrollt. Kannte ich ja die strengen Gebote serbisch-türkischer Zucht, die es
sogar dort, wo occidentale Sitte noch nicht hindrang, den Frauen verbietet, des
Mannes Weg zu kreuzen. Wie verschieden sind doch die Völker in vorgefassten
Meinungen! Dem Frauen ehrenden Deutschen gilt die Begegnung eines jungen
weiblichen Wesens als gute Vorbedeutung für einen glücklichen Tag, im Orient
aber wird sie gegensätzlich aufgefasst, und dies gilt nicht etwa nur von alten
Weibern; wenig galant, macht man zwischen siebzehn und siebzig Jahren — in
dieser Beziehung — keinen Unterschied.
Schwer errungener Besitz wird immer sorgfältig gehütet. Als das kleine Serbien
nach blutigen Kämpfen, klugen Unterhandlungen, in welchen Milo§ alle Umstände
') Der von Serben bewohnte Belgrader Stadtteil wurde deshalb auch offiziell während
der kaiserlichen Okkupation 1718—1739 und selbst noch 1791 „Raizenstadt" genannt.
38 Diircli tins Raskatal zum Novi Pazar-Defilec.
zugunsten seines Landes auszunützen verstand, durch russische Unterstützung
endlich im Jahre 1833 zum lanfj;ersehnten Besitze der streitigen Gebiete gelangte,
eilte Fürst Milos, türkische Wankelmütigkeit und Pascha-Willkür kennend, dieselben
durch einen hohen, fortlaufenden „Plot" (Palisadenzaun) vom türkischen Terri-
torium abzuschliessen. Eine Kordonmiliz und Quarantänen nach österreichischem
Zuschnitt wurden eingerichtet, um so die moslimischen Nachbarn an die Existenz
des zu respektierenden „serbischen Bodens" zu mahnen. Brachte die hermetische
Abschliessung und Erschwerung des Verkehrs unleugbare nationalökonomische
Nachteile, so dokumentierte doch der kleine Serbenstaat erst durch diese Mass-
regel seine faktische Unabhängigkeit. Auch gewcihnte man die „Rajah" Bosniens
und Bulgariens, in dem Grenzzaun einen Hort zu erblicken, hinter welchem ihre
glücklicheren Christenbrüder die Waffen zu ihrer einstigen Befreiung schmiedeten.
Das 1846 erstandene Raska, bis 1878 eine der dreizehn Quarantänen Serbiens,
liegt auf einem felsigen, den Bodenbau wenig begünstigenden Plateau, das zur
Raska sanft abfällt; doch gegen NW. liegt, geschützt durch bewaldete Höhen gegen
die rauhen Schneestürme, seit altersher das „Zimovnik" der griechischen Wander-
hirten vom nahen Kopaonik, die mit ihren Schafherden im Winter hier lagern
und ihre Bedürfnisse im Städtchen einkaufen, was viel zur Hebung seines Wohl-
standes beiträgt. Wie dem Leser ein Bild des serbischen Grenzstädtchens geben?
Am besten, er folgt mit mir der Einladung des Djumrukdzija (Zollbeamten) zum
Besuche seines türkischen Kollegen auf das rechte Ufer der Raska. „Herr, in
meiner Begleitung habt Ihr drüben nichts zu besorgen!"
Wir durchschritten die verödeten, nur an Markttagen mit malerischer
Staffage belebten weiten Hofräume der Quarantäne. Ein mächtiger Schlüssel
knarrte im Schlosse des mit Schiessscharten versehenen letzten Pfahltores. Noch
einige hundert Schritte jenseits der soliden Grenzbrücke und Satjir Effendi, der
grossherrliche Djumrukdzija, hiess uns auf diesem fernen Punkte sultanlichen Bodens
willkommen. Auf der nebenstehenden Illustration erblickt man im Vordergrunde
ein niederes Häuschen, eine Art Heuschober, dessen schiefe Linien selbst das
dem „Kasernenstil" feindlichste Auge befriedigen werden, es ist das leibhaftige
Konterfei des türkischen Zollamtsgebäudes. Sticht es grell von den gegenüber-
liegenden serbischen Baulichkeiten ab, zu welchen jüngst auch ein Bezirksgericht
und eine neue Kirche kamen, gibt es eine schlimme Idee von türkischen Regierungs-
gebäuden ausserhalb der Siebenhügelstadt, so ist dies, wie ich versichern kann,
weder meine, noch Satjir Effcndis Schuld, sondern wahrscheinlich jene des Paschas
im nahen Novi Pazar, der, wenig besorgt um die Wahrung grossherrlichen Ansehens,
analogen Fällen nach zu schliessen, höchst wahrscheinlich einige tausend Piaster
am Bau, natürlich zu seinem Vorteil, sparte.
Wir brauchten wenigstens im engen Korridor nicht lange zu antichambrieren,
ein albanesischer Kawase schob das Veluni zur Seite, und wir betraten die
einzige Stube des Zollamtes. Durch zwei schiffslukenartige Fenster drang eben
genug Licht ein, um zu unterscheiden, dass sie nicht an überflüssigem Komfort
leide. Wir teilten mit Satjir Effendi den einzigen seiner Teppiche, auf dem er
des Tages über, in einem Winkel hingekauert, Besuche empfängt, des Nachts
''*^'!fii:i.«iiiiiiiiiiii'!iiiii*iimiiiiiiiiiiii
Durch das RaSkatal zum Novi Pazar-Defilee. 41
aber von schönen Hurien in ferner Heimat träumen mochte. Cihuks und Kaffee
wurden mit dem gewölinlichen zerenioniösen Wesen gereicht, das iielien den
zerrissenen Kleidern des i<redenzenden Kawasen und dem ärmhchen Räume für
ein occidentales Menschenkind lächerlich erschien. Trotz alledem sass es sich
ganz geniiitlich in der- kühlen Stube, während draussen heisse Sonnenglut auf
Raskas nackten Bergen und weissgetünchten Häusern lagerte. Mit Satjir Effendis
Erlaubnis machten wir es uns bequem, und des Sängers Reim passte bald
vollkommen auf unsere Situation:
„Traut dem Aut;' kaum, da er sieht heim Becher
Serb' und Türk' in hriiderhcher Eintracht!" ')
„Schreibt, soviel Ihr wollt," meinte Satjir, als ich ihn bat, eine Skizze von
Raska nehmen zu dürfen, das, durch die Fensterluke gesehen, wie ein umrahmtes
Bild vor mir lag. „Schreibt auch mich ab, wenn Ihr Lust habt," setzte er freund-
lich hinzu. Gesagt, getan! Der Leser weiss nun, wem er das Bildchen dankt,
das ihn mit der Quarantäne Raska und dem türkischen Zollamt Supanj bekannt
macht. Eine ausführliche Schilderung der serbischen Quarantäne -Einrichtungen
gebe ich bei Aleksinac (V. Kap.).
Während die Kommission ihren Erhebungen für den Quarantänebau in Raäka
eifrig oblag, fand ich erwünschte Müsse, das zuletzt gesammelte Material dort
zu sichten und meine ins Stocken geratene Korrespondenz aufzunehmen. Die
kühleren Nachniittagsstunden wurden zu Ausflügen auf die nahen Hüben benützt,
während der Abend die ganze Gesellschaft zu Spaziergängen entlang den Steil-
hängen am Ibar-Ufer oder nach den Auen der Raäka vereinigte. Gewöhnlich
ward es Mitternacht, und erst die sinkende Mondscheibe mahnte uns, das luftige
Cardaklager aufzusuchen, welches wir, durch Schlaf in milder Nachtluft zu neuer
Arbeit gekräftigt, schon mit Sonnenaufgang verliessen.
Oft lenkte ich meine Schritte nach dem hochliegenden Friedhof, wo eine
verwüstete Kirche mit spitzwinkliger Chorapside auf eine ältere Niederlassung
hindeutet. 1876 erbaute das nun über 700 Seelen in 120 Häusern zählende Bezirks-
städtchen eine dem Erzengel Gabriel geweihte Kirche, zu deren Pfarre sechs
Nachbarorte gehören. Auch die Einnahme seiner Douane stieg in den letzten
Jahren und betrug 1906 über 8000 d, was wohl die besseren Strassen bewirkten.
Am liebsten weilte ich aber in Raskas freundlichem Schulhause, das, an
Serbiens Grenze gelegen, bis zum griechischen Artagolf auf vier geographischen
Breitengraden die letzte Pflanzstätte occidentaler Zivilisation zu jener Zeit bildete.
So oft ich den zur Schule führenden Steilpfad hinanstieg, drängte sich mir dieser
Gedanke auf. Wenn ich dann, am kleinen Glockenstuhl neben dem Schulhaus
ausruhend, auf das junge, aufblühende Grenzstädtchen blickte, das diesem sterilen
Boden entstiegen war, gedachte ich unwillkürlich des günstigen Einflusses
christlich-zivilisierenden Regiments, der sich hier, gegenüber fanatisch dumpfer,
jedem Fortschritt feindlicher Koranswirtschaft, glänzend dokumentierte. Man liebte
es, der türkischen „Rajah" gern vorzuwerfen, dass sie ohne jeglichen Wissensdrang,
') Kappers Gesänge der Serben, I. Bd. Leipzig 1852.
42
Diircli das Raskatal zimi Nnvi Pazar-Dofilee.
nach Errichtiiiifi; von Biltliinj^sanstaltcn kein Verlangen trage. Unleugbar gah es
Fälle, welche diese Meinung begünstigten; betrachtete ich sie jedoch näher, so
ergab sich meist, dass mit der Pforte verbündete fanariotiscii-griechische Bischöfe
sie verschuldet hatten.
In meinem „Donau-Bulgarien und der Balkan" nannte ich diese hohen
kirchlichen Würdenträger, welche mit ihren Funktionen auch weltliche Ämter
verbanden, „geistliche Paschas" im schlimmsten Begriffe dieses Wortes; denn sie
teilten sieh mit ihren türkischen Amtsbrüdern in die Ausbeutinig der von dem
SUPANJ. Türkischer und serbischer Zollbeamter.
Ökumenischen Patriarchen von ihnen auf Spekulation gepachteten Rajah, und da
unwissende Schäflein am leichtesten zu scheren, hintertrieben sie die Errichtung von
Schulen in jeder Weise. Auf die Schulbänke des kleinen serbischen Ra§ka sendete
jedoch die jenseitige Christenheit ihre Kinder, als unwiderlegbaren Protest gegen die
erwähnte, ihr angedichtete Beschuldigung. Die kleinen Rajahabkömmlinge werden
im Schulgebäude für den Sommer untergebracht und kehren im Winter zu ihren
Angehörigen zurück, welche für sie zu bestimmten Terminen Kleider, Wäsche,
Lebensmittel usw. im Kastell niederlegen. Zwei Stuben im Erdgeschoss des
Schulhauses dienen zur Aufbewahrung dieser Vorräte; jeder Knabe besitzt ein
eigenes, in grossen Wandschränken befindliches Kästchen; die Kosten für Unter-
richt und Obdach trägt der serbische Staat.
Durch das Raskatal zum Novi Pazar-Defilee. 43
Icii freute iiiieh des sichtbaren Eifers, mit dem die bosniscli-scrhisciien
Sprösslinge den Vorträgen ihres jungen Lehrers folgten. Vermögendere senden aber
ihre Söhne, je nach der Nationalität, auf die höheren Schulen Griechenlands,
Serbiens oder nach Oesterreich, Deutschland, Belgien und F- rankreich, da sich
der Unterricht in ihren, unter fanariotischer Aufsicht stehenden Städteschulen auf
die elementarsten Kenntnisse beschränkte. Also nicht die Rajah, sondern die ihr
vorgesetzten, ihrer Nationalität fremden weltlichen und geistlichen Paschas waren
anzuklagen, wenn man von der unglaublich niedrigen Bildungsstufe der türkischen
Christenheit spricht, und deshalb erhob ich wiederholt meine Stimme für ihre
endliche Befreiung von der fanariotisch-geistlichen Vormundschaft.
„Ja sam iz Pribakove" (ich bin aus Pribakovas Gebiet), äusserte ein Pandur,
der uns auf dem Ausflug nach Novi Pazar begleiten sollte. Er war mir
durch seine Schönheit aufgefallen, und dies will viel in einem Lande sagen,
dessen Männer sich meist durch körperliche Vorzüge auszeichnen. Die Land-
schaft „Pribakova" traf ich nie zuvor auf alten oder neuen Karten; ich durchlief
auch vergebens die Namenreihe der einst in diesen Gegenden angesiedelten
altsiavischen Stämme. Die Raskaer Beamten erklärten mir endlich lachend, dass
es eine Nahija „Pribacka" allerdings weder geschichtlich noch topographisch
gäbe; jenseits des Ibars bezeichne man aber den Jo.sanicaer Bezirk so, weil ihm,
seit er serbisch, ein Kapetan Pribak vorstehe, der beim Volke ungemein populär
und als „Gospodar" (Herr) jenes Landstrichs betrachtet werde.
Der Zufall wollte es, dass der genannte Souverän nach Raska kam,
um mit dessen Kapetan eine gemeinsam zu kombinierende Jagd auf die Grenze
unsicher machende bosnische Heiducken ins Werk zu setzen. Da sah ich nun
leibhaftig einen jener Kiiezen vor mir, die nach der Türkenherrschaft in Serbiens
Verwaltung sich teilten. Schon seine äussere Erscheinung war imponierend. Das
reiche Nationalkostüm, gehoben durch den glänzenden VVaffenschmuck, der
obligate Krummsäbel an mit Goldquasten gezierter Achselschnur, die silber-
ausgelegten Pistolen, die vielen zum Anzug eines rechtschaffenen Altserben
gehörenden blinkenden Patronentäschchen, Feuerstein, Ladestock, Oelfläschchen,
Tabaksbeutel, rückwärts und an der rechten Gürtelseite mit Schnüren befestigt,
wirkten blendend.
Wahrlich, wenn Kapetan Eilip Pribakovic mit seinem Cibuk majestätisch
eintrat, bildete er stets den stattlichen Mittelpunkt unseres Kreises, und es wurde
seinem modernen Raskaer Amtshruder in der nüchternen blauen Beamtentracht
schwer, sich neben ihm zu behaupten. Mit wahrer Verachtung sah „Gospodar
Pribak" auf alles Fremdländische, besonders auf alles Gedruckte herab. Viel-
leicht hatte er gehört, dass die Buchdruckerkunst eine „schwäbische" Erfindung
sei; vielleicht, und aber wahrscheinlicher — weil er nicht lesen konnte. Was
kümmerte sich „Kapetan Pribak" auch um geschriebene oder gedruckte Gesetze,
mochten ja auch seine erst kurz zu Serbien gehörenden Pribaker kaum wissen,
dass solche existieren. Die Regierungsbefehle kamen ihm ohnedies durch den
die Schreibgeschäfte besorgenden Pisar zur Kenntnis, und im übrigen schaltete
er, die Existenz eines „römischen Rechts" gewiss nicht, jene des von Tkalac
44
Durch das Raskatal zum Novi Pazar-Defilee.
trefflicli beleucliteteii „serbischen" schwerlich aiinend, einzig nach dem von Gott
in jede Mcnsciienbrust gesenkten Gesetzbucii. Traf er auch nicht immer das
Richtige, denn es stak noch ein gut Stück Türkentum in dem Manne, so war
„Gospodar Pribak" trotzdem der populärste Mann in seiner Nahija. Kein Bauer
Rlip Pribakovie, 30 Jahre
Kapetan von Josanica.
Michailo Petrovic
Kapetan von Raska.
Alter und neuer Kapetan.
zog an Pribaks Hof vorüber, ohne dort „für den Segen" (guten Verkauf) einen
zurückbehaltenen Sack Erdäpfel oder Mehl, eine Gabel Heu, einen Laib Käse usw.
abzuliefern oder eine Cutura Wein in dessen Fass zu schütten. Der Kapetan
war in dem Masse geachtet, dass ein „Pribaker" nur selten vor den höheren
Behörden erschien. Pribak vertrat alle Instanzen und schlichtete die Streite seiner
Untergebenen endgültig, selbst ihre kirchlichen.
Durch das Raskatal zum Novi Pazar-Defilee. 45
Für die über solches Re{j;ieren ohne alles Paragraphentuni erstaunten Leser
sei hier gleich zur Beruhigung liemerkt, ciass die der ersten Karadjordjeschen und
Miiosschen Epociie angehörenden Nacalniks und Kapetane, selbst bis zu Fürst
Mihails Regierungsantritt, nur noch ausnahmsweise in einigen Grenzbezirken
fungierten und später durch Beamte der „neuserbischen" Schule, ich weiss nicht,
ob immer zum Vorteile der Regierten, ersetzt wurden. Fürst Mihail klagte mir
wiederholt, dass der junge Beamtennachwuchs nur selten seinen uuhhncinenden
Absichten entspräche. Die Ursache lag in dem verfehlten System zur Heranbildung
tüchtiger Staatsdiener, von dem ich noch sprechen werde.
Der Kapetan von Raäka und ein stattlicher Reitertrupp begleiteten mich
auf dem Ausflug in das Defilee von Novi Pazar. Auch die Mitglieder der
Baukommission wollten einen Blick in das ehemalige „Stara Srbija" (Altserbien)
werfen und schlössen sich mit ihrem Pandurentross uns an. Wir zogen durch
die langgestreckte Raska-Talrinne, welche gewiss einen Flügel der Moravabahn
nach Novi Pazar aufnehmen dürfte, und kreuzten mehrere ihrer Queradern,
unter diesen die ziemlich starke Trnava. Der abwechselnd auf serbischer
und türkischer Seite sich ausweitende Uferrand wird von massigen, dünn
bewaldeten Hohen (250-450 m) begrenzt und erscheint oft fleissig kultiviert.
Gegenüber der serbischen Karaula Draganice sahen wir besonders schöne
Gemüsegärten.
Nur wenn man an den Druck denkt, unter welchem die Rajah seit Jahr-
hunderten lebte, durfte man die Periode der türkischen Herrschaft auf der
Balkanhalbinsel die „eiserne" nennen; dieses Epitheton gilt jedoch nicht im
engeren Sinne des Wortes. Gäbe es in der Türkei statistische Daten über den
Verbrauch des Eisens, welches in der Entwickelung unseres Weltteils eine so
wichtige Rolle spielt, so würde man sehen, dass sie bisher an dessen Gewinnung,
Bearbeitung und Verbrauch sich am wenigsten beteiligte. Von dem antedilu-
vianischen Pflugniesser, der Sichel und Sense abgesehen, sind an den übrigen
landwirtschaftlichen Geräten nur selten Eisenteile zu entdecken. Als wir bei
Nosoljin vorüber kamen, sah ich eine Egge, deren Spiesse bürstenartig ein-
gezogene Dorncnbüschel ersetzten, und linch befanden wir uns auf einem Boden,
der, wie verlassene Schachte und Eisenschlacken bei dem Rudno, Riljin Do, Binici,
Zeleznica bewiesen, unter den serbischen Zaren eine reiche metallurgische
Ausbeute gab. Auch im nördlicheren Teile des Kreises läuft die traditionelle
Sage, dass am Fusse des Troglav im Mittelalter grosse Schmiedewerkstätten sich
befanden. Unter der Türkenherrschaft diente das Eisen nur als Waffe. Die uns
umschwärmenden Panduren trugen kleine Arsenale in ihren Leibgürteln und
würden diese so wenig, wie die auf dem jenseitigen Ufer mähenden Bosniaken
gegen irgendeine noch so nützliche Ackerbaumaschine vertauscht haben. Wozu
würde eine solche im Kampfe nützen? Und dass es bald wieder einmal zu
diesem kommen müsse, war dem herrschenden, wie dem unterjochten Teile voll-
kommen klar. Zu was also an eine bessere Bewirtschaftung des Landes denken?
Würden ja die vermehrten Erträgnisse doch nur in die Tasche der requirierenden
Türken fallen! So räsonnierte die Ackerbau treibende Rajah.
46 Durch ilas F^askatal /.um Novi I'azar-Dt'filcc.
Ein in unregelniässigen Serpentinen aufwärts strebender Steiiweg hrachfe
uns dureli jungen Wald vom letzten Blockhaus an der Raska zum 390 m hohen
Kamm, auf dessen gewellter Kuppe ein durch lebende Hecken verstärkter
Palisadenzaun die serbische Grenze am linken Ibarufer markiert. „Herr" —
meinte der Kapetan — „nehmt nun das Fernrohr, und Ihr werdet Novi Pazar so
gut sehen, als wären wir hingegangen." Er hatte recht. Ohne mich Unannehm-
lichkeiten seitens des fanatischen Stadtpöbels auszusetzen, welcher 1843 den
englischen Konsul Paton zur schleunigsten Flucht nach Ra.ska zwang'), sah ich
SW. das Defiiee von Novi Pazar reliefartig vor mir.
Von N. und S. ziehen kahle und bewaldete hohe Sporne der serbischen
Golija-Planina des türkischen Pester (Gebiet) und Rogozna-Planina zur Raska
hinab, deren pittoreskes und archäologisch bemerkenswertes Tal voll interessanter
Erinnerungen für das Serbenvolk sind. W. vom nahen sanften Querschnitt bei
Panojevici befindet sich die gewiss schon den Römern bekannte Therme
„ilidza" (Banja), etwas weiter, im linksuferigen der Dezeva stand die gleich-
namige Stadt, in der König Dragutin dem Throne entsagte (III. Bd., Kap. 111),
und unfern sieht man das Kirchlein Sv. Petar (Petrova crkva), das nach
einem Chronisten den Mittelpunkt eines bedeutenden Gemeinwesens bildete,
vielleicht der Residenz Ras des altserbischen Zupanen -Geschlechts Nemanja.
Eine westliche Höhe krönen die Reste des traditionell von Zar Dusan gestifteten,
heute als Pulvermagazin dienenden, berühmten Klosters „Djurdjevi Stubovi"
(Georgssäulen). Gegen SW. erweitert sich das Tal zu einem von nackten
Höhen umschlossenen Becken, auf dessen 388 m hoher Sohle ich Novi Pazars
Schloss und die Minaretts seiner 17 Dzamien trefflich unterscheiden konnte.
Westlicher liegt die Ruine des von Stefan Uros 1. gestifteten Klosters Sopocani,
und südlich von diesem jene des Schlosses Jelec. Den Hintergrund des stark
kultivierten Planes füllten die schneebedeckten 1600 — 2500 m hohen Ketten der
Herzegowina und seit undenklichen. Zeiten ihre Unabhängigkeit behauptenden,
nur nominell dem Sultan Untertanen Stämme Kuci (besonders Drekalovici und
Vasojevici), welche seit 1878 zu Montenegro gehören.
1868 schrieb ich über das später vielgenannte Novi Pazar in meinem Serbien:
„Novi Pazar ist eine der wichtigsten militärischen Positionen der europäischen
Türkei. Es ist sozusagen der Schlüssel, der ihr die Verbindung mit Bosnien
offen hält. Denselben zu gewinnen, erscheint für jedes gegen Albanien oder
Makedonien operierende Heer unerlässlich. .Schon zur Römerzeit soll hier das
feste Asinae gestanden haben. Auf seinen Mauern entstand das altserbische
') Obschoii kii .sulbst in Zvoniik, Pirol und Nis von den türkischen Autoritäten
verhaftet wurde und während meiner 18 Balkanpassagen oft genug mit dem Misstrauen der
Türken zu kämpfen hatte, halte ich es für ungerechtfertigt, sich über derartige unangenehme
Reiseerlebnisse zu beklagen, seit neuestens Deutsche und Franzosen, Russen und Oester-
reicher Leute sofort verhaften, welche beim „Aufschreiben" von befestigten Orten bemerkt
werden. Misslich ist nur, dass die Türken zwischen militärisch ganz bedeutungslosen alten
Mauern und wirklich wichtigen Festungswerken keinen Unterschied machen; lobenswert
aber, dass die Prozedur rasch erledigt wird
Durch das RaSkatal zum Novi Pazar-Üufilce. 47
„Trgoviste", der von 1346—1459 oft erwähnte wichtige „Marktplatz" mit ragusa-
nischer Kolonie, der von den Türken „Jeni Pazar" (Neumarkt) umgetauft wurde.
Zweimal gelangte Novi Pazar in österreichischen Besitz. 1689 eroberte es mit ganz
Alt-Serbien Graf Piccolomini in raschem Siegeslauf, doch schon im nächsten Jahre
nahm der Grossvezier Köprülü (Cuprilic) es wieder. Fiyifzig Jahre später sollte der
tüchtige k. Oberst Lentulus, den wir schon zu Beginn des Feldzugs 1737 kennen
gelernt (1. Bd., S. 500), einem durch den serbischen Klerus vorbereiteten Rajah-Auf-
stand Luft machen. Auf Seckendorfs Befehl brach Lentulus mit einem Regiment
Husaren und 200 Dragonern auf, nahm Krusevac, Kraljevo, Pozega und sandte
ein Detachement gegen Novi Pazar ab, um durch dessen Besetzung die Verbindung
zwischen den in Bulgarien und Bosnien operierenden Kaiserlichen herzustellen."
Die gleichzeitige Schilderung des dreijährigen Krieges (1737 — 1739) vom
gelehrten Novier Kadi Omer Effendi ') erzählt: „Wie bald aber die Insassen
besagten Schlosses zu vernehmen bekamen, dass der Haufe der Ungläubigen
gegen erwähntes Jeni Pazar sich nahe, fingen ihre sonst standhaften Füsse zu
zittern an." Über die Beteiligung der Rajah an dieser und anderen Waffen-
taten schreibt er: „Die kaiserliche Aufforderung zum Aufstand erging an die in
dem daselbstigen Gebirge wohnhaften, von der albanesischen Nation lierrührenden
Klementiner (Katholiken) und mehr anderes mit den Albanesern durch Verwandt-
schaft verbundenes Raubgesindel, welches sich auf die Spitzen und Gegenden
der Berge ihren Aufenthalt genommen und verschanzt hatte, welche sich dann
auch insgesamt, zufolge der ihnen schon angeborenen Ruchlosigkeit, zu dem
Glaubens- und Religionsfeind schlugen, mit ihm gemeinschaftliche Sache machten,
unter den wahren Gläubigen Tod und Verwüstung stifteten, und auf solche Art
alle Zugänge und Wege, wodurch man sowohl nach Bosnien als von Bulgarien
kommen kann, besetzten und sperrten."
Eingelullt durch anfänglich leichte Siege, liess Seckendorf den Türken Zeit,
ihre Energie wiederzufinden. Der Verlust von Nis und Novi Pazar entschied aber
den unglücklichen Ausgang des Feldzugs für Österreich. Es fehlte allerorts an
Munition, am unentbehrlichsten. Lentulus hatte in Novi Pazar nur 7 unbrauchbare
Kanonen gefunden. Zweimal schlug er den Sturm der Türken auf seine Schanzen
zurück. Ein zur Verstärkung heranziehendes Detachement verliess unglücklicher-
weise die ihm durch den Bischof von Prokuplje bezeichnete Route. Es wurde
von 2000 Türken überfallen, büsste seinen Führer und viele Mannschaften ein;
nur 250 von dem tapferen Rittmeister Nischlmeissel gesammelten Dragonern gelang
es, beinahe gleichzeitig mit unter Graf Thürheim über Razanj heranziehenden
300 Mann Infanterie glücklich Novi Pazar zu erreichen.
Endlich begann man im Hauptquartier die grosse Wichtigkeit des Defilees
von Novi Pazar zu würdigen; wie überall, vereitelte aber auch hier die schlechte
Organisation der Verpflegsanstalten die rasche Durchführung der gegebenen
Befehle. Am 6. August verliess General Schmettau das Lager vor Nis, um über
Prokuplje die Verbindung mit Novi Pazar herzustellen; doch schon aus Kur§umlje
') Übersetzt von joh. N. Üulxsky, k. k. üolmetseh. Wien 1789.
48 Durcli das Raskntal zum Novi Pazar-Defilee.
meldete er, dass auf dem stanzen Wei^e die Dörfer verlassen und weder Brot
noch Fourage aufzutreiben seien. Am 9. traf er in Badajova ein, wo sich ihm
4000 serbische Milizen anschlössen. Wie er berichtete, fehlte es an jeder Nach-
richt über die feindlichen Bewegungen. Anstatt mutig über Podujevo und Vucitrn
vorzugehen, zögerte er utid verlangte eine Verstärkung von 6 Kanonen und
3000 Mann. Brotmangcl zwang ihn endlich, das ganze Unternehmen aufzugeben;
über Kursumlje ging er nach Prokuplje zurück. Nur ein Detachement unter Graf
Festetics, bestehend aus 600 Mann Kavallerie und Infanterie mit den von Lentulus
dringend verlangten Bäckern, Chirurgen und Arzneien, gelangte glücklich nach
Novi Pazar, dessen Lage sich immer bedrohlicher gestaltete, in Mitrovica und bei
Pec sammelten sich die Türken bereits in ansehnlicher Stärke. Die aufständischen
Klementiner und Serben hielten wohl noch immer treu zur kaiserlichen Sache,
unterstützten den Major Grafen Dann bei der Einnahme der von 500 Türken
besetzten Schanze von Sjenica und griffen wiederholt die Arnauten mit Glück an.
Das siegreiche Vordringen der Türken erfüllte jedoch bald, die arme Rajah mit
Schrecken. Weder Lentulus noch Novi Pazar schienen ihr genügenden Schutz vor
der Rache ihrer mit Macht heranziehenden Zwingherren zu bieten, und durch eilige
Flucht in unzugängliche Wälder oder auf hohe Berge suchte sie sich zu retten.
Über den Fortgang des Feldzugs erzählt der türkische Chronist Omer:
„Zu gleicher Zeit setzte auch das im Temesvarer Banat gestandene ungläubige
Kriegsheer über die bei dem Dorfe Rani auf der Donau geschlagenen Brücken.
Hierdurch wurden also beide diese verfluchte Haufen mitsammen vereinigt und
der Schwiegersohn des bösen Kaisers, Herzog von Lothringen, übernahm über
diese gesamte konjungierte Armee das unselige Ober-Kommando." Lentulus erhielt
den Befehl, Novi Pazar zu schleifen und nach Cossumblia (Kursumlija oder
Kursunilje) zur Herstellung der Verbindung zwischen dessen Redoute und Procopia
(Prokuplje) zurückzugehen; seine Ausführung war aber höchst wahrscheinlich
unmöglich geworden, denn Lentulus stand im September vor Uzice.
Die hohe strategische Wichtigkeit der Novi Pazarer Position hätte jede andere
europäische Macht veranlasst, dort ein schwer einnehmbares Fortifikationswerk
zu schaffen; türkischem Fatalismus genügte aber das viertürmige mittelalterliche
Schloss mit verschüttetem Graben inmitten der Stadt, das in gefährlichen Zeiten
allerdings durch einige Schanzen gegen die serbische Seite hin verstärkt wurde.
Nichts war unter solchen Verhältnissen erklärlicher, als die stete Sehnsucht der
Serben, sich dieser schlecht gehüteten, wichtigen Stadt zu bemächtigen, um endlich
über die eingeschobenen moslimischen Elemente hinweg mit ihren montenegrinischen
Stammesbrüdern dem Türkenregiment in „Altserbien" ein Ende zu machen.
Die Rajah konnte es nicht vergessen, dass Karadjordje von den nahen
östlichen Höhen 1809 seine Scharen gegen Novi Pazar geführt, und wenn sie es
konnte, würden doch immer die Hochebenen von Sjenica, auf welchen die
Nemanjidenherrscher in einem Schlosse residierten und die Lateiner starken Handel
mit ihnen trieben, sie daran erinnern, dass diese Zupa 1809, wenn auch kurz,
in ihren Händen war. Der Rajah galt es als Evangelium, Serbien werde
bald wieder das 1809 durch die unglücklichen Ereignisse vor Nis (VI. Kap.)
Durch das RaJkatal zum Nnvi Pazar-Defilee
49
unterbrochene Befrciun^svverk aufnehmen. Von den Hiihen der Nahija Moraca
durcli die Täler des Plasnica und der Tara waren 18t)9 die leichtfiissigen Bewohner
der schwarzen Berge, vereint mit den Insurgenten von Drobnjak und Kolasin, nach
Sjenica geeilt, um Karadjordjes siegreiche Trikolore mit Freudenschüssen aus
ihren langen Flinten zu begrüssen. Viele, oft verheissungsvolle Monde verflossen
auch seit dem Tagei an dem meine serbischen Begleiter angesichts des von
unserem hohen Standpunkte sichtbaren Novi Pazar die Frage an mich richteten:
„Wann werden wir endlicii in die Stammsitze unserer Vorfahren wieder einziehen?"
SOPOCANI. Kirche und türkischer Urcrijpostcn in Allscrhicn
Da kam das Jahr 1S76 voll trügerischer
Hoffnungen. Seine ersten Julitage sahen den linken
Flügel des die „Javor-Armee" kommandierenden
Generals Zach, geführt von dem populären Obersten
Colak-Antic, im Raskatal gegen Novi Pazar sich
ausbreiten, doch wurden die montenegrinischen Falken diesmal vergebens
erwartet; Fürst Nikola kämpfte im eigenen Interesse in der Richtung auf Mostar,
um sich der langersehnten Herzegowina zu bemächtigen. Die serbischen Geschütze
beschossen wohl die türkischen Werke westlich der „Djurdjevi Stubovi" und
am Brückenkopf, doch ohne sie wesentlich zu schädigen; kleine Gefechte mit
den öfters ausfallenden Besatzungstruppen und Basibozuks brachten den Serben
andererseits nur geringe Verluste.
Immerhin behaupteten sie das gewonnene Terrain im Raäkatal länger als
im Drina-, Timok- und Moravagebiet. Ein Streifkorps wurde sogar gegen
Mitrovica entsendet, war jedoch viel zu schwach, um es zu nehmen oder die
F. KAN'ITZ, Serbien. M. 4
50 Durch das Raskatal zum Novi Pazar-Defilee.
Aiisladuiifj der türkischen Nachschübe in der stark besetzten Bahnstation zu
verhindern. Nacii Coiak-Antics Berufung an die Stelle des durch Mehenied Ali
zurückgedrängten verwundeten Generals Zach zum Kommando auf dem Javor
(I. Bd., S. 579) unterblieb hier vollends jede grössere Aktion. Erst im Oktober
kam es zu kleinen Gefechten mit dem aus seiner trefflichen Stellung hervor-
brechenden Gegner, und nach wie vor blieb der Schlüssel zum Golf von Salonik
in türkischer oder richtiger in arnautischer Hand. Denn die Albanesen sind es,
welche die Macht im Novi Pazar-Becken an sich gerissen haben. Erst im September
1894 zeigten sie dies, indem mehrere Tausende Sjenica blockierten und dagegen
' protestierten, dass statt des zehnten der achte Teil der Ernte als Steuer erhoben
werde. Der Mutessarif entfloh, die Kaufleute sperrten ihre Läden, die Einwohner
schlössen sich in ihre Häuser ein. Der Platzkommandant, Major Ejub Bey, traf
energische Massregeln, um die Amanten im Zaume zu halten und suchte um
Verstärkungen nach. Truppen unter dem Kommando Jussuf Pa§as gingen aus
Novi Pazar zum Schutze der bedrohten Stadt ab; doch erst, nachdem die
Forderungen der Aufständischen erfüllt waren, herrschte wieder Frieden in diesem
Teile des „Arnautluks".
I
Auf der Spitze des Kopaonik.
III.
Vom Ibar über Josanica auf den Kopaonik.
DIE Ersteigung des Kopaonik, des höchsten Berges zwischen der Save SO.
bis zum Ballon, bildete den nächsten Programmpunkt meiner Reise. Ami
Boue hatte vor mir diese Partie von Kruäevac über Brus gemacht, der
Afrikaner Barth von der aitserbischen Seite; ich wollte aber die an seinem
Nordfuss liegende berühmte Therme Josanica gleichzeitig kennen lernen und
wählte deshalb dieses zum Aufstiegspunkt.
Unsere kleine Karawane bestand aus dem Kapetan Mihail Petrovic von
Raska, — jenen der „Pribacka Nahija" hielten dringende Geschäfte zurück — aus
dem Ingenieur Klinar, der trotz langer Trennung von Frau und Kind mir dieses
weitere Opfer brachte, und einigen Panduren. Nördlich von Raäka überschritten
wir den durch starke Zuflüsse stark geschwellten Ibar. Fühlbarer Mangel an
Brücken ist eins der schlimmsten Übel für den Verkehr über diesen 234 km
langen, davon 103 durch Serbien laufenden Fluss. Die serbische Regierung fühlt
deren Notwendigkeit und arbeitet emsig an ihrer Vermehrung.
52
Vom Ibar über JoSanica auf den Kopaonik.
Wir hatten vollauf zu tun, unsere mit der starken Strömung kämpfenden
Pferde durch die tiefe Ibarfurt zu bringen. Unsere Panduren flehten den Wasser-
gebieter Sv. Nikola um Hilfe an. Ein Kilometer südlich steht das ihm geweihte
Kloster am türkischen ibar, über welches Ruvarac interessante Daten veröffentlichte. ')
Ohne durch das feuchte Element besonders gelitten zu haben, fanden wir uns
auf dem rechten Ufer zusammen. Zuerst ging es über schönes Wiesenland, dann
auf gutem Reitweg durch prachtvollen Laubwald über massig hohe Berge wie in
einem englischen Park. Hinter Rvati näherten wir uns in langgestrecktem Bogen
den zum Teil entwaldeten Höhen von Pavlica. Beide Orte und auch das
'y'rf'^i
— -V ^ -"^^
PAVLICA. Ansicht der Kirche.
nördliche Piskanja sollen ihre Namen dem Marko Kraljevic danken, welcher auf
dieser Route, nach Kosovo ziehend (?), guten Wein suchte und ihn zu Rvati
fand. An dem nach Pavlica sich hinabsenkenden Wege stiessen wir auf die
vereinsamte Ruine einer alten Kapelle mit drei vorspringenden Apsiden an der
Ostseite und ziemlich gut erhaltenen Fresken, doch ohne jedes kunsthistorische
Interesse. Vor der Mehana begegneten wir dem Popen; freundlich lud er uns zu
kurzer Rast ein, und wir nahmen ein Glas Wein und stiegen unter seiner Führung
zur Kirche von Pavlica hinauf. Jenseits über dem tiefgrünen Ibar lag die auf
dem Ritte nach Raäka geschilderte pittoreske Landschaft von Brvenik, südlich
abgeschlossen durch eine in duftig graublauen Tönen verlaufende Bergkette. Das
schöne Naturbild hielt mich fest, doch mein Forschertrieb siegte, ich schied von
der des Pinsels eines Calame werten Szenerie und trat in den Narthe.x der Kirche.
•) Zeitschrift „Karadzic", Aleksinac 1899, S. 14.
Vom Ibar iiher Josanicn auf den Kopaonik.
53
Bis zum 30. Juni 1860, wo ich vom linken Ibarufer das jenseitige Kirchlein
von Pavlica erblickte, halte ich nie von seiner Existenz gehört. Um so mehr war
ich überrascht, vor einem wahrscheinlich dem 13. Jahrh. gehörenden Denkmai zu
stehen, das längst schon wegen seiner Stilreinheit, seines harmonischen Verhältnisses
und seiner tüchtigen Technik besondere Würdigung verdient hätte. In einem kunst-
historischen Essay glaubte ich denn auch keinen gelungeneren Typus für die
altserbische Bauepoche wählen zu können als die Paviicaer Kirche. ') Leider
stört ihren sUmnuingsvollen Eindruck im Innern der kalkweisse Überzug des
r.W'LlC.A. Injiercs iki I,
Freskenschnuicks und der die Kuppel tragenden Marmorsäulen, welcher auch
eine auf die Stiftung des Baues bezügliche Inschrift decken soll (?). Dass er
jedenfalls vor der Kosovoschlacht (1389) entstanden, zeigt auch das alte prächtige
Volkslied: „Zidanje Ravanice" -) (Der Bau der Ravanica), das keine der vielen
Kirchen der späteren Lazariden nennt, aber unter den gepriesensten Stiftungen
der Nemanjiden „i Pavlicu ispod Jadovnika" (und Pavlica unter dem Jadovnik-
berg) rühmt. Traditionell wird andererseits erzählt: Die „Preprata" (Narthe,\) habe
Filip Latin, ein Mann katholischen Glaubens, gelobt und erbaut, um in seinen
Unternehmungen glücklich zu sein; der angefügte Glockenturm stamme aber aus
noch jüngerer Zeit, was gleichfalls meine Untersuchungen bestätigen. (III. Bd.,
Kap. XVIH.)
') Über alt- und neuserbische Kirchenbaukunst, Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wiss.
Phü. bist. Cl., Bd. 45. Mit 2 Tafeln. Wien 1864.
-) Vuk, Srpske narodne pjesme, I, 205. Belgrad 1887.
54
Vom Ibar über Joäanica auf den Kopaoiiik.
Interessant sind einige im Estrich der Kirche eingelassene alte Grabsteine durch
die originelle Darstellung der Verstorbenen, deren Andenken sie bewahren sollen.
Der grösste Stein gehörte wohl einem Priester, darauf deutet das liturgische
Kleidungsstück des Dargestellten hin; ob es das gewöhnliche Epitrachilion oder
das Omophorion der Bischöfe, ist schwierig zu entscheiden. Letzteres möchte
ich eher annehmen, da die Binde in einen einzelnen Bandstreif verläuft; die
Kopfbedeckung ist aber zweifellos das mönchische Kamilauchion, dessen sich auch
die Bischöfe bedienen. Schwer zu erraten ist der Stand jener Person, welche
ein Kreuz auf der Stirne und ein zweites am Halse zeigt. Gehört der bartlose
Kopf einem Diakon oder vielleicht einer Nonne an? Der dritte Grabstein
verewigt wahrscheinlich einen Krieger; der Schnurrbart gibt dem Kopfe ein
martialisches Aussehen, und unter
diesem erscheint sein Ross mit auf-
gelegtem Schwert. Das Figuralische
aller drei Steine besteht aus von
beiden Seiten mühsam freigeschnittenen
Konturen; die Schlingblattranken der
Randstreifen liegen aber reliefartig auf
dem wenig vertieften Grunde. Das
Technische der Skulpturen erinnert
im ganzen mehr an assyrische und
ägyptische Arbeiten als an das antike
Relief; obschon ohne höheren bild-
nerischen Wert, halte ich diese Steine
— die einzigen bis 1860 gekannten
Serbiens — von hohem Interesse für
dessen ältere Kunst. Nach von mir 1888 in der nördlichen Gruza aufgefundenen
ähnlichen mit Inschriften (I. Bd., S. 174) stammen sie vielleicht aus dem
17. Jahrhundert. Die Steine sind unbeschrieben; vielleicht geben die Rückseiten
über ihr Alter bestimmteren Aufschluss. Schon aus diesem Grunde wäre ihre
Aushebung wünschenswert, wodurch man sie auch an eine Stelle übertragen
könnte, wo sie weniger dem Verderben ausgesetzt wären. Leider begnügten
sich die Herren Valtrovic und Milutinovic, welche 16 Jahre nach mir Pavlica
besuchten, die Kirche flüchtig zu betrachten. Das „schlechte Wetter", welches
sie hinderte, meine Aufnahmen zu vervollständigen'), hätte sie aber nicht abhalten
sollen, etwas für die Rettung der interessanten Grabplatten zu veranlassen!
Von Paviicas Höhen bog der Weg östlich ab, und vier weitere Stunden
brachten uns nach dem berühmten Bade Josanicka Banja, dessen amphybolitischer
Granit weither gerühmt wird. Dort begrüsste uns der Studenicaer iguman, der
sich, während wir in Raska weilten, für einige Wochen zur Heilung alter gichtischer
Leiden dahin begab. Josanicas von Herder mit 78" C. bestimmte Therme
ist die heisseste in Europa, nur in Kleinasien gibt es eine gleich warme. Die
Altstrbische Grabstelin:.
') Glasnik. 47. Bd., 239.
Vom Ibar über Josanica auf den Kopaonik. 55
Hauptqiicllc entstrünit neben sieben kleineren in bedeutender Mächtigkeit dem
quarzig- hnrnbiendigen Schiefer der Brezovica, hart am Westufer des Fkisses
|o§anica, von welchem sie durch eine aufgeführte Mauer getrennt ist. Von ihrem
Fassungspunkt läuft sie gänzlich mineralfrei, also Gastein ähnlich, durch ein Rohr
in das einzige Steinbassin, dessen kleiner Wasserspiegel von einem höchstwahr-
scheinlich türkischen niederen Kuppelbau überwölbt ist. Nur wenige Lichtstrahlen
dringen in den selbst des bescheidensten Komforts entbehrenden Raum. Es ist
kaum anzunehmen, dass unter den durch vollendete Einrichtung ihrer Badeanstalten
berühmten Türken sich Josanicas Therme in gleich vernachlässigtem Zustande
befand; wahrscheinlich wurden" ihre aus Holz errichteten Nebenbauten während
der Freiheitskämpfe zerstört. Die gewiss schon den Römern bekannt gewesene
Therme hat jedenfalls eine grosse Zukunft und ist auch dadurch interessant, dass
hier die perennierende Monokotyledonpflanze „Ciperus vadius" und „C. niger"
häufig vorkommt, die sonst nur bei Aachen im Rheinland gefunden wird.
Nachdem ich ein erquickendes Bad genommen, beschloss ich, sofort nach dem
Kopaonik aufzubrechen. Ich fürchtete den baldigen Umschlag der Witterung, den
ein leichter Mondhof in der Vornacht ankündigte, und mochte nicht durch Zaudern
die weite Fernsicht vom höchsten Punkte Serbiens verlieren. Der Pisar, dem
mein Wohlergehen in der „Nahija Pribacka" von ihrem Kapetan auf die Seele
gebunden war, teilte nicht meine ."Xnsicht. Gern hätte er mich in seinem netten,
durch eine reizende Tochter verschönten Hause nach Serbenart bewirtet. Vielleicht
scheute der nicht mehr junge Mann auch die wenig verführerische Aussicht,
sein bequemes Bett mit einem Lager unter freiem Himmelszelt zu vertauschen.
Ich bestand jedoch auf meinem Entschluss. Mit der Annahme von Cibuk, Slatko
und Kaffee genügte ich serbischer Gastsitte, und gegen 6 Uhr ging es fort mit
einem stattlichen Reitertrupp, dessen Tete der Pisar auf schmuckem Rösslein
bildete. Den Raskaer Kapetan hielten die einladenden Fleischtöpfe im Pisarhaus
zurück, nur der immer gefällige Ingenieur Klinar blieb weiter mein lieber Gefährte.
„Boga mi, Gospodine!" (Bei Gott, Herr!) eröffnete der Pisar das Gespräch,
als wir den gleich hinter Josanica beginnenden Steilpfad aufwärts klimmten, „ich
höre, dass Ihr schon monatelang Serbien bereiset, um es kennen zu lernen; ich
fürchte jedoch, unsere Nahija wird Euch nicht viel Merkwürdiges bieten. Sie ist
arm an Menschen, reich nur an hohen Bergen und dichten Wäldern. Vielleicht
macht Ihr aber zufällig gerade hier ungesucht die Bekanntschaft der viel besungenen
Heiducken. Erst vor wenigen Tagen hörten wir, dass einige schlimme Bursche
unsere Grenze nicht respektieren." — „Sind es Christen oder Türken?" frug ich.
— „Herr, Christen sind es, doch glaubt nicht, dies ändere etwas in der Sache;
der Heiducke macht keine Unterschiede zwischen Türk und Christ, er plündert
beide."
Ein mit Totschlag beendeter Streit im Dorfe, die Furcht vor der Rache
eines durch Selbsthilfe beleidigten Begs, manchmal auch nur der Drang nach
ungezügeltem Leben, vereinigen oft in den serbischen Grenzbergen, namentlich
an der Drina, verwegene Menschen zu gemeinsamen, allen Gesetzen hohn-
sprechenden Banden.
56 Vom Ibar über Josanica auf den Knpaonik.
Prächtig schildert ein Volkslied die Bildung eines solchen Heiducken-
schwarms '):
In die grünen Wälder flüchtet Mihat j Und daran als Reiher vierzig Federn,
Ob des Begen Ljubovic Bedrückung, ] Roman, den bewährten Kampfgenossen,
Flüchtet ins Gebirge, wird lleiducke.
Schwarze Erde isst er da vor Hunger,
Trinkt vor Durst den kühlen Tau der Blätter,
Bis Gefährten er um sich versammelt;
Bojac Vuk, den Sohn der eignen Schwester,
Segavac, den angebornen Vetter,
Ivo, Metropoljanin geheissen.
Nisena. berühmt als kühner Führer,
Vidoje, genannt das wilde Feuer,
Pauk, als Heiducke grau geworden,
Luka Strmogledja, der als Mütze
Trägt die Felle zweier wilden Wölfe,
Stega und den rabenschwarzen Gavran
(Stega wacht, der schwarze Gavran bindet,
Wen er bindet, dem wird eng das Herze!),
Jerko, jenen Hirten auch des Waldes,
Der die Keule trägt von Kornelholze,
Dran allein das Holz wiegt sieben Oka,
Neun jedoch die drei gewalt'gen Ringe.
Da nun Mihat um sich sieht die Freunde,
Spricht er zu den Freunden diese Worte:
„Höret mich, o Brüder und Gefährten,
Höret, was vor allem wir beginnen —
Ziehen hin und plündern aus den Begen!"
Der Heiduck wird zum Schrecken der Nachbarschaft. Er lebt im Kriege
mit den Behörden und bleibt ihrem Arme oft unerreichbar, da er gleich dem
ungarischen „szegeny legeny" (arme Bursche) auf entlegenen Gehöften durch mit-
leidige Verwandte mit Lebensmitteln versehen wird und, wenn dort aufgespürt, im
dichten Walde sichere Verstecke findet. Diese offene und geheime Unterstützung
des noch aus der Türkenzeit mit einer Art romantischer Heldenglorie umhüllten
Räubertums führte früher die serbische Justiz zu einer dem europäischen Rechts-
gefühl fremdartigen Übung. Der Familie des flüchtigen Räubers ward nämlich
ein beliebiges Glied entnommen, das bis zu seiner Einlieferung in Haft bleiben
musste, und noch gegenwärtig wird manchmal die ganze Familie des Räubers in
einen fernen Bezirk versetzt, damit ihm deren Schutz entzogen werde. Die
Sympathie für abgeurteilte Verbrecher bestimmte oft nicht nur seine nächsten
Angehörigen, sondern auch sein Dorf, die Behörden und, wenn dies nichts half,
selbst den Fürsten in rührend abgefassten Bittschriften um den Straferlass zu
bestürmen. Dies geschah so häufig, dass die Regierung auf der Preobrazenska
Skupstina 1861 ein Gesetz einbrachte, welches der Verwendung von Gemeinde-
siegeln für derartige Petitionen steuern sollte.
Die uns in Aussicht gerückte Begegnung mit dem romantischen Heiducken-
völkchen rief die Erzählung ernster und heiterer Abenteuer hervor, welche die
„Helden der Waldgebirge" zum Gegenstand hatten. Ein Pandur rühmte den
neben der Kirche zu Kriva Reka (NO. von Josanica) ruhenden Heiducken Radosav
Jerac, zu dessen Bewältigung die Türken elf starke Leute dingten. Seine an allen
Raubzügen bewaffnet teilnehmende Frau kaufte in Studenica eine 1 1 Mannssohlen
lange marmorne Grabplatte, denn so riesig war seine Körperlänge (!). Unter derartig
romantisch ausgeschmückten Räuberlegenden verfloss die Zeit rasch, und nach zwei-
stündigem Aufsteigen erreichten wir auf einer üppig grünen Waldwiese die Scheide
zwischen den mit rotfrüchtigem Wachholder, tatarischem Ahorn und anderen
Laubbäumen bestandenen Vorbergen des Krtpaonik und seiner Nadelholzregion.
') Kapper, Gesänge der Serben, I, 137.
Vom Ibar über Joäanica auf den Kopaonik. 57
„Hier lasst uns Hütten hauen", rief der Pisar den uns begleitenden, mit
Lebensmitteln, Aexten, Brettern heladenen Bauern zu, und nun bot sich mir
Gelegenheit, das angeborene Talent, die Beweglichkeit und den praktischen Sinn
dieser einfachen Natursöhne neuerdings zu bewundern. Rasch verwandelten sie
sich in wohlgeschulte Pioniere; wenige prüfende Blicke genügten zur Auswahl
der zu fällenden Stämme, im nahen Walddickicht wurde der Klang arbeitender
Aexte vernehmbar und bald erschienen die kräftigen Männer mit den vom
Geäste befreiten Stämmen und vollendeten in kaum einer halben Stunde einen
Bau, der uns Schutz gegen den Nachtfrost gewähren sollte, aber für eine Ewigkeit
gezimmert schien; auch die kleinsten Lücken waren sorgfältig mit Laub geschlossen.
50 Schritte entfernt erhob sich gleich rasch eine Hütte für unsere Pferde. Mit
dem Einbruch der Nacht ward die Szene phantastisch-romantisch. Vor unserem
Biwak brannte ein „lebendes" Feuer, das alle Schatten in riesiger Verlängerung
weithin auf den Plan warf; nicht etwa Gezweige oder Äste nährten es, solch ein
Feuer würde Serben nur wenig Freude gewähren, nein, ganze Stämme loderten
in hellen Flammen bis zum frühen Morgen eiupor.
Selten sah ich solchen Waldreichtum, aber auch solche Waldverderbung,
wie in Serbien. Wohl 30 kräftige Stämme wurden unserem Biwak geopfert.
Ähnliche schonungslose Missachtung des Waldes hat die einst baumreiche
Provence, das früher gesegnete Aragonien, ja den grössten Teil Spaniens und den
uns viel näheren österreichischen Karst in Wüsteneien verwandelt. Soll der
Schützer aller menschlicher Wohlfahrt, der schon gegenwärtig in Serbien stark
gelichtete Wald, nicht auch dort für künftige Generationen unrettbar verloren
gehen, so müssen seine Staatsökonomen dieser wichtigen Frage die ernsteste
Aufmerksamkeit widmen. Wohl wurde 1861 ein paragraphenreiches Gesetz
„zum Schutze des Waldes" publiziert, damit war aber in einem Lande nichts
getan, wo es an rationell wirtschaftenden Grossgrundbesitzern, an land- und
forstwirtschaftlichen Vereinen, ja geradezu an jedem Organe mangelte, das diese
Verordnung zu würdigen und ihr durch praktisches Eingreifen bei den Massen
Eingang zu verschaffen verstand; sie blieb daher ein toter Buchstabe, denn wie
der Pisar richtig meinte, scheitern die besten Massregeln an der zähen Vorliebe
rfer Bauern für das Hergebrachte.
Starres Festhalten am Alten ist jedoch überall heinusch, wo der erschwerte
Verkehr mit weiter vorgeschrittenen Völkern diese Charakterzüge gewissermassen
verknöchert. Ich erinnere an die 1856 in Tirol eingeführte Forstorganisation,
welche trotz ihrer augenscheinlichen Nützlichkeit schon 1859, auf Andringen der
sonst ihre Teilnahme am Feldzuge gegen Italien verweigernden Tiroler, wieder
beseitigt werden musste. In ausserhalb des grossen Weltverkehrs liegenden
Ländern ist es aber um so mehr die Pflicht einer vorsorglichen Regierung, mit
Verzicht auf wohlfeile Popularität, durch Strenge unabweisbaren Forderungen des
Staatswohls zum Siege zu verhelfen. Norwegen, dessen Bauernstand nicht weniger
einflussreich und nicht minder vorurteilsvoll als der serbische ist, gibt nach dem
Ausspruch des sächsischen Forstmannes Baron v. Berg ein lehrreiches Beispiel,
in welcher Weise forstliche Verbesserungen eingeführt werden können.
58 Vom lliar über Josanica auf den Knpaonik.
Mit der neiiestens erfolj^tcn Anstellung eines Suniar für die aiisü;cdeiinten
Waldungen am Kopaonik ist nichts getan. Zudem sitzt er meist in Brus und
weniger auf dem Jelak. Von seiner dortigen Hütte macht er wohl Streifzüge, doch
vermag er mit einigen ungeschulten Aufsehern das gewohnte Treiben der Bauern
nicht zu hindern. Sowohl die nördlich vorherrschenden Tannenforste, wie die
südlichen Lärchenwälder werden nach wie vor stark verwüstet; denn findet der
Bauer sein Feld schlecht, brennt er, um nicht düngen zu müssen, den nahen
Waldteil ab und bearbeitet diesen.
Während unseres Gesprächs über den serbischen Wald waren des Pisars
Söhne eifrig mit der Bereitung des Nachtessens beschäftigt. Neben dem mit-
gebrachten Vorrat an Brot, Rahm, Käse, Eiern Hessen wir uns besonders die an
Holzspiessen trefflich gebratenen Hühner munden. Das Klirren der Gläser, für
deren Füllung mit Wein der Pisar aus einer riesigen Cutura eifrig sorgte, begleiteten
serbische und deutsche Trinksprüche. Über den waldigen Hintergrund trat der
Mond hervor, doch leider nicht mit dem strahlenden Glänze, der uns die Raskaer
Nächte verschönte. Verdüstert durch leichte Wolkenschichten, verkündete sein
breiter Hof nicht viel Gutes; trotzdem hofft man in solchem Falle auf einen plötz-
lichen Wechsel, auf irgendeine günstige Luftströmung. Auch wir verloren unsere
gute Stimmung nicht. Der Aufbruch wurde für die vierte Frühstunde beschlossen.
Unsere Panduren und Bauern wollten, am hell lodernden Feuer die Pferde
bewachend, den Anbruch des Tages erwarten. Ein vielstimmiges „laku noc"
(leichte Nacht!) begleitete uns in das geräumige Laubzelt.
Durchdringender Kälteschauer weckte mich lange vor der bestimmten
Stunde; ich hüllte mich tiefer in meinen erprobten steierischen Lodenmantel; es
half nichts; so suchte ich das Lagerfeuer auf, das seinen einladenden Schein in
unser Zelt warf. „Imacemo magle!" Wir bekommen Nebel, lautete der untröst-
liche Empfangsgruss der Wache haltenden Bauern. Die zunehmende Kälte hatte
auch den Ingenieur und Pisar auf die Beine gebracht, und wir berieten, was
unter den schlechten Wetteraussichten zu tun. Ich entschied mich für das
Wagnis, denn schlimmstenfalls gedachte ich den Umschlag der Witterung in einer
Karaula nahe dem Kopaonikgipfel abzuwarten.
Es wurde gesattelt, und nachdem ein verlaufenes Pferd mit vieler Mühe
aus dem Walddickicht geholt worden war, setzte sich unsere Karawane in Marsch.
Schwarzer Kaffee, mit Rum gewürzt, wirkte erwärmend, und eine Galoppade über
den tauigen Wiesenplan gab unseren vom Nachtfrost steifen Gliedern ihre
Elastizität wieder. Bald unterbrach jedoch der Eintritt in das erste Nadelgehölz
die willkommene Bewegung. Unser Weg blieb SSO. Die Passage wurde mit
jedem Schritte schwieriger. Wir vertieften uns in einen Urwald, dessen Boden
eine verwesende Baumgeneration bedeckte. Bald erschien es unmöglich, zu
Pferde über die sich mehrenden Hindernisse wegzukommen; wir folgten dem
Beispiel unserer Eskorte, sassen ab, führten die Tiere am Zügel und kletterten
über die mächtigen, ihre morschen Riesenarme uns entgegen streckenden Mumien.
Viele Bäume fand ich, ihrer schützenden Hülle beraubt, vorzeitigem Verderben
preisgegeben. In diesem ärmlichsten Teile Serbiens werden nämlich die Häuser
Vom Ibar über Joäanica auf den Kopaonik. 59
grösstenteils mit Rinde gedeckt. Ausserdem kündete nicht die geringste Andeutung,
dass die Majestiit dieses Urwaldes durch menschliches Treiben gestört werde;
kein Laut war zu hören, selbst die befiederten Sänger schienen die das Gemüt
beengende Waldhekatombe den heiseren Klagerufen der Raben und Dohlen
überlassen zu haben.
in drei Stunden erklommen wir die drei mächtigen Kämme, in welchen der
Kopaonik von Norden her ansteigt. Den üppigen Hochwiesenboden überlässt
die Regierung den nahen Gemeinden gegen geringen Pacht als Weide. Seine
perennierenden Kräuter, gemengt mit phäorogamen, sind besonders als Schaffutter
hochgeschätzt, doch wachsen sie jetzt nicht mehr so reichlich, weil sie von den
Tieren bis auf die Wurzel abgefressen und so zerstört werden. Im Frühjahr
1888 pachteten Crnovunci hier ausgedehnte Triften auf den rundkuppigen, wald-
losen Bergen Zedja und Mramor, von welchen sie im August nach der südlicheren
Toplicka ravnica bei Zemanica zogen. Es waren zwei Trupps mit 5000 schwarzen,
sprödwolligen Schafen, von welchen der eine die gewonnene Milch mit 23 Centimes
per kg an den Spagnuolen Hajim verkaufte. Dieser nur drei Stunden schlafende,
rastlos tätige junge Mann fabrizierte unter der Karaula Becirovac Kaäkavalj Käse
und verkaufte ihn zu Cacak in Laiben ä 1,5 kg zu 2.50 d. Die zweite Truppe
bezahlte — wie mir Sima Trojanovic erzählte — ihren Spagnuolen und half ihm
bei der für eigene Rechnung betriebenen Käsebereitung. Diese aus dem Dorfe
Sirak bei Janjina stammenden thessalischen Wanderhirten, welche die Griechen
„Vlachos" nennen, verliessen ihre Heimat vor nahezu vierzig Jahren anlässlich
der von Ali Pasa geübten Grausamkeiten. Ihre Sprache enthält viele griechische
und andere fremde Anklänge; so heissen: Mensch = anfropos, Schaf = provadina,
Wasser = nero. Gras = horten, Haus=spit, Gürtel = silav, Lied = tragut, Brot
= psomi usw. Mein im VIII. Kap. erzählter Besuch bei den Crnovunci auf der
Suva Pianina bringt eine detailliertere Schilderung dieser interessanten Nomaden
aus den olympischen Gefilden.
Mit dem Beginne des vierten, letzten Kammes endete die Baumregion und
begann dichtes Wachholdergesträuch. Gegen Mittag standen wir auf der 2140 m
hohen Spitze des Kopaonik. Die am Fusse des Berges angesiedelten Hirten
meinten: „Oben, Herr, erblickt Ihr die ganze Welt!" Eine ungekannte Welt, wäre
treffender gewesen, hätten die naiven Gebirgssöhne geahnt, wie wenig richtige
Kenntnisse wir damals von diesem wichtigen Gebiete besassen.
Nur kurz blieb die Aussicht frei und offen. Wir blickten hinab in die Täler
der Raska und Rasina, deren Quellen dem östlichen Kopaonik entfliessen. Dann
zogen sich aber gegen Norden graue Wolkenschleier rasch, wie richtig ineinander-
greifende Dekorationsstücke, zusammen, über welche nur die höchsten Spitzen
des Djakovo (1528 m), Troglav (1221 m), Stolovi (1443 m), Zeljin (1836 m) und
der Cemerno (1649 m) emporragten. Im Süden zeigten sich, durch eine weite
Lücke des riesigen Vorhangs, bald von eilenden Wolkenschatten verdüstert, bald
wieder minutenlang vom prächtigsten Sonnenlicht übergössen, die Gebiete der
Sitnica, des Ibars und albanesischen Drins bis zum 2510 m hohen §ar. Süd-
westlich begrenzten der 2ljeb (2213 m) und die Mokra Planina die Aussicht;
60 Vom Ibar über Josanica auf den Kopnonik.
während westlicli, über dem Raskabassiii und Novi Pazars Minaretts, die schneeigen
Doloniitpyramiden des Durmitor (2528 ni) als höchste Spitzen der Bosnien von
der Herzegowina trennenden Gebirgskette aufleuchteten. Gegen Südosten waren
über der charakteristischen Suva Planina die Profile der weitgestreckten Balkan-
kette wohl zu unterscheiden. Am längsten blieb die Fernsicht in der Richtung
des Labs offen, der im südöstlichen Kopaonikzweig entspringt und bei seinem
60 km fernen südlichen Ausläufer Marinacka Greda in die Sitnica fällt.
Eine melancholisch stimmende Farbe lag auf diesem altserbischen Land-
strich, auf seiner einst stolzen Zarenstadt Pristina, in welcher Kantakuzenos und
der Serbenzar Dusan, die Herrscher über Ostroms Länder, zum Abschluss ihres
kurzen Freundschaftsbundes 1342 sich begegneten. Düsteres Grau färbte auch
den fernen Sar so traurig, wie die historischen Erinnerungen, die an seiner
Umgebung haften. Südwestlich, auf der äussersten Sehlinie, lag jenes Schloss
Kacanik, wo 1690 der türkische Feldherr Mustafa, verstärkt durch die von dem
unklugen kaiserlichen Oberst Strasser zum Abfall gereizten clementinischen
Hilfsvülker, diesen besiegte. Die Leichen Strassers, des heldenmütigen Prinzen
von Hannover, der Grafen Styrum, Gronsfeld und Auersperg blieben auf dem
mit deutschem Heldenblute reichgetränkten Schlachtfelde. Bezeichnet dieser
traurige Tag den Beginn der grossen Unglücksfälle, welche den Verlust der
rasch eroberten türkischen Nordprovinzen für den Kaiserstaat herbeiführten,
so erinnert die Hochebene, hart an der Sitnica, an grosse, verhängnisvoll
gewordene Momente, welche für Jahrhunderte den europäischen Südosten
asiatischem Barbarismus überantworteten. Welcher Geschichtskundige könnte bei
dem Anblick des einst seebedeckten Kosovo (Amselfeld) gleichgültig bleiben, auf
dem Ungarn, Polen, Walachen, Bosnier und Serben zweimal die blutigen Schlacht-
würfel über ihre Zukunft entscheiden Hessen, auf dem Sultan Murat I. und der
heilig gesprochene Serbenfürst Lazar 1389 an einem Tage ihre Seelen aushauchten,
auf dem 1449 Ladislaw Hunyady von Sultan Murat 11. bis zur Vernichtung geschlagen
wurde. Man möchte dieses Unglücksfeld die Wiege der orientalischen Frage
nennen; wollte die Vorsehung, dass sie dort auch zum Heile unseres Weltteils
ihr Grab fände!
Schon die hier berührten, nur der neueren Geschichte entnommenen Momente
zeigen, dass man von der Kopaonikspitze auf ein für den Historiker und Politiker
gleich interessantes Stück Welt blickt. Aber auch für den Ethnologen birgt dieser
Teil des illyrischen Dreiecks zahlreiche ungelöste Probleme, denn er wird von
Völkern bewohnt, deren Ursprung vielfach noch aufzuhellen ist. Den Etymologen
gelang es wohl, einiges Licht in das Sprachengewirr des europäischen Ostens zu
bringen; Niebuhr, Diez, Fallmerayer, Safarik, Bopp, Hahn, Miklosich u. a. werden
stets ehrend genannt werden, und doch ist noch die Herkunft der Albanesen,
jene der Macedovlachen u. a. unaufgeklärt. Hängt die Lösung solcher Auf-
gaben mit der Hebung des Dunkels zusammen, das teilweise noch auf der
ältesten Geschichte dieser Länder ruht, und harrt dort auch des Archäologen
manche dankenswerte Arbeit, so bleibt gleichviel bezüglich der physikalisch-
geographischen und topographischen Erforschung dieser Gebiete noch zu
Vom Ibnr über Josnnica niif den Knpnonik. 61
fi;eschelicn, obgleiiii in den letzten Dezennien einiges in dieser Riclitunij;
gescliaii. Nocii 1853 zeigte Kieperts relativ beste Karte um den Kopaonik
zwischen der Sitnica und Juzna (Binacka) Morava ein Terrain von etwa 30 Quadrat-
meilen, flach, unbevvässcrt, unbevölkert, das in Wirklichkeit mit Gebirgen, Flüssen
und zahlreichen Orten überzogen ist. 1863 gab Konsul von Hahn der erstaunten
Welt Kenntnis von einer makedonischen Stadt, die auf unseren Karten fehlte;
1862 fand ich in Bulgarien eine solche, die bei Kiepert als vereinzelter Turm
figurierte, in ihrer Nähe eine Festung, die dort als offene Stadt angedeutet
erschien, 1864 suchte ich am Sveti Nikola-Balkan drei Städte derselben Karte
vergebens; und welche riesige Arbeit meiner im Zentral- und West-Balkan
wartete, wird im Vlll. Kapitel angedeutet.
Wenig begünstigte mich mein Reiseglück auf dem Kopaonik. Ausser seiner
richtigeren Eintragung war es mir leider nicht vergönnt, von dem mühsam
errungenen Aussichtspunkte Beiträge zur kartographischen Darstellung seiner
Umgebung zu sammeln. Nur ahnen konnte ich die Schönheit und Pracht der
weiten Landschaft, die gleich einem unberührten Schatze zu innigerer Versenkung
in ihr wech^elreiches Detail einlud; die Erfüllung der Wünsche Aini Bouös und
Patons, welche 1836 und 1843 den Kopaonik bestiegen hatten, musste ich leider
glücklicheren Nachfolgern überlassen. Während ich die ersten Striche zur
Krokierung des grossartigen Rundbildes entwarf und die wichtigsten Punkte
festlegte, schlössen sich die grauen Schleier nach allen Seiten zusammen. Ein
weithin wogendes lichtes Wolkenmeer isolierte uns auf der 2140 m hohen Kuppe
von aller Welt; nur einige beutelustige Adler kreisten in weiten Ringen hoch
über unseren Köpfen.
Auf dein Kopaonikgipfel angelangt, wurden sofort einige Schüsse abgefeuert,
um der Besatzung der nahen Karaula Suvo Rudistc unsere Ankunft anzuzeigen.
Wir hörten unsere Gewehrschüsse erwidern, und kurz darauf erschien der
Buljukbasa und ein Pandur, beide kämpf- und wetfergebräunte Gestalten, die wir
zunächst mit Fragen über unsere Wetteraussichten bestürmten. „Oft hatten wir
schon acht Tage lang Nebel, manchmal werden sie aber durch gute Winde
zerrissen, und wir können bis ins Arnautluk hinabsehen!" lautete die Antwort.
In jenem Augenblick hörte ich, geleitet von meinen Wünschen, nur den zweiten,
günstig lautenden Teil unseres meteorologischen Orakels und wollte im Blockhaus
seine Erfüllung erwarten.
Ich liess es ruhig geschehen, dass der mit meinem Entschluss wenig ein-
verstandene Pisar, eine unaufschiebbare Amtshandlung vorschützend, mich verliess,
ebenso Herr Klinar, dem seine Pflicht kein längeres Verweilen gestaltete. Herzlich
dankte ich ihm für alle mir erwiesenen guten Dienste. In der Nähe einer Feuer-
stelle, wo nach des Buljukbasas Meinung in letzter Nacht „arme Strolche" gelagert
hatten, teilten wir den Rest unseres Rotweins und schieden. Nach wenigen
jMinuten waren die Gefährten meines Delavackaer Biwaks in dem sich immer
stärker verdichtenden Nebel verschwunden; nur ein Pandur blieb als mein Begleiter
bis zur Kreisgrenzc zurück. Allein stand ich nun auf der isolierten Bergkuppe,
allein mit den wild aussehenden Grenzwächtern, ein Fremder unter Fremden. Ich
62 Vom Ibnr über Josnnica auf den Kopaonik.
erinnerte mich plötzlich der schiiinnien Din^e, die ich über Pandurenverlässliciikeit
gehört, der abstossenden Figur Ivo Rakovs von Po2ega, und daneben zeigte
sich der Grabhügel im Waldmünster des Djakovo; war es nicht ratsamer, mit dem
Pisar nach Josanica zu ziehen — nur eine Minute schwankte ich, dann folgte ich
dem Buljukbasa; auch wir stiegen abwärts, doch in entgegengesetzter Richtung,
nach Serbiens höchster Karaula.
Eine reiche, farbenprächtige Flora bedeckt den Granat und Vesuvian, welche
die beiden höchsten Kuppen des Kopaoniks konstituieren. Über einen wahren
Blumenteppich schritten wir hinab und manch seltene Pflanze bereicherte das
Herbarium, welches ich für Prof. Pancic, den verdienstvollen Autor der „Flora
der Serpentinberge in Mittel-Serbien", angelegt. In einer halben Stunde standen
wir vor dem Palisadenzaun der Karaula, deren kaum sichtbares Dach wenig über
ihn hervorlugte. Die Gesetze des Harmonisch-Schönen auf das Blockhaus Suvo
Rudiste angewendet, hätte dieses mit dem an jenem Tage auf seiner Architektur
lagernden bleifarbigen Luftton den Preis im Wettkanipfe des Hässlichen gewonnen.
Um den in der baumlosen Höhe heftig wütenden Stürmen widerstehen zu können,
lag es zur Hälfte in die Erde eingegraben und sein über derselben sichtbarer
Teil glich weit mehr einem vergrösserten Maulwurfshügel, als einem Aufenthaltsort
für Menschen. Als ich das heitere, anziehende Leben in den Karaulen an der
Drina beschrieb, kannte ich noch nicht seine wenig beneidenswerte Kehrseite auf
und nahe dem Kopaonik, zu dessen Illustrierung Bogumil Golz gewiss ein Dutzend
neuer Kraftausdrücke erfunden hätte. In solchem Falle ersetzt jedoch der Stift
ein ganzes Lexikon von Epitheten, und da ich ihn leidlich zu führen verstehe,
mag meine Skizze das Blockhaus vergegenwärtigen, in dem sich mir die tröstliche
Aussicht eröffnete, einige Tage zu verleben.
Als ich mit dem Buljukbasa Jakov Gursovic in den verpalisadierten Raum
trat, sah ich nichts von der Karaula; denn vier, ihre langen Gewehre militärisch
präsentierende Panduren deckten sie vollkommen mit ihren robusten Gestalten. Es
erfolgte eine Art Vorstellung, und die rauhen Männer schienen erfreut über die
Ankunft ihres Gastes. Zwei machten sich an die Unterbringung der Pferde, andere
brachten Rakija und suchten durch häufiges Zusprechen meine gesunkenen Lebens-
geister zu erfrischen; doch der Abend brach an, und ich warf mich auf eine der mit
Heu und Wolldecken gepolsterten Pritschen, welche den Panduren als Sitz und
Bett dienen. Im Nachsinnen über das Untriistliche meiner Lage eingeschlummert,
weckte mich bald die Augen stark belästigender Rauch; im ersten Moment
glaubte ich, die Hütte brenne, und da gleichzeitig einige Schüsse fielen, dass
vielleicht Heiducken das Blockhaus überfallen und in Brand gesteckt. Meine Wirte
hatten jedoch nur Feuer im Zentrum des niederen Raumes angezündet, um eine
wärmende Milchsuppe für mich zu kochen, und die Schüsse waren Willkommen-
grüsse einiger von der nahen Karaula Becirovac heraufgestiegener Panduren, die,
von der Ankunft des Fremden gehört, etwas Brot, Käse und Eier brachten, um
ihre Kameraden in dessen Bewirtung zu unterstützen. Bei meiner durch Monate
geübten Abgewöhnung jeglichen Komforts wäre es mir also in dem selbst gegen
unsere Sennhütten zurückstehenden Blockhaus ohne den abscheulichen, mit
Vom Ibar über Josanica auf tieii Kopannik.
m
Tabak- und Rakijagerucli ,neschwän,ü;ertLMi, ver},'eliens Abzuj,' suclieiuieii Qualm t;anz
ertraj^lich ergangen; dieser zwang mich aber, trotz der schneidend kalten Lult, das
Freie aufzusuchen. In meinen Mantel gehüllt, lehnte ich an einem Palisadenpfahl,
blickte hinüber auf die durch den Plot (Zaun) markierte nahe Grenze und
gedachte der grossen Veränderungen, welche das türkische Regiment in diesen
Bergen bewirkt hatte.
Nicht immer waren sie gleich verödet, so arm an Menschen mui an Kultur.
Den Rümern schon bekannt, blieben sie bis zum 15. lahrh. das Arbeitsfeld einer
Serbiens höchste Karaula.
durch Ragusaner und Sachsen in grossem Massstabe betriebenen lirzindustrie.
Schon der Name Kopaonik, von „kopati" (graben) abgeleitet, deutet auf diese.
Man hegte selbst die trügerische Hoffnung, am Kopaonik alte Salzgruben wieder
aufzufinden.
Die Vorsehung, welche Serbien so überschwenglich bedachte, die ihm neben
ergiebigstem Ackerboden waldbedeckte, reichste Metallschätze bergende Berge
gab, enthielt ihm nur ein für den häuslichen Bedarf, wie für nationalökonomische
Zwecke gleich wichtiges Mineral vor, das Salz. Es fehlte nicht an Versuchen,
den versagten Schatz aufzufinden, da salzige Wasser an verschiedenen Orten des
Landes auf Salzlager in tieferen Lagen hindeuteten. Seit Herders bergmännischer
Reise (1835) im Auftrage der serbischen Regierung, bis-auf den serbischen Geologen
64 Vom Ibar über Jnsanica auf den Kopaonik.
2ujovic haften viele In- und Ausländer eifrigst Salzlagern nachgespürt. Selbst
auf unbestimmte Angaben von Laien hin wurden kostspielige Forschungen angestellt,
stets jedoch erfolglos. Beispielsweise machte 185(5 ein in Belgrad zum Tode
verurteilter Räuber, der wahrscheinlich die traditionelle Sage kannte, dass der ein
dem Steinsalze ähnliches Mineral bergende „Psolog" früher „Solak" (Salzberg) hiess,
welche das knollenartige Vorkommen von Braunspat im Syenit wahrscheinlich
veranlasste, sich gegen Begnadigung anheischig, einen Ort im Kopaonikgebirge
zu bezeichnen, an dem er während seines Heiduckenlebens Salz gefunden hätte.
Von Panduren und einem höheren Bergbeamten begleitet, wurde die Reise angetreten,
doch schon bei Josanicka Banja, am Fusse des Kopaoniks, wurde er ängstlich,
seine Überwachung aber um so strenger; dessenungeachtet täuschte er seine
Eskorte und entfloh. Im Jahre 1891 glaubte man wieder Salzadern im Uzicer
Kreise auf der Spur zu sein, doch bewahrheitete sich die Nachricht nicht.
Der Kopaonik, diese grösste Eruptivzone des Königreichs, gilt auch als
dessen reichstes Erzgebiet. Verraste Schlackenhalden und Pingenzüge beiGrasevci
und Brzece gehörten einem alten Silberhüttenbetrieb an, ebenso jene an der
Dobrodolska- und Crvena Reka, an welcher die Mauern einer zerstörten
Bergstadt und Reste ehemaligen Bergbaues erhalten blieben. Dass die Ragusaner
noch um 1426 in dieser Gegend sich aufhielten, wird durch ein das heute noch
bestehende „Livada" an der Grasevacka Reka erwähnendes Schreiben bezeugt.
Aber auch am Nordhange des Kopaoniks erscheint ihre eifrige montane Tätigkeit
noch im 15. Jahrh. erwiesen. Auf dem Becirovac sind ein wahrscheinlich der
Silbererzformation angehörender Haupthaldenzug mit mehreren parallel streichenden
Pingenzügen sichtbar und Gangmassen von Eisenstein, der wohl, gleich dem
nördlicheren Srebrnac (Silberberg), die Erze für die Hüttenwerke an der Grase-
vacka lieferte. Verraste Schachte und Stollen sieht man auf dem Kovacevac
und Lasnojevac, bei welchen ein mächtiger Bleiglanz, gelbe Blende, Schwefelkies,
Kupferkies und Braunspat führender silber- und goldhaltiger Hauptzug zur Auf-
nahme des lange ruhenden Betriebs einladet. Dasselbe gilt von der benachbarten
Mine bei Rudnjak, deren Eisenstein Silberspuren enthält, und dem silberhaltigen
alten Bleiglanzbau bei der noch im 15. Jahrh. grossen Stadt Plana, mit ragusanischer
Kolonie, einem Konsul und katholischer Kirche; ferner von vielen grossen Erz-
bauen im türkischen Kopaonikgebiet. Ich nenne von diesen hier nur das von
Herder besuchte Eisenwerk an der Samokovska Reka, welches zuletzt dem
Pascha von Novi Pazar gehörte und erst im Freiheitskrieg zerstört wurde, die
östlich von Mitrovica gelegene grosse Stadt Trepca mit ragusanischer Kolonie
und das Städtchen Brvenik am Labfluss mit katholischer Kirche, über welche
Jirecek interessante Daten gab.
Der Raum gestattet es leider nicht, hier sämtliche durch die tüchtigen Berg-
männer Milojkovic und Gikic im Kopaonikgebiet untersuchten Minen zu nennen.
Sie halten jene am Suvo Rudiste als wichtigste für Eisen und Kupfer und jene
des südlicheren Belo Brdo als solche für silberhaltiges Blei. Das von Lozanic
„Aleksandrolit" getaufte, dem „Avalit" und „Miloäin" ähnliche Mineral vom
Kopaonik wird vom Belgrader Hochschulprofessor Urosevic auf Grundlage
Vom Ibar über Josanica auf den Kopnonik.
G5
seiner physikalischen Eigenschaften dem Kaolin gleichenden, chromhaltigen
Glimniervorkommen zugezählt.
Die Stätte, auf der ich übernachtete und auf der jetzt nur das Waffengeklirr
verwilderter Heiducken und Panduren erklingt, widerhallte jedenfalls einst vom
Hämmern fieissiger Bergleute, von welchen zwei vielleicht unter den Steinen mit
altslavischcn Inschriften bei dem nahen südöstlichen Zaplanina ruhen. Nach der
Buljukbasa von Suvu Rudiite.
Tradition soll zu Suvo Rudiste sogar auf Gold gebaut worden sein. Herder
hielt es für möglich und empfahl schon 1835 dort die Errichtung staatlicher
Hüttenwerke. Die günstigen Urteile auch anderer Fachmänner über die reichen
Erz- und Forstschätze am Kopaonik veranlassten viele Projekte zu ihrer Verwertung.
Auch der im I. Bande wiederholt erwähnte Clifton Child erwarb 1888, wie man
mir sagte, für das Londoner Haus Rothschild eine Vorkonzession für das gesamte
erzreiche Gebiet; es sollte eine Bahnlinie nach Mitrovica gebaut werden usw.
Doch verlautete bisher nichts von der Verwirklichung dieser Pläne. Vielleicht
I-. KANITZ, Serbien. U. ■''
66 Vom Ibnr iihcr Josanicn auf den Kopaonik.
sali man davon ab, weil am Kopaonik- Ibarhange 25000 Hektar Koniferen durcii
Borkenkäfer verwüstet und, was geblieben, wegen der schlechten Kommunikation
schwer verwertbar war.
Guslaspiel und Gesang endeten meine wirtschaftlichen Vor- und Rückblicke.
Der Abend brach an, die fremden Besucher kehrten heim. Das Hinauswerfen
der grösslen Feuerbrände gestaltete den Aufenthalt in der Karaula etwas erträg-
licher, und eine Tasse „Caj" wirkte belebend. Bei einer Wiener Apollokerze
vervollständigte ich mein Routier, bis ich, eingeschläfert durch die monotonen
Heldengesänge, müde auf mein Lager sank. Ob das Heulen des Sturmes, das
mit dem Rollen des Donners wetteifernde Schnarchen der Panduren, der schrille
Anschlag des riesigen Karaulahundes, das schneidende Eindringen der frostigen
Nachtluft durch die Schiessluken dicht über meinem Lager und kleiner Giessbäche
durch die schadhafte Bedachung, nur überreizte Einbildung oder Wirklichkeit
gewesen, wusste ich am nächsten Morgen bei der fieberhaften Eingenommenheit
meines Kopfes nicht genau. Mein durchnässter Mantel und übel mitgenommenes
Herbarium sprachen allerdings für das letztere. Strömender Regen fiel auch am
nächsten Tage. Einstimmig meinten die Panduren, dass durch mehrere Tage kein
Wetterumschlag zu hoffen sei. Zum erstenmal auf dieser Reise war mein guter
Stern mir untreu geworden. So ritt ich denn schweren Herzens gegen Mittag
nordöstlich hinab zur Karaula Becirovac. Dort begegneten wir einem Boten
aus Brzece, der mir die Einladung des Kapetans von Vitkovo zur Saborfeier am
Fusse des Kopaoniks brachte. Ich durfte hoffen, Leute, Trachten und Sitten aus
verschiedenen Gegenden des serbischen Südens dort studieren zu können, nahm
nur eine Tasse Kaffee in dem bequemer eingerichteten Blockhaus und folgte
dem abgesandten Führer.
Über den Vucji Krs stiegen wir durch Buchenwälder auf abschüssigen
Wegen rasch abwärts in eine romantische Schlucht, deren angeschwellte Wasser-
ader brausend hintobte. Kurz vor dem Einschnitte der Grasevacka Reka gelangten
wir an mächtige Schlackenhalden und bald darauf im erweiterten Talsporn an
das höher gelegene Brzece. Dort stiessen wir auf die ersten Pilgergruppen, die
beritten und zu'Fuss zum Methodfest zogen. Als sich der Weg etwas verbreiterte,
duldete es meine, durch Panduren von den Karaulen Becirovac und Bozoljin
verstärkte Eskorte nicht länger, ruhigen Schrittes hinzuziehen; auch ich gab meinem
Pferde die Sporen. Nach Arnautenart, die lange Albaneserin in der rechten Hand,
mit dem Schafte gegen den Schenkel gestemmt, sausten die rauhen Bergsöhne
wild dahin; die aufgeschreckten Wanderer wichen ängstlich rechts und links aus.
Schon nach einer halben Stunde begrüssten wir mit einer Gewehrsalve das grosse
Zeltlager auf der Sveti Method-Höhe, das mit einem wahren Peletonfeuer antwortete,
und gleich darauf beglückwünschte mich llija Antonijevic, der Kapetan der Koznicka
Nahia, und sein Pisar Djak Mihail Sovanic zur „guten Ankunft".
„Mein Namenspatron llija (der serbische Donnergott) und der hl. Panthelejmon
haben uns heute nacht schlecht zum Sabor aufgespielt, aber auch auf Suvo
Rudi§te muss er nicht zu warm gewesen sein! Was führte aber Euch eigentlich
auf jene Wetterhöhe hinauf?" ich beantwortete die in inquirierendemTone gestellte
Vom Ibar über Joäanica auf den Kopaonik. (i?
Frage durch die Vorzeigung meines offiziellen Empfehlungsschreibens. Es übte
seine Wirkung, und man eilte, meinem etwas kasteiten Leibe zu Hilfe zu kommen.
Frisch gebratene Forellen und Rotwein, vielleicht von den Reben, welche Zarin
Milica auf den nahen Bruser Hohen gepflanzt, erquickten mich. Nachdem die
üblichen Trinksprüchq ausgebracht, schlug ich dem Kapetan vor, mich auf dem
Gange durch das Lager zu begleiten. Ein glücklicher Zufall hatte mich nämlich
zum Sveti Method-Sabor geführt, welches dort alljährlich am 2. Juli zu Ehren „einer
der Zierden der Menschheit", wie Gförer den Slavenapostel nennt, begangen
wird, und „pomozi Bog" scholl es uns zum ürusse entgegen, als wir das bunte
Getriebe besichtigten.
Die Vereinigung von Männern zu militärischem Zwecke heisst serbisch
„vojska", zu politischen Beratungen „skupstina", die Feier des Hausheiligen
„slava", jene des Kirchenpatrons „hram"; der freudig erwartete alljährliche
Vereinigungstag der ganzen Pfarrgemeinde zur kirchlichen Feier ihres Schutz-
heiligen aber „sabor". Steht dieser Pfarrpatron beim Volke in besonderem
Ansehen, wie beispielsweise die Heiligen Sava, Georg, Elias u. a., oder bewahrt
die Pfarrkirche wie Studenica hochverehrte Reliquien, dann wird der „sabor" ein
allgemeines Wallfahrtsziel, und mit der teilnehmenden Bevölkerung der Pfarrorte
stellen sich Pilger aus fernen Gauen, ja oft aus fremden Landen ein. Je schwieriger
eine solche Stätte zu erreichen ist, desto höher wird der fromme Wallfahrer
geachtet, hat er aber auch Jerusalem besucht, erhält er den Ehrennamen „Hadzi",
der ihm dann für das ganze Leben bleibt.
An Sabortagen verschwindet selbst die stille Beschaulichkeit serbischer
Klöster; ihre poetische Ruhe weicht frohem Lärm und fortwährend pulsierender
Bewegung. Um das rechtzeitige Eintreffen zur Frühmesse besorgte Pilger langen
schon am Vorabend des Festtags an; die Nacht wird im Kloster verbracht, und
was nicht in den Fremdenzimmern, unter Vorhallen oder in den Gebäuden des
liofraums Platz fand, biwakiert im Freien, unter Laubzelten bei riesigen Feuern.
Reicht die schmale Talsohle nicht aus, so werden kleine Lichtungen auf nahen
bewaldeten Höhen aufgesucht, und abends geben die zahlreichen Biwakfeuer der
Szene ein phantastisches Gepräge.
Als wir unsere Wanderung durch das Gewirre von Laubzeltcn auf beiden
Ufern der vom Regen stark geschwellten Gracanica fortsetzten, begann der
hl. Panthelejmon sein eifriges Walten etwas zu sänftigen, und einzelne blaue
Stellen lugten schon neugierig durch das graue Gewölke. Bei unserem Erscheinen
verliessen viele Pilger die schützenden Laubdächer, hier und da schlössen sich
schäkernde Burschen und Mädchen, angefeuert vom Pisar oder einem der uns
nachfolgenden Dorfkmeten, zum Kolotanz. Dudelsack („Gajde") und Svirala ertönten
bald um die Wette. Auf von losen Felsstücken gefügten Herden brannten überall
lodernde Feuer, umlagert von kochenden Frauen und zechenden Gruppen. Alles
scherzte, die Cutura kreiste, die Köpfe begannen sich zu erhitzen. Hier wechselte
ein Sohn des Toplicatals Trinksprüche mit einem Kum (Paten) aus den Kozniker
Bergen, dort besiegelten feilschende Alte bei einem Glas Rotwein den Heiratspakt
zwischen zwei die Wichtigkeit des Augenblicks für ihre ganze Zukunft kaum
68 Vom Ib;ir iilxT Josnnic;i ;uif den Kopaonik.
ahnenden jungen Leuten. Hier eine freudige Erkennungsszene mit dem reizenden
Detail, wie es ältere „Düsseldorfer" so gern darstellten; dort Anrufe der Rache
Gottes über die an der Grenze hausenden Amanten (Albancsen) und Wünsche,
dass der Fürst sie bald verjage. Hier, so jiahe den alten Zarensitzen, Hess
man sich nicht, wie in Senje, mit seiner Erhebung zum „Kralj" (König) genügen,
sondern teilte ihm in patriotischen Toasten die Krone der serbischen Kaiser,
„die glänzendste der Christenheit", zu.
Bei der wahrhaft überschwenglichen Gastlichkeit der serbischen Landleute
wurden uns überall Kaffee, Rakija, weisser und roter Wein, Milch, Käse, Braten,
Butter, Honig, Fische oder Obst angeboten. Auch nur in geringen Quantitäten,
dem üblichen Brauche gemäss, hier und dort versucht, blieb es doch für einen
westeuropäischen, nach der fortgeschrittenen „Chemie der Küche" sich nährenden
Magen keine leichte Aufgabe, das bunte Chaos zu verdauen. Zu diesen Speisen
zählt auch das „Belniuz", eine dem türkischen Namen nach orientalische Speise.
Man bereitet dieselbe aus süsser Milch gewonnenem Käse, der, nachdem die
Molke gut abgetropft, in einem dafür bestimmten Kessel über das Feuer gesetzt,
wenn er geschmolzen und aufgekocht, mit Mais- oder Weizenmehl versetzt und
solange gerührt wird, bis sich ein vom Fett abgesonderter Klumpen bildet, den
viele mit Zwiebelschnitten würzen.
Die Frauenwelt erschien durch auffallend schöne Typen vertreten, ebenbürtig
den Männern, welche meist hier ein weisses Tuch um das Fes winden und
dadurch den benachbarten Amanten ähnlich sehen. Ich bereicherte meine Mappe
mit einigen Köpfen von edlem Schnitt; ein Gewinn, den ich der einflussreichen
Vermittelung des beredten Pisars verdankte. Fand ich auch hier den Verkehr
zwischen beiden Geschlechtern ungezwungener als im Flachland, so war trotzdem
die Scheu der koketten Gebirgstöchter vor dem ihre Reize „abschreibenden" Stift
schwer zu besiegen. Der auffallend hübsche Wuchs der Frauen tritt durch die.
reizende Tracht noch mehr hervor. Den verheirateten Frauen steht besonders gut
eine nach italienischer Weise rückwärts über den Kopf geworfene, buntgestreifte
kurze Decke; mit Münzen und natürlichen Blumen geschmückt, umrahmt sie
malerisch das reiche dunkle Haar.
Eine Gruppe von Rotmäntlern, die ersten, welche ich seit meiner Reise im
kroatischen Grenzland (1851) zu Gesicht bekam, begrüsste unser Erscheinen mit
einem wohlunterhaltenen Peletonfeuer. Es waren kräftige, mit ihren langen
Damaszenerinnen wohl vertraute Gestalten. Als sich die von der feuchten Luft
niedergehaltene Rauchwolke verzogen, erblickte ich auf einer sanften Anhöhe ein
neu gezimmertes riesiges Kreuz, an dessen Fuss zwei Priester unter Gottes weitem
Himmelszelt eben die Aufnahme neuer Bürger in die Kirche Christi mit dem
einfachsten, an die ersten Taufen erinnernden Zeremoniell vollzogen.
Die gottesdienstlichen Handlungen, die das Volk nach der eigentlichen Messe
von den am Kreuze fungierenden Priestern heischte, häuften sich so sehr, dass
sie das weitläufige orientalische Taufritual (III. Bd., Kap. III) auf das für die
Nottaufe vorgeschriebene kürzeste Zeremoniell beschränken mussten. Als wir
auf der Höhe anlangten, wurde eben ein mehrere Wochen alter Sprössling mit
Vom Ibnr über JoSanica auf den Kopaonik.
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einem Schaffe eisigkalten Gracanicawassers begossen, weiclien Ai<t der Heiligung
der durch ihn „Pravoslavni" (Rechtgläubiger) gewordene Täufling mit lautem
Schreien begrüsste. Kuma (Patin) und Mutter hatten lange zu tun, den armen,
durch die heilige Dusche erschreckten Kleinen zu beruhigen, welcher die weite
Reise aus dem fernen Grenztal Bozoljin in einem Troge auf dem Rücken der
BRZEÖE. Fraiicrilyptn.
Mutter zurückgelegt hatte. Tausend Jahre lagen zwischen den Tagen, an welchen
Cyrill und Methodius in diesen Gegenden das Christentum predigten, dass sie
vielleicht auf dieser Sveti Mcthod-Hiihe das erste Kreuz an der Stelle eines G/Uzen-
bildes aufgerichtet halten. Der primitive Taufakt, die ihn umstehenden fremdartigen
Gestalten, der schöne Klostermönch mit aufgelöstem schwarzen Haar und langem
Barte, der assistierende Pope von Brus in halbbäuerlicher Tracht, das auf der
rauhen Berglandschaft lagernde Grau, alle diese Momente zauberten mir eines
70 Vom Ibar über Joäanica auf den Kopaonik.
jener Bekelirungsbilder aus alten Zeiten lebendig vor die Augen, wie sie Dürers
Holzschnitte, Rembrandts Radierungen und die Zeichnungen von Führich, Schnorr,
Overbeck rührend darstellen.
So viele Jahre auch verflossen sind, seit der hl. Methodius in diesen
Gegenden sein apostolisches Mahnwort erschallen Hess, blieb hier die Macht
seiner Nachfolger ungeschmälert. Der Glaube und leider mehr noch der Aber-
glaube schliesst zwischen Volk und Mönchen jenes enge, vielleicht allzufeste Band,
welches ich in verschiedenen Zügen zu Gornjak, in der Klosterschlucht zwischen
dem Kablar und Ovcar und in Studenica zu charakterisieren versuchte. Auch
auf Sveti Method fand ich Kranke, die geheilt; unfruchtbare Weiber, die gesegnet;
Epileptische, welchen der Teufel ausgetrieben werden sollte; hundert andere
Wünsche mochten aber weniger offenkundig an die Geistlichen gestellt worden
sein. Hart vor dem Kreuze stand ein gleich kunstloser Altartisch, auf dem der
Mönch, von dem Bruser Popen kollegial unterstützt, einen lebhaften Handel mit
geweihten Bildern, Kerzen und Amuletten trieb.
Es war spät am Nachmittag. Alles schien ermüdet. Der Kolo verlor
seine Anziehungskraft, die Töne des Dudelsacks, der Svirala ermatteten. Die
Geistlichen legten ihre liturgischen Gewänder ab, schütteten einen Haufen alter
österreichischer Kupfermünzen und türkischer Paras, mit denen sich einige
durchlöcherte Zwanziger und Piaster mengten, in ein grosses Tuch und ver-
abschiedeten sich von der Menge. Sie schienen, ihren fröhlichen Mienen nach
zu schliessen, mit der Ausbeute zufrieden zu sein. Zahllose Abschiedsschüsse
widerhallten in den Einschnitten, durch welche die Pilger heimzogen, um den
Zurückgebliebenen wahrscheinlich noch lange Zeit von den Gnaden und Freuden
des „Sabor Svetog Methoda" zu erzählen. Auch wir hatten des Treibens genug,
verabschiedeten uns von den Kmeten, Buljukbasas, Panduren und ritten nach
Brzece, wo uns der Abend in des Kmeten llija Miljkovics einfacher Behausung
in bester Stimmung am häuslichen Herde traf.
Der Gehöftebau ist in den oft von prächtigen Ahorn- und Eschenständen
umgebenen Dörfern am Kopaonik ein ganz eigentümlicher. Die Häuser bestehen
grösstenteils nur aus einem hoch aufsteigenden, riesigen Dache, das an beiden
Giebelseiten durch senkrechte Bretterwände geschlossen wird. Ein Rüstwerk von
starken Pfählen und Querbalken verleiht dieser einfachen Konstruktion grosse
Festigkeit. Die Umzäunung bildet ein zierliches Flechtwerk aus dünn gespaltenen,
breiten Latten; auch die auf Pfählen ruhenden kleinen Kolibas (Fruchtkammern)
werden in dieser Weise geflochten. Die innere Einrichtung des Staresinahauses
ist aber auch hier ähnlich den bereits geschilderten; bei grösserer Wohlhabenheit
ist ein reicherer Besitz von Teppichen, Sitzkissen, Heiligenbildern, Prunkgläsern
und kostbaren Waffen bemerkbar. Als Lager dient eine Schicht frisches Heu
auf dem festgestampften Estrich. Im vollen Anzug wirft sich der Bauer auf
dasselbe, der Fremde folgt seinem Beispiel, hüllt sich überdies in seinen Mantel
und schläft auf dem primitiven Bette meist ebensogut, wie auf den raffinierten
Drahtmatratzen des Occidents. Während der Nacht unterhält stets ein jüngeres
Glied der Familie das hell lodernde Feuer; sind Gäste von Ansehen im Hause,
Vom Ibar über Josanica auf den Kopannik. 71
leisten mehrere, ja manchmal selbst der Staresina, die Ehrenwache. Diese sorgt
für grösste Stille im weiten Räume; nur die Schlagschatten des aus dem Dach-
gesperre an der Eisenkette herabhängenden Riesenkessels und der um das Feuer
sitzenden Männer bewegen sich manchmal an den Wänden. Erwacht zufällig
der Fremde, glaubt er beim Anblick der fremdartigen Szene zu träumen; doch
bevor er oft noch der Wirklichkeit sich bewusst, bringt die Ermüdung den
verscheuchten Schlaf zurück.
Wenn der erste durch die Ritzen des Daches dringende Sonnenstrahl den
Gast weckt, naht sich ihm die jüngste, dieses Augenblicks harrende Haustochter.
Sie hat sich besonders nett herausgeputzt; Münzenschmuck und Blumen mit noch
perlendem Nachttau zieren Hals und Haar. Ohne erheuchelte Zimperlichkeit
tritt sie näher und kredenzt mit freundlichem „dobro jutro!" (guter Morgen),
nachdem sie des Fremden Hand geküsst, aus antik geformtem Krug ein Glas
köstlich schmeckenden Kristallquells. Bald darauf erscheinen der Staresina und
die übrigen Familienmitglieder und fragen der Reihe nach, wie man geruht habe,
eine Frage, die hüflicherweise mit jedem einzelnen wieder getauscht wird. Zum
Frühstück werden Siatko, Rakija, Käse, Milch und schwarzer Kaffee aufgetragen,
welch letzteren man je nach seiner Nationalität zu einem Milchkaffee, Melange,
Verkehrt-Schwarz oder Cafe au lait zusammenmengt. Der Serbe trinkt nach
türkischer Weise den Kaffee gewöhnlich nur schwarz, ohne oder mit wenig
Zucker.
Vor dem Hause harrt bereits der Tross, die Pferde sind gezäumt, die
Männer des Dorfes versammelt; denn die Aufbruchsstunde ist gekommen. Wie
für die herzlich gebotene Gastfreundschaft nun danken? Selbst der ärmste Serbe
lässt sich dieselbe nicht gern bezahlen. Da kommt dem Fremden eine alte Sitte
zustatten. Man verlässt selten ein gastliches Haus, ohne dessen nächstzuver-
heiratende Tochter zu beschenken. Sie hält sich bescheiden im Hintergrund,
erst auf den Ruf; „O, devojko!" (0, Jungfrau!) kommt sie herbei und dankt, sich
tief verbeugend, für die Vermehrung ihres Münzenschmucks, der ihr künftiges
Heiratsgut bilden wird. Der Staresina bittet beim Abschied um des Fremden
Nachsicht, dass sein Haus so wenig Würdiges zu bieten vermochte: „Mi smo
prosti Ijudi!" (Wir sind arme Leute!). Man beruhigt ihn, steigt zu Pferde, feuert
seine Pistolen in die Luft und sprengt unter vielen nachgerufenen: „Srecan put"
(Glückliche Reise) zum Dorfe hinaus.
Mit geringen Änderungen sind dies die gewöhnlichen Erlebnisse des im
serbischen Hochgebirge reisenden Fremden, und auch meine im Kmetenhaus zu
Brzece. Nur die Abschiedsszene am Morgen erhielt etwas individuellere Färbung.
Als ich den guten Leuten für die genossene Gastfreundschaft danken wollte,
unterbrach mich Kapetan Ilija: „Ihr seid zu nachsichtig, Herr!" und machte nun
dem Knieten und den versammelten Dorfältesten bittere Vorwürfe, dass man uns
schlecht bewirtet habe. Er stiess arge Drohungen aus und wies alle Einwände
der eingeschüchterten Bergsöhne zurück.
IV.
über Brus, Koznik und Krusevac nach Stalac.
DER mir vom ersten Augenblick unsympathische llija benahm sich aucii auf
der Weiterreise wie ein mittelalterlicher Zwingvogt. Wer war er, welche
Verdienste hatten ihn zum Kapetansamt empfohlen? Dass er des Lesens kaum
kundig war, ein Bildungsmangel, der zufällig auch die drei anderen Kapctane
des Krusevacer Kreises auszeichnete, darüber hatte ich schon am Tage zuvor
vollste Gewissheit erlangt. Auf dem Wege durch das schöne Tal der Graäevacka
Reka erzählte er mir wohl eine Art Autobiographie, die aber offenbar viel Fabeln
enthielt; erst später erfuhr ich mehr über diesen serbischen Gessler.
llija Antonijevic, bekannter unter dem Namen „Curcija" (der Kürschner),
gehörte zur Phalanx, welche, vor Fürst Milos sich sklavisch beugend, während
seiner zweiten Herrschaft ihren Einzug in Serbien hielt. Ohne Sinn und Gefühl
für das Wohl des Volkes machte sie sich allerorts, wie der ehemalige, bankerott
gewordene Pelzhändler in seinem Bezirk, durch Übermut, Ungerechtigkeit und
Willkür verhasst. Gleich türkischen Agas betrachtete er die Bauern als seine
Lehnsleute und behandelte sie danach. Hier ein sprechendes Beispiel: Wir
hatten den wildschäumenden Gracanicabach gekreuzt, um auf sein linkes Ufer zu
gelangen, als dicht bei der Furt der zu weit vorgerückte Pfahlzaiin eines Gehcifts
llijas Zorn erneut herausforderte. Vor dem strengen Kapelan stand der durch
einen Panduren herbeigeholte Bauer demütig mit abgezogener Mütze; kaum wagte
er einige entschuldigende Worte zu stammeln. „Dass Gott Dich vor meinem
Stocke schütze, wenn Du nicht gleich den Zaun um eine Manneslänge liinein-
rückst." Auf dem nur von Hirten benutzten Stege gab es weder Handel noch
Verkehr; es war eben eine jener Launen des überall und am unrechten Flecke
herumregierenden Kapetans, wie er deren viele und oft noch schlimmere hatte.
Nachdem llija sein Mütchen gekühlt, zogen wir, 2arevo mit seinem Säuerling
und Kastellberg östlich, jenen bei Paljevätica westlich lassend, weiter. Schroffe
Kalkfelsen auf dem rechten Flussufer bergen die „Albini-Höhlen", in welchen
Karadjordje mit den Seinen, nach dem unglücklichen Zuge gegen Novi Pazar, Schutz
gesucht. Nahe dem alten, von Brzece herabziehenden „Kaldrmisan put"
(gepflasterter Weg) sieht man bei Vlajkovci an der GraSevacka Reka durch
Mörtel festverbundene versteinerte Pfähle. Hinter dem gleichnamigen Dorfe liegen
im Tale bedeutende Schlackenhaldcn und Hüttengräben eines früheren Betriebs
74 Über Brus, Koznik und Kniscvnc nach SlalatS
auf Silber. Die Erze für diesen soll der Kopaonik geliefert haben; Herder
vermutete aber die Gangformation auf der Scheide des nahen Serpentinzugs. Bis
Brus, das wir über Ziljci gegen Mittag erreichten, bildet Tonschiefer die anstehende
Gesteinsart, und nun verschwand der sterile Charakter der Landschaft.
Brus') ist ein Städtchen, das sich um seine 1830 von Milos erbaute weisse
Kirche und neue Schule niedlich gruppiert. Nicht weniger als vier Pfarren mit
42 Orten sind auf seine Christi Verklärungs-Kirche und kleine Carsija angewiesen.
Das Städtchen bildet einen wohltuenden Gegensatz zu den armseligen Hirten-
niederlassungen am Kopaonik und dürfte, wenn einmal der Bergbau an seinen
Hängen wieder aufgenommen wird, sich bedeutend vergrössern. In dem 1905
erst 70 Häuser und 360 Seelen zählenden Orte harrten bereits viele Parteien der
Ankunft des Kapelans, unter ihnen zwei Bauern, die schon lange über das Eigen-
tumsrecht auf eine Weide miteinander stritten. Unser Ilija war jedoch nicht
gesonnen, seine Mittagsruhe stören zu lassen; barsch verwies er die Streitenden
an seinen Pisar. Ich variierte damals ein sirmisches Volkslied:
„Kühlen Wein schlürft Ilija Antonijevic,
Trinkt zu Brus ihn, in der weissen Schenke!
Als des Weines er genug getrunken.
Hebt er trunken also an zu reden :
O, dass Gott Euch gnädig, Bundesbrüder!
Stört mich nicht in wichtigen Geschäften,
Geht zu Djak Mihailo, meinem Schreiber!"
Dieser hatte rasch entschieden. Durch scharfes Ausfragen erwies sich bald,
dass der angesprochene Grund keinem der Klageführenden gehöre, sondern einen
Teil des den Türken abgerungenen grossen Territoriums bilde, das als Staatseigentum
noch seiner Veräusserung harrte; bis diese erfolgt, sollten beide Parteien den
streitigen Weidegrund benützen. Ich zweifle jedoch, dass sie sich mit diesem
billigen Ausgleich ihres Streites zufrieden gaben, sie dürften nicht allein an den
Krusevacer Nacalnik, sondern wahrscheinlich noch weiter appelliert haben.
Unsere Mittagsruhe zu Brus benutzte ich, um kleine Einkäufe zu machen.
Die Läden enthielten im bunten Durcheinander lange ausser Mode gekommene
Ableger der Wiener Industrie: bunte Tücher, Bronzeschmuck, künstliche Blumen,
Heiligenbilder, Spiegel, Arm- und Halsketten, Nadeln und tausend andere Kleinig-
keiten für den Putz der serbischen Landschönen. Im kühlen Prachtstübchen des
Popen, dessen Bekanntschaft wir am Sveti Method-Sabor gemacht, hielt ich hierauf
gern bei Slatko, Kaffee und Cibuk eine kurze Siesta; zum Abschied beschenkte
mich die freundliche Popadija mit einem Paar selbstgestrickter Strümpfe, welche
Aufmerksamkeit ich mit einer hübschen Brosche erwiderte.
Die Glut der Julisonne wurde intensiver, je mehr sich der Weg von den
subalpinen Serpentinbergen über das abwechselnd aus schiefrigem Kalk, Ton und
Konglomerat sich konstituierende, rebenbepflanzte Hügelland zum Morava-Niveau
abwärts senkte. Überall wuchert hier der dem 2upa-Weingebirge eigentümliche
') Seit 1899 Sitz des neuerrichteten Bezirks Kopaonik.
über Rriis, Knznik und Kriiäevac nach Stalad.
75
Strauch colutea arborescens in grosser Menge. Wir zogen zunächst entlang der
Rasina, parallel mit der früheren serbischen Südostgrenze, welche der langgestreckte
Jastrebac scharf markierte. Jenseits der Wasserscheide wohnten damals Albanesen,
gemengt mit serbischen Stammesresten.
Bei Ribari bo^' ich aber von der über Botunja direkt nach Kru.^evac
führenden Strasse NW. ab, um das am Rasinaursprung liegende Schloss Koznik
zu sehen. Trotz meines unzweideutigen Ablehnens begleitete mich der mir stetig
widerwärtiger gewordene Ilija unter fortgesetztem Herauskehren seines vermeint-
lichen Heldentums dahin. Bald forderte er mich zum Wettgalopp auf, vergessend.
BRUS im Jahre 1860.
dass ein solcher nach den Anstrengungen der letzten Tage wenig Anziehendes
für mich haben konnte; bald schoss er, wie von Dämonen gejagt, über die Felder
hin, zum Ärger der Bauern nach rechts und links das Getreide mit blankem
Säbel unter lauten Schimpfrufen gegen die Türken köpfend. Dann kehrte er
zurück und bat mich, in Belgrad zu erzählen, wie er die Türken zu empfangen
gedächte, falls sie in seine Nahija einbrechen sollten.
Von diesem Manne irgendwelche Aufklärungen zu hoffen über die im Volke
verbreitete Sage, dass in der Umgegend Zar Lazar geboren sei, dass er die alten
Weinstöcke in Botunja, deren Most stets süss bleibt, selbst gepflanzt habe, oder
über die Reste eines zerstörten Kirchleins in Baäici bei Budilovina, an dem wir
vorüberzogen, wäre töricht gewesen. Kannte er doch nicht einmal die jüngste
Vergangenheit des Schlosses Koznik, dessen fünftürmige Ruine in dunkler
Silhouette am Horizont auftauchte. Im Befreiungskrieg diente es wegen seiner
76
Über Brus, Koznik und Kriiäcvac n;ich Sfalac.
die Gegend weithin beiierrsclienden Lage auf 963 ni hohem isolierten Berge als
Observatorium der aufständischen Serben. Die Anwohner erzählen, dass die Steine
zum Bau des im Innern sehr geräumigen Schlosses wegen der Steilheit des
Felshügels durch Ziegen hinaufgeschleppt wurden. An seinem Ostfuss stösst
man bei Budilovina beim Ackern auf die Spuren einer alten Ansiedelung; Eisen-
geräte, Waffen, Münzen werden oft gefunden, und Miiicevic vermutet, dass hier
jenes altserbische Budimlje gestanden habe, das in den „Monumenta serbica"
(S. 95) erwähnt wird. Zahlreiche kleine Vertiefungen dort dürften von geöffneten
Schlossruine Koznik.
alten Gräbern herrühren. Weiter ging es zwischen zwei Bergen nach Vratari.
Gleich nachdem wir das Defilee Vrata (Tor) verliessen, öffnete sich ein pracht-
voller Ausblick auf die Krusevacer Gefilde bis zum Rtanj.
NW. von Popovci folgten auf einer Höhe an der Pepeljusa die Mauern
einer Burg, deren Erbauung Milos Obilic zugeschrieben wird; es sind wahrschein-
lich die Reste eines Römerkastells, das gleich dem Kozniker die antike Strasse
hütete, welche von Trstenik und Krusevac über Brus, Aleksandrovac und Vratari
zu den Hüttenwerken an der Grasevacka Reka und auf den Kopaonik führte.
Nördlich von Aleksandrovac steht bei Drenca ein verfallendes Kloster,
dessen Kirche in Grundriss und Grösse jener des benachbarten Veluce gleicht. Wie
aus einer 1382 zu Zica ausgestellten Urkunde hervorgeht, begabten sie ihre Erbauer,
Dorotej und sein Sohn Danilo, mit vielen Dörfern und anderen Gütern. Das
über Brus, Ko/.nik iiiul Kriiscvac ii.icli Stalac. 79
Volk nennt dieses Kloster „Dusmanica", weil es die ülaubensfeinde (duämani) so
sehr ärgerte, dass sie es zerstörten.
Über weinbepflanzte Hügel und eine grosse Hutweide ging es nach Vitkovo,
wo ich mit der Familie des Kapetans einige angenehme Stunden verlebte. Als
ich den Hof des Amtshauses besichtigte, zeigte llija aber grosse Lust, die damals
in keinem Kapetanshause fehlenden Prügelmaschinen praktisch an Sträflingen vor mir
funktionieren zu lassen. Auf meine Abwehr begnügte er sich, mit grossem Behagen
den sinnreich konstruierten Apparat für Frauen, seinen beweglichen Fallblock,
in den Kopf und Arme der Delinquentin gespannt werden, und ein ähnliches
horizontales Instrument für Männer, nur theoretisch zu demonstrieren. Nicht so
sehr, um Kapetan llija persönlich zu verewigen, als die stets seltener werdenden
serbischen Gerichtsszenen unter freiem Himmel den späteren Generationen zu
bewahren, gebe ich hier die treu von mir nach der Natur gezeichnete Skizze des
unter meinen Augen sich abspielenden Aktes Milosscher Justiz zu Vitkovo.
Der Abschied von dem würdigen llija wurde mir nicht schwer. Er hatte
mich in vielem, namentlich in unwürdiger Behandlung der Bauern und Hetzen
seiner Panduren auf dieselben, an die Täblabiröwirtschaft im vormärzlichen Ungarn
gemahnt, wie sie Baron Eötvös im „Dorfnotar" in Dickensscher Weise lebensvoll
schilderte. Unter keinem anderen Herrscher hätte das freiheitsliebende serbische
Volk solche Vögte ertragen. Doch Milos' gefürchtete Strenge erstickte das Murren
gegen seine Günstlinge. Auch wusste man, dass der alte Herr dem Tode nahe
und wollte keinen gewaltsamen Umsturz herbeiführen. Mit Fürst Mihails Regierungs-
antritt im nächsten Jahre erfolgte dieser in friedlicher Weise; er bereitete auch
dem Regiment llija Antonijevics und anderer gleich würdigen Amtsgenossen, gegen
die nun eine Flut von Anklagen wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder imd
Willkürakte aller Art hervortrat, ein rasches Ende. Einen besseren Eindruck
als die hier geschilderte Type Milosschen Regiments machte Djak Mihailo, der
poetisch angelegte Pisar, welcher llijas ungerechte Sprüche in der Ausführung
stets zu mildern suchte. Zum Abschied verehrte er mir ein altes Familienerbstück,
eine primitiv gearbeitete Gusle, mit deren monotonen Klängen er oft die Lieder
vom Falle der nahen Zarenstadt Krusevac begleitet hatte.
König Milan verlegte den Zupsker Bezirkssitz nach dem westlichen Kozetin,
das, nun „ Aleksandrov ac " genannt, rasch zum schon über tausend Bewohner
zählenden Städtchen erblühte. Seine 1804 erbaute Kirche für zwei Pfarren mit
19 Dörfern ist die älteste weltliche der Zupa. ') Bei 88b km- Flächeninhalt,
97 Orten in 15 Gemeinden mit 32531 Seelen (1905), besitzt dieses grosse Gebiet
nur 7 Gotteshäuser, von welchen überdies 5 erst nach 1862 entstanden sind.
Noch schlimmer stand es mit dem Unterricht. Es gab nicht eine Schule, als die
Türken den Bezirk endlich 1835 räumten, und doch streiten occidentale Federn
für die Aufrechterhaltuiig des Ignoranz freundlichen Sultanregiments in Makedonien,
dessen intellektuelle Verhältnisse noch heute wenig bessere sind, als es Serbiens
vor seiner Befreiung durch Karadjordje und Milog waren.
') Dieser Bezirk wurde 1899 in 2 Bezirke geteilt: Zupa (399 km') und Kopaonik (487 km-).
so über Brus, Koznik iiiul Kruscvac nach Stniac.
Die Strasse von Vitkovo zum 5 Stunden fernen nordöstlichen aitserbischen
Herrscliersilz führt durch das in seiner Nähe trefflichen Lignit bergende anmutige
Tertiärbassin über Bobote und Dasnica meist durch jungen Eichenwald bis
zum Punkte, wo man NW. nach Lacisied abbiegt. NW. von diesem liegt am
Ursprung der Srebrnica auf einer Anhöhe die gleichnamige Burg, welche,
nach alter Tradition, die „Latini" vor Gott weiss wieviel Jahren zum Schutze
ihrer benachbarten Silberschmelze erbauten, von den Serben aber erobert und
durch Feuer zerstört wurde. Diese Tradition deutet auf einen römischen, durch
ein Kastell beschirmten und von den Ragusanern fortgesetzten Hüttenbau, den
auch der nahe Berg „Metalica" u. a. bezeugen. Vor etwa 25 Jahren soll ein
Bauer dort einen Apfel von purem Golde gefunden und einem Goldschmied im
nahen Krusevac verkauft haben. Häufig findet man Gegenstände von Bronze und
Eisen; auch geht die Sage, dass in den Burgkellern grosse Schätze verborgen
seien; niemand fände aber den Zugang, um sie zu heben.
Unfern dem Burghügel liegt das vom Despoten Jovan, der 1485—1503 auf
dem Schlosse Kupinik residierte, gestiftete Kloster „Srebrnica", jetzt nach dem
nahen Dorfe Vcluce genannt. Als Eigentum besitzt es 17 Hektar Felder und
Wiesen, 5 Hektar Obst- und Weingärten, 150 Hektar Wald, 2 Mühlen usw.,
deren Ertrag die bescheidenen Bedürfnisse des Igumans und der Mönche decken.
Das „Maria Reinigung" geweihte Kirchlein ist ein kunstloser Kuppelbau von
Bruchstein und Ziegeln. Dass es so einfach, verschuldete nach der Tradition sein
Baumeister, welcher das beste gestohlene Material für eine zweite Kirche bei dem
südlichen Rudenica verbrauchte. Der erzürnte Despot verfluchte sie aber, und
bald darauf wurde sie von den Türken arg verwüstet. Richtig ist, dass die
Quadern des von Stefan Lazarevic (1405—1427) gestifteten, in couches alternantes
aufgeführten Rudenicaer Baues aus dem Velucer Steinbruch stammen. Er zeigt
die byzantinische Zentralanlage mit pentagonalen Apsiden, einem Kuppelgeschoss
über der Vierung und kleinerem über dem Narthex, rundbogige Portale und den
Kalenicern ähnliche Lisenen, Fensterrahmen, Rosen, Kapitale usw. Die Kirche wird
wie die westlichere Ribnica-Ruine von Heilung ersehnenden Gläubigen viel auf-
gesucht. Überhaupt ist die ärztliche Konkurrenz mit den kurpfuschenden Popen und
Babas im Süden des Landes eine noch schwierigere als in seinen nördlichen Kreisen.
Von Lacisied geht es mit scharfer Kurve durch gutbestellte Maisfelder und
schönen Laubwald nach AArmos. Von hier stammt ein nach Belgrad gelangtes
10 cm langes, 6,5 cm breites, 6,5 cm hohes Steinbeil aus Amphibol-Andesit
mit abgeplatteten Rändern, dessen Stielloch sich nach oben von 3 auf 2,5 cm
verjüngt. Die Flächen erscheinen rauh, was jedoch daher kommen mag, dass sich
die Feldspatkristalle unter der Einwirkung des Wassers an der Oberfläche lösten.
Wir hielten kurz vor der Mehana und dem netten Schulhaus von Velika (grosse)
Vrbnica, wo nach einer Stelle in Kostadin Filosof, „Leben des Despoten
Stefan Lazarevic", dieser von dem türkischen „Zar Mojsia" 1413 besiegt wurde.')
') Daniele, Rjecnik I, 496. Es ist Prinz Musa gemeint, welcher seinen Brüdern Sulejman
und Mohammed den Thron streitig machte.
über Brus, Koznik und Kriisevac nach Stalac. 81
Von der für eine Feldschlacht sehr geeigneten Hochebene gestalten prächtige
Eichenstände, auf den rechtsseitigen Höhen schöne Maisfelder, freundliche Ohst-
kulturen und saftige Wiesen die Landschaft parkähnlich im breiten Pepeljusatal.
Zwischen Trebotin und dem grossen Dorfe Pepeljevac fand Herder einen
alkalisch kalten, Glajjbersalz und Eisen enthaltenden wirksamen Mineralqueil.
Um den beide Orte einhüllenden herrlichen Obstwald zu durchreiten, benötigt
man eine halbe Stunde; heraustretend, überrascht eine weitgespannte Fernsicht
von W. gegen 0. auf die Gebirge von Kraljevo bis Aleksinac, bald darauf
taucht nördlich über dem mit eintönigem Waldgcstrüpp bedeckten Hügelland ein
heller Punkt auf, die alte „Zarenkirche von Krusevac".
Als ich das die Stadt beherrschende Westplateau am 4. Juli 1860 zum
erstenmal hinanstieg, fesselte mich zunächst ein in der Mitte geborstener Hochturm
mit 12 m langen Fronten, 3 m starkem Mauerwerk und erhaltener Innentreppe,
der nach verschiedenen Anzeichen einer bedeutenden, auf römischen Fundamenten
entstandenen Befestigung angehörte. Beim Pflastern des Platzes stiess man auf
MRMOS. Steinbeil.
Mauern, deren Ausdehnung eine vom Bautenminister entsendete Kommission 1887
feststellen sollte, was aber keine besonderen Resultate brachte. Durch meine
„Römischen Studien" ist nur erwiesen, dass ausser der bereits erwähnten antiken
Strasse von Krusevac nach den Minen am Kopaonik (S. 63) auch die römische
Adria-Donaustrasse von Cacak (1. Bd., S. 535) über Krusevac und ihre östlichen
Stationen Praesidium Pompei, Timacum minus und Conbustica zur niedermösischen
Hauptstadt Ratiaria und auf der gleichfalls geschilderten Strasse über Horreum
Margi nach Viminacium und Margum am römischen Donaulinies lief.
Der zerbröckelte Turm und kaum mehr erkennbare Wall blieben die einzigen
Reste der Residenz des bei Kosovo gefallenen Zaren Lazar. Doch auch die aus
Steinen des Schlosses erbaute Moschee, in welcher nach der Tradition Lazars
Tochter sich Bajazit, dem Sohne seines Besiegers Murat, vermählen musste,
liegt in Ruinen. Eingestürzt sind ihre und der anderen Dzamijen stolze Minaretts,
und über alle diese Trümmer einer fünfhundertjährigen Geschichtsperiode erhebt
sich auf dem weiten Plane der Verwüstung, wie durch ein Wunder allein
verschont, Lazars weithin sichtbare Kirche.
Sinnend stand ich auf den Mauern der vielbesungenen „Höfe" Lazars, an
des frommen Fürsten „weisser Kirche", an deren Stufen nach den Volksliedern
F. KANITZ, Serbien. II. ß
82
Über Briis, Koznik und Kruscvac nach Stalac.
ein Frauenstreit entbrannte, wie jener
Lande gleich verderblich. In der „Laz
„Morgens früh am lichten Djurdjevtage
Schreitet Frau Milica aus den Höfen,
Aus den weissen Höfen von Krusevac.
Ihr zur Rechten geht ein stolzes Rehlein,
Mara, ihrer Heldentöchter ält're,
Brankovic, des Tapfern. Neuvermählte;
Ihr zur Linken geht ein sanftes Täubchen,
Vukosava, ihre jüng're Tochter,
Milos' von Pocerje holde Eh'frau.
Folgen will dem Qlockenruf die Fürstin,
Der zur Kirche ruft, zur Liturgia.
Da sie also schreitet aus den Höfen,
Sieht sie fernwärts auf der weiten Eb'ne
im „Nibeknigenlied", ihrem Hause und
arica" erzählt der Sänger;
Dichte Wolken Staubes sich erheben,
Waffen draus im Sonnenscheine funkeln.
Wälzt heran sich nach den weissen Höfen;
Draus hervor an seines Heeres Spitze
Taucht, derSonne gleich aus Morgenwolken,
Lazar, hoch zu Ross und waffenglänzend.
Ausgezogen war er mit drei Heeren,
Hatt' mit einem Milos ausgesendet,
Hatt' entsandt es nach Bulgariens Eb'nen,
Sisman dort, zu Kralj, erbet'nem Beistand;
Mit dem andern Brankovic, den Recken,
An den Ufern des Moravastromes
Sieghaft die Veziere zu bekämpfen."
Den als Sieger heimkehrenden Lazar drängt es mächtig, nachdem er Murats
„stolze Heerschar" bis ins ferne „Karamanien" getrieben, für des Sieges Gnade
den Dank dem Herrn der Schlachten darzubringen; doch eintretend in der Kirche
stille Räume, fesselt ihn neue Siegesbotschaft auf deren Stufen. Zuerst jene von
Strahina, dem Ban:
„ ___ hingezogen Mit den Fürsten weitentleg'ner Reiche
War er nach entfernter Länder Gauen, Serbiens Bund in Freundschaft zu erneuen."
Mit freudigem Tone verkündet der Bote, wie des Zaren Ruhm bis „ins
Gebirg' und steinigem Waldgeklüfte" der Herzegowina und Albaniens, „nach
Dubrovnik an des Meeres felsigem Gestade" und zum „greisen Duzd des
prächtigen Mletci" (Doge von Venedig) gedrungen. Sie alle wollen sich beeilen,
dem grossen Zaren Hilfe gegen die Ungläubigen zu senden.
„Darum Heil dir, Serbiens lichter Krone! Heil dir, dem an Ruhme gleicht kein Zweiter!"
Heil dir, unsrer Feinde finstrem Schrecken! — — — — . -
Noch sind der Menge Freudenrufe nicht verklungen, da erscheint jung
Toplica Milan als zweiter Bote; er kommt Milos Obilics Sieg zu melden:
„Zu den Siegen" - spricht er — „die Du
kämpfest.
Ward, o Herr, ein neuer noch erfochten.
Ward erfochten, wie vorher kein andrer!
Was von Türken lag an Bosniens Grenzen,
Ist entschwunden von den weiten Ebnen,
Was nicht floh, das liegt als blut'ge Ernte,
Liegt gesichelt auf der grünen Walstatt.
Lang' vergebens war des Kampfes Mühen,
Lalasahin liess die Fahne schwingen,
Rote Fahne, weit im Felde sichtbar.
Schon den Sieg den Seinen zu verkünden;
Sieh', da stürzt, ein Falke hoch aus Wipfeln,
Milos in die Eb'ne mit den Seinen!
Wie das Wetter llijas, des Donn'rers,
Also rauscht es. da er fährt hernieder,
Und Entsetzen fasst die Türkenschar;
Wie der Blitz Marias, der entflammten,
So durchzuckt sein Schwert die hellen
Haufen.
Und zu schau'n sind Türkenhäupter, fliegen
Gleich wie Disteln auf der Held' im Sturme!
Mit den Schwingen schlägt der wilde Falke;
Und wie lichte Kornspreu von der Tenne,
Wenn darein des Windes Flügel schlagen.
Stäubt die scheue Heerschar auseinander!
Lalasahins Fahne sieht man wanken,
Wanken erst, und dann hernieder sinken;
Milos' Banner in des Abends Glänze
Sieg verkündend auf der Eb'ne blinken!
Nach der Feldschlacht in des Planes Mitte
Lag des Türkenhäuptlings blut'ger Leichnam,
über Briis, Koznik und KruSevac nach Stalac.
S3
Lag im Kreis von tausend Tiirkenleichen,
Lag gefällt von Milos' breitem Handscliwert.
Den Du siehst zu Füssen Dir, den Turban,
Diesen Gurt, den Säbel, goldbeschlagen,
Lalaäahin trug dies einst, der Vezier!
Vukosava, Milos' junge ph'frau.
Vukosava glänzt ein Stern des Morgens,
Da sie hört des Gatten edlen Namen,
Hort, wie rings ihn tausend Zungen preisen;
Doch, o sieh! Noch hat der fromme Sieger
Noch des Kirchenaufgangs dritte Stufe
Nicht betreten mit dorn Heldenfusse."
Ein dritter Bote erscheint. Mit baniier Hoffnui
mochte Vukosavas
Schwester Mara der neuen Kunde horchen. Doch kein Krieger ist's, den Sieg
KRUSE VAC. Die Laz^irkirdie
ihres Gatten Brankovic zu meiden. Ein Minicii ist's, abgesandt von Theophanes,
dem griechischen Patriarchen, um den Bann zu lösen, der seit Dusan Serbien
drückte, weil er kühn es vom ökumenischen Stuhle losgelöst.
„Denn nur Fluch war's, in des Heilands
Bunde
Länger solche Heldenschar zu missen;
Segen ist es, Brüder sie zu nennen!
Mehr noch, Lazar! Sieh', von dieser Stunde
Sei uns Jevrem, sei der greise Priester,
Sei erkannt als Theophanes' Bruder,
Sei gegrüsst als Serbenpatriarch!"
Lazar aber spricht: „Zuviel des Glückes
Sendet uns der Herr in seiner Liebe;
Eh' des Segens Kleinstes wir verdienten,
Lasst uns, Brüder, in die Kirche treten,
Dass vergebens länger nicht zur Demut
Uns der Glocken lauter Ruf ermahne,
Kraft uns werde, an des Bospors Wällen
Aufzupflanzen siegreich DuSans Fahne!"
0*
84 Über Brus, Koznik und Kriisevac nach Stalac.
Wie die giftige Sciiiange „Neid" in Maras von Eifersucht erfüllter Brust
auch Brankovic den Gatten unwiderstehlich fasste, wie ihr wachsender Hass sie
nur mehr auf das Verderben des gefeierten siegreichen Bundesbruders Milos
Obilic und der sanften Schwester Vukosava sinnen lässt, wie dieser Verrat an
Freundschaft und Geschwisterliebe zu dem an Vater und Vaterland sich steigernd,
deren Untergang auf Kosovo (1389) durch Brankovics Uebergang zum türkischen
Erbfeind herbeiführte, wie Milos Obilic auf dem Schlachtfelde Sultan Murat tötete
und, sein Leben opfernd, zugleich seine von Brankovic verdächtigte Treue
besiegelte, welche Rolle endlich Marko Kraljevic, der „Vilensohn", gespielt —
diese und andere Episoden der szenenreichen Tragödie hat das serbische
Volkslied, umdüstert von dunkler Sage, auf uns gebracht. Kapper in seinem
farbenreichen Epos „Lazar der Serbenzar" und Karl Grober in seiner den
Volksgesängen treuer sich anschmiegenden epischen Dichtung „Die Schlacht am
Amselfeld" verewigt. Wir kennen nicht die Namen der ersten Sänger dieses
herrlichen Heldenliedes. Das Volk bewahrte es und vergass über ihren, seine
tiefsten Regungen berührenden Inhalt die poesiereichen Chronisten. Wie dem
Dichter der „Nibelungen" wird man den Sängern der „Lazarica" nachforschen
und sich in Vermutungen über sie ergehen, obschon die neuere historische
Forschung Vuk Brankovics Andenken gereinigt hat (I. Bd., S. 131).
Ein Zeitraum von über 500 Jahren liegt zwischen der Erbauung der „weissen
Kirche" und der Gegenwart. Legen wir den Massstab der grossartigen Bauten
occidentaler Fürsten jenes Zeitalters an den Dom des letzten unabhängigen
Serbenherrschers, so erscheint derselbe wenig imposant; trotzdem muss einst
sein polychromes, durch phantastischen Ornamentschmuck gehobenes Äussere
einen wirkungsvollen Eindruck erzielt haben. Heute bedecken leider Mörtel und
Tünche das wechselweise in je drei Reihen roter Backsteine und einem Streifen
gelben Bruchsteins musterhaft im Rohbau ausgeführte Mauerwerk. Die reizvollen
Ornamente an Tür- und Fensterrahmen, Kapitalen, Pilastern, Rosetten, Rundbogen
und Pendentifs, in welchen sich byzantinischer Stil mit reizvoll spielender
orientalischer Bizarrerie verbindet, wurden oft übertüncht, der „Turm" und die
Kuppel durch unpassende Zubauten und Bedachungen entstellt. Diesen in
meinem kunsthistorischen Werke „Serbiens byzantinische Monumente" 1862 aus-
geführten Details und der dort gemachten Bemerkung: „Des Turmes schönes
Glockengeschoss erinnerte mich an jenes der Athener Theotokoskirche" gegenüber
sprach der Belgrader Professor Valtrovic den Zweifel aus, dass letzteres dem
alten Bau angehöre. Die schon erwähnte, den Bauzustand der Kirche prüfende
Kommission fand aber — wie es von objektiven Sachverständigen nicht anders
zu erwarten war — das angefochtene Glockengeschoss bis zu der von mir
angegebenen Höhe aus Lazars Zeit stammend. Wie hätte sonst auch Brown schon
1669 die „zwey hübschen Thürme" rühmen können!
Die misslungene Erneuerung des schönen Denkmals hätte mich weniger
entrüstet, würde ich die Umstände gekannt haben, unter welcher sie erfolgte.
Der Wiener diplomatische Agent Cukic, dessen Vater den Krusevacer Kreis,
gleich nachdem er serbisch geworden, verwaltete, erzählte mir, dass die erste
über Brus, Koznik und Kruäevac nach Stalat'. 85
Restauration des Baues (1836 — 37) ein Tausendkünstler namens Vujica besorgte,
der in der Stadt alles verrichtete, was andere nicht verstanden. Er lieferte die
Fensterstöcke, schnitt Glastafeln ein, kopierte nach dem Muster der ruinierten
alten Verzierungen fehlende Teile in Stein für die Kirche, bestrich ihre Eisenteile
mit Teer, weisste die Mauern und vergoldete die Kreuze. Die Aufsetzung des
plumpen Turmuhrgeschosses erfolgte aber erst 1858 durch einen abendländischen
Ingenieur, der auch den südlichen Narthexeingang, über dem noch heute das
Landeswappen, der doppelkopfige altserbische Adler, prangt, vermauern Hess.
Dieselben Stufen, auf welchen der „fromme Lazar", umhraust von des Volkes
Jubel, die letzten Siegesbotschaften erhielt, führen in die Vorhalle mit einst in
den Turm führender Treppe. Dieser Narthex ist gleich unansehnlich wie das
Hauptschiff. Der vielgerühmte Bau, dessen konstruktive Anlage sich gleich sehr,
wie seine gegenwärtige dekorative Ausstattung, von byzantinischen Prinzipien
entfernt, mochte als Schlosskapelle gedient haben. Des Zaren „weisse Kirche"
wurde wegen ihrer Festigkeit von den Türken als Pulvermagazin benutzt, und
da gingen die alten Fresken zugrunde. Fürst Alexander Karadjordjevic liess
1843 den Wandschmuck erneuern, aber durch Künstler, deren Leistungen eine
strenge Kritik nicht ertragen.
Nördlich vom heutigen Krusevac lag der beste Teil der Türkenstadt. Ausser
den Resten einer Wasserleitung sieht man dort eine zweifellos türkische Bade-
anlage, welche das Volk aber für die Moschee hält, in der Zar Lazars Tochter
sich dem Sultan Bajazit vermählte; eine dritte Version lässt aber die serbische
Sultanin Olivera (Mileva) die Moschee zu Ehren ihres Gemahls stiften, weil er
auch ihr in seiner Residenz eine Kirche erbauen liess. Unfern zeigt man die Stelle,
wo Vuk Brankovics Gebeine ruhten. Bis zu ihrer Verjagung zündeten die Türken
jeden Freitag Lichter am Grabe Vuks an, um seine guten Dienste in der Schlacht
auf Kosovo (Amselfeld) zu ehren. Karadjordje liess aber Vuks Gebeine ausgraben
und in alle Winde verstreuen. So wäre durch die dem angeblichen Verräter
von Bajazit zuteil gewordene verächtliche Behandlung, durch den Fluch, welchen
das Serbenvolk an seinen Namen heftete, und die schimpfliche Vernichtung seiner
irdischen Reste der irdischen Gerechtigkeit an dem Hauptschuldigen der Tragödie-
auf Kosovo (Amselfeld) im Leben und Tode genügt worden. Soviel sich auch
neuere serbische Historiker bemühten, aus gleichzeitigen Schriftstücken im
Ragusaner Archiv Brankovics Charakter von dem ihm traditionell aufgehefteten
Brandmal des Vaterlandsverrates zu reinigen '), dürfte dies schwerlich den im
>) Selbst ernste serbische Historiker, wie Novakovic und Miäkovid, gingen in der
Verurteilung Brankovids mit dem Volke, während Ruvarac, KovaCevic, Mijatovit! u. a. Ihm
nicht mehr Schuld an der Katastrophe als allen anderen Grossen des Reiches beimassen.
Ceda Mijatovic, der treffliche Biograph Djuradj Brankovics, sucht ihre Ursachen in der
Unterschätzung der Türken, im Zwiespalt Europas, in der orthodoxen Kirche, in der
Unzufriedenheit des Volkes mit dem es bedrückenden Feudalismus und in der besseren
administrativen und strategischen türkischen Führung. Dem pflichtet auch neuestens
St. Stanojevic bei in einem hochinteressanten Essay, der mit grosser Quellenkritik der
Aburteilung Vuk Brankovics in Milan S. Ubavkids „Geschichte der Serben" objektiv entgegen-
tritt. Letopis, 1898. S. 144ff.
86 Über Brus, Koznik und Krusevac nach Stalad.
Volke festgewurzelten Glauben verringern. Es wiederholt sich auch hier, wie
bei allen von grossem Unglück betroffenen Nationen, dass man die Schuld gern
von sich auf Herrscher, Staatsmänner oder Feldherren überwälzt.
Das tragische Ende von Murat und Lazar erzählt Nedzri, der berühmte
Dichter Sultans Selim I., im blumenreichen Stile des Orients'): „Märtyrertod des
Khodawendkiar Ghäzi Muräd Khan — Gott der Erhabene erbarme sich seiner!
Als das Heer der Ungläubigen geschlagen und eine unzählige Menge derselben
über die Klinge gesprungen war, diejenigen, welche sich retten konnten, sich
geflüchtet hatten und die Religionskämpfer den Ungläubigen auf der Flucht
nachgesetzt waren, um sie zu erschlagen, strebte Muräd Khan Ghäzi danach,
auf der Walstatt den Märtyrertod zu erleiden. Als die Ungläubigen nun besiegt
waren, erkannte er für sich kein Anzeichen noch irgendeine Spur des Märtyrer-
todes; er verwunderte sich darüber, und indem er mit einigen seiner vertrauten
Diener diese Eselshügel Getöteter besichtigte, befand sich unter ihnen ein
Ungläubiger»namens Milos Kobilovic, ein beherzter und mutiger'Verfluchter. Dieser
hatte in der Gesellschaft Lazars die Behauptung ausgesprochen: „ich will gehen
und den Fürsten der Türken töten!" Er hatte bei sich einen Dolch verborgen.
Mit dieser Absicht war er auffälligerweise auf die Religionskämpfer gestossen,
und man hatte ihn verwundet; mit Blut bedeckt, versteckte er sich unter die
Getöteten. Als Muräd Khan Ghäzi zu diesem Ungläubigen kam, stand dieser
auf, halb fallend, halb sich erhebend, und ging auf den Khonkiär los. Die Causi
wollten ihn abwehren; aber Muräd Ghäzi Hess ihn seinem Wunsche gemäss heran,
indem er sprach: „Er scheint eine Absicht zu haben, lasst ihn herankommen!"
[euer Verfluchte hielt in seinem Ärmel seinen Dolch verborgen; er kam heran,
und indem er sich stellte, als wollte er den Steigbügel des Khonkiär küssen,
stach er auf den Khonkiär los. „Wenn herankommt das Geschick, erblindet der
Blick." Sein Ende war vorher bestimmt und jetzt eingetreten; sogleich flog der
Huma seiner Seele in das Reich der Vorstellungen und in das höchste Paradies;
er war ein vollendeter Religionsheld gewesen, jetzt wurde er ein wahrer Märtyrer.
Jenen Ungläubigen zerhieb man an dieser Stelle; schnell holte man ein Zelt herbei,
um den Sultan darunter zu bringen, seinen Sohn Bäjazit brachte man zur Fahne
des Glaubens, den Prinzen Jakub Celebi führte man unter dem Vorwande: „Komm,
Dein Vater verlangt Dich!" in das Zelt und erwürgte ihn da. Zufälligerweise
war der Fürst Lazar mit seinem Sohne gefangen genommen worden; man schleppte
sie herbei und tötete beide, in jener Nacht gab es unter dem islamischen
Heere grosse Verwirrung und Aufregung, am anderen Morgen setzten sie den
Sultan Bäjazit auf den Thron. — Das Datum aller dieser Ereignisse ist das Jahr
791 der Hidschra (1389)."
Auf dem Schlachtfelde von Kosovo errichteten die Türken dem Andenken
„Muräd Khan Ghäzis" ein einfaches Mausoleum, das ein Schech hütet; sein
Leichnam wurde jedoch in der von ihm erbauten Moschee zu Brussa beigesetzt.
Zar Lazars Gebeine ruhen in Vrdnik, einem in Syrmiens berühmten Weinbergen
') Walter F. A. Behrnauer, Quellen z. serb. Gesch. aus tiirk. Urkunden.
über Brus, Koznik und KriiSevnc nach Stalac. 87
liegenden Kloster, wo ich sie im schmucklosen Sarge, als vom Serbenvoik
hochverehrte Reliquie, im Herbste 1863 sah.
Nach der Ungliickssclilacht auf dem Kosovofelde blieb Kruäevac nur kurz
mehr die Residenz der serbischen Fürsten. Die Parteinahme seines Sohnes und
Nachfolgers Stefan im Thronstreite von Bäjazits Söhnen Mohammed und AAusa für
den ersteren, veranlasste Musa, sein Land mit Krieg zu überziehen. Der erwähnte
Chronist (S. 80) berichtet kurz: „Im Jahre 1413 schlug Zar Mojsia den Despoten
Stefan bei Vrbnica und zerstörte Krusevac, Petrus, Stalad, Koprijan und andere
Festen." ') Nach dem Tode seiner Mutter Milica, deren Höfe bei dem nördlich
von Krusevac liegenden Bacina sich befanden, schlug Stefan seine Residenz in
dem noch nördlicheren Borac auf (1. Bd., S. 593), doch wird noch 1224 die dort
von den Ragusanern begründete kleine Handelsfaktorei erwähnt. Dauernd wurde
das von Vuk Bobalic gegen den rumelischen Beglerbeg Sinan Pasa verteidigte
Kruäevac erst unter Sultan Murad 11. türkisch (1427). „Seine Bewohner flohen
— wie Kostadin berichtet — nach allen Seiten." Auf dem Marsche nach Sofia
nahm Hunyady während seines siegreichen Feldzugs gegen den Sultan 1443
Krusevac, das nach abgeschlossenem Frieden dem mit Ungarn verbündeten
serbischen Despoten Djnrdje Brankovic mit dem grössten Teile des heutigen
südlichen Serbien überlassen wurde. Aber noch im selben Jahre entschied der
nochmals aufgenommene Krieg durch die Schlacht bei Varna gegen die Christenheit.
Zehn Jahre später war Serbien eine türkische Provinz, und zu Krusevac
errichtete Sultan Mohammed eine neue Stückgiesserei für die von Italienern,
Deutschen u. a. bedienten Riesenrohre, aus welchen er im Juni 1456 das ein-
geschlossene Belgrad beschiessen liess. Weiter wurde die einstige Serbenresidenz
dadurch gefördert, dass die Hauptroute nach Sofia im 15. Jahrhundert sie berührte.
1433 fand der wiederholt erwähnte Broquiere die Krusevacer Zitadelle gänzlich
zerstört und den doppelten Mauergürtel der Stadt stark verfallen. 1437 ver-
wüsteten die von der Donau vordringenden Ungarn die ganze Umgebung, 1443
verweilte kurz dort Johann (Janos) Hunyady (Sibinjanin Janko), 1456 sein grosser
Gegner Mohammed, 1529 Sultan Sulejmann und 1669 Edward Brown, der es einen
„anmercklichen Platz" nennt, „allwo eine schöne Kirche ist mit zwey hübschen
Thürmen". Nach ihm hiess es türkisch „Haladza" — nach Chalfa wohl richtiger
„Aladzahisar". Obschon die moslimische Bevölkerung mit Hilfe serbischer
Freischaren allmählich die christliche verdrängte, ward Krusevac 1686 und 1737
durch Oesterreich den Türken kurz entrissen und die ihnen als Pferdestall dienende
Zarenkirche dem Gottesdienste wiedergegeben. Vom Sistover Frieden 1791 bis
zum Ausbruch des Freiheitskampfes litten die Kruäevacer Christen viel von den
dort hausenden Dahien. Viel schlimmer ging es der Stadt aber im September 1810,
wo in seiner Nähe die Waffen das fernere Schicksal Serbiens entscheiden sollten.
Ich benutze hier jüngst publizierte russische Dokumente-) über diese
Vorgänge, welche die bisher bekannt gewordenen wesentlich ergänzen. Ende August
') Daniele, RjeCnik, III, 159
'-') Documenta privitore la Istnria romanilor 1709—1812 S 308. Bukiiresci 1887.
88 Über Briis, Koznik und Kruäevac nach Stalac
erhielt der Prahovo belagernde Graf Zukato, der mit einem Teile der russischen
Truppen von der Walachei aus eine Diversion nach dem Norden Vidins
unternahm und in der Krajina gemeinsam mit den Serben gegen die Türken
operierte, von Karadjordje verzweifelnde Berichte, welche dringend Hilfe forderten.
Mit starker Macht war von Nis her Mehemed Rusid Pasa herangezogen, und ein nicht
minder zahlreiches Korps bedrohte die geringen serbischen Streitkräfte an der Drina.
Zukato, obschon nur über unbedeutende Streitkräfte gebietend, übertrug diesen
schwierigen Auftrag dem Grafen Orurk. Dieser energische General vollführte
innerhalb weniger Tage mit seinem Detachement von 2 Bataill. Ladoga, 5 Eskadr.
Ulanen, 1 Reg. Kosaken und einigen Hundert berittenen Serben wahre Wunder von
Gewaltmärschen und glücklichen Taten. Am 29. Aug. von Prahovo abrückend,
erreichte er, ohne sich um das in seiner Flanke stehende Korps von Vidin zu
kümmern und trotz der elenden Wege über Bregovo und Vrska Cuka in drei
Tagen 40 km zurücklegend, GurgusovaC) Er beschoss ohne Zaudern dieses Schloss,
um Ismail Bej zum Rückzug zu zwingen. Hier empfing Orurk von Karadjordje
eine Depesche, welche das Vordringen der Türken über Krusevac nach Belgrad
meldete und die Erklärung enthielt, dass er, ohne Hilfe gelassen, bis zur Save
zurückweichen musste. Orurk begriff die Gefahr und rückte am 3. Sept. auf Banja,
dessen Schloss er mit Sturm nahm, worauf er, ohne seine Truppe ausruhen zu
lassen, den Marsch auf Deligrad fortsetzte. Dort begrüsste ihn Karadjordje als
Serbiens Retter; denn von der Schanze zu Varvarin an der Morava eingelaufene
Nachrichten versicherten, dass man dieses Bollwerk nicht länger halten könnte!
Russen und Serben zogen am 5. gemeinsam über Krusevac dahin, wo sie
15000 Türken unter Mehemed Ruäid Pasa und Ismail Bej in befestigter Stellung
trafen. Orurk bestimmte Karadjordje, unverweilt mit seinen Serben und 5 Kanonen
anzugreifen. Nach mehrstündigem Kampfe wichen die Türken bei Jasika zurück.
Die dortige Schanze gewährte den zusammen 4000 Mann zählenden Serben und
Russen einen trefflichen Stützpunkt, musste jedoch wegen der vielen dort faulenden
Kadaver verlassen werden. Am 18. Sept. ging Rusid Pasa mit 12000 Mann von
Krusevac gegen Varvarin vor, um eine von Orurk rasch hergestellte, durch acht
Geschütze verteidigte Schanze zu nehmen, welche ihn am Vormarsch auf der
Belgrader Strasse gegen Jagodina hinderte. Orurk liess die Serben und Russen
je zwei Karrees formieren, stellte die Kavallerie in deren Mitte und erwartete so
den Feind, welcher um 7 Uhr morgens zum Angriff schritt. Die Türken kämpften
mit grosser Zähigkeit bis 6 Uhr abends. Die Karrees widerstanden aber glänzend,
und das wohlgezielte Kanonenfeuer schoss solche Breschen in die türkischen Massen,
dass diese mit einem Verlust von 1000 Mann sich zurückzogen. 500 Mann, welche
der zur Sammlung neuer Streitkräfte von Jasika ausgezogene Karadjordje mit
frischer Munition sandte, waren rechtzeitig vor dem am 22. Sept. erneuerten
türkischen Angriff eingetroffen. Mit Tollkühnheit übersetzten die Türken die
westliche Morava; doch trotz ihrer den Fluss durchschwimmenden Kavallerie
vermochten sie nicht, die hier aufgeworfene kleinere zweite Schanze-) zu nehmen.
') Nun Knja^evac.
-) Jovan Miskoviii gibt eine Darstellung der festen Stellung im Giasnik, 48. Bd., 1880.
über Brus. Koznik und KruSevac nach Stalac. SH
Graf Orurk hatte die Serben während der ganzen Zeit an diszipliniertere Gefechts-
weise in formierten Linien und Karrees geübt und sie leisteten gleich unerschütterten
Widerstand, wie ihre russischen Lehrmeister. Am 27. Sept. gaben die Türken
nach riesigen Verhisten ilir Unternehmen auf, räumten Krusevac und sein Gebiet
bis zum Kopaonik und zogen sich auf Nis und Nnvi Pazar zurück.
An dieser Befreiung des Landes hatten neben Karadjordje der bei Varvarin
verwundete Veljko, Milan, MIaden und Stanoje teilgenommen; das grösste Ver-
dienst gebührt aber dem Grafen Orurk, dessen tapfere Schar den festen Kern der
glänzenden Verteidigung von Varvarin gebildet hatte. Im für Serbien verhängnisvoll
gewordenen Jahre 1813 setzten sich die Türken auch in Krusevac wieder fest
und blieben dort nach den siegreichen Kämpfen an der Morava, durch die
Milos Obrenovic Serbien erneut befreite. Erst 1832 füiirte einer ihrer vielen
Gewaltakte durch Milo.s' geschickte Benutzung desselben zur Durchführung der
schon im Bukarester Frieden (1812) festgesetzten Grenzregulierung und Auslieferung
von Krusevac an das junge Fürstentum.
Dieser Zwischenfall, dem Serbien die Gebiete von Krusevac, Paracin, Razanj
und Aleksinac dankt, wird so erzählt: Die 1832 im alten Kruäevacer Kreisamt
hausenden Begs Selim, Smaka und Zeka Trencevic raubten aus dem nahen Dorfe
Maskare zwei junge serbische Mädchen, zwangen sie, den Islam anzunehmen
und führten sie als Frauen in ihren Harem. Ihre Angehörigen riefen das Volk
zu Hilfe, und dieses, der vielen Kränkungen satt, erhob sich ringsum. Fürst
Miloä entsandte zwei Kommissare, um die Aufständischen scheinbar zu beruhigen,
im geheimen sie aber aufzufordern, nicht nachzugeben, bis die Türken gänzlich
verjagt und serbische Behörden eingesetzt wären. Gleichzeitig unterhandelte Milos
geschickt mit dem Pascha von Belgrad, schickte den Cehaja Avram Petronijevic zum
Valija von Rumelien, berichtete nach Konstantinopel und bat in Petersburg um
diplomatische Unterstützung. Indessen wurden die Moslims aus allen Orten
hinausgedrängt. Die definitive Regelung der Grenze wäre aber trotzdem noch
lange fraglich geblieben, hätten die mit den Brüdern Trencevic vor den Belgrader
Pascha beschiedenen beiden Serbinnen, welche sich an das Wohlleben im Harem
bereits gewöhnt, ausgesagt, dass sie freiwillig den Begs folgten. Da dies tat-,
sächlich zu befürchten war, Hess Milos sie wissen, dass sie als Verräterinnen am
Volke an keinem Orte ihres Lebens sicher bleiben würden. Diese F^rohung
wirkte, und die Frauen forderten von dem türkischen Kommissar, dass man sie
ihren Eltern übergebe. Das Urteil lautete in diesem Sinne, und es durften die
Entführten auch alle von den Trencevic empfangenen Geschenke behalten. So
wendete Milos' diplomatische Schlauheit den ihm erwünschten Vorfall zum Wohle
seines Landes und insbesondere von Krusevac.
Das altserbische Kruzevac soll drei Stunden im Umfang besessen haben (?);
das türkische erscheint noch auf der österreichischen Okkupationskartc als stark
befestigte „Palanka Kruschowaz". Sie breitete sich nördlich vom Schlossplateau
in der vom Ciganski Potok durchschnittenen Ebene nahe der Wasserleitung aus.
Die 1905 in 1250 Häusern 7200 Seelen (23 Deutsche, 8 Böhmen, 7 Italiener,
6 Ungarn, 224 Zigeuner, darunter 35 Katholiken, 7 Protestanten usw.) zählende
90
Über Rrus, Koznik iiiul Kriisevnc nach Stalac.
Neustadt wurde 1836 von dem Wojwoden Cukic, Vater des Ministers Kosta Cukic,
an gesünderer Stelle angelegt. 1860 traf ich das ganz an türkische Seraiis
erinnernde Kreisanit untern der Lazarkirche neben der kleinen Schule, die längst
durch ein entsprechenderes Gebäude ersetzt worden wäre, hätte nicht die
leidige serbische Prozesssucht einen Kompetenzstreit zwischen dem Prota und der
Kommune hervorgerufen, der endlos fortwucherte. Um so angenehmer wurde ich
überrascht, als ich 1888 das grosse einstöckige Gymnasium mit 15 Fenstern
Frontbreite vollendet fand, in dem 20 Professoren 360 Schüler unterrichten. Es
steht südwestlich von der jetzt umfriedeten Kirche und gibt dem historisch
interessanten Platze, auf dem sich ausser einem Lazarschen Schlossturm nur das
Häuschen für den Klisar (Küster) befindet, das Aussehen eines Forums.
KRUSEVAC. Lazarturm, Kirche und CJvmnasiuin.
Die 3 Volksschulen mit 22 Lehrern wurden
gleich dem Kreisamte hinab in die Stadt verlegt
und damit ein allseits gehegter Wunsch erfüllt.
Nahe dem letzteren befinden sich grosse Montur-
und Waffenmagazine, denn Krusevac bildet das
Stabsquartier der gleichnamigen Brigade, mit Gebirgsartillerie und einer Eskadron,
zusammen 20 Offiziere, 26 Unteroffiziere und 145 Soldaten, für welche im
östlichen Stadtteil eine neue einstöckige Kaserne erbaut wurde. In der
langgedehnten Carsija und auf ihren drei Plätzen sieht man mehrere hübsche
Wohnhäuser und Magazine; an ihrem Nordende fiel mir neben dem türkischen
Kuppelbad eine Danipfmühle auf, in ihrer Mitte liegt der freundliche Gasthof
„Zur serbischen Residenz", etwas weiter ein Cafe ä la franka, in einer Querstrasse
das „Hotel l'Europe". Das Post- und Telegraphenamt steht in einem vom städtischen
Zentrum fernen Gässchen, was um so unangenehmer empfunden wird, als Handel
und Gewerbe sich, begünstigt durch den gegenseitigen Hilfs- und Sparverein,
der 1905 über 21 Millionen d zu nur (für Serbien) 10 Prozent in Umlauf setzte,
bedeutend heben.
Der Kaufmannsstand zählt 230 Vertreter, darunter 2 Bankiersund 14 Spediteure;
mit Feld- und Gartenbau beschäftigen sich nur mehr 56; mit Schneiderei 132,
über Brus, Koznik und Kriisevac nach Stalat'.
91
Schuhwerk 120 Personen usw. Ärzte gibt es 5, Apotheker 4, Advokaten 6,
Buchdrucker 4, und jüngst etablierte sich dort ein Photot;rapii, der gleich Gutes
leistet wie Franz Winter, ein böhmischer Tischler, dessen Möbel als die besten
im Innern des Landes erzeugten gelten. Er zimmerte auch den vielbesprochenen,
weil mit den Wappen aller von Serben bewohnten Nachbarländer verzierten
Triumphbogen, bei dem der junge König die Huldigung der Stadtbehörden
anlässlich des 500. „Vidov-dan "-Jahrestages entgegennahm und den Grundstein
zum Denkmal für die am 15. Juni 1389 gefallenen Helden legte. Das bereits
im Zentrum der 1200 m langen Carsija sich erhebende Postament wird mit der
schönen Bronzegruppe, welche der Bildner Jovanovic (I. Bd., S. 166) zu Paris
PipaiHIVJipiHMH^ppp
KRUSeVAC, (jiockengeschoss der Laz.irkirchc.
ausführt, ihren künstlerischen Schmuck bilden, und die von Zivanovic entworfene
fünfkuppelige Votivkirche soll das Südende der Strasse würdig abschliessen.
„Einfach und schmucklos — erzählt ein deutscher Berichterstatter — ohne
den im Westen Europas hergebrachten Glanz und die allgemein herrschenden
höfischen Formen, erschien die Feier, eine Fortsetzung der patriarchalischen
Ordnung der Dinge, eine Anknüpfung an die Tage der Erhebung gegen die
Türken im serbischen Waldland. Man fühlte sich unwillkürlich an kleine slavische
Höfe des Mittelalters versetzt. Die überwiegende Masse der Bauern in der
nationalen Tracht, die zahlreiche Geistlichkeit, lauter Charakterköpfe mit lang
herabwallendem Haar und Bart, manche wirklich imponierende Erscheinungen;
hier haben Bauern und Geistliche auch in der Vergangenheit gewiss nicht viel
anders ausgesehen, und wir wissen aus der Geschichte, dass beide damals
dieselbe Rolle gespielt haben wie heute. Nur wo einst der hohe und niedere
92 Ober Brus, Koznik und Kruäevac nach Stalac.
Adel, den Grossbesitz vertretend, um den Thron stand, erschienen hier Offiziere,
Minister und andere Beamte in Uniform und Fracl<, mit zahlreichen Orden
geschmückt. Unter der Geistlichkeit fielen der Metropolit und der Bischof von
Nis auf. Sie prangten bei den verschiedenen Feierlichkeiten im reichen Ornat
im Glänze der byzantinischen Kaiserkrone, die auf sämtliche Bischöfe der östlichen
Kirche übergegangen ist. An der Spitze der Beamten und Offiziere gewahrte
man die beiden Regenten, die Generäle Belimarkovic und Protic; Ristic war
daheim geblieben. In der Mitte dieses bunten Rahmens von Männern, die
vom politischen Wechsel zu sagen wussten und selbst den Umschwung der
Dinge nach oben und unten erfahren hatten, erschien der junge König Alexander."
Die Strasse nach Kraljevo und Zica führt über die westliche fruchtbare,
doch wenig bebaute Diluvialhöhe von Lazarica, auf welcher ich das in Viquesnels
„Voyage dans la Turquie de l'Europe" veröffentlichte Gebirgspanorama zeichnete.
Die südwestlichen hohen Berge waren mir liebe Bekannte, an deren Fuss ich
gestanden, deren Täler ich durchzogen, deren Spitzen ich erklommen hatte. Sie
bildeten eine weitgestreckte Linie, beginnend mit dem 2140 m hohen Kopaonik;
ihm schlössen sich an: die 2080 m hohe Gobelja, der Ceker (1589 m), der
Zeljin (1836 m), der Goc (1147 m), weiter westlich die Kobasica, Stolovi und der
Troglav, die das Ibar-Defilee S. bei Kraljevo markieren. Auf dem linken
Moravaufer entwickelten sich die zahllosen gewellten Bergkuppen, welche das
nordwestliche Serbien erfüllen; nur den Kotlenik, Crni Vrh, Kremenica und Juhor
vermochte ich zu unterscheiden. Mein Begleiter deutete über das nahe Trstenik auf
einen lichten Streif und meinte, dort läge Kraljevo. An sehr reinen Tagen will man
sogar seine Kirche mit dem Fernglas erkennen, was ich bezweifle, weil die
Entfernung in der Luftlinie 52 km beträgt. Es dürfte gleich wahr sein, wie jene
Sage von dem eisernen Riesentor im Goc-Engpasse, welches die durch diesen
nach Novi Pazar führende Strasse in der Türkenzeit sperrte und dessen Öffnen
und Schliessen solches Geräusch verursachte, dass die Kaufleute selbst im 35 km
fernen Krusevac Beginn und Ende ihrer Geschäftszeit danach regelten.
Die weitere streng West einhaltende treffliche Strasse erreicht, unmerkbar
ansteigend, hinter G. Ribnik mit von Fürst Milan Obrenovic 11. gestifteter
Kirche ihren höchsten Punkt (193 m) und auf diesem Niveau fortlaufend das
von Krusevac 27 km ferne Trstenik. Diese 1905 1500 Seelen zählende, zweit-
grösste Stadt des Kreises erscheint schon in einer Stiftungsurkunde des Knezen
Lazar unter den Orten, welche er dem Kloster Ravanica zuwies. Die etwas
westlichere ältere Ansiedelung in der Talenge zwischen dem Goc und der Tatarna,
aus deren Umgebung eine 1874 in das Belgrader Museum gelangte römische
Bronze-Gesichtsmaske stammt, wurde auf Milos' Befehl 1832 verlassen. Das an
der heutigen Stelle entstandene Städtchen besitzt ein Bezirkshaus, eine gute Schule,
ein Post- und Telegraphenamt, einen nahezu 7 Millionen d jährlich in Umlauf
bringenden Hilfs- und Sparverein, eine wohlassortierte Carsija. Die hier gearbeiteten
Teppiche sind durch ihr dichtes und weiches Gewebe sehr geschätzt. Der
lebhafte Handelsverkehr litt lange durch die 1887 erfolgte Zerstörung seiner es
mit dem linken Moravaufer verbindenden Brücke (1. Bd., S. 172), die seither durch
über Briis, Knznik und Kriisevac nach Stniac. 93
die Jasikaer Pontonbrücke ersetzt wurde. Auch an die Steile des abgetragenen
alten Kirchleins soll ein von 2ivanovic entworfener Kuppelbau treten.
im Sommer ziehen viele Fremde durch Trstenik nach dem im westlichen
Mala Reka-Tale liegenden Bade Vrnjci, das die wiederholten Besuche der
Königin Natalie in Flor brachte und die Regierung durch die Anwesenheit des
Kreisarztes während der Saison, sowie 1897 durch die Anlage von Promenaden
und zierlicher Eisenbrücken über den regulierten, viele Mühlen treibenden Wildbach
erheblich förderte. Die Wirkung der am südlichen Goc, in kristallinischen, von
Quarzit und Schotter überlagerten Schichten entspringenden, alkalisch-säuerlichen
Quellen wird jener von Ems gleichgestellt. Die warme mit 27 " C. neben dem
hübschen Kursalon wird zum Baden, die kalte auf dem linken Ufer zum Trinken
benutzt. Einer der vielen Ausflüge in Vrnjcis romantische Umgebung führt zu
seinem Marmorlager, das nicht minder gerühmt wird wie die trefflichen
Mühlsteinbrüche beim östlichen Popina, Dublje und jenseitigen Orlovacberg,
welche von dem Neusatzer Unternehmer Spitzer ausgebeutet werden.
Nordöstlich von Kruäevac erhebt sich ein in der 491 m hohen Despina
Poljana kulminierendes diluviales Hochplateau, von dessen nördlichstem Sporne,
21 m über dem Vereinigungspunkt der West- und Süd-Morava, Stalacs viel-
besungener „Todorturm" hcrabblickt. Geographische Erhebungen und der
Wunsch, dieses Denkmal altserbischen Heroismus' zu sehen, führte mich schon
1860 zum erstenmal dahin.
Am prächtigen 7. Julimorgen durchritt ich mit dem Kreisingenieur Matijasic
an der Belgrader Strasse die nun überbrückte tiefe Rasinafurt, sodann ging es
die sanften Höhen hinan, durch Makresanis Obst- und Weinkulturen, hinter
welchen sich kleine Eichenstände bald in den höheren Lagen zu prächtigem Wald
verdichten. Ernst stimmende Feiertagsruhe lagerte auf ihren mächtigen Kronen
und allerorts auf der SO. sich streckenden Mojsinje planina, die Mojsilo, ein
Wojwode, der sich gegen den Zaren Dusan schwer vergangen, zum Loskauf des
ihm geschenkten Lebens in einen Heiligenhain verwandeln musste. 70 Kirchen
baute er in den wasserreichen Gebirgsschluchten auf beiden Moravaufern, und
die Ruinen vieler „crkviste", um deren Erforschung sich der Lehrer Mihail
St. Riznic verdient gemacht, kräftigen bei den Gläubigen diese im Volke
fortlebende Sage.
Bei dem uralten Dorfe Mojsinje, bei Braljina zwischen hohen Ulmen,
bei Kaonik u. a. 0. sieht man zerstörte Kapellen, über deren einstige Patrone
sich jede Tradition verloren hat; es gibt aber auch besser erhaltene, welchen
noch heute eine grosse Heilkraft nachgerühmt wird. Im Grundriss interessant ist
das noch vor 40 Jahren mit achtseitiger Kuppel aufrecht gestandene Kirchlein bei
Stevanac, dessen marmorne Tür- und Fensterstöcke schon früher dem Volkswahn
zum Opfer fielen, dass in Wasser gelöster pulverisierter Marmor gegen innere
Krankheiten sicher helfe. Am Sabortage des hl. Jovan Javorek zieht das Volk
von allen Seiten dahin, und gleiche Verehrung geniesst das im östlichen nahen
jakovac Potok liegende gleichnamige Kirchlein, das als technisch vollendetste
des Mojsinjegebirges gilt. Seine Kuppel stürzte vor etwa 15 Jahren ein; steinerne
94
!ber Briis, Ko/nil< inid Knisevac nach Stalac.
Weihwasserbehälter und Bikierständer sprechen für seine reichere Ausstattung.
Schatzgräber fanden hier ausser Gefässen einige Goldstücke von Dusan und
Lazar; den Sabor feiert man am „Tomin-dan". im 1 km östlicheren Paraliel-
graben liegt das gleichfalls zerstörte Sv. Damnjan, unfern Sv. Marija und
nördlicher, gegenüber dem Tunnelende, die Kapelle Sv. Nedelja, dessen kaum
3 m langer Hauptraum nur durch das schmale Fenster der ihn abschliessenden
Altarapside wenig Licht erhält und vom Narthex an Grösse übertroffen wird.
Vom Kamme des Mojsinje-Gebirges ging es sanft abwärts, und als wir den
Wald von Pozarac (442 m) verliessen, lag das nördliche Moravagebiet bis zur
Sava vor unseren überraschten Blicken. Den Mittelgrund der prächtigen Landschaft
füllte der fruchtbare altserbische Gau „Lugomir", durchströmt von dem ihn reich-
bewässernden gleichnamigen Flüsschen (I. Bd., S. 291), dicht vor uns ragte der einzig
STEVANAC. Grundriss der Kirche.
erhaltene Stalacer Schlossturm in den blauen Äther; tief unten lagen aber die Dörfer
Klein- und Gross-Stalac '), getrennt durch die Süd-Morava, welche in wunderlichsten
Krümmungen ihrer von Westen kommenden Schwester zueilt, um bald mit ihr
vereinigt als mächtigster Fluss das Königreich bis zur Donau zu durchfliessen.
Nur selten hatte ich auf meinen wiederholten Kreuz- und Querzügen im
Gebiete der breiten unteren Morava auf dieser mehr als ab und zu eine Fähre
oder einen bescheidenen Kahn erblickt. Und doch war sie nach Eward Browns
Zeugnis noch 1669 die Trägerin eines lebhaften Handelsverkehrs mit „salt and
other commodities" von und nach Ungarn. Damals war der Flusslauf zweifellos
viel regelmässiger als heute, wo er durch die beklagenswerte Waldverwüstung
in seinen Quellgebieten im Frühjahr einen alles Anland verheerenden Strom, in
regenarmen Monaten unzählige Widerströme und seichte, gefährliche Kurven
bildet. Wer den mühsamen, ebenso langsamen wie kostspieligen Transport von
Salz und Kolonialwaren von den Donaustapelplätzen nach dem Innern vor der
') jetzt Grad Stalac und Stalac.
über Brus, Koznik iiriil Kriiscvac nach Stalac. 95
Eröffnung des Belgrad-Niser Schienenstrangs kannte, sowie die nicht minder
grossen Hemmnisse, mit welchen seine Ausfuhr von Getreide, Häuten, Talg und
Schweinen verknüpft war, bedauerte, dass nicht ernsthchere Schritte gemacht
wurden, um die natürliche und wohlfeile Morava -Wasserstrasse von den Schiff-
fahrtshindernissen zu befreien und dem Verkehr zurückzugeben. Die österreichische
Donau-Danipfschiffahrts-Gesellschaft Hess Sondierungen des Strombettes vor-
nehmen, welche seine Befahrung mit kleinen Dampfern als möglich darstellten, doch
sollte die serbische Regierung durch allmähliche Regulierung und Kultivierung der
nahen Waldgebiete gleichmässigere Niveauverhältnisse für die Schiffahrt schaffen,
was in der Skupstina befürwortet und zugesagt, nach Fürst Mihails Tod aber
niemals ernstlich angegriffen wurde, obschon die Morava von Stalac abwärts bis
zur Donau ein 216 Kilometer langes, fruchtbares breites Tal durchfliesst, das
nicht allein, wie die zahlreichen antiken Ansiedelungen zeigen, unter den Römern,
sondern bis ins Mittelalter hohe militärische und wirtschaftliche Bedeutung besass.
Den südlichsten Hafen für die Morava Schiffahrt bildete bis in die Türkenzeit
das durch seine natürliche Lage dazu bestimmte Stalac, dort nahmen und
landeten alle Schiffe ihre Waren aus und nach den benachbarten Landschaften;
daher auch sein Name von ustavijati und stojati (sich aufhalten, stehen bleiben).
Noch unter Knez Lazar war Stalac eine handelstätige Stadt mit bestimmten
Märkten, denn die Einkünfte des „panadjur Petrov" (hl. Peter) schenkte er dem
Kloster Ravanica '). Auf den römischen Kastellresten entstand das den Hafen
schirmende altserbische Schloss. Sein westlicher grösserer, ganz verwüsteter
Teil umfasste nahezu 4 Hektare; vom östlichen kleineren steht ein Teil des
entzwei geborstenen „Todorturmes" noch aufrecht da. Seine 1 m starken Mauern
waren 6,5 m lang, 6,5 m breit und umschlossen 5 Geschosse, von welchen nur
das dritte ein Fenster besass, das letzte als Auslugswarte diente. Im Innern sah
ich 1860 noch Reste von Fresken.
Die oft ihr Bett ändernde Morava bespülte wohl die unteren Werke, aber
gewiss niemals diesen Turm, deshalb konnte er auch unmöglich den Schauplatz
der heroischen Tat bilden, welche die Tradition an ihn knüpft und das serbische
Nationallied „Smrt vojvode Prijesde" verherrlicht. Es lautet nach Siegfried Kappers
gelungener Übersetzung 2):
Briefe folgen häufig sich auf Briefe. I Und geschrieben nach dem Schloss von Stalac
Von wem sind sie und an wen geschrieben? ' An Prijesda, an den Wojwoden:
Von Mehnied, dem Türkensultan^j, sind sie, | „O Prijesda, Stalacer Wojwoda,
') Daniele, Rjecnik, III, 158.
-' Tod des Wojwoden Prijesda. Aus Vuks „Serbische Nationaliieder", II. Bd., in
„Gesänge der Serben", II, 10. Mit vielen Varianten wird dieses prächtige Volkslied, in dem
sich der tiefe Hass zwischen Christ und Moslim mit dem hehren ülanze südslavischen
Heldentums spiegelt, in allen serbischen Ländern und auch in Bulgarien gesungen. Eine
derartige Variante aus dem Bezirke Trn, welche den Todor befehdenden Sultan „Sulejman"
nennt, wurde von der Bulg. liter. Gesellschaft mitgeteilt, andere schon früher von den
Brüdern Miladinov.
') Mit diesem Mehmed kann, wenn es nicht allerorts Musa heissen soll, gewiss nur
Sultan Mohammed III. gemeint sein; denn es ist historisch erwiesen, dass der die Herrschaft
9fi
Über Briis, Koznik luul Krusevac nach Stalac.
Sende du mir deine besten Güter.
Erstes Gut, den starken Stiinnersäbel,
Der da Baum und harten Felsstein spaltet,
Baum und Stein, sowie auch hartes Eisen;
Zweites Gut, dein gutes Kranich-Kampfrnss,
Gutes Kanipt'ross, das wohl übersetzen
Eine nach der andern kann zwei Mauern;
Drittes Gut, dein treu geliebtes Eh'wcib!"
Da den Brief Prijesda durchgesehen,
Geht er hin und sclireibt gleich einen zweiten:
„Sultan Mehnied, grosser Zar der Türken!
Samml' ein Heer, so gross es dir beliebig,
Komm vor Stalac, wann es dir beliebig.
Stürme Stalac, wie es dir beliebig;
Von den Gütern send' ich dir kein einz'ges,
Hab' für mich mein gutes Schwert gewetzt nur,
Hab' für mich mein Falkenross genährt nur,
Hab' für mich mein treues Weib gefreit nur,
Keins von meinen Gütern kann ich missen!"
Da erbebt der Türkensultan Mehmed,
Hebt ein mächtig Heer und zieht vor Stalac.
Wohl drei Jahre stürmt er und beschiesst es,
Stürmt ihm keinen Stein ab, keinen Splitter.
Nicht vermag das Schloss er zu bezwingen.
Noch viel wen'ger will er es verlassen.
Da, des Morgens früh vor einem Sonntag,
Wallt hinaus Prijesdas treue Eh'frau,
Wallt hinein die hohen Festungsmauern,
Schaut hernieder ins Moravawasser.
Trüb' vorüber strömt der Strom am Schlosse
Und die Eh'frau spricht zum Wojwoden:
„O Prijesda, Herr mir und Gebieter!
Sehr befürcht', o Herr, ich, dass die Türken
Uns mit Minen in die Lüfte sprengen!"
Drauf jedoch zurück ihr der Wojwoda:
„Schweig', oLieb'! Gefahr lassdich schweigen.
Wer grub Minen unter solche Ströme?"
Als hierauf es Sonntag war geworden.
Schreitet nach der Kirche der Wojwoda,
Dient darin den Dienst mit den Gefährten,
Tritt heraus dann aus der weissen Kirche,
Spricht zu den Gefährten diese Worte:
„O Gefährten, ihr mein rechter Flügel,
Bald mit euch wohl werd' ich mich erheben!
Lasst darum erst speisen uns und trinken,
Oeffnen dann des Schlosses weite Tore,
Und hinaus uns stürzen auf die Türken -
Komm' was Gott will, und der Helden Glück!"
Also aber spricht er zu der Eh'frau:
„Geh', o Seele, nieder zu den Kellern,
Hol' uns Rakija, hol' uns roten Kühlwein!"
Und Frau Jela nimmt zwei goldne Kannen,
Geht hernieder in die dunklen Keller.
Da sie anlangt in den dunklen Kellern,
Trifft den Raum sie voll von Janitscharen.
Aus Pantoffeln kühlen Rotwein schlürfend,
Trinken sie Frau Jela zu, der Herrin.
Trinken auf das Seelenheil Prijesdas.
Da dies sieht Frau Jela, die Gebiet'rin,
Lässt die Kannen aus der Hand sie fallen,
Eilt hinan schnell zu den Herrenhallen:
„Schlimmer Wein," so ruft sie, „mein Gebieter!
Schlimmer Wein und noch schlimm'rcr Rakija!
Voll von Janitscharen sind die Keller!
Aus Pantoffeln deinen Kühlwein schlürfend.
Tranken auf mein Wohl sie, o Gebieter!
Tranken dir, dem Lebenden, den Grabtrunk,
Tranken, weh, auf deiner Seele Frieden!"
Da dies hört Prijesda, der Wojwoda,
Tut er auf des Schlosses weite Tore,
Stürzt sich kämpfend auf die Türkenheerschar,
Schlägt um sich und schlägt viel Türken nieder.
Sechzig oben, ungezählt die andern.
In das Schloss dann rückkehrt der Wojwoda,
Schliesst die Tore hinter sich des Schlosses,
Zückt vom Gurt den blanken Stürmersäbel,
Schlägt das Haupt ab seinem Kranichrosse:
„Weh, o Kranich, du mein Gut, mein teures!
Weh! Doch wird der Sultan dich nicht reiten!"
Bricht entzwei den blanken Stürmersäbel:
„Weh, o Stürmer, meine rechte Hand du!
Weh! Doch wird der Sultan dich nicht
zücken!"
Dann zur Frauen geht er in die Halle,
Fasst an ihrer Hand die treue Eh'frau:
„Wähle, Jela, du verständ'ge Hausfrau!
Wähle! Willst du lieber mit mir sterben
Oder einem Türken sein zur Buhle?"
Heisse Tränen weint die edle Frauen:
„Heil'gen Tod mit dir, den wähl' ich lieber
Als des Türken schandevolle Liebe!
Nimmerdar entsag' ich meinem Glauben
Und des Kreuzes Heil verleugn' ich nimmer!"
An den Händen fassen sich dann beide,
im europäischen Reiche seines Vaters ansprechende Musa 1413 Stalac eroberte, worauf es
der ihn mit serbischer Hilfe besiegende Sultan Mohammed I. dem Despoten Stefan Lazarevic
gleich Kruäevac, Svrljig u. a. O. zurückgab. Somit hätte die Wegnahme des Stalacer
Schlosses und Prijesdas Heldentat anlässlich des Zuges Mohammeds II. nach Belgrad
im J. 1456 stattgefunden.
über ßrus, Koznik und Kriisevac nach Slalac'.
97
Geh'n hinan zu Stalacs hohen Mauern.
Also spricht hier Jela zum Wojwoden :
„O Prijesda, Herr und mein Gebieter!
Aufgeniihret hat uns die Morava —
Nun wohlan, sie mög' uns auch begraben!"
in den Strom drauf stürzen beide jählings.
Leicht bezwingt derSultan nun das Felsschloss,
Von den üütern aber wird ihm keines.
Grimmig schilt er drob, indem er fortzieht:
„Schloss von Stalac, dass dich Gott zerstöre!
Herwärts führt' ich dreimal tausend Krieger,
Heimwärts ihrer führ' ich kaum fünfhundert."
Wie dem Untergange des Zaren Lazar auf Kosovo, schreibt das Volk auch
den Verlust von Stalac und den Tod seines tapferen Schlossherrn Prijesda dem
Verrat eines seiner Wojwoden zu, der die Türken durch geheime Minengiinge
einliess und als Lohn zum „Vezir" der Landschaft ernannt wurde. Als solcher
eilte er, aus dem Material der ringsum zerstörten Kirchen den nach ihm benannten
„Todorturm" zu erbauen und das Schloss wieder in vollen Verteidigungszustand
zu setzen. Der deshalb erzürnte Sultan Mehemed
belagerte es vergeblich drei Jahre lang. Da erbot
sich ein im benachbarten Kirchlein Sv. Arandjel
Ruine der Siala^er Feste.
weilender Erzpriester, den ihm verhassten Todor durch List zu überwinden. Auf
dessen Rat liess der Sultan seine Truppen auf das rechte Ufer abziehen; der vom
Prota überredete Todor kam mit seinen Wojwoden herab, um Gott den Dank für die
unverhoffte Erlösung von den Türken darzubringen. Der benachrichtigte Sultan
überwältigte aber rasch die sorglose, ihrer Führer beraubte Besatzung, liess seinen
treulosen „Vezir Todor" mit allen Wojwoden töten und auch die Kirche
zerstören, in deren Turm sich der seinen Verrat bereuende Prota erhängte. — In
so wahrhaft dramatischer Weise erzählt das Volk den Untergang von Stalac. Der
Fluch des in seiner Eigenliebe schwer verletzten Sultans Mehemed im Volkslied:
„Schloss Stalac, dass dich Gott zerstöre!" kann nur seinem obersten Teile gegolten
haben. Denn die Verwüstung der unteren Burg durch „Zar Mojsia" war schon
1413 eine so vollständige, dass Broquicre zwanzig Jahre später auf der Ruinen-
stätte nur mehr eine Karaula traf, welche die türkisch-serbische Grenze markierte.
Ganz nahe ankerte eine sultanliche Flottille von 80 100 Saiken (Kriegsbarken),
jeden Augenblick bereit, die dort lagernden Truppen auf der unteren Morava in
Feindesland zu führen.
F. KANITZ, Serbien. U. 7
98 Über Brus, Koznik und KruSevac nach Stalac.
Meine Skizze zeigt die Ruine der Stalacer Feste mit dem Zusammenflusse
der West- und Süd-Morava, an dem sich die Grenzen der Beziri<e Krusevac,
Razanj und Varvarin berühren. Südlich vom Städtchen Varvarin liegt am linken
West-Moravaufer Maskare, dessen Namen das Volk so deutet: Türkische Soldaten
fingen den durch die Fluten abwärts getriebenen Leichnam der schönen Frau
Prijesdas dort auf und wollten ihn schänden; ein hinzukommender Barjaktar
(Fahnenträger) hinderte es aber, rufend: „To je maskara!" (das ist Schande!) —
Auf dem „Bedanin" sieht man beim Dorfe 1,25 m starke, in gewissen Abständen
vor- und zurücktretende Mauerreste, mit teilweise 32x29 cm grossen Ziegeln,
eines römischen quadratischen, 156 m langen, 132 m breiten Römerkastells, bei
dem Kaisermünzen, Gefässe und Inschriftsteine gefunden wurden. Lehrer Riznic
irrt jedoch, wenn er das nach den Itinerarien am Belgrad-Konstantinopler Heerwege
gelegene römische „Praesidium Pompei" bei Maskare und „Praes. Dasmin" bei
Stalac ansetzt. Denn wäre dies richtig, dann hätten die Römer eine Brücke bei
Paracin über die vereinigte Morava, eine zweite bei Maskare über ihren westlichen
und eine dritte über ihren südlichen Arm erbauen müssen, um Naissus (Nis) zu
erreichen. Die antike Heerstrasse mied aber gleich dem modernen Schienenstrang
das abseits liegende Krusevac und blieb, wie ich dies unwiderlegbar in den
erwähnten Studien nachgewiesen habe, auf dem linken Ufer der Süd-Morava.')
Die periodischen Verschiebungen des Strombettes am Zusammenfluss der beiden
Morava-Arme fügte Mali Stalac oft bedeutende Verluste zu. Vor 40 Jahren
wurde der beste Teil seiner Felder vom Dorfe abgetrennt und den Veliki-Stalacern
im Prozesswege zugesprochen. Seither blieb ein bitterer Stachel zurück bei den
früher freundlich miteinander verkehrenden Nachbarorten, unter deren 427 Häusern
man heute schon moderne, doch mehr solche sieht, wie ich eins 1860 zeichnete
(S. 99) und welche als Typen der unbeeinflussten älteren Bauweise dieser Gegend
gelten können.
Der Tag, an dem wir nach Mali Stalac hinabstiegen, brachte ihm und
der ganzen orientalischen Christenheit vollsten Frieden. Aller Zwist verstummte,
alle Arbeit ruhte. Es war am „Ivanj-dan", am Tage der Geburt des hl. Johannes
(24. Juli a. St.) und Sonnenwende, ein Festtag so gross, dass nach Serbenglauben
die Sonne dreimal aus Ehrfurcht vor dem Heiligen still steht. Vor kurzer Zeit beging
man in Serbien, wie früher allgemein in Deutschland und nahezu in ganz Europa,
dieses Fest am Vorabend durch Anzünden hochlodernder Feuer auf den Bergen.
Wie das Nürnberger Ratsedikt vom 20. Juni 1653, eiferte aber auch die serbische
Geistlichkeit gegen diesen und manchen anderen, unausrottbaren heidnischen Brauch.
Nur die Berghirten umschreiten gegenwärtig noch die Hürden ihrer Schafe und
Rinder mit brennenden Birken- und Kirschbaumzweigen und steigen dann auf die
nächste Höhe, um die Reste gemeinsam in einem grossen Brande zu vereinigen.
') Riznics mir erst nach dem Drucke meiner 1892 erschienenen „Römischen Studien"
bekannt gewordene verdienstvolle Abhandlung (Starinar, Novemberheft 1891) bestätigt nicht
allein meine Angabe über eine römische Ansiedelung bei Maskare, sondern vermehrt meine
südlich von Stalac in Karte gebrachten antiken Kastelle, deren Zahl einigen archäologischen
Fachgelehrten unglaublich gross erschien, noch erheblich.
über Brus, Koznik und Kruäevac nach Stalac.
99
Mali Stalac feierte an jenem Tage auch eine „Slava", den Schutzpatron
seines Kmetenhauses. Ich besuchte es und fand in der grossen Stube des
Stare§ina einen langen Tisch von frisch gespalteten Brettern auf niederen Füssen
errichtet. Das Speiseservice bestand in buntbemalten keramischen oder hölzernen
Tellern, Zinn- und Holzlöffeln, Gabeln, Salz- und Paprikafässchen; Messer fehlten,
denn jeder Serbe führt ein solches stets bei sich. Das Zentrum der Tafel nahm
ein grosses rundes Brot „krsni kolac" ') ein, das im religiösen Teile der Feier
die Hauptrolle spielt. Nach der liturgischen Vorschrift wird es aus reinem
Weizenmehl bereitet, seine Oberseite erhält durch das Aufdrücken des Poskurnjak-
Modells ein Kreuz und die Initialen der Worte: „Isus Christos nika" en relief,
in seine Kehrseite macht man aber, sobald es gebacken, einen Kreuzschnitt. Auf
der Mitte, wo sich die Kreuzlinien berühren, war eine hohe, dünne Wachskerze
"^^-' ,v'' '.■'^■»^'^T- ,v '".
STALAC. Hiluserbau.
aufgesteckt, an dieser wurden in halber Höhe zwei kleinere angeklebt, so dass sie
angezündet einen Trikir, das Sinnbild der hl. Dreieinigkeit, darstellten. Neben dem
Brote stand der zur religiösen Zeremonie mit Wein gefüllte unentbehrliche Krug.
Als der Pope die Stube betrat, war die Versammlung bereits vollzählig.
Man hatte sich beim Eintritt gegenseitig begrüsst und nach serbischer Sitte auf
beide Wangen geküsst. Bekleidet mit dem Epitrachilion, einem Gewände, das
der Priester um den Nacken trägt und ohne welches er keine gottesdienstliche
Handlung verrichten darf, stellte sich der Pope an die östliche Schmalseite des
Tisches. Ihm schloss sich zur Linken der Stareäina, diesem der älteste Sohn
des Hauses mit den männlichen Faniiliengliedern in einer Reihe an. Rechts vom
Popen standen die Kume, die näheren Verwandten und geladenen Gäste. Die
Frauen füllten den Hintergrund der Stube.
') Vuk, Rjeänik, S. 284, gibt interessante Aufschlüsse über den „Kolai" und viele an
diesen sich knüpfende Sprichwörter, z. B.: Bolji je i cm kolai, nego prazna torba —Besser
schwarzer Kolai als leere Tasche (mit der man zu den Freunden kommt) — usw.
ItdU l
100 über Bnis, Koznik und Krusevac nach Stalac.
Der Geistliche eröffnete die Feier mit dem Ablesen eines langen Gebetes
in der monotonen, aber feierlichen Weise der orthodoxen Liturgie. Hierauf weihte
er das hl. Brot mit dem Rauchgefäss und rief dabei Gottes und des Hauspatrons
Segen auf das Kmetenhaus herab; „die Ähren mögen so hoch wachsen wie die
Decke dieses Zimmers" und ähnliche fromme Wünsche wurden zum Höchsten
gesendet. Dem Rauchfass entströmende Wolken von Thymianduft erfüllten die
Stube und zogen, angestrahlt vom hellen Kerzenschimmer, oft flüchtige Aureolen
um die durch tiefe Andacht verschönten Köpfe der einfachen Naturmenschen.
Der Staresina griff nun nach dem geweihten Kolac, nahm die Kerzen ab und
brach das Brot mit dem Popen, nachdem sie es unter Absingen vorgeschriebener
Gebete dreimal in den Händen gedreht, in zwei Hälften, der Geistliche begoss
diese mit Wein, der Staresina und Kum sogen ihn mit den Lippen auf, brachen
die beiden Hälften nochmals, worauf nach dem Herkommen der Pope, der
Staresina, der Kum und die Hausfrau die vier geweihten Kolacteile erhielten,
während die Gäste nach den übrigen Broten des Tisches griffen. In Sirmien
wird, wie Vuk mir erzählte, in einem Teile des „krsni kolac" ein Fisch eingebacken,
wobei die Hausfrau allerlei Kniffe anwendet, die Stelle möglichst unkenntlich zu
machen, um ihn dem Popen, dem die erste Wahl unter den vier Stücken zusteht,
zu entziehen, was zu allgemeiner Heiterkeit oft gelingt.
Die liturgische Feier war zu Ende. Der Geistliche entledigte sich des
Epitrachilions und nahm den Ehrensitz bei dem nun folgenden Mahle ein. Es
begann ^it einer warmen „kisela corba", der beliebten serbischen saueren
Ragoutsuppe, Fische, Bohnen, Käse, Obst usw. folgten. Als Trunk wurde Rakija
und Wein gereicht. Während der Mahlzeit brachte der Pope den ersten Trink-
spruch zu Ehren Gottes und auf das „lange Leben" des „Gospodars", des Fürsten
Milos, aus. Der Hausherr folgte mit einem Toast auf das Wohl seiner Gäste
und insbesondere des Fremden, der — was von guter Vorbedeutung für dasselbe
— es gerade am Tage des Heiligen betreten habe. Im Chor erscholl nun der
immer schöne serbische Rundgesang „mnogaja Ijeta" (Viele Jahre!), abwechselnd
mit Trinksprüchen auf das Wohl des Hausherrn, der Kume usw.; der Frauen
wurde jedoch — es ist dies, wie der von ihnen eingenommene rückwärtige Platz
am Tische, charakteristisch für ihre soziale Stellung in Serbien — mit keinem
Worte gedacht!
Unser Rückweg nach Krusevac erfolgte auf dem rechten Ufer der West-
Morava; im Sommer vermag man dies, im Früiijahr setzen aber des Stromes
Fluten den Plateau-Steilrand und die Strasse unter Wasser. Nahe am Mündungs-
punkte der Rasina durchfurteten wir sie, erreichten bald die Poststrasse und
gelangten bei Mondschimmer in später Stunde in die Stadt, deren „weisse Kirche"
mit magischem Effekt sich von ihrer dunklen Umgebung abhob.
Seitdem geschah viel zur besseren Verbindung von Krusevac mit seiner
Umgebung. Die französische Bahnunternehmung baute auf eigene Kosten eine,
bedeutende Sprengungen erfordernde, 16 km lange Kunststrasse mit trefflichen
Brücken über die Rasina und Morava nach ihrer Station Veliki Stalac und schenkte
sie dem Lande. Eine zweite Poststrasse führt nach Trstenik, eine dritte mit
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Clber Briis, Koznik und Krusevac nach Stalac. 1011
20 m langer Jochbrücke über die Djuniska reka bei Kaonik und 120 m langer, 1896
vollendeter Morava-Eisenbrücke bei Djunis nach Alcksinac, eine vierte entlang der
Rasina durch die „Jankova Klisura" in das neugewonnene Gebiet von Prokuplje
und Kursumlija. Die 1897 erbaute, 180 m lange stabile Brücke bei dem 1893
auch durch eine nette hl. Geistkirche verschönten Jasika fördert namentlich dieses
und elf andere wohlhabende Orte am linken West-Moravaufer, welche dem
Krusevacer Kreise jüngst zugeteilt wurden. (I. Bd., S. 558.)
An dem zur Jankova Klisura führenden Heerwege sind an der Rasina bei
Savrani die Reste eines Werkes sichtbar, das 200 Mann aufnehmen konnte.
Gegenüber, bei dem östlichen Naupara, befindet sich das gleichnamige, 1848
wieder hergestellte alte Kloster, dessen 1835 erneuerte Maria Geburt-Kuppelkirche
und die 1851 gegründete Kirche lange Zeit die einzige Heil- und Bildungsstätte
für die 16 Rasinadörfer mit über 5000 Seelen waren. Der Klosterbesitz wurde 1893
noch mit 20 Hektar Feld und Wiesen, 6 Hektar Obst- und Weingärten, 610 Hektar
Wald, einigem Viehstand, einer Mühle usw. verzeichnet. Die früher über 8000 d
betragenden Ein- und Ausgaben sanken allmählich auf rund 6000 d und sollen
sein Igunian und der ihn unterstützende Mönch, wie mir der Kaludjer Josif
Gavrilovic versicherte, trotz der ihrer Kirche zugewiesenen Pfarre mit 5 Orten
wenig ersparen. Bei dem rechtsuferigen Lomnica fand man einen guten Säuerling,
bei dem südlicheren Majdevo eine salzhaltige Mineralquelle. Bei dem folgenden
alten Kirchlein Sv. Petka beschreibt die dem Rasinalaufe sich anschmiegende
Strasse eine grosse Kurve und übergeht sodann vor Zlatari auf ihr rechtes
Ufer. Die Anwohner fabeln viel von dort und im jenseitigen Kovioci (Zlato
^ Gold, kovati schmieden) durch die Lateiner betriebenen Gold- und Silber-
bauen, sowie von dem auf der Carina bestandenen Schlosse; und wirklich
erscheint die Anwesenheit der Ragusaner in „uilla Chonazi" (Kovaci) um 1426
urkundlich erwiesen. 6 km weiter erreicht die allmählich von Krusevac 170 m
durch paläozoische Formationen ansteigende Strasse die seit dem Heereszuge
Hunyadys auf das Kosovo polje (1448) nach ihm genannte „Jankova Klisura",
deren Schilderung ich im X. Kapitel gebe.
Der 2710 km- umschliessende Krusevacer Kreis zählte 1905 mit dem nordwest^
liehen Gebietszuwachs in seinen 82 Gemeinden und 280 Orten 150287 Bewohner.
Die Dichtigkeits-Verhältnisse steigen von 25—30 Seelen per km- im Kopaoniker
Bezirk, auf 45 — 50 in der Zupa und Razanjer Landschaft, und auf 60 — 70 in
den Bezirken Trstenik und Rasina. Namentlich in beiden letzteren ist der
Boden ungemein fruchtbar; wenn die Landleute sich auf den in voller Sommer-
pracht stehenden Feldern umhertummeln, gewähren die goldgelben Getreide- und
hohen Maiskulturen einen herzerfreuenden Anblick. Mit Weizen waren 1906')
9323 Hektar, mit Mais 29567 Hektar und nahezu 17 000 Hektar mit anderem
Getreide bepflanzt. Wiesen gab es 14293 Hektar, Weideland 4140 Hektar,
Obstgärten bedeckten 8895 Hektar. Zwetschken allein erntete man 229210 q,
Birnen und Nüsse 35400 q, Äpfel, Aprikosen, Kirschen, Mispeln, Haselnüsse usw.
') Dieses Jahr gab überhaupt eine mitteltnässige Ernte.
11)1 Ober Brus, Koziiik uiui Kriiscvac nach Stalac.
gibt es gewöhnlich im Überfluss. Der auf 2725 Hektar gezogene Wein brachte
über 34077 q. Dieser reift besonders trefflich in der schon unter Zar Lazar durch
ihre vorzüglichen Reben berühmten Zupa, in deren zwischen den Weingärten
zerstreuten, mit Rundziegeln gedeckten, oft stockhohen pivnica ihre Eigentümer
die Kelterung überwachen; der feurige zupsko vino ist überall gesucht und
willkommen. Auch der Gemüsebau steigt und hebt sich fortwährend; am
meisten pflanzt man Kraut, Zwiebeln, Lauch, Paprika, Hülsenfrüchte und Kartoffeln.
Die Bienenzucht wird wieder etwas schwungvoller wie früher betrieben, man
zählte 1905: 8406 Stücke, also 3,1 per 100 Hektar. Das Produkt wird meist roh
verkauft. In der Rasina kommen 107 Stück Vieh, in den Bezirken Trstenik
und Razanj 115 — 125, im Kopaonik und in der Zupa nur 94 — 97 auf 1 km'-.
1905 wurden 4789 Pferde, 60191 Rinder, 171810 Schafe, 18293 Ziegen und
59747 Schweine verzeichnet, was auf 100 Seelen des Bezirks Trstenik 180,
in der Rasina 185, in der Zupa und im Razanjer Bezirke 210 — 270, und im
Kopaoniker Bezirk sogar 350 Stück ergäbe. Alles in allejii kann man den
Krusevacer Kreis zu den gesegnetsten Serbiens zählen.
über Deligrad, Soko-Banja auf den Rtanj
und nach Aleksinac.
NACH mehrmonaflichen anstrengenden Ritten im Iiochgebirgi^en serbischen
Westen vertauschte ich gern auf einigen Touren im Südosten Serbiens das
Reitpferd mit dem Wagen. Ingenieur Matijasic bemühte sich uiul fand einen
solchen, doch ein halber Tag verstrich, bis er instand gesetzt war. Das federnlosc
Fahrzeug drohte schon an den ungeschlachten Prügelbäumen der Rasinabrücke
zu zerschellen, überdauerte jedoch wunderbar diese Kardinalprobe und recht-
fertigte den selbstbewussten Ausspruch seines Besitzers, es gäbe auf der ganzen
Erde kein besseres Gefährt!
Wir Messen Bivolje links und zogen im üaglovackatale zum gleichnamigen
Dorfe, bei dem die Regierung 1891 auf einem vom Gesandten Simic erworbenen
Landgute den Bau einer grossen Pulverfabrik vollendete. Auf dem bald darauf
erreichten 307 m hohen „Cokotin grob" gewann ich den ersten Blick in das
Tal der Süd-Morava. Durch hübschen Eichenwald ging es hierauf die Terrasse
hinab, welche uns von ihr trennte. Unten überspannt der erwähnte Eisenbau
(S. 103) die von Mala Reka und Ribarska hanja am Jastrebac herabkommende'
zweiarmige Djuniska reka. Das auch Boljevacki potok genannte Bad Ribare
besitzt drei schwefelhaltige Quellen nach Lozanics Analyse von 16, 30 und 38,8 "C)
Das alte türkische Kuppelbad mit 37,5" C. wurde wegen der wachsenden Frequenz
seines gerühmten Heilquells durch einen grösseren Neubau ersetzt. Die Therme
war, wie nahe Kastellruinen an den nach Prokuplje und Nis führenden Wegen
zeigen, gewiss schon zur Römerzeit bekannt (Kap. X). Die Quellen sollen sich
namentlich bei rheumatisch-gichtischen Leiden und solchen der Verdauungsorgane
erfolgreich bewähren. Ihren Abfluss benutzen die Anwohner zur Hanfröste.
Jenseits der östlichen Wasserscheide gibt es eine ähnliche Therme unter dem
Ruinenberge von Kuli na, ferner kohlensaure Gase und Salzsäure enthaltende zu
Buci am Jastrebac, zu Sezemca u. a. 0.
') Giasnik, Bd. 54. 1883.
106 über Deligrad, Soko-Banja auf den Rtanj und nach Aleksinac.
Wir kreuzten die vorüber am gleichnamigen Dorfe NO. zur Morava fliessende
Djuniska reka. Dort fiel 1876 jene blutige Entscheidung zwischen Serben und
Türken, welche erstere zum fluchtartigen Rückzug und zur Anrufung der Intervention
Russlands zwang. Die Türken dankten den grossartigen Erfolg ihrer mit bewunderns-
werter Ausdauer über die Vorhöhen des Jastrebac gebrachten Artillerie, unter
deren Schutz sie, durch energische Vorstösse Krusevac bedrohend, die serbische
Deligrader Position umgehen konnten. Interessant ist es, dass schon die Römer
von ihrem grossen Krusevacer Kastrum dieselbe Trace zur Morava gewählt und
den Fluss gleichfalls bei Trubarevo übersetzten, wo auch 1876 die serbischen
Kriegsbrücken sich befanden. Dies bezeugen antike Reste befestigter Positionen
ober- und unterhalb des Übergangs gegenüber Maletina, der eine weite Sicht
gewährende quadratische Römerturm auf dem 426 m hohen „Djuniski krs"-Gipfel
mit 7 m breiten Fronten; ferner unter ihm die von dreifachen starken Mauern
umgebenen, 3 — 4 Hektar bedeckenden Stadtmauern, auf welchen Nemanjas Bruder
Sracimir jenes feste „Gradac" erbaute, von dem er sein Teilgebiet zwischen
der West-Morava und dem Jastrebac beherrschte. Aus dem von diesem Zupan
unterhalb seiner Residenz an der Djuniskamündung gestifteten Kloster Sv.
Bogorodica soll die zu Cacak ausgegrabene Glocke mit der Umschrift „Gradac"
stammen, die man dahin rettete, als die Türken seine Kirche und die Stadt
zerstörten. In dem hart am Bahndamm liegenden, nun verfallenen Bau mit
oktogonaler Kuppel findet sich keine Spur von Fresken. Gleichzeitig wurden
nach der Tradition auch das erwähnte Kloster S v. Arandjel (S. 97) und das
berühmtere S v. Nestor vernichtet, dessen renoviertes, 1876 von den Türken
abermals verwüstetes Kirchlein die Gemeinde Donji Ljubes als Pfarre erneuerte.
Am Nordhange des „Gradacko brdo" sieht man auch bei der Moravabrücke im
ebenen Plane alte Mauern einer grösseren Ansiedelung „Zarna", deren Namen
noch im 18. Jahrhundert genannt worden sein soll. 4 km NW. stand bei Cerova
auf einem von der Morava umflossenen hohen Sporne das antike Sperrfort des
Übergangs mit zwei noch heute gut erhaltenen Türmen, während das rechtsuferige,
in altserbischer Zeit gleichfalls überbaute bei Maletina schwer bestimmbar ist.
Zwischen beiden Kastellen erhob sich bei Sv. Roman ein dem Gradacer
ähnlicher „Luginsland".
Im Jahre 1896 überbrückte die Regierung bei der „Djuniska Meana" die
Morava durch eine 210 000 d kostende solide Eisenkonstruktion mit zwei Öffnungen
von je 60 m. Auf dem rechten Stromufer erscheint das in malerischer Waldschlucht
liegende Kloster Sv. Roman. Ein Knez Lazars Herden beaufsichtigender Beamter
stiftete es, weil Gott im Traume ihm befahl, an der Stätte, auf welcher der
fromme Roman gelebt, eine Kirche zu erbauen. Dieser Heilige war einer der
sieben aus Asien nach Serbien geflüchteten „Sinajedenbrüder", von welchen
Nestor das erwähnte gleichnamige Kloster am linken Ufer stiftete, Romilo in
Ravanica, Gligorije zu Gornjak, die drei anderen Asketen zu Sv. Petka, in Tuman
(1. Bd., S. 192) und im ungarischen Bazias lebten. Sv. Romans alte Kirche mit
Kuppel, halbrunden Chor- und Seitenapsiden war, als Hunyady von Kosovo 1448
flüchtete, bereits zerstört, wurde aber 1791 durch einen Narthex und südliche
über Deligrad, Soko-Banja auf iIlmi Rtaiij und nach Aleksinac. 107
Anbauten vergrössert und 1X52 durch den unter dem Fürsten Alexander Kara-
djordjevic entstandenen isolierten Glockenturm vervollständigt. Ausser einem
1372 geschriebenen schönen „Molitvenik" besitzt das Kloster auch alte Drucke.
Am 27. August feiert man die Kirchenweihe „Maria Verkündigung", am folgenden
Tage den hl. Roman. Sein ausgedehnter Grundbesitz bestand 1893 aus 82 Hektar
Feldern und Wiesen, 3 Hektar Obst- und Weingarten, 1 15 Hektar Wald, 1 Mühle usw.
Der Archimandrit und zwei Kaludjer verfügen über ein Jahreseinkommen von
etwa 6000 d. Zu ihren Pflichten zählt, dass sie in dem stark verwüsteten Kirchlein
Sv. Petka nahe dem südlichen Tunneltor, in Sv. Nikola gegenüber Braljina
mit eingestürzter oktogonaler Kuppel, ferner in der vollkommen zerstörten, vom
Volke aber deshalb noch höher verehrten Kapellenruine bei Madjare an bestimmten
Tagen fromme Gebete lesen.
Nordwestlich von Sv. Roman liegt das vom Niser Schienenstrang durch-
zogene Steildefilee der Süd-Morava (S. 98) und NW. kommt die es von Praesidium
Pompei umgehende, bis in die Neuzeit benützte römische Konstantinopeler Heer-
strasse herab, welche die SW. von Sv. Roman auf dem rechten Flussufer sich
ausdehnende fruchtbare Ebene durchschneidet. Als ich dieselbe am 7. Juli 1860
zum erstenmal betrat, herrschte am Wege ein wahres Ameisentreiben. Hunderte
mit Ochsen bespannter Wagen knarrten unter dem lärmenden Antreiben ihrer
Besitzer, Tausende von Landleuten beider Geschlechter, mit primitivsten Grab-
werkzeugen, Körben und Karren arbeiteten rastlos bei Tag und nachts bei
weitleuchtenden Feuern, um mit allem Eifer das ihnen aufgetragene Strassenstück zu
vollenden. Fürst Milos gedachte nämlich von Bad Soko-Banja aus, wo er zur Kur
verweilte, Krusevac zu besuchen, auch war es allgemein bekannt, dass er schlechte
Wege nicht liebte. Die weite Strecke glich einem Heerlager. Hier und da
begegneten wir Beamten der nahen Bezirke, welche mit ihren Panduren das
den Nutzen öffentlicher Strassen nicht immer würdigende unbezahlte Landvolk
aneiferten. Dies wäre ganz gut gewesen, doch die Kapelane, und nicht allein die
„alten", gebrauchten ihre Autorität auch oft am unrechten Orte. Sie gefielen sich
namentlich darin, durch unverständige Abänderungen die von den „schwäbischen"
Kreisingenieuren mit grosser Mühe entworfenen Tracen willkürlich zu verschlechtern;
fachmännische Einwendungen wurden zurückgewiesen und das Verhältnis zwischen
Kapelan und Ingenieur gestaltete sich selten so freundlich, wie es das allgemeine
Staatswohl erforderte. Bei späteren Besuchen fand ich aber vieles in dieser
Richtung gebessert.
in einer Stunde erreichten wir den im serbischen Befreiungskampf und
neuestens vielgenannten Schanzengürtel „Deligrad". in den österreichisch-türkischen
Kriegen wird dieses Bollwerk nicht erwähnt. Erst 1806, als die Serben unter
Petar Dobrnjac gegen Nis zogen, wurde es von dem aus Makedonien, nach
anderen aus Dalmatien stammenden Kapetan Zika zum Schutze des Morava-
Defilees angelegt und gegen die eindringende türkische Uebermacht glänzend
verteidigt. Zika fiel im Moment, als er seinen Leuten ermutigend zurief: „Fürchtet
nichts, die Türken fliehen!" Im nahen Kloster Sv. Roman wurde der Tapfere
bestattet. In der 1809 durch Nebenwerke zur Aufnahme von 6000 Mann erweiterten
lOi^ über Dcligrad, Soko-Baiija auf tton l^tanj iiiul naili Alcksinac.
Schanze suchte der Wojwode Miloje Schutz, als die Serben bei Nis geschlagen
wurden. 1810 verteidigte sie Vujica Vulicevic mit dem Aufgebote der Sumadija
gegen den von Nis anrüci<endcn Kursid Pasa, und nach der Einnahme von Soko-
Banja vereinigten sich hier die Russen unter Oruri< mit Karadjordjes Scharen im
Oktober (1810), um vereint gegen Varvarin zu ziehen. 1813 ging Deligrad aber
nach blutigem Kampfe, in dem am 28. August unter vielen Braven auch der
Wojwode Jovan Kursula getötet wurde (i. Bd., S. 591), verloren und blieb bis
1833 den türkischen Siegern.
Nach dem von Jovan Miskovic angefertigten Plane ') bestand Deligrads
ältere Befestigung aus fünf unregelmässigen verpalisadierten, mit Geschützständen
versehenen Schanzen am linken Uferrande des Drenovacki potok. Die westlichste
grösste und östliche kleinere nahmen die knapp zwischen ihnen durchlaufende
Konstantinopeler Strasse unter Feuer, weiter östlich folgten die beiden von Vujica
Vulicevic und Pavle Matejic verteidigten, südöstlicher die „Gruzanski sanac",
gegenüber den zwei Schanzen, welche die angreifenden Türken auf dem Bell
Kamen errichtet hatten.
Ich sah der Zerstörung des historisch berühmten Bollwerks einige Zeit zu.
Der Fund türkischer Kanonenkugeln, grösstenteils Sechspfünder, und sonstiger
Waffenstücke beim Abgraben der hohen, rasenbedeckten Wälle erregte stets grosse
Freude; ältere Bauern erzählten dann ein selbsterlebtes oder traditionelles Histörchen
aus jener „schweren Zeit" dem aufhorchenden jungen Volke, das nicht ahnte,
wie bald es selbst den historischen Boden mit seinem Blute düngen werde.
Beim Beginn des Krieges zwischen Serbien und der Türkei im Jahre 1876 befeuerte
hier Fürst Milan am 30. Juni unter vielem Enthusiasmus die dann am 1. Juli
von dem Erzbischof Mihail unter grossem kirchlichen Pompe eingesegneten
Truppen des Cernjajeff gegen Nis bestimmten Korps mit zündenden Worten und
inspizierte hierauf die von dem General Zach schon im Frühjahr am „Krvavi vis"
(Bluthügel) und auf den umliegenden Höhen im modernen Stile angelegten Forts,
die am 29. Oktober das Vordringen der Türken in das Stalacer Defilee aufhielten.
Auf dem historisch gewordenen Schlachtfelde steht Deligrads weisses Schulhaus,
in dem die Nachkommen der Streiter für Serbiens Unabhängigkeit den Schilderungen
ihrer Taten in jener drangvollen Zeit lauschten.
Drei Kilometer SO. vom Schulhaus, da, wo der Konstantinopeler Heerweg
beim Nericev Han, oberhalb Ruievci, die Mozgovacka reka kreuzt, sind die
Spuren einer römischen Niederlassung sichtbar, welche Dragasevic mit Praesidium
Pompei identifizierte. Boue setzte diese in der Tab. Peut. 32, im hin. Ant. 33,
im Itin. Hieros. 32 Millien von Horreum Margi entfernte Station bei Razanj;
Jirecek, gleich mir, bei Bovan an. =) Nicht allein die Masse, sondern auch die
gesamten örtlichen Verhältnisse, welche sich nun auf der neuen serbischen Karte
besser würdigen lassen, rechtfertigen aber Dragasevics Bestimmung. Denn nichts
zwang den Heerweg, die kürzere bequeme Trace auf der Moravalehne zu ver-
lassen, um seine nächste Station Granirianis zu erreichen. Obgleich einst aber
') Glasnik, Bd. 48.
2) Ebenso Sisinanov: Star! putuvanija prez Blgarija. Sbornik, IV, S. 346. Sofia 1891.
über Deligrad, Soko-Banja auf den Rtanj und nach Aleksinac. 109
Praesidium Pompei, wie der Nericev Han 1876, strategisch wichtig war, bei
dem eine durch das Moravica-Defilee nach Ratiaria (Arcer) an der Donau
führende Strasse abbog, fand man dort nur Reste der antii<en städtischen Anlage,
aber keine Befestigung.') Vielleicht bringen künftige Ausgrabungen ihre Grund-
festen zutage.
In einer Stunde erreicht man von Deligrad das mit seinem Bezirke 1890
dem KruSevacer Kreise zugeteilte Städtchen Razanj. Obschon es aber verschiedene
Ämter, eine 1840 erbaute Kirche und gute Schule besitzt, zeigt es noch stark
orientalisches Aussehen und tritt zwischen den hölzernen Buden und Werkstätten
selten ein modernes Gebäude auf. Ob dort, wie Jirecek meint, das römische
Arsena stand, das Justinian durch ein Kastell schützte, bleibt zu erweisen und
ebenso die im Itin. Hieros. an der Heerstrasse genannte Mutatio Cametae zu
bestimmen. Noch 1553 sah der die kaiserliche Botschaft an Sulejman 1.
begleitende Erzbischof Verantius bei Razanj deutliche Spuren der „Trajansstrasse".
Gerlach traf 1575 die Razanjer von allen „Timarioten (Lehnsherren) und Lcut-
schindern befreit", weil sie eine mit kaiserlichen Geschenken für den Sultan
durchziehende Karawane aus einem räuberischen Ueberfall gerettet. Razanj blieb in
der Türkenzeit eine blühende Palanka mit grossen Karawansereien, Moscheen usw.
ihre einstige weite Ausdehnung beweist auch der Name „Varos" (Stadt) des an
Razanj hart anschliessenden Dorfes. Nach dem Passarovitzer Frieden bezeichneten
drei mächtige Felsblöcke bei Razanj die österreichisch-türkische Grenze auf dem
rechten Ufer der Morava, bis der verhängnisvolle Belgrader Frieden (1739) sie
wieder auf das linke Saveufer zurückverlegte. Razanjs Bedeutung schwand erst,
je mehr das 1833 Grenz- und Quarantänestadt gewordene Aleksinac emporkam.
Von Razanj durchschnitt die Römerstrasse den bewaldeten Westhang des
Meckaplateaus und erreichte mit 3 Millien das heutige Jovanovac, einen aus
wenigen Häusern bestehenden Ort, der 1860 auf Fürst Milos' Befehl zur Erinnerung
an dessen Bruder seinen früheren Namen „Supeljak" aufgeben musste. Hier lag
das nach der Tab. Peut. 17, nach dem Itin. Ant. nur 16 Millien von Horreum
Margi entfernte Praesidium Dasmini, dessen Kastell auf dem westlichen,
335 m hohen Gradacberg stand. 5 Millien NW. folgte nach dem itin. Hieros.,
die Mutatio Sarmatae, eine sarmathische Kolonie aus der Zeit Konstantins,
weiche Justinian gleichfalls befestigte; sie befand sich wahrscheinlich bei der
Mehana Sekirica am Tatocinabach.
Das vom grossen Belgrad-Niser Heerweg durchzogene Hügelland ist gegen
NW. gut kultiviert. Das Auge wird erquickt durch prächtige Maisfelder und üppig
grünende Wiesen, zwischen welchen hier und dort junger Eichenwald die Höhen
hinanzieht, im Jahre 1813 erlitten die Türken am nahen Lipovacbach eine
Niederlage. 300 Köpfe wurden abgeschnitten und der vornehme Krusevacer Beg
Trencevic getötet. Um in den Besitz seines verlorenen Säbels zu gelangen,
ermordete dessen Bruder zwei Serben im Dorfe Lipovac, ohne ihn zu erlangen.
Vielleicht hängt mit diesem Racheakt auch die Entführung zweier Mädchen
') Glasnik, XLV, S. 35.
110 über Deligrad, Soko-Banja auf den Rtanj und nach AIcksinac.
Marija und A^ilkana aus dem benachbarten Mozgovo durch die Begs Trencevic'
eng zusammen, welche 1832 zur Verjagung aller Moslims aus diesem Landesteil
durch die revoltierende Rajah führte. Bei Mozgovo wurde schon 1813 heftig
gestritten; aus fünfzehn Wunden blutend, fiel dort der berühmte tapfere Wojwode
Jovan Kursula, dessen Heldentod ein schönes Volkslied und der Maler Ranos
1897 durch ein warm empfundenes Bild verherrlichten.
Von Deligrad zieht die Strasse weiter durch verfallende Schanzen SO. auf
dem allmählich sich verflachenden rechten Moravaufer. Südlich tritt über dem
1000 m hohen Mali Jastrebac der Gipfel der Suva Planina bei Nis auf, nordöstlich
gelangt über niedrigere Höhen das scharfgeschnittene Rtanjprofil zum Vorschein.
Zuletzt geht es südöstlich über hügeliges Terrain hinab in das von zahllosen
Weiden erfüllte Moravicatal, zum vor wenigen Dezennien als Grenzquarantäne
begründeten, 1876 viel umstrittenen Städtchen Aleksinac, in dessen bester
Mehana ich abstieg.
Zeitig morgens schlug ich die Route nach „Soko-Banja" ein, um das
günstige Wetter zu einer Besteigung des von Boue vielgerühmten Aussichtspunktes
Rtanj zu benutzen. Ich wollte nicht wieder, wie auf dem Kopaonik, durch das
„Zu spät" von wenigen Stunden die Aufnahme eines der interessantesten
Panoramen verlieren und verschob die Besichtigung der Stadt und interessanteren
Moravicapunkte bis zur Rückkehr. Befeuert durch eine Quantität Rakija, liess
mein Kutscher seine drei braunen Pferdchen, solange es die Strasse gestattete,
rasend hinjagen, kaum blieb mir Müsse, die Reize der Moravicaschlucht zu
bewundern. Sie ist an pittoresken Schönheiten reich wie wenige Serbiens. Dies
gilt namentlich von der wildromantischen Klisura (Engpass), deren burgenbekrönte
Glimmerschieferwände sich oft zu beiden Seiten hoch und steil auftürmen. Als
wir das sich erweiternde Tal verliessen, erschien das spitze Haupt des Rtanj, das
mit jeder zurückgelegten Krümmung riesigere Dimensionen annahm, bis endlich
die kühngeschnittene Bergpyraniide, weithin die Hochebene von Soko-Banja
beherrschend und die sie einschliessenden Berge zu Hügeln herabdrückend, hart
vor uns lag.
In 5 Stunden hatten wir unser Reiseziel, das „Falkenbad", erreicht, dessen
Arzt Klinkovski mich in seinem gastlichen Hause aufnahm und mein gefälliger
Cicerone blieb. Sein ganzes Streben war auf das Aufblühen der Therme
gerichtet, die traditionell ihre Heilkraft zuerst bewährte, als ein altserbischer
Wojwode, vielleicht der Schlossherr des nahen „Sokograd", zufällig in ihrer Nähe
vom Pferde stürzte. Man wusch seinen beschädigten Arm mit dem heissen Wasser,
er badete, genas und liess über der Quelle ein Haus errichten. Soko-Banja wuchs
und gewann besonders unter den badelustigen Türken grössere Ausdehnung.
Als sie aber dort einen Vladika (Bischof) hängten, verfiel der blühende Ort.
So erzählt das Volk. Geschichtlich wird Soko-Banja zuerst 1690 erwähnt, als
es die Kaiserlichen den Türken entrissen und mit 500 Pferden und 3000 Dukaten
brandschatzten. Die Schilderung des Bades von 1737 stammt vom Grafen
Schmettau, nachdem Festetics Husaren es genommen: „Le Bourg de Bagna est
un lieu charmant, il y a un chäteau de Mafonnerie qui paratt fort ancien, il y a
über Deligrad, Soko-Banja auf den Rtanj und nach Aleksinac. 111
des Bains, qu'on dit merveilleux. Ils sont faits de marbre et entretenus avec
beaucoup de proprete. Les Turcs y viennent de tont cöte et meme de l'Asie."
Dieser hochgebildete deutsche Offizier, der den Feldzug 1737 im i<. Heere mit-
gemacht und mit grosser Wahrheitsliebe in seinen „mömoires secröts" erzählte,
hielt sich merkwürdigerweise für einen Abkömmling des Zaren Lazar Grbljanovic
und schlug, in reifem Alter stehend — wie aus einem von Bogiäic zu Paris
aufgefundenen Memorandum hervorgeht — im Jahre 1744 König Ludwig XV. vor,
neben der Moldau und Walachei ein drittes Fürstentum „Serbien" zu konstituieren
und dessen Regentschaft ihm anzuvertrauen.
Im serbischen Befreiungskriege wurde Soko-Banja zum erstenmal durch Veljko
1808 den Türken entrissen, doch von ihnen, nachdem sie die Serben am Cegr ')
geschlagen, wiederbesetzt. Als das 1810 über die Donau gegangene russische
Hilfskorps unter Graf Orurk am Tiniok gegen Deligrad marschierte, verjagte
die von Veljko geführte Vorhut, russische Ulanen und Kosaken, die türkische
Kavallerie bei Soko-Banja und nahm am 3. Oktober dessen Schanze nach hartem
Kampfe. Von ihren 400 Verteidigern blieben nur 90 am Leben-). 1813 wurde
Soko-Banja wieder türkisch und blieb es bis 1833, bis zur Erlangung der
erweiterten Südgrenze des Fürstentums. Anfänglich bestand hier das Gericht für
den neuen Aleksinacer Kreis; 1835 übersiedelte es aber nach dem von Milos sehr
begünstigten Aleksinac, wofür er das aus dem Schutte emporwachsende Städtchen
durch eine Kirche entschädigte und durch die Benutzung seiner Therme förderte,
die auch stetig wuchs, obschon es an jedem Komfort noch fehlte.
Bei meinem ersten Besuche (1860) stellte ich fest, dass Banja 2,7 geogr.
Meilen östlicher und 0,5 Meilen südlicher als auf Kieperts Karte liege, was 1872
durch die österreichischen astronomischen Ortsbestimmungen bestätigt wurde. Dass
seine Therme schon den Römern bekannt gewesen, wurde längst angenommen,
war aber nicht erwiesen. Bei der Erneuerung des grossen Bassins mochte man
auf alte Substruktionen gestossen sein, und aus jener Zeit erhielt sich die
Tradition, dass diese von den „latini" herrühren. Leicht gelang es mir, einige
antike Ziegelfragmente dort aufzufinden; 1864 aber, als ich das serbisch-türkische
Timokgebiet eingehender durchforschte, ergab sich, dass eine bedeutende Partie,
der das grosse Badebassin umschliessenden Mauern römisch sei, und ich fand einen
aus langen, starken Backsteinen rundbogig gewölbten, wahrscheinlich zur Ventilation
angelegten Kanal. Das Detail über diese Untersuchung findet der für Archäologie
spezieller sich interessierende Leser in meiner „Reise in Süd-Serbien und
Nord-Bulgarien"-'). Die kleineren, an das grosse Bassin stossenden Baderäume
sind zweifellos türkisch und ihre vor etwa dreissig Jahren erneute kuppelartige
Bedachung serbisch. Das Ganze, ein bauliches Denkmal aus verschiedenen
Zeiten, böte ein noch höheres Interesse, wären nicht die raffinierten Bade-
einrichtungen der Römer von den ihnen nachgefolgten weniger verweichlichten
Völkern zerstört worden.
') M. Dj. Milidevid, Kraljevina Srbija, S. 77
-) Documente privitore la storia Romanilor. Bukuresci 1887, S. 308.
') A. a. O.
112
Über Deligrad, Soko-Banja auf den Rtanj und nacli Aleksinac.
Die Heilquelle, welche Baron von Herder mit Pfäffers und Gastein verglich
und andere Steiermarks Römerbad gleichstellen, weil sie nur geringe Mengen
von Salzsäure und Eisen besitzt, entfliesst einem Kalkfelsen, unter fortwährendem
Gasausströmen, 3 m tief unter der Erde, dürfte jedoch in dem benachbarten
trachitischen Gebirge entspringen. Sie gibt in der Stunde 25 Kubikmeter klares,
färb- und geruchloses Wasser mit Kalkgeschmack von 46,5" C. '), welche ein
Kaltwasserzulauf im Bassin auf 35" herabmildert; aus diesem läuft sie in ein
anstossendes kleineres, das in gewissen Stunden ausschliesslich für Frauen
bestimmt ist. 1 km SO. von der Hauptquelle entfliesst Soko-Banjas kalkigem
Boden die zweite Quelle „Banjica" mit 37" C, etwa 5 Kubikmeter stark in der
SOKO-BANJA. Plan der antiken Reste.
Minute. Das Volk schreibt dieser ganz besondere Heilkraft zu und hält sie für heilig.
Man pilgert viel zu ihr, wirft Kupfermünzen in das Wasser und ist von bestimmt
folgender Genesung überzeugt; wer es aber wagte, ein geopfertes Geldstück
herauszunehmen, dürfte ebenso gewiss erkranken. Ich sah viele Münzen im
Wasser. Der dritte, von den Türken im Hochsommer einst viel besuchte Quell
„Djerdjelez" liegt auf einer Hochebene des nahen Ozrengebirges, und näher der
Stadt ein kalter Quell, in dem Fieberkranke baden.
Soko-Banjas Physiognomie war während meines ersten Besuchs eine sehr
belebte. Fürst Milos war wenige Tage zuvor angekommen, um dort Heilung zu
suchen; er wollte durchaus noch 10 Jahre leben, folgte aber, wie ich aus bester
Quelle erfuhr, auch in ärztlichen Dingen nur dem eigenen Sinne. Er Hess oft
berühmte Kapazitäten der Wiener Schule kommen, konsultierte sie, bezahlte generös,
') Lozanid, Analyse serb. Mineralwässer, Gl., Bd. 43.
über Deligrad, Soko-Banja auf dun Rtanj iiiui iiacli AIcksinac. 11'^
beachtete aber schliesslich ihre Ratschläge gleichwenig wie die seines tiJclUigen
Leibarztes Belloni. Mit seltenem Gleichmut ertrug letzterer die Launen seines
(lebieters. Die ganze Umgebung des Fürsten gab zu jener Zeit Proben grösster
llrgebenheit für Milos, der, durch grosse kOrperiiche Leiden gequält und geärgert
durch die von allen Acrzten dringend empfohlene Diät und gleichmässigc
Lebensweise, sehr reizbar und launenhaft war. Schon auf der Reise machte sich
seine aufgeregte Stimmung sehr oft Luft. Kurz vor Soko-Banja traf der Fürst
beispielsweise einige unbestellte Felder; kaum dort angekommen, liess er ihren
Figentümer vor sich rufen und drohte ihm, er lasse ihn selbst vor den Pflug spannen,
würde er nicht am nächsten Morgen arbeitend auf dem Felde gefunden. Vom
Thronerben bis zum letzten Manne fürchtete alles im Lande den gewalttätigen Sinn
des alten Herrn. Niemand wagte zu widersprechen, wo der „veliki Gospodar"
(der grosse Herr) befohlen hatte. Von Soko-Banja erliess der kranke Fürst ganz
detaillierte Weisungen für seine nach Konstantinopel gesandte Mission, welche
mit allen Mitteln — er wies grosse Summen zu diesem Zwecke an — seinem
Hause die Erblichkeit des Thrones und dem Lande eine grössere Autonomie
sichern sollte. Die ungünstigen Berichte von dort verschlimmerten seinen Zustand.
So wenig wie in dem von Fürst Alexander bewohnten Belgrader Palaste
mochte Milos zu Soko-Banja im Hause der Karadjordjevice residieren. Er stieg
im kleinen Bezirksamtsgebäude ab, vor dem seine reichkostümierte berittene
Leibgarde unter Zelten kampierte. Des Fürsten Anwesenheit hatte viele angesehene
Persönlichkeiten nach Soko-Banja geführt. Vor dem Badehause promenierte die
„schöne Welt". Man hörte da Frauen in der reichen, kleidsamen Nationaltracht,
umschwärmt von jungen Offizieren und Dandys, sich in Ermangelung occidentalen
Konversationsstüffs mit der heimischen Chronique scandaleuse unterhalten. Die
Staffage zweiter Klasse, Bauern, Soldaten und Gesinde, sammelte sich um
den Abfluss des Bades und wusch dort ganz ungeniert ihre Füsse, Kinder mid
— schmutzige Wäsche.
Mit Ausnahme des für die fürstliche Familie bestimmten „Konace", aus dem
eine Treppe direkt in das Herrenbad führt, eines stockhohen kasernenartigen
Gästehauses und der Anstellung eines Badearztes tat die Regierung als Eigentümerin
der Therme wenig für dieselbe. Noch bei meinem zweiten Besuche (1864) fehlte
es an Einzelbädern, schattigen Promenaden, Restaurationen und Cafes, mit einem
Worte: an den bescheidensten Annehmlichkeiten. In den wenigen, schlecht
assortierten Läden fielen mir damals neben den von bulgarischen Mutavdzi aus
Pferdehaar gewebten Decken, Säcken usw. trefflich gewebte, meist karierte Tuch-
stoffe auf, die hier erzeugt und zu verhältnismässig billigem Preise verkauft wurden;
der 30 — 40 cm breite Arsin kostete nur 1.50 d, der Stoff für einen ganzen
Anzug 48 d. Die Kriegsjahre 1876— 78 wurden zu Soko-Banja schwer empfunden.
Die Türken drangen bis in die benachbarte Klisura ein und verwüsteten ihre ganze
südliche Umgebung.
Im letzten Dezennium schritt man endlich, wie ich 1897 fand, mit grösserer
Energie zur Hebung von Soko-Banja. 1888 begann seine Regulierung nach dem
vom Zivilingenieur Roman Balajnski entworfenen Plane. Dreissig villenartige
K. KANITZ, Strbien. U. ^
114 Über Deligrad, Soko-Banja auf den Rtanj und nach Alcksinac.
Häuser umgeben die vom 1898 verblichenen Metropoliten Miliail seinem Geburts-
orte mit russischer Hilfe erbaute byzantinische Kuppeikirche, welche er 1892
persönlich „Christi Verklärung" weihte. 40 000 d widmete er ausserdem für das
stattliche Schulhaus. Unfern des guten Baderestaurants wurde ein hübscher Park
mit kleinem Weiher auf 4000 m= geschaffen. Die Strassen erhielten Namen, die
Häuser Nummern, die Hauptquelle wurde neu gefasst, Porzellanwannen eingeführt;
auch ein 1300 m langer Pronienadenweg über das „Tetomirov grad" und den
Wasserfall „Ripaljka" angelegt und zu Ehren des Schöpfers all dieser Neuerungen
„Romanski put" genannt. Andere landschaftlich reizende Spazierwege führen zum
„Momin Kamen", in die nahe südliche Schlucht zur „Lepterijaquelle", zu den
zwei alten Ulmen am Hause des Djordje Milutinovic, bei welchen Heiduck Veljko
um Sieg betete, zu seiner nahen Schanze u. a. 0. Der 1895 gegründete „Ver-
schönerungsverein" erwarb sich anerkennenswerte Verdienste, und nicht minder
bemühen sich die tüchtigen Ärzte Lojic und Popovic durch die Verwertung der
zahlreichen kalten Quellen und kleinen Seen für hydropathische Kuren und die
Anwendung der Elektrotherapie um die Hebung des jungen Badeortes. 1897 fand
ich das bereits 2340 Seelen") in 470 Häusern zählende „Soko-Banja" von der
Elite Belgrads besucht. Eine mir gewidmete Photographie zeigt die russische
Diplomatenfamilie Laube, den Gelehrten Novakovic u. a., gelagert auf grünem
Plane am Wege nach dem kaum 2 km fernen, hochromantischen „Soko grad",
das dem „Aleksinacka banja" den heutigen Namen gab. Man vergleiche nur die
beiden Illustrationen von 1897 und 1860, um zu finden, wie auffällig sich die
gesellschaftliche Physiognomie des Badeortes während der letzten Dezennien
verändert hat.
Auf steilem Pfade geht es aufwärts zu den drei festen Schlossabschnitten,
deren höchster an einem gänzlich isolierten Felsen klebt. In den sorgfältig aus-
geführten Wölbungen seiner ungewöhnlich starken Fundamente traf ich, ausser
antiken Ziegeln, noch andere technische Merkmale, welche für ein Römerkastell
zum Schutze der Therme und der östlich weiter ziehenden Strasse an diesem
Punkte sprachen. Die von den Serben „Soko" (Falke) genannte Feste dürfte mit
dem in der erwähnten Lebensschilderung des Despoten Stevan Lazarevic bei
Svrljig genannten Sokolnica identisch sein. Wie meine Skizze zeigt, ist ein grosser
Teil der eines der schönsten Beispiele mittelalterlich-serbischer Feudalbauten
bildenden Burg wohl erhalten. Die Aussicht vom Fusse des höchsten Turmes über
die im tiefen Grunde sich durchwindende Banjica und die gegenüber zerklüftet
aufragenden Felsmauern weg auf die Soko-Banjaer Hochebene ist prächtig.
Während ich diese archäologisch interessante und landschaftlich lohnende
Partie machte, traf der Bezirkskapetan die nötigen Vorkehrungen zum Ausflug
auf den Rtanj. Meine offizielle Begleitung wartete bereits marschfertig um 4 Uhr
morgens. Die liebenswürdige Doktorsgattin hatte die Bissage mit Proviant und
einigen Flaschen Wein gefüllt. Kompass, Barometer, Fernglas und Mappen waren
versorgt, die Gewehre geladen und rasch ging es nach dem am Fusse des Rtanj
1) 1905 zählte es 2393 Einwohner.
33
Ober Deligrad, Soko-Banja auf den Rianj und nach Aleksinac.
ir
liegenden Sarbanovac, das in einer Stunde erreiciit war. Einigen Aufenthalt
verursachte es, bis der Kniet (Ortsrichter) von seinem Felde herbeigeholt wurde,
welcher auf des Kapetans Befehl inicii perscuilich auf die Rtanjspitze führen
sollte. Ich betrat in Sarbanovac zum erstenmal ein bulgarisches Haus und
benützte die unfreiwillige Müsse zu seiner genauen Besichtigung. Bewohner und
Einrichtung erregten schon deshalb mein Interesse, weil dieses Dorf den vor-
geschobensten nördlichen Posten jenes Bulgarcnvolks bildet, das ich bald auf
dessen eigenem Boden aufsuchen wollte.
Am 12. Oktober 1877 war Sarbanovac der Schauplatz des ersten in Serbien
wissenschaftlich dargestellten Meteoritenfalles. Gegen 2 Uhr nachmittags hörte
man drei starke Detonationen, welchen mehrere flintenschussartige folgten, und
Schloss Soko.
gleichzeitig fielen aus den grauen Wolken, auf welchen, wie die Bauern dem
Professor Pancic versicherten, lichte Gestalten auf weissen Rossen umherritten,
feurige Steine, die man des Zaubers wegen nicht zu berühren wagte. Man wähnte
den Weltuntergang gekommen; die aufgeregten Menschen und erschreckten Tiere
flüchteten nach allen Seiten. Der schwerste der Steine mit 38 kg wurde 6 km
nördlich von Soko-Banja, ein zweiter mit 16,3 kg westlich und ein dritter mit 9,8 kg
über 3 km östlich von Sarbanovac ausgegraben; viele an anderen Stellen angeblich
gefallene waren nicht auffindbar. ')
Der freundliche alte Kmet machte sich rasch reisefertig, und im Galopp ging
es über das sanftgewellte terrassenförmige Piedestal der Pyramide im Tale der
Moravica. Die Landschaft erschien hier traurig verödet. Bei einer ärmlichen
Hirtenniederlassung heftete sich ein Rudel wolfartiger Hunde heulend an unsere
Fersen. Ein abgefeuerter Pistolenschuss steigerte ihre Wildheit zur Raserei, und
') Glasnlk, Bd. 48.
llf^ über Deligrad, Soko-Banja auf den Rtanj und nach Aleksinac.
wir hatten viel zu tun, sie uns vom Leibe zu halten. Nach einstündigem
beschleunigten Ritte durch niederes Laubhoiz gelangten wir an den Ostfuss des
Berges. Das Aufsteigen von dieser Seite wird durch verfilztes niedriges Gebüsch
und Kalkblöcke erschwert, führt aber am raschesten zur Spitze. Es gibt hier
keinen eigentlichen Pfad. Ich folgte dem Kmeten Schritt für Schritt, das Pferd
am Zügel nachziehend, manchmal erschöpft auf einer Grasoase ausruhend. Das
Auge hing dann an der üppigen Flora im Vorgrunde und an der sich erweiternden
Fernsicht, worauf wir wieder aufwärts kletterten.
Endlich war die gegen 1566 m hohe Siljakspitze erreicht. Ein Ausruf des
Entzückens entfuhr meinen Lippen über das vor meinen Blicken sich entrollende
Panorama. Mit Zuhilfenahme der geographischen Nomenklatur könnte ich hier
dessen Peripherie andeuten, unmöglich aber seine reizvollen Details, deren
Harmonie die Seele mit überschwenglichem Genuss erfüllte.
Am meisten fühlte sich mein Blick von dem mächtigen Gebirgsstock im
Südosten angezogen, sein hoch sich türmendes vulkanisches Massiv kennzeichnete
ihn als den „Balkan". Südlich breitete sich das wenig erforschte Gebirgsnetz des
klassischen thrazisch-makedonischen Bodens aus; glänzende Gestalten, Philipp und
Alexander, belebten es einst mit beinahe übermenschlichen Taten. Östlich tauchte
als dünner Silberstreif der „Ister" auf und die bis zu den Karpathen streichende
riesige linke Ufer-Ebene, jetzt Rumänien getauft; noch heute von Abkömmlingen
der Legionen bewohnt, die einst Trajan zur Bewältigung des dakischen Decebalus
über seine vielbogige Donaubrücke bei Severin führte. Ich übersah das ganze
östliche Serbien bis zu der im Sonnenlicht erglänzenden Feste, wo „Prinz Eugenius"
den Lorbeer sich geholt, unterschied manche historisch berühmte Donauburg, welche
Griechen, Römern, Byzantinern, Slaven, Magyaren, Türken und Österreichern so
begehrenswert erschien, dass die ihretwegen geflossenen Blutströme selbst ein
weites Flussbett füllen könnten. Den Mittelgrund des weiten Bildes füllte
Serbiens grosser Eichenforst, die düstere Sumadija, in deren Tälern Karadjordje
und Milos die hochfliegenden Freiheitsbanner entrollten.
Aber auch nähere interessante Punkte fesselten den Blick. Gleich am Rtanj-
fusse liegt auf hohem Kalkfelsen das verfallene Schloss Vrmdza, dessen Erbauung
das Volk gleich jener des erwähnten nahen Tetomirovgrad den Lateinern
zuschreibt. In Wahrheit entstand es auf einem Römerkastell, das die antike Strasse
schützte, welche das W^gnetz von Naissus mit dem am Timok zur Donau laufenden
verband. Am Wege nach dem özren steht unfern des Wasserfalles der Gradasnica,
1 Stunde südwestlich von Soko-Banja, das sehr in Ehren gehaltene, 1864 restaurierte
Kirchlein Jermencic. Weiter erscheint südlich an der Josanica ein alter, schlechtweg
„Gradac" genannter Bau, und am Westhange des Rtanj die traditionell von einem
verschwundenen Zarenkloster gebliebene Kirchenruine „Kaludjer". Bei dem
südlichen Muzinac haben wenige Hundert tapfere Serben unter Dobrnjac und
Paulj die von ösman Pazvandzija, Jusuf Aga, Porec Ali und Rusen Aga geführten,
weit stärkeren Türken im Freiheitskriege so zerspreng, dass sie mit grossen
Verlusten nach Vidin flüchten mussten. •)
') Srbijanka, I, S. 114.
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über Deligrad, Soko-Banja auf den Rtanj und nach AIcksinac. 121
Südwestlich zeigten sicli über dem Kopaonii< die iiohen Berge Altserbiens bis
zur iiöciisten Spitze der Balkan-Halbinsel, dem l.jubotin (3050 m'), deren Schluchten
fortwährender Streit zwischen Arnaulen und Serben erfüllt. Verdient die nach
Unabhängigkeit von ihren moslimischen Drängern ringende Bevölkerung wirklich
unsere Sympathien? Wer ihr unsägliches Elend selbst sah, das sie zur Auswanderung
nach Serbien treibt (Kap. X), zweifelt nicht daran. An einen mächtigen Felsblock
gelehnt, an dem rote Nelken zu weissen verblasstcn, isländisch Moos aber lieblich
blühte und grünte, sah ich lange Zeit sinnend hinaus in die mit dem Äther sich
vermählende Ferne und hätte, meine Aufgabe vergessend, noch lange über die
Vülkergeschicke nachgedacht, welche das vor mir ausgebreitete herrliche Stück Welt
von der klassischen Vorzeit bis auf unsere Tage an sich vorüberziehen sah, hätte
nicht mein Begleiter bemerkt, dass es kühl würde. Vorsorglich schnallte er meinen
Mantel vom Sattel ab und reichte mir die mit wärmendem Rakija gefüllte Cutura.
Nun schritt ich zur Arbeit, peilte die höchsten Bergspitzen und krokierte
das Profil, das Viquesnel in seiner „Voyage dans la Turquie de l'Europe" ver-
öffentlichte. Hier gebe ich einige orographische Details des serbischen Boden
einschliessenden Rundbildes. Es beginnt im Osten mit den über 2000 m hohen
Bergen des Piroter Kreises, vom Sveti Nikola-Balkan überragt. Gegen SO. treten
die Kuppen der Suva Planina auf und im südlichen Vorgrunde das Ozren- und
Mali Jastrebac-Gebirge, zwischen welchen die Süd-Morava fliesst. Westlich
öffnet sich zwischen den Sumadijabergen, dem Veliki Jastrebac und anschliessenden
Kopaonik das breite Tal der West-Morava. Nördlich erscheinen sämtliche
Gebirgszüge bis zur Save und Donau; dicht unter uns zwischen dem Rtanj und
Golubinje-Gebirge das viel verästelte Quellengebiet des Mali Timok; man kann
seinen Lauf genau verfolgen und Zajecar erkennen, bei dem er sich mit dem
Veliki Timok vereinigt, um dann mäanderartig der Donau zuzufliessen.
Der nach des Ingenieurs Jiracek neuester Messung 1621 m hohe Rtanj
erhielt seinen Namen von dessen einem ruhenden Windhund ähnlicher Gestalt.
Er ist ein Längenberg, dessen südwestlicher Fuss aus Grauwacke und je h(')her
zur Spitze aus immer mehr sich aufrichtendem Grauwackenschiefer besteht. An
der Nordostseite besitzt er schroffe Abfälle und Wände von plötzlich empor-:
steigenden gewundenen Schichten, deren gewaltsamer Aufbruch wahrscheinlich
von SO. her, wo der Syenit-Porphyr liegt, erfolgte. Prächtiger Fichtenwald, der
einzige in ganz Serbien, zieht hier zwischen Tannen und Föhren bis zum Gipfel
hinauf. Aus der reichen Rtanjflora sind von selteneren Pflanzen zu nennen:
Ramondia serbica Pancic, Viola rupestris L., Dianthus pelviformis Heuff., Genista
subcapitata Panc., Caruni graecum Boiss., Asperula ciliata Koch, Campanula
pinifolia Uechtr. in litt., Gentiana ciliata L., Daphne Cneorum L. u. a. -)
Ich hatte meine Aufnahmen vollendet und musste, um noch vor dem Einbrüche
der Nacht in Soko-Banja einzutreffen, dem fesselnden Rtanjbilde Lebewohl sagen.
Von Klippe zu Klippe springend, nahmen wir den Weg abwärts zur^ berühmten
') Ritters Geographisch-statistisches Lexikon. 6. AufLige. 1907.
°) Pancid, Der Kirschlorbeer usw., 1887.
122 Ober Deligrad, Soko-Banja auf den Rtanj und nach Aleksinac.
Eishöhle (Ledenica), die am Han^e der Pyramide in dichtem Laubwalde Hegt.
Ihr mit Schlingpflanzen überkleideter Schacht geht etwa 3 m breit und 22 m
tief im Kalkstein nieder. Auf einer aus rohen Baumstämmen gezimmerten, beinahe
senkrechten Leiter klettert man nicht ohne Schwierigkeit hinab zur NO. laufenden
Spalte, in der sich im Frühjahre leichtes Eis bildet, das im Sonimer wächst, im
Herbst aber schmilzt. Als wir anlangten, wurde eben Eis auf Wagen für den
fürstlichen Haushalt in Soko-Banja verladen. Nahe kommen noch viele kessei-
förmige Vertiefungen im Kalke vor, die, häufig überdacht, den Hirten und ihren
Herden erwünschten Schutz während der hier häufigen Gewitter gewähren.
Wir durchritten einige Gehölze und befanden uns wieder auf der am Morgen
berührten Hirtenniederlassung. Nach glücklich überstandenem Kampfe mit den
Wolfshunden, die meine Begleiter diesmal mit Knütteln tüchtig zurechtwiesen,
kehrte ich über Sarbanovac nach Soko-Banja zurück und beschloss dort im Kreise
der mir rasch befreundeten Doktorfamilie einen der genussreichsten Tage meiner
serbischen Reisen. Nun soll durch die von Nis nach Soko-Banja zu öffentlichen
Arbeiten während des Sommers entsendeten 50 Sträflinge ein Reitweg auf den
Rtanj ausgeführt werden, was dessen Besteigung erleichtern und den aufstrebenden
Badeort zu einem beliebten Ausflugsziele für Touristen gestalten wird. Glück auf!
Als ich am nächsten Morgen über Soko-Banjas Hochebene hinfuhr, wurde
es mir vollends klar, dass sie, wie seine ganze Umgebung, das Produkt einer
gewaltsamen Erhebung sei. An einem von Fürst Milos erbauten hübschen
Brunnen vorüber gelangten wir nach Uebersetzung der Topolnica in einer Stunde
zu den auf der Fahrt nach Soko-Banja erwähnten, an Burgresten reichen „Klisura".
Gleich am Defileetore liegt über der einen kühlen Trunk spendenden Mehana auf
einem Hügel das „Gradiste", in dem Deli Radivoj, ein Bruder des berühmten
„Starina Novak", gehaust haben soll. Nahe steht ein verfallenes Kirchlein „Sopot";
1872 setzte ein geisteskrankes Weib die Umgebung durch die Angabe in Auf-
regung, es habe ihr geträumt, dass in dieser Kirche Dusans Krone und andere
Schätze vergraben seien. Seitdem haben die wiederholt Nachsuchungen anstellenden
Bauern den Platz gereinigt und umzäunt. Weiter erscheint auf dem linken
Ufer der eilend dahinbrausenden Moravica, 2 km südlich von Bovan, eine
mittelalterliche Burg, welche gleich so vielen anderen von der „verfluchten" Fürstin
Jerina erbaut worden sein soll. Mit dem Turme gegenüber sperrte sie das sich
südlicher ausweitende Defilee vollkommen ab und hütete die ursprünglich römische,
noch im 16. Jahrh. stark benutzte Strasse, die, bei Deligrad abzweigend, nördlich
durch das Gebiet des Timok und südlich durch jenes der Nisava zum Donau-
limes führend, zweifellos auch hohe militärische Bedeutung besass. Abzweigend
von Praesidium Pompei zog diese antike Strasse vom Nericev Han (S. 108)
über die sanften, heute mit Reben bepflanzten Höhen des linken Mozgovackaufers,
NO. vom Engdefilee der Moravica, so dass die von Osten kommenden römischen
Legionäre, ohne den zeitraubenden Umweg über Praesidium Pompei, direkt nach
Naissus marschieren konnten. 3 km südlich von der Bovaner Kula steht nahe
bei dem von unserer Strasse durchzogenen Subotinac die beste Schwarzkohle
des grössten tertiären Kohlenbeckens Serbiens, genannt „Kraljevac", an. Prof.
über Deligrad, Soko-Banja auf den Rtanj iitnl nach Aleksinac. 123
Lozanic bestimmte sie mit C 54,83, H — 4,48, Asche — 5,78, Kalorien ^- 4029.
Diese mit 95 Grubenfeidcrn i<onzessioniertc Mine besteht aus zwei 3,5 und 3 m
stariien, zwischen Sandstein und Paraffinschiefer iaj;ernden Flözen, weiche, von
J. Apei und Dr. Djoka Dimitrijevic durch drei Schächte und Galerien von 3000 m
Länj^e betrieben, 1895 mit 16 Arbeitern 12450 q lieferte, die in Aleksinac zu
1.05 d per q verkauft wurden.
Bei dem folgenden Kraljevo stiess ich auf Ruinen zerstörter Moscheen und
anderer türkischer Bauten. Nach der Mitteilung des Aleksinacer Ingenieurs wurden
beim Strassenbau aber auch römische gestempelte Ziegelsteine gefunden. Nach
neueren Forschungen stand hier die altserbische Handelsstadt Bovan, welcher die
Zarin Milica und ihr Sohn im Jahre 1395 die alljährliche Leistung von 500 Stöcken
Salz an das Athoskloster Sv. Pantelija auferlegten. Prinz Musa, der Bruder Murats II.,
eroberte Bovan 1413 und zerstörte wahrscheinlich seine Burg. Als Verantius Bovan
im Jahre 1553 besuchte, besass die Stadt noch einen berühmten Markt.
Vor Kraljevo kam ich nahe der Telegraphenleitung an einem weiten Gräber-
felde mit Denksteinen aus Glimmerschiefer vorüber, das den Anwohnern zu den
fabelhaftesten Schilderungen Anlass gibt. Nach ihren Angaben enthielten die
„Latinsko- und Zidovsko grohlje" (Römer- und Judengräber) die Gebeine einer
Generation von riesiger Körperlänge und besonders starkem Knochenbau. Nur
eine persönliche Untersuchung konnte zur Aufhellung dieser und anderer Sagen
führen. Auf meiner ersten Reise gebrach es mir leider an der nötigen Zeit und
amtlichen Erlaubnis zur Eröffnung eines dieser Riesengräber; im Herbste 1864
opferte ich aber meinem Forschungsdrang im Bolvaner Han eine schlaflose Nacht,
um früh am Morgen mit der Arbeit zu begitnien. Bei den primitiven ländlichen
Werkzeugen dauerte es trotz meiner Aneiferung mehrere Stunden, bis wir auf
das erste Gerippe kamen. Die Umfassung der Grabstätte bestand aus unbehauenen
Felsblöcken, von welchen je zwei der Länge, einer am Fussende und ein hoch-
aufgerichteter am Kopfe das Grab in länglichem Viereck einschlössen. Obwohl,
ich ein Grab gewählt, das sich durch besondere Grösse seiner Umfassungssteine
auszeichnete und das auf eine hier beerdigte ausgezeichnete Persönlichkeit
schliessen liess, fand ich trotz aufmerksamster Untersuchung der ausgeworfenen
Erde keinen Gegenstand, der nähere Aufschlüsse über das fabelhafte Grabfeld hätte
geben können. Ausser frischen Tonscherben, weiche bald nach dem Abräumen
der Grasdecke zum Vorschein kamen, zeigte die 1,58 m tiefe, ein männliches
Skelett bergende Erdschicht so wenig wie dieses selbst etwas Bemerkenswertes.
Weder war es besonders gross, da es vom Kopfe in ausgestreckter Lage nur
1,70 m mass, noch fanden sich Ringe mit geschnittenen Steinen vor, wie sie meine
grabenden Bauern in anderen eröffneten Gräbern gefunden haben wollten. Ich
hatte zu viel schlimme Erfahrungen bezüglich der Treue ähnlicher Behauptungen
gemacht, als dass ich nach dem ganz erfolglosen ersten Versuche weiter Zeit,
Geld und Mühe an das „Zidovsko groblje" verschwendet hätte. Ich begnügte
mich, das Grabfeld zu zeichnen und sandte den ausgegrabenen Schädel dem um
die Erforschung des Totenkultus aller Völker verdienten Wiener Professor Romeo
Seeligmann. Einige benachbarte Gräber bezeichnet das Volk als „Vampirsko
124 Über Deligrad, Soko-Banja nuf den Rtnnj iincl iincii Alcksinac
^roblje"; wie ich schon früher sagte, ist der Vampyr^'laube in Serbien stark
verbreitet. Leider i<onnte ich nichts weiter zur Aufhellung von Kraljevos Ver-
gangenheit unternehmen. Alles deutet darauf hin, dass hier ein altes Gemeinwesen
stand. DragaSevic identifiziert Kraljevo mit einer Stadt, die im 12. Jahrh. unter
Nemanja an der Mila reka (Mala reka Moravica) gestanden haben soll. ')
An den Resten eines antiken Wachtturms auf dem 248 m hohen „Logoriste"
vorbei ging es nach dem in Sicht getretenen Aleksinac. Die Stadt wird von
der etwas westlicher in die Morava mündenden Moravica durchflössen, und deshalb
ist schwer anzunehmen, dass die Römer an solch wichtigem Strassenpunkte kein
ihn schützendes Kastell angelegt. Auf einem Plane von Aleksinac aus den
österreichischen Türkenkriegen fand ich auf dem rechten Bachufer, nahe der
gegenwärtigen Kirche, eine rechteckige Palanke mit sechs Rundtürmen und 185 m
langen Hauptfronten, welche die Türken nach römischem Zuschnitte wahrscheinlich
aus dem Material des antiken Werkes erbauten, dessen Spuren ich aber unter dem
hohen Alluvium vergeblich suchte. Hingegen stiess ich auf Reste eines massigen,
vielleicht von einer Karawanserei oder einem Bade herrührenden türkischen
Baues. Die Aleksinacer Palanke leistete im Jahre 1737 gegen den österreichischen
Angriff gleich wenig Widerstand, wie jene von Razanj, als derselbe General
Miglio mit seinen 12 Grenadierkompanien, 1000 Pferden und 6 Geschützen vor
ihr erschien. Graf Schmettau schildert diese oft erwähnten Befestigungen, das
Vorbild der von Omer Pasa bei Plewna wirkungsvoll angewendeten alttürkischen:
„Die Palanken erheben sich gewöhnlich an den Grenzen oder Hauptstrassen nahe
den Städten oder Dörfern. Sie bestehen aus einem Quadrat, umgeben von einem
Graben oder dicken Palisaden, sehr hoch bis an die Spitzen mit Erde verkleidet.
In der Mitte befindet sich gewöhnlich ein gemauerter oder hölzerner Turm, zum
äussersten Zufluchts- und Auslugspunkte bestimmt. Es gibt auch Palanken, wie
jene von Temesvar, bestehend aus dicken Bäumen oder Balken, durch Eisen-
klammern miteinander verbunden, hinter welchen ein Wall sich erhebt und davor
ein breiter Wassergraben. Diese Befestigungen bewähren sich besser als die
gemauerten Wälle."
Aus der Ferne gesehen, gewährt das 1833 serbisch gewordene, damals kaum
30 Häuser zählende Aleksinac (148 m) ein freundliches Bild. Beim Eintritt löst
sich aber das grünumrahmte Städtchen in einander zum Verwechseln ähnliche,
einförmige Strassen auf. Es besass durchaus unbedeutende Gebäude, nur die
Realschule, die 1834 erbaute Kirche, mit dem Nacelnikat und Hause des eng-
lischen Kuriers bildeten einen Platz, der ein wenig an occidentale Städtchen
erinnerte. Auf der Carsija war ich nicht wenig überrascht, auch Amanten zu
begegnen. Das albanesische Element stieg seit Jahren aus seinen Steilbergen
stetig tiefer herab und nistete sich im nahen Toplicatal ein. Einen Keil zwischen
Serben und Bulgaren bildend, verkehrt es hier friedlich mit seinen christlichen
Nachbarn, während es ihnen sonst überall feindlich gegenüberstand. 1833 ward
der Alp des türkisch-arnautischen Regiments von Aleksinac genommen. Greise
1
I
') Glasnik, Bd. 45, S. 35.
über Deligrad, Soko-Banjn auf den Rtaiij iiiul nach Aleksinac. 1'25
erinnerten sich noch der schlimmen Tage, wo i<ein Serbe in Aiei<sinac ein Fes
oder Kleidungsstück von roter oder grüner Farbe tragen durfte; nur weisses
Sukno (grobes Tuch) war gestattet; die Frauen niussten in der Stadt die „Samija",
das gewundene Kopftuch, ablegen und den „Tulben", eine Art runder Mütze, als
Zeichen ihrer Verheiratung aufsetzen. Kein Christ durfte durch die Carsija reiten;
der erstbeste Arnaute hätte ihn getötet, und mancher Rajah büsste wegen nicht
viel grösseren Frevels an einem Aste des alten Baumes, der noch zurzeit meines
ersten Besuchs als trauriges Wahrzeichen neben der Quarantäne stand. Damals
gab es hier auch kein gesellschaftliches Leben; die vollständige Absonderung
der Frauen war das sprechende Erbe aus der Türkenzeit.
Das an der türkischen Grenze liegende Aleksinac bildete von 1836—1878
einen wichtigen Punkt an der von Mitteleuropa nach Konstantinnpel führenden
Post- und Warenstrasse. Eine lange Holzbrücke führte über die Moravica durch
eine schattige Allee zu ihrer von Rasenplätzen und hohen Baumgruppen umgebenen
Quarantäne, welche aus mehreren weitläufigen Gebäuden bestand. In keiner
anderen Rastelle Serbiens war die Personenfrequenz gleich stark. Durch dasselbe
zogen alljährlich die meisten jener 15 — 18 000 Bulgaren und Cincaren, welche als
Häuser-, Feld- und Gemüsebauer den Sommer über in Serbien guten Verdienst
suchten, um im Spätherbst auf demselben Wege mit ihren Ersparnissen in die
Heimat zurückzukehren, und ebenso exportierte man mittels Lasttier-Karawanen
durch dasselbe bedeutende Quantitäten bulgarisch-thrazischen Korduanleders, Häute,
Wolle, Hanf usw. über Belgrad in die österreichischen Fabriken, die verarbeitet
als teuere Industrie-Artikel oft wieder ihren Rückweg in die Basare von Nis, Pirot,
Sofia, Philippopel oder auf die berühmte Alesse von Uzundzova in Bulgarien
nahmen, welche gegen 100000 Menschen aus der europäischen inid asiatischen
Türkei besuchten.
Aleksinac, das eine wichtige Zwischenstation des internationalen Telegraplien-
verkehrs geworden, sollte auch eine solche für die serbisch -türkischen Bahnen
werden. Dies versprach ihm zu ersetzen, was es 1876 durch den Krieg
an Wohlstand und 1878 durch den Wegfall seiner Quarantäne, anlässlich der
serbischen Gebietserweiterung gegen Süden, an konimerzieiler Bedeutung verloren.
hatte. Das nördliche Rutschterrain zwang aber die Ingenieure, den Schienenstrang
schon unterhalb Stalac vom rechten Moravaufer auf das linke zu leiten, wodurch
Aleksinac, 4 km von seiner Station entfernt, trotzdem eine stabile Moravabrücke
zum leichteren Verkehr mit derselben erbaut wurde, die erhofften Vorteile grossen-
teils verlor. Eines gewann die Stadt aber zweifellos durch die Vorschiebung der
serbischen Südgrenze, dass sie im Kriegsfalle fortan weniger als früher zu leiden
haben dürfte. Da Aleksinac stets die Pforte war, durch welche die Türken während
der ersten Freiheitskämpfe in das Land eindrangen, wurde es 1862, als das
Belgrader Bombardement schwere Konflikte mit der Pforte befürchten Hess, durch
einen starken Schanzengürtel befestigt und dieser im Frühjahr 1876, als der Krieg
wirklich in Sicht trat, durch General Zach systematischer ausgebaut. Man kann
sagen, Beginn und Ausgang der für die serbischen Waffen unheilvollen Kämpfe
jenes Jahres hatten Aleksinac zum Mittelpunkt.
126 Über IX'ligrail, Soko-Banja auf den Rtanj uiul nach Alcksinac.
Die Aufstellung der vom Generalissimus Cernjajeff und dessen Generalstabs-
ciief Oberst Becker persönlich befehligten Morava-Armee war am 3. Juli folgende:
Äusserster rechter Flügel an der Jankova Klisura (S. 103); rechter Flügel in
Vukanja mit der Reserve in Kaonik, unter Oberst Bucovic 6 Bataillone Krusevac,
4 Bat. Jagodina, 1 '/2 Eskadron Kavallerie, 8 schwere Vierpfünder. Rechtes Zentrum
zwischen der Djuniska reka und Süd-Morava unter Oberst Milutin Jovanovic:
3 Bat. Aleksinac, 4 Bat. Smederevo, 8 Bat. Cuprija, 7 Eskadronen, 16 schwere,
8 leichte Vierpfünder, 6 Zwölfpfünder; linkes Zentrum mit der Vorhut bei
Tesica unter Hauptmann Djurdjevic: 3 Bat. Aleksinac, 4 leichte Vierpfünder. Gros
im verschanzten Lager zu Aleksinac unter Oberst llija Markovic: 15 Bat. der
Suniadija-Division, 4 Bat. Smederevo, 6 schwere Vierpfünder. Linker Flügel zwischen
Soko-Banja und Aleksinac unter Oberst Uzun-Mirkovic: 5 Bat. Pozarevac, 5 Bat.
Belgrad, 6 Bat. Kragujevac, 4 Bat. Jagodina, 5 Eskadronen, 24 schwere, 12 leichte
Vierpfünder, 6 Zwölfpfünder; äusserster linker Flügel auf der Tresibaba unter
Oberstleutnant Horvatovic: 8 Bat. Knjazevac, 1 Eskadron, 8 schwere Vierpfünder.
Die Ereignisse auf dem linken Flügel werde ich im Vlll. und XII. Kapitel
schildern; hier sei die Zusammenfassung der den Krieg entscheidenden Vorgänge
in der Zentrumsstellung zwischen Aleksinac und Krusevac versucht.
Von Aleksinac Hess General Cernjajeff unmittelbar nach erklärtem Kriege
den Oberst Milutin Jovanovic gegen Nis demonstrieren, während er selbst mit
dem Gros der Hauptarmee über Knjazevac zur Eroberung von Bela Palanka und
Pirot schritt. Diese gelang wohl, doch war er nicht stark genug, gegen Sofia
vorzugehen. Da sein Appell zu einem Massenaufstande der Bulgaren ohne
nennenswerte Wirkung geblieben, kehrte Cernjajeff auf demselben Wege zurück,
und die serbische Offensive verwandelte sich bald in eine, durch den Anzug
bedeutender türkischer Streitkräfte bedingte Defensive, deren Hauptstützpunkte
Deligrad und Aleksinac bildeten. Jubelnd begrüssten seine Bürger die von
Norden einziehenden Verstärkungen, welche den immer näher rückenden Feind
abzuhalten versprachen. Die Türken entschlossen sich, ihre Operationen am
Timok einzustellen und alle Kräfte zum Vormarsch auf der grossen Moravastrasse
nach Belgrad zu vereinigen. Als der vor Aleksinac operierende Ali Sahib Pasa
sich zu schwach erwies, um dessen starke Werke zu bezwingen, verliess Ahmed
Ejub Pasa das zerstörte Knjazevac und stieg mit seinem Korps am 17. August
durch die Täler der Topolnica und Katunska reka zur Morava herab. Vom 21.
bis 24. August suchten nun Abdul Kerims Generale, Ejub auf dem rechten, Ali
Sahib auf dem linken Ufer, die serbische Position zu nehmen. Die von den
türkischen Truppen bewiesene Kaltblütigkeit bei den wiederholten Angriffen erwies
sich vergebens, und am 25. August gab Ejub, dessen Truppen durch das schwere
Geschützfeuer der geschlossenen Schanzen ungemein litten und überdies durch
den von Knjazevac über Sv. Stevan herabsteigenden Horvatovic in der rechten
Flanke bedroht wurden, den Frontangriff auf die Aleksinacer Verschanzungen auf.
Die sechstägige „Schlacht von Aleksinac" kostete den Serben und Russen
9 Offiziere, 371 Mann an Toten, verwundet wurden 38 Offiziere und 1195 Mann.
Die Türken erlitten noch grössere Verluste.
über Deligrad, Soko-Banjn niif den Rtanj und nncli Alcksinac. 129
Der Oberkommandant Abdul Kerim beschloss nun, seine disponiblen
Truppen ^grösstenteils auf das linke Ufer vorzuschieben und die Serben durch
eine über Kruäevac gegen Stalac eingeleitete Umgehung zur Schwächung ihrer
Positionen bei Alcksinac und Deligrad zu zwingen, zu welchem Zweck auch
Ahmed Ejubs bei Katun railliertes Korps auf der am 23. August bei Teäica
hergestellten Brücke die Morava überschritt. Auf dem rechten Ufer blieben
nur einige Arnauten- und Tscherkessenbanden zurück. Am 1. September, einem
moslimischen Sonntag, an dem es Cernjajeff am wenigsten erwartete, drangen die
Türken über die Weinberge oberhalb Tesica rasch vor, bemächtigten sich
kleiner Vorwerke bei Zitkovac, wurden hier wohl zum Stehen gebracht,
gewannen jedoch durch ihre Artillerie auf dem linken Flügel derartig Terrain,
dass die Serben, über die Brücken bei Deligrad und Boboviste in grosser
Unordnung auf das rechte Ufer gedrängt, das linke von Mrsolj bis zum stark
besetzt gehaltenen Kaonik an der Kruscvacer Strasse den Siegern überlassen
mussten. Wider Erwarten blieb Ahmed Ejub bis zum 6. September untätig,
wodurch Cernjajeff Zeit gewann, seine Hauptmacht um Deligrad zu sammeln,
Alcksinac blieb durch 22 Bataillone unter dem Obersten Konstantin Protic
besetzt, 8 Bataillone verteidigten seine entfernteren Vorwerke. Die türkischen
Versuche vom 7. bis 11. September, unterhalb Mrsolj bei Boboviste das rechte
Ufer zu gewinnen, wurden durch die Wachsamkeit der Serben vereitelt, doch
ebenso missglückte jener Horvatovics am 13. September, bei Tesica auf das
linke Ufer überzugehen und die Türken im Rücken anzugreifen.
Am 16. September folgte ein durch Englands Einfluss in Konstantinopel
herbeigeführter Waffenstillstand, der leider die Fortsetzung des blutigen Ringens
nur kurz unterbrach. Dieses traf die Türken mit 5 Divisionen, die etwa
50000 Mann Infanterie, 6000 Arnauten, Tscherkessen, 2000 reguläre Reiter und
90 Geschütze zählten, grösstenteils hinter Schützengräben am Krvavac potok,
von KruSje bis Donji Adrovac, auf dem linken Ufer; ihnen gegenüber befand
sich der serbische rechte Flügel unter Horvatovic, der, gedeckt durch das tiefe
Djuniskabett und leichte Verschanzungen, die Linie Veliki Siljcgovac,
Susice, Kaonik bis Djunis besetzt hielt. SO. schloss sich bei Korman das.
stark verschanzte serbische Zentrum an, während der linke Flügel unter Protic
in den Positionen ober und unter Alcksinac verblieb. Mit der in Deligrad
postierten Reserve zählten die Serben noch etwa 60 000 Streiter.
Am 29. September ging Horvatovics rechter Flügel und das Zentrum mit
grosser Bravour gegen die türkische Stellung vor. Der durch die Artillerie
ungenügend vorbereitete Angriff wurde aber zurückgewiesen, und am nächsten
Morgen gewannen die Türken durch ihr überlegenes Geschützfeuer die Pescanica.
Unter kleineren Gefechten zogen sie dort bis 17. Oktober fortwährend frische
Truppen von Nis an sich, mit welchen sie am 19. Oktober einen kräftigen
Offensivstoss gegen den rechten serbischen Flügel führten. Am 20. Oktober,
während Fazil Pa§as Artillerie ein heftiges Feuer auf den linken serbischen
Flügel bei Alcksinac und das Zentrum bei Boboviste unterhielt, überschritten die
Divisionen Sulejman und Aziz Pasa am Frühmorgen zwischen Krusje und
F. KANITZ, Serbien. U. '1
130 Über Deligrad, Sokn-Banjn auf den Rtanj und nach Aleksinac.
Radevci die OstroSeliohen und trieben Horvatovics Vorhut auf Veieki
Siljegovac zurück, wo es mit seinem Gros zu ernstem Gefechte kam,
das, weil die von Cernjajeff abgesandten Verstärkungen zu spät eintrafen, am
Nachmittag mit dem Rückzuge der Serben auf Crkviiia, Mali Siljegovac und
Kaonik endete. Die obere Djuniska reka mit den verlassenen Schützengräben
fielen in türkischen Besitz, wodurch eine breitere Angriffsfront gegen die serbische
Stellung zwischen Gaglovo und Korman gewonnen wurde. Es folgten nun
bis 28. Oktober grossenteils Artilleriekämpfe, während welcher sich die Türken
am 23. Oktober auf den die untere Djuniska reka beherrschenden Höhen bei
Crkvina verschanzten.
Immer drängender forderten Konstantinopeler Telegramme Abdul Kerim auf,
den letzten Schlag zu führen und Aleksinac zu nehmen, weil es der Pforte
nicht länger möglich sei, Ignjatieffs durch die Grossmächte unterstützte Forderung
nach einem Waffenstillstand ausweichend zu beantworten. So entschloss sich
der türkische Marschall, trotz der am 27. und 28. Oktober gefallenen starken
Regen, am 29. Oktober zum Entscheidungskampf. Abermals erhielt Fazil
Pasa die Aufgabe, durch heftige Beschiessung der Werke von Aleksinac und
Demonstrationen, als wolle er bei Prcilovica und Bujmir auf das rechte Ufer
übergehen, die Serben auf diesem festzuhalten. Der Hauptangriff galt jedoch
wieder ihrem rechten Flügel und dem Zentrum. Am Frühmorgen wurde die
Hauptstellung Panjkovac-Sv. Nestor durch unausgesetzten türkischen Kugel-
regen ganz unerwartet überschüttet. Es währte lange, bis die Positionsgeschütze
wirksam antworteten und die Feldbatferien auffuhren; am Mittag ging die
türkische Infanterie in grösseren Massen vor, die Brigade Mahmud warf die
Serben aus Gornji Ljubes, folgte ihnen bis Vitkovac, wurde dort aber durch
das Feuer aus den Befestigungen auf beiden Ufern zurückgetrieben. Cernjajeff
zog seine Reserven von Trubarevo heran. Doch schon hatte Aziz Pasas
linker Flügel die Infanterie Horvatovics von Mali Siljegovac über die Gaglovica
gedrängt und die zu Mahmuds Unterstützung vorgerückten Divisionen Sulejman
und Hafiz hatten stürmend alle Schützengräben zwischen Donji Ljubeä und Djunis
genommen. Als um 4 Uhr nachmittags Hafiz' Infanterie die Höhen im Rücken
der serbischen Zentrumsstellung Panj kovac — Sv. Nestor erstieg, wurden ihre
Schanzen überstürzt verlassen und serbischerseits der Rückzug über die Brücken
bei Trubarevo angetreten.
Man zeigte mir das Haus, von dem Cernjajeff mit seinem Stabschef Doktoroff
am Nachmittag auf das Schlachtfeld geeilt, um persönlich eine günstige Wendung
herbeizuführen. Beide hatten jedoch, gleich den meisten russischen Offizieren,
längst schon das Vertrauen der serbischen Kämpfer vollkommen eingebüsst, die
keine Lust zu weiterem Widerstände gegen die trefflich geführten Türken zeigten.
Horvatovics rechter Flügel hatte vollauf zu tun, den östlichen Rasina-Uferhöhenkranz
zu halten, welchen die nach dem bedrohten Krusevac führende Haupfstrasse
durchschneidet. 12 Feldgeschütze gingen hier verloren.
Die aus Russen, Polen, Bulgaren und ungarischen Serben bestehende
Freiwilligen-Division des Obersten Medzininoff deckte den Rückzug, welcher
über Deligrad, Soko-Banja auf den Rianj und nach Aleksinac. 131
unter dem grosse Verluste verursachenden Feuer der auf der Sv. Nestorliühe
aufgefahrenen türkisclieii Artillerie und zur Verfolgung vorgegangenen Kavallerie
vollzogen werden niusste. Hier zeichnete sich namentlich Major Graf Tiesenhausen
aus, welcher, durch drei Kugeln an den Armen und Schenkeln verwundet, nach
Belgrad transportiert wurde. Kaum genesen, ward er als Kommandant einer
bulgarischen Druzina 1877 bei Eski Zagra abermals verwundet. Gleich mutig
wie er stritten viele andere russische Führer, so der tapfere Tscherkessenoffizier
Kominski, der wegen Streites mit seinem Vorgesetzten den russischen Dienst
quittieren musste, und als ihm der Zar 1877 die erbetene Wiederaufnahme in
denselben zu Plojesti schroff verweigerte, sich vor dessen Augen erstach.
Erst der anbrechende Abend und die auf eine Anhöhe bei Praskovce
beorderten, unausgesetzt feuernden serbischen Batterien verschafften etwas aus-
giebigeren Schutz den Flüchtenden, in deren Knäuel auch Cernjajeff fortgerissen
wurde. Von Razanj kehrte er nach Deligrad zurück, um es mit den dort stehen
gebliebenen und von Aleksinac anlangenden Truppen, nachdem er den Abbruch
der Trubarevoer Brücken angeordnet hatte, zu halten. Am 30. Oktober abends
verliessen die letzten, Fazil Pa§as Kanonade nur schwach erwidernden Geschütze
die Aleksinacer Werke. Die auf Fürst Milans Alarmtelegramm vom Zaren
Alexander aus Livadia kategorisch geforderte Waffenruhe beendete den unglück-
lichen Krieg.
Der 31. Oktober 1876 wurde aber noch für das von den Bewohnern
eilends verlassene Aleksinac verhängnisvoll. Die in dasselbe rekognoszierend
vorgesandten Tscherkessen brannten 120 Häuser und auch die 1872 errichtete
Brauerei nieder; seine Kirche diente den nachrückenden Nizams als Moschee,
was sie vor gleichem Schicksale bewahrte.
Übei die schwere Heimsuchung des Moravagebietes während dieses für
Serbien so unheilvoll gewordenen Krieges brachte Milovan Spasic, der für den
Aleksinacer und Krusevacer Kreis abgeordnete Spezialkommissar, in seinen „Bei-
trägen zur Geschichte des Krieges 1876" interessante Daten. Zu Boboviste
blieben von 100 Häusern 12 erhalten, zu Lipovac von 50 nur 1, zu Glogovica
von 60 nur 6, von Prugovos 38 Häusern 9, zu Radcnkovac von 47 nur 2,
zu Prekonozi von 43 nur 24, zu Djunis von 191 Häusern 133, zu Kaonik
von 131 nur 40, zu Trubarevo von 44 nur 1, zu Bovan von 55 nur 1, zu
Belasica von 31 nur 3. In allem hatten die Türken in den Dörfern beider
Kreise von 4294 Häusern 3256 zerstört; aber auch bei den 1038 gebliebenen
wurden Fenster, Türen und Öfen vernichtet, das Brauchbare sowie alle Kirchen-
glocken weggeschleppt. 177 Familien verloren ihre Hausväter, viele Männer,
Knaben und Frauen wurden von den plündernden Tscherkessen verstümmelt
und geschändet. Gegenüber solch grossem Unglück erwies sich die durch
Wohltätigkeitskomitees im In- und Auslande gespendete Hilfe klein. Im ganzen
gelangten 32000 Dukaten, 31000 Gulden, 11400 Rubel und 1000 Franken an
die ärmsten Beschädigten zur Verteilung.
Aleksinac, früher das Verwaltungszentrum des gleichnamigen Kreises mit
vier Bezirken, bildet seit 1896 nur einen solchen des grossen Ni§er Kreises. Die
132 Über Deligrad, Soko-Banja auf den Rtanj iiiul nach Aleksinac.
Regierung suchte es seither durch einen prächtigen Bau für sein 1865 errichtetes
Unter-Gymnasium bei der wiederhergestellten Kirche, das, von 140 Schülern
besucht, dem Staate jährlich 20000 d kostet, und durch eine Artilleriegarnison
zu entschädigen, welche ich am 12. August 1897 bei ihrer netten Kaserne am
ehemaligen Marstallplatz mit 3 Batterien exerzieren sah. Auch die 1887 gegründete
Sparkasse, die zu Q'/o G^'d verleiht und 1905 nahezu 12 Mill. d in Umlauf
brachte, trug viel zur rascheren Erholung der Stadt von den schweren Kriegs-
drangsalen bei. Die Brandruinen sind verschwunden, und nun zählt sie wieder
in 1073 Häusern nahezu 5500 Bewohner, darunter 41 Deutsche, 26 Cincaren,
197 Zigeuner, von welchen 30 katholisch und 166 mohammedanisch sind. Die
1899 vom Professor des Lehrerseminars, Tih. R. Djordjevic, zu Aleksinac heraus-
gegebene ethnologische Zeitschrift „Karadzic" verspricht interessante Aufschlüsse
über das Volksleben im südöstlichen Serbien; ich wünsche diesem jüngsten
Reis unserer Wissenschaft bestes Gedeihen.')
Das handeis- und gewerbsfleissige Aleksinac übte bei meinem letzten
Besuche wieder guten Eindruck aus. Nur der von den Russen auf der südlichen
Vorhöhe der Rujevica, über der jetzt Militärzwecken dienenden ehemaligen
Quarantäne, errichtete schöne Obelisk erzählt von den 1876 durchlebten schlimmen
Tagen. Seine Inschrift zitiert den Bibelspruch: „Grössere Liebe erweiset kein
Mann, als wenn er das Leben opfert für seine Freunde!" — In denkbar
schlechtestem Andenken lebt Cernjajeffs Namen bei den Aleksinacern fort. Er
starb am 16. August 1898 auf seiner Besitzung in Russland. Es war dem einst
hochgefeierten Turkmenenbesieger nicht vergönnt, die Scharte von 1876
wettzumachen.
') Diese Zeitschrift erscheint nicht mehr.
VI.
Stadt und Festung Nis.
DIL' Stürme des Jahres 1848 berührten kaum den morschen Staatsbau
der europäischen Türkei; das Jahr 1860 brachte aber unerwartet den
lange schlummernden Zündstoff ihrer östlichen Provinzen in Bewegung. Fürst
Gortschakoffs Mai-Zirkular an die Mächte, zugunsten der Rajah, erschien auch
nicht geeignet, die Gemüter zu beschwichtigen, und im Juli kursierten zu
Aleksinac die übertriebensten Gerüchte über eine im angrenzenden Paschalik
ausgebrochene Revolution.
Längst hatte ich einen Rekognoszierungsausflug auf bulgarisches Gebiet
geplant, um die Gegensätze zwischen jungserbischem und alttürkischem Regiment
kennen zu lernen und so den richtigen Massstab für ihre Beurteilung zu gewinnen.
Nach allem, was ich horte, bot sich nicht leicht ein günstigerer Moment hierzu.
Rasch entschlossen, schlug ich von Aleksinac die alte Heerstrasse nach Nis ein.
So viele Völker sich auf dem Boden der illyrischen Halbinsel in zwei
Jahrtausenden folgten, blieben dort die von der Natur vorgezeichneten römischen
Strassenzüge bis heute die Hauptwege alles Verkehrs. Weder höherer Industrie-
aufschwung, noch veränderte Handelsrichtungen führten, wie im übrigen Europa,
zum Bau neuer Strassen, und so zieht der am 13. Februar 1884 von der Niser
Bevölkerung jubelnd begrüsste Belgrader Schienenstrang grösstenteils auf antiker
Trace durch das Moravatal, welches meine verewigten Freunde Boue, Hahn und
Zach auf Grundlage der namentlich von letzteren 1859 gemachten Studien für
seine Anlage empfohlen hatten.
Die zweistündige Fahrt von Aleksinac über die südwestlichen Ausläufer der
1276 m erreichenden Jeskovik Planina bot unausgesetzt prächtige landschaftliche
Blicke. Bei Katun kreuzte ich den gleichnamigen Bach. Wo er in der nord-
östlichen romantischen Engschlucht entspringt, liegt das 1399 „Christi Verklärung"
geweihte Kloster Sv. Stevan mit architektonisch wertlosem, aber hochverehrtem
Kuppelkirchlein. 12 Hektar Felder und Wiesen, 2 Hektar Wein- und Obstgärten,
55 Hektar Wald, 3 Mühlen usw. bringen dem Iguman und Duhovnik über 3000 d.
Ein an diesem „Lipovacki manastir" vorbeiziehender Hochpfad und ein westlicherer,
durch zwei Kastelle geschützter an der Crnobarska reka führen N. hinüber zum
l;)4 Stadt uiul l"ostuii,n Nis.
Kloster Sv. AraiHijul uiul weiter iiacli Soko-Banja. Der erstere wurde am
18. August 1876 von Ejub Pa§a benutzt, als er inlt seiner rechten Fiügeli<ulonne
von Knjazevac zur Entscheidung nach Aleksinac eilte.
Auf dem linken Moravaufer entfliesst dem Fusse des kleinen Jastrebac die
Quelle des „Kulinska banja". Nach einer Tradition hauste in der gleichnamigen,
auf römischen Kastellmauern erstandenen Burg der reiche, gewalttätige Türke
Aradin, den der vielbesungene serbische Volksheld Ljutica Bogdan tötete. Unfern
iiegt das „Oriziste", wo einst Reis (O'riz) gebaut worden sein soll, was glaubhaft,
da es bei Nis noch im 16. Jahrh. Reiskulturen gab. In gleicher Richtung sieht
man zahlreiche Erdhügel (gomile). Die Anwohner glauben, die Türken hätten
sie in alter Zeit zu Verteidigungszwecken aufgeworfen; wahrscheinlicher sind
es aber Tumuli, die, weil unrationell geöffnet, keine Leichenfunde ergaben und
deshalb auch nicht als prähistorische Grabstätten erkannt wurden.')
Die Katunska reka bildete bis 1878 die serbisch-türkische Grenze. Das
grosse Tor des serbischen Palisadenzauns öffnete sich, und das wenige Schritte
ferne türkische knarrte nach kurzem Parlamentieren in seinen verrosteten Angeln.
Zapties forderten und trugen unsere Papiere in das türkische Beklemeh (Wacht-
haus). Manchmal fand sich in den türkischen, durch das ganze Land zerstreuten
Blockhäusern ein schreibkundiger „Effendi"; gewöhnlich malten die Beamten aber
das Visum mechanisch hin. Mein Reisegepäck blieb von jeder Durchsuchung
verschont. Peki! (Gut!) So rief der Mautner einem zu diensteifrigen Zollwächter zu,
während er beruhigt mein Bakschisch in die weite Tasche seiner mit verblichenen
Goldschnüren besetzten Jacke gleiten Hess. Rasch ging es nun vorwärts auf der
antiken Viminacium-Thessaloniker Heerstrasse. Diese führte von Praesidium
Ponipei (S. 108) nach dem in der Tab. Peut. 11 Millien von ihm entfernten
„Granirianis" -), eine Station, welche im Itin. Hieros. mit 12 Millien „Rappiana" und
vom G. Rav. (W 7) „Crambianis" genannt, wahrscheinlich bei der bald erreichten
türkischen Grenzkaraula Drazevac stand, keinesfalls aber, wie Jirecek annahm,
bei dem weit entfernten, 1413 genannten altserbischen Schlosse Lipovac, das
an dem vorerwähnten unfahrbaren Gebirgswege lag. Auch an der Toponica, die
wir bald darauf querten, führte ein Weg in das jenseitige Svrijiski -Timoktal.
Bei Kravlje sperrte ihn ein Kastell, bei Miljkovac noch im Mittelalter ein
Werk, dessen erhaltener Turm „Zeleznik" (Eisenpforte) heisst. Bei dem nahen
alten Sv. Nikolakirchlein fand man altserbische Münzen und 1835 wurde
während eines Rajahaufstandes hier gekämpft.
Jenseits der Morava bedeckt die höheren Glimmerschieferpartien des Veliki
Jastrebac dichter Eichen- und Buchenwald; den angeschwemmten fetten Ton an
seinem Fusse aber durch Ziegenherden niedergeführtes verwildertes Eichengestrüpp.
') Bezügliche Nachweise in meinem „Donau-Bulgarien und der Balkan", Sachregister,
II Auflage, III, S. 376; auch in Verh. d. Berl. Anthrop. Ges., 1883. S 299.
'-■) W. Tomaschek glaubt, der richtige Name war „Grampiana" (Österr. Gymnas.-
Zeitschr. 1867, S. 711); Kiepert hält jenen der Tab. Peut. für den richtigen. Auf der meine
„Rom. Studien in Serbien" begleitenden Karte erscheint er durch ein Versehen bei Aleksinac
angesetzt, was gleich seiner dortigen Schreibart hier berichtigt wird.
Stadt iiMil Kcstiing Nis.
];5ö
Bei dein fol^'eiideii Am am Ciftlik betrat ich die grosse Niser Ebene, weiciie
ihre westliche Fortsetzung in der lini<suferigen Moravaterrasse findet. Die
weitgedehnte Fläche bildet nahezu ein Dreieck, dessen Spitzen gegen 0. das
Nisava-Defilee, NW. die Toponicamündung und der Moravapass bei Kurvingrad
markieren. Ihre Entstehung wird auf einen sie bedeckenden See zurückgefülirt,
der durch das heutige Stalacer Morava-Defilee seinen Abfluss fand. Von der
Römerzeit bis zur Gegenwart führt die Hauptverkehrsader des europaischen
Westens mit dem Orient durch dieses Becken, und nur bis zur Vollendung des
Konstantinopeler Schienenstranges lief die mit Dampfern befahrene Donau dem
alten Belgrader Landwege durch einige Jahrzehnte den Rang ab.
Bei dem türkischen Urenzanite Katiin im Jalire ISfiO.
Auf dem mächtigen Strome geschah alles, um den modernen Verkehrs-
forderungen zu genügen. Namentlich bewährten die nach amerikanischer Art
gebauten Eilschiffe der k. k. Dainpfschiffahrts-Gesellschaft als schwimmende
Hotels ersten Ranges grosse Anziehungskraft, während es auf dem teueren
Landvs'eg am einfachsten Komfort fehlte. Reisende, welche, getrieben durch
Forschungsdrang oder wichtige winterliche Geschäfte, ihn doch benutzten, mussten
selbst Wagen und Pferde kaufen, Kutscher und sprachenkundige Diener mieten
oder reiten, sich aber jedenfalls eines bewaffneten Geleites versichern. Dabei
wurde der Fremde stets das Opfer der Kiradzis (Pferdeverleiher), Sürüdzis
(Postillone), Mehandzijas (Wirte), die insgesamt und letztere ganz besonders seine
Tasche unter verschiedensten Titeln zu leeren suchten.
Für den inneren Verkehr der türkischen Provinzen blieb trotz alledem der alte
römische Heerweg eine wichtige Verkehrsader. Einheimische Kaufleute zu Pferd
VM) Stadt und Festung Nis.
und zu Wagen, Lasttierkarawanen und Büft'clkarren, beladen mit Export- und Import-
waren, bulgarische „dundjer", welche in Serbien Arbeit suchten, dann die originelle
Staffage der reitenden Brief- und Feldpost belebten dieselbe. Hinter Toponica
begegneten wir dem Postzug. Er bestand aus einem Tataren in türkischer Tracht,
zwei Pferden mit dem Brieffelleisen und einigen Zapties zur Bedeckung, die in
unsicheren Defileen noch Karaulsoldaten verstärkten. Die Kavalkade bewegte
sich bergauf und ab in gleich raschem Trabe, allen voraus ein Siirüdzi, der
durch laute Warnungsrufe in den Hohlwegen die langsamen Lastkarawanen zum
Ausweichen aufforderte, um Zusammenstösse zu verhindern. Auch Reisende
konnten diese Post benutzen, wenn sie gleichen Schritt halten und auf den einzelnen
Stationen, wie es noch heute in Persien geschieht, die Pferde wechseln wollten.
Bei Vrtiste, mit altem St. Peterkirchlein, näherten wir uns der Nisava,
welche bei dem südlicheren Trupale in sandig seichtem, jederzeit durchfurtbarem
Bette, 30 m breit, in die Morava mündet. Das von ihr träge durchflossene frucht-
bare „Nisko polje" erschien zur Türkenzeit auffallend spärlich unter Kultur gesetzt.
Auf der westlichen Terrasse waren sogar weite Strecken mit dichten Paliurushecken
bedeckt, weil die Rajah sich möglichst weit von den türkischen Städten hielt, um
nicht zu noch schlimmeren Fronen gezwungen zu werden und durch ihren Besitz
nicht die Habsucht der moslimischen Machthaber zu reizen. Nis' Umgebung glich
bald nach der türkischen Eroberung einem öden, riesigen Friedhofe. Der zweimalige
Durchzug des Vladislavschen Heeres vernichtete, was später zu ihrer Kultivierung
geschehen war, beispielsweise bevölkerte Hamsa Beg 1578 zwei verlassene Dörfer
mit Ungarn aus der Gegend bei Raab. Ich selbst traf 1860 an der 21 km langen
Wegstrecke von der alten türkischen Qrenze bis Nis nur mehr ein Dorf und
einen Man. Es war eine recht traurige Fahrt. Der von einem Gewitterregen
stark aufgeweichte schwarze Humus legte sich in die Radspeichen und erschwerte
das Vorwärtskommen durch die sumpfige Niederung, welche für Nis und sein
Weichbild einen stehenden Fieberherd bildet.
Zwischen zwei vorgeschobenen Werken passierten wir glücklich den Schmutz
der Beogradska mahala, gleich darauf rollte unser Wagen über die Nisavabrücke, und
unsere Rippen erprobten sich auf dem elenden Pflaster der „pokrivena carsija", der
langen, mit Brettern gedeckten finsteren Basarstrasse. Endlose schieflinige Gassen
verlängerten die Qual bis zum anschliessenden christlichen Stadtteil. Dort nannte
mich mein Banjaer Reisegefährte Diniitrije Adam im Hause seines reichen, aber
geizigen Onkels Cohadzi willkommen. Nach Abgabe einiger Empfehlungen eilte ich
mit meinem jungen Gastfreunde auf die südlichen Höhen, um einen orientierenden
Blick auf die Stadt zu gewinnen, die mich seit Jahren lebhaft interessiert hatte.
Im folgenden versuche ich ein möglichst geschlossenes Bild ihrer Vergangenheit zu
geben, dem sich das bei späteren Besuchen gewonnene seiner Entwickelung bis zur
Gegenwart anschliesst. ^ ^
*
Über die Entstehung von Nis läuft die Sage, eine Prinzessin Nisa habe sie
aus Steinen der nahen Hunihöhe erbaut, während ihre Schwester Vida das feste
Vidin gründete. Die Grenze zwischen beiden Gebieten lag auf der Nisava-Timok.
Stadt und Festung Nis.
137
Es ist ein bemerkenswerter Zug der südslavischen Tradition, dass sie die
meisten alten Burgen von Fiirstentöclitern gründen lässt. Erwiesen ist die
Besiedelung Nis' und seiner Unigelnnig sciion in prähistorisdier Zeit. Ein
Pioniersoldat fand im Jahre 1878 oberhalb der Pestungsbrücke ein 153 mm langes
Hammerbeil mit rundem Stielloche von 133 mm Durchmesser aus Basalt, der
beim nahen Ostrovica im Nisava-Steildefilee auftritt. Die mit Kalksinter stark
inkrustierten Flächen zeigen keine Spur von Polierung, obschon das Material sich
vorzüglich für diese eignet. Ein anderes, gleichfalls im k. serbischen Bergbureau
aufbewahrtes, 155 mm langes, weniger vollendetes Steinbeil ward bei alten
Gräbern nahe bei Nis und eine Feuersteinsäge bei Vrezina gefunden.
Christliche Corbadzi und Bauern aus der Uninebung von Nis im Jalirc 18(30.
Das römische Naissus, byzantinische Nysos, slavische Nis, deutsche Nissa
erhielt diese Namen von der es durchfliessenden Nisava, welche die keltischen
Urbewohner „Navissos" nannten. Während seiner glänzendsten Epoche war
Naissus einer der wichtigsten Knotenpunkte des mösisch-thrazisch-dardanischen
Strassennetzes, weil dort die von Lissus (Alessio a. d. Adria), Thcssalonica
(Salonik), Constantinopolis, Ratiaria (Arcer a. d. Donau) und Singidunum (Belgrad)
ausgehenden Wege mündeten. Die vortreffliche geographische Lage gestaltete
Naissus auch zu einem strategisch bedeutungsvollen Platze. Wie das heutige
Paris war es mit einem Fortgürtel ummauert, von dessen dicht aneinander
gereihten Kastellen ich 18 feststellte. Dementsprechend wird Niä vom 2. Jahrb.
in allen Heerzügen am Balkan hervorragend genannt. Dort besiegte Claudius II.
die Goten und rettete Rom vor grosser Gefahr. Konstantin der Grosse schmückte
1-58 Stadt und Festung Nis.
Naissus, in dem er 274 n. Chr. geboren wurde, mit praciitvollen Bauten. In
Naissus empfing Julius Apostata (361) die Nachricht vom Tode seines Gegners
Constantius. Obschon es aber für uneinnehmbar galt, eroberten es die Hunnen
mit riesigen Sturmmaschinen, während sie durch unausgesetzten Pfeilhagel die
tapferen Verteidiger von den Wällen scheuchten. Die folgende Zerstörung war
eine so gründliche, dass der 448 mit einer Gesandtschaft an Attilas Hof ziehende
Historiker Priscus dort nur Ruinen sah. Um 480 wurde die notdürftig erstandene
Stadt neuerdings eine Beute der Völkerstürme; Kaiser Justinian stellte sie wohl
wieder her, bald folgten aber die Avarenzüge und 540 der grosses Unheil über
diese Gebiete bringende Ansturm der gegen Byzanz vordringenden Slaven, von
welchen viele sich an der Nisava festsetzten.
Unausgesetzt wogte fortan der Streit der Byzantiner um die Herrschaft auf
der illyrischen Halbinsel. Um 987 gelangte der Bulgarenzar Simeon, nachdem
er die Griechen bei Mesembria geschlagen, in den Besitz von Nis. Im ll.Jahrh.
kolonisierte aber das hartnäckig gegen Norden vorstrebende Byzanz zur Verstärkung
seiner dortigen Macht viele Petschenegen bei Nis, Sofia u. a. 0. 1072 drangen
die Ungarn bis Nis vor. Manuel 11. Hess die Stadt durch seinen Feldherrn Konst.
Aug. Philadelphus stark befestigen; trotzdem eroberte sie unter seinem Nachfolger
Andronikos der Ungarkönig Bela III. Kurz darauf wieder griechisch, fiel sie
1185 in serbische Hände. Doch 1196 besiegte dort Kaiser Isaak Angelus seinen
Rivalen Stevan Nemanja. Ein Jahr später, nach der Schlacht von Arkadiapolis,
ward Nis bulgarisch, und von da ab bildete es den fortwährenden Zankapfel
zwischen Bulgaren und Serben, welche es von 1241 für längere Zeit behielten.
Wiederholt sah Nis die lateinischen Heere in seinen Mauern. 1096 zogen
die ersten Kreuzfahrer unter Ritter Walter durch seine Tore. Der nachfolgende
Peter von Amiens verlor dort einen Teil seines mit den Stadtbürgern in Streit
geratenen Heeres. Auch der von dem grossen Serbenfürsten Stevan Nemanja
in Nis feierlich begrüsste Kaiser Friedrich 1. (1189), ferner Robert de Courtenay
(1220) und Kaiser Balduin II. (1240) verweilten länger zu Nis. So freundlich
aber auch die katholischen Streiter von dem orientalischen Klerus empfangen
wurden, blieb dieser doch ohne Schwanken der Orthodo.xie treu. Nis war von
attersher der Sitz einer ausgedehnten Eparchie, die zu Beginn des 13. Jahrh.
die Landschaften Nisava, Mokro, Komplos, Toplica und Svrljig einschloss.
Unter dem Ipeker Patriarchate dehnte sich die Grenze des Sprengeis noch weiter
in das Moravagebiet bis Leskovac und Paracin aus. Wilhelm von Tyrus schilderte
am Ausgange des 12. Jahrh. das mittelalterliche Nis mit Türmen und Mauern
auf dem rechten Ufer der Nisava; ebenso de la Broquiere (1433), der auch eine
steinerne Brücke vor dem Kastell erwähnt. Zur Zeit der ersten Überflutung des
südöstlichen Europa durch die Türken entschied Nis' 1385, nach anderen 1386
erfolgte Eroberung durch Sultan Murad das Los des Serbenstaates. Nach
25tägiger Belagerung fiel es durch den heftigen Angriff Jaksi Begs, Sohn des
Timurtas. Knez Lazar erhielt den Frieden gegen den Tribut jährlicher 1000 Pfund
Silber und eine zu stellende Hilfstruppe von 1000 Reitern. Sisman, der
Bulgarenkönig, musste überdies dem Sieger seine Tochter zum Opfer bringen. Die
Stadt iiiul l'cstiiiiL' Nis.
i;;!t
Katastrophe auf i.ieiii Kosovo polje (1389) besiegelte den Untergang des unglück-
lichen Serhcnfiirstun und seines Reiches. Bei Nis stiess sein Sohn Stevan mit
einem Kontingent zum Heere Murads, das dessen den Thron erstrebenden Bruder
Musa bekämpfte (1413). Ni§' grosser Strassenzug verödete bald darauf nahezu
gänzlich für längere Zeit, weil der Verkehr von Sofia nach Belgrad bis in das
14. Jahrh. mit Vorliebe die Route am linken Moravaufer über Mramor und Krusevac
benutzte. Nis' Besetzung durch Hunyady nach am 3. November 1443 gewonnener
Schlacht, in der 21)00 Türken fielen und 4000 gefangen wurden, war nur eine
vorübergehende, es wurde damals den Serben belassen und von Brankovic dem
Wojwoden Djordje Mrnjavcevic, Spross eines alten Geschleciits, als Lehen
überlassen.') Nach Hunyadys Niederlagen bei Varna (1444) und auf dem Kosovo
polje (1448) sah die Feste durch 245 Jahre keinen christlichen Feind.
Nis' Wälle wurden, da lange Zeit keine Gefahr von aussen drohte, von
den Türken stark vernachlässigt. Der aufmerksam beobachtende Hans Deruschwam
Prähistorische Werkzeuge aus Nis.
fand 1553 keine vor. In seinem Tagebuche bemerkt er am 7. August: „Nissa
scheint vor Zeiten eine schöne grosse statt gewesen, hat keine niaur mehr, hat
nahende hoche kale schneeige berge, darunder einer der höchst Kunawit genannt
(Suva Planina im Kunovica-Defilee). Am end der statt fleusst das wasser Nestus
so die Inwohner Nischt nennen — ungcferlich als gross wie die gran (die
ungarische Gran), scheint tief sein, hat ein hulzene prucken darüber zimblich breit
und gut. — Es sind zu Nissa drei türkisch kirchen oder Metzith (Moschee) mit
zwei thurnen. Aida hat man an einer Karvasalia (Karawanserei) gebaut von
steinen, so man überall von alten gebeuen herzu gefurt — darin etliche Romische
Antiquitates, die zerbrochen, dass wir sie nit lesen haben kunten, sind verniaurt
wordn; haben wir hernach geschrieben stein an der erden liegend gefunden, die
man zu demselbigcn haus hat brauchen wollen." Auch Verantius und andere
Reisende des 16. Jahrh. fanden Nis' Kastell verfallen, die Brücke aus Holz, seine
1500 elenden Häuser grossenteils von Türken bewohnt, welche nur 5 Moscheen
besassen, während die wenigen Serben, Bulgaren und ragusäischen Kauflcute eine
hölzerne Kirche hatten. Erst im 17. Jahrh. erhielt es seine Zitadelle und Steinbrückc-
') Mijatovic, Djuradj Brankovic, I. Bd., S. 386.
140 Stadt und FestunR Nis.
Unter Nis' Mauern sammelte im Jahre 16cS9 der türkische Grossvezier, nach-
dem er Belgrad verloren und bei dem serbischen Batocina am 30. Aug. geschlagen
worden, sein zersprengtes Heer. Durch Verstärkungen hatte er es auf 40000 Mann
gebracht und mit einem neuen trefflichen Artilleriepark versehen. Das siegreiche
kaiserliche Hauptquartier folgte ihm auf der geschilderten Römerstrasse über
Jagodina, Ciiprija, Paracin und Aleksinac langsam auf dem Fusse nach. Am
23. September erschien der Markgraf von Baden mit 17 000 Mann vor Nis. Er
fand die feindliche Armee in günstiger Position am Vinik aufgestellt. Ohne Säumnis
liess der kaiserliche Feldherr sie umgehen und im ungedeckten Rücken angreifen.
Sein linker Flügel wich wohl einen Augenblick vor dem heftigen Angriffe der
Spahis zurück, die rasch heraneilenden Kürassiere stellten jedoch das Treffen
her, und die deutsche Infanterie stürmte todesmutig die Anhöhe, während Guido
Starhemberg mit seinem Fussvolke die türkischen Reiter blutig zurückwies. Durch
diese glücklich kombinierten Angriffe in Verwirrung gebracht, von dem Seraskier
aber immer von neuem mit Kartätschenfeuer vorwärts getrieben, durchbrachen
die erbitterten Spahis die eigenen nachrückenden Linien. Das christliche Heer
benutzte dies, unter dem Schutze seiner Artillerie drang es mit geschlossenen
Reihen in die entstandene Lücke ein und warf den Feind in die hochangeschwollene
Nisava, die alles, was sich vor dem Gemetzel der siegreichen Verfolger retten
wollte, verschlang. 10000 Türken bedeckten die Walstatt. Das ganze türkische
Lager mit vielen Vorräten, 30 schwere Geschütze und 3000 Pferde \yurden
erbeutet. Nis selbst war der Preis des vollständigen Sieges, mit dem zugleich
das ganze Donaugebiet bis Nikopoli in die Hand des Kaisers fiel.')
Zu Ende des rühm- und erfolgreichen Kriegsjahres trafen jedoch das
kaiserliche Heer schwere Unfälle, die im folgenden den Verlust sämtlicher
Eroberungen herbeiführten. Im Feldzuge 1690, welchen die Türken mit einem
starken, wohlausgerüstcten Heere eröffneten, wurde Nis' Verteidigung vom Ober-
feldherrn Veterani dem an Graf Pälffys Stelle getretenen tapferen Starhemberg
anvertraut. Seine Aufgabe war schwierig; er sollte mit kaum 3000 Mann den
Platz gegen 60000 Türken halten. Auf die feindliche Aufforderung zur Übergabe
am 16. August antwortete Starhemberg, „dass er nicht türkisch verstehe, sich also
in keine Verhandlung einlassen könne". In der mit ungewohnter Sachkenntnis
eröffneten Belagerungsarbeit machte sich bald die Hilfe des allerchristlichsten
Königs von Frankreich fühlbar, der aus Eifersucht gegen Osterreich der Pforte
sich zuneigte. Am 18. August unternahmen die Belagerten einen Ausfall. Ein
Schreiben des Markgrafen vom 27. August aus dem Hauptquartiere zu Jagodina
brachte die wenig tröstliche Nachricht, dass er seine Streitkräfte zum Schutze
Ungarns und Siebenbürgens konzentrieren müsse, deshalb keinen Ersatz verspreche
und es Starhemberg anheimstelle, Nis ohne äusserste Gefährdung der Garnison
solange als möglich zu verteidigen. Die gefährliche Lage der kaiserlichen
Heere an der Donau und in Siebenbürgen war den Belagerten schon früher kein
') In „Guido v. Starhemberg" behandelt dessen verdienstvoller Biograph v Arneth
im 2. bis 8. Kapitel ausführlich diesen Feldzug nach zeitgeschichtlichen Quellen.
Stadt und Festung Niä. 141
Geheimnis, denn am 27. August hatten die Türken durch drei Salven und die
Aufpfianzung von 24 bei Tohanj eroberten österreichischen Fahnen vor den
Festungswällen ihren Sieg über Heiszier und dessen Gefangennahme gefeiert.
Demungeachtet hielt Starhemberg die Zitadelle. Erst am 7. September übergab
er sie, nachdem ein-Hauptboilwerk unterminiert worden und es unmöglich war,
die Besatzung länger über ihre schlimme Lage zu täuschen.
Der abgeschlossenen Kapitulation zufolge sollte die Garnison mit klingendem
Spiele, fliegenden Fahnen, Waffen und Gepäck ausziehen und nach dem nächsten
von Kaiserlichen besetzten Orte gebracht werden. Der diese Stipulationen und
die Kriegerehre des unglücklichen Gegners missachtende Feind beraubte jedoch
die Abziehenden ihrer Waffen und vergriff sich sogar an Starhemberg, dem
seine Pistolen aus dem Gürtel gerissen wurden. Mit Knitteln suchten sich die
unglücklichen Soldaten gegen das tatarisch-türkische Raubgesindel auf dem
Marsche zu wehren. Am 22. September erreichte Starhemberg endlich mit dem
Bedauern erregenden Reste der heldenmütigen Verteidiger von Niä Belgrads
schützende Mauern. In einem gleichzeitigen Schreiben des Markgrafen an den
Kaiser vom 28. Oktober') wird Nis eine „geringe, von Erden aufgeworfene, schlecht
verwahrte und übel angelegte unproportionierte Feldschanz" genannt und seine
Übergabe mit dessen geringer Verteidigungsfähigkeit entschuldigt.
Belgrads glorreiche Eroberung durch Prinz Eugen hätte beim Abschlüsse
des Karlowitzer Friedens (1699) NiS abermals leicht an Osterreich bringen können.
Eugen widerriet aber, Nis und Vidin von dem gedemütigten Sultan zu fordern,
da ihre Erhaltung „wegen der allzu grossen Entfernung" unverhältnismässig
viel kosten würde. In Österreichs erneutem Feldzuge gegen die Türkei im Jahre
1737 bildete der rasche Fall von Nis die erste grosse Waffentat. =) Mit besonderer
Schonung zog die kaiserliche Armee entlang der Morava durch Serbien. Sie
hielt nach der dienstlichen Relation „zur Gewinnung des Landmannes solche
gute Ordnung, dass die Einwohner auf alle Weis' bei ihrem Hab, Gut, Vermögen,
Früchten konserviert worden"').
Mit 6 Kavallerie -Regimentern, 500 Husaren und 2000 Grenadieren bezog
Graf Philippi vor Nis ein Lager, in dem am 24. Juli Marschall Seckendorff
eintraf. Die Aufforderung, die Zitadelle zu räumen, beantwortete der türkische
Kommandant mit einem Bittgesuch um eine Frist von zwanzig Tagen, um über
seine Lage dem Grossherrn berichten zu können. Philippi gewährte nur
24 Stunden Bedenkzeit und drohte mit unbarmherziger Behandlung, falls die
Übergabe verzögert würde. Der Termin verstrich, und die Kaiserlichen begannen
ihrer Drohung durch eine Kanonade gegen die Wälle Nachdruck zu geben. Es
war mehr eine Demonstration als regelrechte Beschiessung; denn durch den
Metropoliten, Djordje Popovic, welcher die österreichfreundliche Bewegung der
Rajah seines Sprengeis leitete (III. Bd., Kap. Ili), hatte man Kenntnis erhalten,
dass etwa 2 — 3000 Mann der Besatzung, gleich der Einwohnerschaft, geneigt
') Rödcr 11, Urkunden, S. 323.
') Schmettau, Memoires secrets.
') Versuch einer Lebensbeschreibung des FM. Grafen v. Seckendorff.
142 Stadt und Festung Niä.
wären, die Zitadelle zu übergeben und nur 600 der gefürchteten Jenisseri dies
verweigerten. Am 27. Juli war das ganze kaiserliche Heer auf der Route über
Cuprija, Supeljak'), Razanj, Aleksinac vor Nis angelangt. Die Verhandlungen
wegen der Übergabe nahmen nun sofort eine bessere Wendung. Schon am
folgenden Tage überbrachten sieben türkische Offiziere die Schlüssel zur
Festung und den Magazinen an Seckendorff und den Herzog von Lothringen.
600 Grenadiere unter General Thüngen besetzten die Tore, und am 3. August
wurde auch die Stadt geräumt. 2000 Wagen und 200 Trainpferde brachten die
20000 Seelen starke moslimische Einwohnerschaft mit ihrer Habe unter starker
Eskorte nach Sofia; 135 Kanonen und 50 Mörser wurden erbeutet. Im Lager
wurde ein feierliches Tedeum gesungen; der Herzog von Lothringen gab der
Generalität und dem Stabe ein Festdiner, die Truppen paradierten und gaben
zum Schlüsse drei Salven ab. In Wien wurde die unblutige Einnahme von Nis
mit grossem Pomp gefeiert und Kaiser Karl befahl, eine der Moscheen zum
Preise Gottes in eine Kirche umzuwandeln.
Entsprechend der von dem k. Grossbotschafter Grafen Virmond in einem
konfidentiellen Berichte an den Kaiser „über seine auf der Reise nach
Konstantinopel im Jahre 1719 gemachten militärischen Observaciones", welche
dahin lautete: „Die Eroberung der Stadt könnte nach der itzt daran befindlichen
Defension und nach Eröffnung der Trancheen mit völliger Form innerhalb 14 Tagen
vollzogen werden", fand man die Festungswerke in elendem Zustande. Graf
Schmettau beschrieb den damaligen Zustand der Zitadelle auf S. 31 seiner
geheimen Memoiren: „Les ouvrages et fortifications de Nissa sont faites de
magonnerie et a foss6 sec et minö. La riviere de Nissa qui passe sous les
murs de la ville est assez profonde pour n'etre point pass^e ä pied."
Seckendorff beschloss, Nis, das nun für längere Zeit zum Mittelpunkte
der österreichischen Operationen gegen Thrazien und Mazedonien wurde, in
besseren Verteidigungszustand zu setzen. Das Kommando der 5 Bataillone starken
Besatzung führte anfänglich General Leutrum und nach dessen Erkrankung General
Dochat. Am 9. August wurde das Lager wegen unter den Pferden ausgebrochener
grosser Sterblichkeit nach Mitrofsky(?) verlegt und am 8. September zog auch
Schmettau mit der Infanterie von Nis ab. Er nahm den Weg entlang der Morava,
übersetzte sie bei Djuniska reka und traf am 10. September in Krusevac ein, von
wo er wegen Wassermangeis nach Trstenik abrückte, wobei seine Vorhut bereits
auf von der bosnischen Grenze vordringende feindliche Schwärme stiess.
Die Türken hatten die Untätigkeit der kaiserlichen Heere zur Vollendung
ihrer Rüstungen benutzt und schritten im halben September zur Offensive. Pirot
ergab sich ihnen, wie die Schanze von Badajova bei Sofia, ohne Verteidigung,
ihre Besatzungen suchten sich nach Nis durchzuschlagen. Auch dort herrschte
grosse Entmutigung. Vergebens klagte Dochat dem zu Pozega ratlos den Sturm
heranziehen sehenden Oberfeldherrn über Mangel an Proviant, Munition usw.
So wenig wie die Kommandanten am Ibar, an der Save und Drina, vermochte
') Seit 1860 heisst dieser Ort Jovanovac.
Stadt und Festung Ni§. 14;!
Dochat die Rajah zu schützen, welche von den vordringenden Mosiinis, zur
Strafe für ihren Anschluss an die kaiserliche Fahne, mit schreci<lichen Greueln
heimgesucht wurde. Auch Alustapha-Pasa-Palanka iin Süden, Gurgusovac '),
das wichtige Tiniok-Defilee „Passo-Augusto" und Soko-Banja im Norden fielen in
die Hände der Türken.
Am 11. Oktober erschien Ali Pasa mit 20000 Mann vor Nis, dem letzten
kaiserlichen Stützpunkte, und forderte dessen Übergabe. Dochat verlangte eine
Frist von 15 Tagen, um Befehle von Seckendorff einzuholen. Als dies verweigert
wurde, gab der pflichtvergessene General den Türken Hoffnung, falls sie der
Formalität genügten und die Festung einschliessen würden. Am 15. Okt. erklärte
der Pascha, dass Dochats Verlangen erfüllt sei; es befänden sich 80000 Mann
vor den Wällen. Dochat versammelte nun der Form wegen einen Kriegsrat,
erklärte, dass wohl Proviant für 6 Wochen vorhanden, die Brunnen aber
schlecht und nahe dem Versiegen wären, dass die militärische Ehre wohl die
Verteidigung des Platzes erheische, die Erhaltung einer tapferen Garnison jedoch
nicht minder erspriesslich für des Kaisers Dienst sei. Er versicherte, dass man
auf Entsatz durch Khevenhüller oder den noch entfernteren Seckendorff nicht
rechnen könne, die Feste kaum einen ersten Sturm aushalte und, falls ihre
Verteidigung versucht würde, nichts übrig bleiben werde, als sich dem
schonungslosen Gegner auf Gnade und Ungnade zu ergeben. In solcher Weise
von ihrem Vorgesetzten beeinflusst, stimmten die Offiziere für Kapitulation.
Diese erfolgte am 18. Oktober in aller Form. Nach Art. I. wurde Ni§ den Türken
unter den gleichen Bedingungen übergeben, unter welchen sie es am 25. Juli
geräumt hatten. Der Vertrag bestimmte ausserdem, dass die Garnison bis
Belgrad eskortiert und den „Raizen" (Serben), sowie dem nach Nis geflüchteten
Erzbischcfe von „Petschka" (Pec) volle Sicherheit des Lebens und Eigentums
garantiert werde. Die Kapitulation wurde von den Türken in allen Punkten
gehalten; Nis fiel ohne einen gegen dasselbe abgefeuerten Kanonenschuss in
ihre Hände.
Die österreichische Kriegsgeschichte, so reich an ruhmvollen Blättern,
verzeichnet wenige Beispiele gleicher Pflichfvergessenheit wie diese. Sie wurde
furchtbar gestraft. Auf des Kaisers Befehl trat gleich nach Dochats Ankunft
zu Belgrad ein Kriegsgericht zusammen, dessen Spruch im Februar von Wien
sanktioniert zurückkehrte. Er lautete für Dochat: auf Vermögensverlust und
Enthauptung durch den Scharfrichter. Von öcn Mitgliedern seines Kriegsrates
wurde Oberst Humbrocht „infam", Oberstleutnant Riiiau und Major Buttler
aber „einfach" kassiert. Alle übrigen Offiziere wurden zu Festungsstrafen in
Eisen, einfachen Kerker, Verlust eines Dritteiis ihres Einkommens und Ersatz der
Gerichtskosten verurteilt.
Nach diesem Falle von Ni§ lastete das Türkenregiment doppelt schwer auf
der Rajah des Moravagebiets. Niemand trat für dieselbe ein. Sein Bischof
Djordje, der sich wie dessen Vorgänger janicije „vladika niski i belocrkvanski"
') Seit 1859 heisst diese Stadt Knjafevac.
144 Stadt und Festung Nis.
unterzeichnete, war schon 1737 nach Sirmien geflüchtet. Zum Drucke der
heimischen Spahis und Amanten kamen Krdzalien (Banden), welche plündernd
und mordend dem gegen den Sultan sich auflehnenden wahren Glaubensstreiter
Pazvan Oglu Pasa in Vidin aus allen Provinzen zu Hilfe zogen (1795 — 1804).
Da sie, weil ohne Kanonen, dem festen Nis nichts anhaben konnten, stürzten
sie mit um so grösserer Beutegier auf die nahen wehrlosen Christendörfer. Die
Rajah entfloh mit Rücklassung ihrer Habe in unzugängliche Bergschluchten; wo
dies nicht gelang, erging es ihr schlimm genug. So in Malca, dessen Einwohner
sich in ihre Kirche einschlössen. Die nach Gramada durchziehenden Krdzalien
durchsciilugen aber vom Dache aus die Wölbung, warfen Bienenkörbe und
brennende Heubündel hinab auf die dichtgedrängte Menge; die Flüchtenden
wurden getötet, und die Kirche fiel der Zerstörungswut zum Opfer.
Da entbrannte 1804 der serbische Freiheitskampf. Lange zog er sich hin,
ohne dass Karadjordje ihn in die benachbarten Paschaliks tragen konnte. Erst im
Jahre 1809 durften die allerorts siegreichen Aufständischen daran ernstlich
denken, auch Nis zu nehmen. Den Oberbefehl erhielt Miloje Petrovic, unter
ihm standen: Petar Dobrnjac, Haiduk Veijko, llija Barjaktarovic, Wojwoda Paulj,
Miloje Becar und der Resavaer Knez Stevan Sindjelic. Die von Svrljig
heranziehenden Serben errichteten NO. von der Festung zwischen Kamenica und
Matijevac 6 Schanzen. Leider herrschte in Zwietracht ausartende Eifersucht
unter den Anführern. Petar und Veijko verliessen ihre Stellungen und zogen
gegen Gurgusovac (Knjazevac). So konnten sich die mittlerweile verstärkten
Türken mit aller Macht auf Sindjelics schwache Abteilung in der Schanze auf
dem mit Wein bepflanzten Hügel Cegr werfen. Ohne die erbetene Unterstützung
gelassen, vermochte er nicht allein den ihn am 31. Mai mit grosser Übermacht
angreifenden Türken zu widerstehen. Die Gräben des Bollwerks füllten sich
mit den Leichen seiner Tapferen, und über diese weg drangen die Feinde in die
Schanze. Sindjelic sah, dass er sie nicht halten könne, wollte aber eines
serbischen Helden würdig enden und sprengte sich mit Freund und Feind in
die Luft. Allgemeine Verwirrung ergriff nun die Serben in den anderen
Belagerungswerken. Alles floh gegen Deligrad, verfolgt von den Siegern, die
gegen 4000 Mann töteten. Diese unerwartete Niederlage zwang Karadjordje,
sich von dem zernierten Novi Pazar zurückzuziehen. So brachte das Jahr 1809
nicht jene Erfolge, die sein glücklicher Beginn versprach!
Um der Rajah das Törichte ihrer auf Serbien gesetzten Hoffnungen
dauernd zu vergegenwärtigen, schrieb der Pascha für seine Niser Ortschaften eine
eigene Steuer aus, mit deren Ertrag aus den Schädeln von Sindjelics den Tod
der Knechtschaft vorziehenden Serben die berüchtigte schauerliche Siegestrophäe
„Cele Kula" (Schädelturm) südöstlich von Nis an der Konstantinopeler Strasse
erbaut wurde (S. 181).
Nicht ohne geheime Schadenfreude sahen die Griechen das Scheitern der
grossserbischen Pläne; hatte ja schon viel früher (1798) der Fanariote Grivas
den kühnen Gedanken der Befreiung der thrazisch-mazedonischen Länder und der
Gründung eines griechischen Staates bis zur Adria propagiert. Zu Belgrad büsste
Stadt und Festung Ni§. 145
er die gewagten Schritte zur Verwirkliciiung seiner Idee mit dem Tode. Diese
lebte jedocii fort, und als die Bukarester griecliisch-fanariotische Hetärie 1821 die
Parole zur allgemeinen Erhebung ausgab, regte es sich auch in der trägen, dem
griechischen Klerus ausgelieferten Bulgarenmasse, und namentlich in der durch
Karadjordjes Kämpfe, aufgestachelten Niger Nahija. Der sie befehligende Hussein
PaSa griff jedoch energisch ein, liess den Bischof Melentijc mit fünf Notabein
wegen Hochverrats bei der Niser Brücke an den Galgen knüpfen und löschte
damit den versuchten Aufstand im Entstehen aus.
Nach der 1833 erfolgten Aufrichtung der serbischen Grenze am Jastrebac
richteten die christlichen Bewohner des benachbarten Niser Kreises wiederholt
an Fürst Milos die Bitte um ihre Einverleibung in sein Land. Tief erschütternd
lauteten ihre Klagebriefe über die Unbilden, welche sie unter dem schwachsinnigen,
energielosen Mulasim Salih Pasa von ihren Grundherren zu erdulden hatten.
16 Ortschaften erhoben sich im Januar 1835. Der rasch erstickte Aufstand
erneuerte sich im März. Bei Miljkovac (S. 134) kam es zu hartem Kampfe.
Milo§ zeigte sich in seinen dem Abgesandten Avram Petronijevic mitgegebenen
Briefen als treuer Vasall des Sultans, der dessen eingesetzten Autoritäten durchaus
nicht nahetreten, sondern die Beschwichtigung der aufgeregten Rajah erleichtern
wolle. Er bekundete wie immer in derartigen Schriftstücken') grosse Schlauheit,
die es mit keinem der beiden Teile verderben wollte. Bevor Petronijevic noch Ni.g
erreichte, waren die insurgierten Bezirke pazifiziert, das heisst gegen 100 Rajahs,
darunter Knaben von 8 Jahren, waren getötet oder verwundet worden. In einem
höchst charakteristischen Schlussbriefe vom 30. Dezember 1835 weist Milo§ die
Pirodaner an ihren ebenso guten, wie gerechten Vali. Er macht sich erbötig,
ihnen mit Rat zu dienen, aber nur in Angelegenheiten, die nicht des Sultans
Macht widerstreben; am liebsten würde es ihm sein, sie mit dem neuen Ajan
zufrieden zu sehen!
Die Bitten um Befreiung mehrten sich wieder um 1840 unter Fürst Mihails
erster Regierung. Es waren dieselben Klagen: unerträglicher Steuerdruck, Miss-
handlung der Frauen und Mädchen, inigerechte Justiz usw. 1841 brach der
Aufstand aber nicht allein im Niser, sondern gleichzeitig auch im Leskovacer,
Piroter und Vranjaer Kreise aus. In den benachbarten serbischen Grenzkreisen
steigerte sich die Sympathie für denselben zu werktätiger Hilfe, und Fürst Mihail
sah sich zu einer abmahnenden Proklamation im Sinne der Politik seines Vaters
genötigt. Etwa 3000 Aufständische warfen sich in das Dorf Curlina. Mustafa PaSa
sammelte 9—10000 Mann, grossenteils beutelustige Albanesen, und schlug die
schlechtbewaffneten Insurgenten. Auf dem Logorberge bei Eminova Kutina stritten
lüüO Bewohner der nahen Täler gegen die Türken; die ihnen von der Selicevica
in den Rücken fallenden Amanten zwangen sie jedoch zur Aufgabe ihrer festen
Stellung. Als auch bei Leskovac das von Miloje und Gavra geführte Hauptkorps
der Insurgenten besiegt war, erschoss sich der letztere'-), und wer nicht fiel oder
') Mili(Jevid, Kraijevina Srbija, S. 37ff.
0 Neugebauer, Beschreibung der Moldaumer Walachei, 1854.
F. KANITZ. Serbien. II. 10
146 Stadt iiiul Festung Ni§.
Heiduck wurde, floh nach Serbien; darunter auch der Hauptführer Nil<ola Srndak
aus Gornji Dusnik. Das wohlhabende Toponica und viele andere Dörfer wurden
verbrannt. Der abgesandte Pfortenkornniissar Tefik Bey suchte dem Elend durch
den Aufbau der zerstörten Orte auf Staatskosten abzuhelfen; auch einen Teil
des geraubten Viehes mussten die Amanten zurückstellen. Doch nur wenige
Flüchtige suchten die alten Wohnsitze wieder auf; die grössere Zahl siedelte
sich im serbischen Timokgebiet an.
Der unerwartet glückliche Ausgang des Krimkriegs für die Pforte hatte die
Rajah des mächtigen Einflusses ihres nordischen Schützers beraubt. Die zu ihren
Gunsten in den Pariser Vertrag aufgenommenen Punkte blieben meist ein toter
Buchstabe. Die Bedrückungen blieben aber dieselben und schmerzten um so
empfindlicher, als sich nicht allein die türkischen Beamten, die Corbadzi und
Steuerpächter, sondern auch der meist aus Konstantinopel gesandte fanariotische
hohe Klerus an diesen beteiligte. Dem erwähnten ideal angelegten, im Jahre 1821
hingerichteten „mucenik" (Märtyrer) Melentije folgte auf dem Bischofsstuhle
Danilo, dessen Charakter die Tatsache genügend kennzeichnet, dass er persönlich
von Dorf zu Dorf zog, um die „dimnica" (Rauchfangsteuer) mit 100 Para von jedem
Hause durch seine türkischen Panduren unnachsichtlich einzutreiben, und, als er
des Geldes genug zusammengerafft, nach Oesterreich entfloh. — Ihm folgte der
zu Koznica im Trner Kaza geborene Grigorije, unter dem das Niser Bistum mit
den nördlichen Kreisen von Krusevac, Paracin, Banja und Aleksinac vergrössert
wurde. Als diese Gebiete 1833 an Serbien fielen, lud Fürst Milos den Bischof
ein, seinen Sitz dorthin zu verlegen; doch das angebotene fixe Jahresgehalt von
1000 Dukaten erschien Grigorije zu gering — er blieb in Nis, wo er seinen
materiellen Hang unkontrolliert und verbündet mit den türkischen Machthabern
besser befriedigen konnte. In seinen Aufzeichnungen') berichtete er: dass die
durch den Mönch Deda Viktor aus Konstantinopel eingeschleppte Pest auch Nis
1838 furchtbar verheerte, dass der Vladika gemeinsam mit dem Pascha den
Popen das Tragen geistlicher Kappen und den Mönchen die Anlegung des
„Tendzerlije" nach Art des hl. Spiridions befahl, dass alle das Anathema traf,
welche am Sonntag Waren feilboten, dass die Wochenmärkte auf die Montage
verlegt wurden, und dass 1841, anlässlich des Bauernaufstandes, um Nis alle
christlichen Orte verwüstet wurden. Grigorije starb 1842 und ward in der alten
Hauptkirche, westlich vom Altare, begraben. — Populärer war sein Nachfolger
Cir Benedikt 11. Er erwirkte, dass die Gebetstunden durch das Symantron
verkündet werden durften. Die Türken imd Arnauten sträubten sich aber gegen
diese ihr Machtgefühl verletzende Neuerung. Omer Pasa bestrebte sich, den
Streit beizulegen; ein Jahr darauf (1844) ward Benedikt vom Patriarchen abberufen
— weil er das Bulgarenvolk aufgewiegelt habe. Der auf seine Stelle entsandte
Nikifor starb 1848 plötzlich zu Philippopel auf der Reise nach Konstantinopel.
Ihm folgte Janikije, welcher, von dem der Rajah im Pariser Vertrage verliehenen
Rechte Gebrauch machend, 1856 den Grundstein zur neuen Kathedrale legte.
Milideviö, Kraljevina Srbija, S. 34 ff
Stadt und Festung Ni§. 147
Die über diese küiine Tat erbitterten Spahi vertrieben den Bischof, •■veil er die
Christen zu „Herren" maclien wolle! Und doch war es derselbe Janii<ije, welcher
den Bulgaren sagte: „Was sollen Euch bessere Schulen, sollen Euere Kinder
ungläubige Ketzer werden? Grosse Kirchen zur Ehre Gottes sind die besten
Schulen!" — Den Charakter und das Treiben desjanikije nachfolgenden Fanarioten
Kalinikos, dessen gründliche Verachtung alles Bulgarentums ich 1860 persönlich
kennen lernte, schilderte ich an anderem Orte. ') Der Zufall, dieser grosse Faktor
im Leben und auf Reisen, Hess mich wenige Tage vor Kalinikos' Einzug in Ni.s
dort eintreffen. Ich war, als ich es damals zum erstenmal besuchte, wohl nicht
in eine Revolution mit Barrikaden und Pulverdampf hineingeraten, doch in eine,
trotz ihres äusserlich weniger stürmischen Charakters, folgenschwere Bewegung.
Ich trat in den Beginn des merkwürdigen Kampfes der Bulgaren gegen das
Griechentum, welcher die geistige und politische Wiedergeburt eines Volkes
bedeutete, dessen Totenschein von dilettantisierenden Touristen und selbst von
zünftigen Politikern seit langer Zeit ausgestellt war. Auf Grundlage des Selbst-
gesehenen und verlässlicher Mitteilungen suchte ich die wichtigen Vorgänge
darzustellen, deren Zeuge zu sein mich eine glückliche Fügung bestimmt hatte.
Trotz mancher mir bewusster Lücken und Mängel glaube ich, dass nur wenige
es vermocht hätten, Ursachen, Gang und Verlauf dieser für die Entwickelung der
orientalischen Frage hochbedeutsamen Episode unbefangener zu schildern, ich
verweise auf die bezüglichen Kapitel des genannten Werkes. Der verhasste
Bischof Kalinikos wurde schliesslich von seinen erbitterten Diözesanen verjagt,
und an seine Stelle trat der zu Kalofer geborene Deda Viktor, ein länge zu Ni5
lebender, der national-kirchlichen Bewegung sympathisch gesinnter bulgarischer
Mönch vom Athosklosler Hilandar, als Verweser des Bistums.
Im Hinblick auf die auch von aussen genährte, stetig wachsende Missstimmung
der Bevölkerung des Niser Ejalets und die offenkundigen Vergrösserungsgelüste
des angrenzenden Serbien wuchs die strategische Bedeutung der Niser Feste in
den Augen der Pforte. Die starke Niser Position wehrte nicht allein den Serben
das Vordringen gegen Lcskovac und Vranja, sondern hielt zugleich mit den
kriegstüchtigen Albanesen dieser Gebiete die aufstandslustige Rajah im Schach.
Andererseits bildete Nis mit seinen starken Vorwerken ein befestigtes Lager, aus
dem die Türken, wie es oft im serbischen Unabhängigkeitskampf und in den
Kriegen mit Österreich geschah, zu jeder Zeit leicht hervorbrechen konnten.
Nichts vermochte sie auf ihrem Marsche längs der J^orava ernstlich aufzuhalten,
denn die Kreise Aleksinac und Knjazevac boten wenig günstige Defensivpunkte.
Diese Erwägungen mochten wahrscheinlich den russischen General Cernjajeff
geleitet haben, als er 1876 mit dem Gros des Serbenheeres Nis den Türken
entreissen wollte. Dazu war dieses aber viel zu schwach. Fürst Milans Feldherr
hatte den gegenüberstehenden Feind unterschätzt, seine Macht nach zu vielen
Seiten hin zersplittert und, wie wir sahen (S. 126), gelang es den Serben in jenem
Feldzuge nicht, über Mramor südlicher vorzudringen.
') Donau-Bulgarien und der Balkan. I. Auflage. 1. Bd. 1875.
10*
148
Stadt und Festiinn; Nis.
Besser standen die Aussichten im Winterfeldzuge 1877, als Fürst Milati, dem
von Russland gegebenen Anstosse folgend, am 14. Dezember der Türkei erneut
den Krieg erklärte. Nur wenige türkische Truppen hatten an der Drina und bei
Novi Pazar eine Defensivstellung bezogen. Das von Beli-Markovic geführte
ansehnliche Moravakorps wendete sich mit voller Wucht gegen das von
5000 Streitern und über 100 Geschützen, darunter 26 Kruppkanonen, verteidigte
Nis. Am 14. Dezember überschritt Oberst Lesjanin die Grenze bei Supovac
und nahm die NW. von Nis liegenden Orte Secanica und Toponica ohne
Widerstand; denn die Türken beschränkten sich von Beginn auf die Verteidigung
des äusseren Festungsgürtels, namentlich der südlichen Gorica und des 200 m
über der Fläche ansteigenden nördlichen Vinik. Am 15. Dezember bemächtigten
Verschanziini; hei Nis.
sich die Serben des vor dem letzteren liegenden Dorfes Kamenica und der
wichtigen Position Camurl ija; der türkische Versuch, sie am 17. Dezember
wieder zu erobern, blieb erfolglos.
Am 18. Dezember kam Fürst Milan zu Pferde von Aleksinac nach Mramor,
dessen Moravabrücke einige Erdwerke verteidigten. Am 21. Dezember fiel sie, und
nachdem der Fürst am 20. und 23. Dezeinber die Stellungen bei Camurlija unter
heftigem feindlichen Feuer eingehend besichtigt hatte, entsandte er noch am
23. Dezember den Oberst Lesjanin an Halil Pasa mit der Aufforderung zur Übergabe
der Festung. Nach erfolgter abschlägiger Antwort begann am 24. Dezember bei
12" R. ein erstes wirkungsloses Bombardement der türkischen vorgeschobenen
Positionen. Am 26. Dezember erschien Fürst Milan am Bubna und ordnete einige
Bewegungen an, durch welche die Serben an Terrain gewannen. Am 25. und
31. Dezember erfolgten missglückte türkische Ausfälle gegen die Positionen der
Belagerer bei Komren und Brzi Brod, am 1. Januar auch gegen Capljinac.
Stadt iiiul Festung Nis.
!4!l
Am 3. Januar wurde in den Weingärten
bei Cur! i na, am 6. Januar um die Brüci<e
bei Popovac, vom 4. bis 7. Januar um
den Vucji Del, die Ostra Cuka und
Siroi<a Päd Ina serbischerseits siegreich
gekämpft. Die auf den letzteren Höhen
rasch erbauten F^atterien griffen ungemein
wirksam in die Aktion ein. Auch auf
der südlich von Nis, etwa 150 m hoch
ansteigenden, die Stadt dominierenden
Gorica gewannen die Serben immer
mehr Boden, und am 7. Januar fiel ihr
Kronwerk, das Marko vo Kaie, derselbe
Pimkt, auf dem die Österreicher ihre
noch erkennbaren Angriffswerke gegen
Nis errichtet hatten. 32 Geschütze wurden
von den Serben in der ersten Januarwoche
hier und an versciiiedencn F^unkten bis
Curlina erbeutet. Nachdem auch die
türkischen Werke auf der Mala und
Vfilika Kamara von den tapferen Rud-
nikern und Pozarevacern erstürmt worden
und iiire Batterien von dort aus, vereint
mit den anderen Positionen, am 9. Januar
ein verheerendes Feuer auf die Zita-
delle richteten, war der Mut ihrer stark
geschmolzenen, nur Schritt für Schritt
zurückgewichenen Verteidiger um so mehr
gebrochen, als während derEinschliessung
ringsum alle türkischen Städte bis auf
Pristina und Philippopel, gleich dem
starken Sofia, gefallen waren imd daher
keine Aussicht auf Hilfe von aussen
sich bot.
Am folgenden Tage erschienen im
Hauptquartier zu Bajir, zwischen Nis
und Novo Selo, Mujurdar Mustafa Effendi
und überbrachte dem Oberst Lesjanin
die von dem Kommandanten Halil und
dem Mulasim Rasid Pasa unterschriebene
Kapitulation. Am 11. Januar besetzten
die Serben die Zitadelle, und die tapfere
Garnison zog nach Abgabe ihrer Waffen
über Pirot nach Radomir und über
m
MW14
150 Sudt und Festung Nis.
Vranja oder Kursumlija nach Pristina. 384 venvundete und kranke Soldaten
blieben in den Spitälern zurück. Erbeutet wurden an alten und neuen Waffen:
267 Geschütze, 13050 Gewehre, 780 Revolver und grosse Mengen von Munition.
Nis' Eroberung kostete den Serben an Toten: 6 Offiziere, 114 Soldaten; an
Verwundeten: 26 Offiziere und 765 Soldaten.
Am 15. Januar hielt Fürst Milan, jubelnd begrüsst von dem Klerus und dem
Volke, seinen feierlichen Einzug in die von den Serben solange erstrebte Feste. Der
Oberkommandant Beli-Markovic und die befehligenden Stabsoffiziere Lesjanin,
Bucovic, Ivanovic, Topalovic, Oreskovic, Vasiljevic und viele Tapfere erhielten
hohe Auszeichnungen; die Vinikschanzen : Komandir-, Zuav-, Anadol nizani- und
Mithad Pasa-Tabia die Namen: Knez Mihailo, Knez Milan, Knez naslednik
Aleksandar und Vojvoda Sindjelic. Den Manen des letzteren und der 1809
gefallenen Serben weihte Fürst Milan eine weitere Huldigung, indem er sofort
von Nis hinaus zur berüchtigten -Cele Kala' ritt und vor derselben betete.
Den Türken erschien Nis' Umgebung so herrlich wie „serma cumis' (reines
Silber). In Wahrheit ist die Lage der Stadt in 175 m Seehöhe, zwischen der
Gorica und Vinik, im östlichen Winkel der bereits auf Seite 135 geschilderten
grossen Dreiecksebene überraschend schön. Ostvvinde vom Balkan reinigen ihr
W'eichbild und die weite Nisavaebene von mephitischen Dünsten; von NW. über
den Jastrebac streichende Stürme gestalten aber den früh eintretenden Winter
rauh, Kälte und Schnee dauern lang und die Temperatur sinkt oft auf 20—26* C^
während sie im Juli 28 — 35'-' C. erreicht
Nis' administrative Bedeutung wechselte häufig und war selbst während
der letzten Dezennien, bis es nach kurzer Selbständigkeit 1895 das Zentrum des
grossen „Xiski okrug" wurde, eine sehr verschiedene. 1860 traf ich Nis als
Paschasitz des gleichnamigen, aus den Bezirken und Kreisen Nis, Prokuplje,
Kursumlija, Leskovac, Pirot und Berkovac gebildeten Ejalets. 1867 wurde dieses
dem grossen Tuna-Vilajet einverleibt und von Ruscuk regiert 1868 fiel das
Paschalik an das Ejalet Prizren, denn nicht das Bedürfnis, sondern der mehr
oder minder grosse Einfluss der Gouverneure entschied die Zahl der ihnen
zur Regierung oder richtiger zur Ausbeute unterordneten Distrikte. Für Nis war
jedoch die zeitweise Einverleibung in die letzteren, durch Mithad Pasa regierten
V'ilajets von wohltätigsten Folgen begleitet Vor 1867 war Nis eine alttürkische
Stadt gleich ihrer grösseren 2^hl, solange das Wetter trocken und orientalischer
Soimenschein das bunte Linien- und Farbengewirr ihrer tausend Bizarrerien mit
transparenten Lichtem überzieht, den Europäer ebenso bestrickend, wie bei
dauerndem Regen und im Winter zur Verzweiflung bringend. Auch Nis besass
zahllose, prächtige, grüne Scheidewände von Haus zu Haus bildende Gärten,
13 sein buntes Dachgewirr malerisch überragende Moscheen mit zierlichen
weissen Minarettsäulen und lustig plätschernden Brunnen, sowie auch den .Ärmsten
zugängliche Bäder. Zu den aber dem Fremden sofort sich fühlbar machenden
Obelständen zählten: der absolute A\angel anständiger Herbergen, von Mietwagen
Stndt iiiul Festung Nis.
151
und Strassenbeleuch-
tung, das entsetzlich
schlechte Pflaster, der
unsagbare Schmutz
ausserhalb derHäuser^
ihre schiefwinkeligen
Fronten, die vielen
unerwartet zur Um-
kehr zwingenden Sack-
gässchen usw. Etwas
mehr Ordnung und
leidlich gute Häuser
zeigte nur das christ-
liche Stadtviertel, in
dem sich im Jahre
1864 auch ein besserer Han etablierte.
Mit besserem Willen als Erfolg
griff Mithad Pa§a, der intelligenteste
der letzten Niser Gouverneure, in dieses
Chaos ererbter Übelstände ein. Einzelne
aus seiner Initiative von 1862—1865
hervorgegangene Bauten, wie die grosse
Kaserne beim heutigen Bahnhofe, die
Isla haue (Handwerkerschule), das Post-
amt, die Stadtschule, das Haps hane
(Gefängnis), die Hauptwache, dann der nette Stadtteil für die 1862 emigrierten
Belgrader Moslims, vermochten aber den ungünstigen Totaleindruck wenig abzu-
schwächen. Dankenswert erschien aber, schon der fortwährenden Feuersgefahr
wegen, die auf des Paschas Befehl etwas gewalttätig durchgeführte Verbreiterung
der Basarstrasse und die Beseitigung ihres an vielen Stellen dem Einstürze
drohenden Bretterdaches, das längst nicht mehr Schutz gegen Sonne und Wetter
gewährte. Auch einige festere Karaule bei den Durchlässen des die Stadt
umschliessenden Erdwalles entstanden gleichfalls unter Mithad. Von den vielen
Stadtvierteln waren die Stambol-, Sozina- und Leskovacka kapija, Arnaut pazar,
Carkadzin Ciftlik und Palilula die besten.
Die zur Türkenzeit in Nis wohnenden 8000 Moslims trieben nur wenig
Handel; sie lebten grösstenteils von dem Ertrage ihrer Landgüter und von
Gewerben, namentlich als Büchsenmacher, Messer- und Hufschmiede, Sattler,
Bäcker usw. Der regste Verkehr herrschte in der „Pokrivena carsija" vor den
nur durch einzelne Cafes, Garküchen, Barbierstuben und Brunnen unterbrochenen
Läden mit denkbar buntestem Wareninhalt. Diese endlos sich dehnende enge
Strasse führte zur vom nahen hässlichen Häusergerümpel vorteilhaft abstechenden
Nisavabrücke, die der Ofener Kommandant Mehemed Pasa mit 65 m langer
Holzbahn auf 3 freistehenden und 2 Landpfcilern im Jahre 1619 erbaute. Hart am
Einzug des Fürsten Milan in Nis im J;ilirc' 1878.
152 Stadt und Festung Nis.
rcclitsuferiffen Brückenköpfe bewachten breitschulterige Asiaten in der malerischen
Turkütracht das mit dieser übereinstimmende, maurisch anklingende und reich
verzierte „Stambol kapija". Seine türkische Inschrift verkündete: „Der Kaiser,
so mächtig wie Alexander, so berühmt wie Dareios, der erhabene Sultan Ahmed
Khan (III.) usw. erbaute dieses Tor im Jahre 1132 (1783)". Auch das westliche
Belgrader Tor erhält durch phantasiereich en relief skulptierte Tierbilder und
Ornamente malerischen Reiz, das nördliche Vinik- und östliche Vidiner Tor zeigen
schöne konstruktive Verhältnisse bei einfacher Dekorierung, ein fünftes, namenloses,
neben dem Stambol kapu zur Nisava führendes, blieb ganz ohne Zier.
Die Zitadelle war das einzige, dem Occidentalen imponierende Niser Bauwerk.
Aber auch dieses erhielt seine planbewusste Ausgestaltung erst während der
kurzen österreichischen Okkupation im Jahre 1737. Die etwas höher als die
jenseitige Stadt liegende Feste bildet ein Polygon, von dessen 7 Hauptfronten
1 Kronwerk und 5 Bastionen mit ungleichen Kurtinen vorspringen. Hohe, an
manchen Stellen aber nur geringen Bewegungsraum bietende Wälle, starke, durch
Schanzkörbe und Palisaden gesicherte Brustwehren, mit Quadersteinen verkleidete
Eskarpe- und Kontereskarpemauern, tiefe, leicht unter Wasser zu setzende Gräben
ohne Ravelins und ein bedeckter minierter Weg bildeten ihre Hauptwehr. Zu den
von General Dochat im Jahre 1737 angelegten Verstärkungen zählen das westliche
grosse Werk vor der Beogradska mahala, einige in gleicher Richtung erbaute
Reduits für je 3 Geschütze, ein kaum in den Linien erhaltenes Hornwerk (tetc
de pont) am rechtsuferigen Brückenkopfe und einige gemauerte Bastionen an der
stark vernachlässigt gefundenen schwach profilierten Stadtumwallung. ')
Der ausgedehnte Innenraum der Zitadelle war vollkommen überbaut. Um
seinen Mittelpunkt, den rotgetünchten, weitläufigen, mit dem Haremlik des
Gouverneurs verbundenen Verwaltungskonak für die Stadt und Provinz, gruppierten
sich etwas chaotisch, dafür aber um so malerischer und allerorts von Grün
durchwachsen, vier Moscheen mit Minaretts, einige Tulbas, der Uhrturm, eine
Schule, das Telegraphenamt, mehrere Kasernen, das Arsenal, ein Spital, die
Gefängnisse, Proviantbäckereien und eine in die Hunkiar- und Edirneh Mahala
geteilte, ausschliesslich moslimische Niederlassung mit meist unansehnlichen Häusern
für Offiziere, Beamte und Handwerker. Es waren zum grösseren Teile Holzbauten,
und nur wenige militärische Gebäude machten den Eindruck grösserer Wider-
standsfähigkeit.
Bei meinem zweiten Besuche Nis' (1864) bestieg ich in Begleitung eines
vom Muavin mir beigegebenen Causes den mit allerlei Tiergestalten geschmückten
Uhrturm. Sein Obergeschoss bildete ein das grosse Niser Becken vollkommen
übersehendes Observatorium. Als ich nach kurzer Orientierung mit der Peilung
der es umrahmenden Gebirge beginnen wollte, pfiff es wie eine Kugel an mir
vorbei; gleich darauf schlug ein Stein an die Rückwand, während von unten
lautes Schreien ertönte. Da das Bombardement und der Lärm stärker wurde,
ein Parlamentieren von der Höhe aber unmöglich, nnisste ich den Rückzug
') Relation im k. und k. Kriegsarchiv in Wien.
Stadt und Festung Niä.
158
antreten. Nach ihren Begriffen waren tue Leute im Rechte. Man i<ünnte näiiiHcii
vom Turme in die Höfe der türl\ischen«Hausciieii blicken, in weichen sich Frauen
und Kinder frei bewegten. Dieses Eindringen eines fremden Auges in ilir Heiligstes
wollten aber die eifersüchtigen Muslims nicht dulden.
MIthad Pasa und sein Sekretär Ciiician Effendi.
Der Muavin entschuldigte den Vorfall und bewies mir seinen guten Willen
durch die Einladung, in Gesellschaft eines Offiziers alle grösseren Bauten der
Feste zu besichtigen. Es brachte wenig Gewinn. Selbst das kurz zuvor vollendete
bescheidene Arsenal, dessen pomphafte Inschrift den regierenden Sultan Abdul
Medzid als seinen Erbauer pries, gewährte kein besonderes architektonisches
154 Stadt und Festung Nis.
Interesse. Bei dem naticn, von Hajdar Celiaja errichteten Brunnen sali ich eine
Tulba, welche die Gebeine einer durch Mire wunderbare Meki<afahrt berühmten
Niser Jungfrau umschioss, und eine zweite, in der „Deruni baba" ruhte, deren
Gebete von Allah stets erhört wurden. Als einst trotz aller Bitten der moslimischen,
christlichen und jüdischen Priester eine furchtbare Trockenheit zu Nis nicht enden
wollte, erwirkte Deruni den ersehnten Regen. Auch Kranke heilte sie mit ein-
fachsten Mitteln. Drei Tage vor ihrem Tode kündigte sie diesen dem Gouverneur
Mahmud Pasa Prizrenac an und befahl ihm, ihr eine Tckija und Tulba zu errichten.
Es geschah, und fortan zündete man in beiden an Freitagen und am Bairam viele
Kerzen an. Man sieht, dass auch die Moslims ganz merkwürdige Heilige besitzen.
Weder der freundliche Muavin, noch der misstrauische Abdur Rahman Pasa,
welchen ich im Jahre 1870 als Gouverneur in Nis traf, oder der 1876 dort
kommandierende Sevket Pasa, der die Verteidigungsfähigkeit der Zitadelle durch
vorgeschobene Redouten auf der Gorica und dem Vinik erhöhte und an die Stelle
der von den Kaiserlichen zurückgelassenen Rohre, darunter meisterhafte Kunstgüsse
mit Figuren, Wappen, Emblemen usw., und glatten türkischen Kanonen weittragende
gezogene und schwere Kruppgeschütze treten Hess, ahnten wie ich selbst, welch
gründliche Umwälzung aller Verhältnisse sich in kurzer Zeitspanne zu Nis voll-
ziehen sollte. Denn wohl kaum in einer anderen Stadt des jungen Königreichs
trat der Kampf zwischen Altem und Neuem in den ihm 1878 zuerkannten
Gebietsteilen so sprechend hervor, wie in Nis. Erst seit 15 Jahren herrschte dort
das christliche Regiment, und kaum mehr als ein Lustrum brauste die Lokomotive
von Wien über Belgrad dahin, und schon hatte sich die Physiognomie der
Stadt derartig geändert, dass ihr geschilderter orientalischer Zuschnitt vollständig
verschwunden war.
Es fiel mir schwer, das alte Nis zu erkennen, als ich nach 17 Jahren, am
20. Oktober 1887, zwischen zwei Aussenforts und einer Reihe neuer Bauten über
die eiserne Brücke in den Bahnhof fuhr. Staunte ich schon über dessen Stattlichkeit,
so war ich noch angenehiner überrascht, dass vor seinem Portale viele Fiaker
warteten, deren einer mich auf 22 m breiter, geradliniger Strasse, vorbei an dem
brunnengeschmückten Arnaut Pazar-square, durch beleuchtete Strassen nach dem
„Hotel Europe" brachte, in dem gleichfalls Gas brannte. Und noch gründlichere
Veränderungen fand ich am nächsten Tage. Das war eine Stadtregulierung nach
zarischem Muster im kategorischen imperativ. Ansehnliche Plätze und Strassen waren
allerorts auf der Stelle der weggeräumten Moscheen, Minaretts und schieflinigen
Gässchen entstanden. Überall sah ich europäische Wohnhäuser; doch keine
Zinsburgen, sondern meist durch Terrakotten verzierte freundliche Hochparterres,
mit Küchenanlagcn im Souterrain und kleinem Garten für den Eigentümer und
manchmal für noch eine Partei. Die von der Bahneröffnung riesige materielle
Erfolge erhoffende Unternehmungslust schuf auf den billig abgelösten türkischen
Gründen nur allzuviel Häuser, Hotels, Cafes, Magazine usw., die nun allmählich zu
Privatwohnungen, Amtern, Schulen usw. umgewandelt werden. Zur vielgepriesenen
Zeit des Bahnbaues, welche viele fremde Unternehmer, Gewerbsleute und
Spekulanten jeder Art nach Nis führte, verteuerten sich Mieten, Lebensmittel
Stadt imtl Festung Ni§. 155
und Löhne ganz unglaublich. Man zahlt jetzt für 3 Zimmer und Zubehör
durchschnittlich 500 d Jahresmiete. Läden, die man vor 1878 für 50 bis 80 d,
Häuschen von 40 bis 70 d mietete, kosteten 250 bis 800 d. Der Lohn für Diener
stieg auf das vierfache, der Tagelohn von 60 bis 80 c auf 1.50 bis 2 d. Der
Schweinepreis von 18 bis 22 d auf 45 bis liü d, ein Wagen Heu von 2 bis 3 d
auf 8 bis 10 d usw.
Gleich sehr überraschte mich die Metamorphose in der Ausstattung der
Wohnungen und Läden. Nur Nis' berühmte Silberfiligranschniiede, seine Schuster
und Schneider für den Bauernbedarf, einige Klempner, Glaser u. a. halten an der
Vereinigung von Werkstätte mit Verkaufsraum fest. Sonst sind Magazine mit
hübschen Portalen vorherrschend, in deren oft geschmackvoll arrangierten
Schaufenstern meist occidentale Erzeugnisse ausgelegt sind. In vielen herrscht
noch das Allerlei vor. Einzelne Kaufleute, wie die Brüder Popic oder Manojiovic,
sind aber Yiur Grossisten in Manufakturwaren, Teppichen und Galanterieartikcln;
andere führen ausschliesslich: Eisen, Porzellan, Glas, Papier, Leder, fertige Kleider,
Schuhe, Reise-, Jagd-, optische Artikel. Man darf annehmen, dass drei Fünfteile
dieser importierten Waren aus Oesterreich-Ungarn stammen und ein Drittel teuerer
als dort verkauft werden. Wien liefert auch die hübschen eisernen Betten, von
welchen mit Malereien ausgestattete 40 d kosten, Lampen aller Sorten, Apollokerzen
zu 1.20 d per kg, die trotz der um 20 c wohlfeileren, in der Etikettierung
nachgeahmten, schlechteren belgischen Fabrikate und den gleich billigen Pester
Florakerzen sehr gesucht sind, ferner Kaffeesurrogate, Teigwaren usw. Aus Triest
bezieht man Kaffee und Zucker, der hier 10 Kreuzer per kg teuerer als in Wien
ist, aus Fiume viel Reisstärke, aus Pest grünliches Fensterglas, billige Möbel,
Öfen und andere Waren in Eisenguss, neuestens auch Nägel, welche jenen aus
Deutschland erhebliche Konkurrenz machen, das aber denn doch für eiserne
Ketten, grosse Scheren, in Trops, kleinen Zuckerwaren, Tee usw. den Markt
gleich sehr beherrscht, wie England in feineren Garnen, Russland und Rumänien
für Petroleum, das unraffiniert mit 40 c per kg, raffiniert aber um 54 c, also
um 10 Kreuzer teuerer als in Wien verkauft wird. Von den einheimischen
Industrieartikeln sind die silbernen pittoresken Kopfbehänge zu 6 bis 8 d, reicherer
Halsschmuck zu 30 d, Broschen zu 4 bis 6 d, Filandzeri von 4 bis 8 d,
dann Bauernschürzen von 1 bis 4 d, Strümpfe von 1 bis 2 d, noch immer
stark begehrt.
Auf dem Wege durch die Carsija (Basarstrasse) tritt uns in ihrer Staffage
der seit 1878 vollzogene Szenenwechsel am auffallendsten entgegen. Obschon
viele Niser bis heute ihr dem moslimischen nachgebildetes abgeschlossenes
Familienleben bewahrten, haben die mit der serbischen Besitznahme eingezogenen
Militärs, Beamten, Ingenieure, Ärzte, Bauunternehmer und auch die Vizekonsuln,
welche Oesterreich-Ungarn, Deutschland, England, Frankreich und Italien hier
unterhalten, dem Strassenleben einen mehr occidentalen Charakter aufgedrückt.
Noch iiTiiner ist dasselbe bunt; doch lange nicht so anziehend wie in türkischer
Zeit. Vor den Cafes fehlen die behaglich aus Cibuk und Nargileh schmauchenden
Türken, vor den Läden die glutäugigen verschleierten Frauen, die wie stets
156 Stadt und Festung Nis.
Geheimnisvolles unsere Neugierde beschäftigen. Wir vermissen die gravitätischen
Effendis mit ihrem Dienertross, die schreienden Telials, ambulanten weissbebartcten
Krämer, die befesten ') Nizams, stolzen Tscherkessen und Arnauten, die Almosen
heischenden Bettler, Derwische und andere mosliniische Typen. Es fehlen die
meist mit den Paschas auf Teilung des Raubes arbeitenden, die Rajah im Medzlis
vertretenden Corbadzi in ihrer nun ausgestorbenen orientalischen Tracht; nur jene
der Bauern änderte sich wenig, namentlich fiel mir die kleidsame nach Nis
Übersiedeiter Montenegriner auf, unter diesen der halb europäisch gekleidete
Wojwode Piletic mit scharf geschnittenem Kopfe und martialischer Haltung. Der
Staat gab ihm eine bescheidene Pension und seinen Söhnen kleine Anstellungen.
Sporadisch tauchen in den Cafes einzelne türkische Dandys mit dem modernen
spitzen Fes auf, meist Söhne oder Verwandte der emigrierten türkischen Ciftlik-
bcsitzer, welche die Ablösung ihrer Immobilien bei Behörden und Privaten
betreiben oder Pachtzinse von solchen einkassieren. Vom grossen ßade in der
Pirotska ulica bezieht beispielsweise die reiche, in Konstantinopel lebende Witwe
Sükrije des Orossgrundbesitzers Salim Begovic als jährlichen Pacht 200 Dukaten.
Im Jahre 1888 liess sie den zwei Kuppelräume für Frauen und Männer und ein
Jevrejski-Bassin umfassenden Bau durch eine geräumige Vorhalle vergrössern.
Die schönen Tage, in welchen dieses Bad den beliebte'Sten Sammelpunkt für die
mosliniische Niser Damenwelt bildete, kehren aber nicht mehr wieder.
Die billigen Wiener Modewaren haben die orientalische Tracht beinahe
gänzlich verdrängt. Nur äusserst selten sieht man ältere christliche Frauen in
bis zu den Fussknöcheln geschlossenen bauschigen salvare; solche tragen nur
die immer noch zahlreichen Zigeunerinnen. Konservativer blieben die Bauern.
Ihre bunten Kostüme bringen Farbe in das Strassentreiben. Namentlich ist die
Tracht der Mädchen und Frauen aus dem nahen Jelasnicn ebenso reich wie
geschmackvoll. Den Mäiuiern leiht das über die Kappe geschlungene weisse
Kopftuch einen eigentümlichen Reiz. Sehr bequem kann man den nach Bezirken
verschiedenen Tracht- und Schmuckzusclinitt an samstäglichen Wochenmärkten
studieren, wenn die ländlichen Verkäufer auf den Plätzen, in der Carsija, auf
Wagen und mit Lastpferden die Strassen durchziehend, ihre Waren feilbieten.
Zur Türkenzeit besorgten die Männer alle Einkäufe für die Küche; sah man eine
feilschende Frau, so war es sicher eine Ausländerin. Nun geht aber auch die
serbische Frau mit ihrem Dienstmädchen auf den Markt, denn seit 1878 wich
die orientalische Anschauung der occidentalen auch in diesem Punkte.
Als ich im Sommer 1860 den reichsten Niser Kaufmann Nikola Cohadzi
besuchte, küssten mir die im bunten cincarischen Staate den Kaffee kredenzenden
Frauen der Reihe nach mit tiefen Bücklingen die Hand. Heute ist dies anders.
Die Befreiung der Frau von der angenommenen türkischen Absperrung und Sitte
verrät nicht allein deren Erscheinen in möglichst reichen und modernen Toiletten
auf der Strasse, sondern mehr noch ihre Teilnahme an Militärkonzerten, Sing-
produktionen, Bällen, in den Cafes und öffentlichen Gärten, zu welchen nun bald
') Fes ist die Kopfbedeckung der türkischen Soldaten (Nizams).
Stadt und Festung Nis. 157
regelmässige Vorstellungen in einem 1901 geplanten, vom Staate subventionierten
Theater hinzutreten sollen.
Der meist in entlegenen Gassen wohnenden, ziemlich stark vertretenen
Halbwelt ist, und dies verdiente auch bei uns Nachahmung, der Besuch derartiger
Lokalitäten streng untersagt. Die grösstenteils aus dem Auslande sich rekrutierende
Prostitution, zu welcher auch alle in den Gasthöfen dienenden Mädchen gerechnet
werden, besitzt in Serbien geringe Freiheit und steht unter der strengen Aufsicht
der Kreisärzte, deren Einkommen sie bedeutend vergrössert. Nis gewann in
dem von mir empfohlenen, zu Wien gebildeten Dr. Mladen Grujic einen
ausgezeichneten Kommunalarzt. Auch andere tüchtige Doktoren finden dort in
der Privatpraxis lohnende Beschäftigung. So hat sich dort die Hygiene nach der
serbischen Besitznahme zum Besseren gewendet; denn 1860 traf ich zu Ni§ nur
den griechischen Arzt Mileriadis, der ein gleich zweifelhaftes Diplom besass, wie
sein ebenfalls in der Stadt praktizierender militärischer Kollege Zachariae, welcher
die ihm mit Entlassung drohenden Vorwürfe seines Obersten über das seltene
Genesen seiner erkrankten Soldaten durch Geschenke von Pferden usw. stets
zu beschwichtigen verstand und dabei zu zwei stattlichen Häusern kam. Diese
Herren lieferten den Privatpatienten ihre problematischen Heilmittel, weil es nur
eine Feldapotheke in der Feste gab, zu ungeheueren Preisen, während Nis
gegenwärtig drei wohlausgestattete Offizinen besitzt.
Noch merkwürdiger erschien mir der politisch-geistige Umschwung. Unter
dem türkischen Regimente war das Niser öffentliche Leben gleich Null. Nun ist
dieses in unglaublicher Weise entwickelt und in Parteien mit eigenen Journalen
organisiert, die sich leider nur allzu sehr befehden. Nis' Deputierte spielen eine
hervorragende Rolle in der früher (S. 160) abwechselnd dort und in Belgrad
tagenden Skupstina. Auch Kongresse aller Art wählen die freundliche Stadt
zum Versammlungsort. So 1888 der durch König Milan eröffnete erste Weinbau-
Kongress, 1889 eine vom Metropoliten Mihail präsidierte, von 200 Klerikern
besuchte Synode für geistliche Reformen, der andere folgten. Namentlich strebte
Niä auch, was die Jugendbildung betrifft, den Titel „Serbiens zweite Hauptstadt"
zu verdienen. Zu dem schon 1879 eröffneten Gymnasium, jetzt mit 24 Professoren,
447 Schülern und nahezu 95000 d Kostenaufwand, kamen 1882 ein Lehrerseminar'),
1894 eine höhere Mädchenschule. Für den niederen Unterricht sorgen (1895)
3 Volksschulen für Knaben mit 23 Lehrern und 1678 Schülern, eine Mädchen-
schule mit 12 Lehrerinnen und 891 Schülerinnen, ferner eine jüdische und
türkische Schule.
Auch in wirtschaftlicher Beziehung machte Nis bedeutende Fortschritte. Es
entstanden vier, meist auf dem Gegenseitigkeitsprinzip beruhende, Handels-, Spar-
und Kreditvereine, beim Bahnhofe eine technische Werkstätte für die Erhaltung des
rollenden Materials und neben den nahen staatlichen Salzdepots eine militärische
Dampfmühle; ferner eine Spiritus-Raffinerie mit grosser Kellerei der Brüder
') Es siedelte 1897 nach Aleksinac über. 1905 hatte es 14 Professoren, 116 Hörer
und kostete dem Staate 44555 d.
158 Stadt und Festung Ni§.
Tutunovic, welche in letzter Zeit auch die trefflichen Niger Weine auf dem
deutschen Marl<te einzubürgern versuchten. Am Fusse der Gorica gründete der
Alei<sinacer Brauer Appei hart am Schienenstrange eine sehr günstig liegende
Bierbrauerei mit Halle, in welcher die Niser sich immer meiir mit dem Gambrinus-
kult befreunden. Von den vielen Ziegeleien in Nis' Umgebung kann die grösste
Simicsche Ringofenanlage jährlich 5 Mill. Ziegel erzeugen und lieferte 1886
nahezu 3 Millionen. Beim nördlichen Medosevac entstand durch ausländisches
Kapital eine Kunstmühle mit Turbine und eisernem Wehr, geliefert von Ganz & Co.
in Budapest, und 1896 kam endlich die grosse Schweineschlächterei zustande,
welcher der Staat grosse Erleichterungen gewährte (111. Bd., Kap. X).
Im allgemeinen steigerte sich aber Nis' Verkehr nicht in dem dort und im
Auslande von der Bahneröffnung erhofften Masse, und auch der Zuwachs beruht
leider nicht immer auf solider Basis. Grosses Aufsehen erregte das im Mai 1896
erfolgte Fallissement der angesehenen Firma Djordje Nesic mit 250000 d; lange
zuvor stellten zahlreiche kapitalsarme Kaufleute ihre Zahlungen ein, welche durch
provisionslüsterne „Reisende" unverdienten Kredit erhielten und bald Ausgleiche
zu 40",'o und darunter ansuchten. Allein 1889 zählte man in Nis 120 derartige
den Ruf des Platzes schwer schädigende Konkurse.
Die Regierung tut viel, um Nis' Verbindung mit dem Umlande zu fördern.
Sie verbesserte die nach Aleksinac, Supovac, Gramada und in das JeJasnicatal
führenden Strassen und beschäftigt sich seit 1890 ernsthaft mit Studien für eine
Nis-Timok-Donaubahn nach Rumänien. Auch eine Herabsetzung der Frachttarife
nach Belgrad und Salonik muss erfolgen, wenn Nis' Handel sich heben soll.
Für den nach meiner eigenen Erfahrung trefflich geregelten Post- und Telegraphen-
verkehr soll demnächst ein neues Gebäude errichtet werden, weil das freundlich
aussehende, aber ganz unsolid gebaute türkische Postamt dem Einstürze nahe ist.
So verfallen sämtliche durch Mithads Energie geschaffenen Bauten, bis auf seine
trefflichen Strassen, allmählich dem demolierenden Spaten.
Den grössten Teil seines raschen occidentalischen Zuschnittes dankt Ni§
zweifellos dem 1897 leider früh verstorbenen energischen Beamten Petar Bozovic,
unter dessen zweimaliger Kmetenschaft das meiste für die Umgestaltung des
türkischen Chaos geschah. Selbstverständlich konnte sich die durchgreifende
Stadtregulierung nicht ohne vielfache Störung privater Interessen, ohne Streit und
Anfeindung der beteiligten Exekutivorgane vollziehen. Kreisingenieur Franja Bartos,
der wesentlich in das Werk eingriff, erzählte mir viele ernste und komische
Episoden, wie sie auch anderwärts derartige Umwälzungen begleiten. Die oft
3 m hohen Anschüttungen zur Herstellung des Strassenniveaus entwerteten viele
dadurch in die Tiefe versetzte Häuschen und zwang deren Besitzer, welchen das
Gesetz überdies die Pflasterung des Trottoirs und halben Fahrwegs auferlegt,
zu deren unfreiwilligem Verkauf oder Neubau.
Der vom Ingenieur Ivan Kozlic geschickt entworfene Regulierungsplan macht
die Festungsbrücke zum Zentrum, von dem HauptverkehrsHnien zur 24 m breiten
Ring- und noch breiteren Gürtelstrasse laufen. Andere Brücken sollen diese
Boulevards mit den an die Feste schliessenden Vierteln verbinden. Bei den
Stadt und Festung Niä.
159
notwendigen Expropriationen durch eine vom Nacelnik ernannte fünfgliederige
Kommission stiegen die Ansprüche oft ins Unglaubliche. Beispielsweise sah ich
1889 am linksuferigen Brückenköpfe eine alte Mühle als Oase inmitten der
ringsum vollendeten Regulierung, die längst verschwunden, hätte man nicht als
Ablösungspreis 6000 Dukaten gefordert. Hässlicher als die berühmte Potsdamer
Mühle, stört das malerische Gerumpel den Kindruck der durch einen hohen
Schutzdamm gesicherten neuen Parkanlage und des nahen seit 1894 wieder
belebten Konigskonaks. Sein für den Hofstaat bestimmter moderner Zubau ist
nett, interessierte mich aber weniger als der ältere Teil mit echt türkischem Bade,
der so recht den grossen Umschwung zu Niä seit 1878 illustriert.
Der „Kraljev dvor" ist die Type eines komfortablen moslimischen Edelsitzes.
Niemand Geringerer als der 1805 gegen Karadjordje entsandte, später mit Miloä
Kraljev dvor zu NiÄ.
in Bruderbund getretene Hafis Pasa erbaute ihn; rote Inschriften auf grünem
Grunde erinnern daran. Sein imponierendster Teil ist das von zehn Doppelsäuleri
aus Eichenholz getragene grosse Parterregeschoss. Auf diesem ruht ein die
Wohnräume enthaltendes Stockwerk mit zwei kurzen Flügeln. Der zur Nisava
vorspringende „Doksat" gewährt einen herrlichen Blick auf die von prächtiger
Landschaft umrahmte Zitadelle, und auf dem luftigen „Teferidz" atmet man die
köstlichen Wohlgerüche der Pflanzenbeete und exotischen Bäume des in türkischem
Stile angelegten Gartens. Im Zentrum seiner lauschigen Gänge steht die von
einer Riesenweide und breitblätterigen Katalpa beschattete Kopie des berühmten
„Sadrvan" im Perlenkiosk des Sultanserails zu Konstantinopel. Es ist ein
kunstreicher weissmarmorner Springbrunnen mit maurischen Tcmpelchen und
skulptiertem Getier von ausserordentlichem Reiz, dessen aus vielen Rührchen
springende Wasser des Paschas Odalisken ergötzten. Der Konak ging von Hafis
auf Mohamed Paäa über, und als das serbische Hauptquartier sich 1878 in
demselben etablierte, war Becir Beg sein Besitzer. Der herabgekommene Enkel
160 Stadt und Festung Nis.
des Erbauers liess das Gebäude so verfallen, dass es kaum einen bewohnbaren
Raum enthielt; der Sturm heulte durch zerbrochene Scheiben, und Schneeflocken
wirbelten auf ungedielle Estriche nieder, nur die Eichensäulen hielten tapfer Stand.
Trotzdem weigerte sich der verarmte, aber stolze Beg, den Hof an Milan abzutreten;
er tötete sich später in Konstantinopel wegen zerrütteter Vermögensverhältnisse.
Sein Sohn Musta Beg akzeptierte endlich den ihm angebotenen Kaufpreis, der
ihn befähigte, sich im rechtgläubigen Asien anzusiedeln. Das ganz wohnlich
hergerichtete Haus wurde bald König Milans Lieblingsresidenz; vom Doksat
sprach er bei wiederholten Anlässen zum Volke. Auch Königin Natalie, welche Nis
mit dem Thronfolger am 23. November 1878 zum erstenmal besuchte, weilte dort
gern. Namentlich zeigen ihre Gemächer erlesenen Geschmack. Orientalische,
reich geschnitzte Plafonds und Dolabs (Wandschränke), Smyrnaer Teppiche und
stilgerechte Pariser Möbel vereinigen sich zu harmonischer Wirkung. — Im Januar
1901 bezog ihre Nachfolgerin Draga dieselben Räume anlässlich der vom König
Alexander feierlich eröffneten Skupstina, deren Sympathien sie als liebenswürdige
Hausfrau, gleich jenen des sich ihr am 13. Januar dort vorstellenden Bulgaren-
fürsten Ferdinand rasch gewann. Die offene Gegnerschaft des Königs zur
liberalen Partei sollte bald darauf (Juli 1901) Nis empfinden, das ihren Führer
Avakumovic gegen des Königs Willen für die Skupstina kandidiert hatte. Der
Bürgermeister Besevic wurde abgesetzt und auch mit der Zurückziehung der
Garnison gedroht, falls man ihn wähle, wogegen jedoch mit Berufung auf die
verfassungsmässig gewährleistete Wahlfreiheit protestiert wurde.
Von des Konaks orientalischer Zeltarchitektur sticht scharf ab der jenseits
aufragende 1889 vollendete Kreisamtspalast durch seine abendländische Bauweise.
Wir gelangen zu ihm über die auf Milans Befehl verbreiterte Brücke. Diese
Renovation verkündet ein Pfeilerstein, welcher in der oberen Hälfte die frühere
türkische Inschrift treu kopiert und serbisch weiter sagt: dass sie nach Ni§'
Eroberung am 28. Dezember 1877 erfolgte. Nahe trugen Sträflinge den bedeutungs-
losen Vorwall der Feste zur Hebung des Ufers und Verbreiterung der Strasse ab,
die, vorbei am Österreich-ungarischen Konsulate, zum Nacelstvo führt. Dieser
durch säulengezierte Mittel- und turmartige Eckrisalite monumental gestaltete,
250000 d kostende Prachtbau vereinigt sämtliche Abteilungen jeder serbischen
Präfektur: das Finanz-, Polizei-, Bau- und Sanitätsamt, die staatliche Sparkasse
und die Gefängnisse. Die Innenräume, namentlich der grosse Sitzungs- und
Gerichtssaal, sind luxuriös ausgestattet; die reichdekorierten eisernen Öfen und
bunten Estrichplatten kamen aus Deutschland. Selbst die Gefängniszellen sind
licht und human eingerichtet. Die Kosten für das Nacelstvo und den entlang
seiner Hauptfront angelegten Kai wurden durch die Umlage von 32,5 d auf
jeden der 32000 Steuerzahler des Kreises gedeckt. Kurz vor 1878 zerfiel der
Niser Kreis in drei, seit 1879 in die vier Bezirke: Niski, Zaplanjski, Vlasotinacki
und Leskovacki srez; ein Skupstinabeschluss von 1890 teilte diese aber den
Kreisen Pirot und Toplica (Prokuplje) zu und erhob Nis zur zweiten autonomen
Hauptstadt des Landes.')
■) Seit 1896 ist Nis wieder die Zentralstelle der Niäer Kreisbehörden.
Stadt und Festung Nis.
\CA
Obschon eine Pontonbrücke das nordwestliche Viertel mit der neuen
Präfektur verbindet, klagen seine Bewohner, dass sie zu weit weg vom Geschäfts-
verkehr in der ärmlichen „Beogradska mahala" erbaut wurde, in Walirheit sieht
man dort zwischen den primitiven Einkehrhöfen „Zur Stadt Ofen" u. a. nur die
weissgetünchten Häuschen der zurückgebliebenen ärmsten Türkenfamilien. Bald
dürften aber auch diese zum Wanderstab greifen, und dann wird der Hodza die
letzte bescheidene Moschee sperren, in welcher man zu Nis Allahs Macht und
Gerechtigkeit pries. Im Jahre 1887 sagte mir der Niser Nacelnik Kosta Pavlovic,
dem nach Nis' Eroberung die schwierige Aufgabe zufiel, den Exodus der Moslims
über die Grenze zu fördern: Herr, Sie könnten leicht ein besonderes Buch
Niscr KrL'isaitit.
schreiben über die tragischen Szenen beim Abschiede der Türken und Amanten
von dem langbesessenen Boden! Denn nur wenigen gelang es, ihren Besitz
gleich zu veräussern, und wo ich mit den mir zu Gebote stehenden bescheidenen
Mitteln das Elend ein wenig lindern konnte, waren die Armen so dankbar! Eine
Türkin brachte mir ein Stück wohlriechende Seife. „Gib es Deiner Frau; es ist
das einzige, was mein gefallener Mann mir Schenkenswertes zurückliess!" —
Wieviel Menschenelend erzählt schon diese eine Episode!
Die Stimmen der türkischen Gebetrufer sind verstummt, aus der nordöstlich
der Zitadelle wiedererstandenen Kirche „Sv. Panteiejmon" tönt aber leiser Glocken-
klang herüber. Vorbei an zwei neuen Kasernen wanderte ich durch das kleine
Viertel „Jagodin -mahala" zu ihr hinaus. Die das Kirchlein umrahmende grüne
Oase mit lauschigen Plätzchen ist schon ihres im Niser Umkreise seltenen, einem
Brunnen mit drei Rohren entsprudelnden kristallklaren Quells wegen ein Lieblings-
ausflug der Städter. Wahrscheinlich stiftete deshalb dort Stevan, der Ahnherr
F. KANITZ, Serbien. U. H
162 Stadt und Festung Nis.
der Nemanjiden, nachdem er Nis um 1185 den Byzantinern entrissen, ein Kloster.
Nun stellt dort die auf Kosten zweier Bürger mit einem Säulenumgang am
8. August 1878 vollendete Kirche, für welche der Raum gleich am ersten Mari<ustage
nach Nis' Eroberung geweiht wurde. Bei dieser bedeutungsvollen Feier erscholl zum
erstenmal die vom Uhrturme der Zitadelle hierher übertragene Glocke. Als mich
14 Jahre zuvor die türkischen Steinwürfe aus seinem obersten Geschosse vertrieben,
hätte ich da denken können, dass seine eherne Stimme sobald die von den
Moslims so verachtete Rajah zum Gebete rufen werde? — Viel erlebt, wer lang lebt.
Zu Nis' beachtenswerten Denkmalen in den linksuferigen, weit ausgedehnten
Mahalas zählt seine 1819 den hl. Erzengeln Mihail und Gavriio geweihte „Stara
crkva" (alte Kirche). Sie steht vielleicht auf der Stelle jener Kirche, aus welcher
die Ungarn, nachdem sie 1072 Nis erobert, von dem in ihr bestatteten hl. Prokopios
eine Hand abtrennten und nach dem sirmischen Mitrovica brachten. Man erzählt,
dass der siegreiche Griechenkaiser Manuel die zurückgeholte Reliquie dem
hl. Leibe wieder anfügen Hess, und dass dieser vor Nis' erster Türkenbelagerung
nach der heute noch fraglichen Nachbarstadt Koprian geflüchtet wurde (X. Kap.).
Der hl. Prokopios gilt namentlich als Schützer der Jugend, dessen Namenstag
nach Vuk auch die Türken feiern, weil einem den Heiligen schmähenden Moslim
die Kinder plotzlicii wegstarben.') Der überreiche Aufwand von vergoldetem
Schnitzwerk und Malereien, mit dem Bischof Grigorije 1837 diese Kirche restaurierte,
ist nicht imstande, ihre architektonische Wertlosigkeit zu decken. Immerhin erinnert
sie die Niser an lange Jahrhunderte, während welcher ihre Vorfahren ähnlich wie
die ersten Christen ihr Gebet in Krypten unauffällig verrichteten; selbst den
Gebrauch der „Klepala" (Symantra) erhielt Bischof Benedikt für diese Kirche
erst 1843 zugestanden.
Der Pariser Vertrag von 1856 riss aber eine gewaltige Bresche in die
Vorrechte der sie beherrschenden Moslims zugunsten der türkischen Christenheit.
Diese benutzte die ihr gewährleisteten neuen Rechte in erster Linie zum Bau
prächtiger Gotteshäuser. Die Niser begannen 1856 eine Kathedrale, welche das
gesamte Gemeindevermögen verschlang. Die höchst interessanten religiös-politischen
Verhältnisse, unter welchen sie entstand, insbesondere die widerstreitenden
Einflüsse, welche sich damals türkischerseits und vom fanariotischen Klerus im
beginnenden Geistesleben der Rajah geltend machten, schilderte ich an anderer
Stelle.-) Die Kirche ist ein Werk jenes begabten cincarischen Meisters Andrija
Damjanov aus Veles, der auch die neue Smederevoer schuf. Sie blieb lange
unvollendet und wurde erst am 25. Februar 1878 mit grossem Pompe geweiht. Über
den architektonischen Wert beider Monumente werde ich meine ausgesprochene
Ansicht ■) im letzten Kapitel des 111. Bandes weiter ausführen.
Im ganzen würde der durch 6 Säulen dreischiffig geteilte, tonnengewölbte
Innenraum mit der Zentralkuppel und vier kleineren auf den Flügelenden günstig
') Rjecnik, S. 607.
-) Donau-Bulgarien und der Balkan. I. Auflage. I. Bd., S. 126 ff.
') Über alt- und neuserbische Kirchenbaukunst. Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wiss.
Wien 1864.
Stadt und Festung Niä. Ifi.S
wirken, ohne die naiie dem Eingange wohl küiiii angelegten, aber störenden
Freistiegen zum vergitterten Frauenchor. Die Ausstattung ist grösstenteils eine
provisorische. So die von hohem Holzkreuze überragte Ikonostasis, deren
mittelmässige Bilder bald neue ersetzen sollen. Der für den König bestimmte
frühere hohe Bischofsthron, zwei kleinere für die Königin und den Thronfolger,
ein anderer für den Vladika, die um die linke Mittelsäule in zwei Spiralen auf-
steigende Kanzel mit von einem Adler getragenem Buchpulte gereichen der
heimischen Holzschnitzkunst zur vollen Ehre. Die aus ganz schlechtem Material
hergestellten Säulenkapitäle sind aber unverstandene Nachahmungen des römischen
Kapitals von Gradiste, das ich 1860 im Bauhofe der Kirche sah, und von den
gleichfalls unsoliden überkalkten gezimmerten Gewölben hängen ein grosser
böhmischer Kristallüster und kleinere herab. Zwei geschnitzte Buden für den
Kerzenverkauf und ein eiserner Kassenschrank von Fleischer in Wien vervoll-
ständigen das spärliche Inventar. Auf der rechtsseitigen Galerie erbaute König Milan
im Jahre 1878 eine dem hl. Simeon (Nemanja) geweihte, von ihm gern besuchte
Kapelle; Königin Natalie stiftete für dieselbe eine zierliche Ikonostasis, auf welcher
links der hl. Sava erscheint. Die Hauptkuppel ist mit einem Christusbilde, die
Pendentifs mit den vier Evangelisten geschmückt.
Rechts vom Haupteingange befindet sich das kleine Marmordenkmal mit
photographischem Bildnis und vorhängender Silberlampe, welches Radojko
J. Popovic seinem am 19. März 1884 verblichenen Bruder Nestor widmete. Er,
aus Sume im Kragujevacer Kreise stammend, früher Direktor des Belgrader
Priesterseminars, ersetzte 1883 den erwähnten Bulgaren Deda Viktor auf dem
NiSer Stuhle, weil er die Serbisierung seines bulgarischen Klerus nicht energisch
genug betrieb, nach anderer Meinung, weil er das antikanonische Vorgehen des
Ministeriums gegen den Metropoliten Mihail (1883) nicht billigte. Er lebte zuletzt
still zurückgezogen in Belgrad, wo er 1888 starb.
Während des 1883 eingetretenen Provisoriums im Niser Bistum, welches
damals das gesamte 1878 gewonnene Gebiet umfasste, während früher auch Pirot
Sitz eines hischiHlichen Sprengeis war, fungierte dort als Bischof-Stellvertreter der
Konsistorialrat Sava, ehemals Iguman des berühmten altserbischen Klosters Decani,
welcher mit allen Kräften dessen baldigste Einverleibung in seine neue Heimat
anstrebte und sich an den Ovationen für den in gleicher Richtung tätigen russischen
Generalkonsul Jastreboff 1889 hervorragend zu Nis beteiligte. Sava zeigte mir
alles Sehenswerte der „Saborna crkva". Definitiv folgte auf dem Niser Stuhle
der als treuer Anhänger des Metropoliten Mihail mit diesem zugleich aus
dem Exil zurückgekehrte und von ihm 1889 geweihte Bischof Jeronim, der
an den Folgen einer Operation im Salzburger St. Johannspital 1894 verschied.
Vielleicht als letzten begleitete das aus einer grossen Glocke und vier kleineren
bestehende Geläute den am 13. August 1894 in die Kathedrale einziehenden
Bischof inokentije; denn obschon notdürftig renoviert, zeigt sie wie 1887
durch die primitive Bauweise verursachte bedenkliche Schäden, welche schon
damals den Ingenieur Bartos ihre Sperrung beantragen liessen. Und gleiches
Schicksal droht der nebenan stehenden, auf Mithad Pasas Anregung gleichfalls
11*
Iß4 Sindt und Festung Nis.
um 1860 erbauten einstöckigen Schule, die für einige Skupstina-Sessionen
benutzt wurde.
Es ist geplant, die alte Kirche samt allen Häuschen rings um die Kathedrale
abzutragen und in dem neu anzulegenden Parke die Bischofsresidenz mit einem
Gebäude für das Konsistorium zu erbauen. Von geistlicher Seite wird aber die
Errichtung dieser Bauten auf der die Stadt übersehenden Höhe, nahe der ausserhalb
des südöstlichen Stadtwailes stehenden Kirche Sv. Nikola „Palilulska" gewünscht.
Diese illustriert so recht den von Nis durchgemachten häufigen Herrschaftswechsei.
Nicht weniger als sechsmal soll sie in den letzten Jahrhunderten bald dem
Christuskult und wieder dem Islamglauben gedient haben. Während der kurzen
kaiserlichen Okkupation (1737) als Kirche benutzt, sodann in eine Moschee
umgestaltet, nach dem Verlassen des allzu exponierten kleinen Stadtteils aber dem
Verfalle preisgegeben, fand ich sie 1860 als Ruine, unter deren von mir abgelöster
Kalktünche sehr alte Fresken zum Vorschein kamen; auch der Imamsitz zeigte
deutlich, dass er in die ehemalige Chorapside später eingeschnitten worden war.
1864 Hess Mithad die Moschee für die nahe angesiedelten Belgrader Türken her-
stellen. Beim Umbau stiess man auf ein Votivbild und einen hölzernen Kelch, die der
Pascha dem Erzbischof übergeben Hess. Vielleicht veranlasste dieser Toleranzbeweis
die Serben (1878), durch eine Deputation den Kadi, Hodza und die türkischen
Notabein um die Überlassung der Moschee zu bitten. Diese antworteten mit
fatalistisch-sarkastischem Anfluge: „Wir wissen durch Erfahrung: wem Gott die
Macht über Nis verleiht, gibt er auch dieses Haus für seinen Glauben; also nehmt
es!" Nun erscheint über dem Fenster links vom Haupteingang in einer Nische
der siegreich seine Stelle wieder einnehmende hl. Nikolaus; das verschwundene
Minarett ersetzt aber ein einfach gezimmerter Stuhl mit zwei kleinen Glocken, und
von der Dachspitze erglänzt ein Metallkreuz statt des wohl niemals wiederkehrenden
Halbmonds.
Auch von dem geschilderten maurischen Haupttore der Zitadelle ist des
Sultans Namenszug einem serbischen Adlerschilde gewichen, ebenso suchte ich
das rote Serai vergeblich, in dem Abdur Rahman Pasa mich so streng inquiriert
hatte. Es war rasiert, wie die Türkenquartiere, deren Gärten es mit freundlichem
Grün verschönten, wie die Tulbas der weiblichen Heiligen, deren Gebeine man
1883 dem Hodza der nächsten Moschee zur Bestattung übergab, und wie manches
andere, was Licht, Luft und Bewegungsraum um die wenigen, der Erhaltung wert
befundenen Bauten schaffen konnte. Zu diesen zählt das anheimelnde kleine
Kommandanturgebäude, in dem der Divisionschef Binicki mich mit gewinnendster
Herzlichkeit empfing.
Begleitet von dem in Berlin gebildeten Festungsinspektor Artillerie-Oberst-
leutnant Jakobojev, erstieg ich zunächst den schmalen Wall über dem Stambol-Kapu,
wo man neben dem Flaggenbaume die Stadt und Feste im prächtigsten Vogel-
schaubilde, umrahmt von ihrem grösstenteils kahlen, aber malerischen Berggürtel,
erblickt. Mauern und Wälle fand ich ganz unbeschädigt; nur etwa 2—3 serbische
Projektile drangen in das Innere und versetzten die dort zusammengepferchte
Zivilbevölkerung in Angst und Schrecken. Unfern der aus Quadern erbauten, als
Stadt und Festung Ni§.
165
Pulvermagazin benutzten Moschee sah ich viele den Türken abgenommene
Positionsgeschütze aller Zeiten und Kaliber, Bronzemörser und Krupps auf
eisernen hohen Lafetten, daneben hohe Pyramiden verschiedenartigster Kugeln
und Spitzgeschosse.
Die Ausführung- einiger Bauten wurde wegen Geldmangels und auch deshalb
verschoben, weil man sich bewusst ist, dass Ni5' Stärke auf den Gorica- und
Vinik-Forts beruht. Es entstanden nur mehrere solide Magazine, Stallungen, eine
Pavillonkaserne, deren Korridor man mit schön skulptierten türkischen Marmor-
Grabplatten pflasterte, dann etwa 15 Minuten vom nordwestlichen Festungsrayon
ein unter der Ägide des Roten Kreuzes nach dem Vorbilde des Budapester
Grundriss und Inneres eines allclin^lliclicii Grabes bei .Nis
Pavillonbaues „Kaiserin Elisabeth" erbautes Hospital, das Ingenieur Bartos 1888
vollendete. Alle Ni.ser Demolierungen und Planierungen führten 400 zu Festungs-
kerker verurteilte Robijasi aus, unter welchen ich einige von unheimlichstem
Heiduckentypus sah. Die aus Rohrwerk hergestellten Bastionsverkleidungen siiul
Übungsarbeiten der Pioniertruppe, welche bei heissem Wetter unter Zelten vor
dem Viniktore biwakiert. Dort begruben die Türken ihre während der Belagerung
Gefallenen so seicht, dass die Serben sie nach vorausgegangener Karbol-Desinfektion
tiefer betten mussten. Dabei stiess man, 1 m tief, auf ältere Gräber und Tonrohre
von Wasserleitungen, welchen auch einige in der Ebene aufragende türkische
Steinpfeiler angehörten.
Eine sehr interessante altchristliche Grabstätte trat wäiirend der Eröffnung von
Übungs-Laufgräben zutage, ich besuchte sie 1887, kurz nach ihrer sorgfältigen
Freilegung. Zu dem W. gerichteten, gewölbten, 2,30 m langen, 3 m breiten, 1,70 m
hohen Räume führt über zwei Stufen eine nur 1,12 m hohe, 0,65 m breite Öffnung,
Hiß Stadt und Festung Nis.
die eine leicht aushebbare Steinplatte schloss. An seiner Schmalseite, gleichwie
im Innern am Gewölbebogen, sieht man rot aufgemalte Linien, an der Westmauer
ein mit gleicher Farbe roh aufgemaltes Kreuz. Die Soldaten fanden das Grab
leer. Der aus doppelter Steinlage bestehende Estrich zeigt links Spuren gewalt-
samen Aufrisses aus alter Zeit, in welcher die Gruft ihres Inhalts beraubt wurde.
Ich gebe hier meine bezüglichen Aufnahmen zur Korrektur der unrichtigen
Zeichnungen und flüchtigen Schilderung im „Starinar". ') Die Anlage dieser Niser
Grabstätte, in deren Nähe wohl noch andere in der Erde stecken, erinnert an
einige Grüfte der anlässlich des Sobranjebaues zu Sofia aufgedeckten Katakombe-)
und dürfte wie diese aus den Jahren 1018-1186 stammen.
Bei Übungsarbeiten durchgrub die Genietruppe 1889 an derselben Stelle,
wo die Kaiserlichen schon 1689 beim Schanzenbau auf römische Mauern stiessen,
etwa 200 m W. vom Viniktore einen antiken Kanal, dessen Konstruktion nach
meiner Untersuchung aus je zwei grossen horizontalen Deckplatten und zwei
senkrecht in ihre Falze gestellten starken Ziegeln, auf breitem Betonfundamente,
bestand. Vor demselben Tore fand man 1883 den oberen Teil eines 69 cm hohen,
63 cm breiten Grabsteins von Kalkstein mit der Büste eines die Toga tragenden
Mannes zwischen zwei Kindern in reich umrahmtem Bogenfelde, der südlich vom
Kommandanturgebäude in der Parapetmauer eingelassen wurde. Am Aufgange zu
diesem sah ich einen 1887 ausgehobenen sechszeiligen Votivstein und eine Säule,
am benachbarten Mannschaftshause ein Inschriftfragment. Dieses von mir schon
1860 empfohlene, allerorts nachahmenswerte Beispiel gab der zu Schweidnitz in
Schlesien geborene k. s. Artillerie-Oberst Horstig. Als Festungskommandant schuf
er auf der Stelle der abgetragenen Hunkiar-Moschee einen freien Platz, um
dessen Granitsäule von 1,25 m Höhe und 0,60 m Durchmesser im Zentrum sich
zehn gleichfalls römische Werkstücke im Kreise gruppieren; in die Terrasse-
Stützmauer vor dem Uhrturme liess er zwei durch Kqvacevic publizierte Inschriften,
einen Votivstein mit den Büsten eines Mannes, Kindes und einer Frau, einen mit
zwei Kindern, den Kopf einer Statue und das 59 cm hohe, 34 cm breite weisse
Marmorfragment einer figurenreichen Darstellung einfügen. Das ursprünglich zweimal
so grosse Relief fanden und zertrümmerten ein Türkenhaus demolierende Sträflinge.
Der redselige Festungsbaupolier erzählte weiter, dass etwa 60 beim Abrisse des
Türkenquartiers zutage gelangte römische Skulpturen und Inschriften, weil niemand
es hinderte, als Werkstücke für Neubauten verkauft wurden; zwei in die Zivilstadt
gelangte publizierte Milicevic. 3) Die vielen antiken Münzenfunde wanderten zu
Silberschmieden oder zu Spottpreisen in verschiedene Privatsammlungen.
Während meiner Anwesenheit im Oktober 1889 stiess man im Ostteile der
Zitadelle, während der Aushebung einer Kalkgrube, auf römische Rudimente
von ungewöhnlicher Stärke. Im Mauerwerke staken drei Inschriftsteine, darunter
ein sechszeiliges, 1,10 m langes, 0,55 m breites Fragment, mit aus einer Vase sich
aufwärts rankenden Weinreben. Oberstleutnant Jakobojev versprach, die seitdem
') V, S. 119 und Tab. X. Belgrad 1888
=) Skorpil, Sbornik, II, S. 56ff. Sofia 1890.
") Kraljevina Srbija, S. 39 f
Stadt und Festung Niä.
167
veröffentlichten Funde') in der Horsti^sciien Parapetniaiier einfügen zu lassen;
vielleicht entgehen sie der Vernichtung, welcher leider die meisten bekannt
gewordenen Reste von Naissus anheimfielen. So die von Dernschwamm
1553 kopierten 11 Inschriften*), der von Schweigger 1577 erwähnte Inschriftstein,
der eifzeilige Meilenstein, dessen Kopie ein österreichischer Offizier 1738 dem
Nuntius Passionei nach Wien sandte^), ein prächtiges Gesimsstück, das ich
1860 vor der Hunkiar- Moschee sah, eine skulptierte Grabplatte und ein Kapital,
welche ich 1864 im Bauhofe der neuen Kathedrale traf und 1868 publizierte.
Von Niäer Inschriften bringt das 1891 erschienene Supplement zu Mommsens
„Corpus" auch zwei, dem Jupiter und der Juno gewidmete, welche Evans kopierte.
— Zuletzt wurden im Februar 1892 während einer im nordöstlichen Teile der
Votivsteine aus Niä.
Zitadelle bewerkstelligten Planierung des Bodens das Hypocaustum eines Bades
freigelegt, bei dem Münzen, antike Gefässe usw. gefunden wurden. ^)
Der grössere Teil aller zuvor erwähnten Funde stammt aus dem Bereiche der
Zitadelle. Auf ihrer Stelle stand, wie die Aufdeckung antiker Fundamente, Kanäle usw.
beweist, das starke Castrum von Naissus. Unmöglich konnte aber seine beschränkte
Area neben den Kasernen, Proviantmagazinen und Arsenalen für die Truppen von
Dacia mediterranea, auch die an Palästen, Tempeln, Bädern, Plätzen usw. reiche,
vielgerühmte Stadt Konstantins umschlossen haben. Ich durfte daher, trotz des
topographisch unverlässlichen Fragments des Priscus, das Naissus an die Donau
verlegt, mit grösster Wahrscheinlichkeit annehmen, dass, ähnlich wie bei Viminacium
') Starlnar, VI, S. 119.
2) C. I. L., Ili, No. 1673—1683. Addit. Moes. sup., S. 1024.
^) Arch.-epigr. Mitt., XII. S. 175. — C. 1. L., III, Suppl. Fase. II, No. 8269.
*) Starlnar, IX, S. 34.
168 Stadt und Festung Niä.
und Marguin, unter dem Schutze des Kastells sich auf dem linken Ufer der Nisava
die Civitas von Naissus ausdehnte, und dass ihre oft überbauten Rudimente bei
tieferen Grabungen gefunden werden konnten. Nahe dem Bahnhofe kamen 1860 auch
wirklich, anlässlich des Mithadschen Kasernenbaues, zwei Säulen und andere
Architekturstücke zum Vorscheine, welche diese Ansicht rechtfertigten. Ich selbst
machte später — wie das folgende Kapitel zeigt, nicht erfolglos — den Versuch, auf
radialen Ausflügen über Nis' Peripherie hinaus, Reste der Lustschlösser, Bäder
und des Kastellgürtels der in den Völkerstürmen gründlich zerstörten Geburtsstadt
des grossen Imperators aufzufinden, welcher mit der Wahl Konstantinopels
zur Residenz die Aufrichtung des oströmischen Reiches begann. Anfangs
September 1900 wurde bei dem neuen Brückenbau am rechten Ufer der Nisava,
nahe der Zitadelle, ausser kleineren Metallobjekten in 7,5 m Tiefe ein jetzt im
Belgrader Nationalmuseum befindlicher prächtiger Bronzekopf Konstantins d. Gr.
ausgegraben. Nach Professor Vasics Untersuchungen war er einst vergoldet und
gehörte einer Büste an. Die abwechselnd mit Lorbeer- und Olivenfrüchten
geschmückten quadratischen Felder des vorn ein Medaillon zeigenden, am Hinter-
haupte zusammengebundenen Diadems sind trefflich erhalten; der nur am Scheitel
und an der linken Wange verletzte Kopf ist im Gesichtsprofil den bekannten
Münzen sehr ähnlich.
Nis' Garnison zählte 1887: 5 Komp. Pioniere, 3 Bat. Infanterie, 2 Komp.
Festungsartillerie, 1 Reg. Feldartillerie und eine Telegraphenabteilung; im Jahre
1896: 130 Ober- und 198 Unteroffiziere, 2035 Soldaten und 20 Gendarmen,
welche viel Leben und Geld in die Stadt brachten. Kaum 180 ihrer Bewohner
trieben 1896 dort noch Feld- und Gartenbau, dafür aber verzeichnete man
522 Kaufleute verschiedenster Zweige und grossenteils in offenen Läden ihr
Gewerbe treibend; 351 Schneider, 38 Kürschner und 276 Schuhmacher für Stadt
und Land, 230 Gast- und Kaffeeschenker, 156 Bäcker, 338 Metallarbeiter,
Schmiede, Schlosser, Klempner usw., 11 Waffen- und Silberschmiede, 64 Sattler
und Wagner u. a. Gewerbe und Handel fördern die 1885 begründete Sparkasse,
welche 1905 nahezu 30 Mill. d zu lO"/«, und ein 1888 entstandener gegenseitiger
Spar- und Hilfsverein, der im nächsten Jahre 3,4 und 1905 über 23,4 Mill. d zu
12 o/o in Umlauf setzte. Advokaten gibt es 11, Ärzte 16, Lehrer 71, Geistliche
21 usw. Unter den 2986 Häuser bewohnenden 21056 Niser ') bezeichneten sich
als fremde Slaven 141, Deutsche 242, Italiener 31, Arnauten 45, Rumänen 183,
Griechen 135, Ungarn 48, Zigeuner 1018; als Katholiken 419, Protestanten 26,
Israeliten 812, Mohammedaner (meist Zigeuner) 1114 Personen.
Bei meinem letzten Besuche der freundlichen Stadt im August 1897 fand
ich ihr Aussehen nahezu unverändert. Neben der S. 159 erwähnten störenden
Mühle sah ich ein hübsches Offiziersbad im Strome, am Zitadellentore eine
Fremden den Eintritt wehrende Tafel. In der belebten Hauptstrasse begann man
mit der Legung eines zeitgemässen Trottoirs, welches das Flanieren zu einer
geringeren Qual als das bisherige zu machen verspricht. Dagegen war die
•) 1905 zählte Nis 21954 Einwohner in 3681 Häusern.
Stadt und Festung Nis.
1G9
Strassentaiifc mit grösstenteils altserbisclicn Städte- und Heroennamen, wie die
Numerierung der Häuser, unter welclien mir nur wenige Neubauten auffielen,
vollendet. Am 11. Januar 1898 kamen die grossen Sympathien der Niäer für den
sie eifrig fördernden König Alexander und den „Befreier" Milan als 20. Jahrestag
seines Einzugs in die eroberte Stadt zum Ausdruck. Gleich begeistert wurde der
junge König am 15. Juni 19Ü0 dort empfangen. Der Bürgermeister Milovanovic
äusserte in seiner Anrede, das neuerstandene Serbien habe vieles der Dynastie
Obrenovic zu danken. Dem König Alexander sei die Aufgabe zuteil geworden,
sein treues Volk auf die Bahn des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fort-
schrittes und des Wohlstandes zu leiten. — König Alexander erwiderte, die Liebe
und das Vertrauen des Volkes, von dem er sich während dieser Reise abermals
überzeugt habe, verleihe ihm Kraft, seine ihm von Gott und seinem Volke anvertraute
Dlt .Vlonumentplatz in der Nüer Zitadelle.
Aufgabe zu erfüllen. Diese bestehe darin, Serbien wirtschaftlich, kulturell und
militärisch zu regenerieren, es zu einem Unterpfande des Friedens, der Ordnung
und der Arbeit auf der Balkan-Halbinsel zu gestalten. Eben deshalb hätten ihn'
auch die neuen Freundschaftsbeweise der Herrscher heider Nachbarstaaten, die
sich während seiner Reise durch besondere Missionen vertreten Hessen, überaus
freudig berührt. Er sei überzeugt, dass das serbische Volk, welches auf freund-
nachbarliche Beziehungen den grössten Wert lege, diese neuen Freundschaftsbeweise
des Königs von Rumänien und des Fürsten Ferdinand von Bulgarien gleichfalls
mit inniger Freude begrUssen werde.
Zu Nis tagte häufig (zuletzt 1901) die stets viel Leben in die Stadt bringende
Skupgtina. Ihre dann allerdings durch 120 Schreiber unterstützten 15 Komnumal-
beamten sind während der Session stark beschäftigt und weit mehr noch ein Teil
der 150 Staatsbeamten aller Ressorts, welche die in Nis seit 1896 zentralisierte
administrative Verwaltung des 2558 km ^ mit 246 Orten in 88 Gemeinden
umfassenden, 1905 von 184045 Seelen bewohnten Kreises besorgen. Von seinen
5 Bezirken sind der Niäer und Moravaer mit 70—82 Seelen per km^^ die
170 Stadt und Festung Nis.
dichtbevölkertsten; es folgen der Svrljiger und der Aleksinacer mit 55 — 70 und
der Banjaer mit 47 Seelen.
Am Wege zwischen dem Ozren- und Devica-Gebirge sah icii oft prächtige
Forste, in welchen riesige Weissbuchen, Eichen, Ahorne und Eschen nicht selten
waren, und überall zeigten sich Spuren von Hirschen, Rehen und Wildschweinen,
die unsere Annäherung verscheucht hatte. Füchse, Dachse und Marder, aber auch
den Herden grossen Schaden zufügende Wölfe und Bären reizen hier gleich
Adlern und Geiern die Weidlust. Bei Skrobnica, östlich von Soko-Banja, schiesst
man auch Auerhühner. In den tieferliegenden Tälern des Ozrengebirges gibt es
viele Zwetschen-, Äpfel- und Birnenpflanzungen, und weil dort noch die Haus-
kommunion wenig gelockert, ist auch der Viehstand ein guter. Entsprechend
dem vorherrschend bergigen Charakter des Svrljiger und Banjaer Bezirks treiben
beide starke Viehzucht und kommen dort mehr als 200 Stück auf den km-, im
Aleksinacer 170—200, im Moravaer 140 — 170, im Niser aber nur 120 — 140.
Im ganzen Kreise zählte man 1905 nahezu 11000 Pferde, 49100 Rinder, 370 Büffel,
340 Esel, 49400 Schweine, 300000 Schafe, 65200 Ziegen und 8600 Bienenstöcke.
Durch die Bodenverhältnisse bedingt, steht andererseits der Feld- und
Gartenbau in den fruchtbaren Niederungen der Morava und Nisava am höchsten
im Kreise. Namentlich gedeihen in der Umgebung von Nis und Aleksinac
vortrefflicher Wein, der jenem der Krusevacer Zupa gleichgestellt wird; ferner
Hanf und Tabak, der zu den besten Serbiens zählt; der Kartoffelbau ist aber
auch hier noch wenig entwickelt.
VII.
Durch Nis' Umgebung zur Suva Planina.
ICH erwähnte schon, dass ich Nis zur Zeit meines ersten Besuches (im Juni
1860) fieberhaft aufgeregt fand. Massendeputationen aus der Umgebung, in
malerisch-originellen Trachten die Strassen füllend, kamen, um dem Grossvezier
über erlittene Bedrückungen zu klagen; andererseits waren griechische BischiUe,
türkische Mudire, Defterdare (Steuereinnehmer), Gemeindevorsteher und Medzlis-
glieder berufen worden, um sich wegen allzu grosser Bedrückung der Rajah zu
verantworten. In jenem Momente war Vorsicht für jeden nicht mit wirkungs-
vollen Empfehlungen ausgestatteten Fremden bei dem Mangel dort residierender
europäischer Konsuln noch dringender als sonst geboten. Ich wagte es damals
nicht, das leicht erregbare Misstrauen der Türken durch Forschungen herauf-
zubeschwören, die jedenfalls mit der gründlichen Untersuchung der Festungswerke
hätten beginnen müssen. Dies allein wäre aber genügend gewesen, um abermals,
wie in Zvornik, für einen verkappten russischen Ingenieur gehalten zu werden
und mich Unannehmlichkeiten, wenn nicht Gefahren auszusetzen. Denn wer sonst
als ein „Inschenir" interessiert sich für Festungswerke und derlei Bauten? denkt
der für Altertumskunde geringen Sinn bekundende Moslim.
Begleitet von dem gefälligen Apotheker Romuli Lanzoni des IV. Nizam-
Regiments betrachtete ich wohl möglichst unauffällig die Hauptgebäude der
Zitadelle, die Steinverkleidung ihrer Tore, Moscheen usw. Doch, mit Ausnahme
einiger römischer Werkstücke vor der Hunkiar-Moschee, erblickte ich nirgends
bedeutendere antike Spuren. Im Jahre 1864 ermöglichte mir ein Stambuler
Bujuruldu, etwas freier den Resten von Naissus und seines kaiserlichen Lust-
schlosses Mediana nachzuforschen. Als ich jedoch diese Arbeiten im Oktober
1870 fortsetzen wollte, wurde ich auf Befehl des Gouverneurs Abdur Rahman
Pa§a verhaftet und zur Abreise nach Serbien gezwungen. Wie ganz anders in
den Jahren 1887 und 1889, wo der serbische Ministerpräsident alle Behörden
anwies, meine archäologischen Studien in jeder Weise zu fördern, und ich mich,
dank der Erlaubnis des Divisionschefs, mit vollster Freiheit in der Niäer Zitadelle
bewegen durfte.
172 Durch Niä' Umgebung zur Suva Planina.
Meine Ausflüge in Nis' Umgebung begannen 1864 mit einer Fahrt durch
die östliche Vorstadt bei der Zitadelle, wo sich Reste eines antiken Tempels
befinden sollten. Ich traf aber nur loses Mauerwerk von elenden Ziegeln,
gemengt mit Feldsteinen, das von einem älteren Türkenbau herrühren mochte.
Auch die von dem später schimpflich verjagten griechischen Bischof Kalinikos
empfangenen Winke bestätigten sich nur teilweise. Im grossen Hofe der Jeni
Küsla lagen wohl zwei 1,75 m lange römische Säulenstämme, doch alles Fragen
nach „gleichzeitig ausgegrabenen Steinen mit reichen Verzierungen und Inschriften"
blieb resultatlos.
Bessere Erfolge lohnten meine Exkursion nach Brzi Brod und Banja.
Verschiedene Mitteilungen, dass Niser Türken in dortigen Ruinen den vergrabenen
Schatz des Kaisers Konstantin gesucht, bewogen mich zu ihrer näheren Durch-
forschung. 4 km von Nis liess ich vom Konstantinopeler Heerwege nach dem
Friedhofe von Brzi Brod abbiegen. Antike Ziegelfragmente und Deckplatten in
nahen Feldern leiteten mich hinauf zur südlichen, die Grundfeste eines Römer-
kastells tragenden Höhe, dessen Material Mithad Rasa zum Baue der Niser
grossen Kaserne abbrechen liess. Auf halbem Wege zwischen dieser Befestigung
und der Strasse stiess ich, das Terrain sorgfältig rekognoszierend, auf Reste eines
monumentalen antiken Architekturwerks, des ersten und einzigen, das bis heute
auf dem Territorium von Naissus gefunden wurde. Den antiken Ursprung des
oktogonalen Hauptbaues bezeugten die vorzügliche technische Ausführung des
1,7 ni starken Mauerwerks, die fein bearbeiteten weissen Marmorplatten, prächtig
geschlemnite 40 cm lange, 20 cm breite Ziegel und die Güte des Mörtels.
Nach Abräumung des Schuttes im kreisförmigen Innenraume von 8,65 m Durch-
messer kam ein leider stark beschädigter Mosaikboden zum Vorschein, mit aus
braunen und weissen Sfeinchen hergestellten Ornamenfstreifen von wirkungsreichem
Rhythmus. Auch von der äusseren Dekoration fand ich Teile eines aus mehreren
Leisten und 5 cm breiten Pflöckchen gebildeten Zahnschnittgesimses, ferner
zertrümmerte Verkleidungsplatten. Ein weniger sorgfältig durchgeführter, im
Mauerwerk schwächerer, kreisförmiger Anbau von 9,48 ni Durchmesser umfing
drei gegen Norden gerichtete Fronten des Oktogons. Die Reste des kleinen
Prachtbaues bieten nur ungenügende Anhaltspunkte, um seinen einstigen Zweck
sicher zu bestimmen. Jude Hypothese erschien mir früher gewagt, obschon das
von Carrara im daliuatistischen Salona aufgedeckte frühchristliche Baptisterium
eine solche nahelegte. Nach der serbischen neuen Karte darf ich aber annehmen,
dass diese Bauten, das Kastell und andere von mir bei Brzi Brod aufgefundene
antike Substruktionen Mediana angehörten, das Ammian als einen zu Naissus
gehörenden, 3 Millien von diesem entfernten Flecken und Lustort mit kaiserlicher
Villa erwähnt, den Kaiser Justinian, gleich 32 anderen Kastellen in der Regio
Naissatensis, wiederherstellte oder — wie sein Lobredner Procopius ihm nachrühmt
— teilweise neu errichtete. Die landschaftlichen Reize und zwei nahe Heilquellen
von 19 und 38" C. mochten den Punkt zur Anlage der kaiserlichen Sommerresidenz
empfohlen haben. Man erreicht die am Fusse eines frischgrün bewaldeten Berges
liegende Therme, über sanft ansteigendes Terrain, auf einem von der Hauptstrasse
Durch Nis' Lfmgebuni; zur Suva Pl.uiinn,
17:5
SO. abbiegenden Vizinalwegc. Roinische Ziegel zwisclien türkisclien Mauerresten
und häufige antike Münzenfunde sind Zeugnisse des liier in der röniisclien und
niosiiniischen Glanzzeit gepflegten Badekultus.
Das heutige runde Badebassin für Männer ist von einem schlechten türkischen
Oberbau umschlossen, der das Eindringen des Lichtes nur durch kleine Öffnungen
gestattet. Bei der Vorliebe der Muslims für heisse Quellen gehörte Banja zu den
Grutidriss der antiken Bauten bei Brzi Brcid.
Lieblingsausflügen der Niser Türken. Dass es in einer früheren Epoche bedeutender
war, bezeugte 1864 noch die Ruine eines festen Baues mit spitzbogigen Fenstern
und Türabschlüssen; ferner die Mauern und das Minarett einer verlassenen
Moschee, welche traurig in die Luft ragten. Als ich Banja im September 1889
wieder besuchte, waren die türkischen Ruinen verschwunden, und neben den
alten Männer- und Frauen -Vollbädern, für deren Benutzung 20 c bezahlt werden.
BRZl BROD. Mosail<t)udcn.
entstand ein vom Belgrader Juwelier Popovic im Schweizerstil erbautes Haus,
das ausser einer freundlichen Veranda und Restaurationslokalen 12 Marmorbäder
und ebensoviel zu vermietende Zimmer im ersten Stockwerk enthält. Die
Regierung will überdies, als Eigentümerin des Bades, die ungenügenden alten
Bassins durch einen modernen Bau ersetzen, ferner ein zweistöckiges Gäste- und
Restaurationsgebäude aufführen und die heutige primitive Badeumgebung durch
eine schöne Parkanlage mit auf die nahen Berge führenden Promenadenwegen
ersetzerK" So geht das alte Banja einer vielverheissenden Verschönerung entgegen.
Falls auch diese sich verwirklicht, dürften die beiden heiltätigen Quellen seinen
174 Durch Nis' Umgebung zur Suva Planina.
Hauptanziehungspunkt bilden, welche als „Banjica" im schmalen Kalktuffeinschnitt
malerisch hinab zur gleichnamigen Bahnstation fliesscn und, weil nie zufrierend,
zwei Mühlen treiben, deren unausgesetzter Gang die ringsum herrschende Stille
unterbricht.
Wie heute der Saloniker Schienenweg, durchschnitt die römische Strasse
Naissus — Thessalonica von Nis den südlichen Alluvialstreifen bis zum Kurvingrad-
Defilee. Kurz vor diesem führt bei dem isolierten , Kurvin Han' ein Fusspfad
über Wiesengrund und Steingeröll hinauf zur gleichnamigen Schlossruine. Nach
den Studien und Funden, welche ich in den Jahren 1887 — 1889 im angrenzenden
Gebiete gemacht, ist es für mich heute zweifellos, dass die Römer auf der
Kurvingrader Höhe ein Kastell besassen, das ihre Naissus — Thessalonik-Strasse
schützte. Der von der Kurvingrader Schlossruine gekrönte 338 m hohe westliche
Ausläufer der Selicevica ist für eine derartige Aufgabe wie geschaffen. Mit
der jenseitigen, etwas niedrigeren Komiga sperrt er vollkommen das schmale
Morava-Defilee, in dem die heutige, der antiken Trace folgende Fahrstrasse und
Nis— Vranjaer Bahn, auf nur 1 km voneinander entfernten Brücken, die Morava
und Toplica kreuzen. 1413 forderte der Sultan Muhammeds Partei ergreifende
serbische Despot Stevan das damals „Koprijan" genannte feste Schloss vergeblich
zur Übergabe auf; die Zeit seiner Zerstörung ist unbestimmt. Noch vor fünfzig
Jahren waren die quadratischen Burgmauern und auch der Eingang besser erhalten,
über dem ein vierzeiiiger, mit zwei Büsten gezierter Römerstein eingefügt war;
der Oberbau gehört jener Epoche an, in welcher jeder serbische Gau seinen
Wojwoden besass und die lose verbundenen Landschaften sich nur durch den
gemeinsamen Gross-Zupan nach aussen als Staat darstellten. Verführt durch
den Namen, bezeichneten einige Historiker den König Mathias Corvinus als
Erbauer der Burg, obschon unter seiner Regierung nachweisbar Ungarns Herrschaft
sich nicht bis zur Toplicamündung erstreckte. Das Volk schreibt die Gründung
der in den letzten Jahrhunderten nicht mehr genannten Burg derselben Prinzessin
Nisa, Schwester jener bulgarischen Fürstinnen, zu, welche die Donauschlösser
Vidin und Vidbol erbauten (S. 136). Den Namen Kurvingrad leitet es aber
davon ab, weil diese Nisa als Dirne (Kurva) mit den Mönchen des jenseitigen
Komigaklosters ') sträflichen Verkehr pflog. Um diesen zu erleichtern, spannte die
lockere Dame einen Leinenpfad hinüber. Auf dem bezüglichen Phillithügel sind
noch einige Mauern des Klosters sichtbar, dessen schlimmes Andenken im Volke
seine Erneuerung bisher verhinderte. Trotzdem suchen es abergläubische Leute
auf und kriechen dort unter einem ausgehöhlten wundertätigen Steine weg, um
dadurch geheilt zu werden. Das Kurvingrader Schlossplateau bot einen trefflichen
Orientierungspunkt gegen Leskovac. Meine topographische Ausbeute überbot
hier die archäologische in unerwarteter Weise.
Das römische Säulenkapitäl, welches ich 1860 im Bauhofe der Niser
Kathedrale unter allerlei Gerumpel sah und schon 1864 dort vergebens suchte,
stammte aus Gradiste auf dem linken Moravaufer, und so richtete ich zur
') Milicevic, Kraljevlha Srbija, S. 16.
Durch Nis' Umgebung zur Suva Planina.
175
Untersuchung der Fundstätte einen zweiten Ausflug dahin. Die Dörfer Medosevac
und Novo Selo rechts lassend, durchschnitt ich auf der Nis-Prokupljer Strasse
in gerader westlicher Linie die hier stark sumpfige Ebene bis zum jenseits der
Morava liegenden Mramor, bei dem eben eine von Mithad Pasa angeordnete
Brücke auf Steinpfeilern vollendet wurde. Die serbische Regierung liess die
129 m lange, 7 m breite Brücke mit eisernem Oberbau vollkommen erneuern,
forderte aber, um die aufgewendeten 100000 d ersetzt zu erhalten, eine Passagetaxe.
Als die sparsamen Bauern infolgedessen die benachbarten Furten aufsuchten,
wurde die Abgabe aufgehoben. Mramor liegt am Steilrande der 18 km langen,
vom -Jastrebac sich abdachenden Terrasse „Dobric", welche von Supovac
südlich bis zur Toplicanuindung sich erstreckt. Auf weite Strecken überwuchern
BANJA. Die Ruine eines festen Baues.
Paliurushecken ihren wenig bevölkerten fruchtbaren Boden, den Einwanderer vom
Kaukasus kultivieren sollten.
Bei dem die Brücke überwachenden Blockhause stiess ich auf die nur wenige
Minuten vom christlichen Mramor liegende erste tscherkessische Ansiedelung mit
50 Häusern. Gleich viele Gräber zählte der nahe Friedhof schon wenige Wochen
nach ihrer Ankunft; viele andere der dem russischen Schwerte entgangenen
Emigranten erlagen der Strenge des folgenden Winters. Dank seiner günstigen
Lage bildete Mramor schon zur Römerzeit den Morava-Übergang für den Weg,
der von Naissus unter dem Kastelle nördlich von Bresnica über den Mali
Jastrebac, gedeckt durch die jenseitigen bei Vrccnovica und Kulina (S. 105)
zur berühmten Therme Ribarska banja, weiter nach Krusevac lief.
Ein gleich wichtiger Strassenpunkt war das mit Balajinac zusammenhängende
Gradiste, das, gleichfalls von der Merosinska reka durchflössen, früher der Hauptort
des „Dobric" war. In der Chorapside seines „crkviste" fand ich ein auf Feldsteinen
ruhendes, dem zu Ni§ gesehenen ganz ähnliches Kapital als Altar benutzt; ein
drittes wanderte nach dem nördlichen Secanica; alle drei sollen aber, wie man
mir versicherte, im benachbarten „grad" gefunden worden sein. Diese Schlossruine
176
Durch Nis' Umgebung zur Suva Planina.
steht auf der südlichen, mit Wein bepflanzten Hölie. Ihre vor sechzig [ahren
noch liohen Mauern niussten, auf Befehl des damaligen Niser Paschas, wie einzelne
der mich begleitenden Bauern sich erinnerten, abgebrochen und das Material,
gleich jenem der meisten Schlösser des Toplicagebietes, nach Nis zu Militär-
bauten geführt werden. Vergeblich forschte ich im „grad" im Jahre 1864 nach
römischen Spuren. Milicevic berichtet aber von dortigen Substruktionen mit
grossen quadratischen Römerziegeln. Dies und die erwähnten Kapitale sprächen
dafür, dass auf der Stelle der mittelalterlichen Feste ein Kastell stand, unter
dessen Sciiutz die Strasse die Toplicahohen, gegenüber dem linksuferigen
Zitoradje, erreichte. Die Ruine wird von Milicevic'), gestützt auf die iS. 80
erwähnte Quelle, mit dem altserbischen Koprijan'-), Jirecek mit Prokuplje
identifiziert ■■*), die der gegen beide Ansätze polemisierende Hil. Ruvarac richtiger
in Kurvingrad erkannte. <) In Gradiste hatte ich jedenfalls den ersten festen
Punkt an der von Nis über Prokuplje zur Adria laufenden Römerstrasse gefunden,
Kurvingrad-Defilec von der Thessaloniker Strasse.
was mir 25 Jahre später die Feststellung ihres von Hahn u. a. falsch aufgefassten
Laufes wesentlich erleichterte. (Siehe X. Kap.)
Immer wieder gestattete der liebenswürdige Nacelnik Arsenovic dem Ingenieur
Bartos, mich von dem für einen Monat zum Zentrum meiner Ausflüge gewählten
Nis nach den verschiedensten Richtungen zu begleiten. Eine der genussreichsten
Exkursionen war unsere Fahrt nach dem Landgute des Generals Horvatovic bei
Medosevac. Einst gehörte es dem mächtigen Hafis Pasa. Der schon genannte
Erbauer des Niser Königssitzes verlebte hier in der einstöckigen Kula mit
prächtigem Belvedere und im lauschigen Konak mit weissem marmornen Kühl-
brunnen, unter schattigen alten Laubbäumen, mit seinen Frauen die heissen
Sommertage. Man nuisste über gleich grosse Einkünfte wie Hafis verfügen, um
diesen, durch eine hohe Mauer von der Aussenwelt abgeschlossenen herrlichen
Landsitz in seiner ursprünglichen Schönheit zu erhalten. Auf 60 Hektar treff-
lichsten Bodens, die zu ihm gehören, liess Horvatovic bei den ausgedehnten
') Kraljevina Srbija, S. 356.
-') Koprijan, Daniele, Rjecnik, S. 475.
") Heerstr. v. Belg. n. Sal., S. 77.
■■) Qlasnik 49, S. 10. Auch Novakovic hält Koprijan mit Kurvingrad identisch (Serben
und Türken, S 358).
Durch Nis' Umgebung zur Suva Planina.
177
Obst- und Gemüsegärten auch Rüben und andere Futtersorten für den kleinen
Viehstand bauen. Doch welch ungleich höheren Ertrag müsste das Gut unter
der Leitung eines rationell wirtschaftenden deutschen Landwirts abwerfen!
Vom nahen Komren zieht der Wein hinauf gegen Hum, dessen Befestigungen
Fürst Milan am 25. Februar 1878 befehligte, und auf die in allen Kämpfen um Ni§
vielgenannte Vinikhöhe. Vorüber an ihren drei Schanzen und dem weissen, festen
Dynamitmagazin ritt ich mit Herrn Bartos hinauf zum nordöstlicheren Cegr, berühmt
durch Sindjelics auf S. 144 geschilderten Heldentod. Fürst Milan ehrte seine
Sindjelic-Denkmul am Cegr hei Nis.
Tat durch ein am 3. Juli 1878 geweihtes Denkmal. Es trägt auf einer Seite
die Inschrift: „Dem Wojwoden Stevan Sindjelici und seinen unsterblichen
Helden, die ruhmvoll hier fielen, am 19. Mai 1809 Nis belagernd", auf der
anderen: „Fürst Milan Obrenovic IV. und seine tapfere Armee rächten sie am
28. Dezember 1877, Nis befreiend." Als der junge König Alexander das Monument
besuchte, erschien dessen breites, aus Ziegeln erbautes Piedestal, auf dem die
senkrecht stehende weisse Marmorplatte ruht, so hinfällig, dass er dessen
Renovierung auf seine Kosten anordnete. Ringsum reifen prächtige Pfirsiche und
Trauben; die Aussicht nach der Suva Planina ist entzückend. Schon des reichen
Naturgenusses wegen sollte kein Besucher Ni5' säumen, den Cegr zu besteigen.
F. KANITZ, Serbien. 11. 12
178 Durch Nis' Umgebung zur Suva Planina.
Ein Höhenzug trennt das Nisavabecken vom Tinioktal, aus dem leicht
passierbare Einsattelungen und breit geöffnete Einschnitte nach Naissus führten.
Die Römer suchten diese Zugänge tunlichst zu sperren. Ihre vorgeschobenen
Befestigungen des grossen Waffenplatzes scheinen mit dem Kastell an der
nördlichen Toponica begonnen zu haben, wo bei Miljkovac Reste eines mittel-
alterlichen, ursprünglich antiken Werkes erhalten sind (S. 134). Ein anderer
wichtiger Punkt war das nordöstliche Kamenica, von dem eine Wasserleitung mit
mächtigen Röhren nach Naissus lief. Die dortigen antiken Werk- und Votivsteine ')
stammen, wie ich hörte, meist aus der befestigten Römersiedelung auf dem
420 m hohen Weinberge bei Gornja Vrezina und von Camurlija, dessen Kastell
2 m starke Mauern besass, auch 50 cm lange Ziegel, Deckplatten und Münzen
treten dort häufig zutage. Bei Kamenica wurde im Jahre 1888 ein von Valerian
Domitianus dem Jupiter gewidmeter dreizeiliger Stein gefunden. Den 60 cm hohen
und 80 cm breiten oberen Teil eines mit Kränze haltenden Genien und anderen
Figuren geschmückten Grabsteins sah ich 1889 in der Nordmauer der verfallenen
Kirche, welche auf der Metohvorhöhe der nördlichen Slovica, neben einer vom
Blitze gespaltenen Riesenulme, zwischen Kamenica und Gornji Matejevac, steht.
Die aus Ziegeln und Hausteinen hergestellte, östlich durch eine halbkreis-
förmige Apside geschlossene Kirche wurde in der Mitte von einem quadratischen
Oberbau überragt, welcher den oktogonalen, nun stark zerstörten Kuppeltambour
trug. Vor dem Eingange mit geradlinigem Sturze sind die Rudimente eines kleinen
Narthex sichtbar. Von der äusseren Dekoration blieb am vierseitigen Kuppeluntersatz
nur ein aus über Eck gestellten Ziegeln gebildeter Zahnschnitt erhalten. Trotzdem
aber die Gewölbe einzustürzen drohen, wird hier der Sabortag Sv. Trojica
(hl. Dreieinigkeit) unter lebhafter Beteiligung der nahen Orte festlich gefeiert.
Gleiches Ansehen geniesst Sv. Jovan, ein altes Kloster, das man auf dem
Steilpfade der Raseva padina in der vom 750 m hohen Temeni Vrh und dem
niedrigeren östlichen Belo Brdo gebildeten Engschlucht erreicht. Gegenwärtig
ohne Mönche, verwaltet seinen Grundbesitz von 31 Hektar Feld-, Wein- und
Waldboden der Pfarrer von Gornji Matejevac. Das pittoreske Kirchlein gleicht
technisch der 1838 restaurierten Christi Himmelfahrts-Kirche dieses wohlhabenden
Ortes, zu dem wir an dem rauschenden Bache Kaludjere hinabstiegen. Seine hart
aneinander gerückten 274 Häuser mit 2628 Seelen (1900) erinnern an italienische
Kastelle. Der hohe, zyklopische, fortartige Unterbau birgt als Keller oft, wie ich
staunend sah, 10 bis 12 Fässer ä 5000 kg Wein. Das leichte Holzgeschoss mit
Lehmüberzug und rotem Ziegeldach enthält den Wohnraum. Man schätzt den
Weinertrag in Nis' Umgebung auf 24000 Hektoliter. Der zur Türkenzeit mit 6 — 10 d
per Hektoliter bezahlte Rotwein kostet gegenwärtig 15 — 20 d; der weisse ist etwas
teuerer. Früher führte Matejevac gleich den Nachbarorten viel Wein und Getreide
nach Bulgarien und brachte dafür Vieh zurück. Dieser Handel litt neuestens stark.
Trotzdem erhält sich die Hauskommunion so ziemlich. Hier wohnen drei wohl-
habende Popen, von welchen einer die Seelsorge im östlichen Knez-Selo besorgt,
') C. I L . III, Suppl. Fase. II, No. 8246, 8254.
Durch Niä' Umgebung zur Suva Planina.
179
und wie zu Sicevo gibt es einzelne Gehöfte mit 20 bis 35 Seelen, deren Vermögen
20000 Dukaten und mehr betragen soll.
Vorüber am „Copin grob", in dem ein im Kamjife um sein Recht gegen
türkische Dränger gefallener Rajah ruht, fuhren wir nach Donja Vrezina. Es
besitzt einen alten Fr^edhof. zwischen dessen interessanten Grabsteinen innerhalb
einer leichten Umfriedung von Feldsteinen früher Gottesdienst gehalten wurde. Nahe
beim Dorfe durchfurteten wir die Nisava, und die linksuferige treffliche Mithadstrasse
brachte uns bald zur Cele Kula. Auf Seite 144 schilderte ich die Vorgänge,
welchen das traurige Monument seine Entstehung dankt. Als ich es in einer
stillen Mondnacht des Juni 1860 in Romulus Lanzonis Gesellschaft zum erstenmal
Kirchenruilie bei Gornji Matejevac mit Roiiierstein.
besuchte, zeigten seine durch 50jährigen Verfall erniedrigten Mauern immer noch
16 Reihen mit je 16 Schädellücken, also die Plätze von 1024 Köpfen. Diese
selbst waren bis auf einzelne Reste verschwunden. In dunklen Nächten hatte die
serbische Landbevölkerung sie allmählich ausgebrochen und in geweihter Erde
begraben. Auf den Schultern des Doktors kletterte ich empor bis zur höchsten
Reihe, und es gelang mir, ihr vielleicht die letzten Reliquien zur Erinnerung an
den Opfertod jener serbischen Helden zu entnehmen.
Wieder sah ich 1864 und 1870 den Schädelturm. Seine Umrisse hatten
sich wenig verändert. Einzelne humane Gouverneure wollten ihn rasieren; doch
die Furcht vor dem Niser moslimischen Pöbel hielt sie zurück, der christlichen
Bevölkerung diese Genugtuung zu geben. Mahmud Pasa errichtete im Jahre 1860,
gleichsam zur Sühnung, dass ihm die Zerstörung des barbarischen Denkmals
nicht gelang, neben demselben einen Brunnen, dessen klarer Quell Türken und
180 Durch Nis' Umgebung zur Suva Planina.
Christen f';leicli kiililciidc Labung spenden sollte. 1864 entstand neben dem Turme
ein kleiner Konak zur Aufnahme hoher türkischer Funktionäre vor ihrem Einzüge.
Mithad Paäa erbaute dort ein Militärspital mit 80 Betten, das seit der
serbischen Eroberung durch drei Pavillons vergrössert wurde und weitere drei
erhalten soll. Den Schädelturm fand ich durch ein Gitter umschlossen und durch
einen kioskartigen Oberbau auch sonst gegen jede weitere Verwüstung geschützt.
Es scheint demnach, dass man das barbarische Monument für kommende
Gesciilechter zur Erinnerung an die einstigen türkischen „schwarzen Tage"
erhalten will.
Am Frühmorgen des 6. September 1889 bogen wir bei der „Cele Kula" in das
Quertal des Gabrovacki potok ab, welcher von Süd nach Nord am Osthange der
Gorica, in diluvialen Geröllmassen eingeschnitten, ihre Verteidigungsfähigkeit
wesentlich erhöht. Nach kaum halbstündiger Fahrt zwischen den rebenbepflanzten
Höhen bemerkten wir im Bachgraben einen kauernden Soldaten, der uns lautlos
passieren liess, während es seine Pflicht gewesen wäre, uns die Passage zu unter-
sagen. Gleich darauf hörten wir Hornsignale und ein unheimliches Pfeifen über
unseren Köpfen. Jetzt erst bemerkten wir auf der rechtsseitigen Höhe einige weisse
Zelte, vor welchen Infanterie sich im Schiessen nach einer auf der linksseitigen
angebrachten Riesenscheibe übte. Unser Wagen befand sich schon unter der
Schusslinie, als uns das Gefährliche unserer Situation klar wurde. Herr Bartoä
sprang rasch ab und suchte im Graben Deckung; ich blieb, trieb den Kutscher
zur Eile und kam glücklich durch. Der befehligende Offizier musste uns bemerkt
haben, vertraute aber der Zielkunst seiner Soldaten, sonst hätte er das Schiessen
wohl eingestellt. Bis sich mein Gefährte weidlich ausgeschimpft, waren wir durch
Gabrovac zum gleichnamigen Kloster gelangt, und angesichts der freundlich
anmutenden Heilstätte, deren Archimandrit Joanikije uns freundlich begrüsste, war
unsere durch den unerwarteten Zwischenfall aus dem Gleichgewichte geratene
Stimmung wieder hergestellt.
Die Tradition tat alles, um die Anziehungskraft des der Sv. Trojica —
nicht der Sv. Bogorodica, wie Milicevic schreibt — geweihten Klosters zu erhöhen.
Sie lässt es durch einen Nemanjiden gründen und den Zar Dusan auf einem
Kriegszuge mit seinem Heere hier die hl. Kommunion empfangen. Urkundliches
existiert darüber gleich wenig, wie über des Klosters Schicksale bis zu seinem
Verfalle. 1835 liess es Cir Kosta aus Nis restaurieren. Noch jünger sind die
Fresken der aus nur einem Langschiffe bestehenden Kirche. In der offenen
Vorhalle stellte der Maler die Männer und Weiblein erwartenden Höllenqualen
in drastischer Weise dar. Den nahen hübschen Brunnen stifteten die vereinigten
Snajderski-, Terzijski- und Abadzijski-Zünfte von Nis im Jahre 1837. Das neue
Wohnhaus erbaute Joanikije 1874, welcher den unmittelbaren Grundbesitz von
16 Hektar, darunter 7 Hektar Felder und Wiesen, 3 Hektar Wein- und Obstgarten,
sowie den seiner Metohien: Sv. Ivan, Sv. Bogorodica, Curlina und Sicevo
trefflich verwaltete. Dem Staate bezahlt das. Kloster von der 1800 d betragenden
Einnahme an Steuern 250 d. Ein grosser Teil der vor Ni§ im Dezember 1877
gefallenen Serben wurde hier bestattet. Die lauschigen Haine, in welchen sie ruhen,
Durcli Nis' Umgebung zur Suva t'lniiinn.
ISl
bilden einen Lieblingsausflug der Ni§er. An Sonn- und Feiertagen fehlt es nie
an Gästen, die hier Stärkunij für Seele und Leib suciien und finden, üewöiinlicii
wird der Spaziergang durch den Kiosterwald bis zum südlichen Denska ausgedehnt,
wo neben alten Mauerresten sich im dunkelfarbigem sandigen Letten ein primitiver,
jüngst verlassener Braunkohlenbau befindet. Über ein hier ausgegrabenes Siegel
von Silber, das nach dem altserbischen Kloster Decani gebracht worden sein
soll, wusste der Archiniandrit nichts zu sagen.
Von Denska kletterten wir hinauf zur von lier in 1004 m kulminierenden
Seliccvica NW. gegen Nis sich vorschiebenden 457 m hohen Gorica. Das sie
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Der Schadclliirni zu Nis, 181)0 und 1K97.
krönende „Markovo Kaie" gilt seit
langer Zeit als dessen wichtigste
strategische Position, die mit der nord-
östlichen grossen Redoute bei Gornja
Vrezina die Piroter Strasse und Bahn-
linie unter Feuer nimmt. Zweifellos
besassen auch die Römer auf der Gorica ein Verteidigungswerk; trotzdem ich
aber die Erdwälle und Reste der 1878 rasierten türkischen Bauten emsig durch-
forschte, gelang es mir nicht, die bescheidenste römische Spur aufzufinden. Das
Volk behauptet, die wenigen älteren Mauern stammten von der Burg seines
Lieblingsheros Marko Kraljevic und der anschliessenden Stadt, die sich bis zum
westlichen Curlina ausdehnte. Wirklich stiess dort der Bauer Blagoje Milosevic
aus dem südlichen Malosiste 1882 auf feste Mauern, die nach Abräumung des
sie deckenden Schuttes sich als Grundfesten einer zerstörten Kirche erwiesen.
Sie musste einem sehr bedeutenden Gemeinwesen angehört haben, denn der
bedeutendste Bau der Nemanjiden, die Carska Lavra zu Studenica, besitzt nur
182 Durch Nis' Umgebung zur Suva Planina.
eine Länge von 25,5 ni, bei 9 m Breite. Die Curlinaer Kirche ist aber mit dem
Prostylum 28,5 m lang und 16,1 m breit.
Sclion wälirend der Aufnahme des Grundrisses, die den von Miiicevic
publizierten w^esentlich ergänzt und berichtigt, fiel mir seine Ähnlichkeit mit den
dreischiffigen Basiliken zu Mesembria am Pontus auf, sowie ein die ganze Anlage
charakterisierender Gegensatz zu den altserbischen Kirchen des Königreichs.
Keine unter diesen gleicht der Curlinaer Kirche; keine besitzt einen gleich aus-
gesprochenen, dem Narthex vorgelegten, durch Pfeiler und Säulen gebildeten
Prostylos. Auch fehlen alle Anklänge an den Zentralbau. Die 3,2 m breiten
Seitenschiffe und der nahezu doppelt breite, durch 8 Pfeileröffnungen mit diesen
verbundene Hauptraum führen zu ihren halbrunden, nach aussen dreiseitigen
Apsiden, von welchen die 6 m lange Altartribuna durch die zwischen 2 Säulen
CURLINA. Giiindriss der byzantinischen Kirclie.
eingefügte Bilderwand abgeschlossen war und ähnlich wie die Mesembrianer
Johanneskirche eine erhöhte Rundbank mit Katheder für den Klerus enthielt.
Vor der Ikonostasis gelangte man durch die Seitenschiffe in zwei kapellenartige
Anbaue mit selbständigen westlichen Eingängen und verschiedener östlicher
Ausgestaltung; die nördliche endet geradlinig, die südliche aber in halbrunder,
über das Seitenschiff vorspringender Apside. Die Gliederung des auch von Nord
und Süd zugänglichen Narthex entspricht dem dreischiffigen Hallenbau der Kirche,
aus jedem seiner drei Räume führte ein besonderer Eingang in dieselbe. Die
stufenartige Erhöhung im nordwestlichen Teile diente vielleicht zur Absonderung
der zu Kirchenstrafen verurteilten Büsser; auch an der nördlichen Schmalmauer
des Prostylos befindet sich eine ähnliche Stufe; an seiner Südseite sind aber die
Grundfesten von vier Pfeilern sichtbar, welche wahrscheinlich das gewölbte
Glocken- oder Symantrongeschoss trugen.
Die Bautechnik und die Beschaffenheit des Materials ist durchgehends
vorzüglich. Die 90 cm starken Mauern aus wechselnden Kalkstein- und Ziegel-
lagen mit gleich breiten Mörtelfugen sind durchschnittlich 1 m hoch über dem
Durch Nis' Umgebung zur Suva Planina.
183
an vielen Stellen sichtbaren Bodenpflaster erhalten. Die 3—5 cm starken Ziegel
messen durchschnittlich 33 cm im Vierecke, die zum Estrich der Altarapside
verwendeten 42X25 cm. Von den granitnen Säulen der Ikonostasis und des
Prostylos sah ich 4 Stämme von 2 m Länge und 0,40 m Durchmesser, zwei roh
gemeisselte Basen au-s rotem, eine aus weissem Sandstein, ferner ein leider stark
beschädigtes 0,75 m langes und 0,31 m hohes byzantinisch stilisiertes Kapital.
Alles, auch die Fresken, von welchen ich Spuren fand, deutet auf das gleiche
Alter dieser wahrscheinlich durch die Amanten zerstörten schönen Baute mit der
dreischiffigcn St. Sophia zu Sofia hin. Die Erhaltung der vom Volke als geheiligt
betrachteten Stätte dürfte das in ihrer Mitte errichtete hölzerne Kirchlein wirksam
fördern, in dem ein Mönch des Gabrovacer Klosters an Sonn- und Festtagen
die Liturgie liest.
Die breitkronigen Pappeln und Weiden, welche Mithad Rasa entlang seiner
Piroter Strasse pflanzte, verdichteten sich zu einer prächtigen Allee, in deren
CURLINA. Saulcnkapitiil.
wohltuendem Schatten wir die 11 km von Ni.s bis zum Jelasnica-Defilee trotz
des heissen Septembertags angenehm zurücklegten. Im Defilee liess der häufig
das Tal besuchende König Milan den schlechten Reitpfad durch kostspielige
Sprengungen fahrbar machen. Während des fortwährenden Uferwechsels bewunderte
ich die auf rötlich-lettigem Sandsteinpicdestal romantisch gelagerten dolomitischen
Picks, Hörner, höhlenreichen Kuppen, sowie zahllose überhangende und aus dem
FUissbette aufsteigende pittoreske Felsen. Zwischen hochstämmigen Rotbuchen
und Nussbäumen erscheint oben, gegenüber dem Kirchlein Sv. Petar, manchmal
ein Gehöft, unten rauscht in tausend Sprüngen und Windungen, mehr hüpfend
als fliessend, die klare Jelainica.
Beim gleichnamigen Dorfe, dessen Frauentracht als schönste um Nis gilt,
kam uns Herr Kosta Markovic, der Eigentümer des nahen Bergwerks, entgegen.
Die Vorrichtungen zur Förderung der bis Kurvingrad streichenden Kohle machten
einen stark hinterwäldlerischen Eindruck. Nach 300 m Stollentreibung stiess man
1889 auf ein vielversprechendes 3 m starkes Flöz, aus dem die hier täglich mit
1—3 d bezahlten 80 Arbeiter wöchentlich nur eine Waggonladung für den Niser
Ringofen förderten. Auch an die Verwertung des hier anstehenden trefflichen
Zements wird gedacht. Eine in das Belgrader Museum gelangte 17 cm lange.
184
Durch Nis' Umgehung zur Suva Planina.
252 Gramm schwere reinkupferne Spitzhaue von seltenem Typus stammt vom
nahen, mit Mauern gekrönten Radosinberge.
Interessant sind die Tuffbildungen beim südlichen Donja Studena, welche
der vom 670 m hohen Rajac abströmende Bach fortwährend erhöht. Unmittelbar
nachdem seine neun dem Dolomitschutt entspringenden Quellen sich vereinigt,
treiben sie die 7 Mühlen des Dorfes. Viele der prächtigen Nussbäume, welche
den „vreio" (Ursprung) umgeben, sind gefallen, trotzdem wird das immer noch
kühle, lauschige Plätzchen von den Umwohnern gern aufgesucht, dessen kristall-
klares Wasser von 10" C. für heiltätig gilt. Der Talabschluss führt hinauf zum
Studenski Vrh, den Fürst Milan zum erstenmal am 4. April 1878 bestieg, um die
gepriesene Aussicht von der Suva Planina zu geniessen; hierbei stiess der natur-
CURLINA. Byzantinische Kirchenruine.
liebende Herrscher auf verschiedene fremdartige Pflanzen, von welchen er viele
in seinen Niser Garten übertragen liess. Auch König Alexander suchte gern die
prächtigen Schluchten und Höhen des Suvastockes auf, so im Herbste 1895 in der
anregenden Gesellschaft der Professoren Lozanic und Nikolajevic. Obschon seine
Flora wegen der vielen unzugänglichen Schlünde und Abstürze nur unvollkommen
bekannt ist, verzeichnete bereits Pancic 32 seltene Pflanzen, darunter die Novitäten:
Orobus pubiscens, Ramondia Nathaliae und Ornithogalum Nyssanum als aus-
schliesslich ihm angehörend. Seit 1889 stellte sich der zu Leskovac wirkende,
von der Direktion des Wiener Botanischen Gartens unterstützte Lehrer Djura llic
die eingehendere botanische Erforschung der Suva Planina zur Aufgabe.
Sehr lebendig erhielten sich die Erinnerungen an die Römerzeit im
Jelasnicatale. An den Felsen bei Cukljenik klebende Mauerreste werden einem
„lateinischen Kaiser" zugeschrieben und ebenso die vom Kunovica-Defilee zum
Jelasnicaer „greben" streichenden; beide Werke soll er zum Schutze seiner
Hauptstadt (Naissus) und des Konstantinopeler Weges erbaut haben. Ein bei
Durch Nis' Umgebung zur Suva Planina. ISf)
Cukljenik aufgefundener, einem Soldaten der LEG VII CL gewidmeter Votivstein ')
und ein anderer aus hartem Sandstein am Kozmovacko tocilo bestätigen
die Anwesenheit der Römer an diesem Punkte, ihre Befestigungen am Eingange
des Kunovica-Defilees und an der Jclasnica standen in Beziehung zu jenen im
Kutinatale, in dem ich eine von vielen Kastellen gehütete Römerstrasse feststellte.
Am 25. September 1889 trat ich von Nis den Ausflug in das grosse Tal
der Kutina an, die nicht weniger als vier Orten ihren Namen lieh. 3 km von ihrer
Mündung in die Ni§ava liegt Eminova-) Kutina. Die Strasse durchschneidet
dort auf phyllitartigen, talgreichen Schiefern lagernde rotbraune Sandsteine und
gleichfarbige Konglomerate, welche prächtigen Mais und ausgedehnte Obstkulturen
zeitigen. Seine hübsche Mehana mit schattigem Garten bildet einen Lieblings-
ausflug der Niser. Aus dem Besitze des wohlhabenden Muhti Effendi, der im
abseits zwischen lauschigen Birnbäumen stehenden Konak mit seinen beiden
Frauen und Kindern hier sonnige Tage verlebte, ging das Landgut für geringes
Kupfer-Spitzh.Tuc vorn R.idosinlierK (Niser Kreis).
Geld an den spekulativen Niser Kaisar Hadzi Mihail Pesic über, der nun
an Pachtzins aus der Mehana allein 100 Dukaten jährlich zieht. Im 1 km
weiter sich verengenden Tale schneidet die Strasse in den rechtsuferigen, stark
verwitterten Glimmerschieferhang init steiler, stetig auf- und absteigender Trace.
Ihre unverantwortlich schlechte Anlage fällt dem Bezirkshauptmann und seinem
Schreiber zur Last, welche, wie es leider noch heute oft in Serbien geschieht;
die Anordnungen des Kreisingenieurs willkürlich abänderten, bis dieser, des
Haders müde, den Bau im Stiche Hess.
Zwischen Lazarevo Selo und Draskova Kutina verbreitert sich das
schluchtartige Tal. Wir setzten über eine schöne, durch Unterwaschung aber
stark bedrohte Brücke von rotem Sandstein, der, mit Quarzkonglomeraten hier
nahe anstehend, rechts und links, tief hinein in die vielen Einschnitte der Suva
Planina und Selicevica alles rot färbt. In gleich steilen, wie kurzen, die Geschick-
lichkeit des Rosselenkers erprobenden Kurven ging es nun immerfort hart am
tief eingeschnittenen Bachrinnsal abwärts nach Prokopova Kutina oder richtiger
zu seinem grossen, an die Strasse vorgeschobenen „Gadzin Han", bei dessen
von einer hohen Weide und alten Ulme beschatteten Brunnen stets reges Leben
•) C. I. L. III, Suppl. Fase. II, No. 8252.
-) letzt lieisst der Ort Prva Kutina.
18fi Durch Nis' Umgebung zur Suva Planina.
herrscht. Mit einigen Schenken, dem Gemeindehaus und einer Mühle bildet der
Han das Forum für die umhegenden Orte: Draskova Kutina, Koprivnica, Jaglicje,
Cagrovac, Dugo Poije, Krastavce und Celije, deren 820 Steuerzahler fortwährend
Geschäfte mit dem hier tagenden gemeinsamen Knieten abzuwickeln haben. Die
Diskussionen setzen sich meist bei Wein und Rakija im grossen Mehanaraume
fort, und da hier alles öffentlich verhandelt wird, hörten wir, dass einige Insassen
des in einer östlichen Lehmschlucht liegenden Jaglicje gekommen waren, um die
Baurechnung ihrer kurz zuvor eröffneten Schule zu regeln. Lange tönte die
lärmende Beratung in unseren Schlafraum herüber, um sich am Morgen zu
erneuern.
Südlich vom Gadzin Han tritt die Strasse in das Cagrovacka-Defilee und
steigt bald hinter Marina Kutina die südöstlichen Höhen von Duga Poljana
hinan. Die neue Trace zweigt oft, weil allzu steile Stellen durch gut entwickelte,
aber zeitraubende Kurven umgehend, von der antiken und türkischen ab. Da, wo
der unterlagernde Sandstein zutage tritt, zeigte sich die Fahrbahn leidlich gut;
im leicht beweglichen Konglomerat und Schieferterrain liess sie aber viel zu
wünschen übrig; die starken Regen hatten streckenweise den Boden aufgeweicht
und nahezu alle Brücken fortgerissen. Bei dem vom Hanwirte bezeichneten
Punkte bogen wir nach einer südwestlichen Vorhöhe des durch malerische
Spitzen und Steilabstürze ausgezeichneten, 1673 m hohen Sokolov Kamen ab.
Der mühsame Aufstieg zu ihrem scharf geböschten Plateau, zwischen dessen
zerklüfteten Kalkfelsen ein Wässerchen sich den Weg zur Kutina bahnt, blieb
nicht resultatlos. Die westliche, 130 m lange, 50 bis 60 m breite Kuppe zeigte
sich von römischen Mauern umwallt, die zu dem durch einen natürlichen Graben
getrennten, 20 m höheren südöstlichen Cukakopfe weiterliefen. Das ungemein
stark verwüstete Kastell ist derartig von Gestrüpp überwuchert, dass ich seinen
Grundriss, obschon auch Ingenieur Bartos eifrig umherkletterte, nur unsicher
bestimmen konnte.
Durch den Strassenumbau wurde der nun tief unten liegende Miljkovacer
Han ganz unbenutzbar, und so fuhren wir unter strömendem Regen nach Donji
Dusnik. Der Kern dieses grossen Dorfes liegt auf dem linken, sein Forum, Han
und Kramladen aber nahe der Strasse auf dem rechten Kutinaufer. Wiederholt
wollte man den günstig gelegenen Ort zum Kapetanssitze des „Srez Zaplanjski" '),
in dessen Bezeichnung der altslavische Landschaftsname „Zaplanje" fortlebt,
erheben, doch 1887 entschied man, ihn in Nis zu lassen und blieb dabei. Der
von Gästen überfüllte Han bildete den Mittelpunkt des neuesten politischen
Ereignisses. Es wurde zum erstenmal nach dem von der radikalen Skupstina
sanktionierten Wahlreglement gewählt, und nicht weniger als vier Fünftel aller
Wahlberechtigten waren am 26. September zu dem mit allgemeiner Spannung
erwarteten Akte erschienen; dieser spielte sich in der grossen Stube des kurz
zuvor vollendeten, noch unbenutzten Hanbaues der Brüder Marjanov in würdiger
Weise ab.
') 1891 wurde dieser Bezirk dem Niser einverleibt.
Durch Nis' Umgebung zur Suva Planina.
187
y^'*t:
In jenen be-
wegten Tagen fiel es
schwer, irgendeinen
Senator, Professor,
Arzt, Ingenieur usw. -
an seinem Berufs-
orte zu treffen. Die
ganze Intelligenz war
auf der Wanderung. Das Gesetz forderte die Leitung
der Wahlen in jedem einzelnen Bezirke durch ihm
fremde Kommissare. Der Piroter Kreisarzt wurde
beispielsweise mit dem Umweg über Nis, Leskovnc
und Vlasotinci nach dem hoch im Gebirge liegenden
Crna Trava entsendet; für unser Dusnik hatte der
Belgrader Hochschulprofessor Stamenkovic das mühevolle Amt übernommen. Der
serbische Bauer begreift leicht; das Wahlverfahren zeigte sich aber sehr kompliziert.
Die Wähler traten in Gruppen zu fünf in den Saal; jedem einzelnen wurde das
Ballottieren erklärt, bevor er an die Urnen für den liberalen oder radikalen
Kandidaten trat, um beliebig die verschiedenfarbigen Kugeln in dieselben zu
werfen. Nachdem der Akt beendigt war, wurden die Urnen im Beisein der
Kommission versiegelt und des Nachts streng überwacht. Bekanntlich fielen die
vollkommen unparteiisch geleiteten Wahlen mit grosser Majorität zugunsten der
Radikalen aus. Die Kosten für ihre Vorbereitung, für Urnen, Kugeln, Wählerkarten,
namentlich aber an Diäten für die assistierenden Kommissare, von welchen in sehr
entfernte Bezirke entsendete 200 bis 300 d erhielten, sollen 300000 d betragen haben!
Mit dem zur Wahl erschienenen jungen Popen von Sopotnica, der
als bester Kenner des mächtigen Längengebirges gilt, vereinbarte ich alle
Vorbereitungen zur Besteigung der Suva Planina. Er bestellte Proviant und
Reitpferde, und der bewegte Tag wurde im anregenden Verkehr mit Professor
Stamenkovic beschlossen. Der starke Frühnebel hielt uns nicht ab. Zwischen
Maisfeldern, jungen Eichenständen und kleinen Weingärten mit vereinzelten
Nuss- und Obstbäumen, gelangten wir nach Sopotnica. Bei seinem ärmlichen
Pfarrgehöfte stiess der bereits reisefertige Pope zu uns. Der im Beginne klippige
Reitpfad wurde an dem vom Suva Planina-Gipfel abfliessenden Prpor zahmer. Wir
marschierten in der vom Gabar, der Sokolica und Suva Planina gebildeten Mulde
über Cukar zum Weiler Krusje. Von diesem zieht der stetig aufstrebende Weg
über die Sennhütten „Krst" mit nordwestlicher Kurve zum „Grob" (1372 m) und
sodann auf dem östlichen breiten Kamme zur höchsten Kuppe „Trem" (1822 m),
auf welcher man durch ein prächtiges Panorama bis nach Albanien und ins
Balkangebiet belohnt wird. Der Abstieg kann vom „Grob" nach Studena
auf dem „Königssteig" in 4 Stunden oder über den östlichen, 1761 m hohen
Staro Plandiäte und Komin auf dem bei Krst mündenden vielgeschlängelten
Fusspfade erfolgen. Die Anwohner benutzen diesen Weg, trotz seiner Steilheit,
meist auch zum Aufstiege, denn er führt in nur 2 Stunden von Krusje zum Gipfel.
If^f^ Durch Nis' Umgebung zur Suva Pinnina.
Mit dem malerischen „Sokolov Kamen" (S. 187) beginnt der westliche, zugleich
höchste Teil der 45 km langen, NW. bis SO. streichenden, von jungtertiären Kalken
konstituierten Suva Planina. Er w'nd von den gegen Banja sanft verlaufenden,
niederen dolomitartigen Mosorkuppen durch eine tiefe Einsattelung getrennt, ist
vollkommen quellenlos und hat nur wenige übersommernde Schneefelder, daher
auch der Name: „trockenes Gebirge". Die stark verkarstete Fortsetzung von
der Tremkuppe über den Golemo Straziste (1736 m) zur 1687 m hohen Litica
erfüllen zahlreiche Dolinen (Täler), welche zum nordöstlichen Rakos hinüberziehen.
Zwischen diesem und der Kostadinca (1761 m) wird das N. zur Nisava streichende
Massiv von den tief eingeschnittenen Bächen Crvena Reka und Mokra durchbrochen,
wodurch der wald- und wasserreiche Nordast Golas (1485 m) isoliert erscheint.
Seine in der Tiefe lagernden roten Sandsteine und dunklen Mergelschiefer treten
bei Spaj, nahe der Bahnstation Crvena Reka, zutage; beim hochliegenden
Kosmovac bergen sie ein gutes Kohlenlager, dessen Abbau vielleicht eine an
der Crvena Reka anzulegende Seilbahn einst ermöglichen wird. Den nord-
östlichen Ausläufer seiner petrefaktenreichen Kalkhöhen bildet der hart zur Nisava
vorspringende, burgartige, 350 m hohe „Suplji Kamen". Dem quellreicheren, im
Crni Vrh 1140 m erreichenden südöstlichen Suva Planina-Flügel entfliessen die
Pusta Reka, Jablanica, Luznica und andere zur Vlasina eilende Wildbäche. Seine
waldreichen mittleren Partien mit würzigen Wiesen nähren den grossen Viehstand
der in den tiefen Einschnitten angesiedelten Dörfer und Weiler. Meinen Besuch bei
den griechischen „Crnovunci" unter der Rakoskuppe, welche unsere Karten
irrtümlich als höchsten Punkt der Suva Planina verzeichneten, schildert das
folgende Kapitel.
Es war mir nicht beschieden, die Tremkuppe zu erreichen. Der ungünstige
Südwestwind verdichtete stetig die Nebelschleier. Schon deckten sie die höchsten
Kalkzinnen; die Luft roch förmlich nach Regen, und bald fiel er in Strömen herab.
Da auf der Höhe keine Unterkunft zu finden, wurde schweren Herzens die
Umkehr beschlossen. Von unruhig über unseren Köpfen kreisenden Adlern
begleitet, ritten wir von Krusa zum südlichen Kaletinac, bei dem mir ein „grad"
signalisiert worden. Ich fand ein ansehnliches Kastell, über dessen antiken
Ursprung mich Material und Bauweise nicht lange im Zweifel Hessen. Seine
unregelmässigen Wallmauern schmiegten sich dem Rande des 706 m hohen,
isolierten Plateaukopfes in fünf Abschnitten an. Auf dem das Umland vollkommen
übersehenden höchsten Teile erkannte ich im Schutte die Rudimente zweier
Rundtürme des 120 m langen und in grösster Breite 45 m messenden Werkes.
Seinen natürlichen Graben bildete die von der höchsten Suva Planina-Partie
abfliessende Malcevica. Mit dem in der Luftlinie nur 4 Millicn fernen Werke bei
Celije (S. 186), den südöstlicheren bei Veliki Krcimir und Gornji Prisjan und
jenen bei Gornje Vlase, Dragovlje und Stupnica am Osthange der Babicka gora
nahm das Kaletinacer Kastell den über die Moravascheide zur Vlasina ziehenden
Römerweg unter strenge Bewachung.
Als wir im Dusniker Han ganz durchnässt eintrafen, hatte er seine alltägliche
Physiognomie wieder angenommen. Während der Weiterfahrt teilte sich das düstere
Durch Nis' Umgebung zur Suva Pinnina. IS^t
Gewölk. Die Sonne war durchgedrungen und schmolz mit der paradiesischen
Landschaft den Stachel gegen das unsere Partie vereitelnde Kismet. Im grellsten
Gegensatze zu den unabsehbar gedehnten Kahlrücken der Suva F^lanina, erschien
ihre mannigfach geformte, stark zerschnittene Vorterrasse voll frischesten Waldgrüns,
wogender Maisfelder^ eingestreuter Nusswäldchen und herrlicher Fruchthäume, von
welchen das wenig Weinberge besitzende Zaplanje ihren trefflichen Obstwein
gewinnt. Dazwischen traten durch den letzten Regen erfrischte blumige Triften,
welchen nur die Staffage fehlte, um das prächtige Bild noch heiterer zu gestalten.
Beim „Savarni Dol" sass ich ab und vertiefte mich in die herrliche Szenerie.
Dann ging es weiter nach unserem Nachtquartiere „Gadzin Han".
Von diesem noch heute wichtigen Knotenpunkte zieht ein Weg O. über
Prokopova Kutina und den Karlicki-Pass der Suva Planina nach Veta und
weiter am Crvenabach durch das Kunovica-Defilee nach Remesiana (Bela Palanka).
1886 wurde die gleichfalls antike Strasse von Nis über Donji Dusnik und Svodje
zum bulgarischen Grenzzollamte Tri Kladenca wieder dem Verkehr geöffnet, und
1889 erneuerte man auch die alte Route vom Gadzin Han durch das Barbeäkatal,
die nun das südliche Selicevica- und nördliche Babickagebiet mit der Ni§er
Bahnlinie verbindet. Diese vom Ingenieur Bartoä ausgeführte, von mir trefflich
befundene Strasse zieht über Grkinja, mit grosser NW. Kurve bei Vilandrica
im glimmerreichen Sandstein- und Schieferterrain östlich von der 1858 geweihten
Kirche Peter und Paul zu Gornji Barbe§ im weiten Bogen an der Barbeska reka
nach Donji Barbes, um über Toponica, hart am Rande der Morava, bei ihrer
1889 umgebauten Cecinabrücke in die Ni§-Leskovacer Strasse einzumünden. Die
von Mithad Pasa herrührende, 150 m lange, 8,50 m breite Brücke, mit 9 Pfeilern
und 15 m breiten Öffnungen, verspricht durch ihre solide Erneuerung länger als
das gebrechliche Türkenwerk der Morava-Hochflut zu trotzen. Am 20. Dezember
1877 wurde die Brücke nach heissem Gefechte durch Major Jovan Petrovic
genommen. Den Anstoss zum Bau der Strasse gab König Milans Wunsch, seinen
Jagdforst in der Babicka gora leichter erreichen zu können, was nun auch die
Verwertung der bedeutenden Frucht-, Obst- und Weinproduktion der dicht-
bevölkerten Selicevica und die Ausbringung der grossen Holzschätze des
Babicka-Gebirges begünstigt. Von seinen nordöstlichen, wenig bewohnten rauhen
Steilhängen zieht dichter Laubwald hoch hinauf über die auf der Kriva Bukva
1040 m erreichende Wasserscheide und in die oberen Einschnitte ihrer zahlreichen
Quertäler. Gegen die Morava verwandeln sich diese in einen englischen Park
mit 26 km langem und 6 km breitem Weinberggürtel, aus dem allerorts die
roten Ziegeldächer wohlhabender Gehöfte hervorblicken.
Eher lässt sich eine magyarische Pussta ohne Czärda als ein serbisches
Waldgebirge ohne Kloster denken. Südwestlich von der höchsten Kriva Bukva-
Kuppe liegen an den Jasunjaquellen gleich zwei. Das obere, der Sv. Bogorodica
gewidmete Frauenkloster wurde nach einer Inschrift von der Vorsteherin Ksenija
und drei Nonnen 1542 vollendet; das nur 30 Minuten südlichere Sv. Jovan
scheint gleichalterig zu sein. Inschriften von 1517 — 1553 erwähnen die Sultane
Soliman und Selim; ihre Jahreszahlen stimmen aber nicht zu deren Regierungszeit.
190 Durch NiS' Umgebung zur Suva Planina.
Selbstverständlich fehlt es nicht an Sagen, welche den Ruf dieser Heilstätten
heben sollen. Es wird erzählt, dass ein räuberischer Arnaute nach dem Bilde
des Drachentöters mit dem Ryfe schoss: „Seht, wie ich Eueren heiligen Georg
töte!" — Die Kugel prallte jedoch von der Mauer ab und streckte den Moslim
zu Boden (!). Noch sieht man beim Portale den Stein, auf dem der Attentäter
beim Losdrücken des Gewehres stand. Der „Jasunjski manastir" besitzt 20 ha
Feld und Wiesen neben 288 ha Waldboden, einen auf 2000 d bewerteten
Viehstand und 2 Mühlen. Weltliche Geistliche besorgen die Seelsorge der ihm
zugewiesenen 6 Orte mit etwa 1500 Bewohnern.
Nördlich vom ehemaligen Frauenkloster liegt auf der die beiden kurzen Quell-
arme der Jasunja trennenden Höhe zwischen der Manastirska und Bela Reka die
Ruine eines Römerkastells, an ihrer Mündung bei Zlokucane jene eines zweiten, auf
der 444 m hohen Cuka beim südlichen Gradasnica eines dritten; die Reste eines
vierten sind nordöstlich von Stupnica, eines fünften zwischen Lokoänica und
Crkovnica sichtbar, und jene zweier anderer krönen die linksuferigen Barbeska-
höhen. Zusammen also sieben Schutzbauten auf verhältnismässig kleinem Räume.
Und gleich stark waren die nordwestlichen Suva Planina-Hänge, die Babina Gorica
bei Koprivnica, sowie der „Karlicki Kamen" der burgförmigen Mosorhöhe befestigt.
Unter der Führung des sehr intelligenten Knieten und eines Panduren von
Draskova Kutina ritten wir auf seine linksuferige Höhe, über deren Ruine aben-
teuerlichste Sagen erzählt werden. Die verbreitetste behauptet, dass dem die
Burg belagernden „lateinischen Kaiser" die Eroberung erst gelang, als ihm ein
Verräter einen Weg auf den damals mit dichtem Walde bedeckten südlichen Preslop
zeigte, von dem er sie mit Kanonen (!) bezwang. Nahezu alle von mir besuchten
„Gradi§te", an welchen der serbische Süden so reich ist, erwiesen sich mindestens
im Unterbau als Römerwerke. Auch bei dem Draskovacer sprachen die Struktur
der stark verwüsteten Mauern, die 45 cm langen antiken Ziegel, viele Bruchstücke
zweifellos römischer Deckplatten, der Mörtel usw. dafür, dass es zum Schutze
der das Kutinatal durchziehenden Strasse in römischer Zeit erbaut worden. Die
äussere Umfassungsmauer A verstärkten gegen N. und SW. zwei Rundtürme, den
südlichsten niedrigeren Abschnitt eine innere Quermauer und nach aussen der
vor der Ostfront angelegte tiefe Graben C. Zwischen dem Nordturme und
Südwerke erhob sich, innerhalb der grossen Wallmauer, auf dem höchsten
Plateaupunkte, das in drei Abschnitte geteilte, durch zwei nach 0. und S. gerichtete
Rundtürme verteidigte Reduit B. Nördlich und südlich bilden die Bäche Zlodol
und Dragusa, gegen Westen der steilgeböschte Plateaukopfhang die natürliche
Wehr des Kastells, dessen Einzelmasse auf meiner Planaufnahme ersichtlich sind.
Dieser „Draskovacki grad" scheint von den Byzantinern erneuert worden zu sein
und noch im Mittelalter eine Rolle gespielt zu haben. Ausser 6 cm starken nicht
römischen Ziegeln lassen dies byzantinische und altserbische Münzen, dann auch
jüngere Eisenwaffen annehmen, welche hier neben zweifellos römischen von den
nach Schätzen grabenden Anwohnern gefunden wurden.
Die Form des dem eliptischen Plateaukopfe sich anschmiegenden Werkes
erinnert merkwürdig an das „eiförmige" auf dem „Römerberge" in 400 m Seehöhe
Durch Niä' Umgebung zur Suva Planina.
191
und 200 m hoch über Kreinbach in der Rheinpfalz, dessen früher stark angezweifelte
römische Anlage durch mehrjährige, überzeugende Funde zutage fördernde
Grabungen des Dr. C. Mehlis (1890-1893) erwiesen ist. Dem eifrigen Forscher
gelang auch 1893 die Feststellung dreier antiker Kastelle an dem „womöglich
direkt auf der Wasserscheide laufenden Römerwege" zwischen Rheinzabern — Mons
Vosagus — Lauterthal, „die selbst den Herren Forstbeamten unbekannt waren".') —
ich führe dies für „Stuben-Archäologen" an, welche die grosse Zahl von mir
Kastell bei Draskova Kiitina.
aufgefundener antiker Hochburgen überraschte. Sie vergassen, dass die römischen
Baumeister, unbekümmert um Terrainhindernisse, den kürzesten Weg für den
besten hielten.
Der grössere Teil des in diesem Kapitel zum erstenmal geschilderten
auffallend starken Kastellgürtels zum Schutze des römischen Naissus stammt
wohl aus der Zeit der Kaiser Valentinian und Valens, als die Römer bereits alle
Kraft aufbieten mussten, ihre rechtsuferige Donaugrenze gegen die anstürmenden
Barbaren zu halten. Dies zeigt schon die Anlage der meisten Werke, im Gegensatze
zur Trajanschen Übung, auf schwer zugänglichen hohen Punkten, was ganz dem
') C. Mehlis, Ausland, 1890 u. 1891. Berl. phil. Wochenschr., No. 37, 1893.
192 Durch Nis' Umgebung zur Suva Planina.
von Vegetius dargestellten, allmählich zur Geltung gelangten Prinzip entspricht,
zugleich aber die bis dahin bevorzugte regelmässige oblonge Quadratform aus-
schloss. Die Seltenheit gestempelter Ziegel hängt wohl damit zusammen, dass
diese spätrömischen Kastelle und Wachttürme des 4. Jahrhunderts schwerlich
mehr von den gegen äussere Feinde vielbeschäftigten Legionen, sondern durch
von römischen Oberen beaufsichtigte Lokalmilizen — man braucht nur an die
von Mommsen nachgewiesenen Lokaltruppen der Helvetier, Rhäter usw. oder an
die linksrheinischen Laeti zu denken — erbaut und verteidigt wurden. Die
kleinen Besatzungen (castrenses, auch castellani) dieser durch Signale sich meist
leicht verständigenden festen Werke hatten im Frieden gewiss auch die Aufgabe,
die widerwilligen Elemente der weniger stark romanisierten Landbauern im Zaume
zu halten und das reiche, lockende Naissus gegen ihre Gelüste zu sichern. Die
inneren römischen Verhältnisse glichen im 4. Jahrhundert auf demselben Boden
höchst wahrscheinlich den türkischen vor dem Ausbruche des russischen Krieges
(1877). Die numerische Schwäche der herrschenden Frenidrasse führte zur
Errichtung zahlreicher kleiner, fester Stützpunkte. Und ganz so wie die eingeborenen
Slaven nach den ersten russischen Siegen eifrig zur Demolierung der Karaulen
schritten, mochten die mit der Fremdherrschaft unversöhnten Mösier die Zwing-
bauten der Römer zerstört haben, als deren Macht durch die Völkerstürme ins
Wanken geriet.
Meine Ansicht über diese teilweise „innere" Bestimmung vieler niösischer
Kastelle reifte immer mehr angesichts der zahlreichen kleinen Werke, welche ich
oft weitab von den Heerstrassen auf meinen serbischen Wanderungen traf; ihre
Berechtigung erhält sie durch viele erst in letzter Zeit aufgefundene, ähnlich
situierte kleine Römerburgen im Rheinlande, die unter analogen Verhältnissen
wie die musischen errichtet, doch bald preisgegeben, bis auf die Grundfesten
verwüstet und später zum Aufbau germanischer Feudalschlösser benutzt wurden.
Bei Draskova Kutina schloss ich meine Ausflüge zur Feststellung der Reste
aus der Zeit des römisch- byzantinischen Naissus und Nysos ab. Auf dem
Rückwege vom Kastellberge fand ich die Erklärung, weshalb es mit dem Walde
in der Selicevica so schlecht steht. Allerorts begegneten wir zahllosen Ziegen-
herden. Jedes Gehöft der nahen Orte besitzt durchschnittlich mindestens 40 bis 60
dieser forstschädlichen Vierfüssler. Die Rindviehzucht wird leider stark vernachlässigt;
vielleicht deshalb, weil nur sehr niedrige Preise erzielt werden. Beispielsweise stehen
vier- bis fünfjährige Ochsen im Preise von 80 — 100 d. Auf der Weiterfahrt trafen
wir die steilen Böschungen der hohen Strassenbahn durch den heftigen Regen
der letzten Tage an einigen Punkten in die Trace stark gefährdender Weise zerstört.
Der Mittag traf mich wieder in Nis' französischem Restaurant, in dem ich
von Sir Macdonald, dem englischen Konsul, und Mr. de Lagarde, dem französischen
Vizekonsul, mit gewohnter Liebenswürdigkeit über die neuesten Vorkommnisse im
Occident unterrichtet wurde, dafür aber von den oft interessanten, wenn auch
nicht immer angenehmen Reiseabenteuern erzählen musste, die hier, weil rein
persönlicher Natur, unberührt blieben.
VIII.
Von Nis über Bela Palanka, Pirot
auf den Rakos, Sveti Nikola- und Ciporovica-Balkan.
IN allen Kämpfen zwischen Oesterrelchern, Türken und Serben standen die
Vorgänge an der Morava mit jenen am Timok und an der Donau in engster
Beziehung. Deshalb machte sich auch in unserer Zeit, ganz so wie unter Rom
und Byzanz, das Bedürfnis nach einer beide Gebiete verbindenden direkten guten
Strasse stets dringend geltend. Als die Pforte im Jahre 1862 gegen das aufgeregte
Serbien rüstete, hemmte der Umstand, dass der bequeme Timokweg zwischen
Vidin und Ni5 teilweise durch serbisches Gebiet läuft, ihre Rüstungen und führte
zur Anlage der 155 km langen Strasse Vidin — Belogradcik — Nis. Noch im selben
Herbste vollendete der energische Mithad Pasa die 70 km lange Strecke
Ni§— Sveti Nikola-Pass, während ihre jenseitige Fortsetzung im Vidiner Paschalik,
wegen des schwierigen Terrains, erst 1868 dem Verkehr übergeben wurde.
Die Trace des neuen Heerwegs führt von Nis über die Vorhühen der
Suva Planina in das Tal der Nisava, übersetzt diese bei Bela Palanka, durchzieht
sodann das Quellgebiet des Trgoviäki Timok und die Vorberge des Sv. Nikola-
Balkans, übersteigt diesen, geht hinab in das Lom-Quellgebiet, um bei Falkovce
mit ihrem östlichen Zweige am Flusse die handelstätige Donaustadt Lom und
mit dem nordöstlichen über Belogradcik und die Stoloviberge das feste Vidin
zu erreichen. Die Pforte erwarb sich durch die Einführung der Fahrpost auf
dieser hochwichtigen Strasse ein grosses Verdienst. Der dadurch über den
Balkan geleitete Personen- und Warenverkehr schädigte aber Serbien sehr
empfindlich; einmal durch den F.ntgang des von ihm erhobenen Transitzolls,
dann weil auch Belgrad und Aleksinac gleichviel an kommerzieller Bedeutung
einbUssten, als Vidin, Lom und Nis gewonnen hatten. Die Grenzverschiebung
im Jahre 1878 und der Schienenweg Belgrad — Konstantinopel milderten den
fiskalischen Nachteil, andererseits verlor der dem Fürstentum zugefallene Strassenteil
Nis — Sveti Nikola-Pass seine wirtschaftliche Bedeutung für den Donauverkehr.
Als ich 1864 zum erstenmal über den Sv. Nikoia-Balkan zog, fand ich die
kartographische Darstellung dieses wichtigen Gebietes selbst unmittelbar am
Konstantinopeler Heerwege so total falsch, dass mich ihre Korrektur durch längere
F. KANITZ, Serbien. U. 13
194 Von Nis über Bela Palanka, Pirnt auf den Rakos usw.
Zeit vollauf beschäftigte. Von Nis ging es zunäctist am „Sciiädelturm" vorbei
in gerader Linie durch seine wagrechte Ebene; rechts blieben die niederen
Ausläufer der Selicevica. Bei dem früheren Posthause Mahmud Pa§a-Han,
wo im Sommer gewöhnlich Kavallerie unter Zelten lagerte, tritt die Strasse in
das berühmte Kunovica-Defilee der Suva Planina. Hier drängte sich mir bei
Betrachtung unserer damaligen besten Karte die Frage auf: weshalb folgt die
Strasse nach Sofia nicht dem bequemen Nisavalauf und überschreitet ohne
Notwendigkeit bedeutende Höhen? Bald erkannte ich jedoch, dass natürliche
Hindernisse dazu zwangen. Die Kartographen irrten; nicht im breiten Tale läuft
die Nisava bis kurz vor Bela Palanka, sondern durch eine ganz unwegsame
Felsschlucht, die bei Sicevo, durch die senkrechten Kalkwände des 1099 m
hohen Visegrad am rechten und die 610 m hohen Kusaca-Steilmauern am
linken Ufer auf 11 m Breite verengt, die nur über unvollkommene Sprengmittel
verfügenden Römer zu ihrer Umgehung nötigte.
Vergeblich suchte ich damals auch den Namen „Suva Planina" auf
unseren Karten. Kiepert benutzte die Itinerarien von Pirch, Boue und Hahn,
welche diesen selbständigen Gebirgsstock „Stara Planina" nannten, obgleich ihn
schon 1740 die „Mappa" des k. Hauptmanns v. Rebain i) als „Sucha-Felsengebirge"
(suh, suv ^^ trocken) verzeichnet hatte. Meine Vorgänger wussten nicht, dass
„Stara Planina" der von Serben und Bulgaren gebrauchte Kollektivnamen für die
türkisch „Hodza-Balkan" genannte Humuskette sei. Erst 1870 erschien der
Sv. Nikola-Balkan und die Suva Planina auf Kieperts Karte zum erstenmal nach
meiner Aufnahme mit ihrem wirklichen Namen an der richtigen Stelle.
Vom Mahmud Pasa-Han zieht die stetig ansteigende Strasse, vorüber an
den türkischen Blockhäusern von Kunovica und der ersten Poststation Ploca
(iV-i St.), östlich aufwärts, um beim Vuciji Del mit 573 m die Passhöhe in
Steilserpentinen zu erklimmen. Das geschichtlich interessante Kunovica-Defilee
ist nicht, wie Jirecek schrieb^), mit dem von Tamnjanica an der Nisava identisch,
sondern liegt westlicher, hoch über letzterem, im kristallinischen Kalk eingeschnitten.
Seine strategische Wichtigkeit erkannten schon die Römer. Durch dasselbe lief
ihr Konstantinopeler Heerweg, geschützt am westlichen Zugange durch die Mutatio
Redicibus (Radia), deren Befestigung ich bereits erwähnt habe. 7 Millien weiter
lag die gleichfalls nur im Itin. Hieros. genannte Mutatio Ulmo, welche Lapie bei
dem fiktiven „Pauvlitz" ansetzte-^), deren Wachtturni aber höchstwahrscheinlich
auf der eine Ruine tragenden „Medena Stena" stand. Im Mittelalter fiel das
oftgenannte Defilee 1341 mit Nis und Pirot in Zar Dusans Gewalt. Es blieb
nun serbisch bis zur ersten Eroberung des Balkangebiets durch Sultan Murads
Truppen, welche, dem von Westen heranziehenden serbischen Heere zuvorkommend,
den Pass besetzten und so den Fall von Nis herbeiführten (1386).
Grosse Berühmtheit erhielt das Defilee im Kriegszuge des Königs Vladislav
und Hunyadys gegen Sultan Murad. Vereint mit den Scharen des Serbenfürsten
') Wiener k. und k. Kriegsarchiv.
-') Geschichte der Bulgaren, S. 34, 365.
^) Smith. Dictionary, II, S. 696.
Von Nis über Bela Palankn, Pirot auf den Rakos usw.
195
Brankovic war das Christenheer 1443 über Sofia bis Zlatica vorgedrungen.")
Alle Eroberungen mussten aber aufgegeben werden, als der überaus strenge
Winter das Verbleiben in dem verödeten sterilen Bergiande unmöglich machte
und Murad mit einem starken Heere gegen Sofia anrückte. Man entschioss sich
notgedrungen zum Rückzuge über Pirot nach Niä, wobei an einem der ersten
Januartage die ihn deckende, von Brankovic befehligte Nachhut von den nach-
Wasserfall bei Sicevo.
drängenden Türken an der Crvena Reka (Rotbach) in ein ernstes Gefecht verwickelt
wurde. Die Gefahr erkennend, kehrte der in das Kunovica-Defilee bereits
eingedrungene König mit Hunyady um. Das Fussvolk blieb dort zum Schutze
des Trains. In dem bei Mondschein geführten hartnäckigen Reiterkampfe,
wahrscheinlich bei der heutigen Bahnstation Crvena Reka, ergriff des Sultans
Heer die Flucht. Sein Lager mit grosser Beute wurde genommen, Murads
Schwager Mahmud Celebi und mehrere Paschas wurden gefangen, ein getöteter
naher Verwandter des Sultans mit Tausenden gefallener Moslims im noch
') Kanitz, Donau-Bulg. u. d. Balkan. II. Aufl., II Bd., S. 208.
13*
196 Von Nis über Bela Palanka, Pirot auf den Rakos usw.
bestehenden Orte Taniiijanica begraben. Die tapfersten Krieger sciilug der König
gleicli auf der Walstatt zu Rittern. Der rauhe Winter verhinderte die Aus-
nutzung des Sieges; ja, man war gezwungen, auf die Fortschaffung des grössten
Teiles der eroberten Wagenburg zu verzichten. Anfangs Februar hielt Vladislav
als Überwinder des Sultans seinen feierlichen Einzug zu Ofen. Der Kampf im
Kunovica-Defilee wurde von den Poeten, namentlich von den Dalmatinern
Gundulic, Palmotic u. a., in schwungvollen Gesängen gefeiert.
im Jahre 1719 wird der strategische Wert des Defilees erneut betont: „Nur
seine Wegnahme ermögliche das Vordringen von Nis gegen Sofia, weil schon
wenige tausend Mann hier eine Armee unschwer in ihrem Vormarsche aufhalten
könnten." ') Damals gab es an der Strasse noch dichteren Wald als heute; er
galt als unsicher, denn die von den Türken zu ihrem Schutze errichteten Karaulen
wurden von der aufständischen Bevölkerung oder durch Heiduckenbanden wiederholt
zerstört. Nach einem dieser von dem gefürchteten Buljukba§a Moralija aus Morea
befehligten Blockhäuser wurde der Pass von den Anwohnern „Moralija Klisura"
genannt, und noch heute heisst ein Strassenhan südlich vom 792 m hohen Kuno-
vacki Vrh „Moralija Han".
Es ist interessant, wie sich manchmal historische Verwaltungsgrenzen vererben.
Auf der „Ploca", von deren Blockhaus meine Peilung Nis nicht wie auf den
Karten N., sondern W. vom Defilee ergab, betrat ich den Piroter Kreis, und ebendort
befand sich schon in Kaiser Justinians Zeit die Grenze zwischen der „Regio
Naissatensis", welche Nis, und jener von Remisiana, welche Pirot und das Nisava-
Quellgebiet umschloss. Bei dem 1870 von Caus Rakibs Tscherkessen besetzten
Beklemeh Kozeljokus senkt sich die Strasse allmählich abwärts. Nahe einem
zu Veta gehörenden Ciftlik zeigten sich westlich in den auf Mergelschiefern
lagernden roten Sandsteinen tiefe, unter Kultur gesetzte Einschnitte der hier mit
Ahornen, wilden Birnbäumen, Weissdornen, Buchen usw. dicht bewaldeten Suva
Planina. Weiter ging es hinab zur in roten Sandstein eingebetteten Crvena Reka
(Rotbach). Ich kreuzte sie bei dem gleichnamigen Dorfe, das 1861 25 Tataren-,
dazu 1864 31 tscherkessische, nun verschwundene Familien erhielt und besuchte
den benachbarten „Suplji Kamen" (durchlöcherten Stein), an dem der Königssohn
Marko Kraljevic die Güte seines Streitkolbens erprobte. Es ist Serbiens südöst-
lichster Punkt, an dem Traditionen von der Wunderkraft dieses volkstümlichsten
altserbischen Helden haften. Gleich darauf betraten wir die von der Konstantinopeler
Strasse geradlinig durchschnittene, bis 4 km breite Ebene des in Sicht getretenen
Bela Palanka.
Bela- oder Ak-Palanka (Weisse Stadt), wie Serben, Bulgaren und Türken
das auf älteren Karten als „Mustafa Pasa Palanka" eingetragene Städtchen nennen,
erreicht man von Nis zu Wagen mit guten Pferden in 4 Stunden, die türkische
') Herr Damian Hugo des heyl. Rom. Reichs Graft von Virmond, Kayser: Scheimbder
und Hoff, Kriegs-Rath, General Feldzeugmeister und Obrister über ein Regiment Infanterie.
Relation von der Reise der Rom. Kayser: Gross-Bottschaft an die Ottomanische Pforte, so
anno 1719 geschehen, und zwar von Belgrad aus, biss nach Constantinopel, auch was langst
besagten Marsches vor Militärischer Observationes zu machen.
Von Nis über Bein Painnkn, F^irot auf den Rakos usw.
197
Post rechnete aber 8 und liess sich ebenso viele bezahlen. Bela Palanka steht
auf einer wahrscheinlich Trajanschen Gründung,', die als „Respublica Ulpianorum"
erwähnt wird. Schon im Mittelalter stiessen hier Reisende auf römische Reste.
Graf Marsigli kopierte 3 Inschriften, darunter eine aus der Zeit des Kaisers
Philippus Arabs, unter dem Rom sein tausendjähriges Jubiläum feierte'); 1864
schrieb ich diesen beim nordwestlichen Turme des Türkenschlosses eingemauerten
Stein richtiger ab.-) Monimsen publizierte alle aus Bela Palanka bekannt gewordenen
Inschriften''), die unter No. 1688 veröffentlichte fand ich 1885 in einem ehemaligen
Kozeljokiis-Karaiila.
Türkenhause wieder; die anderen gingen grösstenteils verloren, ebenso ein
Säulenstanim und Kapital, die ich 1864 beim Kaleh-Haupttore gezeichnet hatte.
Damals stiess ich nach längerer Rekognoszierung an der Mokra auf antike
Mauern, welche zum Türkenschlosse liefen. Die Aushebung von Grundfesten für
Neubauten ergab 1887 einen 26 m breiten Graben i) der ältesten Befestigung des
nach der Tab. Peut. 24 Millien, im Itin. Ant. 25 Millien und im Hin. Hieros. (als
„Romansiana") 28 Millien von Naissus entfernten Remesiana.-^)
') Danubius, II, Taf. 63.
0 C. I. L, 111, S. 1024, ad 1687.
') C. I. L., III, No. 1685-1690. -
*) Starinar, II, S. 99.
") Starinar, II, S. 99.
Suppl. Pasc. II, No. 8257-8259.
198
Von Nis über Bela Palanka, Pirot auf den Rakos usw.
Bei meinen letzten Besuchen Bela Palankas (1887, 1889) fand ich des
römischen Remesianas Ausdehnung innerhalb der Mauern etwa viermal grösser
als jene des auf seinem nordöstlichen Teile entstandenen Türkenschlosses. Das
Weichbild der Civitas erstreckte sich aber noch weit über ihr befestigtes Zentrum
hinaus. Nördlich von diesem wurden bei der Materialaushebung für den Bahndamm
die Grundfesten römischer Wohngebäude freigelegt, durch deren Aufnahme sich
Ingenieur Sabovljevic verdient gemacht; ich ergänzte sie durch einen Perspektivriss
am 23. September 1889. Von Remesianas südlicher Nekropole sah ich im Hause
Ruine von Reniesiana bei Bela Palankas Bahnstation.
der Brüder Zivkovic ein Gruftgewölbe, aus dem 1888 drei Bleisärge gehoben
wurden. Kosta Cincarin eröffnete auf seinem Weinberge beim Kriegerdenkmal
ein Grab mit männlichem Skelett und Resten der seidenen Umhüllung. Bleisärge
und riesige keramische Platten von 1888 eröffneten Gräbern traf ich nahe beim
Bezirkshause. Herr Naka Pesic geleitete mich hinauf zu einem etwa 700 m vom
Schlosse entfernten isolierten Landgute, auf dem man kurz zuvor ein prächtig
ausgemauertes, 1,95 m langes, 0,60 m breites und 1,20 m hohes Grab eröffnet
hatte. Unfern stiess ich auf gewölbte Räume und einen Estrich von quadratischen
Ziegeln. Auf Antonije Milenkovics Besitz sah ich antike Grabstätten und in
Jovanca Pesics Hause einen aus Ziegeln erbauten, dem Niser sehr ähnlichen
Römerkanal.
Remesianas nähere und weitere Umgebung war durch zahlreiche Werke
befestigt. Ausser den im Kunovica-Defilee erwähnten befanden sich andere in
jenem der Nisava, unter dem Berge Visegrad und am Südfusse der Rinjska Planina,
zwischen Donji und Gornji Rinj. Die Reste zweier Türme auf dem südwestlichen
Von Nis über Bein Palanka, Pirof auf den RnkoJ usw.
19«1
Malo Kurilovo-Berge stammen wahrscheinlich von dem an Remesianas Steile
entstandenen byzantinischen „Runiisiana". Procopius erwähnt es als eine Stadt mit
eigenem Gebiete, in dem Kaiser Jiistinian 29 Kastelle und Wachttürme erneuern liess
und jener alte Bischofssitz sich befand >), von dem St. Nicetas, der „Bessen-Apostel",
im 5. Jahrhundert die Christianisierung des Umlandes energisch betrieb.-) Auf dem
chalkedonischen Konzil (452) unterschrieb sich der die Diözese vertretende Bischof
als Episc. Remessianesis. Eine 1885 aufgefundene Marmorplatte mit lateinischer
Inschrift zeigt, dass hier auch eine den Aposteln Peter und Paul geweihte lateinische
Kirche bestand.') Das byzantinische Rumisiana (auch Mokros) zog sich tief in
die Mokraschlucht hinein. Dort von mir aufgefundene antike Reste bespreche
ich am Schlüsse des Kapitels. In den altserbischen Chroniken erscheint die den
Bulgaren entrissene Stadt als „Izvori". In türkischer Zeit entstand auf ihren
BELA PALANKA. Das von Türken und Tscherkessen verteidigte Schloss im Jahre 1876.
Resten der Weiler Kurucesme, den der im Gefolge eines kaiserlichen Gesandten
nach Konstantinopel reisende Schweigger (1577) als „Dörflein Guru§ehebce", in
dem man übernachtete, erwähnt. ')
Im Jahre 1047 der Hedschra (1637) wurde, wie Hadzi Chalfa erzählt''), dem
Richter von Sarköi (Pirot) der Bau einer Palanka in Kurucesme aufgetragen.
Sachverständige schätzten die Kosten der 230 Ellen lang, 150 Ellen breit geplanten
Baute auf 36000 Piaster. Über Vorstellung des Kaimakan Musa Pasa kürzte
man 30 Ellen an der Länge, 10 Ellen an der Breite, wodurch die Kosten bedeutend
vermindert wurden. Die Mauern sollten einschliesslich der Grundfesten 14 Ellen
Höhe, 3 Ellen Breite, jeder der 8 Rundtürme 20 Ellen im Umfange, 20 Ellen Höhe,
der mittlere Torturm 1 Elle mehr erhalten. In allem waren 30000 Ellen Mauerwerk,
') Mannert, VII, S. 95.
2) Eine hier aufgefundene Inschrift mit lateinischem Typus des 5. Jahrhunderts soll aus
der von Nicetas begründeten St. Peter und Paulskirche stammen,
ä) Starinar, II, Tab. VI.
•) Reise aus Deutschland nach Konstantinopel und Jerusalem. Nürnberg 1609.
') Rumcli und Bosna, 157 f.
200 Von Nis über Bela Palanka, Pirot auf den Rakos usw.
jede zu 70 Aspern Kosten, veranschlagt, welche die umliegenden 13 Bezirke auf-
zubringen hatten.
Die Ausführlichkeit, mit welcher Chalfa den von Murad IV. angeordneten
und niit geringen Abänderungen ausgeführten Neubau beschrieb, zeigt, dass
derartige Werke im 17. Jahrhundert bereits als besonders hervorragende betrachtet
wurden.
Im Vergleiche zum Occident war die Gründung von Städten im europäischen
Südosten äusserst spärlich. Unter der moslimischen Herrschaft entstanden nur
wenige neue Städte, wohl sanken aber viele, unter Rom, Byzanz und selbst in
der serbisch-bulgarischen Epoche berühmt gewesene Kulturstätten zu elenden
Dörfern herab. Das nomadisierende Element der asiatischen Heimat klebt auch
den nach Europa gewanderten Türken an. Zu Schöpfungen wie Mustafa Pasa
Palanka, so genannt nach seinem zu Nis residierenden Erbauer, bedurfte es
christlicher Meister; ganz so wie heute, wenn es sich um den Bau von Moscheen,
Palästen, Eisenbahnen usw. am Bosporus handelt. Die neue Palanka wurde aus
dem zutage liegenden Material der römisch -byzantinischen festen Stadt, nach
der Volkssage aus jenem von 12, auf Mustafas Befehl niedergerissenen Kirchen
in den nahen Dörfern erbaut. Wie eifrig deren Bevölkerung dabei fronen musste,
zeigt die Tradition, dass für alle Kinder einer Ortschaft nur eine dieselben hütende
Frau zurückbleiben durfte.
Dem serbischen Artilleriemajor Jovan Brdarski verdanken wir einen genauen
Plan des Türkenschlosses. Nach diesem war seine gegen NO. und SW. gerichteten
Langfronten durchschnittlich 140 m, die Piroter 110 m und die Niser 95 m lang.
Die Mauern schnitten an den Ecken in Rundtürme von 11,5 m Durchmesser ein
und wurden nicht ganz in der Mitte durch im verlängerten Halbkreise 5,8 m
vorspringende Türme unterbrochen. An der südwestlichen Hauptfront befand
sich der ganz aus römischen Quadern erbaute starke viereckige Mittelturm mit
dem überwölbten Portale und der Inschrift, in welcher abweichend von Hadzi
Chalfa das Erbauungsjahr um ein Jahr später angegeben erscheint. An der
Nordostfront befand sich der nur 1,5 m breite kleinere Zugang. Die Mauern,
in welchen ich sehr viel römisches Material bemerkte, waren mit als Schiess-
scharten dienenden Zinnen gekrönt, die Türme besassen niedere Brustwehren,
Vorwerke und Gräben fehlten.
Die hart unter dem äusserlich imposanten Türkenschlosse vorüberziehende
Konstantinopeler Strasse gab ihm strategische Wichtigkeit. In den österreichisch-
türkischen Kriegen teilte es gewöhnlich gleiches Schicksal mit Nis und Pirot, in
deren Mitte es liegt. Graf Schmettau, der Schilderer der Kriegsjahre 1737 — 39,
äussert in seinen erwähnten Memoiren: „Mustapha Pasa Palanka ist ein altes
Schloss, umgeben von einer starken Mauer, flankiert von Türmen und dominiert
von Höhen; aber ohne Artillerie wäre es doch nicht zu nehmen." Boue') schrieb
1840: „Moustapha Pasha Palanka n'est qu'un endroit palissade." Nach dieser
Äusserung war anzunehmen, dass die von Schmettau erwähnte Feste nicht mehr
') La Turquie d'Europe, II, S. 348.
Von Nis über Bela Palanka, Pirot auf den Rakoä usw.
t2()l
existiere. Sie bestand jedoch bis auf unsere Zeit iierab nahezu so, wie sie von
den Oesterreichern im Oktober 1737 vor den von Sofia anrückenden Türken
geräumt wurde; denn die Kaiserlichen hatten damals und lö88 nur einige
Gebäude, darunter eine feste Karawanserei, zerstört, von der heute nocii die
63 m langen und 31 m breiten Grundfesten, gegenüber der Hauptschlossfront,
sichtbar sind. 1841 wurde Bela Palanka von den gegen Nis vorrückenden
bulgarischen Aufständischen genommen; nachdem sie besiegt waren, aber um so
eifersüchtiger gehütet.
Bei meinem ersten Besuche 1864, und auch 1870 und 1871, fand ich das
Schloss ausschliesslich von Moslims bcwoimt. Seine in unsauberen Gässchen
zusammengepferchten 60 Häuschen, die kleine Moschee, ihr Minarett und zwei
Tekija machten einen traurigen Eindruck, und gleich armselig sah die 300 Seelen
BELA PALANKA im Jahre 1897.
starke Bevölkerung aus. Die wenigen Christen siedelten in einer dem Haupttore
gegenüber sich dehnenden Häuserzeile mit elenden Hauen und Kramläden.'
Abends wurden die Kalehtore sorgfältig geschlossen. Der erste serbische Versuch,
sich Bela Palankas durch Überrumpelung am 12. Juli 1876 zu bemächtigen,
misslang durch die Wachsamkeit der Tscherkessen. Erst am 24. Dezember 1877
wurde es nach einem vom Morgen bis zum Abend andauernden Gefecht erobert.
Die Serben zählten 7 Tote und 44 Verwundete, drangen jedoch trotzdem noch
am selben Tage gegen Pirot vor. Das Städtchen fand man nahezu leer. Seine
Bewohner flohen mit den geschlagenen Nizams über Vlasotinci nach Leskovac.
Sofort schritten die christlichen Umwohner zur Zerstörung des Kaleh. Seine
östliche und südliche Front samt nahezu allen türkischen Gebäuden wurden als
Steinbruch für die 1882 auf älteren Grundfesten erstandene Chr. Himmelfahrtskirche
und andere Neubauten der zum Bezirksstädtchen erhobenen Bela Palanka benutzt.
1905 zählte sie schon in 455 Häusern über 2500 Bewohner, eine 1892 gegründete,
2 Mill. umsetzende Sparkasse, ein Post- und Telegraphenamt, zwei Knabenschulen
202 Von Nis über Bela Palanka, Pirot auf dun Rakos usw.
und eine für Mädchen, ein Kirchlein, und fortwährend erhält es neuen Zuzug aus
der Umgebung. 1889 traf ich dort nur mehr zwei Türken, welche ihren Grund-
verkauf abwickelten. 1880 errichtete der Archimandrit des benachbarten Klosters
Sv. Dimitrije den 1877 bei Bela Palankas Befreiung gefallenen Soldaten nördlich
von der Nisavabrücke ein nettes Denkmal. Bei meinem letzten Besuche (1889)
wanderten wir hinaus auf die westlichen, mit Reben bepflanzten Höhen, in deren
Boden auch römische Legionäre ruhen. Die Landschaft atmete tiefen Frieden.
Gegen SW. erhoben sich der waldbedeckte 1485 m hohe Golas, daneben der
höhlenreiche, wenig niedrigere Preslab, über den ein Saumpfad von Bela Palanka
auf die höchste Suva Planina-Kuppe führt; unten an der Nisava aber brauste
die Lokomotive hart vorüber an den aufgedeckten Grundfesten des römisch-
byzantinischen Remesiana nach Sofia.
Unmittelbar hinter Bela Palanka tritt die Konstantinopeler Strasse in das
Kalkdefilee „Cingene derven" mit tief eingeschnittenen Steilhängen, „allwo
man", nach Graf Vermonds erwähnter Schilderung, „eine Armee gar leicht arretieren
könnte". Die Berge fand ich an diesem Punkte ganz entwaldet; die tscherkessische
Besatzung des türkischen Blockhauses neben dem elenden Han flösste wenig
Vertrauen ein; die ganze Szenerie machte den Eindruck eines Schauplatzes für
„Helden der Strasse". Schon 1864 hatte ich den 0. nach W. nehmenden Lauf
der Nisava und Konstantinopeler Strasse in Karte gebracht. Wie richtig
meine Positions-Peilungen für Nis, Bela Palanka, Pirot usw., zeigten die späteren
astronomischen Ortsbestimmungen für die europäische Gradmessung, welche die
Grenzen des Aleksinacer und Knjazevacer Kreises gleichfalls eine volle Meile
südlicher rückten, wodurch das Fürstentum schon vor 1878 einen grösseren
Flächeninhalt erhielt, als früher angenommen wurde.
Die Strasse verfolgt weiter den antiken Heerweg. Der westliche nahe Milcin
Vrh bei Tijelovac trug das ihn hütende Kastell und die südöstlichere Bukova
Padina jenes der im Itin. Hieros. 9 Millien von Remesiana angesetzten Mutatio
Latina. Bald darauf betrat die antike Trace, unter dem Schutze eines Kastells auf
der nördlichen Höhe von Veliki Suvodol, am Hange des Jurakalkgebirges Belava
(962 m) sanft abwärts ziehend, das ebene Piroter Becken. Schon hinter Ponor
erweitert sich der Taleinschnitt und südlich von Mali und Veliki Suvodol erschienen
die wohlhabenden Orte Blato, Kostur, Lopatnica u. a., welche die im Pariser
Frieden gewährte Erlaubnis 1864 zum Bau einer weithin sichtbaren, dem hl. Hara-
lampije geweihten Kirche benutzten. Wie ich hörte, wurde in dieser ein in einer
benachbarten Ruine gefundener „lateinischer" Inschriftstein eingemauert (?). Die
von Ponor 9 km streng O. haltende geradlinige Strasse erreicht in 4 Stunden
Pirot. Wir kreuzten die Bokludza im christlichen Stadtteile, dessen von zwei
Brüdern hart an der Nisava betriebener „Jeni Han" uns gute Unterkunft bot.
25 Millien nach der Tab. Peut., 18 nur nach den Itin. Ant. und Hieros. lag
von Remesiana entfernt die von Procopius „Turribas" genannte Mansio Turribus
(Turres). Die Masse der zuletzt angeführten Itinerarien fallen mit ziemlicher,
jene der Tafel, wenn wir den Abschreibfehler 25 für 15 Millien annehmen, mit
voller Genauigkeit auf das befestigte Pirot, dessen durchfliessender Bokludzabach
Von Nis über Bela Palanka, Pirnt auf den Rakos usw. 20;l
die erst im 14. Jalirli. genannte Stadt von iiireni niittelaiterliclien Sclilosse trennt.
Die Anwohner nennen als seinen Erbauer den Wojvvoden Momcilo, einen Onkel
des Nationaliielden Marko Kraljevic, und aueh den Sultanstöter Miios Obilic, wie
es der Reisende Gerlach dort 1578 iiörte. ') Jirecek glaubt, dass hier die von
Edrisi zwischen Nis- und Sofia erwähnte Stadt Atruni oder Alrusi stand. Die
Türken nannten Pirot aligemein „Schir köi" oder kurzweg „Sarköi". Von diesem
verballhornten „Scherdire" erzählte Schweigger 1577 -): „Vor dem Dorf steht ein
fein alt Castell in der Eben unten am Berg, dabei sein etliche Wasserquellen,
das Schloss hat fünft starcke Thürm. auf dem Berge sihet man viel alt Gemäuer,
die innwohner zeigen an, das alte Schloss unten am Berg sei von Türken gebaut
als eine Gegenwehr, weil sie das Schloss auf dem Berg nicht kunnten gewinnen,
welches aber schwerlich zu glauben, denn die Türken bauen nicht so herrliche
Häuser als diess ist." — Nach Hammers Angabe'') hätte aber Knez Lazar beim
Heranzuge der Türken das feste Pirot 1390 (richtiger 1386) durch den Wojwoden
Dimitr, Sohn des Vojihna (Mitar Vojinovic), besetzen, Murad jedoch es durch Jaksa
Beg stürmen und schleifen lassen. Nach anderer Quelle') nahmen die Serben
das nächtlicherweise überrumpelte Pirot gleich wieder und hätte es Stevan
Lazarevic noch 1412 und 1413 gegen Sultan Musa tapfer verteidigt. Sicher ist,
dass la Brouquiere 1433 zu Pirot Türken fand. König Vladislav eroberte die wieder
befestigte Stadt 1443 mit des Serbenfürsten Brankovic Hilfe, der sie 1444 im
Szegediner Frieden auch erhielt, aber bald dauernd an Sultan Murad ausliefern
musste. Später fiel Pirot, gleich Kurucesme (Bela Palanka), unter Sinan Pasas
Statthalterschaft. Schon damals rühmte man seine herrliche Lage, lustigen Gärten
und Weinberge, welche ringsum die doleritischen Tuffe bedecken.
1688 nahmen die Österreicher Pirot, wobei sich die serbischen Freiwilligen
besonders auszeichneten. Sie fielen gegen Dragoman aus, vertrieben die Türken
aus dem Passe, diese kehrten aber in grösserer Zahl zurück und siegten. Die
Serben verloren ihren Führer; 30 Offiziere und 524 Freiwillige wurden getötet
oder gefangen. FZM. Graf Virmond fand 1719 zu Pirot eine Fahne Janitscharen
als Besatzung des durch drei Kanonen verteidigten Schlosses. Über dessen
strategischen Wert meinte er*"): „weile wegen des daran liegenden scharfen
Felsens die Canons nicht wohl anzubringen, einer kleinen Corps diversion machen,
es sei denn dass man ein paar starke Mortiers dahin brächte, mit welchen, weil
das Schloss sehr enge, man die Besatzung leicht herausjagen könnte, weile aber
auch eine Strecke zwischen demselben und dem Gebirge rechter Hand vorbei
gehet, kann es einer Armee gar nicht schaden, sondern leicht occupiret werden."
In dem bald darauf, 1737, ausgebrochenen Kriege zwischen Österreich und
der Pforte drang ein serbisches Freikorps, nachdem Nis kapituliert hatte, gegen
') Tagebuch d. v. zween ginrwiird. röni. Kaysern Maxinv u. Rud. a. d. Ottom. Pforte
abgefert. Gesandsch. Frankfurt 1674.
') Ein newe Reyfsbeschr. aus Teutschl. u. Constant. u. Jerus. Nürnberg 1608.
') Gesch. des Osman. Reiches, I, S. 205.
*) Milicevic, Kraljevina Srbija, S. 224.
•'•) Relation. K. u. k Kriegsarchiv in Wien.
204 Von Nis über Bela Palanka, Pirot auf den Rakos usw.
Pirot vor, nahm sein Schloss und säbelte dessen Besatzung nieder. Die nach-
rückenden kaiserlichen Truppen besetzten hierauf die Stadt und schrieben in
ihrer Umgebung starke Kontributionen aus. Marschall Seckendorff scheint den
Wert der Position von Pirot nicht genügend erkannt zu haben. Graf Schmettau,
der Kritiker jenes Feklzugs, schildert Pirot als eine sehr hübsche Stadt, ihr
Schloss aber als eng, alt, ruiniert und von einem hohen Felsen dominiert. Man
warf nur 60 Mann deutscher Infanterie hinein, um die alle zur Stadt führenden
Defileen besetzt haltenden serbischen Freischaren zu ermutigen, unterliess es
aber, seine Werke zu verstärken. Rasch kapitulierte es im September desselben
Jahres. Sein Befehlshaber, der Partisan Botune, und die auf 40 Mann reduzierte
Besatzung erhielten freien Abzug nach Nis. 1761 erhielt Pirot höhere Bedeutung
als Sitz der neubegründeten Nisava-Eparchie, die Trn, Bela Palanka, Bresnik und
das Gebiet der Suva Planina bis zum Sv. Nikola-Balkan umfasste. Später
aufgelassen, wurde sie nach 1821 erneuert und ihr ausser Bela Palanka ein Teil
der Sofiaer Diözese zugewiesen. 1836 war Pirots Nisavabrücke der Schauplatz
eines missglückten Kampfes bulgarischer Insurgenten. Auch der 1841 dort
wiederholte Aufstand verlief gleich ungünstig.
Zur Zeit meines ersten Besuchs (1864) residierte zu Pirot ein würdiger
Mudir (Bezirkshauptmann), der, sobald er mein Bujuruldu gelesen, mir einen
Zaptieh als Begleiter gab, um die Stadt und Feste unbehindert besichtigen zu
können. Ich traf das Schloss im selben Zustande, wie ihn Schweigger beschrieb;
doch die Burg, welche er auf dem nahen westlichen Hisarberge sah, war
verschwunden und durch eine verpalisadierte Schanze ersetzt worden. Wiederholt
besuchte ich seitdem Pirot, zuletzt 1889, aber nie gelang es mir, eine Spur aus
seiner römischen Epoche aufzufinden. Und doch wird behauptet, dass man
oberhalb der Burg auf „Ziegel, farbige Mosaiksteine" und in den Weingärten
auf einen antiken „gepflasterten Weg" stiess! Vielleicht führen Nachgrabungen
zu einem bestimmten Resultat.
Der ärmlich aussehende, grossenteils türkische Stadtteil besass einen Uhrturm,
ein neues Kreisamt, 8 Moscheen, 2 Teke, 1 alte Kirche, darunter aber keine
einzige erhebliche Baute. Das etwas bessere christliche Viertel „Tiha Bara"
erhielt 1868 durch seine dreikuppelige Maria Himmelfahrts-Kirche, welche die
1834 erbaute bescheidene Christi Geburts-Kirche an Grösse und Schönheit weit
übertrifft, einen stattlichen Mittelpunkt, der jedoch wenig mit den kleinen Häusern,
schlechten Herbergen und dem alten Bischofskonak übereinstimmte. Archäologisch
interessant erschien mir eine, in einem nahen Dorfe gefundene 0,79 m lange,
0,32 m breite Grabplatte, deren dargestellte Personen in der Anordnung an
römische Votivsteine, in der primitiven Technik an ältere serbische zu Paviica
und Becevica (I. Bd., S. 595) erinnerte. An einem türkischen Brunnen bemerkte
ich eine unverkennbar mit orientalischen Motiven verzierte Platte, deren illyrische
Lettern im unteren Felde verraten, dass sie ein christlicher Meister anfertigte.
Pirots national gesinnte Gemeinde stand seit dem Beginne der antifanariotischen
Bewegung im Kampfe mit den ihr vom Konstantinopeler ökumenischen Patriarchat
aufgenötigten griechischen Bischöfen. Die Anklagen, welche 1860 gegen ihren
Von Nis über Bela Palanka, Pirot auf den Rakos usw.
205
Bischof Antin bei dem die traurigen Zustände im Tuna-Viiajet untersuchenden
Grossvezier Köprüslü erhoben wurden, überstiegen, was Zahl und Inhalt betrifft,
alle Begriffe. Die Beschuldigungen konnten bis zur Evidenz erwiesen werden
und der geistliche Verbrecher wurde zur Selbstreinigung in ein Athoskloster
verbannt. Schon nach zwei Jahren erschien er aber in Konstantinopel, wo er
wahrscheinlich durch ausgiebiges Backschisch bald wieder einen neuen Hirtensitz
erhalten haben dürfte.
Sein Nachfolger Sofronije, den ich 1864 persönlich kennen lernte, machte
sich gleich bei seinem Amtsantritte durch ungerechtfertigte Geldforderungen bei
seiner Gemeinde verhasst. Er flüchtete, um sich tätlichen Beleidigungen zu
Altserbisclier Urabstcin.
entziehen, in das nahe Kloster Sv. Jovan und konnte nur unter dem Schutze
herbeikommandierten türkischen Militärs zurückkehren. Die Ignoranz dieses
griechischen Bischofs ging so weit, dass er mir allen Ernstes von einer slavischen
Inschrift zu Sv. Jovan aus dem Jahre 750 erzählte. Er wusste also nicht, dass
erst im 9. Jahrhundert der Apostel Kyrill die nach ihm benannten Schriftzeichen,
die „Kyrillica", den Balkanslaven gebracht hatte. Da ich von dem würdigen
Kirchenfürsten nicht die bescheidenste archäologische Aufklärung empfing, schied
ich sehr unbefriedigt von ihm und Pirot.
Vom Sveti Nikola- Balkan herabkommend, besuchte ich 1870 Pirot zum
zweitenmal. Doch knüpfen sich nur unangenehme Erinnerungen an die wenigen
Stunden, die ich dort zubrachte oder richtiger, durch das Misstrauen seines
Kaimakams zubringen durfte. Wesentlich freundlicher gestaltete sich mein Aufenthalt
im Sommer 1871. Aus dem von mir entdeckten Temskatale stieg ich auf der
206 Von Nis über Bela Palanka, Pirot auf den Rakos usw.
von Mitliad Pasa nach dem Berkovica-Balkan erbauten schönen Strasse, vorüber
an der Schlossruine Atanas bei Gornji Krupac, hinab in das breite Nisavatal.
Pittoreske Karawanen schwer belasteter Grautiere und Pferde bedeckten die
Strasse, eine lustige Staffage, welche der alljährliche grosse „Panajir" zur Stadt
führte, in gesonderten Trupps karakolierten auf behenden, wahrscheinlich
gestohlenen Pferden auch Tscherkessen an uns vorüber, Insassen des nahen
Belo Polje, der einzigen, nun auch verschwundenen Fremdenkolonie südlich
von Pirot.
Wir Hessen Izvor und Berilovac rechts, und bald darauf rief mir der
Wirt des „Jeni Han" zum drittenmal „dobro dosli!" (glückliche Ankunft) zu.
Diesmal wohnte ich besser als in den Jahren 1864 und 1870; da die Panajirgäste
alle Räume des Hanes bis zum Dache hinauf füllten, räumte der Hausherr
für mich sein getäfeltes Prachtstübchen, ein reizendes Modell bulgarischer
Kunst-Ebenistenarbeit, welches mancher Amateur, bei der jetzt in Europa
herrschenden Vorliebe für orientalischen Komfort, gern für eine respektable
Summe erworben hätte.
Die wichtigste Neuigkeit des plaudernden Handzi war die mysteriös verbrämte
Mitteilung, dass die Paschas der Distrikte Nis, Sofia und Pristina seit zwei
Tagen zu Pirot weilten und unausgesetzt Beratungen pflegten. „Gewiss," meinte
er mit orientalischem Augenzwinkern, „geht etwas Wichtiges vor. Sollte jetzt,
wo der Franzose dem Prusli unterlegen und machtlos, der Moskov sich etwa
unserer wieder erinnern?" Ich antwortete ausweichend und beschloss, am
nächsten Tage das Pascha- Kleeblatt zu besuchen, schon um einem ähnlichen
Zwischenfalle, wie ich ihn 1870 erlebte, vorzubeugen.
Die' hohen türkischen Würdenträger haben eine sehr rühmenswerte Seite;
sie stehen zeitig auf und empfangen jedermann in frühester Stunde. Ich befahl
deshalb, meine durch das viele Balkanklettern stark mitgenommenen Pferde aufs
beste herauszuputzen, und hielt schon um 9 Uhr morgens an der Spitze meiner
kleinen Suite am Tore des neuen Konaks, der sich architektonisch recht anmutig
präsentiert, doch ohne Rücksicht auf die christliche Bevölkerung im entlegensten
türkischen Stadtviertel erbaut wurde. Dieser mir auch bei anderen neuen
Administrationsgebäuden zu Nis, Sofia u. a. 0. aufgefallene Übelstand erklärte
sich dadurch, dass die meist verheirateten Beamten in den billigen türkischen
Vierteln wohnten und während des Tages gern nach ihren Harems sahen, weshalb
man bei der Auswahl der Konakbauplätze mehr die eigene Bequemlichkeit
als das Bedürfnis der Klienten berücksichtigte. Eine andere Eigentümlichkeit
der neuen Konaks waren die gewöhnlich an ihrer Hauptfront rysalithartig
vorspringenden breiten Logen, in welchen der Vali, Mutessarrif, Kaimakam, solange
es die Witterung zuliess, auf hohem Diwan thronten. "Der das Rheuma fürchtende
Europäer empfand stets ein Frösteln, wenn er die zugigen Empfangsräume betrat;
denn anders als in unseren schlecht gejüfteten Amtsstuben standen hier Fenster
und Türen fortwährend offen, und der ungehindert durchziehende Luftstrom trieb
mit den grossgeblumten Vorhängen sein Spiel. Was würden unsere bis zur Halsbinde
zugeknöpften Hofräte sagen, wenn sie in solchen Räumen fungieren sollten?
Von Ni§ über Bela Palanka, Pirot auf den Rakoä usw. 207
Zu Ehren der im Kunak tagenden Mutessarrife standen zwei Redifs an
seinem Tore. Sie salutierten, als meine kleine Kavalkade vor demselben hielt,
der von der Loggia herabblickende Niser Pascha erwiderte freundlich meinen
Gruss, und der von ihm herabbeorderte Piroter Kaimakam willkommte mich.
Ich lächelte über seine Phrasen, denn es war derselbe Beamte, der mich 1870
Abdur Rahman Pasa als staatsgefährlichen Reisenden telegraphisch denunziert
und mir viele Unannehmlichkeiten bereitet hatte. Ich unterdrückte jeden Vorwurf,
begrüsste die Paschas von Ni.s und Sofia als alte Bekannte und wurde durch
sie dem Priätinaer Mutessarrif vorgestellt. Auch der Imain, Kadi, einige Stadt-
notablen und Mitglieder des Medzlis waren zugegen; doch spielten die christlichen
„Effendi" wie immer eine bescheidene Rolle.
Das Gespräch drehte sich anfangs um gleichgültige Dinge. Der Mutessarrif
von Sofia fragte mich um den Fortgang meiner kartographischen Arbeiten, der
Pascha von Nis, ob ich viele „eski scheler" (alte Dinge) gefunden? Ich benutzte
die günstige Gelegenheit, um zum nicht geringen Erstaunen der Herren vom
Medzlis den hohen Paschalik- Regenten unverhohlen meine Ansicht über den
schlechten Zustand des Agrar- und Schulwesens und namentlich über das
zügellose Treiben der Zapties auf dem Lande auszusprechen. Sie antworteten
mit dem matten Abklatsche der zeitweise von Konstantinopel in die Welt gesandten
Versicherungen über bald einzuführende Reformen. „Jawas, jawas," allmählich,
meinten die Effendi, „würde die Türkei von einem ä la franca regierten Reiche
kaum zu unterscheiden sein!" Ich wusste genau, wie ernst es den respektablen
Herren mit ihren Phrasen. Auch was für Pirot geschehen, dankte man einzig
Mithad Pasa, der es durch eine 19 km lange verbesserte Strasse mit Bela Palanka
verband und die neuen Wege zur heutigen bulgarischen Grenze über Krupac mit
20 km, über Rzana mit 27 km und zum Sv. Nikola-Balkan mit 60 km bauen Hess.
Um indes dem Abschiede jeden Missklang zu nehmen, ging ich auf den Panajir über,
dessen Bedeutung für die Stadt und das Paschalik nun allseitig besprochen wurde.
So lange das Schienennetz der Balkanländer unvollendet und die Ent-
wickelung ihrer Städte durch verbesserte Land- und Wasserwege vernachlässigt
blieb, spielten einzelne grosse Messen in diesen eine grosse Rolle. Der Piroter
Panajir war namentlich wegen seines bedeutenden Teppichverkehrs berühmt,
doch wurden auch Manufaktur-, Quincaillerie- und Kolonialwaren dort umgesetzt,
wenngleich nicht in solcher Menge, wie auf jenen zu Uzundzova und Eski-
Dzuma, für welche letztere die österreichischen Dampfer nach Rustschuk allein
(1874) über lüUOO Zentner Waren führten. Natürlich bildete der Panajir für
jede Messstadt das ersehnte grösste Ereignis des Jahres. Lange vor dem
18. August, an dem er zu Pirot begann, herrschte bewegtes Treiben auf dem
sonst öden Platze zwischen dem Bokludzabach und der Niser Strasse; denn es
galt eine provisorische Stadt für drei Wochen mit regelmässigen Gassen und
Lokalitäten von oft ansehnlicher Breite und Tiefe zu zimmern. Firmenaufschriften
gab es hier so wenig wie in den festen türkischen Basaren; doch trennten sich
die Verkäufer nach Gilden, und jeder Besucher versteht, was er benötigt, leicht
zu finden.
208 Von Nis über Bela Palanka, Firot auf den Rakos usw.
Auf den Strassen zum Panajir und rings um diesen patrouillierten Soldaten;
denn oft staute sich das Gedränge, der Wagen-, Lasttier- und Menschenknäuel
verwirrte sich, es brach mitunter Streit aus und nicht immer waren die Zapties
(Gendarmen) allein imstande, die Ordnung zu erhalten. Namentlich benutzten
Amanten und Tscherkessen, beide gleich berühmt im Stehlen, solche Momente,
um sich, nach dem Sprichworte, auf Unkosten der Streitenden zu bereichern.
Als eine für alle Teile bequeme Einrichtung verdient Erwähnung: dass alle
Rechtsstreite über Verkaufsabschlüsse, Mass, Gewicht, Münzen, Falschgeld usw.
gleich auf dem Platze von eigens für die Messdauer exponierten Gerichtsorganen
entschieden werden. Da ich gerade in der zweiten Messwoche, in welcher die
Landbevölkerung von allen Seiten heranströmt, den Panajir besuchte, gestaltete sich
das bunte, lärmende Gewoge wahrhaft verwirrend. Die Drogenhändler, welche
auch Henna zum Färben der Nägel und Handflächen für türkische Frauen
führen, die Verkäufer von Kolonialwaren, Konfekt und getrockneten Früchten,
von bunten Baumwollstoffen, Kopftüchern, Bauernschuhen, Riemzeug usw. hielten
ihre Ernte.
Während bei uns nahezu kein Dorf ohne Krämer ist und der ausgebildete
Hausierhandel die Konsumenten bis zur höchsten Alpenhütte aufsucht, wird es
ihnen im Orient nicht so bequem gemacht. Kaffee, Zucker, Tabak, Petroleum,
Salz, Wachskerzen, Seife, nebst hundert anderen Bedürfnissen, kauft der Bauer
in der Stadt, und ist sein Dorf weit entfernt von ihr, alljährlich einmal auf dem
Panajir. Auf diesen treibt er sein Vieh, bringt er Häute, Wolle, Wachs, Honig usw.;
mit dem erlösten Bargelde wandert er sodann von Laden zu Laden, von Zelt
zu Zelt, prüfend und feilschend, das zu weit gehende Gefallen von Frau und
Töchtern an Putz und Flitter bekämpf&nd. Denn nicht allein das Notwendige,
sondern auch Gegenstände des Lu.xus sind hier aufs lockendste ausgebreitet; alte
Ladenhüter der Wiener Fabriken, Spiegel, Schmelzperlen, Glasringe, Falschschmuck,
fesseln das begehrende Auge. Ihre Verkäufer sind grösstenteils spanische Juden,
welche den weiten Weg von Nis, Sofia und Philippopel nicht scheuten. Ungleich
den Türken entwickeln sie grössere Beweglichkeit im Anpreisen ihrer Waren.
Der auf seinem Teppich hockende Moslim harrt geduldig des fragenden Käufers;
er ist überzeugt, dass alles vom Kismet (Geschick) abhängt und was kommen
soll, auch ohne Anstrengung erreicht wird. Der Handel mit Tabak, Pfeifenköpfen,
zierlichen Frauenschuhen usw. war nahezu ausschliesslich in türkischen Händen
und warf guten Gewinn ab.
Seitwärts vom grossen Verkehrsstrom, in den schmalen Gassen, erholte
ich mich vom betäubenden Lärm. Weniger begehrt, weil kostspielig, sah man
hier mit schvvarzen Schnüren oder blinkenden Silber- und Goldborten bedeckte
Jacken, Westen, Beinkleider und Caksiren (Kniegamaschen); Kleidungsstücke von
3 bis 10 Gold-Lira (1 = 20 Mark) erschienen durchaus nicht hoch im Preise,
im Verhältnis zur oft bewundernswerten Arbeit. Ihr Hauptvorzug besteht namentlich
in der Symmetrie und Präzision der aus Schnurwerk auf dem grünen, karmesin-
roten und drappfarbenen Tuche aufgenähten Arabesken. Ich sah Ornamente von
so erfindungsreicher Abwechselung, dass man leicht eine Mappe mit schönsten
Von Nis über Bola Palanka, Pirot auf den Rakos usw. 20!)
Vorbildern für ein westliches Indnstrie-MiisciMii hätte füllen können. Die Meiirzahl
der Abadzi (Schneider) waren .Amanten und kamen aus dem fernen Priätina, Frilip,
Skoplje u. a. 0. Die Händler mit Kupferzeug kamen vom schwarzen Drin und
hielten kleine Teller und Näpfe mit hermetisch schliessenden gewölbten Deckeln
zum Auftragen der Speisen, grosse Pilavschüsseln, Waschbecken mit zierlichen
Kannen und Rauchgefässe von zierlichen Formen feil. Hart an ihre Buden stiessen
jene der Gelbgiesser und Messerfabrikanten aus dem Balkan mit prächtigen
Altarleuchtern und Hängelampen, unter welchen mir solche in Kreuzform mit
dem Drachentöter Georg auffielen; daneben hatten Silberfiligranarbeiter von Nis
reizende Gegenstände ausgelegt.
Auch einige Sahatci hatten sich eingefunden; denn selbst der ärmste
Muselmann trägt eine Uhr, und in der Schweiz gibt es Fabriken, welche nur für
den Orient arbeiten; die Zifferblätter tragen türkische Zahlzeichen und die Werk-
teile sind mit gepressten Arabesken im orientalischen Stile verziert. So verstanden
es die rührigen Industriellen der Alpen auch auf diesem Gebiete, sich ohne
staatliche Konsuln, Museen usw. den Markt zu erobern, indem sie die türkische
Geschmacksrichtung gleich richtig wie jene in Ägypten, Persien, Indien und
Amerika studierten. Das Eisen spielte selbstverständlich auf dem Panajir keine
geringe Rolle; das heimische Erzeugnis verschwand aber neben den importierten
Sensen, Sicheln, Türbeschlägen, Schlössern, Nägeln usw. aus Österreich, Öfen aus
Ungarn, kleinen Rundschlössern aus Russland, feineren Eisen- und Stahlwaren
aus rheinischen und Shefficider Fabriken. Nur die landesüblichen Herdkessel,
Hängeketten, Hufeisen, roh geschmiedeten Nägel, Messer, Scheren usw. trugen
unverkennbar heimischen Stempel.
Alles, was auf dem Panajir von Wirk- und Webwaren vorhanden, dann Fesse,
geblümte Kopftücher, feines Schuhwerk, Papier, Stearinkerzen, Porzellan, Glas-
waren usw. gelangte durch bulgarische Kommissionare zu Wien, Leipzig, Marseille,
London, Manchester usw. über Lom, Rustschuk, Salonik und Konstantinopel
hierher. Die türkischen Bahnen begünstigten den Import zur See aus dem
fabrikreichen Westeuropa auf Unkosten Österreichs; doch gab es wichtige Artikel,
Lampen, Glas, Zündhölzchen usw., in welchen letzteres beinahe ausschliesslich
von Norden herab den Markt bis Rustschuk, Tirnova und Philippopel beherrschte.
Am nördlichen Ausgange der grossen Panajirstrasse hockten in Reihen alte
verschleierte Türkenfrauen, welche die Handstickereien von in der Stadt gebliebenen
jungen Frauen und Mädchen, zarte, golddurchwirkte Gazegewebe, zierliche Pan-
töffelchen, Geld- und Tabaksbeutel, mit Gold ornamentierte Käppchen usw.
ausboten. Weiter hinaus bahnte mir mein Zaptie den Weg zu den Verkäufern
keramischer Waren. Ganze Berge von Krügen, Töpfen, Tellern, Tonlampen,
Leuchtern aller Formate und heimischer Faktura lagen auf dem abgemähten
Rasen. Wenngleich weniger rein in der Ausführung als die bewundernswerten
keramischen Fabrikate Ost-Bulgariens, sah ich auch hier Formen, welche an
klassische Vorbilder erinnerten.
Ging es überall lärmend her, so kulminierte das hochwogende Panajirleben
bei den ambulanten Zelten und Herden spekulativer Kaffeeschänker und Garkoche.
F. KANITZ, Serbien. H. 14
210 Von Nis über Bela Palanka, Pirot auf den Rakoä usw.
Hier konsumierten Türken, Bulgaren, Tsclierkessen, Zigeuner, Albanesen und
Tataren stehend oder auf roh gezimmerten Bänken hockend im Schatten impro-
visierter grüner Laubdächer guten und schlechten Kaffee, Caj, Sorbet, Rakie,
Wein, Knoblauch, Zwiebeln, Rettiche, gesottene Bohnen und Rita, eine Lieblingssorte
mit Kraut und Käse gefüllter flacher Kuchen. Soviel man auch verzehrte, immer
wurde für neu zuströmende durstige und hungernde Gäste gesorgt. Volle Bock-
schläuche mit Rotwein traten an die Stelle der geleerten; unermüdet wurden
Schöpse und Lämmer nach Koranrituell oder Christenbrauch, natürlich auf
verschiedenen Plätzen, geschlachtet, ausgeweidet und mit wuchtigen Hieben
zerteilt, um bald verkleinert, mit Gemüse in Pfannen geschmort oder auf Hoiz-
stäbchen gespiesst, zu wohlschmeckendem Kebab gebraten zu werden.
Durch die zechenden Gruppen drängten sich mit lauten Anpreisungen
zudringliche Talals, die Ausrufer verkäuflicher Pferde, alter Sättel und oft
wertvoller Waffen, hausierende Krämer mit tausend Kleinigkeiten, Gebäck-, Obst-
und Eisverkäufer. Glücklicherweise war das vierbeinige Sanitätskorps vollauf
tätig, weggeworfene Abfälle zu vertilgen, denn sonst wäre die Atmosphäre auf
diesem Platze in den heissen Augusttagen unerträglich gewesen. In später
Nachtstunde, wenn das lärmende Treiben erstorben, hielten noch Geier aus dem
nahen Balkan eine ergiebige Nachernte. Dass es an ambulanten Schmieden,
Zahnreissern, Gauklern, Bärenführern, Musikanten und gefälligen Zigeuner-Preziosas
nicht fehlte, bedarf kaum besonderer Erwähnung.
Von den berühmten Piroter Teppichen sah ich auf dem Panajir nur einzelne
Stücke; in die Stadt zurückgekehrt, führte mich mein Hausherr in verschiedene
Magazine, wo die aus dem Ciporovica-Balkan zur Messe gelangten Vorräte in
grossen Ballen aufgespeichert lagen. Auch diese gelangten als „Pirotski Cilim"
(Piroter Teppiche) in den Handel. Es waren grösstenteils ordinäre Sorten kleinen
Formats zu äusserst billigen Engrospreisen, durch vorherrschend dunkle Farben
von zu Pirot gewebten unterschieden. Die groben Fuss-, Sitz- und Gebet-Teppiche
aus dem Balkan sind gewöhnlich gelb, blau, braun und schwarz, jene aus Pirot
weiss, gelb, blau, grün, hellrot gemustert. Letztere aus feinerer Wolle, dichter
gewebt, grösser, kostspieliger, machen dem asiatischen Fabrikat erhebliche
Konkurrenz. Prachtexemplare von bestimmter Grösse werden voraus bestellt und
bezahlt. Bei Jelenska Rabadzi, der berühmtesten Piroter Meisterin, sah ich einen
für den Salon eines Konstantinopeler Paschas bestimmten, hellfarbig ornamentierten
Teppich, welcher den nach landläufigem Massstabe ungemein hohen Preis von
650 Piastern (130 Mark) kostete. Die Piroter Teppiche grössten Formats, 5 Arschin
breit, 6 Arschin lang, heissen: Batal, mittlere von 3 zu 4: Smetenik, von 2 zu 3:
Sestak, von 1 '/a zu 2: Sidzade, und die schmalen, nach bestellter Grösse
angefertigten Minderluksdecken: Jan. Wollfärber gibt es in der Stadt 12, Lein-
wandweber etwa 70 mit 200 Stühlen; Wollweber weniger. Sajaktuch und
Gaitan-Schnürwerk kommen von Kalofer und Karlovo.
Die letzten Stunden meines Aufenthalts zu Pirot verbrachte ich auf der
schattigen Hangalerie mit dem Ordnen der auf dem Panajir gesammelten Notizen.
Die junge Frau des Handzi trippelte oft vorüber, stets um Verzeihung bittend;
Von Nis über Bela Palanka, Pirot auf den Rakoä usw. 211
denn dicht vor meinem Stübchen legte sie enti<ernte saftige Pflaumen auf Geflechten
zum Trocknen aus. Piroter Zwetschken erfreuen sich ihrer grossen Süsse wegen
einer gewissen Berühmtheit und werden gleich dem „Ödenburger Obst" in
Schachteln weit versendet.
Nachdem ich meinem wegkundigen Wirte noch einige Daten über die am
folgenden Tage einzuschlagende Balkanroute abgefragt, eilte ich in den Konak,
um mir einen tüchtigen Führer vom Kaimakam zu erbitten. Ich fand ihn unter
dem Eindrucke der respektvollen Aufnahme, welche mir von den drei Paschas
zuteil geworden, sehr gefällig, und nachdem er meinen Ferman durchflogen,
schien er den Zweck meiner Reisen auf türkischem Boden richtiger als ein Jahr
zuvor aufzufassen. Er gestand, dass er grosses Unrecht gegen mich gut zu
machen habe, begleitete mich bis an das Tor, empfahl sich meiner guten Nachrede,
falls ich nach Stambol käme, und band mich dem herbeibefohlenen Zaptie-Cau§
(Korporal) auf die Seele, der mich über den Ciporovica-Balkan bringen sollte.
Diesmal schied ich von Pirot mit freundlicheren Gefühlen. Ich dankte dem
Handzi für sein mir abgetretenes Stübchen, seiner hübschen Frau für das letzte
treffliche Mittagsbrot. Auch mein Dragoman war freudiger gestimmt, er brummte,
was lange nicht geschehen, ein polnisches Liedchen vor sich hin; ging es ja dem
Endziele unserer Reise, der Donau zu. Gegen zwei Uhr zog meine kleine
Karawane über die Nisavabrücke durch das christliche Viertel, dessen Carsi aus
Anlass des Panajirs sehr belebt war. Die Händler, welche ich besucht hatte,
lüfteten die Mützen und riefen mir laute „srecan put!" (glückliche Reise!) zu.
Sie ahnten damals nicht, dass nur sechs Jahre später das oft verwünschte
türkische Regiment in ihrer Stadt zu Ende gehen würde, und noch weniger, dass
sie, die stets sich als Bulgaren betrachtet, dem Fürstentum Serbien einverleibt
werden sollten.
Nachdem Bela Palanka genommen war, lieferten die Serben am 25. und
26. Dezember 1876 Pirots Verteidigern bei Ponor, Suvodol, Blato siegreiche
Gefechte und besetzten die an diesen Punkten zur Verteidigung der Konstan-
tinopcler Strasse aufgeführten Schanzen. Am 27. Dezember nahm eine über
Temska auf dem rechten Nisavaufer vorgedrungene Abteilung die feste türkische
Stellung bei Nläor. Als auch die wichtige Position auf dem Budiii Del an
der Temskamündung verloren war, gaben die Moslims jede weitere ernste
Verteidigung auf. Früher schon hatten die aus der nördlichen Umgebung nach
Pirot geflüchteten Türken- und Tatarenfamilien die Stadt auf der Sofiaer Strasse
verlassen. Am 28. Dezember zogen die Serben, welchen die erwähnten Gefechte
100 Tote und 583 Verwundete kosteten, in das sie jubelnd begrüssende Pirot
ein. 28 Geschütze, 1500 Gewehre und 200 Gefangene fielen in ihre Hände.
Erst am 5. August 1878 besuchte König Milan „auf die Bitte der Piroter" ihre
Stadt, welche Sitz der Kreisverwaltung blieb. Früher gehörten zum Piroter Kaza
auch die 1878 zu Bulgarien geschlagenen Bezirke Trn und Breznik; gegenwärtig
die Bezirke: Vlasotinacki '), Belopalanacki, Luznicki und Niäavski. Von den
') Dieser Bezirk wurde 1899 dem Vranjaer Kreise zugeteilt.
14*
212
Von Nis über Bcla Palanka, Pirot auf den Rakos usw.
2500 Moslims, welche Pirot bis zur serbisciien Eroberung bewohnten, waren
1879 neben 7185 Ciiristen 638 geblieben, aber auch diese wanderten nach der
Türkei; ihr stark empfundener Abgang wurde allmählich durch starke Zuzüge
aus der Umgebung ersetzt.
Das Kriegsjahr 1885 schädigte Pirot ungemein. Nachdem schon seine
Ausfuhr von Fett und Käse nach und durch Bulgarien während der Kriegs-
vorbereitung gelitten, entschied sich unter seinen Mauern der unheilvolle
Bruderzwist zu Ungunsten der Serben. Als König Milans Truppen durch die
bulgarischen Siege bei Slivnica, Dragoman und Caribrod zurückgedrängt waren,
erschien die bulgarische Armee vor Pirot. Seine Besetzung erfolgte, nachdem
die Serben am 26. November nachts die Zitadelle mit Dynamit gesprengt und
unter hartnäckigem Artilleriefeuer ihren Rückzug auf Bela Palanka und Knjazevac
angetreten, am 27. November abends, in derselben Nacht wurde es geplündert.
Flüchtende Tatiren
Die Ankunft des Fürsten Alexander am folgenden Tage beendete diese Aus-
schreitungen einzelner Truppenabteilungen; jene des österreichischen Diplomaten
KhevenhüUer aber den beklagenswerten Krieg.
Der Ausbau der Belgrad — Niser Linie nach Sofia brachte wieder Leben
in die hartbetroffene Stadt. Und als der stark besetzte Belgrader Zug am
20. September 1889 mit den Teilnehmern des Schützenfestes auch mich in das
festlich geschmückte Pirot führte, erinnerten nur wenige Spuren an die schlimmen
Kriegstage, welche es durchgemacht. Die schlechte türkische Nigavabrücke war
durch einen 60 m langen, auf vier Steinpfeilern ruhenden schönen Oberbau ersetzt
worden; allerorts erschienen Neubauten zwischen renovierten, das Hotel „Zum
serbischen König" wartete auf den grossen Fremdenzuzug, welchen man sich
von der Eröffnung des Schienenwegs versprochen hatte. Leider „arbeitete" es
nicht, und die nach einem frischen Trünke lechzenden Schützen waren auf eine
benachbarte Mehana verwiesen. Es gab heimisches Bier und trefflichen Rotwein,
den man zum erstaunlich billigen Preise nach dem Gewichte mit 20 c die
Oka — K) Kreuzer für 1,28 Liter bezahlte. Freunde, die sich lange nicht
gesehen, trafen hier zusammen. Sodann ging es zur Kirche. Mit fliegenden
Von Nis über Bcia l'alanka, Pirot auf den Rakns usw.
213
Fahnen, unter Hörnerklang und Militärmusik ordneten sich bei dem seines Helmes
und Schlagwerks beraubten Uhrturme schmucke serbische Offiziere aller Grade
mit Hunderten aus Serbiens Städten herbeigeströmten Schützen zum Zuge. Diese
Pause bis zur Eröffnung des Schiessens benutzte ich, um meine Erinnerungen
an das seit 1871 nicht betretene Pirot aufzufrischen. Der liebenswürdige
Bezirkskapetan Proka Knezevic widmete sich mir als kundiger Begleiter.
Zunächst stiegen wir zum Kaleh hinauf. A. v. Huhn, ein Augenzeuge des
serbisch-bulgarischen Krieges, beschrieb seine Sprengung: „Plötzlich wurde die
ganze Gegend in feurigem Glänze erhellt, ein Blick rückwärts zeigte eine ungeheuere
Feuergarbe, welche hoch zum Himmel aufstieg, einige Sekunden stand und dann
in sich zusammensank. Dann herrschte wieder dunkle Nacht und es währte
noch einige Sekunden, bis ein dumpfer Knall sich hören liess. Dieses Ereignis
hatte in seiner unerwarteten Plötzlichkeit und Grossartigkeit etwas Erschreckendes."
_J
PIROT. Türkische Brunnenplatte.
Durch die E.xplosion wurde das Haupttor des Kastells zerstört, seine Mauern
und Türme barsten; nur der oberste Teil blieb erhalten und dient nun als
Pulvermagazin. Ich sah zwei riesige Bleikluinpen von mit Bajonetten und
Gewehrläufen zusammengeschmolzener Munition, daneben lagen zerbrochene
türkische Inschriftsteine und Embleme, welche den Eingang geziert hatten. Und
wie hier das furchtbare Dynamit, hatte die Menschenhand im einstigen Moslim-
quartier gewütet. Die Sultan Mehemed- Moschee wurde in ein Militärmagazin
verwandelt, das zweikuppelige Bad halb zerstört und die lieblichen Hausgärtchen
grösstenteils rasiert. Auf der freigewordenen Strasse entstanden allerdings mit Hilfe
des 1888 gegründeten Hilfs- und Sparvereins, der 1905 schon 13,8 Mill. d umsetzte,
viele Privathäuser, und in der langen Sofiastrasse ein hübscher, einstöckiger
neuer Schulbau mit 15 Fenstern Fronte, zwei Risaliten, Glockentürmchen und
grossem Turnplatze für die vierklassige Volksschule und das Gymnasium.
Unfern zeigte mir mein Begleiter Dr. Valentas sechsfensteriges Parterre-
geschoss, das kurz nacheinander König Milan und Fürst Alexander bewohnten. Der
benachbarte Kaimakamkonak, in dem ich 1871 die Paschas von Ni.s, Sofia und
214 Von Nis über Bela Palniikn, Pirol auf den Rakos usw.
Pristina besuchte, dient weiter als Bezirksamt für den grossen Nisavski srez, der
(1905) in 30 Gemeinden 80 Orte und (Pirot ungerechnet) 50535 Seelen zählt. Die
alte Kirche „Rozdestvo Hristovo" blieb, wie Partenije, der letzte fanariotische
Bischof aus Dibr, sie veriiess. Ihm folgte der Bulgare Evsfatije aus Elena, welcher
die neue Kirche Sv. Trojica den national-kirchlichen Strebungen dienstbar machte.
Noch heute steckt viel Sympathie für das Bulgarentum in der älteren Generation,
was sie in Konflikte mit dem serbischen Regiment brachte, und auch der Kompass
der jüngeren gerät noch in oszillierende Bewegung. Vor wenigen Jahren erhielt
ich von einem zu Zürich sich bildenden jungen Piroter das schriftliche Bekenntnis,
er finde sich in bedauerlichem Konflikte mit seinem Nationalgefühl und wünsche
zu erfahren, ob die Piroter der serbischen oder bulgarischen Nationalität
angehörten! — Ich werde auf diese schwierige ethnographische Frage noch
zurückkommen, obschon sie politisch heute belanglos ist.
Auf dem nahe beim Kastelle liegenden Schiessplatze wurde die letzte Hand
an die Ausschmückung der im Tiroler Stile gezimmerten, mit Fahnen und Reisig
geschmückten Halle und ihrer drei Stände gelegt. Als „Beste" für den vier
Tage dauernden Wettbewerb hatte König Milan aus der Ferne ein reich vergoldetes
Silberservice im Werte von tausend Franken gesendet. Den zweiten Preis
bildete ein zu Kragujevac prächtig gearbeitetes Mauser-Koka-Gewehr; ausserdem
konnten 10 der berühmten Piroter Teppiche und andere lockende Objekte
gewonnen werden. Bei dem durch liebenswürdige Frauen verschönten Festmahle
wurde auch auf mein Wohl und den glücklichen Ausfall meiner Reise getrunken.
Kapetan Knezevic hatte alle Vorbereitungen für dieselbe getroffen. Der bequeme
Wagen des Bezirksarztes Dr. Dinic wartete vor dem Tore, mein Begleiter,
Kreisingenieur Balta, erklärte sich fertig; doch die Trennung von den vielen
Freunden, welche das Fest nach Pirot gebracht, war nicht leicht. In gehobener
Stimmung veriiess ich die Stadt.
Man denke, ein Schützenfest nach occidentalem Zuschnitte auf serbischem
Boden und gar zu „Sehir koi", in dieser einstigen Hochburg islamitisch-
fanariotischer Herrschaft, deren Segnungen ich selbst dort erfahren! — Möge
der jähe Wandel allezeit Pirot zum Heile gereichen. 1896') zählte es wieder in
1988 Häusern nahezu 10000 Bewohner, darunter 230 Ackerbauer und Gärtner,
33 seiner berühmten Gold- und Waffenschmiede, 154 Leinwand-, Teppichweber
und Färber, 273 Schneider und Stickerinnen, 270 Kaufleute, Spezerei- und
Obsthändler, 8 Advokaten, 22 Professoren und Lehrer, 4 Aerzte, 9 Geistliche usw.
Von Fremden leben dort 40 Slaven, 22 Deutsche, 14 Rumänen, 9 Ungarn,
5 Italiener usw. Katholiken gab es 39, Protestanten 5, Israeliten 266, Mohammedaner
272, unter diesen aber nur mehr 13 Türken, von welchen einer drei Frauen
besass. Die Garnison, 41 Offiziere, 60 Unteroffiziere, 406 Soldaten, trägt viel
zur Belebung der städtischen Gewerbe jeder Art bei.
Das lustige Stutzenfeuerecho der um den Preis ringenden Schützen begleitete
uns bis auf die Höhen von Blato. Wir stiegen über 300 m das Kalkplateau
•) Nach der Zählung von 1905 hatte Pirol in 2027 Häusern 10010 Bewohner.
Von Niä über Bein Palaiika, Pirot auf den Rakoä usw.
215
aufwärts bis zum neuen Strassenhan auf der Wasserscheide und rollten sodann
im raschen Tempo an Gornje Krnjino und seiner südöstlichen Kastellruine
vorbei, über auflagernden Sandstein 200 ni südlich hinab zum 3 St. fernen
Bezirksorte Babuänica. Die auffallend helle Beleuchtung seiner isolierten
Mehana deutete auf aussergewöhnlichen Besuch. Wahrlich, das Kismet begünstigte
mich auffällig an diesem Tage. Angenehm überrascht, traf ich in der kleinen
Wirtsstube den General Anta Bogicevic, den Generalstabschef Oberst Jovan
Miskovic, die Obersten Mihail Magdalenic, Svetozar Ljocic und Major Dragomir
Vuckovic beim Abendbrote versammelt. Das Studium der bulgarischen Grenze
hatte die Herren in dieses abseits liegende Tal geführt. Heitere Gespräche,
nützliche Winke für meine Forschungen und köstlicher Caj kürzten den Abend.
In später Stunde geleitete mich der sreski Kapetan ') in das mir eingeräumte
Bezirkshaus, ein karaulartiger Bau mit zwei grossen Räumen und niederen Türen
Bezirkshaus zu Rabusnica.
im oberen Stockwerke. Es war die einstige Kula Abdulah Begs, von welcher
er das grösstenteils ihm gehörende prächtige Umland übersah und beherrschte.
Wer die Geschichten, die sich in solch altem Türkenkonak abgespielt, erzählen
könnte! immerhin liess Abdulah ein besseres Andenken als Suleyman Beg
zurück. Unter serbischem Regimente wollte er aber nicht leben. So verkaufte
er seinen Besitz dem Dorfe für den Spottpreis von 1800 Dukaten und zog
nach Asien. Die aus 7 Orten bestehende Gemeinde Babusnica zählt (1905)
in 350 Häusern über 2600 Seelen; das Bezirkszentrum selbst nur 24 mit etwa
140 Seelen. Es ist, da es keine eigene Kirche besitzt, zu der 1847 erneuerten
alten Sv. Trojicakirche zu Zlokucane mit 7 anderen Orten eingepfarrt. An der
Babusnica berührenden, über Svodje nach Vlasotinci führenden trefflichen Strasse
liegt 3 km S. das uralte, 1868 renovierte Kloster Sv. Petka, dessen 1880
verweltlichte Kirche der Gorcincer Pfarre zugewiesen wurde.
Der nächste Morgen versprach das Beste für die geplante Ersteigung des Rako§.
Den Weg entlang der Luznica und über die durch Buchen- und Eichenstände
') Bezirksvorsteher.
216 Von Nis über BcK'i Palniikn, l'irot auf den Rakos usw.
verschönte fruchtbare Wasserscheide nach Mokro hatten schon die Römer gei<annt
und durch Warttürnie j;;eschützt. Ihre Ruinen bheben auf den Vorhöhen des
westlichen 1140 ni hohen Crni Vrh, bei Provaijenik und Resnik erhalten.
Östlich von letzterem „Gradiste" erwartete uns der vorausgeeilte Bezirkshauptmann
Tanasije Rasic mit den Pferden beim Gemeindehause von Strizevac. Der Schreiber,
wie gewöhnlich ein gedienter Unteroffizier, klagte über die grosse Arbeitslast. Die
Gemeinde zählte 530 Steuerzahler, welche sich auf noch 7 weitere Orte (Sljivovik,
Beziste, Resnik, Bratisevac, Provaijenik, Gornje und Donje Krnjino) im Umkreise
von 8 km- verteilten. Wir gingen auf das rechte Belavaufer über, ritten sodann
abwechselnd durch Wiesengrund und für die Pferde gefährliches, stark klippiges
Kalkterrain 6 km W. aufwärts zu einer weitgedehnten trichterartigen Mulde. Ihre
nördliche Umrandung bildeten die mit Felsen besäten Abstürze der Kalkzinnen
des 1441 ni hohen Rakos, südlich die frischgrünen Buchenwälder des Javor und
der Rudovica. Im Zentrum des stark zerrissenen Planes fliesst von der „Cesma
Rakos" auf der Suva Planina in solcher Höhe seltenes kostbares Wasser ab. Bei
diesem gelangten wir zuerst an eine Käserei und sodann in das von „Crnovunci"
bewohnte improvisierte Hüttendorf.
Janja Todorovic, das aus Poliros, nahe dem albanesischen Joanina (Janina)
stammende Oberhaupt der interessanten Niederlassung, bat uns in der ihm wenig
geläufigen serbischen Sprache, mit seiner schlechten Hütte vorlieb zu nehmen.
Unsere Panduren erhandelten ein Schaf für 5 d. Während sie die Mahlzeit
bereiteten, besuchte ich die Sennwirtschaft dieser ethnographisch im 11. Kapitel
des 111. Bandes eingehend geschilderten gastfreundlichen „Cincaren". Der slavische
Namen „Crnovunci" der sich auch „Grci" (Griechen) gern nennenden Cobani"
(Hirten) stammt von ihren „schwarzwolligen" Schafen, die sie, weil stärker als weisse,
bevorzugen. Auf meinen 18 Passagen der Balkankette traf ich „Crnovunci" im
Sommer 1871 nur im Zentralbalkan. Sie schlagen aber ihre Wanderlager auch
auf der Rhodope, am Südfusse des Kopaonik, im klassischen Olympos und anderen
grasreichen Gebirgen auf. In Serbien soll es im Toplicaer, Piroter, Niser und
Vranjaer Kreise etwa 135 mazedo-vlachische Familien mit einem Herdenbesitze
von 34000 Schafen und 1900 Pferden geben.
Seit der Rakos serbisch geworden, beziehen ihn alljährlich am 1. Mai (a. St.)
14 Crnovunci-Familien, welche seine in den Wäldern zerstreuten, vier Dörfern
gehörenden Weiden für ihre 3000 Schafe und 180 Pferde um 150 Dukaten Jahreszins
pachteten. Oben angelangt, schlagen die Männer sofort das nötige Holz, aus
dem die Frauen für jede Familie eine besondere Hütte mit grossem Geschick
zimmern. In drei Tagen ist das selo (Dorf) fertig. Die Herden verteilt man in
den farnreichen Buchenwäldern, wo sie ihre Lieblingspflanzen Kukurek (Niess-
wurz), Kupina (Brombeerstrauch), Mlec (Wolfsmilch) usw. in Menge finden. Der
grösste Teil des Milchertrags wird aber durch Unternehmer zu „Kaskavalj", eine
Art fester Schweizerkäse, für Salonik, Adrianopel oder Konstantinopel verarbeitet.
Auf dem Rakos traf ich zwei Griechen, welche von dem die Hirtengenossenschaft
vertretenden Janja die Milch zu 13 Cent, per Kilogramm erstanden und am
19. Mai in ihrem grossen luftigen Hüttenbau die Käseproduktion begonnen hatten.
Von Nis über Bela Palnnka, Pirot auf den Kakcis usw
21'
10 kg Milch geben durchschnittlich 9,5 i<g Käse und 0,3 i<g Schmalz. Der
Prozess bedarf einer gewissen Sorgfalt. Man schüttet 600 kg Milch in einen
Bottich und wirft den dritten Teil eines Lamm-Magens als siriäte (Käselab) zur
Säuerung hinein. Nach einer Stunde wird die Masse durch einen mit Leinen
überspannten Reif gedrückt und das Wasser abgeschüttet. Die unten bleibenden
festen Teile werden durch Steine beschwert, in kleine Stücke zerschnitten, diese
in einer Krosnja (Korb) durch eine Minute in siedendem Wasser belassen. Hierauf
knetet man die durchweichte Masse mit den Händen, bis keine Risse in derselben
zu sehen sind, und prcsst sie in Kalups (hölzerne Formen) zu den üblichen
Kaskavaljkäse-Verpackiing auf dctu Rakos.
niederen Laiben. Auf dem Rakos zeigten sie die Initialen: K. C. P. P. ^ Kola
Ciric & Poto in Pirot. Wenn die Laibe sechsmal jeden dritten Tag gesalzen
und mit kaltem Wasser gewaschen worden, ist der Kaskavalj regelrecht fertig.
Am 13. August wird mit der Verpackung in starken Leinwandsäcken und
dem Transporte auf den Crnovunci- Pferden nach Pirot begonnen und dort
die fertige Ware mit 1.20 d per kg zum Weitertransport übergeben. Nach
Konstantinopel kostet die Bahnfracht per kg 24 Cent. Serbien erhebt als Exportzoll
4,5 Cent, und 1 Prozent vom Werte, Bulgarien transito nichts, die Türkei aber
11 Cent. Einfuhrzoll per kg, das zu Konstantinopel durchschnittlich mit 1.75 d
verwertet wird. Der Händlergewinn ist bescheiden; doch summiert er sich durch
die bedeutenden Quantitäten, welche einzelne Firmen absetzen. Das Haus Djordje
Kaplanoglu bezieht allein aus dem Balkan und Mazedonien 200000 kg Kaskavalj.
218 Von Nis über Bcla Painnkn, Pirot auf den Rakos usw.
Der Verkauf lebender Schafe bildete früher eine Haupteinnahme der
serbischen Crnovunci. Man rechnet auf 500 Stück einen jährlichen Zuwaciis von
300, von weichen 250 gewöhnlich im Herbst auf dem Markt in Adrianopel zu
12 d Gold verkauft wurden. Dies änderte sich seit dem Kriege, seit 1885, als die
Bulgaren den Viehdurchtrieb nach der Türkei erschwerten. Es blieb nur die
Ausfuhr über Vranja nach Kumanovo oder Skoplje, wo höchstens 5—6 d für
einjährige Schafe bezahlt werden. Auch die Produktion von maslo (Schmalz) für
die Türkei litt stark. Es wird in Bocksschläuche eingegossen, ebenso die vom
Hause mitgenommene Tarana (Maismehl), welche während des fünfmonatlichen
Sommerns auf den unwirtlichen Höhen die Hauptnahrung der meist sich mit etwas
sir (Topfen) und maslo (Fett) begnügenden Crnovunci bildet. Ausserdem werden
dicke Wolldecken, Kessel, Molkereigefässe, Krüge und anderes unentbehrliches
Gerät den Pferden aufgeladen. Einige Männer tragen Waffen, weil vom Balkan
nach der Suva Planina wechselnde Bären nicht selten sind. Den Wölfen zeigen sich
die kampfgeübten wilden Hunde gewachsen; doch trotz strenger Hut fügen die
häufigen Raubtiere den Herden in nächtlichen Überfällen grossen Schaden zu.
Hat man keine besonderen Unglücksfälle zu beklagen, wird der Beginn der
Schafschur freudig mit Gesang, Tanz und Flintenschüssen gefeiert.
Obschon auch die Crnovunci ihre Verwandtschaft mit der lateinischen Rasse
im Typus nicht verleugnen, tritt sie doch nicht so charakteristisch wie bei den
Rumänen auf dem linken Donauufer hervor. Die Männer sind meist von kleiner,
gedrungener Gestalt. Den von zartester Jugend an zu hartem Wander- und
Arbeitsleben verurteilten Frauen fehlt die Schönheit und graziöse Bewegung, welche
ihre rumänischen Schwestern den Italienerinnen nähert. Die häufigen Wetterstürze
auf den hohen Alpenweiden zwingen die Crnovunci, sich in warmes Aba zu kleiden.
Die Frauentracht wird durch die vielen übereinander angezogenen dicken Jacken
und Röcke unschön. Malerischer ist der aus weissem Tuche gefertigte, schwarz-
bebortete männliche Anzug, über den, wenn es kalt, noch ein dicker, schwarzer
Lodenrock mit Schlitzärmeln und Kapuze getragen wird. Die ganze Familie,
Männer, Frauen, Kinder, schläft angekleidet neben dem stets „lebendig" erhaltenen
Herdfeuer. Wenn im September durch die Lücken der schadhaft gewordenen
Hütte der Wind braust und Regen niederfällt, dann hüllt man sich überdies noch
in dicke Wolldecken. Mitte Oktober ist alle Lust und Qual dieses eigentümlichen
Sennerlebens vorüber. Am 13. November erfolgt der Abzug nach den heureichen
Talebenen an der Nisava und Toplica, in welchen man bis zum Djurdjev dan
(Georgstag) bleibt, um dann wieder auf die grünen Waldhöhen zu wandern.
Das heimtückisch eingebrochene Unwetter nagelte uns bis zum nächsten
Morgen in Janis Hütte fest. Wie gut, dass wir seinen Rat befolgt und schon
mittags, trotz der Schwüle, die Rakoskuppe bestiegen hatten. Eine Stunde ritten
wir aufwärts, mussten dann aber die Pferde wegen der immer häufigeren scharf-
kantigen Felsen zurücklassen. Ich betrat hier ein steilgeböschtes, vegetationsarmes
„Karstgebiet" mit scharfkantigen, typischen Karren, wie ich solche nur in Istrien
und Montenegro gesehen. Über und zwischen glatten Kalkstufen ging es noch
40 Minuten lang zum 1482 m hohen Rakosplateau. Die Aussicht gegen W. und S.
Von Nis über Bela Palanka, Pirot auf den Rakos usw.
219
sperrten höhere Suva Planina-Kuppcn; um so lohnender war sie in der Richtung
des Balkans und Vitoä, deren über 2300 m hohe, in Sonnenlicht getauchte Spitzen
über die vorlagernden dunklen Waldberge aufleuchteten. Leider kürzte der aus
SW. plötzlich anbrausende Sturm die Zeit zur Aufnahme des Gebirgsprofils, und
noch viel weniger war an die Erreichung des in der Luftlinie kaum 9 km
fernen höchsten „Trcm" zu denken. Nach den eingezogenen Erkundigungen
hätten wir bis zu dieser 1 '/2 Stunden 0. durch Wald und 2'/a Stunden über
Crno\'unci an det R.ikK^-Ccsnia.
klippiges Gestein marschieren müssen. Bereits fielen schwere Tropfen, das
Firmament verdunkelte sich und der Wind pfiff in kurzen Stössen so gewaltsam,
dass wir glücklich waren, heil mit unseren stark mitgenommenen Pferden wieder
die etwas geschützter liegende Mulde zu erreichen. Die unter den durchlässigen
Kalkschichten durchgesickerte Wassermenge stürzte tosend aus dem Schlünde der
„Cesma" und hatte ihr Bassin zur Freude der Regen ersehnenden Crnovunci in
einen kleinen See verwandelt. Ganz unerwartet hatte ich das von Cvijic trefflich
charakterisierte „Karstphänomen" hier vor Augen.
Weniger günstig, gelangten wir in unserer schadhaften Hütte buchstäblich
vom Regen in die Traufe. In die Lodenmäntel gewickelt, das aufgespannte
220 Von Nis über Bcla Palnnka, Pirot auf den Rakos usw.
Schirnidach in der Haiui, gequält von dem zuriick}:;eschlagenen Rauclic des
Herdfeuers, dem nie ganz verstummenden Hundegebell, von vor dem Unwetter
durch den Torzaun zu uns flüchtenden Ferkeln, Hühnern und anderem Kleingetier,
verbrachten wir in dem engen Räume mit Jani und seiner Frau Despa — ihre
Tochter Lanibra blieb bei Verwandten — die Nacht mehr wachend als schlafend.
Der Abstieg zu Fuss durch die zwischen den Kalkklippen entstandenen
Wassertümpel gab unserem hart mitgenommenen Schuhwerk den Rest. Zu
Beziste hielten wir in einem Hause Mittag, dessen Leute in Typus, Tracht und
Sprache mehr Bulgaren als Serben glichen, doch die „Slava", das Fest des
Hauspatrons feierten, also zu letzteren zählten, wenn man die „Slava" als aus-
gesprochene serbische Sfammeseigentümlichkeit gelten lässt, was bekanntlich
buigarischerseits nicht zugegeben wird. Für den erblindeten Staresina führte einer
der verheirateten Söhne das Regiment der zahlreichen Hauskommunion, deren
Frauen sich äusserst tätig und freundlich erwiesen. Bis auf das unschmackhafte
schwarze Urodicabrot (Buchweizen) war das rasch bereitete Mahl vortrefflich.
Hier schied der Kapetan. Mit Ingenieur Balta und einem Panduren setzte ich
die Reise talabwärts fort.
Nahe einer Turmruine auf der 823 m hohen Jovanova Ornica kreuzten wir
die eine pittoreske Tonschieferschlucht durchbrausende Mokra. Zwischen Gornja
und Donja Koritnica gestalteten Rebenkulturen, Nussbäume und allerorts von
wildem Hopfen durchwachsenes Buschwerk die Landschaft freundlicher. Wieder
querten wir den Bach bei Divljane und traten in den prächtigen Laubwald, der
dem Dorfe und nahen, für die Nacht uns gastlich aufnehmenden Klostei „Divljanski
manastir" ihre Namen gab.
Die Heilstätte soll ursprünglich eine Metochije der berühmten Demetrios
Lavra zu Salonik gewesen und nach den Forschungen des Belgrader Metropoliten
Mihail durch den Wojwodcn Mrnjavcevic, also vor der Kosovoschlacht, gegründet
worden sein. Ihr auf der Tinosinsel geborener, vielgereister, 1862 aus Pyrgos
nach Pirot gelangter Archimandrit Agatangel baute neben dem verfallenen Konak
einen neuen und begann 1874 eine Kirche, deren Vollendung der Krieg unterbrach.
1877 zündeten türkische Marodeure das neue Wohnhaus an, wobei leider zwei
in der Bibliothek bewahrte Pergament- Handschriften verbrannten. Nach dem
Frieden reichte das Einkommen der nächsten mageren Jahre zur Herstellung des
Hauses, aber nicht zur Fortsetzung des Kirchenbaues. Vor wie nach ist das am
Hram Sv. Dimitrije und hohen Festtagen stark besuchte Kloster auf sein kaum
10 ni langes, mit Kalkplatten gedecktes Kirchlein angewiesen, dessen Turm über
dem Narthex vielleicht eine Glocke barg. Der heute benutzte ist aus Holz
gezimmert.
Im Pflaster der Kirche entdeckte ich das Bruchstück einer römischen
Inschrift, an anderer Stelle waren zwei Marmorreliefs mit Reitern und einer
Najade eingemauert. Vor dem Portale lagen drei 2 m lange Säulenstämme und
ein Brunnenständer, die aus Pirot, dann antike Kapitale, Basen, Werkstücke, die
von Bela Palanka für den Neubau gebracht wurden. Den besten Besitz des stark
verschuldeten Klosters bildet sein für 1400 d vom Kaimakam Hali Beg erworbenes
Von Ni5 über Bela Palankn, Pirnt auf den Rakoä usw. 221
Ciftlik und eine Mühle mit drei Gängen. Sein mit 300 Hcl<tar eingeschriebenes
Grundeigentum, bestehend aus 47 Hektar Felder und Wiesen, 2 Hektar Obst- und
Weingärten, alles andere Wald, ist mit 1000 d Steuern belastet. Am Nordhange
der Suva Planina sind Buchen, Steineichen mit vereinzelten Fichten und Föhren
vorherrschend. Man schiesst dort viele Rehe, Wölfe und Bären; „würden diese,"
äusserte scherzhaft der Abt, „im Steueramte für Bargeld angenommen, dann
hätte ich weniger materielle Sorgen!" Ich tröstete unseren, die neuen Verhältnisse
kostspielig findenden Gastherrn mit der beneidenswerten Naturpracht seiner
Residenz, von deren Aussichtswarte man über der Babina Glava die fernen
Sv. Nikola-Balkankuppen erblickt.
Unseren kaum 3 km langen Ritt am waldreichen Suva Planina- Hange
nach Mokra auf der antiken Strasse, die von Bela Palanka unter der befestigten
Kurilovohöhe durch die Mokra-Engschlucht zur Vlasina führt, verschönte der
farbenreiche Zauber denkbarster Herbstpracht. Im Namen des nur 1,5 Millien
vom römischen Remesiana entfernten heutigen Dorfes Mokra blieb jener der
byzantinischen Bischofsstadt (S. 190) Mokros erhalten. Diese erstand zweifellos
auf Remesianas Ruinen, welche sich von der Paviovic Adamova gradina bis zum
südöstlichen Robov Dol verfolgen lassen. Dort kommen antike Grundfesten mit
ganz ausserordentlich grossen und starken Ziegeln in den Weingärten zum
Vorschein. Andere Reste sah ich westlich im Acker des Djordje Triskov, wo
man (1881) in dem für die neue Strassenanlage durchschnittenen Terrain drei
60 cm breite, zum Bache ziehende Mauern in Abständen von 1 1 m biossiegte
und unfern (1887) sieben römische Gräber aufdeckte, welche keramische Gefässe,
Bronzefibeln, Kaisermünzen usw. enthielten. Ein Teil der ausgedehnten Römerstadt
lag also jedenfalls hier, an der vom 1400 m hohen Suva Planina-Berge Preslab
abfliessenden, Mokra durchschneidenden Wasserader.
Weiter ging es durch die wildromantische Mokra-Kalkschlucht über zwei
abgezweigte Mühlarme in die dorfartige Vorstadt von Bela Palanka, wo das
Weichbild des römischen Remesiana begann. Leider verlor ich hier meinen
angenehmen Begleiter Balta durch ein Niser Telegramm, das ihm auftrug, für die
Crvena Reka-Brücke, welche die uns auf dem Rakog so übel mitspielende Sintflut
weggerissen, provisorischen Ersatz zu schaffen uikI die gleichfalls beschädigte
benachbarte Bahnbrücke sofort tunlichst zu sichern.
„Was das Land von Nissa bis Sofia anbetrifft," bemerkte Graf Virmond in
seiner Relation vom Jahre 1761, „so besteht dasselbe rechter Hand der Strasse
bis Drogoman in lauter hohem Gebirge und Wald, welches aber dennoch in
Tälern mit Christen bewohnt, und befindet sich von Nissa bis Pirot das sehr
hohe Gebirge, in lauter Felsen bestehend; bei Drogoman wendet sich das Gebirge
von der Strasse etwas rechter Hand ab, und ist oben meist kahl, linker Hand
der Strasse aber gehet das mit Wald bewachsene Gebirge nur bis Pirot, allwo
sich das Stara-Planina oder alte Gebirge anfängt und bis gegen Konstantinopel
geht, besteht aber in puren todten Felsen so ganz kahl, woher es auch den
222 Von Nis über Bela Palanka, Pirot auf den Rakoä usw.
Namen haben mag, unten in den Gründen der Felsen aber, und bis auf die
Hälfte hinauf, sind die sehönsten Felder, Wiesen, Weinberge und Waldungen, daher
es auch, wie dasige Bauern selbst sagen, durchgehends stark soll bewohnt sein."
Als ich 1864 von Bela Palanka diesen Teil der Balkankette bereiste, stimmte
die traditionelle Darstellung des Nisavagebiets unserer Karten mit Virmonds
Croquis wenig überein. Auf allen Karten zogen am rechten Nisavaufer von einem
„Crni Vrh" genannten Massengebirge jähe Steilmauern herab, welche zwischen
Pirot und Bela Palanka kaum für eine menschliche Ansiedelung Raum gaben.
Auf der 57 km langen Uferstrecke zwischen Caribrod und Sikje erschien in
Kieperts bester Karte von 1855 nur ein Ort, der zudem gar nicht existierte, und
das ganze östlichere Gebiet mit einem Flächeninhalt von etwa 20 Quadratmeilen,
aber vollkommen unbewohnt. Und doch war Graf Virmond nicht falsch berichtet
worden. Ich verzeichnete im Jahre 1864 auf dem fraglichen Gebiete nicht weniger
als 98 Orte, und dieses erschien, nach meinem Manuskriptcroquis, auf Kieperts Karte
der europäischen Türkei vom Jahre 1870, neben den weissen Flecken der damals
noch nicht von mir bereisten östlicheren Balkanterritorien, wie früher Ägypten neben
den zu jener Zeit gleichfalls unerforschten Kongoländern. Man staunte namentlich
über die reiche Gliederung und dichte Bevölkerung des westlichen Sv. Nikola-
Balkanhanges. Der „Crni Vrh", jene riesige Bergbarrikade, welche dem Nisavagebiet
auf unseren Karten den Stempel trostloser Sterilität aufdrückte, gehörte zu den
vielen fiktiven kartographischen Gebilden, an welchen die Karte der südwestlichen
Türkei selbst heute noch reich ist. Auf der Karte des Oberstleutnants v. Weiss
(1829) trat der „Crni Vrh" zum erstenmal in scharf ausgeprägter Gestalt auf,
und seitdem zeigten ihn alle Karten, bis auf jene des Obersten v. Scheda, welcher
dem fabulösen Massengebirge nach unbekannter Quelle noch den zweiten Namen
„Tori-Stara-Planina" gab. Ami Bou^ fügte 1840 ein Fragezeichen zu dem fiktiven
„Crni Vrh", liess ihn aber fortbestehen.') Er vermochte sich nicht besser über
denselben zu orientieren, da er nicht von der grossen Heerstrasse abbog. Der
französische Akademiker Blanqui, welcher die Route Belogradcik— Pirot zurücklegte,
lieferte, wie schon Kiepert in der „Erläuterung" zu seiner Karte bemerkte, keinerlei
kartographische Daten für das durchzogene Terrain.
Es würde zu weit führen, wollte ich die Irrtümer hier erörtern, welche der
fabulöse „Crni Vrh" als apokryphe Fortsetzung der Balkankette veranlasste. Ich
verweise auf eine Vergleichung von Kieperts oder Schedas älteren Karten mit
meiner Darstellung dieses Gebietes, und bemerke nur, dass beispielsweise die
Timokquellen aus den südlichen in die nördlichen Vorberge des Balkans hart
neben die Lomquellen verlegt wurden; läge ferner der „Crni Vrh" wirklich in
jener Ausdehnung und Höhe als riesige Barrikade an der Stelle, wie auf Schedas
Karte, so hätte die Strasse von Ni§ nach der Donau gleich nach ihrer Abzweigung
von Bela Palanka mit grossen Schwierigkeiten zu kämpfen gehabt und wäre
schwerlich gebaut .worden. So zieht sie aber, nachdem sie die Nisavaebene N.
durchschnitten, mit kurzem NO.-Abbuge, über sanft ansteigende Höhen, deren
') La Turquie d'Europe, I, S. 151.
Von Nis über Rein Pnlanka, Pirnt auf den Rakoä usw. 223
fruchtbare, reiclibevvässerte Taleinschnitte die Ansiedelung zahlreicher Orte
begünstigten. Mühelos erreicht Milhad Paäas Poststrasse das Babina Glava-Plateau,
übersetzt bei dessen kreisförmigem, 1876 und 1877 viel umkämpftem Biockhause
auf zwei Brücken die von der Babina Glava herabkommenden Quellen des Svrljiäki
Timoks und bleibt bis zur ersten Pbststation, Blockiiaus Miranovac, auf seinem
rechten Ufer. Kaum eine Viertelstunde von der Karaula kam man zur serbischen
Grenzquarantäne Pandiralo, von der eine ziemlich gute Strasse über die Tresibaba
nach Knjazevac führt. Die hier anstehenden petrefaktenreichen Kalke gehören,
nach den eingeschlossenen Korallenrestcn (Stylocoenia und Rhabdophyllia), die
in den von mir mitgenommenen Proben bestimmt wurden'), der oberen Eozän-
formation an.
Von Miranovac zieht die Trace in Kurven aufwärts zur einen prachtvollen
Ausblick gewährenden Karaula Izvor. Es öffnet sich hier ein prächtiges Vogel-
schaubild auf das südöstliche Serbien, welches die Rtanjpyramide beherrscht.
Gegen N. erblickt man aber den langgestreckten Rücken des Sv. Nikola-Balkans
bis über seine nordwestliche Fortsetzung „Ivanova Livada". Ich konnte hier den
Lauf der Quertäler bis zum Übergange vom Timok zum Lom sehr gut verfolgen,
und die Höhe, welche, wie Mauern zeigen, ein antikes Werk trug, wird eine
treffliche trigonometrische Station bilden. Sie wurde deshalb von mir ganz
besonders unter den Punkten hervorgehoben, die ich Ami Boue in dieser Richtung
bezeichnete.'^) Ich nahm vom Blockhaus ein Profil des Sv. Nikola-Balkan und
Peilungen seiner wichtigsten Spitzen, unter diesen den „Babin Zub" (Gross-
muttcrzahn) mit einer vielzinnigen Burg gleichendem Gipfel, dann den „Crni Vrh",
einen niedrigen Vorberg, welcher höchst wahrscheinlich zu dem apokryphen
gleichnamigen Massengebirge älterer Karten Anlass gab.
Von der Karaula Izvor zieht die Strasse durch das Tal des gleichnamigen
Dorfes, das sich durch treffliche Obst-, Gemüse- und Blumengärten auszeichnet.
Hier entspringt eine Hauptader des „Trgoviäki Timok", daher der Ortsname „Izvor"
(serbisch und bulgarisch ^ Quelle). Bei ihrer Vereinigung mit der aus einem
südlichen Seitentale kommenden Stanjanska reka nimmt die am Bachrande
laufende Strasse in scharfer Wendung N. und tritt nach etwa 20 Minuten in ein '
enges Felsdefilee, aus dem man wie durch ein Tor in das weitgeöffnete Kalnatal
gelangt. Unmittelbar bei dem am Ausgange des Defilees postierten Blockhause
Kalna vereinigt sich die Izvorska mit der vom Crni Vrh und Ravno Bucje herab-
kommenden, Kaskaden bildenden Crnovr§ka reka, der Hauptquellader des Trgoviäki
Timoks. Weiter geht es NO. mit häufigen Krümmungen zur zweiten Poststation
Berilovac, mit wohlgebautem kleinen Blockhause, dessen türkischer Kommandant
mich freundlich beherbergte.
Als ich im Herbste 1870 Berilovac zum drittenmal passierte, fand ich es durch
ein von zwei wohlhabenden Dorfinsassen, den Brüdern Cira und Mino Toäovic,
gestiftetes Kirchlein verschönt. Ich übernachtete bei Cira, der die Ehrenstelle
') Verhandl. d. k k. geolog. Reichsanstalt. Wien 1868.
'-') Beiträge zur Erleichterung einer geogr. Aufnahme d. europ. Türkei. Sitzungsber. d.
k. Akad. d. Wissensch. Bd. LV. Wien 1867.
224 Von Nis über Bela Palanka, Pirot auf den Rakos usw.
des Corbadzi bekleidete. Nichts verriet, dass er zur Reihe der hochgeachteten
„Hadzi" zähle, ein gut Stück Welt gesehen und eine Pilgerreise nach dem Athos
vollbracht hatte. „Gott sei gepriesen, jetzt besitzen wir eine Kirche; Ihr habt recht,
jetzt wollen wir auch eine Schule bauen, damit unsere Kinder nicht so roh wie
wir aufwachsen!" meinte der intelligente Corbadzi, dem ich wertvolle Aufschlüsse
über die Form türkischer Steuererhebung dankte, welche weit mehr als die
Steuerhöhe die türkische Administration bei der Rajah verhasst gemacht.
Berilovac bildet den Gabelpunkt der von Nis und Pirot über den Balkan
zur Donati führenden Strasse. Von hier geht sie am Ravno Bucje-Bache mit
häufigem Uferwechsel zur in Rundform erbauten Karaula Janja; erst bei dem
gleichnamigen Dorfe tritt sie bleibend auf das rechte, um in grossen Kurven
bei fortwährend starker Steigung die dritte Poststation, die hochliegende Karaula
Ravno Bucje, zu gewinnen. Der Charakter dieser letzten Wegstrecke ist steril,
denn die Gebirge sind meist nackt, die Wasserabflüsse spärlich, die nur von
Hirten bewohnten Ansiedelungen in hohem Grade ärmlich. Die Häuschen aus
Rohrgeflecht sehen vergrösserten Kolibas (Fruchtspeichern) ähnlich, sind mit Stroh
gedeckt und der Maler würde hier jedenfalls erfreulichere Motive zu Studien als
der Volkswirt finden.
Hier im nordöstlichsten Teile des Timokquellgebietes wartete meiner eine
neue kartographische Überraschung. An der Stelle des ärmlichen Dörfchens
Ravno Bucje zeigten unsere Karten eine Stadt Isnebol, welche in dieser Balkan-
region, soviel ich fragte, ungekannt war. Gänzlich fiktiv, war es zudem der
einzige Namen auf dem mehrere Quadratmeilen umfassenden, ziemlich bevölkerten
Gebiete. Auch Dr. Ami Boue erwähnte oft diese nicht existierende Stadt in
seinen Werken. Erst im Herbste 1868 erfuhr ich im Rustschuker Regierungskonak
des „Tuna-Vilajets", dass Isnebol der türkische Name des bulgarischen Kreis-
städtchens Trn NW. von Sofia sei. Wie hatte sich aber die Stadt auf unseren
Karten, von der Morava so weit nach Norden, in die wilden Balkanschluchten
verirrt? Sie erschien zuerst in der Hammer-Übersetzung von Hadzi Chalfas „Rumeli
und Bosna" begleitender Karte (1812), deren Zeichner durch kühne Benutzung
der von Chalfa gegebenen Daten auf lange Zeit hinaus grosse Verwirrung in die
graphische Darstellung des Haemusgebietes brachte. Hammer lehnte jede Ver-
antwortung für dieses Machwerk ab, das er besser gar nicht hätte publizieren sollen.
Es bedurfte vollster Kraftanspannung für unsere kleinen Pferde, um die
bei der Karaula Ravno Bucje beginnenden, meist steil tracierten Serpentinen bis
zum 1444 m hohen Passe zu erklimmen. Da Milicevic noch 1883 die von mir
schon 1864 bestrittene Fabel erwähnt, sein Namen „Sveti Nikola" stamme von
einer nahen, dem hl. Nikolaus geweihten Kirche'), so wiederhole ich hier: dass
ich und niemand anders diese schon von der Tab. Peut. in ihrer primitiven
Weise hervorgehobene, in sich fest abgeschlossene Balkanpartie nach dem auf der
Passhöhe stehenden Sveti Nikolakreuz so taufte, weil ich bei ihrer wiederholten
') In „Kraljevina Srbija" äussert Milicevic (S. 222): „nazvani tako po crkvi Svetoga
Nikole, koja je tu blizu" (!), ohne mitzuteilen, wo die fabulüse nahe Kirche steht.
Von Nis über Bela Palanka, Pirot auf den Rnkos usw. 225
Passage, weder im dies- oder jenseitigen Gebiete einen Spezialnamen für dieselbe
in Erfahrung bringen konnte.
In ieiclit gei<rümmter Linie tritt der Sv. Nikoia-Bali<an durch den 2186 m
hohen Midzor mit dem östlicheren „Ciporovica-Baikan" in Verbindung, während
seine Fortsetzung gegen W., die „Zaglavacka Planina" mit ihrem 1814 m hohen
„Orlov Kamen", die Wasserscheide und Grenze zwischen dem serbischen
Knjazevacer Bezirk und dem bulgarischen Belogradciker Kreise bildet. Den Südhang
des Sv. Nikola- Balkans konstituieren dioritische und piazitreiche quarzitische
Schiefergesteine, ferner ein Amphibol-Andesit mit fast schwarzer Hornblende,
verwitterten grünlichen Feldspatausscheidungen und violettgrauer felsitischer
Grundmasse, ähnlich dem von Breithaupt als „Tymazit" beschriebenen Trachyt
am Mali Timok. Der südliche kahle Sv. Nikola-Balkan und seine Ausläufer zeigen
ein durch die grau-grünliche Farbe gesteigertes untröstliches Aussehen, seine
nördlichen Abhänge schmückt eine prachtvolle Vegetation von Buchen und Eichen,
welchen in den höheren Partien Koniferen folgen; die Gipfel sind jedoch nackt
und gewöhnlich schon Anfang Oktober mit Schnee bedeckt. Über die jetzt die
serbisch-bulgarische Grenze bildende Passhöhe, die Fernsicht von derselben und
ihre Befestigung in türkischer Zeit gibt mein „Donau-Bulgarien und der Balkan"
eingehenden Aufschluss.
In den letzten serbisch-türkischen Kriegen wurde um die Sveti Nikola-
Balkanstrasse, welche die leichte Truppenverschiebung von Knjazevac nach Bela
Palanka, Pirot und in das Vidiner Gebiet ermöglicht, heftig gekämpft. Unmittelbar
nach erklärtem Kriege beorderte General Cernjajeff in widerspruchsvollen, wiederholt
abgeänderten, die Truppen zu nutzlos abmüdenden Märschen führenden Dispositionen
seinen äussersten linken Flügel unter Oberst Horvatovic am 2. Juli 1876, die
türkische feste Stellung auf der Babina Glava wegzunehmen und damit die Strasse
nach Pirot zu öffnen. Am 1. Juli überschritt die serbische Vorhut die Grenze,
am 2. um 8 Uhr morgens erfolgte ihr Angriff. Die SO. von der Vidiner Strasse,
auf den Höhen um die feste Pandiraloer Karaula angelegten Erdwerke wurden
jedoch energisch verteidigt und das Gefecht blieb bis 1 1 Uhr unentschieden.
Um diese Stunde traf Oberst Becker mit der vordersten Batterie von Cernjajeffs
Kolonne ein, etwas später dieser selbst mit dem Gros. Nun brachte das serbische
Artilleriefeuer das feindliche bald zum Schweigen und ein Bataillon der Brigade
Knjazevac nahm um 2 Uhr die Verschanzungen. Die ermüdeten Truppen nützten
aber den gewonnenen Vorteil nicht aus. Erst am nächsten Tage wurde der
Marsch nach Bela Palanka und Pirot angetreten; ihre Eroberung gelang aber nicht.
Bald zwangen schlimme Nachrichten vom Zentrum sogar Horvatovics Truppen
zum Rückzug, und der 19. Juli fand die von der Babina Glava verdrängten Serben,
die eigene Grenze bei Pandiralo gegen den über Pirot und Bela Palanka
heranziehenden stärkeren Gegner verteidigend. Oberst Uzun-Mirkovic befehligte
die rasch verschanzte Stellung. Am 19. Juli morgens 8 Uhr wurden die aus
2 Brigaden Jagodinaer und Knjazevacer Infanterie, einer halben schweren, einer
leichten Fcldbatterie, 2 Zwölfpfündern und 2 Berggeschützen bestehende serbische
Abteilung von den gegen ihren linken Flügel vorbrechenden Türken mit 8 bis
F. KANITZ, Serbien. II. 15
226 Von Nis über Bela Palanka, Pirot auf dun Rakos usw.
10 Bataillonen angegriffen. Trotz des von seiner Redoute, der Batterieschanze im
Zentrum und aus den Schützengräben unterhaltenen leibhaften Feuers wurden die
Serben aus dieser Position am Abend verdrängt. Am nächsten Morgen, unter
heftigem Geschützfeuer stürmend, gewannen sie aber dieselbe zurück. Die Türken,
welche nach serbischem Berichte 30 Bataillone und 2 Batterien ins Gefecht
brachten, Messen 54 Tote auf dem Felde; die Serben beklagten 42, darunter
2 Offiziere, und 200 Verwundete. Leider vermochte die auf dem serbischen linken
Flügel und auch bei Knjazevac, Zajecar, Negotin usw. durchschnittlich bewiesene
Bravour die Verluste des von Cernjajeff befehligten Zentrums nicht wettzumachen!
Erfolgreicher operierten die Serben im nächsten Feldzuge, 1877, in dem das
obere Timoktal am 17. Dezember genommen wurde. Am 19. erreichte Hauptmann
Glisan Fronic, ein tüchtiger, 1862 aus Österreich in serbische Dienste getretener
Offizier, mit 3 Bataillonen, 2 Gebirgsgeschützen und etwas Kavallerie über
Ravno Bucje den Sv. Nikola-Pass. Nach kurzem Gefechte wurden mit unbedeutendem
Verluste die etwa 500 Mann zählenden türkisch-tscherkessischen Verteidiger der
auf dem Sattel angelegten drei Redouten nach Belogradcik gedrängt, wodurch die
serbische Kolonne mit den jenseits bis Cupren vorgedrungenen Eklaireurs der
russischen Kavalleriedivision Arnoldi und den Belogradcik zernierenden Rumänen
Fühlung gewann.
Die gleichfalls viel umkämpfte, vom Trgoviski Timok nach Pirot abzweigende
Balkanstrasse zieht von der in diesen mündenden Stanjanska reka, oft ihre Ufer
wechselnd, zum gleichnamigen Orte, demgegenüber ein sehr pittoresker Wasserfall
mit etwa 30 — 40 m hoher Kaskade und halbverfallener Mühle als höchst malerisches
Motiv mich fesselte. Von hier nimmt die Landschaft einen rauheren Charakter
an. Die von Sugrin und den östlichen Querschluchten tosend abströmenden
Wasser erschwerten den Strassenbau erheblich. Bald erreichten wir die Cerova
Karaula, die mir als vorzüglicher Observations- und Peilungspunkt für die
Timok- Nisava- Wasserscheide diente. Abwärts wurde das Bild freundlicher,
namentlich bei Cerova, dessen kleines Rinnsal der Temska zufliesst. Vorüber
an zwei ehemals türkischen Ciftliks mit rcichtragenden Weingärten kamen wir
zur Temskabrücke, von welcher man in einen nordöstlichen Einschnitt blickt,
dessen wildromantische Kalkfelsen mit den nördlich aufragenden Abstürzen des
Sv. Nikola den grellsten Gegensatz zu seinem südwestlichen flachhügeligen
Vorlande bilden. Bis zum Jahre 1871, in dem ich die 35 Dörfer und 3 Klöster
dieses grossen Balkantals in Karte brachte, hatte man keine Ahnung von seiner
Existenz und ebensowenig von seinem Hauptorte Temska, der mich nicht wenig
überraschte. Dehnte er sich ja mit seinen roten Ziegeldächern weithin auf der
Stelle aus, welche auf unserer damaligen besten Karte die fiktive riesige Crni
Vrh einnahm.
Nordöstlich von Temska liegt in der Steilschlucht das Kloster Sv. Djordje.
Im Kirchlein dieser alten Stiftung sieht man von 1576 datierte Wandinschriften
und alte Manuskripte. Nach Ljuba Kovacevic') wurde das Kloster 1692
') Olasnik, Bd. 56, S. 357.
15*
Von Nis über Bela Palanka. Pirot auf den Rakos usw. 229
verwüstet; das von Siilcjinan dem Despoten Stevan entrissene und verstärkte
Schloss aber, nach dem Zeugnis des Konstantin Filosof, durcii den Gegensultan
Musa erobert und zerstört (1413). Hier wurde der am 27. Dezember 1877 beim
südöstlichen Niäor gefallene Hauptmann Aliiutin Karanovid nahe der Altarnische
begraben. Auf der nahen „Straza" befindet sich das „dzidsko groblje", ein alter
Friedhof, in dessen ausgemauerten Grabkannnern man bisher nur Skelette ohne
Beigaben traf. Der 1875 renovierten Kirche Sv. Trojica sind Temska und Rudinje
zugewiesen. Das Kloster besitzt 36 Hektar Felder und Wiesen, 5 Hektar Obst- und
Weingärten, 28 Hektar Wald, eine grosse Mühle, 250 Ziegen, 120 Schafe usw.
Ob die nahe angeschürfte Kohle abbauwürdig, ist noch nicht entschieden. Der
von einem Mönche unterstützte Iguman verfügt über ein Jahreseinkommen von
4000 d, dem die Ausgaben entsprechen.
Von der Ruinenstätte unterhalb der Begbrücke, welche ich besuchte, geht
die Sage, dass dort eine „grosse lateinische Feste" stand, Reste ihrer vorgeschobenen
Wachttürme sieht man am Temska-Oberlaufe. Auch auf der östlichsten serbisch-
bulgarischen Grenzspitze, wo vom 1570 m hohen Prelesje der gleichnamige
Bach zur Temska abfliesst, befinden sich ausgedehnte Mauern nahe der Balkan-
Wasserscheide. SW. von Rosomaca krönt am linken Klisuraufer eine Schlossruine
den 1170 m hohen Grenzberg Slavej bei Rsovci, und ebenso tragen einige
Höhen südlich von Paklestica Mauern antiker Werke. Mysteriöse Sagen
umweben die zwischen den letztgenannten Orten befindliche „Via dikina Ploca"
(Bischofsplatte), andere haften an der Stiftung des uralten Sv. Nikola-Kirchleins
in Dojkinci und an dem „Maria Geburt" geweihten alten Kloster bei Rzana,
für dessen gestattete Erneuerung 1853 den Türken 700 Piaster bezahlt werden
mussten. Es zieht sein karges Einkommen von 1800 d aus dem Ertrage von
80 Joch Feldern und Wiesen, einer Mehana, kleiner Mühle und frommen Gaben.
Von Temska führen einige Steilserpentinen hinab zur Nisava, auf deren
rechtem Ufer mich die nahezu geradlinig S. laufende Strasse nach Pirot brachte.
Von diesem zog ich am 28. August 1871 die es besäumenden nordöstlichen
Höhen hinan. Ein jetzt in Ruinen liegendes Schloss beherrschte einst den Talpfad,
welcher an der Gradaänica aufwärts, vorbei an einer Therme am Vitanovfelsen,
zum Kastelle von Dobridol führte. Zur besseren Orientierung über das damals
wenig gekannte Terrain wählte ich den schwierigeren Hochpfad, von dem ich
nach einstündigem Ritte nochmals ins schöne Nisavatal blickte. Wie wird es
durch den solange verzettelten Schienenweg nach Belgrad gewinnen. Fortdauernd
nördlich aufsteigend, hatten wir bei Nisor, einem kleinen Dorfe von 63 Häusern
in prächtiger Lage, bereits 456 m über Pirot erklommen. Der Weg ging nun
NO. über frisches Weideland mit hübschen Eichenständen; SO. beherrschte der
Ruinen tragende, scharf profilierte, 1353 m hohe „Basarski Kamen" das
prächtige Landschaftsbild.
Meine Leute verkürzten sich die Zeit, indem sie im Vorüberritte die
Haselnussstauden am Wege plünderten. Es war 5 Uhr, als wir über den 936 m
hohen Koprivsticasattel stiegen, welcher die Wasserscheide zwischen der Nisava
und Temska bildet. Nun ging es hinab durch ein ungemein pittoreskes kurzes
230 Von Nis über Bela Palanka, Pirot auf den RakoS usw.
Quertal, dessen Kalke primitive Oefen verarbeiten, an seinem rauschenden
Bächlein hin, das, mehrere Mühlen treibend, bei Zavoj in die.Temska mündet.
Diese nimmt hier tosend ihren Weg durch eine wildromantische Schlucht. Die
weit zurückreichende Besiedelung des Temskagebietes bezeugt ausser den vielen
schon früher erwähnten alten Burgen und Kirchen auch Zavojs alte, schöne
Steinbrücke. Seine 1870 begonnene Aufnahme fortsetzend, gab es fortan viel
zu fragen, viel zu tun, denn in den tiefen, wasserreichen Querschluchten steckten
zahlreiche Orte, welche zum erstenmal in Karte gebracht werden mussten. ^)
Meine Zapties schlugen vor, in Velika Lukanja mit sehr altem Kloster-
kirchlein zu übernachten, weil dieses bessere Unterkunft als die folgenden Orte böte.
Ich widerstrebte auch diesmal, mich von meinem Programm abdrängen zu lassen.
Den Weg streng N. im Quertale der Gostusa fortsetzend, erschien auf ihrem
rechten Ufer eine etwa 120 m hohe Kalkwand, deren stark gewellte Bänder eine
grosse Störung in den ursprünglich horizontalen Schichtungen zeigte. Wir
begegneten nur wenigen von den mageren Feldern zurückkehrenden Landleuten.
Der Menschenschlag dieser Täler ist hübsch und kräftig, dabei massig, arbeitsam
und intelligent. Für seine Religiosität spricht, dass nahezu jede Gemeinde eine
Kirche besitzt, mit dem Unterricht sieht es aber schlimm aus, erst auf drei
kommt eine Schule.
Das Gesamtgebiet zwischen der Balkankette bis Ni§, Caribrod, Trn und
den Temskaquellen bei Gubes hiess früher „Torlak" und seine Bewohner nennen
sich noch heute „Torlaci". Sie unterscheiden sich in Sprache und Tracht von
den vom Ginci-Balkanpasse bis südlich von Sofia wohnenden „Sopci" und auch
von den Bulgaren am nördlichen Ciporovica-Balkan, welche in Torlak „Zagorci"
genannt werden. Vuk sagt: „Die Torlaci sprechen weder gut serbisch, noch
bulgarisch." Ihre Sprache gleicht wohl jener im Nisgebiete, doch wird das k
und g weicher, wie c und dj, gesprochen, so ruce für ruke, sludje für sluge usw.
Der Torlake trägt ein weisses Hemd von Hanfgespinst, weisstuchene Benefreci
(Hosen), den kurzen Jelekrock, die ärmellose Dzuba und im Winter den Gunjarock
mit Kapuze und Ärmeln, alles von Abatuch und ausgenäht mit schwarzen Schnüren,
einen rotwollenen Gürtel, weisse dicke Wollstrümpfe, darüber Wachstuchgamaschen
Opanci aus selbst gegerbten Häuten und die Varetina (Schaffellmütze).
Die Feier des Krsno Ime, des Hauspatronsfestes, unterscheidet sich im Torlak
wenig von der serbischen; nur wird zum Mittagessen mit Wein, zum Abendessen
mit Raki eingeladen. Bei der Hochzeitsfeier herrscht der eigentümliche Brauch,
dass den Svaten des Bräutigams sich das Zauntor des Brauthauses erst öffnet,
bis sie über dasselbe einige Geldstücke in den Hof geworfen haben. Nun wird
nochmals fest bestimmt, was die Verlobten sich gegenseitig geben. Erst wenn
dieser Pakt klar gestellt, wird die Braut durch ihren Bruder dem abgesandten
dever ausgeliefert. Alles, auch die Braut, steigt zu Pferde und reitet nach dem
Hause des Bräutigams, wo die Hochzeit mit Gesang und Trinkgelage gefeiert
wird. Selbstverständlich lieben auch die Torlaci gleich allen Südslaven sinnige
') Donau-Bulgarien und der Balkan. 2. Aufl. II. Bd., S. 289 f.
Von Nis über Bela Palanka, Pirot auf den Rakoä usw. 231
Trinkspriiche, und einer der schönsten, den Jungvermählten ausgebrachten lautet:
„Lebet so lange und werdet so weiss wie die Stara Plaiiina!" — wie der
schneebedeckte Balkan. Die Torlaci sind ungemein wanderlustig; teilweise zwingt
sie die Sterilität des mageren Bodens, ihr Brot in der Fremde zu suchen. Im
Sommer ziehen viele Männer, Frauen und Mädchen zur Schnittzeit auf 10 — 14 Tage
in die serbische Moravalandschaft und nach Rumänien. Manche gehen nur Sonntag
abends hinab in die Nisavaebene, arbeiten dort die Woche und kehren am Samstag
abends zu ihrer Familie heim. Wollweber (Mutavdzi), Töpfer (Grncari) und
Ziegelschläger (Ceremidzari) wandern bis nacii Kragujevac und lehrten auch den
Sumadijern rationeller Kohlen brennen.
Es war spät am Abend, als unsere Zapties in einem von Gostusas zerstreuten
Häuschen gastliche Aufnahme für uns erhielten, doch mussten die Pferde, da im
Orte kein Stall vorhanden, unter freiem Himmel übernachten. Die gutmütigen
Leute setzten uns Brot, Eier und Topfenkäse vor, ich würzte das frugale Essen
durch einen kräftigen Tee. Dieser und das Feuer im kleinen Küchenraume
wärmte uns wohltätig. Um Mitternacht wütete ein kalter Nordsturm, welcher
durch die schlecht mit Lehm verschmierten Holzwände über mein Lager strich.
Zum Überflusse waren die Ziegen des Hauswirts in der anstossenden Hürde
meine Nachbarn; blieben sie einen Augenblick still, begannen Esel, Hühner und
Katzen ihr melodisches Konzert. Sehnsüchtig erwartete ich den Tagesanbruch,
der für den 30. August frisch genug war; um 6'/.^ Uhr verzeichnete ich 10" C.
in 671 m Seehöhe.
Unser Weitermarsch führte NO. über stellenweise mit Mais bebaute sanfte
Höhen. Bald stiess ich auf die auch hier am südlichen Balkanrand erscheinende
Zone des Rotliegenden, deren ununterbrochene Erstreckung vom Zentralbalkan bis
zum Timok nunmehr zweifellos konstatiert war. Allmählich wurde der Weg
steiler, wir ritten die hübsch bewaldete Turla hinan, wo harter Kalk auftrat. Hier
begegnete uns eine verspätet zum Piroter Panajir ziehende Karawane aus dem
bulgarischen Zelezna. Jedes Pferd war mit zwei Ballen, zu 50 Teppichen,
belastet. Am nördlichen Turlaiiange lagerte unter schiefgestellten Brettern ein
Zaptiepikett, das hier zum Schutze der über den Ciporovica-Balkan ziehenden.
Kaufleute für die Messdauer blieb.
Von dieser Vrtibog-Karaula, 1482 m, erblickte ich ein weites Amphitheater
sanftkuppiger Höhen mit schönen Weideplätzen und vereinzelten Anbauflächen.
Nordöstlich trat zwischen hochaufstrebenden Bergen der Pass in Sicht, dem wir nun
in einer stark nach O. ausgreifenden Kurve zustrebten. Auf dem Punkte angelangt,
wo sie in N. übergeht, sahen wir hinab in eine höchst romantische Schluciit, deren
schäumender Giessbach der Temska zufliesst. So pittoresk das Bild, wurde es doch
von der Aussicht auf einer Vorhöhe des 1897 ni hohen „Bratkov Vrh" über-
troffen, welche nach der Aussage meines Zaptie nicht allein Bären und Wölfe,
sondern auch die gefürchteten Heiducken im Frühjahre zum Stelldichein wählen.
Ich nahm zahlreiche Winkel und warf einen letzten Abschiedsblick auf das neu
in Karte gebrachte Temskagebiet, von dessen vor mir ungekannten 35 Orten und
3 Klöstern der Berliner Kongress 17 Dürfer und 2 Klöster dem Fürstentum
232 Von Nis über Bela Palanka, Pirol auf den Rakos usw.
Serbien zuteilte, so dass gegenwärtig die Kamniiinie des Westbali<ans in einer
Ausdehnung von nahezu 6 geographischen Meilen seine Ostgrenze gegen Bulgarien
bildet. Das Pavlov Krst (Paulskreuz) markiert den gleichnamigen Pass, von
dem ich am 30. August, 10 Uhr vormittags, bei 9» C. zwischen den „Tri Cuke"
(2032 m) und der 2026 m hohen „Vrazija Glava" in das jenseitige bulgarische
Gebiet von Ciporovica hinabstieg, ich beschrieb dasselbe und seine, einen höchst
interessanten Zweig der bulgarischen Hausindustrie bildende Teppichfabrikation
in meinem „Donau-Bulgarien und der Balkan" (2. Aufl., 11. Bd., 293).
Unter den serbischen Balkanspitzen ist jene des „Midzor" mit 2186 m die
höchste; hierauf folgen N. die „Medjova" (2004 m), der „Babin Zub" (1996 m), der
„Orlov Kamen" (1814 m); gegen S. die „Martinova Cuka" (2059 m), die „Golema
Cuka" (2014 m), die „Baicinca" (1971 m), der „Aloviti Kamen" (1838 m), die über
2000 m hohen Berge des vorgeschilderten „Vrafija Glava-Passes", der „Babisin
Vrh" (2115 ni) und die sich allmählich ermässigenden Höhen (1700—1800 m),
welche das südliche bulgarische Ogost- Quellgebiet von dem der serbischen
Temska scheiden. Die ausgedehntesten Hochweiden befinden sich auf den
Hochplateaus der Berge: Babin Zub, Ponor, Vrtop, Slap, Mucibaba, Medza
Planina, Belan u. a. (zusammen 18), wurden von Mithad Pasa als Staatsgut
erklärt und verpachtet. Die serbische Regierung folgte diesem Vorgange: Nur
begünstigt sie die feste Ansiedelung der mazedonischen Wanderhirten, nach
welchen ein Weiler (1471 m) am Ponor Crnovunci heisst. Einzelne dieser Weide-
pächter besitzen riesige Schafherden. So produziert Dimitrije Droz zu Slap allein
im Sommer durchschnittlich 80 q Kaskavaljkäse für Adrianopel und Konstantinopel.
In dem 2419,4 km - umfassenden Kreise spielt die Viehzucht den bedeutendsten
Erwerbszweig. 1905 zählte man: 202127 Schafe, 79628 Ziegen, 14603 Schweine,
8959 Pferde, 37 630 Rinder, 83 Büffel, 124 Esel und 7542 Bienenstöcke. Auf die
am dünnsten mit 30—40 Seelen per km - bevölkerten Bezirke Nisava und Bela
Palanka entfielen auf 100 Bewohner 320 — 390 Stück Vieh, im Luznicaer mit
57 Seelen: 340, im Vlasotincer ') mit 48 Seelen nur 232 Stück. Das Weide- und
Wiesenland wird auf etwa 15500 Hektar, das Wald tragende auf 11960, das mit
Getreide bepflanzte auf 38300 Hektar, die Obst- und Gemüsekulturen mit 1580
und die Weingärten mit 1750 Hektar berechnet. Von den 3 Bezirken dieses
Kreises hat der Nisavaer die meisten (81) Orte, sie besitzen durchschnittlich 82,
im Bela Palankaer 60 und im Luznicaer 55 Häuser. Sämtliche 14 922 Häuser
sind von 104101 Seelen bewohnt, darunter 2600 männliche mehr als weibliche!
Sämtliche 55 Gemeinden im Kreise mit 174 Orten besassen 1905 nur 56 Kirchen
und 53 Volksschulen, darunter 3 für Mädchen (!). Diese Zahlen sprechen ohne
weiteren Kommentar, wieviel noch für dieses 1878 Serbien zugeteilte, bis dahin
türkische Gebiet kulturell zu tun bleibt.
') Dieser Bezirk wurde 1899 dem Kreise Vranja zugeteilt.
IX.
Von Leskovac an der Veternica nach Vranja.
Durch die Masurica ins Viasinagebiet.
VIERMAL berührte ich während des Herbstes 1889 Leskovac auf verschiedenen
Routen. Von Nis erreicht man diese Stadt auf dem Vranjaer Schienenstrange
in zwei Stunden. Man erzählt, das alte Leskovac stand einst auf der Ruinenstätte
bei Donja Kopasnica. An der oberen Medvedja hörte ich aber, dass die vor den
Türken geflüchteten Bewohner der dortigen Stadt Dibocica (richtiger Glubocica)
eine gleichnamige an der Morava gründeten (Kap. X), die erst später nach den
vielen Haselnusssträuchern ihrer Umgebung „Leskovica" genannt wurde — diese
Erklärung klingt viel ungezwungener als die von Milicevic mitgeteilte.') Ihre
malerische Lage gewinnt durch ihre, wechselreiche Vergangenheit bekundenden
Bauten an Reiz.
Hahn suchte Leskovac im Scunae der Tab. Peut.; die Tafel leidet aber
gerade auf dieser Route an durch den Kopisten verschuldeten grossen Fehlern,
dass ich Hahns Hypothese,-) die ich bei Vranja weiter erörtern werde, nicht
beizupflichten vermag. Nach meiner Ansicht dürfte aber Scunaes Lage gleich jener
von Arribantium, das Ptolemaeus, und von Merion, das Hierokles erwähnt,
ferner einiger von Procopius und der Tab. Peut. in Dardania genannten Orte 3)
ohne zufällige Inschriftenfunde niemals festzustellen sein. Aus Leskovac, das
zweifellos ein wichtiger römischer Wegknotenpunkt war, weil dort die 0. von
Turres, W. von Lissus, SW. von Scupi und vom südlicheren Erzgebiete kommenden
Strassen mündeten, fehlen aufklärende Inschriften. Keinesfalls stand dort aber,
wie Tomaschek annahm, Scupi, <) das von allen Forschern bis herab auf Evans
und Domaszewski im heutigen Skoplje erkannt wurde.
Drei Brücken verbinden die von der Veternica durchflossenen Stadtteile, in
welchen dunkles Laub überragende Minaretts und Konakfirste von der einstigen
•) Kraijevina Srbija, S. 112.
=) Reise v. Belgr. n. Sal., S. 235.
') Mannert, a a O. VII, S. 108.
■") Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wissensch. Bd. 99, S. 437 ff.
234 Von Leskovac an der Veternica nacli Vranja usw.
Tiirkenherrschaft erzählen. An diese mahnt auch der „Hisar", der 350 ni hohe
Schlossberg auf dem linken Fiussufer. George Brown sah noch im Jahre 1677
das ihn krönende, die nahe sumpfige Niederung beherrschende Kastell. In
altserbischer Zeit war es abwechselnd bulgarisch oder Byzanz unterworfen, Kaiser
Manuel trat die Stadt und ihr Gebiet an Stevan Nemanja ab, fortan teilten beide
die Geschicke des Serbenstaates. Nach Kosovo türkisch, im Frieden zu Szegedin
(1444) dem serbischen Despoten Djuradj Brankovic wieder zugesprochen, wurde
Leskovac nach den alles niederwerfenden Halbmondsiegen 1455 dem Sultansreiche
dauernd einverleibt. Erst 1689 eroberten Prinz Eugens Scharen die Zwingburg,
und von da ab verfiel sie. Nun bedecken köstlichen Wein zeitigende Kulturen
mit eingestreuten edlen Obstbäumen den blutgetränkten Boden, der ursprünglich
eine bis auf wenige Ziegelreste verschwundene römische Akropolis trug. Kaum
lässt sich deren einstige Gestalt mehr bestimmen, denn ihre Mauerreste wurden zum
mittelalterlichen Schlossbau, für Moscheen und Konaks verwendet, die, obschon seit
1878 dem Verfalle preisgegeben, uns den im Schwinden begriffenen orientalischen
Zuschnitt dieses einst vielgepriesenen Halbmondhortes vergegenwärtigen.
Noch zu Beginn unseres Jahrhunderts war Leskovac das Zentrum eines
ausgedehnten Paschaliks, dessen Grenzen selbst die fernen, seit 1833 serbisch
gewordenen Kreise Krusevac, Cuprija und Aleksinac umschlossen. Später fiel
Leskovac aber den Ejalets Pristina, Nis, Rustschuk und zuletzt, als Mithads Stern
in Nis glänzte, diesem zu. Das durch die fortgesetzte arnautische Einwanderung
sich stetig stärkende moslimische Element übte wiederholt solch starken Druck
auf die mehr als zweimal so starke christliche Majorität, dass es 1841 in und um
Leskovac zum lange vorbereiteten Rajahaufstande kam. Er gab dem Gouverneur
Mohamed Pasa viel zu schaffen, und lange nachdem er von den Albanesen
blutig niedergeschlagen war, zeigten Flintenkugelspuren an den Mauern den
versuchten Angriff auf das Regierungsgebäude. Bald darauf sank Leskovac zum
Mudirsitze herab; zuletzt jedoch amtierte dort wieder ein Kaimakam.
Als Serbien 1877 in die russische Aktion eintrat und seine Kolonnen sich
Leskovac näherten, flüchteten dessen wohlhabendere Moslims nach Vranja und
anderen Städten des Kosovovilajets. Zu diesem Zwecke requirierten Spahis und
Zapties in der ganzen Umgegend alle auffindbaren Wagen und Gespanne von der
Rajah, welche dadurch über tausend nicht mehr zurückgekehrte Ochsen, Büffel usw.
einbüsste. Die ärmeren mohammedanischen Leskovacer aber eilten nach der
schwer zugänglichen Grdilicka Klisura, wo sie mit Zuzüglern vom Lande durch
den Kaimakam Afis Pasa Agic und Esat Beg zu Baschibosuks organisiert wurden.
Mit ihnen wollten sich 1500 Amanten unter Sumber und Suli Aga aus der Pusta
Reka und oberen Veternica vereinigen, um das serbische Vordringen abzuwehren.
Die christliche Bevölkerung schnitt jedoch durch ihre tapfere Verteidigung der Dilaver
Begova Kula zu Vucje dieser Kolonne den Weg ab. Beide erbittert kämpfenden
Teile erlitten grosse Verluste. Hier fiel Vladimir Radenkovic, der Führer der Auf-
ständischen, am 3. Januar 1878. Mit ihm starben viele Tapfere für die Befreiung
des angestammten Bodens und die Bewahrung des schon am 23. Dezember 1877
von einer schwachen serbischen Abteilung besetzten Leskovac vor Brand und
Von Leskovac an der Veternicn iincli Vranjn usw.
235
Plünderung. Ein Dezennium genügte, um die Stadt iiires türkischen Charakters
naiiezu gänzhch zu entkleiden. Von den vor der serbischen Annexion in 9Ü()
Häusern wohnenden 4500 Mohammedanern traf icli im Herbste 1889 kaum 60 in
15 Häusern, von den 8 Dzamien mit 6 Minaretts blieben 3 erhalten, von den
10 Tekies nur eines; selbst das Türkenbad wurde rasiert. Auch die eine noch
„arbeitende" Moschee wird bald verödet sein; denn, wie allerorts, fühlt sich der
Moslim auch hier nicht wohl unter christlichem Regiment. Er verkauft sein Haus,
seine Landgüter selbst zum halben Werte und zieht ilahiii, wo er wieder der
Türkisches Pasa-Saraj zu Leskovac.
Vorrechte des Echt- und Rechtgläubigen über die waffenlose Rajah teilhaftig
wird. Zu den vornehmsten eingewanderten Arnautenfamilien zählte jene §aäir
Pa§as. Aus einem der angesehensten Ipeker Arnautengeschiechter stammend und
mit der einflussreichen Busatlisippe aus Skodra nahe verwandt, sammelte er zu
Leskovac grosse Reichtümer; sein Nachkomme Sahsuvar Pasa und dessen Sohn
Ismail Pa§a mehrten diese so sehr, dass des letzteren Einfluss zu Konstantinopel
bis vor wenigen Jahren unbestritten war.
Sasir Pasa erbaute im Zentrum des rechtsuferigen Stadtteils ein imposantes,
fünfzig Schritte langes „Saraj" mit vorspringenden Flügeln, von welchen einer des
Paschas Frauen und Odalisken beherbergte, der andere als Selamlik diente.
Der sie verbindende lange Mittelbau mit breitem, offenem Cardak und grosser
doppelseitiger Freitreppe enthielt die Gerichts- und Administrationsräume. Mit
236 Von Leskovac an der Vcternica nach Vranja usw.
echt orientalisch gemalten Ornainentfriesen, Festons usw. geschmückt, macht das
Saraj noch heute einen guten Eindruck, obschon es durch seine Verwendung als
Tabakdepot viel gelitten hat. Das von den Vlasotincer und Leskovacer Bezirken
angekaufte Gebäude fiel 1892 dem neuen Untergymnasiuni zum Opfer, für welches
die notwendigen Gelder und das Baumaterial bereits 1889 gesammelt waren.
Der einer anderen, reich begüterten Familie entstammende Paäa Agic besitzt zu
Pecenjevce und Leskovac zwei grosse Liegenschaften; in letzterer befindet sich
jetzt das Bezirks-Polizeiamt. Rasa Agic verewigte seinen Namen auch durch eine
nun verlassene Moschee mit Minarett neben dem einstigen Saraj. Eine dritte
erhaltene Dzamija steht im Sahat-mahala.
Der arnautische Beg, dieser spanische Hidalgo und magyarische Edelmann
des illyrischen Dreiecks, ist nicht so koranseifrig, wie stolz und unduldsam gegen
die seiner Herrschaft verfallene orientalische Christenheit. In noch höherem
Grade als dem asiatischen Moslim sind ihm alle Klöster und Kirchen verhasst;
den Bau neuer sucht er aber meist gewaltsam zu hindern. Konsul Hahn erzählte
ganz merkwürdige erlebte Beispiele von unerhörtem Fanatismus während seiner
albanesischen Amtskarriere. Als die Leskovacer christliche Gemeinde durch Bitten
und reiche Bakschisch zu Konstantinopel einen Ferman erwirkte, der ihr den Bau
eines grösseren Gotteshauses gestattete, suchten ihre arnautischen Zwingherren
diesen durch Bedrohungen lange zu hindern. Man griff zur List, gab vor, ein
neues Popenhaus zu bauen. So entstand im entlegensten Südteile des Christen-
quartiers, zwischen Bäumen versteckt, die von aussen kaum sichtbare, tiefliegende
dreischiffige Basilika „Sveta Bogorodica", ohne Turm, Kuppeln oder sonstige aus
der Ferne auffällige Zierde, wohl aber mit einem der Nordseite angefügten
Schornsteine, der — wie erzählt wird — die Moslims über die wirkliche Bestimmung
des Baues täuschen sollte.
1839 wurde die Kirche, deren Länge ausser allem Verhältnis zur Höhe steht,
gründlich renoviert. Ein breiter, von 18 Säulen gebildeter Arkadengang an der
West- und Südfront bildet ihren einzigen monumentalen Aussenschmuck. Sechs
Stufen führen zum bescheidenen Haupteingange hinab, über ihm die „Rozdestvo
Presvete Bogorodice" im Bilde und ein später eingebrochenes kleines Fenster.
Dieses und einige spärliche schmale Einschnitte an der Südfassade lassen nur
wenig Licht in das Innere der mit grossen quadratischen Ziegeln gepflasterten
Schiffe dringen. Man wähnt sich in einer Katakombe; die starken Säulen, der
dunkle Freskenschmuck erhöhen den mysteriösen Eindruck. Der Reflex riesiger,
vor der reichgeschmückten Ikonostasis brennender Wachskerzen fällt auf den
„Sto za Kraljicu" (Königinstuhl) und lässt auch hier die natürliche Begabung der
Bulgaren für das Kunsthandwerk bewundern. Der thronartige Betstuhl ist eine
prächtige Arbeit des zu Vlasotinci lebenden Holzschnitzers Majstor Zasa aus
Samokov. Krone, Wappen, Blumen und sonstige Zier sind in Nussholz überraschend
schön geschnitten; die empfangenen 60 Dukaten waren wohl verdient. Und gleich
kunstreich ist der den Altar schmückende Baldachin. Es sind Werke von bleibendem
Kunstwert. Nahe der Hauptfassade erhebt sich seit 1879 ein ungeschlachter
sechsseitiger Glockenturm; zierlicher ist der Kiosk, der den treffliches Wasser
i
Von Leskovac an der Veternica nach Vranja usw. 237
spendenden Brunnen überdacht und das Zentrum des anlieimelnden, durtii das
Schul- und Popenhaus abgeschlossenen Platzes bildet.
Seit der serbischen Besitznahme hob sich das städtische Bildungswesen. An
der sechsklassigen Normalschule für Knaben und Mädchen mit vielen Parallelkursen
erteilen 14 Lehrer und 4 Lehrerinnen nahezu 900 Schülern Unterricht. Das 1880
gegründete vierklassige Untergymnasium wird von 150 mannlichen und 20 weiblichen
Zöglingen besucht. Es zählt einen Direktor, fünf Professoren, einen Gesangslehrer,
einen Meister für Gymnastik und militärisches Exerzitium, eine Lehrerin für
Handarbeiten; die Religion lehrte an beiden Anstalten der gewesene Pfarrer im
sirmischen Irig, Luka Bozovic. Dieser gleich gefällige, wie gebildete, jetzt in der
Bukarester serbischen Gemeinde wirkende Geistliche war mir ein stets bereiter
kundiger Begleiter. In seiner Gesellschaft stieg ich an einem herrlicii blauenden
Sonntagsmorgen zur neuen Kirche Sv. Uija hinan, deren weisser Bau mit blinkender
Metallkuppel seit 1883 in herrlicher Lage weit hinein iiis Moravatal leuchtet.
Er steht auf der westlichen Hisarhöhe, umschlossen von einem neu angelegten
Parke und Rebengärten, neben dem Friedhofe, auf der Stelle einer gleichnamigen,
im Volke als heiltätig gepriesenen Kirchenruine, zu der Kranke selbst aus weiter
Entfernung pilgerten oder gebracht wurden. In einer mit allerlei Bildern, Kreuzen
und Ampeln kapellenartig ausgestatteten Hütte kurierte hier eine viel aufgesuchte
Baba durch Besprechungen, mysteriöse Arzneien usw. die schlimmsten Gebrechen.
Die Geistlichkeit eiferte vergebens gegen diesen Eingriff in ihren Wirkungskreis,
denn die Bauern nahmen die Partei der frommen Wunderfrau, die sich mit
kleinsten Geschenken begnügte. Allmählich wuchsen diese zu einer bedeutenden
Summe an und bildeten den von der Baba gestifteten Grundfonds zum Baue des
neuen Gotteshauses. Bald flössen Liebesgaben in Geld und Materialien von
allen Seiten. Architekt Ivackovic vom Belgrader k. Bauamt entwarf den Plan,
Werkmeister Radojio aus Crna Trava führte ihn aus, und am Hin dan 1889 wurde
die im byzantinischen Stile gehaltene Kirche durch den bald darauf durch die
Radikalen seines Amtes entsetzten Niser Bischof Dimitrije Pavlovic feierlich
geweiht. Der ansehnliche Kuppelbau zeigt sehr harmonische Verhältnisse und
wäre gelungen zu nennen, wenn nicht an der Westfassade der unansehnliche
Eingang zu auffallend mit dem unmittelbar über demselben angebrachten riesigen
Fenster kontrastierte. Im noch kahlen, weiss getünchten Innenraume führt eine
Stiege zur Frauengalerie. Die Ikonostasis zieren erst zwei Bilder eines maze-
donischen Samouks (Autodidakten), und ein Symantron in schlichtem Holzstuhle
ersetzt den noch fehlenden Glockenturm. Der Gottesdienst in dieser von der
Stadt etwas fernliegenden Kirche wird von einem ihrer 13 Geistlichen gehalten.
Während der Muezin nur mehr von einem Minarett Allah preist, besitzen die
12 100 orientalischen Christen von Leskovac zwei Kirchen, und seine 140 spanischen
Israeliten eine kleine Synagoge mit Schule.
Die Kommunalverwaltung des 1896 in 2551 Häusern über 12800') Seelen
zählenden Leskovac wurde nach serbischem Muster organisiert. Wie alle
') Leskovac zahlte 1005 in 2{)48 Häusern 13712 Einwohner.
238 Von Leskovac an der Veternica nach Vranja usw.
1878 annektierten Städte, besitzt es vollständige Autonomie. Opstinski sud
(Genieindegericiit) zählt: 1 Vorsitzenden, 3 Knieten, 16 Ausschüsse, 8 Beisitzer,
1 Rechnungsführer, 1 Notar, mehrere Schreiber und Diurnisten. Den Sicherheits-
dienst versieht 1 Polizeibeamter mit 4 Gehilfen, 12 Panduren und 18 Nachtwächtern.
Die Feuerwehr steht unter einem besonderen Kommandanten. Für die Gesund-
heitspflege sorgen 2 Ärzte, 1 Geburtshelferin und 3 Apotheken. Das Haupteinkommen
der Stadt aus den Abgaben von Häusern, Gewölben, Kaffee- und Gastlokalen,
Waggeldern, vom Jahrmarkte usw. mit 60000 d balancierte sich 1889 mit den
Ausgaben; das Barvermogen betrug gegen 20 000 d. Eine städtische Sparkasse,
welche 1895 schon 10,8 und 1905 nahezu 15 Mill. d zu 10"/,, in Umlauf brachte,
macht den nur gegen riesige Zinsen zugänglichen Geldverleihern wohltätige
Konkurrenz. Sehr viel geschah bereits für die Regulierung und Verschönerung
der Strassen und Plätze; auch die Pflasterung und Beleuchtung machen gute
Fortschritte, und schon heute ist der Charakter dieser vor zwei Jahrzehnten noch
halbasialischen Stadt ein mehr occidentalen Forderungen entsprechender.
An diesem überraschend schnellen Umschwung haben die aus dem Fürstentum
entsendeten Offiziere und Beamten grossen Anteil. Es dürfte interessant sein,
den staatlichen Apparat einer serbischen Bezirksstadt kennen zu lernen. Zu
Leskovac befanden sich im Herbste 1889: der Stab des Territorialbataillons
(4 Offiziere, 50 Soldaten), das „Sresko nacelstvo" (Bezirksamt) mit dem leitenden
Bezirkshauptmann, 1 Adjunkten, 7 Praktikanten für den Kanzleidienst, 1 Steuer-
beamten, 1 Tabakregie -Aufseher und seinen Gehilfen, 1 Bezirksarzt und
10 Gendarmen; eine Abteilung des Niser Kreisgerichts für die Leskovacer und
Vlasotincer Bezirke >), bestehend aus 1 Präsidenten, 3 Richtern, 1 Sekretär,
1 Rechnungsführer, 2 Schreibern und 3 Praktikanten; ferner Post- und Tele-
graphenamt mit 1 Chef, 2 Beamten und 4 Telegraphisten.
Die Leskovac mit Nis und Vranja verbindende Eisenbahn gewinnt stetig
an Bedeutung. Der Bezirk führt ansehnliche Quantitäten von Getreide, Wein,
Obst und anderen Bodenprodukten aus. In erster Linie steht aber der Verkehr
mit Hanf und Seilerwaren. Man darf ohne Übertreibung sagen: Leskovac und
seine Umgebung leben vom Hanfbau. Schon Herodot rühmte den thrazisch-
dardanischen Hanf. Der Leskovacer gilt allgemein als der vorzüglichste im ganzen
Toplica- und Moravagebiete, denn die Pflanze gedeiht hier bis zu 3,5 m
Höhe. Zur Samengewinnung wird der schwarze, im Herbste geerntete Hanf
bevorzugt. Man versetzt ihn Ende April; der weisse wird schon im August
abgeschnitten. Durchschnittlich gewinnt ein Bauerngehöft 10 q Hanf, einzelne
sehr wohlhabende z. B. in Pecenjevce bis 35 q, welche 1889 mit 56 frs. per q
bezahlt wurden. Anfangs Oktober, wenn aller geerntete Hanf pyramidenförmig
in endlosen Reihen getrocknet wird, erscheinen die Ortschaften wie von riesigen
Zeltlagern eingehüllt, die später als Flachs meist nach Leskovac wandern. Dieses
bildet gewissermassen die Börse, auf welcher nach dem jeweiligen Ernteausfall
und Zuströmen der Ware ihr Marktpreis bestimmt wird. Die leider in den
') jetzt ist das Gericht selbständig für die Vlasotincer, Jablanlcaer und Leskovacer Bezirke.
LESKOVAC. Textilindustrie.
Farbelfoclieii, Hanfrösten, Spinnen, Spulen, Weben und Seiledrelieii.
Von Leskovac an der Veternicn nncM Vranjn usw.
241
letzten Jahren häufig versuchte Fälschung des Geuiclits durcli Befeuchtung des
Ballenkcrns oder Zusatz von Heu usw. maclite die fremden Käufer sehr vorsiclitig.
Noch immer gehen aber grosse Quantitäten nach Ungarn, Bulgarien, Rumänien,
Albanien usw. Der überschüssige Rest wird von der ärmeren Bevölkerung zu
Seilen in verschiedenster Stärke verarbeitet, für welche Skopija (Skopijc)^
Philippopei, Adrianopel, Bukarest und die Dobruca die bedeutendsten auswärtigen
Abnehmer sind.
Zu Leskovac gibt es über 400 Hanfbereiter und Seiler, 3 Leinwand- und
3 Bockheweber. In und bei jedem Hause der entfernteren Quartiere schnurren
t,.r-V?-l.
^3M
^]>"T^ —
5-^?i -^i«S5i.
LESKOVAC. Uriickc und His:ir im J.Llirt- I88(t,
Räder und Rädchen; man glaubt sich in eine einzige riesige Stricke- luui
Schiffstaufabrik versetzt. Daneben ist man auf zahllosen primitiven Webstühlen
tätig, denn die aus Ziegenhaar erzeugten Leskovacer „Bissage" und aus Wolle
hergestellten Pferdedecken, Kotzen usw. erfreuen sich gleichfalls guten Rufes.
Die Leskovacer Frauen verstehen es, prächtig gemusterte gazeartige Stoffe aus
feiner Baumwolle mit eingewebter selbstgesponnener Seide herzustellen, die
lohnenden Absatz finden. Die seitens der Regierung im Leskovacer Kreise
erfolgten Schritte zur Hebung der Leinenindustrie schildere ich im III. Bande,
X. Kapitel.
Zu Leskovac wird auch die Töpferei schwungvoll betrieben; die beliebten
Formen weisen häufig Anklänge an die Gefässe auf, welche aus den zerstörten
Römerstätten der Umgebung zutage gelan_gen. Sonst gibt es dort eine
F. KANITZ, Serbien. I[. l(j
242
Von Lcskovac an der Veternica nach Vranja usw.
bescheidene, als grosser Fortschritt zu begrüssende Buchdruckerei, eine sehr
gut arbeitende Dampfmühie, 180 Feld- und Gartenbauer, (53 Bäcker, 54 Fleischer
und Wurstmacher, 185 Gast- und Kaffeewirte, 240 Schneider, 78 Schuhmacher,
365 Handelsleute, 7 Advokaten usw.
Vom Balkon des ganz europäisch mit Cafö, Billard und Speisesaal ein-
gerichteten „Hotel Solun" (Salonik) der Familie Pasa Agic und jetzigem Gerichte
erster Instanz blickte ich gern auf den Hisar und die zierliche, ungemein
malerische Lepenicabrücke, über welche an Samstagen das rege Markttreiben in
der langen Basarstrasse seinen Weg nimmt. Oft sperren endlose Ochsen- und
Bliffelwagenreihen die Strasse. Eine denkbar bunte Staffage, darunter einzelne
I. Oahelkeil. 2. Webstuhlfüsse.
Weberhaum. 5. Durchscliub.
9. Unterlage. 10. Zettel.
Alter serbischer Wcbstu
um Lebane siedelnde Amanten, drängt sich lärmend durch die Hecken der
ambulanten Händler vor den ihr Bestes in die Augen rückenden Verkaufsläden,
bis am Nachmittag sich der Knäuel lichtet und die Stadt ihr Alltagsleben wieder
aufnimmt, dessen Stille ab und zu die Übungen ihres Schützenvereins „Kralj
Milutin" und Gesangsbundes „Branko" unterbrechen.
Mit den angenehmsten Eindrücken trat ich vom aufstrebenden Leskovac am
9. September in Gesellschaft des Kreisingenieurs Bartos die Tour nach Vranja
an. Unser Pandur hatte treffliche Pferde besorgt, der Himmel blaute, und in
bester Laune schlugen wir den alten Römerweg zum südlichen Rudarski manastir
durch die Niederung „Kavgalija" ein. Dass sie schon in prähistorischer Zeit
bewohnt war, zeigt ein bei dem rechts bleibenden Sinkovce gefundener
Spinnwirtel. Links ragten über dje mit wogenden Mais- und Hanfpflanzungen
\'on Leskovac an der Veternica nach Vranja usw.
243
bedeckte Ebene drei riesige Ulmen auf, weiche die Umzäunung als dem Voli<e
geheiligte „zavetina" kennzeichnete.
Bald darauf betraten wir einen frischgrünen Laubhain, aus dem das 1799
renovierte weisse Gemäuer der Sv. Petkakirche hervorlugte. Dieses ehemalige
Kloster ist ein Licblingsausflug der Leskovacer und nunmehrige Pfarre für
14 Orte mit zwei Geistlichen. Nach beendeter Liturgie geht es an Sonn- und
Festtagen zur leiblichen Stärkung aus den mitgebrachten Vorräten. Namentlich
am Tage der Schutzpatronin des schmucklosen Kirchleins gleicht das Wäldchen
einem grossen, durch Gesang und Tanz belebten Feldlager. Eine Sage erzählt,
dass beim nahen Rudare eine „latinska varoÄ" sich befand. Aus ihren Kirchen
sollen die Architekturreste neben dem Haupteingange herrühren. Ich zeichnete
eine altbyzantinische Säulenbasis und ein Kapital von hartem Sandstein, mit
RUDARE, Hiiuscrhau.
scharf untcrsclinittenem Blattwerk, Voluten und Kreuz. Der die Kirche umgebende
Friedhof, auf dem die Orte Rudare, Trnjane, Jajino, Guberevac, Mala und
Velika Grabovnica ihre Toten bestatten, birgt einzelne sehr alte Grabsteine von
interessanten Formen. Das ungemein stimmungsvolle malerische Ganze hütet ein
von den genannten Dörfern bestellter Küster.
Die Ortschaften um Leskovac sind meist geschlossen. In den auf Rudare
an unserer Route folgenden Trnjane, Presecina, Sajinovac stand Haus an
Haus. Westlich blieb Palikuca, bei dem Pesa Prsic schon vor hundert Jahren
einen Aufstand versuchte, worauf die Türken das Dorf verbrannten; daher sein
Namen. In dem II km von der Stadt fernen Strojkovce besuchte ich die erste
serbische Gajtanfabrik. Unter Leitung zweier Bulgaren aus Karlovo werden hier
mit flottem Maschinenbetriebe meist blaue, weniger rote Schnüre ganz in derselben
Weise gefertigt, wie ich sie in den Balkanstädten Kalofer, Trevna u. a. O. sah. Die
Wolle wird während des Winters von den Frauen gesponnen und wandert sodann
durch die Färberei des Bulgaren Stevan Dobra Bujedzov, der jährlich 200 kg
Kj»
244
Von Leskovac an der Veternica nach Vranja usw.
Indigo verarbeitet, auf die siiinreiciien i<ieinen Rotationsapparate. Hier und in der
Gajtanfabrik der 1889 im benachbarten Vucjc errichteten Fihale waren 24 Arbeiter
und 110 Spindeln tätig. Der erzielte Umsatz betrug im selben Jahre 120000 d.
Vorüber an der höher liegenden netten Mehana zogen wir an dem zahllose
Mühlen treibenden Bache aufwärts über Nakrivanj nach Cukljenik. Dort wird
das von Strojkovce gegen SO. sich dehnende, sanft undulierte Terrain von
den waldgrünen Ausläufern der nahezu 1200 m hohen Vlahinja umgrenzt, deren
romantische, wasserreiche Schluchten zur Gründung zahlreicher Heilstätten ein-
luden. Im südlicheren Nakrivanjer Kloster steht neben der Grundfeste des
zerstörten Kirchleins Sv. Nikola (Grundriss, Star. VllI) ein erhaltener tonnen-
gewölbter niederer Bau mit konventionellem byzantinischen Freskenschmuck,
überragt von einem stattlichen einstöckigen Konak und Nebenhause, in dem die
Denkmal bei Sv. Nikola.
hierher pilgernden Frommen und Ausflügler gastliche Aufnahme finden; es wird
zu klein, wenn der Nakrivanjer Pope hier an bestimmten Tagen Gottesdienst
hält. Wir verbrachten unsere Mittagsrast im schattigen Nussbaumhain, nahe dem
3 m hohen Granitobelisken, mit dem der auf S. 234 erwähnte Vladimir Radenkovic
aus Golesnica (geb. 1850, gest. 1878 im Gefechte zu Vucje) geehrt wurde.
Auch unfern dem westlichen Rasin Laz zieht eine dem hl. Spas gewidmete alte
Heilstätte viele Besucher an.
Am Rückwege über Nakrivanj sah ich auf den östlichen Hügeln die letzten
grösseren Rebenkulturen des südwestlichen Serbien; wo der Boden mehr flach,
war die Maisernte schon im vollsten Gange; nur die zwischengepflanzten
Kürbisse liess man länger reifen. Das Terrain stieg allmählich gegen S. wieder an
und zeigte guten Waldstand. Wir kreuzten den tiefen Selskaeinschnitt und erreichten
das bedeutende, interessante Vucje am gleichnamigen Bache. Dieser entspringt
auf dem 1437 m hohen Ruzin Grob der kristallinischen Kukavica, fliesst parallel
mit der 4 km entfernten Cukljenicka reka von S. nach N. und bildet neben dieser
den zweiten grösseren östlichen Zufluss der Veternica. Von dem nach Milicevic
Von Lcskovac an der Veternica nach Vranja \is\v.
245
zwischen Beli Potok und Vucje angeblich existierenden See fand ich keine Spur;
im Frühjahre sind wohl die Wiesen überschwemmt, das Wasser verschwindet aber
meist schon in den ersten Sommermonaten. Die vorerwähnte Diiaver Begova
Kuia (S. 234), welche von den Anwohnern am 3. Januar 1878 so tapfer gegen
die Amanten verteidigt wurde, dass diese flohen und 140 Tote zurückliessen,
stand unfern der Mehana mitten im Dorfe. An der Stelle des abgetragenen, mit
hohem palisadierten Walle umgebenen Turmes liegt heute ein Bauerngehöft, an
dem vorüber der Weg nacii der 1858 zuerst von Hahn besuchten Klisura führt.
Der Teulciskessel der Vucjansk.i reka.
Sic gehört in Wahrheit zu den hochromantischsten Schluchten des an land-
schaftlichen Schönheiten reichen serbischen Südens.
Durch abenteuerlich sich aufbauende Steilmauern, herrlich bewaldete Hänge
und frischgrüne Matten rauscht die 18 Mühlen und 2 Walkwerkc treibende Vucjanska
reka in zahllosen Kaskaden herab zum von malerischen Felsen umschlossenen tiefen
„Dev Kazan" (Teufelskessel), in dem munteres kleines Fischvoik sein Spiel treibt.
Nur selten streift ihn die Sonne, und der böse Dämon sucht ihn allnächtlich auf,
um sich da seine Suppe zu kochen. Der zum südlichen, 2 km fernen Zbeziste
ziehende Bauer meidet es, den Dev zu stören, der auf verzauberten Mühlen in
der Untiefe sein Korn mahlt; Feinde wünscht er hinab zum gefürchteten „dev";
er selbst drückt sich scheu vorüber und schlägt auch am Tage ein Kreuz, wenn
246 Von Leskovac an der Vetcrnica nach Vranja usw.
er zum „Teufels-Suppentopf" kommt. Dagegen betrachtet man die Ruine des
„crkviste", eines nahen Kirchleins, für geheiligt, in dem der grosse Nationalheld
Nikola Skobaljevic stets die Liturgie sich lesen Hess, bevor er zum Kampfe gegen
die Ungläubigen auszog. Seine 3,6 m breiten, 4,8 m langen Mauern, mit 1,7 m
vorspringender halbkreisförmiger Chorapside und 1 m breitem Eingange, zeigen
eine wahre Musterkarte von Bruchsteinen und Geschieben der im Umkreis
anstehenden Gesteinsarten; Gneis und Glimmerschiefer herrschen vor. Etwas
weiter SO. bildet die kristallklare Vucjanska reka unter der vom 1034 m hohen
Kita vorspringenden Steilwand des „Ramni Kamen" einen prächtigen Wasserfall.
Südwestlich von Skobaljevics Kirchlein führt ein schwieriger Pfad hinan
zu seinem 300 m höher liegenden Schlosse. Zwischen jungem Laubholze, das
einzelne höhere Buchen überragen, und dichtem, den Kleidern gefährlichem Wach-
holdergestrüpp, das Zeitlosen stellenweise bläulich färben, erkletterte ich, geführt
von einem gemsenartig alle Hindernisse nehmenden ortskundigen Hirtenjungen,
das schmale Plateau, das die 2 m starken und 12 m langen, teilweise trefflich
erhaltenen Fronten eines quadratischen Werkes mit verschütteter Zisterne trägt.
Die Grundform und der überaus harte Mörtel der aus Bruchsteinen und Ziegeln
hergestellten Mauern sprechen dafür, dass hier ein römischer Wartturm stand,
der das weithin übersehbare unterworfene Umland überwachte.
Das ist die Burg, auf welcher das Volk seinen vielbesungenen Helden Nikola
Skobaljevic residieren lässt. Historisch erwiesen ist, dass er die von Novo Brdo
vordringenden Türken am 6. Oktober 1454 bei Vranjska Banja schlug, bald darauf
aber, am 28. November, mit seinem gleich tapferen Vetter an der Trepanjska reka
besiegt wurde und fiel. Eine vielverbreitete Legende macht den Grosswojwoden
Nikola zum Sohne eines Mädchens Nikolina des nahen Vina, das durch einen
lebend verschlungenen Fisch gesegnet wurde, daher auch sein Name Skobaljevic
(Fischsohn), in allen Kämpfen mit den Türken blieb er Sieger, bis ein Verwandter
schmählichen Verrat an ihm übte. Er verlor die Schlacht, doch konnten ihn die
Moslims nicht erreichen, denn er flog auf seinem schnellen Rosse in die Lüfte,
und deshalb kennt man auch nicht seine Grabstätte.') Von Vucje führt auf dem
linken Ufer auch ein besserer Weg zur Burg, der in römischer Zeit über Zbeziste
und den Crni Vrh (1005 m), vorbei an einer zweiten auf dem 764 m hohen
Koprive, durch das obere Veternicatal nach Vranja zog, was die Anlage beider
Werke in so unwirtlicher Waldgegend erklärt.
Zu meinem grössten Leidwesen lief erst 1890 die Frist ab, welche den
Mehandzijas des 1878 annektierten Landesteils zum Um- oder Neubau ihrer
Gasthäuser nach den Kristicschen Vorschriften bewilligt wurde. Der Han zu
Vucje entsprach gleich den meisten der südlichen Kreise kaum bescheidenster
Anforderung; dank den Mühen des Tages schlief ich auf dem frischen Heulager
des ungedielten feuchtkalten Raumes trotzdem vortrefflich, und zeitig morgens
ritten wir am nördlichen Kukavicahange W. über Brza nach Gorina. Dort fiel
mir ein festes Haus mit turmartigem Anbau auf. Es war die das Dorf einst
') Milicevlc, Kraljevina Srbija, S. 61 ff
Von Lcskovac an der V'ctcrnicn nach Vranja usw.
247
beherrschende Kula des nrnaulisclien Be^s Dciiiir Barjam, dessen Christin gewordene
hübsche Witwe den Serben Kosta Kocic heiratete. Die dem Beg Untertanen
10 Rajahfamihen lösten den Zehnten mit 500 d ab. Diese zinstragend im Leskovacer
Waisenamt angelegte Summe fällt samt dem Haus und Landbesitz dem Sohne
Milan zu, sobald er grossjährig wird. Der kaum sechzehnjährige aufgeweckte
Bursche galt als reiche Partie und wurde trotz seiner Jugend von schlauen, mit
Töchtern gesegneten Müttern zum Heiraten gedrängt.
Bei der Mühle von Bukova Glava, das, ähnlich wie Gorina, Brza und
Vucje, am Ausgange einer südlichen Schlucht lagert, schieden wir von der gegen
N. sich dehnenden breiten Ebene, welche die Veternica durchfliesst, und traten
in ihr sich bald verengendes Defilee, dessen wenig gekrümmte, nahezu streng
südliche Fortsetzung wir erst am nächsten Tage, kurz vor Vranja, verliessen.
1 km N. von Bukova Glava liegt Mirosevce, bei dem 1878 zur Plünderung von
Leskovac ausgezogene arnautische Banden von den Serben zersprengt wurden.
Demir BarjaniKula zu Gorina.
Im ganzen Tale der Veternica, wo es vor 1878 viele aibanesische Orte gab,
blieb nicht ein Arnaute zurück. Alle übersiedelten mit ihrer beweglichen Habe
freiwillig oder gezwungen auf türkischen Boden und verhandelten lange wegen
der im Prinzip zugesagten Ablösung des im Stiche gelassenen Grundbesitzes
mit ihrer ehemaligen Rajah und dem serbischen Staate, die sich rasch desselben
bemächtigt hatten.
Zu Vina, dem ersten Dorfe am Oberlaufe der Veternica, wurden wir gastlich
empfangen. Der Kmet und einige Ortsinsassen lagerten mit uns unter mächtigen
Nussbäumen und sprachen, trotz der posti (Fasten), den für uns gebratenen
Hühnern und Kacamak eifrig zu. „Pop daleko stanuje!" — der Pope wohnt weit
— meinte der aufgeweckte Kmet und Hess es sich trefflich munden. Ich leitete
die Unterhaltung auf Nikola Skobaljevic. Einige kannten das Märchen von dem
in die Luft geflogenen Helden; doch die traditionelle Sage, dass er in ihrem Dorfe
geboren sei, war auch den ältesten Tafelgästen fremd. Um so mehr erzählten
sie von Marko Kraljevic, „der von seiner heute noch teilweise erhaltenen Kula auf
dem nur wenige Minuten vom Dorfe fernen Umac (447 m) mit mächtigem Satze
seines Sarac hinab zum crkviäte sprang, das er am Fusse des Hügels dem
hl. Prokopius errichtete. Im Felsen erkenne man Markos breite Fussspur mit dem
248 Von Lcskovac an der Vctcrnica nach Vranja usw.
Spornabdruck und den Huf seines Rosscs!" Die Aufgetclärteren bezweifelten aber
kopfscliültcind diese fabulösc Geschichte.
Elfmal kreuzten wir die abwechselnd durch Wiesengrund, zwischen Felsen,
prächtigen Buchenständen, gemischt mit goruna (Eichenart) und kleinen Nusshainen,
lustig hinrauschende Veternica. Auf beiden Ufern lagen bis zur Kaludjerska livada
(Mönchswiese) Hunderte mächtiger Nussbaumstämme. Wie im Kriege die kräftigsten
Männer, wurden hier die gesündesten Bäume leidiger Gewinnsucht geopfert. Ein
spekulativer Tscheche sandte gegen tausend nach Österreich zur Anfertigung von
Gewehrschäften. Am Wege erschienen vereinzelt ärmliche Gehöfte, mit Stroh
gedeckte Häuschen und Kolibas, mit aus Lehm bestrichenen Zweiggeflechtwänden,
in welchen früher Arnauten, jetzt Serben aus der westlichen Poljanica siedelten.
Die Gegend ist als sehr unsicher verrufen. In Crcavac schloss sich der Kniet
mit zwei Bewaffneten unserem Geleit an. Bei diesem, in einem stark bewaldeten
Bergkessel malerisch liegenden Orte endet der auf S. 246 erwähnte, von Vucje
über den Crni Vrh und Bunatovac (1210 m) nach Vranja führende Hochweg.
Wieder durchfurteten wir sechsmal die vielgekrümmte Veternica bis zur Mühle
des in einer östlichen Schlucht liegenden Lalince und betraten den Poljanicacr
Bezirk. Am Wege steht eine Riesenbuche, in deren Bereich viele griechische
Landschildkröten heimisch geworden. Auf nackte Sandstein- und Glimmerschiefer-
felsen folgte frischgrüner Buchenwald, das Tal erweiterte sich, war gut bebaut,
belebt, denn man erntete den Hanf zur Samengewinnung. Nachdem wir eine
stark zerrissene Enge passiert, erschien westlich zwischen hohen Baumkronen die
Ruine des Klosters Sv. Prokop. Meine Begleiter erzählten, dass es Zar Lazar
gestiftet, und seit es die Türken verwüstet, noch angesehener beim Volke sei.
In der reinlichen Mehana des bald darauf erreichten Golem o Selo begrüsste uns
der zu meiner Begleitung durch den Vranjaer Kreis eingetroffene Ingenieur Josef
Riener. Das nach des Popen Angabe 240 Gehöfte zählende Golemo Selo erbaute
1876 auf der Stelle des zerstörten Sv. Nikola- Kirchleins ein dem hl. Prokop
geweihtes, das mit dreibogiger Vorhalle und hochgezimmertem Glockenstuhle
weithin im breiten, fruchtbaren Tale sichtbar ist. Seine Gehöfte sind durchschnittlich
von 10 — 15 Seelen bevölkert, und obschon die Kommunionen sich auch hier
häufig teilen, zählen einzelne 25 Familienglieder. Mit dem Unterrichtswesen ist
es im Vranjaer Kreise noch schlimm bestellt. In den 60 Orten des Poljanicaer
Bezirks gab es 1884 nur 3 Schulen, darunter die erst 1879 gegründete, zurzeit
meiner Anwesenheit (1889) von 44 Knaben und gar keinen Mädchen besuchte
zu Golemo Selo. Die dort und bei Vlase im Januar 1878 heftig bekämpfte
albanesische Bevölkerung des Bezirks verliess ihn gänzlich; einige ihrer rasierten
Orte, so Dobrojance, Devotin u. a., sind verödet.
Am nächsten Frühmorgen durchfurteten wir die Veternica und gelangten
auf dem in der serbischen Karte noch nicht eingetragenen Fahrwege von Vina
über Barje, Gagince, Mijovce durch die erwähnte Enge am rechten Bachufer
hinauf zur Quellenscheide und sodann abwärts nach Gradnja (570 m), dessen
Namen schon auf eine alte befestigte Ansiedelung hinweist. Es war jedenfalls
ein strategisch wichtiger Punkt, weil hier der von Gilan zur Morava W. nach 0.
Von Leskovac an der Vcternica nach Vranja usw. 249
ziehende direkte Hochweg die Veternica i<reuzte, auch ein Kastell auf dem nord-
östlichen 1337 m hohen Lisac deckte ihn. Zu Gradnja ergab meine Untersuchung,
dass seine für sehr alt geltende Sv. Nikolakirche, von welcher der Pope zu
Golenio Selo mir viel vorgefabelt, ähnlich wie die Sv. Petka im südlicheren
Smiljevac, vor etwa ßO Jahren auf alter Grundfeste entstanden sein mochte. Auch
die gerühmten Kirchenruinen zu Vlase, Sikirije und Drenovce, bei dessen
nördlichen Sv. Arandjelniauern und verwitterten inschriftlosen Grabsteinen die
Bauern beten und Lichter anzünden, bieten gleich geringes kunsthistorisches
Interesse. Bei Drenovce (691 m) betritt die neue Trace mit scharfer Ostkurvc
am Jezerski potok das Defilee, durch welches wir zwischen dem 987 m hohen
Goc und 100 m hiiheren Sirinc über die nur etwas niedrigere Einsattelung
Cubre ins Vranjskatal abstiegen. Die zurückgelegte Strecke von Golemo Selo
bis zum Passe beträgt 13 km. Weitere 3 km an der vom Goc abfliessendcn
Dcvotinska reka brachten uns vorbei am gleichnamigen, einst albanesischen, nun
verlassenen Orte durch eine Bngschlucht mit starkgeboschten Steilabstürzen zur
in Ruinen liegenden einstigen Wegsperre, dem liüchst romantischen Schlosse des
Nationalhelden A^arko Kraljevic.
Vor 230 Jahren zog der englische Arzt Edward Brown, der einzige Forscher,
welcher vor mir das obere Lepenicagebiet betrat, den geschilderten Weg von
Leskovac nach Vranja. Die von ihm als „Lyperitza" erwähnte Lepenica nannte
er den Mäander Müsiens, weil er „innerhalb zwölf Stunden Zeit neuntzigmal (!)
denselben kreuzen musste". Von der südlichen Wasserscheide „Clissura", welche
Brown als einen Ausläufer des Hämus betrachtete, bemerkt er: „Die Felsen und
Steine dieses Gebürges scheinen gleich als Silber, und geben bei Sonn- und
Mond-Schein ein anmuthiges und gläntzendes Ansehen, indem sie aus Moscowitischen
Glass (Frauen-Eyss), davon ich etwas mitnahm und nach Hauss brachte. Wir
giengen abwärts, und hinunter auf einen engen felsichten Weg, längs dem vesten
Schloss Colombots oder Golombotz her, und kamen nach Urania, welches unten
am Boden oder Fuss des Berges lieget: Dieses ist ein vester Pass, über welchen
das Schloss commandiret, und über diese Passagie hinsihet." ') In Browns, die
damalige wissenschaftliche Beobachtungsweise charakterisierender Schilderung
erscheint besonders interessant: der alte, nun vergessene Namen des Schlosses,
der die fortlebendi; Tradition beglaubigt, dass einst die nahe Stadt Vranja, nach
ihrem Gründer Golub, „Golubinje" hiess. Obschon aber die in Danicics „Rjecnik"
benutzten alten Quellen kein Golubinje oder Golubac an der oberen Morava
kennen, lässt die Volkstradition den auf diesem residierenden vielbesungenen
Königssohn dieses nach ihm genannte „Markov grad" tapfer gegen die Türken
verteidigen. Als er aber doch ihrer Übermacht weichen musste, sprang er mit
seinem Heldenrosse Sarac vom Felsen, auf dem dessen riesiger Hufeisenabdruck
zurückblieb, auf die östliche „Placevica", so genannt, weil Marko dort weinte,
und von dieser auf die westliche „Krstilovica" (Kreuzberg), wo er beim jetzt
verfallenen Sv. Trojica-Kirchlein sich bekreuzte. Im tief unten rauschenden
') Reise von Belgr. m. Sa!., S. 235.
250
Von I.eskovac an der Vcternica iiacli Vranja usw.
Bache sieht man seine Badewanne und am Ufer seinen riesigen „Furun" (Back-
ofen). Meine am Orte gezeichnete Skizze zeigt die Nordseite der Bnrgruine und
ihr von der Devotinska reka umflossenes Piedestal, der mit Ingenieur Riener
gemeinsam gefertigte Plan die Gesamtanlage der vier Abschnitte des in seiner
Nordpartie noch 1 1 m hoch erhaltenen Werkes. Dass seine meist aus Gneis und
Ton-Glimmerschiefern hergestellten Mauern dem Mittelalter entstammen, ist sicher;
gleich zweifellos erscheint es mir aber, dass sein Unterbau teilweise auf antiken
Rudimenten entstand. Das Römerkastell befand sich im südlichen Burgteile A.
Dort konstatierte ich antikes Gusswerk und Deckplatten unter den sonst spärlich
verwendeten Ziegeln der Wallfronten, welche der Konfiguration des gegen W.
steilgeböschten Tonschieferfelsens sich anschmiegen. Ausser dem gut erhaltenen,
stark befestigten Südzugange B ist die am nördlichen Felsgrate zum Hochturme
laufende krenelierte, sehr starke, 50 m lange Mauer C interessant, welche den
hart unter ihr vorbeiziehenden alten Weg deckte. Bei seiner jüngst erfolgten
Umgestaltung in eine Fahrstrasse wurde seine Steiltrace, nördlich von der Burg,
durch eine sanftere, aber zeitraubende Kurve in das Mala Reka-Tal geleitet.
Zwischen der östlichen Placevica und der durch ihre heiltätige „Vierzig
Märtyrer-Quelle" berühmten westlichen Krstilovica gelangten wir über Tonschiefer
und Sandsteine des linken Vranjskarandes hinaus in die vom Saloniker Schienen-
strange durchschnittene Ebene. Die südliche Umrahmung des Vranjaer Beckens
bilden viele ineinander geschobene Kulissen der serbisch-bulgarisch-türkischen
Grenzberge, durch deren stark unduliertes Vorland einige Wasseradern zur
vielgeschlängelten Morava fliessen. Der nahezu 1300 m hohe Kljuc (Schlüssel)
Von Leskovac an der Vetcrnica nach Vranja usw.
:öi
schliesst das schöne Landscliaftsbild, dessen Vorgrund die roten Dächer von
Vranja füllen. Sein ganz occidcntal eingerichtetes „Hotel Europe" stimmte nicht
gut mit dem es umgebenden orientalischen Gerumpel. Das von 108()() Seelen
bewohnte „Vranje" — so nennen es die Eingeborenen — macht eben denselben
Plan des Marko Kraljcvic grad bei Vranja.
Häutungsprozess durch, wie alle im Berliner Frieden an Serbien gefallenen
Türkenstädte; nur währt er hier länger als zu Nis und Leskovac, wo er sich
erstaunlich rasch vollzog.
Die Vergangenheit dieser schon von Anna Komiiciia im 11. Jahrhundert
genannten Stadt ist gleich wenig aufgehellt, wie jene der zuvor geschilderten
252 Von Lcskovac an der Veternica nacli Vranja usw.
Hochburg. Dass diese zur römisclien Ansiedelung gehörte, welche höchstwahr-
scheinlich an der Stelle des Vranjaer Konaks stand, ist ziemlich sicher, dass sie
aber, wie Hahn und Tomaschek annehmen, mit dem „Anausarum" der Tab. Peut.
identisch, halte ich für irrig. Denn dieser Ansatz beruht auf willkürlicher Ver-
* Schiebung der Millienzahl Xli zwischen Anausarum und Ad fines gegen N., die
nicht zu rechtfertigen ist; könnte man es, fiele die in der Tafel ungenannte
Station an der Moravastrasse auf Stubal, am Hochwege nach Gradnja (S. 248),
keinesfalls aber auf Vranja.
Nemanja, der Gründer des altserbischen Reiches, entriss Vranja und sein
Gebiet im 12. Jahrhundert den Byzantinern. Gleiches tat Kralj Milutin.') Sein Sohn
Stevan Uros 111. soll südlich vor der Stadt, bei Toplac, gelagert haben, als er
gegen den Bulgarenzar Mihail und die mit ihm verbündeten Rumänen, Griechen
und Tataren-) nach Köstendil zog, wo er am 28. Juni 1330 einen grossen Sieg
erfocht. Erwiesen ist, dass er selbst vom Sar über Kumanovo und Egri Palanka,
wahrscheinlich nur, dass ein Teil des Serbenheeres durch das Vranjska Banja-
Defilee hinüber ins obere Strymontal marschierte. An den grossen Zaren Dusan
erinnert dort das Grab seines Schatzkämnierers Baldovin. Auch nach der
Kosovoschlacht nannte sich Kesar Ugljesa, Sultan Bajazids serbischer Vasall,
„Herr von Vranja, Inogosta und Presevo". Sein Biograph Hilarion Ruvarac
schildert dessen politisches Doppelspiel.^) Als der serbische Despot Stevan
Lazarevic mit den Türken bei Gracanica kämpfte (1402), verriet ihm Ugljesa die
türkischen Pläne, und doch befand dieser sich noch 1413 zu Vranja, als Sultan
Musa von Sofia durch Vranja nach Novo Brdo zog, um dessen an Edelmetall
reiches Minengebiet den Serben wegzunehmen; ja, er scheint sogar noch 1423
in Vranja residiert zu haben, da Ruvarac aus jenem Jahre eine Urkunde zitiert,
in der Ugljesa das südlich von der Stadt liegende Dorf Vranje dem Athoskloster
Hilandar verschrieb. Ob er sich bis zu seinem Tode dort behauptete, ist um
so fraglicher, als seine Grabstätte im fernen nördlichen Kloster Ljubostinja
(Bd. I, S. 633) sich befindet. Dauernd wurde Vranja jedenfalls erst im Juni 1455
unter Sultan Mohammed II. erobert und mit Ausnahme der Jahre 1688—1690,
1737 — 1739, in welchen Kaiser Leopolds und Karls Heere es besetzten, vom
Halbmond festgehalten.
Die gegen Stürme geschützte Lage der vom frischen Vranjskabache durch-
flossenen Stadt und die grosse Nähe einer heilkräftigen Therme bewogen viele
vornehme Türken, sich dort anzusiedeln. Obgleich aber die Majorität der
Bewohner beim Christentum verharrte, drückten bald zahlreiche Moscheen, Bäder,
Konaks und Karawansereien der von prächtigen Obst- und Weingärten umgebenen
alten Bischofsstadt den orientalischen Stempel auf, auch die einzige Kirche der
Ambar-mahala wurde in eine Tekija verwandelt, und als 1739 ein Teil der
christlichen Stadtbevölkerung mit dem Patriarchen Arsenije IV. nach Ungarn
') Danicic, Rjecnik, I, S. 154.
') Sreckovic, Primedbe na izvestaj V. V. Makuseva. (Glasnik, Bd 52, S. 268 ff.)
■') Glasnik, Bd. 47, S. 190 ff.
Von Leskovac an der V'cternica nach Vrnnja usw. 253
emigriert war, drückten die zahlreich eingewanderten Aibanesen bald die zurück-
gebliebene Rajah, welche aber, weil kaufmännisch tüchtiger und sparsamer,
trotzdem zu beneidetem Wdiilstand gelangte. Die sie vertretenden Corbadzi
erkauften periodisch den Schutz der türkischen Behörden durch allerlei reiche
Geschenke; dies bewirkte, dass, wie zu Leskovac und Nis, seit Beginn des vorigen
Jahrhunderts das Gouverneursamt in derselben rajahfreundlichen Familie forterbte.
Unter Hussein, Sohn und Nachfolger Mehemed Pa§as, schritt Vranjas christliche
Gemeinde in den fünfziger Jahren eben zur Vollendung des ihr durch Sultans-
ferman gestatteten Kirchenbaues, als die Amanten wegen der ihnen zugemuteten
Rekrutierung revoltierten, die Cliristenquartiere plünderten und die Kirche in Brand
steckten. Der ihren Bau begünstigende Hussein Beg flüchtete erschreckt nach
Veles. Als der Aufstand gedämpft war, erstand die Kirche aufs neue, und seit
1858 blickt sie von der 470 m hohen Vorterrasse der Krstilovica, auf welcher
die grössere Stadthälfte steht, mit ihrer glänzenden Kuppel alle Moscheen über-
ragend, weit ins Land hinaus.
Im Jahre 1858 war Vranja der Sitz eines dem Prizrener Pascha unterstehenden
Mudirs und zählte in 14 mahale (Viertel) neben 1000 christlichen Häusern 600
meist albanesisch-moslimische und 50 Zigeuner-Familien. Die von Hahn auf
8000 Seelen geschätzte Bevölkerung trieb starken Hanfhandcl und versorgte die
Umgebung mit aus Belgrad, Seres und Salonik bezogenen Importartikeln. Auch
zu Vranja fehlte es nicht an einzelnen lebhafter empfindenden Patrioten, welche
das Ende des Türkenregiments und Arnautendrucks herbeiführen wollten. Zu
den bekannteren zählte Alisa Sijakovic, der sein Streben mit dem Tode in einem
der berüchtigten Gefängnisse Konstantinopels büsste. Erst im Januar 1878, als
die mit den Russen verbündeten Serben heranzogen, wurde das Schicksal der
Stadt entschieden. Der sie verteidigende Divisionär Asaf Pa§a und seine Feriks
Ibrahim und Esad säumten wohl nicht, die umliegenden Hohen in ein stark
verschanztes Lager zu verwandeln. Die vom General Beli-Markovic entsandte,
von den Majoren Putnik und Mihail Sreckovic geführte Nordkolonne warf- aber
die sie am 30. Januar morgens unerwartet bei Devotin heftig angreifenden Türken
erfolgreich zurück, wobei der Offizier Djordje Stojicevic fiel. Auch der auf dem
linken Moravaufer operierende Oberst Nicifor Jovanovic vertrieb den Gegner
vom Kamen bei Brezina, und die drei Bataillone des Majors Radovan Miletic
kamen immer näher der Cevrljugaschanze, welche, auf einer von der Placevica
zwischen dem Suvodolski und Meckovacki potok vorspringenden Terrasse
angelegt, den Schlüsselpunkt der feindlichen Stellung bildete. Das vom Major
Milovan Pavlovic wirksam unterhaltene Geschützfeuer erleichterte ihre Erstürmung
und jene der anderen Schanzen durch den Oberleutnant Dimitrije Djuriö.
Am folgenden Morgen begnügten sich die in Schlachtordnung aufgestellten
Türken, drei Kanonenschüsse auf das gegen Vranja vorgehende Freiwilligen-
bataillon abzugeben und hierauf gegen Giljan und Kumanovo abzuziehen.
Zwei auf der Placevica im Stiche gelassene Abteilungen ergaben sich den
Serben, die selbst 5 getötete Offiziere, 345 tote und verwundete Soldaten
beklagten.
254
Von Leskovac an der Veternica nach Vranja usw.
An der Spitze seiner „Dobrovoljci" zog Major Radomir Putnik am 31. Januar
durch das sie jubelnd begrüssende Vranja. Ohne sich und seinen Leuten längere
Rast zu gönnen, langte diese Vorhut der von Oberst Ljuba Jovanovic befehligten
Sumadija-Division unter grössten Schwierigkeiten auf der im Schnee pfadlosen
Strasse und stetig von sie umschwärmenden Amanten bedroht, am 5. Februar im
altberühmten Kloster Gracanica an, um mit Oberst Lesjanins über den Prepolac
am Lab gleichfalls gegen Pristina marschierender Rudniker Brigade bei Mramor
Fühlung zu gewinnen. Der energische Putnik hatte wohl die Genugtuung, vom
Klosterabt unter grosser Beteiligung der serbischen Rajah ein Tedeum feiern
zu lassen, in dem Fürst Milan, seine Gemahlin und Kronprinz Alexander genannt
Der Mehined und Hussein Pasa-Konak zu Vranja.
wurden; der in jenen Tagen abgeschlossene Präliminarfriede beendete aber seine
auf jedem Schritte sich schwieriger gestaltende Aufgabe. ')
Mit den Vranja ohne Widerstand preisgebenden türkischen Truppen ver-
liessen es auch die gegen ihre christlichen Mitbürger am meisten kompromittierten
Arnauten. Der in den folgenden Monaten sich rasch vergrössernde moslimische
Exodus wurde durch Zuzüge vom Lande ersetzt, so dass Vranja 1879 schon
8000 Seelen zählte. Viele Gewaltakte und angestrengte Prozesse von selten der
plötzlich zur Macht gelangten Rajah gegen ihre früheren Herren veranlassten
diese zum gänzlichen Abzüge, unter Preisgebung ihrer Immobilien, die rasch teils
ohne oder mit kaum nennenswerter Ablösung in den Besitz des Fiskus und
serbischer Käufer übergingen. Das alte Kazagebäude im „grad", in dem Mehmed
und Hussein Pasa residierten, wurde, nachdem man seine oberen zierlich getäfelten
Innenräume im ersten Wuttaumel verwüstet hatte, zum Kreisspitale für 30 Kranke
notdürftig eingerichtet. Die mich begleitenden Beamten bedauerten den unverant-
wortlichen Barbarismus, der selbst das Bad und den anschliessenden Park nicht
schonte, in dessen kühlendem Schatten des Paschas Frauen und Kinder sich einst
') Mil. Sandic, Dolazak srpske vojske na Kosovo. Ratnik, XXIil. 1890
Von Leskovac an der Vctcrnica nach Vranja iisw 255
fröhlich ergötzten. Ramis Pa§a, der Sohn und Haupterbe Husseins, führt heute
nocii wegen seines ihm streitig gemachten Ciftiiks Jovac bei der Bahnstation
Priboj Prozesse in Belgrad, sein Bruder Suleiman, der verjagte Besitzer des
stark verwüsteten Ciftiiks Rataj bei Zibevce, übersiedelte nacii Konstantinopel,
und der jüngste Br-uder Atta Beg starb, wie man sagt, aus Gram über den
Niedergang seines Hauses. Gleich schlimm wie dem moslimischen Privatbesitze,
zu dessen Regelung sowie zur Passvisierung die Pforte hauptsächlich ein
Vizekonsulat in Vranja etablierte, erging es den Moscheen, Bädern und Friedhöfen.
In der Tumba-mahala sah ich eine 14 Schritte im Geviert messende Dzamija
mit aus je einer Quadersteinlage und zwei Ziegelreihen sorgfältig ausgeführtem
Mauerwerk, deren Minarett gleich dem ohne Tore und Fenster belassenen Innen-
raum schon stark verfallen war. Von den zwei mächtigen Holzpfeilern, auf
welchen die Decke ruht, hatte man einen angebrannt, um deren Einsturz zu
beschleunigen. An einem Stabe hingen noch bunte Fetzen, welche fromme
Pilgrime von ihrer Kleidung abgerissen und nach moslimischem Brauche pietätvoll
geopfert hatten. Ein etwas nördlicher liegendes Bad fiel, obschon der feste Bau
lange noch hätte gute Dienste leisten k(innen. Die gegen alles Türkische gerichtete
Zerstörungswut ereilte auch eine schöne Moschee in der Srednja carsija. Man
schonte überhaupt nur die Brücken, weil man sie benötigte. Ich zählte sechs
steinerne und zwei hölzerne; von ersteren erbaute Hadzi Hussein Pa§a zwei,
andere zwei seine Frau Emina, eine ist neu.
Im Chaos halb oder ganz verwüsteter Türkenviertel ersteht inmitten der
Stadt, um das von Ramis Pasa begonnene, von den Serben vollendete einstöckige
Kreisamt, ihre „Velika pijaca", die,' seit das stark orientalische Menzil hane mit
arg verfallenen Baracken durch einen netten Neubau für Post und Telegraph
und durch die Baumanlage mit Brunnen vor dem Hotel Europe ersetzt wurde,
europäischen Zuschnitt erhielt. Westlich von diesem Platze gelangte ich durch eine
lange Strasse mit in allen Häusern zum Trocknen ausgehängten Tabaksblättern
zum einstigen „grad". Dort befand sich das hochliegende türkische Hauptviertel
mit gegen die Weinpflanzungen von Saprance sich dehnenden Gärten und der
nun verwüstete grösste moslimischc Friedhof, um dessen stehen gebliebenes
viersäuliges Türbeh einzelne beturbante Grabsteine traurig gen Himmel blickten.
Zuvor von tiefer Ruhe erfüllt, exerzierte dort unter Hörnerklang das 14. Bataillon
der Timok-Division und trieb der Nachwuchs der einstigen Rajah seine lustigen
Spiele. Aus der sehr primitiven Schule, auf die er in türkischer Zeit angewiesen
war, bildete sich allmählich eine Normalschule heraus, mit vielen Parallelklassen,
an welcher 15 Lehrer über 600 Schüler unterrichten. Dazu kommen eine
Mädchenbildungsanstalt und ein mit 38000 d erhaltenes Gymnasium mit 12 Pro-
fessoren und über 170 Schülern; gewiss ein riesiger erziehlicher Fortschritt!
Auf einem 470 m hohen Punkte des Stadtgebietes erhebt sich Vranjas
grösste architektonische Zierde, seine, wie erwähnt, in bewegter Zeit auf alter
Grundfeste entstandene Sv. Trojicakirche, welcher das alte, nahe Saprancer
Kirchlein als Filiale dient. Den höchsten Rang unter ihren sieben Pfarrern
bekleidet ein Prota, der zugleich Mitglied des Konsistoriums zu Ni§ ist, mit
256 Von Leskovac an der Veternica nach Vranja usw.
dessen Diözese das Vranjaer Vladikat vereinigt wurde. Die kuppelgekrönte
Kirche umgeben an drei Fronten offene Bogenhallen mit je sieben freistehenden
Sandsteinpfeilern. An der Ostseite treten, entsprechend den durch zwölf Säulen
getrennten, flachgewölbten inneren drei Schiffen, gleichviele Apsiden hervor. Die
drei flachen Kuppelwölbungen schmücken Bilder des Pantokrators, des Erlösers
und der heil. Jungfrau; die durch die ganze Kirchenbreite geführte reichvergoldete
Ikonostasis bedecken byzantinisch gehaltene Gemälde, an der linksseitigen vierten
Säule befindet sich das Predigtpult, und rings an den Mauern zieht eine vergitterte
Empore, welche die Frauen nach altorientalischem Brauche männlichen Blicken
entzieht. Die Aussicht vom freistehenden Glockenstuhle nach dem Vranjska-
Defilee und Markovo Kaleh, gegen die südlichen Grenzberge und auf das von
Grün durchwachsene rote Dachgewirr der 1905 in 2100 Häusern 10800 Einwohner,
darunter nur mehr zwei Türken, aber 300 Zigeuner, bergenden Stadt ist entzückend.
Ungern schied ich von dem interessanten Rundbilde.
Obschon ich Vranjas Regulierung, Pflasterung und Beleuchtung während
der zwei zwischen meinen Besuchen liegenden Jahre bedeutend fortgeschritten
fand, boten die Orientierungsgänge durch seine langgedehnte Carsija (Basarstrasse)
noch oft Gelegenheit zu gymnastischen Übungen. Gerne ruhte ich in grösseren
Läden und Werkstätten aus, deren Eigner mir meist bereitwillig über Bezugsquellen,
Warenpreise, Rohstoffe und Hantierungen eingehend Auskünfte erteilten. Alles in
allem erfuhr ich, dass die Eröffnung der Saloniker Bahn auch Vranja ebensowenig
wie Nis den erhofften zauberhaften Verkehrsumschwung gebracht habe. Noch
immer bezogen die wenigen Grosskaufleute ihre Manufakturen, Tücher, feineren
Glas-, Porzellan- und Quincailleriewaren, Papier, Lampen, Ofen usw. über Belgrad
aus Österreich -Ungarn. Der höhere Zoll- und Frachtsatz der über Salonik
importierten Artikel beschränkt diese auf belgisches und schwedisches Eisen,
mazedonischen Wein, billige Marseiller Kerzen, griechische Seife und Speiseöle
(letztere 1 d per kg) usw. Gut raffiniertes russisches Petroleum kostet die
Kiste ^^31 kg (inkl. Zoll) 17 d. Deutsche Textil- und Eisenwaren finden stetig
grösseren Absatz. Von der 1890 erfolgten Aufhebung des Ausfuhrzolls in der
Richtung nach Salonik versprach man sich die Belebung des überseeischen
Verkehrs, der sich noch immer in sehr bescheidenen Verhältnissen bewegt.
Von der heimischen Industrie fällt die Verarbeitung des viel an der oberen
Morava gebauten Hanfes am meisten ins Gewicht. Vranja gilt als zweiter
Hanfstapelplatz des Landes. 1896 zählte man dort 243 Hanfbereiter und
30 Bockhaarweber, welche treffliche Decken, Bissacke, Pferdezäume usw. ver-
fertigen. Gute Arbeiten liefern auch seine 25 Kesselschläger, 9 Klempner,
96 Schmiede, Schlosser usw., 40 Wachsarbeiter, 147 Kleider- und 95 Schuhmacher,
sowie viele andere Gewerbe, welche gleich dem 217 Vertreter zählenden Handel
durch die 1889 gegründete Sparkasse und den seit 1892 bestehenden Spar- und
Hilfsverein bedeutend gefördert wurden. Beide brachten 1895 nahezu 17 Millionen d
zu 10 o/o in Umlauf.') Die 57 Ober- und Unteroffiziere des Divisions-Kommandos
') 1905 die Sparkasse 11,1, der Spar- und Hilfsverein 7,6 Millionen d zu 10— 12",».
Von Leskovac an der Vctcrnicn nach Vranja usw. 257
und der 230 Soldaten starken Garnison bilden für die besseren der 65 Gast- und
Kaffeehäuser eine gute Kundschaft, zu welcher auch die Jüngeren der zaiilreichen
Beamtenschaft gehören.
Im allgemeinen fand ich die Vranjaer mit dem serbischen Regiment zufrieden.
Um so überraschender i<lang die Nachricht, dass auch dort im Jahre 1894 Spuren
direkter Beteiligung an dem „Cebinacer Komplott", nämlich für dieses bestimmte
grosse Quantitäten Munition usw. gefunden wurden. Wohl klagte man allgemein,
dass der Wegzug der stark konsumfähigen Moslims, der Wegfall des früher auf
Vranjas Magazine angewiesenen, dem Sultan verbliebenen Südwest-Moravagcbietes,
ferner die alle Verfrachtung stark verteuernde 2,5 km lange bergige Strasse von
der Stadt zum Bahnhofe diese gleich sehr schädige, wie der Mangel billigen
Kredits. Die k. Staatssparkasse zahle nur 50/0 und nehme 8"/o, Private forderten
aber sogar 20— 30" o- Seither besserten sich diese höchst ungünstigen Verhältnisse,
und die am Geburtstage des Königs (14. August 1892) eröffnete Produkten-
und Industrie-Ausstellung des Kreises erwies schon äusserst , bemerkenswerte
Fortschritte auch im städtischen Gewerbe. Leider wurde Vranja am 15. Februar
1897 durch ein heftiges Erdbeben heimgesucht, das grossen, auf 300 000 d
geschätzten Schaden anrichtete; doch reicher Erntesegen glich diesen wieder aus,
und am 31. Januar 1898 wurde in Anwesenheit des geladenen Königs Milan
und einiger Minister der 20. Jahrestag der unter seiner Regierung erfolgten
Einverleibung Vranjas in Serbien unter lauten Loyalitätsversicherungen für die
Obrenovic enthusiastisch gefeiert.
Der Vranjaer Kreis umfasst 4342 km- und 88 Gemeinden mit 540 Orten und
230700 Seelen (1905) in 6 Bezirken. Von diesen sind der Leskovacer und
Pcinjaer mit 60 — 80 Seelen per km^ die dichtbevölkertsten; im Vlasotincer
kommen 48 (S. 232), im Jablanicaer 43, im Masuricaer 37, im Poljanicaer nur
30 Seelen auf den km^. Dementsprechend ist in den stark gebirgigen drei
letzten die Viehzucht mit 280 — 330 Stück per 100 Seelen vorherrschend; im
Vlasotincer zählte man 232, im Pcinjaer 215, im fruchtbaren Leskovacer nur
180 Stück auf 100 Bewohner. Im ganzen Kreise gab es 1905: 15 257 Pferde,
91166 Rinder, 5986 Büffel, 197 Esel, 40267 Schweine, 272 1 17 Schafe, 102 187 Ziegen
und 6523 Bienenstöcke. Von den 119775 ha trugen 1905: 86650 ha Mais,
Weizen usw., 2204 ha Gemüse, 5104 ha Wein, 5888 ha Obst, 19927 ha dienten
als Wiesen und Weideland. Ein nicht unbedeutender Teil des Bodens gehörte in
altserbischer Zeit den zahlreichen Klöstern des Kreises. Ihre grössere Zahl
liegt heute in Ruinen oder dient bis auf drei noch bestehende als Pfarrkirchen,
deren es 1905 erst 73 gab. Weit schlimmer noch steht es mit dem Volks-
unferricht, welcher (von Vranja und Leskovac abgesehen) nur an 56 Orten
in drei- bis vierklassigen Elementarschulen erteilt wurde und sich nur sehr
langsam hebt.
Auf dem Ausfluge zur nahen türkischen Grenze gelangte ich 7 km aufwärts
von der Preobrazenska reka-Mündung zum Dorfe Preobrazenje, das Zar Dusan
der Prizrener Erzengelskirche schenkte. Nahezu ganz von mazedonischen Walachen
bewohnt, bildete es inmitten der albanesisch-slavischen Bevölkerung früher die
F. RANI TZ, Serbien. U. IT
258 Von Leskovac an der Veternica nach Vranja usw.
nördlichste geschlossene cincarische Oase, aus der viele tüchtige Wirte der
benachbarten Strassenhane stammten.- Am Oberlaufe des Baches stand das
1852 erneuerte grösste Kloster des Kreises: Sv. Pantelije. Nun verwaltet seinen
einst beträchtlichen Grundbesitz ein Weltgeistlicher, und seine Kirche dient ebenso
als Pfarre für Lepcince und vier Nachbarorte, wie jene des linksuferigen
ehemaligen Klosters Sv. Stevan für Donje Trebesinje und drei andere Orte.
SO. bei Margance (90ü m) wartet noch ein Kohlenflöz seiner Wertbestimmung.
4 km von Pavlovces „Katunska crkva" erreichten wir die Grenze und
erblickten beim Einflüsse der südlichen Krsevica das gleichnamige türkische
Kirchdorf, dessen Bevölkerung unter Pop Zivko im Feldzuge 1737 mit den
Kaiserlichen gegen den Sultan kämpfte und dessen Pope Nesa sich als eifriger
Glaubensheld einen Namen gemacht. Mein im 18. Kapitel geschilderter Besuch
der Grenzstation Ristovac-Zibcvce verlief nicht ohne kleine Zwischenfälle.
Nachdem wir uns von den türkisch-serbischen Bahnbeamten verabschiedet, ging
es auf Mithads durch serbische Ingenieure verbesserter Nis-Kumanovoer Strasse
zurück nach Vranja. inmitten der Trace blieb auf Mithads Befehl eine vom
Volke als heilig verehrte Riesenpappel erhalten.
Am 13. September 1889 setzte ich, begleitet von den Ingenieuren Barto§
und Riener, meine Reise von der südlichsten Stadt des Königreichs nach seinem
Südosten fort. Während die Bahnlinie auf dem rechten Ufer der NO. fliessenden
Morava bleibt, zieht die breite Landstrasse mit ihr parallel an den 1878 viel
umkämpften Vorhöhen der Krstilovica hin. Auf die türkische Hauptposition am
Cevrljuga folgt etwas östlicher, gegenüber dem jenseitigen stark vorspringenden
Kumarevska Cuka-Felsen bei Suvi Do, die sanftere Terrasse „Dva Brata",
so genannt nach zwei Brüdern, die sich aus von der Tradition verschieden
erzählten Gründen an zwei Weiden erhenkten. Hier griff Cizmic mit seinen
Freiwilligen in den geschilderten Kampf um Vranja energisch ein. Zwischen
Ranutovac und Bresnica kreuzten wir die Morava und Bahnlinie nahe dem
Punkte, wo die 1888 erbaute neue Strasse in den südöstlichen Einschnitt von
Vranjska Banja abzweigt.
Ein scharfer Ritt auf der 3,5 km langen, mit Kastanien bepflanzten Chaussee
brachte uns zur im Bachbett aufgehenden, heissesten, zum Merzerieren des Hanfes
benutzten Quelle mit 86,2" C. nach der Untersuchung des Dr. Marko Leko (1888).
Hochgeschürzte flinke Mädchen, welche die breiten, weissen Pflanzen zeltförmig
zu langen Reihen aufschichteten, boten ein hübsches Bild voll fremdartigen Reizes,
in das nur die am Ufer promenierenden, europäisch kostümierten Badegäste gleich
wenig passten, wie die mit schweren Ketten belasteten, das Material für Neubauten
zuführenden Sträflinge. Lozanic analysierte die Hauptbadequelle als klares,
geschmack- und geruchloses Wasser von 85,6" C. Sie entspringt aus von Granulit,
Mikaschicht, Gneis und eruptiven Trachiten konstituierten Felsen und wird im aus
Quadern erbauten alten Gesellschaftsbade auf 56, im kleineren auf 61 und 71" C.
ermässigt. In den letzten Jahren entstanden auf dem linken Bachufer kleine
Gasthöfe mit etwa 20 Wannenbädern. Der Staat, als Eigentümer der Therme,
will Banja in einen ihrer gerühmten Heilkraft gegen gichtige Leiden entsprechenden
Von Leskovac an der Veternica nach Vranja usw. 259
angenehmen Badeort umwandeln.') 1889 zählte man schon 500 Kurgäste, doch
konnten, obschon selbst die Zigeuner ihre Häuschen vermieteten, kaum 200 gleich-
zeitig in dem schon eine Kirche und Schule besitzenden Orte untergebracht
werden. Das soziale Leben konzentrierte sich in einem am rechten Vranjskaufer
befindlichen Gasthof,' in dem ich liebe Bekannte, den zweiten Regenten Protid
und den k. Baurat Bugarski, traf; den ersten Regenten Ristic und viele der zuletzt
angekommenen Besucher hatte das unerwartete Erscheinen eines berüchtigten,
verwegenen Räubers fortgescheucht. Wie man sieht, entbehrt auch das serbische
Badeleben nicht ganz einer eigentümlichen Romantik.
Vor einigen Jahren wurden zu Banja ein der Badenymphe gewidmeter
römischer Inschriftstein von weissem Marmor, kannelierte Säulenstücke und andere
Baureste gefunden. -) Am Wege von der Brücke zum unbeachtet gebliebenen
„Kaleh bair" sah ich ein im Boden steckendes riesiges Gefäss, das auf eine alte,
vielleicht prähistorische Urnenstätte an diesem Punkte hindeutet; etwas höher
stiess ich auf feste Mauern, deren Verfolgung mich auf das schmale Plateau
des 80 m über dem rechten Banjskaufer ansteigenden „Izom" brachte. Auf
meine Bitte Messen die Panduren acht mit Sprengungen beschäftigte Sträflinge
ihre schwere Arbeit aussetzen, und bald ergab meine Untersuchung ein starkes,
im Rechteck angelegtes antikes Kastell, dessen 60 m messende Langfronten
vom obersten, 10 m breiten Abschnitte 300 Schritte abwärts zum Bache liefen
und dort in einem Werke mit 1,4 m dicken und 45 m langen Quermauern ihren
Abschluss fanden. Bachaufwärts traf ich die Grundfeste eines Rundturmes von
2,5 m Durchmesser und ein stark verschüttetes Gewölbe, das einer westlicheren
Kirchenruine angehörte. Meine Grundrissaufnahme ergab einen 15 m langen,
3 m breiten Bau mit Narthex, halbkreisförmiger Altarapside und 0,80 m starken
Mauern. Weiter konstatierte ich, dass unter dem Römerkastell ein Hochweg über
das heute durch einen türkischen Grenzstein auf der Patarica gekennzeichnete
triple.x confinium in das Strimon- und Hebrus-Gebiet führte, von dessen Schutz-
werken bei Prvonek und Stari Glog Reste erhalten blieben.
Aus meiner archäologischen Schürfarbeit im Vranjska Banja resultiert dem-
nach, dass seine Therme von den sie benutzenden Römern durch starke Werke
beschützt wurde, dass unter ihrem Kastell ein befestigter Heerweg nach Thrazien
lief, und dass schon zur Zeit, als Nikola Skobaljevic dort die Moslims schlug,
eine altserbische Niederlassung mit Kirche zu Banja bestand. So waren es
nicht die Ahnen der am 26. Januar 1878 durch die christlichen Aufständischen
nach blutigem Gefechte an der Brücke verdrängten Türken, welche zuerst den
Heilwert der Vranjskaer Quelle erkannten, und vielleicht erweist sogar die nähere
Untersuchung der erwähnten Urnenstätte, dass sie schon vor der römischen
Epoche, in prähistorischer Zeit, benutzt wurde.
Von dem an seiner tiefsten Stelle 315 m hoch liegenden Morava-Tertiär-
becken behaupten die Anwohner, dass es zwischen Vranja und Banja ein riesiger
') Vranjska Banja wurde 1895 einem Konzessionär abgetreten, und 1905 zählte es
1099 Kurgäste.
«) Starinar, 1, S. 81.
17*
200 Von Leskovac an der Veternica nach Vranja usw.
See einst füllte, der seinen Abfluss gegen Leskovac nahm. Der Volksglaube traf
hier das richtige; denn zweifellos durchbrach die Morava den kristallinischen
Gebirgszug, welcher durch die 1947 ni hohen bulgarischen Grenzberge mit dem
südöstlichen Urgebirgsmassiv des rumeliotischen Rhodope zusammenhing. Auf
dem linken Ufer dehnt sich zwischen Priboj und Suva Morava trachitischer
Tuff aus, der sich vorzüglich für Bauten eignet und in noch grösseren Massen
auf das rechte Ufer hinübergreift. Zwischen kristallinischen Sandsteinen, Mika-
schicht, Gneis, Granulit und Chlorotoschicht kommen namentlich auf dem östlichen
Ufer Kohle, Eisen, Blei, Antimon usw. in oft reichen Gängen vor und wurde dort
der seit alter Zeit betriebene Metallabbau neuestens rationeller aufgenommen.
Den Waldstand fand ich aber an vielen Orten in unglaublicher Weise verwüstet.
Ausgedehnte, gut erhaltene Buchenwaldungen gibt es mehr nur am Kopiljak
und auf der Poljana an der türkischen Grenze, wo es früher an Strassen zu
ihrer Verwertung fehlte; dann auf dem rechten Moravaufer zwischen dem
Jelasnica- und Masuricagebiete, nach dem ich meine Reise von Banja in
nördlicher Richtung fortsetzte.
Nach 8 km langem Ritte auf der parallel mit der Morava und Bahnlinie
NO. ziehenden Strasse erreichten wir Korbevac. Der Aufstieg zu seinem
„gradiste" über das GeröUe eines ausgetrockneten Wassergrabens, zwischen
jungem Buchen- und Haselnussgestrüpp, war nicht erfolglos. Auf dem etwa
350 m über der Morava liegenden Plateau traf ich Reste eines stark verwüsteten
Baues, dessen Fronten im alles überwuchernden dichten Unterholze kaum mehr
erkennbar waren. Viel Material ist entführt oder abgeschwemmt worden, doch
lagen allerorts Römerziegel und grössere Mörtelstücke am Wege, der uns, vorbei
an verrasten Halden, hinab zum nördlichen „Logor" brachte. Dort, am rechten
Korbevacka reka-Ufer, auf der die alte Moravastrasse beherrschenden Hochebene
„Cagoljski rid" (Gefrorene Erde), sah ich lange, einen riesigen Lagerraum
umschliessende Wälle, die wahrscheinlich mit dem auf der Höhe angelegten
Kastell von Slaven und Türken zu Angriff oder Verteidigung benutzt wurden.
Die Sage erzählt, das schwer zugängliche Schloss sei von den Türken mit
starkem Verluste erobert worden, nachdem eine verräterische baba (alte Frau)
sie auf geheimem Wege in dasselbe einliess. Der einstige gewaltige Mauerpanzer
des Lagers wird von den Anwohnern zu Haufen geschichtet und im Winter auf
Schlitten weggeführt. Was die Menschenhand verschonte, dürften die Elemente
in wenigen Jahrzehnten bis auf die letzte Spur nivelliert haben, und der Pflug
wird dann seine Furchen über diese alte Kriegsstätte ziehen, an welcher heute
zwei Kilometer W. das Symbol der neuen Zeit, die Lokomotive, vorüberbraust.
Bei den stark vorspringenden Trachitfelsen, gegenüber dem unansehnlichen
Prevalac, ritten wir nahe der Bahnbrücke durch die Morava auf ihr linkes Ufer
zum Priboj han. NW. von diesem konstatierte ich auf der Orana Njiva und
1032 m hohen Baltina Cuka antike Werke, welche mit jenen zu Korbevac
und Banja den grossen Moravaheerweg zur Römerzeit schützten. Der Trachit
setzt zur westlichen Oblikgruppe fort, deren 1360 m ansteigenden Kuppen
weithin die Umgebung beherrschen. Von einer solchen warf der auch hier
Von Lcskovac an der Vctcrnica nach Vranja usw. 261
auftretende mystische Königssohn Marko, wie uns ganz ernstiiaft versichert
wurde, seinen Buzdovan (Streitkoiben) den Mönchen zu, als iiir nun in Ruinen
liegendes Kloster bei Priboj von den Amanten angegriffen wurde. Mit dieser
zauberhaft wirkenden Waffe vertrieben sie ilire erschreckten, fortan die gefeite
Heilstätte nicht mehr betretenilen Bedränger.
Hart an Pribojs kleinem Balinhofe vorüber führt die geradlinige Strasse nach
Stubalj. Sein leicht bearbeitbarer weisser Bimssteintuff zieht von der Siroka
Padina tief hinein in, die Jovackaschlucht und konstituiert auch den Bell
Kamen (Weisser Stein), von dessen antiker Befestigung sich einzelne Ziegel oft
herab ins Tal verirren. 2 km weiter steht auf steilgebösclitem Felsvorsprung
das weisse Kirchlein Sv. Prcobrazenje, dessen ürundfeste traditionell Marko
Kraljevic legte, was seinem jedenfalls jüngeren, bescheidenen Oberbau grösseren
Nimbus leiht. Noch geheiligter erscheint dem Volke eine sehr mysteriöse Höhlen-
kirche im nördlicheren Lepenicatale. Da die Stubaljer meinten, ich müsste sie
unbedingt sehen, bogen wir bei Gramadja W. ab und Hessen uns von dem
Eigner der nahen Mühle über ihren tiefen Graben weg zu der dem Wasserheiligen
Nikolaus geweihten Stätte führen. Mitten in frischem Baumgrün hatte sich hier
ein des sündigen Welttreibens satter Anachoret in der hoch aufstrebenden Tuff-
wand eine Celija ausgemeisselt, die in Zeiten stärkeren Arnautendrucks als
religiöser Vereinigungspunkt benutzt und mit gleich mysteriösem Sagenkram
ausgestattet wurde, wie das nahe dem gefürchteten Donnerer Sveti llija geweihte
„Kacapunski manastir" am Mittellaufe des Baches, zu dessen noch heute
arbeitendem alten Kirchlein 12 Orte eingepfarrt sind.
Von der Lepenicamündung führt ein fahrbarer Hochweg durch den alt-
serbischen Gau Inogosta über die 840 m ansteigende Trpezica in die westliche
bergige Poljanica. Die Anwohner glauben, dass eine fromme Prinzessin, bis der
schwierige Strassenbau vollendet war, siebzig unfruchtbare Kühe für die Arbeiter
schlachten liess. Das zum Wegschutze auf der Felshöhe über dem Kloster
Sv. llija errichtete antike Kastell spricht aber dafür, dass diese einzige nach
Gradnja führende Querverbindung des Veternicagebietes mit der Morava von den
Römern angelegt wurde.
Die bei Suva Morava hart an den Fluss tretenden Gneis- und Glimmer-
schieferhänge Hessen so wenig Raum für den Schienenweg, dass er bis Repince
zweimal die Fahrstrasse durchschneidet. Trotzdem diese topfebene, mit Weiden
und Ulmen, Mithads Lieblingsbäumen, bepflanzte Chaussee sehr breit ist, waren
wir wegen ihrer starken Vernachlässigung doch froh, als im rasch eingebrochenen
Nachtdunkel die plötzlich vor uns erscheinenden Lichter von Vladicin Hau
nach dem arbeitsreichen Tage eine erquickende Herberge versprachen. Wir
fanden sie im besten der um die kleine Bahnhaltestelle und das freundliche
Bezirkshaus gereihten Haue. Das aus einer vom Vranjaer Vladika Pajsije hier
begründeten Karawanserei entstandene Verwaltungszentrum des Poljanicki srez
spielte wegen seiner sehr günstigen Lage gegenüber dem fruchtbaren Vrlatale
und der Moravabrücke schon im alten Verkehrsleben eine bedeutende Rolle.
Traditionell rasteten hier die aus dem rechtsuferigen reichen Masurica- und
262
Von Lcskovac an der Vetcrnica nach Vranja usw.
Viasinagebiete kommenden Warenkolonnen und Reisenden, bevor sie nord- oder
südwärts auf der grossen Moravastrassc weiterzogen. Im Gegensatze zu den
meist geschlossenen Dörfern des breiten Masuricatales erscheinen die Engtäler
der von zahlreichen Wasseradern durchschnittenen Poljanica bis hoch auf den
römische Kastcllreste tragenden Lisac (1337 m) und langgedehnten Kukavica-
Einsiedler-Celija an der Preobrazenska reka.
rücken (1437 m), dessen gleichnamiges Dorf bis 1878 dem erwähnten Ramis
Pasa gehörte, mit den zerstreuten Gehöften zahlreicher Orte bedeckt. In der
Poljanica ist mehr der Mais- und Hanfbau, jenseits der Weizenbau entwickelt;
in beiden Landschaften sah ich aber noch ganz unkultivierte grosse Bodenflächen.
Die früher auf dem rechten Moravaufer in den elf geschlossenen Dörfern
Kalimance, Prekodolce, Zitoradje, Alakinci, Masurica, Surdulica, Binovice, Kalabovce,
Dlugojnica, Jelasnica und Vrbovo siedelnden Amanten leisteten den durch das
Von Lcskovnc an der Vetcrnicn nach Vranja usw. 263
nördliche Fliissdcfilce vurdriiif^enden Truppen des Generals Beli-Markovic im
Januar 1878 iiet'tigen Widerstand. Bei Vladicin Han endiicii zur Unterwerfung
gezwungen, zogen sie bald darauf den E.xodus nach Albanien der dauernden
Beugung unter serbische Herrschaft vor. Ihre verlassenen Sitze bevölkerten
längst begehrlich nach der fruchtbaren Ebene blickende Bergbewohner aus
• Altserbien. Die Masurica war nun ihrer sich wenig um Sultan und Gesetz
kümnrernden feindlichen Eindringlinge ledig, und als wir am nächsten Frühmorgen
die Morava neben den alten Brückenpfeilern beim Bahnhofe gcquert und die
Leni endieliöhe über dem einstigen Albanesendorfe Prekodoice erstiegen hatten,
boten das reiche, breite Vriatai, die weisse Gebäudereihe von Vladicin Han mit
dem gegen Westen sich auftürmenden Gebirge der Poijanica ein tieffriedliches,
in Linien und Farbe prächtiges Landschaftsbild, dem nur die vermehrte Staffage
fehlte, um noch freundlicher zu wirken.
Man ahnt wohl kaum, wie stark bewohnt das heutige Südserbien vor
dem grossen E.xodus nach Ungarn war. Die allerorts über dasselbe zerstreuten
Ruinen kleiner Kirchen lassen auf eine zahlreiche glaubenseifrige Bevölkerung
schiiessen, der es wohl schwer geworden sein musste, den prächtigen angestammten
Boden zu räumen. Auch die Lemendzer Höhe krönen von alten Steinkreuzen
umgebene malerische Mauern eines 18 Schritte langen Baues mit Narthex, dessen
3,8 m hohes Tonnengewölbe von den Arnauten gesprengt wurde. Zwischen
den sorgfältig bearbeiteten Tuff- und Sandsteinquadern stecken antike Ziegel,
die von einem örtlichen Wachtturme oder vom jenseitigen Kastell auf der Straza
stammen, welches die von der Vrlamündung zur Vlasina ziehende Strasse
schützte.
Auf diesem auch durch N. von Vladicin Han, gegenüber von Dzep
(XVlll. Kap.), im Jahre 1897 gefundene Grabstätten bezeugten Römerwege ritten
wir, vorbei an Zitoradjes „latinsko groblje" mit unbeschriebenen Steinen, nach
Zaguzane, wo Ingenieur A'\ilialck ein aufg&gebenes Arnautenciftlik mit grossem
Grundbesitz, Mühle und Han um den Spottpreis von 400 Dukaten erstand.
Gegenüber bei Alakinci mündet in die Vrla der starke Masuricabach, nach dem
das flache südliche Talgebiet „Masuricko polje" heisst. Der gleichnamige Hauptort
bildete das Zentrum der hier seit alter Zeit schwunghaft betriebenen Eisenindustrie.
Seine Arnauten führten eine 4 km lange Wasserleitung von der Ronianovska
reka nach ihrem aus mehreren Öfen bestehenden „Samokov". Dort wurde der
durch die angeschwollenen Bäche herabgetragene reine Eisensand geschmolzen
und sodann von den ringsum siedelnden 300 Zigeunerfamilien zu Hufeisen,
Nägeln usw. verarbeitet. Unterhalb Kijevac, wo Eisen- und Bleilager angeschürft
wurden, genoss ich einen prächtigen Ausblick auf die südöstliche, 1637 m hohe
Vardenikalpe, deren reiche Triften der mazedonische Krösus Vandjel Mariolovic
für seine 15000 Schafe und 200 Pferde, vom Djurdjev dan bis Mitrov dan,
für nur 300 d vom Staate gepachtet hatte.
Der paradiesische Reiz des Vrlatales steigert sich, je enger es oben wird.
Seine gesegnete Talsohle produziert noch in höherer Lage Weizen, Gerste, Mais,
am meisten aber würziges Heu, das am Orte nur 2 d per q kostet. Man begreift.
264
Von Lcskovac an der Vcternica nach Vranja usw.
Vladicin Han, gesellen vom Leniendz^.
dass die Albanesen sich zuerst
in diesem Gebiete des rechten
Moravaufers einnisteten, von dem
aus sich ihnen die Möglichkeit
bot, leicht weiter gegen Nord und
Süd vorzudringen. Surduiica,
das wir durch ein pittoreskes,
kaskadenreiches Felstor erreich-
ten, bildete ihre Hauptburg. Hier
befanden sich ihre grösste, nun
in eine Schule umgewandelte
Moschee und die schönsten,
nach ihrem Exodus rasch zu
wahren Spottpreisen verschleu-
derten Gehöfte. Abwesenden
geschieht immer Unrecht. Bei der Abrechnung erhielten die Emigranten durch
ihre serbischen Agenten unter verschiedenen Titeln stark reduzierte Beträge, mit
welchen kaum die prächtigen Hausgärten voll herrlicher Fruchtbäume bezahlt
waren. Den besten Teil unseres bescheidenen Diners bildeten Karamanka, eine
grosse Birnsorte von erlesenstem Geschmacke aus einem ehemals arnautischen
Garten. Unter den neuen Einwanderern befinden sich auch Familien aus dem
mazedonischen Veles. Es scheint ihnen gut zu gehen. Zahlreiche stattliche
Bauten zeigen, dass Surduiica wieder aufblüht. Treffliche, mit roter Wolle
plüschartig gemusterte Stoffe, welche einzelne Frauen hier anfertigen, erregten auf
der Pariser Ausstellung grosses Staunen, sind aber seither auch erheblich teuerer.
Die beiden Tracen, welche sich in Surduiica zu einem über die bulgarischen
Grenzberge in das Nisavagebiet führenden Wege vereinigten, wurden jedenfalls
zur Erleichterung der schon von den Römern betriebenen Eisengewinnung in der
Masurica und auf dem Cemernik angelegt. Kastelle SO. und NO. von Surduiica
schützten sie; das 3 km entfernte erste, rechteckige, mit 120 m langen, 40 m
Von Leskovac an der Veternica nach V'ranja usw. 205
breiten Fronten, lag über Donje Romanovce, auf dem Plateau der 1126 ni hohen
Tresnja. An ihrem Westfusse fand ich, auf der baumreichen Vorterrasse,
ausgedeiinte Mauern einer Niederlassung, deren Bestand zur Römerzeit antike
Deckziegel und andere technische Merkmale verrieten. Das nordöstliche Strassen-
kastell stand zwischen dem Glocki- und Gradski potok, auf der 1419 m hohen
Cuka bei Bitvrdja, inmitten natürlicher Felsenwälie, an welchen seine starken
Mauern lehnten. Ein drittes, in der Luftlinie nur 4 km fernes Römerkastell
krönte den südwestlichen, 1305 m hohen Kostiljnik zum Schutze der von
Surduiica durch das Masuricko poljc, über Gramadja, Vrbovo und Korbevac
(S. 260), direkt nach Vranja führenden rechtsuferigen Moravastrasse.
Auf dem Rückwege von dieser archäologischen Exkursion kamen wir durcli
prächtige Nussbaumhaine, die nicht lange mehr das Auge erfreuen sollten. Sie
waren bereits kontraktlich der Fiumaner Firma Goldner verschrieben, welche den
Bauern für den 4 m langen Stamm von 75 cm Durchmesser 14 d bezahlt und
das kostbare Material nach Amsterdam und Marseille ausführt. Ich besuchte noch
Surdulicas aus Trachitgestein gefügtes, 10 m langes, 6 m breites Kirchlcin
Sv. Roman, von dessen 90 cm starken Mauern eine halbkreisförmige Apside
vorspringt, und setzte sodann meinen Ritt im oberen Vrlalaufe 0. nach dem
4' 2 Stunden fernen Vlasina fort. Bei dem bald erreichten Weiler Curkovac
schliessen die Talwände eng zusammen. Aus frischem Waldgrün hervortretende
kristallinische Felsen, allerorts niederrauschende Wildadern mit vorgelagerten
kleinen Mühlen an der bald ruhig und wieder in lärmenden Kaskaden eilig
hinstürzenden Vrla, das Fehlen jeder menschlichen Wohnung und Staffage
gestalteten den Aufstieg durch das wildromantische Defilee unsagbar reizvoll.
Kurz nachdem wir zum drittenmal den Bach gekreuzt, öffnete sich bei den Resten
einer kleinen Befestigung am Gradskaeinfluss ein prächtiger Blick auf das
hochthronende Bitvrdja-Kastell, das einst mit ersterer ein unterirdischer Gang
verbunden haben soll; 2 km weiter folgt ein noch reizvollerer auf die im
Streser bis 1930m aufsteigenden, metall- und kohlenreichen serbisch-bulgarischen
Grenzberge, welche die waldreiche südliche Vrlaschlucht ringförmig umschliessen.
Der die Steilufer fortwährend wechselnde Pfad führt durch die Enge aufwärts
zum Vrlaursprung am 1704 m hohen Viljokolo, den die Anwohner, als eine
von den Vilen erkorene Lieblihgsstätte, nur ungern betreten, denn an ihrer
kristallklaren Viljokostica liegt zwischen zauberhaften Laubhainen der Tanzplatz
der schönen Waldjungfrauen, und wehe dem Sterblichen, der ihren Frieden
stört! Deshalb weigerten sich die Bauern 1878, an der Aufrichtung des
serbisch-bulgarischen Grenzzauns über den Viljokolo teilzunehmen; es musste
durch Soldaten bewerkstelligt werden. Die vom Vilenplatze zum südwestlichen
Prosenik (1765 m) streichenden Höhen bilden die Wasserscheide zwischen
der Masurica und Struma, dem Strimon der Römer, an dessen Viljokosticaquelle
auf dem jenseitigen bulgarischen Boden antike Kastellmauern die Felshöhe
zwischen Gornja und Donja Rzana krönen.
Das ganze zuletzt geschilderte Gebiet gehört der riesigen Erzzone zwischen
dem Iskcr, der Vlasina und Morava an, als deren reichste Eisenlagerstätte das
'-6ü Von Lcskovac an der Vctcrnica nach Vraiija usw.
bulgarische Saniokov gilt. Auf die verrasten Sclilackenlialdcn eines licsclieideneren,
in der österreichisciien Karte unrichtig als Dorf erscheinenden „saniol<ov"
(Schmelzwerk) stiess ich an der letzten Vrlakreuzung, bei welcher der Anstieg
auf die Viasinascheide beginnt. Den ersten zwei, für Wagen viel zu steil
tracierten Serpentinen folgen fünf sanftere, und beim stattlichen Bogdangehöffe
war der 905 m betragende Niveau-Unterschied zwischen der Vrlaniündung und
dem Südrande des „Vlasinsko Blato" überwunden. In 1230 m Höhe kreuzten
wir die Vlasinaquellen: Jarcev potok und Ljuta Bara hart bei ihrer Mündung
in das vor uns liegende, von S. nach N. streichende riesige Sumpfbecken.
Dieses wird im Frühjahr durch zahlreiche, den es umrandenden Mikaschifthöhen
entfliessende Bächlein, unter welchen der drei Mühlen treibende Sokolovski
potok das grösste, zum 6,5 km langen und 0,5 — 1,5 km breiten wasserreichen
Sumpfe, dessen gänzliches Zufrieren bis 10" C. warme Quellen verhindern. Ich
fand den „See" aber durch den ungewöhnlich regenarmen heissen Sommer in
eine nahezu ganz trockene Tiefebene verwandelt, auf der viele Landleute das
Ausbringen des auf tausend Wagen geschätzten Grasertrags beschäftigte. Auf
dem einst grösseren alten Seeboden reihten sich hochgetürmte Heuberge,
dazwischen weideten Ochsen, Schafe und Ziegen. Nur nördlich traten einzelne
von der sinkenden Sonne glutrot gefärbte Wasserstreifen auf. Es waren die
50 m tiefen Punkte des stark undulierten Terrains, das südöstlich die fernen
Kuppen des bulgarischen Ruj und Snegpolje überragten. Der Tag ging zur
Rüste; verschiedene Fragen an die bereitwillig Auskünfte erteilenden intelligenten
Anwohner über das damals nur wenig gekannte Viasinagebiet blieben für den
folgenden verspart. Rasch mussten wir vorwärts. Noch waren hart am Grenz-
zaune 7 km bei angebrochenem Dunkel auf und ab zu klettern, bevor wir über
das halb auf bulgarischem Boden liegende Popova Mahala in später Nacht
das Grenzzollamt erreichten.
Unser Empfang seitens der Finanzbeamten und Buljukbasas, welche hier
mit einigen Panduren das fiskalisch-polizeiliche Recht Serbiens wahrten, liess an
Herzlichkeit nichts zu wünschen übrig. Um so schlimmer sah der Han aus, in
dem wir übernachten sollten. Er glich einer verrussten Räuberhöhle, und was
uns an Trank und Speise vorgesetzt wurde, war völlig ungeniessbar. Ingenieur
Bartos liess ein wahres Fluchiiagelwetter über den Mchandzija niedergehen, der
auf alle Vorwürfe kurz angebunden erwiderte, sein Han wäre für Bauern, aber
nicht für Stadtherren eingerichtet, v;elche niemals diese Strasse zur Reise nach
Bulgarien benutzten. Ingenieur Ricner suchte den in bösen Worten fortgesetzten
Streit zu beschwichtigen; er endete aber erst, als der Schreiber uns den einzigen
wohnlichen Raum seines Häuschens anbot. Wir übersiedelten sofort dahin, und
mein Cajkochapparat hätte, wie schon oft, das gestörte Seelengleichgewicht des
Freundes Bartos hergestellt, wäre er nicht infolge seiner Erregung und Neigung
zu Fiebern von heftigem Schüttelfrost gepackt worden, den bald starke Hitze
ablöste. Ich schritt zu den an mir oft bewährten hydropathischen Heilmitteln.
Es war für uns beide eine verlorene Nacht; doch erfreulicherweise ging es am
Morgen schon bedeutend besser.
Von Leskovac an der Veternica nach Vranja usw.
267
Meine Skizze macht den Leser mit der 1327 m hoch liegenden Skela
Goleme Bukve bekannt. Rechts im Vordergrunde erscheint neben dem serbischen
Flaggenstocke das Schreiberhäuschen, daneben die Pandurenkaserne, hinter dieser
das Dach der geschilderten Mehana und über der Strasse links die bulgarische
Zollstätte. Der Verkehr zwischen den Besatzungen beider Grenzämter war ein
streng gemessener. Im serbischen herrscht in allem und so auch in der
Pandurentracht grössere Zwanglosigkeit; das bulgarische fand ich aber ganz
militärisch organisiert. Der befehligende Unteroffizier licss während unseres
zuvor angemeldeten Besuchs seine gut uniformierte kleine Truppe antreten,
auch der Kaffee wurde von einem salutierenden Marssohne gereicht, und in dem
bescheidenen Amtsraume waltete ainnutende Ordnung. Im allgemeinen gibt der
Scrbiscli-bulgarisclies Orenzanil Goleme Biikvc.
geringfügige Grenzverkehr hier wenig Schreibarbeit. Der Export nach Bulgarien
durch diese Zollstätte beschränkt sich jährlich im Durchschnitt auf: 4000 kg
Seilerwaren, 10000 Stück Schleifsteine aus Kopasnica, 200 Mühlsteine aus
Darkovac, 150000 kg Obst, hauptsächlich Birnen aus Kunovo, 100000 kg
Heu aus Vlasina und etwa 50 Pferde. Die früher bedeutende Weinausfuhr
hörte gänzlich auf, seit der Zoll per kg auf 1 d erhöht wurde. Noch unbedeutender
erscheint der bulgarische Export nach Serbien. Er bestand aus 500 kg Schafwolle
und einer grösseren Quantität Gajtan (Schnüre). Dagegen wird, weil der hohe
serbische Einfuhrzoll eine lohnende Prämie bietet, viel Tabak in das Vriagebiet
geschwärzt.
Unerklärlich blieb es mir, wozu hier während der ersten Baron Hirsch'schen
Bahnstudien eine Zweiglinie: Sofia, Trn, Vlasina zur Morava geplant und sogar
traciert wurde. Nun liegt das Projekt, wegen seiner schwierigen, unrentablen
Durchführung, wohl für lange Zeit begraben. Obschon von Sofia über Breznik
und Trn sehr gute Wege in das Isker-Nisava- und Struma-Gebiet führen, fand
26cS Von Lcskovac an der Vetcrnicn nach Vraiija usw.
icli auch den Personenvcrkelir über die Grenze gleich NuH. Nur manchmal
überschreiten Bauern, deren Waldbesitz teilweise auf serbischem oder bulgarischem
Gebiete liegt, zum Zwecke des Holzfällens die Grenze. Dabei kam es im März
1895 zum vielbesprochenen Zwischenfall, als Bewohner des bulgarischen Dorfes
Nasalevci sich weigerten, die angeblich von ihnen schon für den April bezahlte
serbische Holzfälltaxe nochmals zu entrichten, und deshalb von den Panduren
erschossen wurden. Die serbische Regierung sühnte das schuldtragende Vorgehen
des Zollamtschefs Kundovic mit seiner Entlassung; ich glaube aber, dass eine
Grenzregulierung bei Descani Kladenac geboten sei.
Bevor wir das serbische Zollamt verliessen, musterte ich noch den bunten
Inhalt seines Konterbande-Magazins. Da gab es sehr viel Gajtan und noch
mehr in verschiedensten Hüllen, in Säcken, Beuteln, Tüten usw. konfiszierten
Tabak und Zigaretten ordinärer bis feinster Sorte, welche in Surdulica für den
Fiskus und die auf ihren Anteil sich freuende Mannschaft versteigert werden
sollten. Eine Abschiedssalve begleitete unseren Abstieg zu den „tri bukve",
welche durch ihre auffällige Grösse dem Kastell seinen Namen gaben. Unter
der mächtigsten, als „zavetina" verehrten, schied der mit seinen Panduren nach
Vranja zurückkehrende liebenswürdige Riener von uns, während ich mit Ingenieur
Bartos und den Leskovacer Gendarmen nördlich weiterzog.
Über die prächtige Taraijawiese und den Caricin Kladenac gelangten wir
an wasserreiche, von zahllosen Dohlen und Riesensperlingen bevölkerte Moore,
durch welche unser eingeborener Führer auf vielgekrümmtem, ziemlich trockenem
Pfade voranschritt. Es war erstaunlich, wie genau er die Namen jedes grösseren
Wiesenfleckes, jeder Untiefe und Wasserader des ausgedehnten Seebodens
kannte. Plötzlich bekreuzigte er sich und erzählte, auf ein breites Moor deutend,
in diesem lebe der „Jezerski bik", ein schwarzer Seestier, der früher oft nächt-
licherweise sein feuchtes Versteck verliess und alles ihm in den Weg kommende
männliche Rind tötete. Da kam einem alten Zigeuner der glückliche Gedanke,
dem stärksten Dorfstier eiserne Hornspitzen aufzuschmieden, worauf dieser das
ihn angreifende Ungetüm derartig verwundete, dass es fortan im Wasser blieb.
Nur vor dem Ausbruche von Pest oder Krieg, so 1829, 1877 und 1884, wollen
einige Viasinacer den „bik" gesehen oder brüllen gehört haben (!). Der einst
weit ausgedehntere See ist sichtlich im Schwinden begriffen. Seine Sphagnumrasen
und einige abseits liegende kühle Bäche enthalten viele Pflanzenraritäten. Auf den
Höhen gibt es auch den Bereich des Wassers fliehende seltene Zerophyten.
Von aufgefundenen ganz neuen Pflanzen nannte Pancic (1887) als diesem
Gebiete ausschliesslich eigen: Avena rufescens, Allium melanantherum und
Knautia flavescens var.
In 1203 m Höhe querten wir die einer mit Bryonia, Clematis und anderen
Sträuchern durchwachsenen südlichen Waldschlucht entfliessende Vlasina (S. 266)
bei Mali most, wo sie das Seebecken kristallklar verlässt. Etwas südlicher liegt
das Crkvena Mahala mit dem auf ehemaligem Klostergrunde 1838 erbauten
Kirchlein Sv. Ilija und der 1878 nach dem Aufhören des Türkenregiments
begründeten Schule von Vlasina. Hier wohnte der noch heute im besten
Von Leskovac an der Veternicn nach Vranja usw. 269
Andenken gebliebene Miliail Krstic, welcher, von der zur Türkenzeit einige
Vorrechte geniessenden Viasinalandschaft zum Knezen erwählt, oft mutig gegen
Ausschreitungen der moslimischen Ciftlikherren auftrat. Die darüber erbosten
Arnauten des Vrlatales brachten ihn wegen angeblicher Aufstandsgelüste vor
den Vali von Prizren, von wo er nach dreimonatlicher Haft nach Konstantinopel
gebracht wurde. Als 1851 ein sultanlicher Ferman das Willkürregiment der
moslimischen Grundherren eindämmte, blieb nur ein die Kopfsteuer erhebender
Buljukbasa in der Landschaft zurück. Einer ihrer heutigen drei Pfarrer, Toma
Mihajlovic, Sohn des verstorbenen Knezen, rächte die seinem Vater widerfahrene
Unbill, indem er beim Anzüge der Serben im Januar 1878 an der Spitze einer
Schar energisch zur Hinausdr'ängung der Arnauten beitrug. Die erlangte Frei-
zügigkeit benutzend, wanderten bald darauf einige Hundert Vlasinaer Familien
in den Toplicaer Kreis. Trotzdem, und obschon von den 28 um den See
zerstreuten, 5—40 Gehöfte zählenden Weilern 3 Bulgarien zugefallen, besass die
Gemeinde 1896 nahezu 3200 Seelen in 423 Häusern.')
Der geringe Wohlstand in der Vlasina zwingt alljährlich nahezu 250 Männer,
als „dundjeri" (Häuserbauer) im Frühling nach Ober-Serbien und Rumänien zu
gehen, um mit dem gewonnenen Gelde ihre Familien zu erhalten. Ausgedehnteres
Weideland Besitzende treiben Molkerei und produzieren den wegen seines
Wohlgeschmacks viel gesuchten Schafkäse. Weshalb er so trefflich, darüber
erzählte uns der Zollschreiber folgende hübsche Sage: „Als der hl. Sava um
zu predigen im Lande umherzog, führte er einen prächtigen Hahn mit sich, der
ihn täglich zum Frühgebete weckte. Zu Vlasotinci stahl man ihm diesen. Der
erzürnte Heilige fluchte dem Dorfe: .Euere Hähne mögen Tag und Nacht krähen!'
und so geschieht es noch heute. In Grdelica stahl man ihm seinen vrg, das
Kürbis -Schöpfgefäss. Der hl. Sava fluchte: ,Dass den Grdelicaern der vrg am
Halse herabhänge', und seitdem gibt es dort viele mit Kropf behaftete Leute. Zu
Vlasina wurde der Heilige aber mit grosser Ehrfurcht empfangen, auch setzte
man ihm den besten Käse vor. Erfreut, segnete er ihre Schafe: ,Dass sie allezeit
vielen und guten Käse geben'!" Wirklich wurde dieser bald vielberühmt und ging
sogar bis nach Konstantinopel. Vasilje, ein Bruder des reichen mazedonischen
Viehzüchters (S. 263), Hess 1889 Tausende Schafe auf dem Cemernik weiden,
wo gleichzeitig auch Spagnuolen mit einem Prokupljer Herdenbesitzer rituellen
Kaskavalj für Salonik produzierten. Im Kreise selbst wird nur minderwertiger
Käse verzehrt.
Die den Vlasina-See umschliessenden Berge bauen sich grösstenteils aus
Silikaten auf, nur die südliche Grenzkuppe Strbi Kamen besteht aus Kalk. In der
türkischen Epoche gab es hier eine starke primitive Eisenindustrie, welche die
Anwohner durch das mittels Frone betriebene Schlämmen und Schmelzen des
Magnetitsandes stark beschäftigte; der Arbeitslohn war aber niedrig. Der
„Kulucar" (Froner) erhielt für das 25 Arbeitstage beanspruchende Schlämmen
und Zuführen von 500 Oka -^ 6,5 q Erzen nach den Schmelzhütten in Zaguzane,
') 1905 zählte die Uemeinde 361G Seelen in 491 Häusern.
270 Von Leskovac an der Veteriiica nach Vranja usw.
Masurica, Mrka Poljana u. a. 0. nur 15 d. Hussein Pasa soll vor fünf Dezennien
aus 25 kleinen Hüttenwerken hier jährlich 1300 q Roheisen gezogen und dadurch
bedeutende Summen gewonnen haben. Seit dem Abzüge der Türken und Arnauten
ruht der Eisenbetrieb an der Vlasina. Allerorts stösst man auf zurückgelassene
Spuren. Gleich jenseits am Westfusse des Cemernik liegt an der Garvanica
das verlassene Werk Vignje, und als wir an seiner Ostseite den Steilweg durch
die pfadlose Vlasinska Klisura zur Höhe verfolgten, erschien das rote, eisen-
schüssige Terrain, in dem stellenweise riesige Quarzstücke auftraten, von vielen
tief ausgehobenen Gräben durchschnitten.
Bei Teskovo betraten wir wieder den Piroter Kreis und gelangten an
hier seltenen, nur in wenigen Einschnitten erhaltenen Baumständen vorüber, zur
berühmtesten Erzstätte „Kozlica". Auf ihrem ganz durchgrabenen Terrain fand
ich eine alte Wasserleitung zum Waschen der Erze, dann Reste eines gepflasterten
Weges zum Ausbringen derselben. Alles deutete auf den einstigen starken
Betrieb. Dass dieser schon in der Römerzeit begann, zeigen ausser antiken
Münzen und Gefässen unter der 1483 m hohen Skela am Karaguzov Del
aufgefundene Ziegel und Inschriften, von welchen eine achtzeilige die LEG Vll CL
erwähnt') und vom Crna Travaer Protojerej Stevan Popovic kopiert und von
mir veröffentlicht wurde. -)
Das eisenführende Terrain, auf dem wir über die grasreiche Popova Cuka
nach Crna Travas Hauptweiler abstiegen, setzt sich 15 km W. bis zu der von
den Römern befestigten Leskova Padina fort. 1885 wurde auf dem Gebiete
von Ruplje, wo sich 42 alte Gräber befinden sollen, durch den Industriellen
Weifert mit dem Advokaten Aleksa Novakovic in rationeller Weise der Abbau
auf die in mächtigen Gängen vorkommenden reichen Bleierze, konzessioniert,
mit 282 Feldern (1 = 100000 m=) zu Crveni Breg autgenommen, doch wegen
der schlechten Kommunikationen bis auf einige Aufschlussarbeiten wieder
eingestellt. Nicht minder reich an Erzgängen wie diese „Djurina Sreca"
(Georgs-Glückzeche) und der „Debeli Del" sind die nördlicheren Vorkommen
bei Guzevje und die südlichen zu Mrka Poljana. Alle liegen durchschnittlich
in 1000 m Seehöhe an den Betrieb erleichternden starken Bächen, und eine 7 km
lange Schleppbahn von Crveni Breg entlang der von 0. nach W. fliessenden
Predejanska reka zum Morava-Schienenweg ist traciert. Da bei dem westlichen
Predejane auch Kohlen angeschürft wurden, wären alle Bedingungen für die
erfolgreiche Fortsetzung dieser hüttenmännischen Unternehmung vorhanden.
Das am Einflüsse der Cemeretica in die Vlasina liegende Hauptdorf der in
weithin zerstreuten 10 Orten in 362 Häusern nahezu 2600 Seelen zählenden
Gemeinde Crna Trava sieht mit seiner geschlossenen langen Strasse stattlich
aus. Viele der oft ansehnlichen Häuser und Mehanen mit auffallend steilen
Ziegeldächern waren aber leer, weil der fruchtbare Boden und leichtere Verdienst
144 Familien nach dem Toplicaer Kreise zog, wo sie ihren guten Ruf als
') Starinar, VI, S. 120.
■) Kanitz, Römische Studien, S. 151.
Von Leskovac an der Veternica nach Vranja usw. 271
tiiclilige Häiiserhauer glänzend bewahrten. Da wir den sonst stillen Ort am
Sonntage und Hochzeitsfeste eines wohlhabenden Paares betraten, herrschte dort
frohes Treiben. Unter Pistolenschüssen ordnete sich der Zug beim Hause des
Protas, der, obschon „naprednjak", weil er 1878 im Freiheitskampfe sich tapfer
hielt und die Ortsschule begründete, hohes Ansehen geniesst. Er bat uns,
einzutreten und stellte auf den Tisch frischen Käse, Obst und Forellen, deren
besonderen Wohlgeschmack schon die Türken so sehr schätzten, dass Crna
Trava seine Steuern mit 16 kg getrockneter Fische für des Sultans Tafel ablösen
durfte. Im Pfarrgärtchcn sah ich zum erstenmal den durch Pancic bekannt
gewordenen, hier aus jungen Trieben gezogenen serbischen Kirschlorbeer, dessen
eigentlichen Standort ich zwei Tage später kennen lernte.
Die immer lärmendere Trommel- und Pfeifenmusik mahnte zum Aufbruche
nach der Kirche. Ein barjaktar (Fahnenträger) schritt voraus, die hübsche,
festlich geschmückte Braut war, was ich bei Bauern nie zuvor gesehen, mit
einem Rosagewebe leicht verschleiert; der Bräutigam und die djever trugen bimte
Tücher an der linken Schulter aufgenestelt, die Eltern, Verwandten und Freunde
des Paares folgten. Ich fand die Frauentracht hier sehr kleidsam. Den eng-
anliegenden blauen, an Brust und Schultern weit ausgeschnittenen Leibrock mit
buntem Bortenbesatz hält um die Mitte ein roter Gürtel fest, das langärmelige
Hemd tritt unter ihm über farbigen Strümpfen breit hervor, den Kopf deckt ein
graziös übergeworfenes Tuch, die Mädchen schmücken ihr meist dunkles Haar
mit Blumen, und reihen um den Hals so viele Münzen, als das Haus entbehren
kann. Das Männerkleid ist minder bunt. Sie tragen braune oder weisse, schwarz
umrandete Suknatuchröcke, das weitgeschnittene Beinkleid verengt sich gamaschen-
förmig unter dem Knie, eine kleine Subara (Pelzkappe), Bundschuhe und zur
Winterszeit eine mit Lammfell besetzte Jacke vervollständigen den Anzug.
Wir hatten das am nördlichen Dorfende stehende Sv. Nikola-Kirchlein
erreicht, welches man 1835 auf der Ruine eines älteren erbaute. Nach der
kurzen Trauungszeremonie eilte die muntere Jugend zum Kolo, der nun unermüd-
lich unter einem altehrwürdigen Zavetinabaum am Gradacki potok getanzt wurde.
Der Beinamen des Wässerchens deutete auf ein nahes grad, und wirklich trägt die.
westliche, 1200 m hohe Kuppe zerstörte Mauern eines Römerkastells, das 100 m
lange, 60 m breite Fronten und eine jetzt verschüttete Zisterne besass, bei der
ein leider verschwundener Metallhammcr und andere Objekte gefunden wurden.
Aus allen Querschluchten tosend abstürzende Wildbäche schwellten das
Viasinabett zwischen den sie begleitenden Steilwänden derartig, dass wir den
hochliegenden Reitpfad nördlich weiter verfolgen mussten. Schwer gelangt man
auf die jenseitige, baumreiche Vorhöhe des 1417 in hohen Srp, deren von unserem
Führer signalisierte Befestigung ich mit 80 m im Quadrate messenden Steinwällen
in Karte brachte. Beide Kastelle legten die Römer wahrscheinlich zum Schutze
ihrer hier betriebenen Eisengruben an. Das bezügliche Terrain fällt in den Bereich
von Brod, zu dessen gleichnamigen Hauptweiler wir tief hinabstiegen. Links
blieb ein prächtiges Buchenwäldchen; rechts erschienen, obwohl es schon Mitte
September, erst halbreife Korn- und Hirsefelder, die wie der magere Boden des
272 Von Leskovac an der Veternica nach Vranja usw.
gesamten Gebiets durchschnittlich zur vierten, mit 8 d per Hei<tar bemessenen
Steuerklasse zahlen. Der vom 21. bis 60. Jahre als „Steuerkopf" eingeschriebene
Bauer besitzt wohl gewöhnlich hier 8 — 20 ha Wald- und Wiesenland, aber wenig
Ackergrund. Dies zwingt die jüngeren Söhne seit jeher zum Betriebe von
Gewerben, um ihr Brot als dundjeri (Häuserbauer) in der Fremde zu finden.
Neben einer für Pferde gefährlichen Holzbrücke durchfurteten wir die Vlasina und
rasteten jenseits im von vielem Volke umlagerten Forum der „Brodska opstinska
kuca". Dort hörte ich von den zu einer Beratung versammelten Knieten, dass
es in Brod (151 Häuser mit 1100 Seelen) 170 Steuerköpfe, im nördlicheren
Dobro Polje (148 Häuser mit 1085 Seelen) 150 und im rechtsuferigen, durch
tüchtige Baumeister und treffliche Mühlsteine bekannten Darkovac (117 Häuser
mit 882 Seelen) 139 Steuerköpfe gäbe. Die Gehöfte liegen hier so weit
auseinander, dass kaum 80 Seelen auf dem km- wohnen, und noch dünner sind
die nördlichen Gemeindegebiete Gare und Javorje bewohnt.
Die prächtigen Buchenstände, durch welche wir vom 1168 m hohen
Krsticeva Mahala zur lärmende Kaskaden bildenden Babinca abwärts ritten,
sind reich an Wild. Man schiesst es jedoch sehr wenig und schont besonders
die alten Hirsche, „weil sie den Erntesegen hüten". Vorüber an einem alten
türkischen Eisenbau kletterten wir einige Steilkurven hinauf zur Crkvena
Mahala des erwähnten Dobro Polje. Bereits am Nachmittag hatte sich ein
empfindlicher Temperaturwechsel vollzogen. Der Horizont umdüsterte sich
eisiggrau, der Abend wurde kühl, um so wohliger fühlten wir uns in dem 1200 m
hoch liegenden Pfarrhofe, der höchsten menschlichen Wohnung auf viele Meilen
im Umkreise. Obschon es am nächsten Morgen in Strömen regnete, unternahm
ich, da Herr Bartos wieder fieberleidend, nur vom Popensohn begleitet, den
Ritt zum „gradac", dessen Untersuchung mich auf diese Wetterhöhe geführt
hatte. Der heulende Sturm schlug die Mantelkapuze immer zurück. Gründlich
durchnässt, ging es auf stellenweise furchtbar abschüssigem Wege und wieder
durch hemmendes Gebüsch vorwärts zur 3 km fernen, hoch über der tief unten
hinbrausenden Vlasina liegenden Burgruine. Ich fand ein Rechteck mit 150 m
langen, 60 m breiten, stark verwüsteten Mauern, dessen römischen Ursprung
zahlreich verstreute charakteristische Deckplatten bekundeten. Unter dem Kastell
lag eine künstliche Grotte und 20 m tiefer ein 16 m langes, 5 m breites, mit
antiken Ziegeln gepflastertes „crkviste", aus dessen halbkreisförmiger Apside eine
47 cm lange, 28 cm breite Steinkiste nach der grossen Dobropoljer Ortskirche
gebracht wurde. Ausser den drei Befestigungen, welche ich am Oberlaufe der
Vlasina feststellte, zeigen Kastellreste an ihren östlichen Zuflüssen auf dem
Strbica am Ursprünge der Gradska reka, dann auf zwei Höhen über Crvena
Jabuka und Spaj an der furtenreichen Tegostica, ferner auf dem Radov Trn bei
Strelac an der Mursovica und bei Svodj, wo die von Dobro Polje mit stark
östlicher Kurve durch Orah fliessende Vlasina die gleichfalls durch Kastelle bei
Modra Stena und anderen Orten überwachte Luznica aufnimmt, die Bedeutung,
welche die Römer dieser bis zum bulgarischen Trn ausgedehnten reichen Erzregion
beilegten. Aber auch auf dem 10 km westlich von Crna Trava zur Morava
Von Leskovac an der Vcternica nach Vranja usw. 273
Streichenden, grosse Erzschätzc bergenden Terrain fehlt es nicht an alten Resten
hüttenniännischer und fortifikatorischcr Tätigkeit. Dies beweisen drei Kastelle,
welche ich am nächsten Tage an der Kozarska reka in Karte brachte.
In das Pfarrhaus zurückgekehrt, fand ich um sein loderndes Herdfeuer die
gesamte Familie versammelt. Unser Oastfreund Pop Stojko hatte sich mit dem
Tapferkeitskreuz geschmückt, das er, gleich seinem Kollegen Hadzi Andjelko zu
Ruplje, im Januar 1878 erworben; sein ältester, gleichfalls im Kampfe gewesener,
martialisch aussehender Sohn und Nachfolger im einträglichen Popenamte stellte
uns seine Sprosslinge vor, deren jüngstem seine sclunie Frau Sevdeiina ') ganz
ungeniert die Brust reichte. Im jüngeren Bruder Sima, welcher als Geniesoldat
den bulgarischen Feldzug mitgemacht, begrüssten wir den Broder Genieinde-
schreiber, der mir am Tage zuvor bereitwilligst statistische Daten gab. Auch
die Popenfrau und ihre beiden unverheirateten Töchter hatten sich festlich
herausgeputzt, denn alle glaubten, die Stunde des Abschieds sei gekommen.
Das Kismet verfügte jedoch anders. Herr Barto.s fühlte sich noch nicht reisefähig,
der ruhelustige Pandur meldete, die übermüdeten Pferde bedürften eines Rasttages,
und auf dem Hofe wirbelten die Schneeflocken so dicht umher wie zur lieben
Weihnachtszeit. Ich hielt es für ratsam, die herrschende freundliche Stimmung
durch antizipierte Verteilung des üblichen Gastgeschenks zu mehren und unseren
spekulativ angelegten geistlichen Hausherrn, der uns wiederholt die grossen Kosten
seines Neubaues vorgerechnet, über unser verlängertes Bleiben zu beruhigen. Im
allgemeinen wird bei dem, trotz der stark vernachlässigten Kinderpflege, kräftigen,
schönen Menschenschläge dieser armen Täler gern Gastfreundschaft geübt. Wohl
kann man dem Fremden nur wenig bieten. Selbst im Popenhause fand ich den
Sinn für Komfort und Schicklichkeit schwach entwickelt. Auch da gab es weder
Knecht noch Magd, die Töchter mussten alle Arbeit im Hause und im nicht sehr
reinlich gehaltenen Viehstalle verrichten. Serbiens Süden ist gegen seine älteren
Landesteile um ein halbes Säkulum zurück. Als die Türken 1878 den Vlasotincer
Bezirk räumten, besassen von seinen 22 Gemeinden mit 106 Orten nur drei,
Konopnica, Krusevica und Crvena jabuka, kaum zehn Jahre zuvor ent-
standene Schulen, seither kamen eine fünfklassige in Vlasotinci und sechs
andere in Dedina Bara, Crna Trava u. a. O. hinzu. Die Volkserziehung steht
also hier auf denkbar tiefster Stufe, und der angeborene Intellekt der Leute
erwartet in jeder Richtung noch seine Ausbildung.
Der kalt angebrochene 18. Septembermorgen fand unsere Karawane, geführt
von dem gefälligen Popensohne Sima, auf dem Marsche NW. durch Babinas
noch nicht erntereife, vorzeitig in vollstes Winterkleid gehüllte Kulturen. Im
prächtigen Buchenwalde der 1452 m hohen Wasserscheide lag der Schnee hoch
zusammengeweht. Der Abstieg gestaltete sich auf hartgefrorenen Stellen sehr
unangenehm. Graue Nebelschleier jagten sich, und nur auf Augenblicke erschien
') Dieser im nördlichen Sert^ien ungekannte Name — etwa: Gegenstand der Liebe —
kommt gleich mehreren anderen nur bei den serbo-bulgarischen Bewohnern des Königreichs
vor (s. Kap. XII).
F. KANITZ, Serbien. U. 18
274 Von Leskovac an der Veternica nach Vranja usw.
die 1527 in hohe, vollkommen weisse Spitze des Ostrozub. Seine gegen S.
und W. mit prächtigen Weiden bedectcten Hänge litten zwei Monate früher
(Juli 1889) durch einen riesigen Heuschreckenschwarm, der seinen verheerenden
Weg über Vlasina S. nach Bulgarien nahm. Gegen N. und O. besitzt der
Ostrozub aber herrliche Buchenwälder, in welchen hart am Wege, am zur
Kozarska reka abflicssenden Zelenicki potok, der von Pancic 1887 untersuchte
„Laurocerasus Primus" ') in ziemlich dichtem Schlüsse, als immergrünes Unterholz,
wächst. Dieser serbische Kirschlorbeer scheint hier, an der Grenze seines
natürlichen Verbreitungsgebietes, die Fähigkeit, zu blühen und Früchte zu tragen,
eingebüsst zu haben. Sein nur mit den grünen Teilen aufrecht stehender Stamm
streckt sich nämlich bald nieder, schlägt stellenweise Nebenwurzeln in den
Boden, und indem er sich an der Spitze fächerartig verzweigt, überzieht er mit
seinem stetig weiter ausgreifenden, lebhaft grünen Blattwerk dicht das Gelände.
Welcher der bekannten Kirschlorbeerarten die vom Volke einfach „zelenika"
(Immergrün) genannte serbische zugehört, wagte Pancic nicht zu entscheiden.
Da mehrere in die botanischen Gärten von Belgrad, Wien, Zürich usw. verpflanzte
Stöcke sich rasch verzweigten, empfiehlt sie sich besonders zur Verschönerung
schattiger Wasserpartien in nördlichen Parks. Stöcklinge aus dem nur drei
Stunden von der Bahnstation Grdelica fernen „Zelenicki Do" wären unschwer
zu erhalten und bezügliche Verlangen an den Wirt Popovic der bei seinem
Ursprünge stehenden Dobro Poljer Mehana zu richten.
Stark durchfroren, hielten wir bei diesem „Zum Kraljevic Marko" benannten
stattlichen Strassenhan. Djordje Andjelkovic, ein künstlerisch veranlagter Dobro
Poljer dundjer, verewigte hier al fresco den selbst in solch hoher Bergöde
populären Königssohn, wie er dem schwarzen Statthalter von Kosovo die
„svadbarina" (Heiratssteuer) mit der Keule bezahlt. Wir hatten Grüsse an den
Hanwirt von seinem Vater, dem Popen, zu bestellen, dessen Familie ich nun
vollzählig kennen gelernt. Nachdem heisser Caj uns frisch belebt, drängte es
mich, das originelle Bild, in dem Markos Gegner schlecht wegkommt-), treu zu
kopieren. Hier verabschiedeten wir uns von Sima und ritten über die 1442 m
hohe Ogorela Cuka NW. zur 650 m tiefer liegenden Lopuska mehana, die
wegen ihres unsagbar elenden Gastraumes, in dem aller Schilderung spottende,
unreinliche Menschen Rakija brannten, gleichfalls ihr Konterfei verdient hätte.
Den niederen Zugang verbarrikadierte ein mit zwei Öchslein bespannter Schlitten,
der ein Fass Birnen zur Verwandlung in den beliebten Nationaltrank brachte.
Man rechnet: 1 q Obst gebe 13 kg Rakija, von welchen 1,3 kg als Vergütung
dem Brenner bleiben. Der schon (Bd. 1., S. 601) geschilderte Apparat, dessen
sonst metallener Kessel hier durch einen von Ton ersetzt war, kostet deshalb auch
nur 12 d. Als wir mehr geräuchert als erwärmt dieses selbst Höllenbreughels
ausschweifende Phantasie übertreffende Interieur verliessen, meinte Herr Bartos:
„Im nächsten Jahre, wo unser Mehanagesetz auch für den neuen Landesteil in
') Der Kirschlorbeer im Südosten von Serbien. Belgrad 1887.
=) Vuk, Srpske narodne pjesme, II. 69. S 417.
Von Leskovac an der Veternica nach Vranja usw.
275
Kraft tritt, lasse ich das Schmutznest aus tiirkisciier Zeit einfach niederhrcnnen."
Wenige Monate darauf meldete mir der vielleicht zu pflichttreu vorgehende Tscheche
seine Versetzung in den Sabacer Kreis; folgte ihm ein nachsichtigerer Kollege,
so besteht wahrscheinlich das hässliche Gerumpel noch heute.
Der weitere Abstieg durch den „Bukovik", wie die Landschaft ihrer vielen
Buchen wegen genannt wird, gestaltete sich geradezu lebensgefährlich. Die
primitive Strasse war durch den zweitägigen Regen in einen halben Meter tiefen
Morast verwandelt worden, durch den unsere Pferde nur behutsamsten Schrittes
vorwärts kamen. Bei dem zur Gemeinde Gradiste gehörenden Samarnica
konnte ich am A\oric (868 m) noch Steinwälle eines antiken Werkes konstatieren;
der Besuch zweier anderer mir signalisierter Kastellruinen bei Ostrica und
Dadinci erschien aber, obschon sie auf den nahen Kozaricahöhcn liegen, wegen
Freske an der Kraljevit Marko-Mehana.
des im tiefen Morast verschwundenen abschüssigen Pfades ganz unmöglich. Bei
dem durch ein altes Steinkreuz bezeichneten „Beljkicev grob" zeigte mir der
Mehandzija auf der Kuppe des stark bewaldeten Stojanov Trap den Standort
des Dadincer, dessen ausgedehnte Mauern aus Ziegeln und Steinen bestehen
sollen. Wir hielten beim gleichnamigen Strassenhan, wo die 550 m hohe, durch
prächtige Buchen verschönte Wasserscheide einen weiten Ausblick über Leskovac
bis zu den Prokupljer und Niser Bergen bietet. Hier zeitigt die rote Erde und
der Tonschiefer auch wieder Reben, die Luft wurde mild, zwischen die immer
niedriger werdenden Ziegeldächer traten mit Stroh gedeckte Häuser. Alles
kündete die nahe Ebene und grösseren Wohlstand an. Elend und im stark
kupierten Terrain halsbrecherisch zeigte sich nur die zwischen Weinkulturen
nördlich nach Vlasotinci abbiegende Strasse. Es war Mittag, als wir seine
langgestreckte Carsija nach vierstündigem, höchst unangenehmem Ritte erreichten.
Der Bezirkshauptmann Rista R. Matic, bewährte sich während unseres
kurzen Aufenthalts als liebenswürdiger Cicerone. Im Lebenslaufe des noch jungen
18*
276 Von Leskovac an der Veternica nach Vranja usw.
Mannes spief^elt sich der stetige serbische Parteienkampf charakteristisch ab.
Matic war zuerst Lehrer in Zajecar, beteiligte sich 1883 an der dort unter
Pasics Führung ausgebrochenen Revolution, wurde später begnadigt und Steuer-
kontrolleur, als die Radikalen aber das Regiment führten, mit der Kapetansstelle
im stets freiheitlich gesinnten Viasotinci belohnt. 1809 erhoben sich die Stadt
und Landschaft unter dem aus Gradiste stammenden, sich Wojwode von Leskovac
nennenden ilija Strelja gegen die Türken. Einige Hundert Aufständische blieben
bei Dedina Bara, Strelja wurde in Viasotinci gehenkt, ermahnte aber noch auf
dem Richtplatze das Volk, im Kampfe auszuharren. Mit Feuer und Schwert
wurde dieser erstickt und Viasotinci verwüstet. Nicht glücklicher endete 1821
die zweite Erhebung und jene dritte, auch das Niser Gebiet ergreifende (1841)
unter Stanko Bojadzija, dessen Sohn ich als Mehandzija zu Viasotinci traf. Als
Mehemed Pasa 1860 nach Nis zog, Hess er den Popen Stanoje mit noch
sieben anderen Vlasotinciern wegen angeblicher Zettelungen mit Serbien an
den Galgen 1<nüpfen. Trotz alledem vermochten die Türken niemals, sich im
„Bukovik" festzusetzen, und Latif Beg aus Leskovac, der Besitzansprüche auf die
der Stadt gehörenden Weinberge «erhob, musste sich auf deren, wahrscheinlich
durch Bakschisch in Konstantinopel unterstützte Klage mit einer Abfindungssumme
begnügen. Von Moslims lebten 1877 hier nur der Mudir, sein Schreiber, ein
Buljukbasa und sieben Zapties.
Am 5. Januar 1878 endete das Türkenregiment zu Viasotinci. Die zu
seiner Stützung erschienenen Amanten wurden von den Aufständischen im
Kampfe über die Morava gedrängt, wobei christlicherseits 12 Tote und viele
Verwundete blieben. Gleich darauf zogen serbische Beamte ein, der Sitz
des nun 42057 Seelen zählenden, viehreichen Bezirks und das Cadre des
Territorial-Bataillons wurden hierher verlegt und die erste Mädchenschule des
Viasinagebietes dort errichtet. Die über die Vlasina sich ausdehnende, ärmlich
aussehende Stadt besitzt nur ein historisches Monument: die wahrscheinlich auf
der Grundfeste eines Romerkastells stehende ehemals türkische „Kula". Bei dem
südlicheren „Suplji Kamen" befindet sich die 1858 geweihte hl. Geistkirche,
das gleich unbedeutende Bezirksamt, die fünfklassige Schule und die mit buntem
Kram gefüllte lange Carsistrasse. Die nahezu 4500 Bewohner zählende Stadt
treibt bedeutenden Wein- und Viehhandel. Kosta llic Mumdzija, der auf 600000 d
geschätzte Krösus von Viasotinci, erwarb sein Vermögen durch das hier gestattete
Geldverleihen zu 6"/,, per Monat. So dürfte der 1895 gegründete Hilfs- und
Sparverein dem Bezirke zu grossem Nutzen gereichen.
Von Vlasotinces jenseits der Brücke liegendem bestem, aber wenig Gutes
bietendem Gasthause ritten wir, begleitet von dem sich für meine Studien lebhaft
interessierenden Kapetan, durch die stark undulierte, von Weinbergen umrandete,
250 m hohe Ebene nach dem W. bei Konopnica 35 m hoch aufragenden
Glimmerschieferhügel, der sie wie ein riesiger Tumulus beherrscht. Dort hielten
wir am einsam liegenden, 1866 erbauten ältesten Schulhause des Bezirks, in dem
40 Kinder unterrichtet werden. Der sehr junge, aufgeweckte Lehrer und seine
ihn unterstützende, noch jugendlichere Schwester empfingen uns in ihrem mit
Von Leskovac an der Veternica nach Vranja usw. '277
Bildern und Büchern ausj;;estatteten kleinen Pruni<geniacii unj^eniein herzlich.
Nach langer bJitbehrung gab es hier auch ein grösseres Blatt, das mich über
die politischen Ereignisse ausserhalb der serbischen Grenzberge orientierte.
Gemeinsam besuchten wir das nahe Ortskirchlein mit isoliertem Glockenturme
am „Gradac breg" und erklommen sodann am steilgeböschten Westhange das
35 m höhere, künstlich geschaffene Plateau. Die es umrandenden starken
Mauern erwiesen sich als Frontenreste eines 135 m langen, 15 m breiten, recht-
eckigen Kastells, über dessen römischen Ursprung ausser seinem Gusswerk
antike Ziegelfragmente keinen Zweifel liessen. Unter dem Schutze dieser Feste
lag am Südfusse des Hügels eine kleine Zivil-Ansiedelung, von der gleichfalls
Reste vorhanden sind, und an der vorbei die Strasse über Leskovac mit einem
Zweige nach Ad Fines (Kursumlija), mit einem zweiten aber nach Vicianum
(Pristina) und den altberühmten Janjevocr Gold- und Silberminen lief (Kap. Xi).
Wir durchfurteten die 7 km NW. in die Morava mündende, stark geschwellte
Vlasina vor dem grossen Dorfe Batulnvac, das, wie alle in der flachen Umgebung,
einen festgeschlossenen Komplex bildet. Der Kapetan schied hier, während wir
auf der trefflichen, topfebenen Strasse der Morava zuritten. Diese hatte kurz
zuvor das aus Lehm und Konglomeraten bestehende rechte Ufer durchbrochen
und den tiefen Arm geschaffen, über den ein provisorischer schmaler Steg uns
auf die 1 km lange, neu entstandene Insel und zu Mithad Pasas Brücke brachte.
Statt beider Holzbrücken ist oberhalb Prilepac ein Bau mit soliden Stein-
pfeilern geplant. Vorbei an dem malerisch zwischen Bäumen steckenden Badincer
Strassenhan gelangten wir in später Stunde auf die Vranjaer Strasse. Die helle
Nacht begünstigte den beschleunigten Ritt durch die uns von Leskovac noch
trennende Weidenallee. Unsere braven Pferde rochen den heimatlichen Stall
und schienen die vielen Hunderte mit uns auf denkbar schlechtesten Wegen
zurückgelegten Kilometer kaum mehr zu fühlen. Schon wurden die hellbeleuchteten
Haue nahe dem Bahnhofe sichtbar; dieser lag aber noch in schläfrigem Halb-
dimkel, obgleich der Vranjaer Zug bereits signalisiert war. Er brachte wenige
Reisende aus weiterer Entfernung, von Salonik sogar nur zwei; die Räume erster
Klasse waren ganz leer. Unerwartet bequem gelangten wir nach Nis, wo ich
sofort Vorbereitungen für meine Reise in das Arnautengebiet traf.
X.
über Prokuplje durch die Jankova Klisura
und Kursumlija aut' den Prepolac.
AM 29. September 1889 trat ich von Nis die Reise in das südwestliche
^ Morava-Gebiet an. Über seine seit dem Berliner Frieden in Fluss geratene
ethnographischen Verhältnisse konnte ich selbst in Niser Beamtenkreisen nichts
Sicheres erfahren; niemand wusste, woher die Leute kamen, welche von den
1878 verlassenen Hunderten Arnautenorten Besitz ergriffen hatten.
Zuerst ging es parallel mit der Bahnlinie, auf Mithads durch riesige Pappeln
beschatteter Strasse, vorbei an Donje Stopanjes altem Kirchlein, aus dem eine
kurz zuvor aufgefundene Pergamenthaiidschrift unbekannt wohin verschwand,
sodann geradlinig N. über topfebenes Diluvium, das sich baumlos, aber ausser-
ordentlich fruchtbar acht Stunden von N. nach S. und durchschnittlich zwei
Stunden von 0. nach W. zwischen der Jablanica und Veternica ausdehnt.
Von den vielen seeartigen Sümpfen, welche nach den Frühjahrsaustritten
der Morava zurückbleiben, gilt der „Crni Vir", östlich vom Bahnwächterhause 174
bei Kumarevo, als heiltätig für Menschen und Tiere. An der Jablanica sah
ich, hart am Wege bei Dupljane, prachtvolle Eichen mit 5 — 7 m Stammunifang.
Früher trugen auch die den Bach begleitenden Hänge der Dobra Glava dichten
Wald, doch die ihn stets als gefährlichsten Protektor der unzufriedenen Rajalr
erblickenden Türken taten nichts für seinen Schutz.
Nach 10 Kilometer Fahrt hielten wir bei dem 300 m hohen östlichen Dobra
Glava-Sporn. Am Fusse des für Leib und Seele sorgenden Hügels steht eine
Mehana, oben aber das malerische Kirchlein des nahen Pecenjevce zwischen
prächtigen Rebengärten. Der Name „Bratendorf" des wohlhabenden Dorfes soll
von einem serbischen Wojwoden stammen, der sich im nahen Kloster ein Mahl
bereiten liess, während desselben aber von den Türken überfallen, sich tapfer
wehrte und sie zur Flucht zwang. Mein liebenswürdiger Begleiter, Professor
Bozovic, erzählte auch von Burgresten auf dem Vanosplateau, doch trotz gemein-
samen eifrigen Forschens bis zum Medeno Gumno (Honigtenne) auf der treffliche
Sandsteinbrüche bergenden Höhe fanden wir nirgends Mauerspuren oder verstreutes
Baumaterial, wohl aber unerwartete Streiflichter auf das Verhältnis zwischen dem
emigrierten Feudaladel und seinen christlichen Grundholden.
280 Über Prokuplje durcli die Jankova Klisiira und Kursunilija auf den Prcpolac.
Das unter dem Metropoliten Joanikije durch den Baumeister Andrija aus
Vcles 1844 erbaute Kirclilein Sv. Ilija mit seinen von sechs Sandsteinsäuien
jicteiltcn drei Schiffen ist eine bescheidene Reprodui<tiün der älteren Leskovacer
Sv. Bogorodica-Kirche und wie diese überreich mit ernst wirkendem dunklen
Bilderschmuck bedeckt. Der rechtsseitige, in der den Narthex ersetzenden
kleinen offenen Vorhalle wurde gleich nach dem Einzüge der Serben mit blauer
Farbe überstrichen. Nach der bezüglichen Ursache fragend, hörte ich staunend:
dass dort auf Befehl des moslimischen Pecenjevcer Grundherrn „Muhammeds
Verherrlichung" hingemalt werden musste, da er sonst die Einweihung der Kirche
nicht erlaubt hätte! Es wäre interessant, den Überzug zu entfernen, um zu sehen,
wie der christliche Künstler diese seltsame Aufgabe löste! Nun rufen aus dem
hölzernen Glockenstuhle drei eherne Stimmen die ehemalige Rajah zum Gebet;
der einstige Konak des die Glorifizierung des Propheten fordernden Mehemed
Pasa Agic wurde von den Pecenjevcern 1878 für 630 Dukaten angekauft und in
ein Gemeindehaus mit vierklassiger Schule umgewandelt; er .selbst wohnt jetzt in
Salonik, fern von den ihm einst zinsbaren 18 Dörfern, von seinen vielen Häusern
und der Allah zu Ehren erbauten Leskovacer Moschee, die ihn verewigen sollte,
nun aber verödet dasteht.
Von den 680 Steuerköpfen der neun Orte, welche mit 3380 Seelen in
435 Häusern die Gemeinde Pecenjevce bilden, war die Mehrzahl dem Krösus
Pasa Agic tributär. Man unterschied zwei Klassen „Rajah". Die bevorzugte
stand in einem mit gewissen Rechten ausgestatteten Vertragsverhältnisse zum
moslimischen Gutsherrn, erhielt von ihm nur den Boden zur Bearbeitung, besass
aber Haus und Vieh als Eigentum und musste für den Samen selbst sorgen.
Solche hatten von bereits früher unter Kultur gestandenem Boden den Zehent
dem Staat und ein Dritteil des Grundertrags dem Gutsherrn abzuliefern; wenn
sie aber das Terrain selbst urbar gemacht, ausser dem sultanlichen Zehent, dem
Grundherrn nur den neunten Ertragsteil abzuführen. Schlimmer stand es mit
dem Rajah Cifcije (sahibije), der vollkommen besitzlos, alles vom Gutsherrn
empfangend, als recht- und willenloser Kolone, mit Weib, Kindern und dem
ganzen Arbeitsertrag von dem guten Willen und der allerdings oft sehr gerühmten
Humanität des Bodeneigners abhängig war. Die serbische Regierung löste Pasa
Agics Bodenrechte zu Pecenjevce für 7000, im nördlicheren Cekmin für 3200,
im südlicheren Kastavar (für 11 Häuser) mit 400 Dukaten ab und bedingte
sich von den Gemeinden die Rückerstattung der ausgelegten Beträge samt
Interessen in 20 Jahresterminen. Zwei Termine wurden richtig bezahlt, dann
geriet aber die Schuldabtragung „wegen schlechter Zeiten" ins Stocken, und der
Staat nimmt nun statt Bargeld die Bodenprodukte zur Militärverpflegung für
bestimmte Preise „in Rechnung" an.
In und weit um Pecenjevce gedeihen Hanf und Getreide sehr vortrefflich.
Wie ich von dem lange dort angesiedelten Kaufmann Mladen M. Marinkovic
aus dem sirmischen Ruma erfuhr, erscheinen seit 1889 fremde Agenten in Nis
und Leskovac, welche mehr über Salonik als über Ungarn exportieren. Schöner
Weizen erzielte in jenem Jahre 12, Gerste 10, Mais 8—9 d per q. Bei
über Prokiipljc durch die Jankovn Klisura und Kiirsunilija auf den Prepolac. 281
rntionellcrciii Betrieb niiisste der Ackerbau auf dem vorzüglichen Boden eine
lohnende Rente abwerfen. Noch ist aber alles Arbeitsgerät höchst primitiv und
mit Ausnahme des eisernen „raonik" (Pflugschar) von Holz. Der früher nur an
der Morava gepflegte Weinbau wurde seit der serbischen Kolonisation auch in
die Pusta reka eingeführt; der dort von den Albanesen bevorzugte, hochentwickelte
Obstbau ging aber bedeutend zurück. Reichen Gewinn bringt die Schweinezucht
an der Morava bis abwärts nach Grdelica. Pecenjevce allein führt jährlich
200 fette Tiere zu 100-130 kg, mit 65—80 d per q, und 500 magere zu 60 d
das Paar zur nahen Bahnstation. Weniger gut steht es mit der Rinderzucht. Der
Ochsenschlag ist klein, kurzhörnig, struppig, scheckig und zum Fleischverkauf
ungeeignet, wird jedoch durch die eingeführte langhornige, ungarische Rasse
allmählich verbessert; auch der Büffel ist unansehnlicher als in Mazedonien, die
Milch schmeckt aber trefflich. Die kleinen Pferde sind ungemein ausdauernd
und kräftig, die Schafe leiden in Leskovac' sumpfiger Umgebung viel durch die
nietilja (Egelwurm); ihre gut verwendbare Wolle wird mit 1.30 d per kg exportiert.
Dem Verkehr dieser reichen Landschaft kommt der Weg sehr zustatten, den
König Milan 1885 durch die Weingärten über den Bell Kamen, Siljegarnik,
Dzaverov Lug und die wildreichen Kuppen der Dobra Glava ins westliche
Pusta reka-Tal anlegen liess.
Bei der Bahnstation Pecenjevce kreuzten wir die Jablanica und den
Belgrader Schienenstrang, bogen hierauf bei einem riesigen Zapis (Kreuzbaum)
nach Lipovica ab, übersetzten vor der Haltestelle Brestovac die Pecenjevacka
reka und lenkten bei Kutles nach dem gleichnamigen „gumniste". So heissf der
letzte nördliche Ausläufer der Dobra Glava, den seit 1844 die auf allen Kirchen-
resten erbaute „Kutleska Kapela Sv. Petka" krönt. Vor ihrer dreibogigen
Vorhalle steht ein hoher roher Steinklotz, der Wunder wirkt. Zu ihm pilgern
an Freitagen kranke, ihre Heilung zuversichtlich erwartende Frauen. Oleich
neben der Kapelle erbauten die Kutleser ihr vierklassiges Schulhaus. In diesem
traf ich ganz vereinsamt wohnend die Lehrerin Persida Jovanovic aus dem
sirmischen Mitrovica; welcher Entsagung und Berufsliebe bedarf es, um hier
auf dieser Wetterhöhe, abgeschnitten von aller Welt, ja selbst von dem tief unten .
liegenden Dorfe, den langen Winter zu verbringen! Allerdings, grünt und spriesst
es wieder in der weiten Moravaebene, blaut der Himmel und wird die Aussicht
auf die nördlich aufragenden Hochkuppen der Suva Planina und die vorlagernde
waldreiche Babicka frei, dann lässt sich wohl schwerlich ein aussichtsreicheres
Heim mit Naturgenuss in Fülle denken. Uns wurde das Zimmer eingeräumt, in
dem der hier an Festtagen die Liturgie lesende Pope übernachtet; für ein
frugales Abendbrot, Wein und Pferdefourage sorgte der Kutleser Kniet. Als wir
uns auf die frischen Heulager hinstreckten, wurde es draussen laut. Bald pochte
es kräftig an der Türe, und in ihrem Rahmen erschien eine jugendliche Hühnengestalt
in hohen Reiterstiefeln, mit Sturmhut und Hahnenstoss, so recht amerikanisch-
hinterwäldlerisch ausgerüstet mit Hinterlader, Revolver, Weidmesser, Jagdtasche,
Patronenbüchsen usw., gefolgt von zwei prächtigen Hunden und zwei Gendarmen
in voller Rüstung. „Guten Abend, meine Herren! Kreisingenieur Valenta aus
282 Über Prokuplje durch die Jankova Klisurn und Kursumlija auf den Prcpolnc.
Prokuplje, abgesendet vom Nacelnik zur Begleitung des Herrn Kanitz. Ihr
Telegramm traf verspätet ein, Teufel, das war ein scharfer Ritt, pardon, wollte
mich nur vorstellen, morgen besprechen wir das Weitere." So führte sich der
stattlich herangewachsene Sohn meines verstorbenen Freundes Dr. Valenta bei
mir ein; als flotter Nimrod und fröhlicher Gesellschafter gibt er sich stets
natürlich und gewann damit alle Herzen.
Zeitig morgens waren wir reisefertig, auch Ingenieur Barto§, der nach Nis
zurückkehrte. Wir begleiteten ihn bis zur Pecenjevacka reka und fanden, dass dieser
bedeutende Bach nicht wie auf der neuen serbischen Generalstabskarte in die
Pusta reka, sondern direkt zur Morava fliesst, ein Fehler, den ich gleich anderen
auch auf der österreichischen Karte fand und berichtigte.
Wir schieden, umritten den „Kutleski Drenak" und zogen auf dem vom
Sarlinski potok stark versumpften Uferstreif „gradiste". Vorüber am westlichen
Dobra Glava-Ausläufer „Tri Usi" (Drei Ohren), ging es durch dichtes Eichenholz
hinauf zu einem 304 m hohen, aus Sandstein konstituierten Vorberge des
„Siljegarnik", von dem man zu Kutles erzählte, dass er ein Kaleh trage. Wirklich
fand ich die Kuppe von Mauern umwallt, deren Steinpanzer bis auf wenige
Platten fortgeschleppt worden war. Schon das charakteristisch feste Gusswerk
verriet eine römische Anlage, falls sie nicht die zerstreuten Fragmente antiker
Deckziegel bezeugt hätten. Das stark verfilzte Unterholz und die starke Ver-
wüstung des ziemlich ausgedehnten Werkes erschwerten mir die Bestimmung der
einstigen Kastellform; doch scheint es, dass sie sich dem undulierten Plateaurande
angeschlossen hatte.
Der Siljegarnik bildet einen Teil der Dobra Gora (780 m), welche mit
dem anschliessenden, meist kahlen oder von Jungwald bestandenen niedrigeren
Kremen (Kiesel) den S. nach N. nehmenden Unterlauf der an ihrem Westhange
vorüberfliessenden Pusta reka bedingt. Ihre breiten Diluvialufer sind sehr fruchtbar;
besonders Weizen gedeiht vortrefflich. Der Staat behielt deshalb gegen 2500 ha
des ehemaligen Arnautendorfes Kacabac, um dort eine agrikole Musteranstalt
mit Gestüt, ähnlich der Ljubicevoer, für die südlichen Landesteile zu errichten.
Auf kürzerem Wege stiegen wir durch das sumpfige Vorland hinab nach Medja,
wo mein geistlicher Begleiter einen billig erworbenen, früher arnautischen Grund-
besitz von Banater Serbenfamilien auf halben Ertrag bewirtschaften Hess. Das
Anwesen machte einen stark vernachlässigten Eindruck, das Interieur, die
hübschen, dunkeläugigen Kinder sahen unreinlich aus, und doch sprach der
uns angebotene frische Schafkäse für treffliche Weiden, deren es auch in den
Niederungen der Pusta reka, zwischen ihren ausgedehnten Sümpfen, in Fülle gibt.
Mein Leskovacer Freund blieb zur Ordnung von Geschäften zurück. Wir
aber ritten über das linksuferige Draskovac nach dem wohlhabenden Pukovac
und nach kurzer Mittagsrast in seiner reinlichen Mehana auf der es durch-
ziehenden Prokupljer — Brestovacer neuen Strasse NW. über eine mit jungen
Rebenkulturen bedeckte Hochebene, in welchen man eben die erste Weinernte
hielt. Vor Kocane überholten wir ein malerisch aussehendes Gefährt, auf dem
eine reizende Gruppe bunt kostümierter Frauen und mit Weinlaub geschmückter
über Prokuplic durch die Jaiikova Klisiira und Kursumlija auf den I'repolac. 283
Mädchen sich mit Gesang ergötzte. Nebenher marschierten zwei in weisses Abatuch
gekleidete Manner, das Fes mit bunten Tüciiern umwickelt, ein Zeiciien, dass sie
erbangesessene Leute, die, gleich den Bauern des angrenzenden Kru§evacer
Kreises, das Kopttuch mit Vorliebe tragen, obschon es, weil von den Amanten
angenommen, behördlich verboten wurde. Unsere Gendarmen verlangten scherzend
von den jungen Bacchantinnen einige Trauben, diese erwiderten: „Recht gern,
doch nur, wenn Ihr sie bezahlt!" — Man sieht, wenige Jahre genügten, um aus
der unterwürfigen Rajah selbstbewusste Menschen zu machen.
Bei Duljevac erreichten wir die Toplica. Der Saloniker Schienenstrang
durchschneidet hier den sie von der Pusta reka trennenden schmalen Alluvialstreifen
und tritt NO. nahe der Toplicamündung in das von der Morava durchzogene
enge Kurvingrad-Defilee (S. 174), dessen charakteristische Umrisse jeder, der sie
nur einmal gesehen, leicht wieder erkennt. Am linken Toplicaufer breitet sich
das Hochplateau Dobric aus, über welches die Römer ihre Naissus mit dem
ZiegelnuisterunK an Sv. Petar zu Zitoradje.
adriatischen Lissus verbindende Heerstrasse führten. Meine Wiederaufnahme von
Hahns missglücktem Versuche, ihre Trace festzulegen, rechtfertigte sämtliche in
der Tab. Peutingeriana überlieferten Entfernungen der einzelnen Stationen an
dieser von mir persönlich bis zur türkischen Grenze verfolgten wichtigsten
dardanischen Verkehrsader mit der Adria.
Die noch im Mittelalter fahrbare Römerstrasse durchschnitt die Enceinte
von Nis zwischen Mithads grosser Kaserne und dem Bahnhofe in der Richtung
auf die Medjurovska crkva bei Mramor, kreuzte dort die Morava und Hef
in gerader Linie über das topfebene Dobric-Terrain weiter nach Gradiste,
unter dessen Kastell sie über die Merosinska und Bugarinovacka reka bei
Djakus nach den linksuferigen Toplicaer Höhen gegenüber Zitoradje zog.
Auf letzteren fand ich, nach unserer Durchfurtung des hier seichten Flusses, eine
etwa 300 Schritte lange römische Befestigung, deren starke Walimauern das
Material für die Fundamente der Ortskirche lieferten. Auch Zitoradjes kleine
Kunstmühle ist aus den quadratischen Kastellziegeln erbaut. Die Tab. Pcut.
verzeichnet an dieser Strasse als erste Station zwischen Naissus und Lissus mit
13 Millien Ad Herculem, von dem Jornandes erwähnt, dass man es auf der Reise
von Naissus nach Ulpiana (Lipljan, südlich von Pristina) berührte. Die von der
284 über Prokupljc durch die Jankova Klisiira inul Kiirsiinilijn auf den Prcpolac.
Tafel gegebene Entfernung zwischen Naissus und Ad Hercuieni stimmt genau
mit jener zwischen Nis und Zitoradjes Kastell, und somit ist die Lage dieser
ersten inutatio zweifellos klargestellt.
Auf einer östlicheren Höhe steht, inmitten alter Grabsteine, die schon aus
weiter Ferne sichtbare, vom Volke hochgehaltene Ruine des Kirchleins Sv. Petar.
Nur 7 m lang und 4 m breit, zeigt es mit gleich breiten Ziegeln wie Mörtellagen und
romanischem Zahnschnitt-Dachgesimse ausgesprochen byzantinischen Mesenibria-
Typus, den ich bei den Prokupljer Denkmalen noch weiter traf und charakterisieren
werde. Der Unterbau besteht aus grossen Sandsteinplatten, der Narthex fehlt,
das Tonnengewölbe ist dem Einsturz nahe. In einer Nische, links vom Altar,
erhielten sich Freskenreste. In der Mitte lagen, überdeckt von vielleicht geopferten(?)
Fessen, zertrümmerte Trapezateile und ein reich skulptiertes, antik aussehendes
Architekturstück. Nur Ausgrabungen könnten Gewissheit bringen, ob die dem
grossen Apostel geweihte Kirche auf der Grundfeste des Heraklestempels entstand,
der diesem Strassenpunkte seinen römischen Namen „Ad Herculem" gab.
Der Chronist des „Carostavnik" erzählt, dass Stevan Uros 111. 1330 auf
dem Dobric-Plateau seine Scharen sammelte, als er gegen den Bulgarenfürsten
Sisman zog. Einige serbische Schriftsteller glaubten, dass dies beim Dorfe Toplac
nahe bei Vranja geschah; ich teile aber Milicevics begründete Ansicht, dass die
Vereinigung der Heeresteile an der Toplica erfolgte. Auf dem Dobric-Plateau
sollen auch König Vladislav von Ungarn und der serbische Despot Brankovic
nach der siegreichen Schlacht bei Nis (1443) mit Sultan Murad einen Waffen-
stillstand abgeschlossen haben, in der als „trocken und mit Paliurus bedeckt"
geschilderten Dobric-Landschaft entstehen, seit der Türke fort, allerorts neue
Orte, in dem 3 km von der Morava fernen Aleksandrovac siedelten sich
70 Banater Familien aus St. Djuradj an; jede erhielt 30 a Haus und Gartengrund,
5 ha Felder und 10 Jahre Steuerfreiheit. Bald darauf (1888) konnte das Dorf
gemeinsam 300 ha für den lohnenden Getreide- und Weinbau ankaufen. 17 andere
Familien erhielten Grund und Boden zu Kosancic, 30 gleichfalls aus Pancevo
in Bozurnja usw. Am kleinen Oblacinsko jezero (See) wächst bereits Wein,
und in den westlicheren Einschnitten hübscher Wald, der N. zum Jastrebac
hinaufzieht.
Von Ad Herculem fand die am linken Toplicaufer fortlaufende Römertrace
in ihrer Westrichtung gegen Prokuplje kein Terrainhindernis. Bei Zitoradje kreuzte
sie die Toplica und folgte den jetzt mit Wein bepflanzten Nordhängen der
Pasjaca, ganz so, wie die 1888 trefflich umgebaute Strasse. 4 km vor Prokuplje
erreichten wir das ehemalige Arnautendorf Berilje, wo der 1866 oft genannte
herzegowinische Insurgentenführer „Serdar" Peko Pavlovic die erste Montenegriner-
Kolonie in diesem Kreise anlegte. Ihre gut gebauten stattlichen fünf Gehöfte
enthalten hohe, luftige Räume mit Cardaks und verkünden einen gewissen Grad
von Wohlhabenheit dieser anfänglich ungern zum Ackerbau sich bequemenden
einstigen Bewohner der „schwarzen Berge". Nachdem Peko, wegen Ermordung
eines Popen gerichtlich verfolgt, es vorzog, nach Montenegro zu flüchten, wurde
sein Bruder Krsta das Haupt dieser Emigranten, welche, gleich den zu Gajtan
über Prnkiiplje durch die Janknva Klisura und Kiiriiiimlija auf den Prepolac. 285
angesiedelten dreissig Familien, durch ihre Unbotniassigkeit, Arbcitsunlust und
hohen Ansprüche der Kreisbeiiürde schon vor der 1889 nachgefolgten grossen
montenegrinischen Einwanderung sehr viel zu schaffen gaben.
Weiter ging es nun auf der den rechtsuferigen, kristallinischen Hängen
abgewonnenen Strasse zum „Markov Kamen", durch den man ihre Trace so
sprengte, dass sein zum Flusse abstürzender nördlicher Teil monolithartig stehen
blieb. Es dunkelte bereits, als wir vorbei an den Lehmbaracken des militärischen
Sommerlagers über die dreibogige Toplicabrücke in das hellbeicuchtete Prokuplje
einzogen. Noch am selben Abend besuchte mich der von meiner Ankunft unter-
richtete Kreishauptniann. Es war einer der intelligentesten, pflichtgetreuesten
PROKUPLJE. Kastellplan.
Beamten, die ich in Serbien kennen lernte. Durch die liebenswürdigste Förderung
meiner Forschungszwecke in seinem schwierig zu bereisenden Kreise verpflichtete
mich Herr Petar Bozovic, dessen Verdienste um Nis ich bereits gedachte, zu'
bestem Dank.
Prokupljes Lage erinnert an die vielgerühnite romantische Bulgaren-Metropole
Tirnovo. Wie dort in den bizarr gekrümmten Jantralauf haben sich hier die Stadt
und Feste in von der Toplica umflossene Sporne angenistet. Das heutige Weich-
bild dehnt sich mit vielen regelmässig angelegten Strassen in der Längenrichtung
von SW. nach NO. auf der linksuferigen weinbepflanzten Vorterrasse des 452 m
hohen Vrsnik aus. Einst erstreckte es sich aber, wie alte Mauerreste zeigen, auf
das rechte Flussufer; die Stadt besass einen beträchtlich grösseren Umfang, und
diesem entsprach die Ausdehnung des starken Schlosses auf dem isoliert
aufragenden, 392 m hohen Hisar. Von den beiden alten Kirchen ihres Südvierteis
soll eine, nach Katancics gewagter Vermutung, auf der Ruine des Jupitertempels
28() über Prokupljc diirili die Jankovn Klistirn und Kiirsiimlijn auf den Prepolac.
von Ad Herculeni entstanden sein. Unbegreiflicher erscheint es, wie auch der
nun über bessere Karten verfügende Oberst Dragasevic dieses in der Tab.
Peut. 13 Minien von Naissus (Nls) angesetzte Ad Herculem mit dem schon
16 Milllen in der Luftlinie von Nis entfernten Prokuplje identifizieren konnte. ')
Statt mit sachlichen Gründen stützte er seine Hypothese darauf, „dass die
Römer hier wegen der tief eingeschnittenen Toplica herkulische Arbeiten zu
bewältigen hatten". Nachdem ich aber im vollsten Einklänge mit der Tafel
Ad Herculem in den Römerresten bei Zitoradje festgestellt, durfte ich die 6 Milllen
weiter folgende Mansion Hammaum bei Prokuplje ansetzen, weil die Entfernung
zwischen den antiken Resten auf seinem Hisar und jenen von Zitoradje und
Kursumllja, bei dem Ich die Ruinen der dritten Station Ad Eines auffand, mit den
bezüglichen Massen der Tab. Peut. genau übereinstimmt.
Drei scharf markierte natürliche Abschnitte erleichtern die Orientierung in
dem stark verwüsteten Mauergürtel der Prokupljer Hochburg, an deren bisher
fehlende Planaufnahme ich gemeinsam mit Ingenieur Valenta schritt. Ihre ursprüng-
liche antike Anlage hat, nachdem sie in den Völkerstürmen zerstört und durch
Justinian erneuert wurde, manche Veränderung erlitten. Dem eiförmigen Plateau
des kristallinischen Felsberges, mit nach NW. und S. abstürzendem Steilhange,
schmiegt sich die einen auffallenden Parallelismus zeigende Grundform der drei
Kastellabschnitte an. Der Längendurchmesser des Kastrums beträgt 280 m, seine
Breite 180 m. Das 25 m breite und doppelt so lange Reduit A auf dem
höchsten Punkte umschloss ein tiefer Graben; vom Walle des niedriger fort-
setzenden 140 m langen, 85 m breiten Abschnittes B sprangen nach dem sanfteren
östlichen Plateauhange drei gegen O., SO. und S. gerichtete quadratische Türme
mit 6 m breiten Facen vor. 44 m vom Südostturme erhob sich im Innern ein
freistehender starker Donjon mit 9 m breiten Fronten, 17 m NW. ein quadratischer
Turm von 7 m Durchmesser, und 10 m weiter, am korrespondierenden Punkte
des Abschnitts B, verstärkte die Aussenmauer ein am Steilhange rechteckig
vorspringendes, halbturmartiges Vorwerk, das ein unterirdischer Gang mit dem
an der Toplica stehenden „Wasserturm" D verbunden haben soll.
Vom Hisar ist dieser Turm nur auf schwierigem Steilpfade, von der Stadt
bei niederem Wasserstande nur am rechten Toplicaufer zugänglich. Von diesem
12 m entfernt, erhebt sich der wohlerhaltene, 14 m hohe, fensterlose Bau, in
den von der Eelsselte, 2,80 m über dem Boden, ein 1,70 m hoher, 0,75 m breiter
Eingang mit .geradem Sturze führte. Seine dreizinnigen Krönungen sind an drei
Seiten erhalten, ebenso die Löcher für die einst in 14 Reihen eingezogenen
Querbalken der 6,10 m breiten, 1,40 m starken Mauern, deren Gusswerk, gleich
dem der durchschnittlich 1,20 m dicken des Kastells, mit Kalksteinen, Quarz-
blöcken usw. verkleidet erscheint. Ganze, horizontal verbaute Ziegel traf ich
nirgends, dagegen Fragmente römischer Deckplatten allerorts und auch am
Wasserturm umherliegend. Das Kastellplateau dominiert weithin die Umgebung
und gewährt namentlich gegen W. einen prächtigen Fernblick in das Toplicatal.
') Glasnik, Bd. 43, S. 60.
über Prnkuplje durch die Jankova Klisura und Kursuiulija auf den Prepolac. 287
Seine Wahl zur Hut des hart unter ihm vorbeiziehenden Heervveges war zur Zeit
auf i<urze Distanz wirkender Geschosse vortrefflich. Hammeums burgus stand
auf der Stelle der heutigen Stadt Prokuplje, in welcher man wiederholt antike
Grundfesten, Münzen, Schmuckgegenstände von Bronze, Kupfer, Edelmetall, ferner
Beinnadeln, keramische Gefässe usw. fand.
Jirecck glaubte, dass Prokuplje in der byzantinischen Epoche „Komplos"
und während der altserbischen vom 14. bis 15. Jahrhundert „Koprijan" hiess.
Dem widerspricht der eifrige Quellenforscher Ruvarac. Er weist darauf hin, dass
/
~ a/
■ 1 ä^^''-
^ ^i^'im'
PROKUPLJE. RiMiicrturiii.
Koprijan nicht mit Prokuplje identisch sein kann, weil beide im ersten Artikel
des Szegediner Friedensvertrags vom Jahre 1444 in der Reihenfolge der dem
serbischen Despoten zu übergebenden festen Plätze als die zwei ganz ver-
schiedenen Städte „Koperhanum" und „Prokopiam" aufgezählt werden; ferner,
weil Koprijan nach den alten Itinerarien nur im Niäavagebiet, also auf dem
rechten und nicht auf dem linken Moravaufer gesucht werden dürfe.') Damit
fällt auch Jireceks weitere Ausführung: „Nach der Einnahme von Nis durch die
Türken übertrug man den Heiligen (den Leib des hl. Prokopios) in das benachbarte
■) Glasnik, Bd. 49, S. 10.
288 über [^rokiipljc durch die Jankova Klisiira und Kursumlija auf den Prcpolac.
Koprijan, das seitdem Prokopje lieisst." In Wahrheit wird Prokupljes heutigei
Name von seinen Bewohnern nicht im Sinne dieser Hypothese, sondern von
dem „prokopavanje" (liefer Graben) abgeleitet, welchen die Toplica im städtischen
Weichbilde durchfliesst, und nach anderer Auslegung, weil der hl. Prokopios um
das Jahr 290 von dort den Christusglauben im Toplicagebiete weit verbreitet
haben soll.
Der Umstand, dass sich am Aufgang zum Hisar zwei alte Kirchen befinden,
von welchen eine „Jug Bogdanova crkva" heisst, trug gewiss dazu bei, dass
traditionell dem gleichnamigen populären Wojwoden auch die Erbauung der ihn
krönenden Feste zugeschrieben wird. Das Lied, in dem der sirmische Wojwode
Rajko die Befehlshaber der Serbenschlösser beim Heranzuge der Türken aufzählt,
nennt als solchen von Prokuplje den „alten Jug Bogdan". Wäre es erwiesen,
dass er noch die Stadt hielt, als die Feinde schon Nis besetzt hatten (1386),
und dass er von Prokuplje mit seinen neun Söhnen zur Entscheidungsschlacht
zwischen Kreuz und Halbmond auf das Kosovofeld zog, dann wäre die Stadt
erst 1389 von Sultan Bajazid erobert worden. Ihre Bezwingung soll den Türken
viele Streiter und sieben Führer gekostet haben, welchen als „Glaubensmärtyrern"
an den Stellen, wo sie fielen, prächtige Tulbas errichtet wurden. Die Reste von
dreien konstatierte ich 1889 in der Stadt, bei der „Incar dzamija", bei der
Kafana „Jug Bogdanova", am Brunnen der „Velika pijaca"; eine stand auf der
nordöstlichen „Guba", eine SO. bei der „Garicka cesma", eine W. vor der
Stadt, auf dem linken Toplicaufer, und das siebente, noch ziemlich gut erhaltene
Denkmal an der Trnavska reka- Mündung, woraus sich die Länge der von W.
nach 0. gedehnten serbischen Verteidigungslinie auf 4 km bestimmen lässt.
Das von Türken und Albanesen „Urkup" genannte Prokuplje musste
zufolge des Szegediner Vertrags 1444 den Serben ausgeliefert werden; 1455
wieder türkisch, wurde es gleich Glubocica von Mehemed der Sultanswitwe Mara
überlassen. Unter dem Schutze dieser Christin gebliebenen (?) Tochter des
Serbenfürsten Brankovic, deren Grabtulba auf dem Brussaer moslimischen Friedhof
gezeigt wird, scheint die Stadt sich von den Kriegsschlägen erholt zu haben.
Ihre Kirchen blieben unangetastet, auch residierte dort weiter der Toplicaer
Bischof, im 16. Jahrhundert befand sich dort noch eine ragusäische Kolonie, die
ihr eigenes Kaufhaus (fondacco) besass, und den Strassenzug nach Novi Pazar
belebten viele Handelskarawanen. Im 17. Jahrhundert gehörte die Stadt zum
Sandschak Aladza-hisar (Krusevac). ')
Der 1688 zwischen dem Sultan und Österreich ausgebrochene Krieg führte
1689 eine Abteilung des Grafen Piccolomini vor Prokuplje, die es nach kurzem
Gefechte besetzte und verpalisadierte. Fusstruppen, hannoveranische Reiter und
serbische Freiwillige unter dem Hauptmann Ruschambach bildeten die Garnison,
als die Türken mit grosser Übermacht 1690 die Stadt angriffen. Nach einem
durch den Kapetan Antonije zurückgewiesenen Überfall wurde sie verwüstet
und während des Rückzugs der Kaiserlichen verlassen. Die Besatzung erreichte.
■) Hadzi Chalfa, Runieli und Bosna, S. 146.
über Prokupljc durch die Jankova Klisura und Kursumlija auf den IVepolac. 2H9
die türkischen Angreifer fortwährend blutig zurückweisend, auf schwierigen
Gebirgswegen das nördliche Krusevac. ')
Während des nun beginnenden serbischen Exodus nach Ungarn leerte sich
auch das Toplicagebiet, und die längst lüstern von ihren Steilbergen auf seine
fruchtbaren Täler hcrabblickenden Albanesen drangen in diese ein. Der folgende
Krieg unter Prinz E-ugen im Jahre 1718 Hess Prokuplje unberührt. Dagegen
arbeitete sein Bischof Mihail §umen lebhaft an der Vorbereitung der vom Wiener
Kaiserhofe geforderten Massenerhebung, welche als Hauptbedingung des von der
bedrängten Rajah in vielen Petitionen dringend erflehten neuen Kampfes zu ihrer
Befreiung hingestellt wurde. Dieser \TM begonnene Krieg endete 1739 unglücklich
für die kaiserlichen Waffen und führte zum zweiten, noch grösseren serbischen
Exodus. Selbstverständlich flüchtete auch der stark kompromittierte Bischof
Mihail, und die Prokupljer „Metropolija" blieb seitdem verwaist.
Das von den Christen nahezu ganz verlassene Toplicabecken zog die
Arnauten der westlichen Gebirge mehr noch als früher an. Durch die türkische
Regierung begünstigt, gewann das albanesische streitbare Element zwischen dem
Kopaonik und der Morava immer breiteren Boden. Die Orte Biljeg und Krajkovac
mit noch erhaltenen Kirchlein bezeichnen so ziemlich die Grenze, welche es bis
1878 im östlichen Dobric erreicht hatte. 1858 gab es auch auf dem rechten
Moravaufer elf rein arnautische Orte. Allmählich siedelten sich Sippen vom
Stamme Klementi bei Kursumlija und Dedic an, ferner von dem angesehenen
Eis Krasnic, dessen greiser Chef gegenwärtig in Pristina residiert, die sich mit
solchen der Beris, Gas und Sob von Lcskovac bis Vranja und in die Masurica
ausbreiteten. Sie zahlten dem Sultan nur geringfügige Steuern und regierten
sich autonom, und ihrem energischen Wesen wich die ihnen schutzlos preis-
gegebene Rajah.
Zur Zeit des ersten serbischen Aufstandes erhofften die zurückgebliebenen
Christen vergebens ihre Befreiung durch Karadjordje. Als dieser 1809 gegen
Novi Pazar vorging, marschierte sein tapferer Genosse Stanoje Glavas — eine
bisher wenig gekannte Tatsache — durch die Jankova Klisura über Mala Plana,
dessen Krnin-Moschee er zerstörte, gegen Prokuplje und nahm seine Vorstadt; die
Palanka jedoch widerstand, und auf die Hiobsposten aus Nis musste er sich
zurückziehen. Bald darauf, als die Arnauten einen Selbsthilfeversuch der zum
äussersten getriebenen Rajah mit Handschar und Feuer erstickt hatten, zwangen
sie die stark zusammengeschmolzene Prokupljer Serbengemeinde, die weithin
sichtbare Kuppel ihrer am Hisar liegenden Kirche zu entfernen; die Minaretts
mehrten sich auf fünf, und 1858 besass die Stadt etwa 500 moslimische Familien
neben 300 christlichen, 10 israelitischen und 20 Zigeunerhäusern, zu welchen
1864 jene der hier angesiedelten Tscherkessen kamen.
Am 18. Dezember 1877 nachmittags schlug endlich für Prokupljes bedrängte
Christen die langersehnte Befreiungsstunde. Wie mir der gewesene Stadtkniet
') Die freiwillige Teilnahme der Serben und Kroaten an den vier letzten Kriegen.
Wien 1854.
F. KANITZ, Serbien. II. 19
290 über Frokupljc durch die Jankova Klisura und Kursumlija auf den Prcpolac.
mitteilte, gab es damals 620 arnaiitisch - tscherkessische, 50 türkisclie und
36 Zigeunerhäuser neben 325 serbisciien und 3 jüdischen Famihen. Die starke
moslimische Bevölkerung räumte nach kurzem wirksamen Artilleriefeuer die von
ihr angezündete Stadt. Die Schule, 25 Häuser und Magazine brannten nieder.
Weit mehr schädigte ihren Wohlstand der noch lange nicht ersetzte Verlust des
wohlhabendsten Teiles ihrer Bewohner. Auch die reichste Türkenfamilie Hassan
Begovic, bestehend aus den Brüdern Jusuf, Mithad, Esad und Malic Beg, welche
ausser vielen Häusern und Gründen in Prokuplje die zinspflichtigen Dörfer
Balicevac, Lepaja, Badnjevac, Sajinovac und Potok besass, verliess die Stadt.
Nach dem Einzüge der serbischen Truppen wurde ein feierlicher Gottes- '
dienst in der Sv. Prokop -Kirche abgehalten. Diese ist eine Basilika mit
tonnengewölbtem Hauptschiffe, das durch acht Pfeiler von den niedrigeren
Seitenhallen getrennt wird, mit entsprechenden Apsiden und dreibogigem Vor-
räume, aus dem man, über drei Stufen abwärts schreitend, das Innere betritt.
Im Tympanon der mittleren Eingangspforte erscheint das Bild des hl. Prokopios
mit Lanze in der linken Hand, darüber eine figurenreiche Gruppe, in deren Mitte
die hl. Jungfrau. Die östliche kreisförmige Wölbung des Hauptschiffes zeigt den
Pantokrator, die mittlere Christus, die westliche die hl. Maria, umgeben von
Figuren und kleinen Darstellungen aus dem alten und neuen Testament. Die
linksseitige Altarnische enthält einen mit beiden Händen segnenden Christus, die
hl. Jungfrau zur linken, den hl. Johannes zur rechten Seite. Die Bilder in der
Tribuna und rechtsseitigen Nische sind aber gleich jenen an den Wänden und
im nördlichen rundbogigen Zubau unter einer weissen Kalktünche verschwunden.
Eine bunte Ikonostasis schliesst vor dem ersten Pfeilerpaare den Altarraum ab.
in der Mittellinie des Estrichs erscheinen drei kreisförmige Mosaiks von Ziegeln
und weissen Steinen. Das Gesimse des auch den Zubau einbeziehenden
Giebeldaches und der halbrund vorspringenden Apsiden, bestehend aus zwei über
Eck gestellten, durch ein Horizontalband getrennten Ziegellagen von guter Wirkung,
bildet den einzigen Aussenschmuck des aus Bruch- und Backsteinen aufgeführten
Gotteshauses, das von Jug Bogdan kurz vor der türkischen Invasion erbaut sein
soll, wahrscheinlicher aber auf den Grundfesten eines weit älteren zerstörten
Baues entstand. Auf dem die Kirche umgebenden Friedhofe bezeichnet eine
Steinplatte mit lateinischer Inschrift das Grab Mato Ivanovics, eines wahrscheinlich
ragusäischen Kaufmanns, der hier 1668 unter Symantraschlägen begraben wurde.
Heute tönt die eherne Stimme des neu gezimmerten Glockenturms unbehindert
weit ins Land hinaus.
Jug Bogdan, Knez Lazars treuer Partisan, wird auch traditionell als Stifter
des nahen Kirchleins bezeichnet, welches das Volk auch „latinska kapela" nennt.
Gleich nach der serbischen Eroberung wurde der mit Apsis und Narthex 10,5 m
lange, 3 m breite Bau überdacht, um ihn vor weiterem Verfall zu schützen. Das
Tonnengewölbe liegt in Trümmern, die Fresken sind verwüstet; nur in der
Tribuna ist über zwei Bilderreihen eine segnende Maria erkennbar. Auch das
überhöhte Tympanon über dem Eingange zeigt Spuren einstigen Freskenschmucks.
Das Mauerwerk zeigt hier, wie bei den meisten Kirchenbauten Bulgariens,
über Prokiiplje durch die Jankova Klisurn und Kuisiimlijn auf den Prepolac. 291
Süd- und Altserbiens, eine interessante Nachaiinuing des röniisciien {^rossen und
mittleren Steinverbandes, die zwischen Bruchsteine im breiten Mürtellager senk-
recht eingeschobenen Ziegel, eine Technik, welche die christlichen Werkmeister
bei Moscheen dieser Epoche anwendeten. Sie erscheint auch hei dem stark
verwüsteten Kirchlein im von Prokuplje siclitharen Einschnitte zu Dobrotic. Das
Volk schreibt den 6,5 m langen, 4 ni breiten Bau mit Tonnengewölbe und
halbkreisförmiger Apside gleichfalls den „Latini" zu, ohne, wie stets in solchem
Falle, stichhaltige Gründe dafür angeben zu können.
Vorüber an der jetzt als Gemeindeamt benutzten türkischen Karaula, stieg
ich hinab in das ehemalige moslimische Hauptviertel. Sein prächtigstes Denkmal
bildete die neben dem ungeschlachten Uhrturm elegant sich erhebende „Jncar
dzamija". Der heute als A\iJitärdepot dienende 15 m lange, 10 m breite, in der
zuvor beschriebenen Technik ausgeführte Bau soll früher eine Kirche gewesen
sein. Dem widerspricht nicht allein die ursprüngliche, mehr nach rechts und
gegen SO. gerichtete Kibla, sondern auch die organisch eingefügte, reich
dekorierte Nische der Vorhalle, neben dem Aufgange zu dem gleichfalls
ursprünglich entstandenen Minarett, das auf massigem quadratischen Piedestal
mit reich geschmücktem Galeriekranze hoch in die Luft ragt. Gegenüber diesem
Ergebnis meiner eingehenden kritischen Untersuchung kann die aus dem Moschee-
nanien abgeleitete Tradition nicht bestehen; „incar" muss in diesem Falle eine
andere, als die sie stützen sollende Bedeutung besitzen.
im benachbarten „Serai" fand ich zwei grössere einstöckige und mehrere
kleine Gebäude, welche einen weiten Hof umschliessen. Der wachhabende
Unteroffizier des hier bequartierten 2. Bataillons der Morava-Division geleitete
mich in die sonst abgesperrten Prachträume des „Konak", in dem die turbulenten
Medzlisberatungen der stolzen arnautischen Begs sich abspielten. Meine Auf-
merksamkeit fesselten ganz besonders zwei kunstreich getäfelte Holzplafonds,
von 4,30 m im Gevierte, mit prächtig geschnitztem, teils geometrischem, teils
ornamentiertem Füllwerk, die jedes unserer orientalischen Museen gewiss gern
als wertvolle Bereicherung erwerben würde. Sie sind aber gleichwenig feil,
wie die aus fünf originell skulptierten, übereinander vorragenden Eichenpfählen
gebildeten Träger des nach der Strasse gehenden breiten Balkons.
Im Vergleiche zu diesen stattlichen Bauten ist das Gebäude, in dem sich
das „Nacelstvo" des „Toplicki okrug" befindet, mehr als bescheiden; es wird
jedoch bald durch ein neues ersetzt werden, das auch die Kanzleien für den
Prokupacki und Dobricki srez aufnehmen soll. Durch die Neuorganisation im
Jahre 1890 wurde der Jablanicaer Bezirk vom Toplicaer Kreise abgetrennt, dafür
wurden ihm aber die früheren Bezirke Nis und Zaplanje zugewiesen. Durch diese
Neuerung der Mittelpunkt eines der wohlhabendsten serbischen Landesteile, blüht
die durch den Abzug ihrer Moslims schwer geschädigte Stadt rasch empor, und
obschon der Kreis 1896 auf die Bezirke: Dobric, Kosanica und Prokuplje
beschränkt wurde, zählt sie in 917 Häusern') über 5200 Bewohner, darunter
') 1905 hatte sie 1137 Häuser und 5571 Einwohner.
19*
292 über Prokuplje durch die Jankova Klisura und Kuräumlija auf den Prepolac.
27 Griechen, 8 Ungarn, nur 6 Türken, 56 Juden und 132 meist mosiimische
Zigeuner. Die sechsklassige iiübsclie Normaischule mit 9 Abteilungen und gleich
vielen Lehrern wird von 320 Knaben, die vierklassige Mädchenschule von nahezu
100 A^ädchen besucht. Fünf Geistliche sorgen für das Seelenheil. Der einzige
Arzt und ein Advokat sind stark beschäftigt und gelangten, wie viele der mehr
Ackerbau als Gewerbe und Handel Treibenden, zu grossem Wohlstand, wozu
die 38 Ober- und Unteroffiziere der inklusive Gendarmen 216 Soldaten zählenden
Garnison, sowie der 1888 begründete Spar- und Hilfsverein, der jährlich bereits
5 Miil. d zu 8— IC/o in Umlauf bringt'), wesentlich beitragen.
Die Regulierung, Pflasterung und Beleuchtung der zur Türkenzeit stark
orientalischen Stadt hat während des kurzen Serbenregiments anerkennenswerte
Fortschritte gemacht. Am wenigsten hat sich bisher die nördliche, ärmeren
Zuzüglern eingeräumte Cerkeska mahala entwickelt. In der langen Hauptstrasse
und auf dem grossen Platze entstanden viele nette Bauten, ein Kasino mit Cafe
und Speisesälen, eine Apotheke und einzelne gut assortierte Läden. Im grössten,
„Zum Thronfolger", traf ich österreichische ordinäre Glas-, Eisen-, Galanterie-
und Textilwaren; die besseren, teueren, echtfarbigen Kattun- und Plüschtücher,
Leinen, Garne usw. waren auch aus Belgrad bezogen, stammten aber aus
England, Deutschland, und die Waffen aus Belgien. Das wachsende Bedürfnis
führte zur Niederlassung sehr primitiv arbeitender kleiner Gewerbsleute; die
Industrie erscheint nur durch eine Kunstmühle vertreten. Die Ausfuhr der in
den westlichen Staatsforsten von meist ungarischen Unternehmern erzeugten
Fassdauben nimmt ihren Weg durch Prokuplje, dessen Oberförster mit zwei
Kreis- und vier Bezirksförstern bemüht ist, die oft unbotmässigen neuen Ansiedler
der Umgebung an die serbischen Vorschriften zur Erhaltung der sehr stark in
Anspruch genommenen Wälder zu gewöhnen. Stetig steigender Nachfrage erfreut
sich der auf den nahen Höhen gepflanzte, als „Prokupac" in den Handel
gelangende Wein; jener vom südlichen Berg Bamburek mit 14 — 17» Alkoholgehalt
gilt als der edelste und wurde trotzdem 1889 am Orte zum unglaublich billigen
Preise von 12 Centimes ^^ 6 Kreuzer per kg und als Speisetraube sogar nur
mit 8 Centimes per kg verkauft. 1888 wurde auch die südlich vom Hisar
liegende Sokolica mit Reben bepflanzt. Die Lese wird im ganzen Prokupljer
Kreise am 18. Oktober begonnen. Die raschere Ausbreitung des Rebenbaues
und die Hebung anderer wirtschaftlicher Zweige hat der Präfekt Pera Bozovic
in seinem Amtsbereiche sehr gefördert; was er aber für die Neubesiedelung des
nahezu entvölkert übernommenen Gebietes zwischen dem Jastrebac, Kopaonik
und der Medvedja geleistet, war ungleich schwieriger zu vollbringen und erscheint
im Hinblick auf die geringen Hilfskräfte und Mittel, über welche er verfügte,
hoch verdienstlich.
Die verschiedenartigen Elemente zu betrachten, welche offen und geheim
unter mehr oder weniger bekannten Führern im Toplicaer und Vranjaer Kreise
eine neue Heimat suchten, die Schritte zu berühren, welche zur Rückwanderung
') 1905 betrug der Umlauf 7,2 Mill. d zu 127„.
über Prokiiplje durch die Jankova Klisura und Kursumlija auf den Prepolac. 293
einiger tausend Albanesen nach Serbien geführt, und den politischen Kalkül aus
dieser merkwürdigen Stäninieverschiebung an einem durch seine geographische
Lage hochwichtigen Punkte des illirischen Dreiecks zu ziehen, dazu wird sich
Gelegenheit anlässlich der foigeiuien Schilderung des wenig bekannten Gebietes
bieten, auf dem sich diese moderne kleine Völkerwanderung abspielte.
Der von zwei feurigen Pferden gezogene Wagen des Nacelniks, auf dem
am 2. Oktobermittag ausser diesem und mir der Prokupljer Bezirkskapetan
Dimitrije Pavlovic Platz genommen, folgte so rasend schnell den Kurven der
hart am Toplicalaufe geführten Kursumlijaer Strasse, dass unsere vorauseilenden
Gendarmen galoppieren nuissten, um nicht überholt zu werden. An der
Trnavska reka-Mündung besichtigten wir die quadratische, in der beschriebenen
Bautechnik ausgeführte Tulba für einen der bei Prokupljes erster Eroberung
gefallenen sieben Paschas, und erstiegen dann, durch Jungwald nach NW.
abbiegend, das Huniacplatcau, auf dem die [:5aniburekh(ihen rechts Wein trugen,
die westlichen aber baumlose, riesige Hutweiden bedeckten. Weder Menschen
noch Herden waren zu sehen. Erst nachdem wir 14 km zurückgelegt, zeigten sich
östlich von Mrselj elende Hütten der im Frühjahre aus Debr am albanesischen
schwarzen Drin hierher übersiedelten Serben. Die Männer arbeiteten auswärts;
alle Mühe daheim lastete auf ihren verkümmert aussehenden, mit blondhaarigem
Nachwuchs reich gesegneten Frauen. Der Nacelnik tröstete sie, dass er alles
vorbereitete, um ihnen recht bald Ackergründe aus dem staatlichen Landbesitze
zu übergeben. Nun zählt es schon über 2ÜÜ Seelen in 35 Häusern.
Einen Kilometer weiter kreuzten wir den Planabach nahe bei seinem
wohlhabt^dcn Hauptorte Velika Plana mit 160 Gehöften, deren Bewohner
1878 aus der Umgebung von Novi Pazar kamen. Für ihren Bildungssinn sprach,
dass sie sofort eine von 40 Knaben eifrig besuchte Schule erbauten und den
Nacelnik dringend um sein Fürwort wegen baldigster Zuweisung einer tüchtigen
Lehrerin für ihre Mädchen beim Ministerium baten. Bei der nahezu fertigen,
doch erst 1890 dem hl. Nikolaus geweihten Kirche traf ich einen bulgarischen
Werkmeister, welcher, da man alles Material beistellte, für den Bau nur 80 Dukaten
erhielt. Heute zählt Velika Plana durch weitere Zuzüge schon 224 Häuser mit
1550 Seelen, und die gleichnamige Gemeinde in acht Orten: 766 Häuser mit
4834 Seelen.
Über eine gut kultivierte Höhe steuerten wir im folgenden Westeinschnitte
unserer Nachtstation Donja Bresnica zu, das auf der serbischen Generalstabs-
karte zu weit SW. verlegt erscheint. In Wirklichkeit liegt es dort, wo auf der
Karte Gornja Bresnica eingezeichnet wurde, letzteres aber 1,5 km nördlicher
am gleichnamigen Bache, auf dessen beiden Ufern seine 45 Häuser sich weit
hinauf ausbreiten. — Der Tag schloss herrlich ab. Die Sonne verglühte auf den
weit mehr als 1560 m hohen Pogled- und Djuricagipfeln des N. in langer
Linie sich dehnenden Jastrebac. Auf seiner vor uns liegenden, vom Staate
verpachteten Golaca-Alp weiden mazedonische Crnovunci ihre schwarzwolligen
-!)l ('her ProUiipljc cliirch die janknvn Klisiira iiiul Kiirsiniilija mit tlfn Prepolnc.
Schafe. Zwischen den }i;rasreichen Triften steigen hier allerorts gut erhaltene
liefdunklc Eichen- und Buchenwälder tief herab bis zum langgestreckten Dobric-
lliichplateau, dessen von zahllosen Toplicazuflüssen durchschnittenen fruchtbaren
Boden bis 1878 hoch hinauf in die Waldregion nahezu ausschliesslich albanesische
Orte bedeckten. Die wenigen eingestreuten Serbendr)rfer litten nach Prokupljes
Fall (S. 290) von den das Kommende ahnenden Amanten sehr viel. Am 15. und
16. Januar 1878 griffen sie die beim Toplicaursprung, am Orlic und Knezevo Brdo
sich sammelnden Serben an. Unterstützt von den Aufständischen aus dem jenseitigen
Ibartale warfen diese sie zurück, und als gleichzeitig die serbischen Truppen
Kursunilija und die Kosanica-Landschaft nahmen, flüchteten jene, für ihre Rückzugs-
linie besorgt, hinüber in das Gebiet von Novi Pazar. Als sie nach dem Berliner
Frieden ihre verlassenen Dörfer wieder aufsuchen wollten, waren diese bereits in den
Besitz der rasch von der türkischen Raska herbeigezogenen Serben übergegangen.
Mijailo Prolovic, der Rajahführer im Kampfe gegen Türken und Amanten,
war auch Vermittler und Leiter des ersten aus 2100 Kommunionen zu 10 bis
30 Köpfen bestandenen Exodus. Diese besiedelten, wie er mir ipitteilte, folgende
jetzt rein serbische Orte: das schon geschilderte Velika Plana, Mala Plana,
Gornja und Donja Bresnica, Zdravinje, Koncic, Mrselj, Omerovac,
Gornja und Donja Josanica, Svarca, Gornja und Donja Dragusa,
Pretezana, Beloljin, Gornja imd Donja Konjusa, Bejasnica, Prekadin,
Gojinovac, Djusince, Obrtinci, Piskalj, Siroke Njive, Gornje und
Donje Tocanje, Plocnik, Vlase, Tulare, Kaludra, Barbatovac, Tniava,
Suvi Dol, Vica, Resinac, Spance, Grgure, Visescio, Blace, Trbunjc,
Rasica, Kutlovac, Stubal, Sibnica, Cucale, Dzepnica, Madjare,
Popovo, Prebreza, Vrbovac, Pridvorica, Siljomane, Medjuana, Suva ja,
Alabana, Pretresnja, Gornja und Donja Recica. Andere Einwartderer aus
dem Kosovofelde begründeten das neue Lazarevac mit 26 und Milosevac
mit 17 Familien. Die Mehrzahl der genannten 60 Orte ist über die erste harte
Zeit hinaus. Dragusa erbaute seither wie Plana eine Kirche und Schule, andere
Gemeinden wie Blace, Recica u. a. nur Schulen.
Grossen Anteil an dieser gelungenen Einwanderung nahmen der für seine
Dienste mit dem Posten eines Waldaufsehers karg belohnte Andrija Atanasovic,
der 1875 den Aufstand in der Herzegowina vorbereitet, ferner der mit der
Pfarre Svarca entschädigte Vujica Mileta Simonovic aus Mekinic am Kopaonik,
welcher die Erhebung 1876 gefördert hatte. Schon von Velika Plana hatte der
Nacelnik beide Führer durch Eilboten für den nächsten Frühmorgen nach Bresnica
entboten, und mit Tagesanbruch erschienen sie im Gehöfte des kurzweg „Mijailo"
genannten „Wojwoden" Prolovic. Dieser wegen seiner besonderen Intelligenz
zum Knieten gewählte, auch schon militärischen Rang bekleidende junge Mann
empfing und bewirtete uns nicht allein mit vollendeter Gastlichkeit, sondern
beantwortete unermüdet meine vielen, den Exodus streifenden Fragen. Auch der
Pope und der nahezu zwei Meter hohe Atanasovic, mit ausdrucksvollem, von
schwarzem Vollbart umrahmten Kopfe, wussten in spannender Weise viel über
Entstehung und Verlauf der bezüglichen Vorgänge zu erzählen.
über Prokiipljc" durch die J.uikovn Klisiirn und Kuisiimlij.i auf den Prcpolac '2fl5
Ihr Beginn liegt weit zurück, in der 1875 ganz Bosnien bis Novi Pazar
erfassenden Erliebinifj; der Rajah f^egen die Pforte oder riclitiger gegen den von
iiir geduldeten harten Druck der mosliniischen Begs und Agas. Andrija kam
aus der gärenden Herzegowina in das obere Ibargebiet, um dort den Aufstand
zu organisieren, wurde aber von den wachsamen Türken auf drei Monate ins
Gefängnis gesteckt. Kaum frei, warb er im Herbste eine Cefa von 50 ent-
schlossenen Leuten als Cadre für den im Frühjahre beabsichtigten allgemeinen
Aufstand. Zu Vracevi schworen sie am Bozic (Weihnachtstag) auf das Kreuz,
dass keiner etwas verraten und jeder in seinem Dorfe für die Ausbreitung der
Befreiungsidee wirken werde. Unter den Eingeweihten befand sich der Pope
Vujica, ein Mann von gedrungenem Wuchs, energischem Gesichtsausdruck, klugen
Augen und rötlichem Barte, der nun seinerseits erzählte, wie er seine Schar mit der
Andrijas vereinigte, wie sie, 1700 Mann stark, im Frühjahre 1876 auf der Borova
Glava ihr verschanztes Lager aufschlugen, es gegen die Angriffe der Türken und
Arnauten tapfer verteidigten, doch vergebens auf die zugesagte montenegrinische
Hilfe wartend, sich nach dem unglücklichen Ausgange des serbischen Krieges
genötigt sahen, ihre Position zu verlassen. Viele schlössen sich, weil die
türkische Raciie fürchtend, im September dem Milojevicschen Streifkorps an.
Im Herbste des nächsten, den Türken unheilvollen Jahres lebte die Ceta der
„Ibarski ustasi" wieder auf. Diesmal trat „Wojwode Mijailo" an die Spitze.
Ais wollte er sagen: „Das sagt alles!" wies er auf das seine Brust schmückende
serbische Tapferkeitskreuz und schwieg.
Die von den Emigranten verlassenen Wohnsitze bei Novi Pazar nahmen
grösstenteils mohammedanische Bosniaken ein, welche der österreichisch-
ungarischen Okkupation sich nicht fügen wollten. Ob sie ihre Lage im selben
Masse verbesserten, wie die von dort nach Serbien gewanderte Rajah, ist fraglich.
Von seinem neuen Vaterlande wurde Mijailo mit Landbesitz begabt, der, sich
stetig mehrend, zur Zeit meines Besuchs schon 60 ha Acker und Wiesen betrug.
Letztere allein brachten ihm gleich im ersten Sommer 160 Wagen Heu, die er
zu Prokuplje mit 12, in Nis aber mit 20 d verkaufte. Er besass auch 20 Stück
Rinder, 15 Schweine, 80 Schafe und Ziegen, ferner Geflügel und Obstbäume in
Menge. Seine Reutermaschine stellt er den Nachbarn gegen Rücklass von 5 "/o
des gereinigten Getreides zur Verfügung. In Mijailos wohnlich mit Eisenbetten,
Stühlen, Teppichen usw. ausgestattetem Gehöfte leben seine Frau mit fünf
Kindern, seine betagten Eltern und drei jüngere Brüder, also zwölf Seelen. Diese
Kommunion ist klein gegen jene des Popen Simonovic, die ausser seiner Mutter
und eigenen Familie aus sechs Brüdern, von welchen fünf verheiratet, besteht
und zusammen 33 Köpfe zählt. Der ihm zugeteilte Grundbesitz nährt ihn
reichlicher als seine Pfarre, obschon diese sieben Orte mit 1200 Seelen umfasst.
Von einem ansehnlichen Reiterschwarm begleitet, durchfurteten wir die
Bresnicka reka. Auf der rechtsuferigen Höhe zeigte uns Pope Vujica NW. in
der wildreichen Zdravnicaschlucht die 1884 restaurierte alte „ Ajdanovacka"
hl. Georgskirche, welche bis 1889 das einzige Gotteshaus, wie Planas Schule
die einzige Bildungsanstalt des grossen Sprengeis zwischen Prokuplje, Kursumlija
2!)f) über Prokiiplje durch die Jaiikova Klisiirn und Kiirsiimlija auf den Prepolac.
und dem ehemaligen serbischen Grenzgebirge war. Die anderen acht Pfarrer
dieses Gebietes lasen die Lithurgie in „crkviäte", das sind Ruinen der während
der altserbischen Epoche im Topiicagebiete zahlreich gegründeten Heilstätten.
Noch häufiger als bessere Kirchen wurde aber allerorts die baldige Gründung
von Schulen beim Nacelnik erbeten.
Die drei Führer der „Ibarski ustasi" sprengten neben, die Gendarmen mit
angedrückten Karabinern vor und hinter unserem Wagen her. Es war eine
prächtige Kavalkade, in welcher auch der martialisch sich haltende Pope eine
gute Figur machte. Der Schauplatz seiner Kämpfe, die südwestlichen türkischen
Grenzberge Suvo Rudiste, Treska und Stava, traten immer deutlicher hervor.
Dort, zwischen beiden Hauptadern der Toplica, liegt bei Gradac eine Kastell-
ruine, und südlicher an ihrem Zuflüsse Lukovska reka das alte Kirchlein Stavska
crkva mit einer Inschrift, nach welcher „als Kir Paisije, Pecer Patriarch und
Erzbischof aller serbischen Küsten- und unteren Donauländer, der Gracanicaer
Metropolit Silvester es gründete". Da dieser Paisije erst 1614 — 1647 Patriarch
war'), fällt die von Milicevic mitgeteilte Tradition, dass die Kirche 37 Jahre
nach der Kosovoschlacht, also schon 1426, gestiftet wurde.-) Der 12 m lange,
6 m breite Bau ist aussen mit Bildern von Heiligen geschmückt, welchen die
Arnauten die Augen ausstachen. Einer unserer Begleiter wollte wissen: der
Staver Dorfinsasse Vasa Stevic besass einen Berat (Freibrief) und wertvollen
Becher, die sein bergbaukundiger Urahn von einem Sultan für einen aus purem
Kopaonikgolde geschmiedeten Apfel und dafür erhielt, weil er für ihn einen
reichen Goldbau in Asien entdeckt hatte.
Dem Nordosthange des 1471 ni hohen Grenzberges Tumba entfliesst bei
Lukovo eine schwefelsauere Therme von 55" C, und 5 km SW. steht auf
türkischem Boden an der Labquelle Bela Voda, unfern der 1705 m hohen
Karaula Pilatovica, ein „Jerinin grad" mit ziemlich erhaltenen Türmen, auf
antiker Grundfeste, das die nun verlassene Strasse nach Podujevo schützte.
Auch NW. sieht man auf dem Strasnik, beim türkischen Dorfe Koporic, eine
alte Strassentrace, die noch in altserbischer Zeit aus dem Ibargebiet über eine
hohe Kopaonik- Einsattelung hinab in das obere Toplicatal (Topliza stretta)
führte. Mit diesem Wege parallel lief ein den Ibar bei der Burg und Ragusaner
Kolonie Ostraci überschreitender, auf dem man bei Kostimpolje (Casal de
Constantina) in das mittlere Toplicatal (Toplica larga) und östlich vom heutigen
Spance (Spanza) an den nach Nis hinausleitenden unteren Flusslauf gelangte.
Diese im Mittelalter vielbenutzten Strassen beschrieb der 1553 von Venedig
nach Asien reisende Ramberti. Von Ragusa grossenteils durch unwirtliches
Gebirgsland ziehend, atmete er im unteren Topiicagebiete zum erstenmal frei
auf, „weil es breit und allerorts mit prächtigen Triften, Wein- und Obstkulturen
bedeckt ist". Ich fand des verwöhnten Venezianers Urteil gleich richtig, wie
jenes unseres Hahn (1859), der das Tal als entzückend schön schilderte.
') Hllarion Ruvarac, O Peckim Patrijarsima usw.
-) Kraljevina Srbija, S. 359.
über Prokuplje durch die Janknvn Klisurn und Kiirsumlijn auf den Prepolnc. 297
Noch viele andere lieute verlassene Routen zogen von den reichen Bergarten
am Kopaonik und jenen des seit dem letzten Rajah-Exodus ziemlich verödet
gebliebenen oberen Ibar in das von seiner ganz zwecklosen Verwüstung im
Kriegsjahre 1878 sich schwer erholende Toplicagebiet herüber. Dies- und jenseits
mehren sich bis in die Ebene frech sich vorwagende Wölfe und andere Raubtiere.
Bei Gornja Svarca sass hart am Wege ein mächtiger Geier, dessen Flügel
der jagdeifrige Nacelnik mit einer wohlgezielten Schrotladung aus seinem Doppel-
stutzen lähmte. Durch verschont gebliebene alte Obstkulturen und 1883 neu
angelegte Rebenpflanzungen, die letzten, welche ich auf dem früher arnautischen
Territorium bis zur Südgrenze sah, kamen wir zu Gornja Dragusns schicksals-
reicher Moschee, die, auf den Alauern eines von dichtem Wald umgebenen
Dorlteil zu Bresniciö.
Kirchleins entstanden, nun durch Holzwände untergeteilt, als Gemeindehaus dient.
Sein aus Lepojevic am Ibar stammender junger Pisar hält, trotz der auch hier
eingezogenen bureaukratischen Vielschrciberei, das umfangreiche Archiv in muster-
hafter Ordnung. Zur Gemeinde gehört auch das weisse Büffel züchtende
Siljomane (österr. Karte: Sulemanj). Die Männer tragen hier zu ihrer vom Ibar
mitgebrachten Tracht, wie einst die österreichischen „Grenzer", die kleidsame
blaue „sajkaca" (Soldatenmütze).
Vom tiefen Dragu§a-Rinnsal führte unsere W. gerichtete Route über die es
von der Zdravica trennende breite Hochebene, deren riesige Hutweiden noch
Raum für Tausende neuer Ansiedler bieten. Gegen Mittag erreichten wir Blace,
den Hauptort der 716 Gehöfte mit 4700 Seelen umfassenden gleichnamigen
grossen Gemeinde. Zwischen seinen 140 ziegelgedeckten Häusern steht die
massigen Ansprüchen genügende Mehana mit kleinem Laden, der über Belgrad
29S über ProkiiplJL' ciiircli die Jaiikovn Klisiiia und Kiirsumlija auf den IVcpolac.
bezogene österreicliische Apollokerzen, Glaswaren, billigen Gablonzer Falsch-
schmuck, englische Oarne, sächsische Flanelle, Stuttgarter Farben, amerikanisches
Petroleum in Zinkblechkisten usw. enthielt. Der sich bald vorstellende Ortskmet
Petar llic stutzte, als er meinen Namen hörte, und fragte, ob ich derselbe
Reisende sei, den er 1860 in seinem Vaterhause zu Brzece am Kopaonik bedient
habe. Erfreut durch dieses merkwürdige Zusammentreffen nach 29 langen Jahren,
erzählte er mir viel von seiner verlassenen Heimat (S. 66). Unser treffliches
Huhn -Paprikas würzten gebratene Champignons, welche die des Nacelniks
Vorliebe für „pecurke" kennenden Gendarmen am Wege in Menge gesammelt
hatten. Als wir zum schwarzen Kaffee die Zigaretten anzündeten, meldete
Korporal Simo, dass alles zum Aufbruche nach der Jankova Klisura fertig sei.
Die von Blace mit NW.-Kurve zur nördlichen Rasina fliessende Blatasnica,
welcher wir auf der breiten, aber unbeschotterten Strasse fpigten, ist die einzige
Wasserader, welche den 86 km langen, von W. nach O. streichenden Gebirgszug
zwischen dem Ibar und der Morava durchbricht und sein mit prächtigen Feldern,
Wiesen und Wald bedecktes, stark unduliertes Vorland bewässert. Links blieben
die früher ausschliesslich von Albanesen bewohnten Orte Djurevac, Sibnica
und Cucales grosse Ziegelöfen; rechts Dzepnica. Hinter diesem betraten wir
die durch schroffe Abstürze des 896 m hohen Javorac und der 772 m hohen
Varnica gebildete Klisura. Zwischen ihren Steilwänden lagen im tosend sich
durchzwingenden Bache abgestürzte kolossale Felsstücke der aus Tonschiefer,
Quarz und Sandstein konstituierten, vorherrschend mit Buchen bedeckten Hänge.
Von der eine Stunde dauernden raschen Fahrt entfielen zehn Minuten auf
das an manchen Stellen ungemein enge Defilee „Jankova Klisura". So romantisch
dasselbe, so wehmütig stimmend sind die Erinnerungen, so traurig sieht die
Umgebung des Kirchleins aus, das ihm den Namen gab. Gleich am nördlichen
Ausgange der Enge erblickt man, nahe der verfallenen serbischen Quarantäne
am früheren Grenzzaun, beschattet vom Gezvveige eines Ahornbaums, die noch
aufrecht stehende hohe Chorapside der „Jankova crkva". Sie verewigt den Zug
des grossen „Sibinjanin Janko" (Hunyädy Jänos) durch das Defilee auf das ihm
verhängnisvoll gewordene Kosovofeld im Oktober 1448. Mit 34000 trefflichen
Kriegern ging er zur Rächung des bei Varna getöteten Königs Vladislav auf
einer riesigen Caikenflotte über Smederevo die Morava aufwärts bis Kruäevac,
und von dort auf das für die orientalische Christenheit so unheilvolle Amselfeld.
„Stradao kao Janko na Kosovu!" — gelitten wie Janko auf Kosovo —
heisst es noch heute im Toplicagebiet, will man unsagbaren Schmerz andeuten.
Traditionell vererbte sich der Glaube: „die Kirche wurde von Hunyady während
einer Nacht erbaut, damit sein Heer vor der nahen Entscheidungsschlacht noch
die Kommunion empfange", nach anderer Version aber erst später als „spornen"
(Denkmal), weil er lebend aus derselben heimgekehrt. Beide Sagen sind gleich
unstichhaltig! Nehmen wir das „während einer Nacht" auch nicht wörtlich, so
hat doch sicher Hunyady die Vorbereitung des grossen Kampfes während seines
über Prokupljc durch die Jnnkova Klisiirri und Kursunilijn .uif den l'rcpoinc. 299
Zuges durch die Klisura so sehr beschäftigt, dass er an einen derartigen Bau
niciit denken i<onnte, und nocii weniger dürften die siegreiclien Mosiinis, nach
Hunyadys Niederlage, die Erlaubnis für diesen erteilt haben. Wohl fehlt ihm
der nahezu allen orientalischen Kirchen eigentümliche Narthex; aber auch bei
benachbarten kleinen „crkviste" traf ich Vorhallen selten. Das 5 m lange, kaum
3 m breite, aus Tuff und Sandstein erbaute Jankos-Kirchlein gehörte wahrscheinlich,
gleich den auffallend zahlreichen zerstörten Kapellen des Toplicagebietes, einer zur
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Oherst SIevan Binicki.
Zelt des grossen serbischen Exodus verlassenen Ortschaft; gab es ja damals nach
der Tradition vom Jankos-Passe bis zur Nisava 77 Kirchen!
Wie die Römer dasselbe Defilee von S. her zur Eroberung des nördlichen
Moravagebietes und, nachdem sie sich in diesem festgesetzt, es als bequemste
und kürzeste Wegverbindung ihrer Adriastrasse mit dem grossen obermösischen
Rüstplatze Horreum Margi benutzten, und wie Knez Lazar 1389, drangen stets
auch die Ungarn, Kaiserlichen und zuletzt die Serben durch die Klisura gegen
Kursumlija vor. In den ersten Julitagen 1876 wurde Hauptmann Binicki mit
5 Bataillonen aller drei Aufgebote der Krusevacer Brigade, einer halben Eskadron
'^00 (Jber Prokiiplje diircli die Jankova Kiisiirn und Kursiinilija auf den Prcpolac.
und 4 Geschützen vom rechten Flügel des Moravakorps zur Verteidigung des
wichtigen Passes entsendet. Als die zur Offensive schreitenden Türken die
Klisura am 17. September zu nehmen suchten, ging der vom Javor dahin geeilte
Oberst Colak-Antic am 8. Oktober durch diese gegen Kursumlija energisch vor,
wobei mehrere Arnautendörfer verbrannt wurden. Bald musste er aber vor den
von Pristina herangezogenen Verstärkungen kämpfend zurückweichen. Einige
schmucklose Kreuze und solche mit Inschriften unter einem hohen Apfelbaum
bezeichnen die Grabstätten der hier gefallenen Krieger. Lautlose Ruhe umgab das
an historischen Erinnerungen reiche Durchzugstor. Seinen tiefernsten Eindruck
erhöhten die dichten staatlichen Eichen- und Buchenforste, welche, von den
Hohen tief herab in das Defilce ziehend, schon im Abenddunkel lagen, als ich
die Skizze und den Grundriss der „Jankova crkva" vollendete.
Angespornt durch des Nacelniks launiges, wohl von der türkischen Bakschisch-
übung stammende: „Kakvo pecenje, onako i rcsenje!" — wie der Braten, wird
das Urteil lauten! — stellte unser Mehandzija ein trefflich mundendes Abendbrot
auf den Tisch. Das Hauptthema der lebhaft geführten Unterhaltung bildete die
Neubesiedelung des vom Staate für 600000 d den Amanten abgelösten Hochlandes.
Allgemein wurden die Kolonisten von der Vlasina und besonders die 30 Crna
Travaer Familien, welche neben 27 Vranjaern zu Bresnicic wohnen, als beste
gerühmt. Sie brachten viel Vieh und Geld mit, bauten ihre Häuser selbst,
akklimatisierten sich rasch in der Ebene und hielten streng auf Moral ihrer
Frauen. Die Ansiedler vom Drin, Novo Brdo und Novi Pazar ta.xierte man, was
Fleiss und Anstelligkeit betrifft, auf gleicher Linie; weniger gut wurden die Banater
beurteilt und am schlimmsten die Montenegriner, welche als herrisch, händelsüchtig
und faul charakterisiert wurden. Gemeinsam ist allen Einwanderern, dass sie
äusserst ungern ihre Mädchen aus dem Hause entlassen. Erklärt wird dies durch
die ungemeine Schwierigkeit, eine verlorene tüchtige Arbeitskraft in diesem
menschenleeren Landstriche zu ersetzen. Selbst alte Mädchen werden oft nur
nach heftiger Auseinandersetzung und nur für bares Geld heiratslustigen jungen
Männern zugesprochen. Die durchschnittliche Entschädigung beträgt 10 bis
15 Dukaten; verweigern die Eltern ihre Zustimmung, dann kommt es zu Ent-
führungen und Rechtsstreiten, welche die Behörden schlichten müssen.
Am nächsten Morgen überschritten wir die kaum kenntliche Rasina- und
Toplicascheide SO. von Blace. Links erglänzte der gleichnamige kleine See,
dessen oft 2 kg schwere, wohlschmeckende Karpfen und Kien (Squalius cephalis L.,
deutsch: „Döbel"; kleinere Sorte ~^ Chondrostoma Knerii Heckel) schwer zu
fangen sind. Rechts dehnt sich eine mit jungem Eichenwald und unkultiviertem
Ackerboden bedeckte Stubaler Hochebene aus, die ihre stärkere Wieder-
bevölkerung noch erwartete. Die Pforte hatte 1864 zur Mehrung des moslimischen
Elements viele tausend Tscherkessen entlang der serbischen Grenze bis auf das
Kosovofeld angesiedelt. Mehr als die Hälfte der Kaukasier erlag aber dem
ungewohnten Klima, dem Hunger und Fieberseuchen; der Rest revoltierte und
über Prokiiplje durch die Jankova Klisura und Kursumlija auf den Prepolac. '^01
verlangte in stürmischen Szenen, nach der Krim zurückwandern zu dürfen. Die
Bajonette der von Nis abgesendeten Bataillone zwangen jedoch die Bedauerns-
werten zum Verbleiben auf dem ihnen unheilvollen Boden, und was nicht starb,
fiel auf den Schlachtfeldern 1877 oder emigrierte 1878 nach Kleinasien. Nun
erfreuen bei dem einst tscherkessischen Suvi Dol neue Weinpflanzungcn und
hübsche Häuser das Auge, ebenso beim folgenden Tulare, dessen von Decani
und anderwärts eingewanderte Insassen mit dem Einbringen ihrer reichen Heuernte
beschäftigt waren.
Gegenüber, auf dem rechten Toplicaufer, steht bei Vica, auf dem Duvari
brdo (Mauernberg), die Ruine eines Kastells, das den Vereinigungspunkt der
jankova Klisura-Strasse mit dem von Prokuplje nach Kuräumlija ziehenden antiken
Heerweg überwachte. Diese Position blieb auch weiter strategisch wichtig.
Hier schlugen Zar Lazars und Kralj Tvrtkos vereinigte 30000 Serben und
Bosniaken die geschwächten türkischen Streitkräfte im Jahre 1387, während Sultan
Murad den karamanischen Fürsten Ali Beg in Asien bekämpfte. Es war der
letzte grosse Sieg, welchen sie über den Halbmond errangen. Die Schlacht zog
sich zum südlich hart am Flusse liegenden Plocnik hin. In seinem unteren
Teile siedelt neben sieben altserbischen Familien die vielköpfige Hauskommunion
dreier verheirateter Brüder aus dem Studenicaer Bezirk; im 44 Gehöfte zählenden
oberen Dorfteil befindet sich das stark verwüstete crkviste, eine der vielen religiösen
Stiftungen, durch welche die altserbischen vlastela, ähnlich den griechischen
und vvalachischen Grossen damaliger Zeit, sich ein Andenken sichern wollten.
Der Boden ist hier voll alter Traditionen. Vom nordwestlichen Barbatovac
behaupten die Anwohner, dass die dort den Ausgang der Kosovoschlacht
erwartende Zarin Milica, als sie die Trauerbotschaft von Lazars tragischem Tode
erhielt, 17 Wagen mit Gold in den dortigen See (!) versenken Hess; bisher gelang
es aber nicht, den Schatz zu heben!
Von Donji Plocnik führte die aufgelassene alte Bergstrasse über Barlovo,
das westliche Belo Polje und Mackovac hinunter nach Kursumlija. Kurz
vor 1876 wurde sie ins Tal hinab verlegt. Die neue, unausgesetzt über die zum
Flusse vorspringenden Ton- und Sandsteinschiefersporne auf- und absteigende
Trace Hess unserem hurtigen Fahrsoldaten seine Kunst glänzend erproben. Wir
betraten hier ein gegen S. sich dehnendes riesiges Waldgebiet mit dichtem
jungen Eichenwuchs in den unteren, und altem in den höheren Lagen. Rechts
blickten die rotdachigen, gut gebauten Häuser von Pepeljevac herab; bei
Krcmar, wo die Toplica zwischen malerischen Felsgruppen fliesst, erregten
wahrscheinlich von einer älteren Befestigung stammende Mauern mein Interesse;
gleich darauf trat der prächtige Kalkstein auf, der ihren festen Mörtel lieferte
und noch heute hart am Wege gebrannt wird. Zwischen den Ruinen zweier
romantisch am Flusse und auf der Höhe liegenden Kirchen des ersten Nemanjiden-
fürsten betraten wir das Bezirksstädtchen Kursumlija.
Dieser auf dem rechten Ufer der Toplica angenistete, ehemals stark
verrufene Arnautenhorst wirkt noch heute auf den Fremden gleich unheimlich
wie vor 30 Jahren, als Konsul v. Hahn ihn zum erstenmal schilderte. Sein
;W2 über Prnkupljc durch die Jankova Klisiira und Kursumlija auf den Prcpolac.
Gasthof zum populären altserbischen Wojvvoden „Kod Strahinjica Bana" milderte
nicht den schlimmen Eindruck. Die Qualität der Gäste stimmte zu seinem
Schmutze, und der neue Mehanabau war noch nicht vollendet. Dazu kam für
mich die unangenehme Botschaft, dass der Bezirkskapetan Tosa Stankovic, auf
dessen Begleitung ich bei den geplanten Ausflügen rechnete, von Belgrad zur
Grenzberichtigung nach Vranja entsendet worden sei; der Kreischef sicherte mir
jedoch seine weitere Begleitung zu. Während wir das ungeniessbare Mittagessen
an uns vorbeigehen Hessen, hatte der Amtsschreiber ein verlassenes Türkenhaus
aufgestöbert und notdürftig ausgestattet, das Firmament blaute wieder, und als
auch Ingenieur Valenta angesprengt kam, der einen ihn an Prokuplje nagelnden
Fieberanfall rasch überwunden hatte, verblassten die dunklen Punkte.
Nach Dragasevics Hypothese stand auf Kursumlijas Stelle das von mir in
Prokuplje nachgewiesene Hammaum, das westlichere Ad Fines aber auf dem
Mrdarberge bei dem gar nicht vorhandenen Dorfe Prepolac. ') Meinen Vorstudien
zufolge fiel aber das auf der Tafel mit 20 Millien von Hammaum verzeichnete
Ad Fines auf Kursumlija. Der Beweis dafür war allerdings nur auf dem Terrain
zu erbringen, denn keine Schilderung des Städtchens erwähnte dortige antike
Reste. Es musste aber dort solche geben, dies verriet schon seine hervorragend
strategisch wichtige Lage am Gabelpunkte zweier grosser Talgebiete. Ich suchte
und fand sie bald.
Eine Rekognoszierung auf dem rechten Toplicaufer führte mich zur richtigen
Stelle. Gegenüber der jenseitigen Kaserne stiess ich auf Ziegelfragmente von
römischem Aussehen, welche, da keine Spur von Mauern in der Nähe zu finden
war, nur von der Stadtterrasse sich herab verirrt haben konnten. Ich erstieg
sie und war angenehm überrascht, oben nicht nur Stücke antiker Deckplatten,
sondern auch einen ansehnlichen, sorgfältig geschichteten Haufen 36 X 27 cm
grosser römischer Ziegel zu erblicken, deren nach ihrem Fundorte befragter
Eigentümer mich zum Hause seines Nachbars Vukoje Ristic führte. Hart neben
diesem erschien der 12 m hohe Terrassenhang, in etwa 30 m Ausdehnung zur
Gewinnung des prächtigen Baumaterials freigelegt; so war die nördliche Umwallung
von Ad Fines sichergestellt. Seine befestigte civitas fand ich 130 Schritte vom
Toplicaufer, auf der vom heutigen Kursumlija eingenommenen Anhöhe, im linken
Banja-Mündungswinkel etwa 250 Schritte W. nach 0. sich dehnend; ihr gewiss
bedeutend grösserer Längendurchmesser N. nach S. wird sich aber erst bei
künftigen Grundaushebungen bestimmen lassen. Das Kastrum oder vielleicht nur
ein starker Wachtturm stand höchstwahrscheinlich auf dem durch die Toplica
von der Stadt getrennten, sie beherrschenden Sandsteinfelsen, dessen Sv. Nikola-
kirche ins Tal herabblickt.
Als Mittelstation zwischen Ad Fines und Vicianum lag, nach der Tab. Peut.,
von ersterem 20, von letzterem 19 Millien entfernt, Vindenae. Dieses fällt auf
die seit altersher befestigte und bis zuletzt strategisch wichtig gebliebene Position
beim Podujevoer Han. Der Römerweg dahin führte von Ad Fines, zuerst am linken,
') Glasnik, Bd. 45, S. 62. — Es gibt einen Berg, aber keine Ortschaft dieses Namens
über F^rokiiplje durch ilic Jankovn Klisiir.i und Kursumlija auf den Prcpolac. 303
sodann am rediten Ufer der von S. der Toiilica zustrinnenden Banjska reka, zur
6 Millien fernen Prepolacer Tliernie, deren Benutzunji in römischer Zeit durcii
einen der Brunnennympiie gewidmeten siebenzeiligen Votivstein bezeugt ist '), von
dort weiter — wie die iieutige Pristinaer Strasse — aufwärts im Banjska reka-Tal,
über die serbisch-türkische ürenzscheide Prepolac und Podujevo (Vindenae), am
Lab hinab in das Kosovofeld. Dort lag, 6 km S. von Pristina, die auf Vindenae
folgende Station Vicianum bei dem heute noch ihre Ruinen-) bergenden Dorfe
Caglavica. Den Punkt, an dem die Strassen nach Lissus und Ulpiana sich
Knstcllpl.m von All Fines.
trennten, sowie ihre von Vicianum bisher nur hypothetisch bestimmten Tracen
werden künftige Forschungen auf dem Terrain feststellen.
Kur§umlija teilte während der byzantinisch-altserbischen Epoche gleiches
Schicksal mit Nis und Pristina, zwischen welchen es in der Mitte liegt. Anfänglich
hiess es serbisch: „Toplica", später „Bela Crkva", nach der prächtigen Kuppel-
kirche, welche Nemanja dort für seinen Sohn Sava erbaute, der als erster
nationaler Erzbischof im 13. Jahrhundert das Niäer Bistum mit dem Toplicaer
vereinigte. Diese „weisse" hochliegende Sv. Nikolakirche-'), in iler Sava seinen
') Starlnar, I. S. 82. - C. 1. L. III, Suppl. l'asc. II, No. «IGT.
-) Glasnik, zemaljskoga muzeja u Bosni i Hcrcegovini, III. S. 152.
') Daniele, Rjtcnik, III, S. 300.
304 über Prokupljc durcli die Jankova Klisiira und Kursiiiulija auf den Prepolac.
ersten Diözesan weihte, bildet, trotz starken Verfalls, durch doppelte Ttirnianlage,
den reich gegliederten oktogonalen, einst mit Blei gedeckten Kuppeltanibour,
ihre nach aussen an den Tag tretenden Wölbungen und vorzügliche technische
Ausführung, eines der wirkungsvollsten Werke altserbischer Backstein-Architektur,
dessen malerischen Eindruck der glücklicherweise tiefer stehende, moderne, roh
gezimmerte Glockenturm und die stark vernachlässigte Umzäunung nur wenig
beeinträchtigen. Dürfte man der Tradition vertrauen, dass Nemanjas Prachtbau
seinen älteren Bruder so erzürnte, dass er mit ihm in einen blutigen Streit geriet,
der seine Oberherrschaft über die bis dahin lose verbundenen brüderlichen
Erbgaue entschied, so müsste die Kirche vor 1159 entstanden sein. Denn in
jenem Jahre war Nemanja bereits das von Byzanz anerkannte Oberhaupt aller
serbischen Länder.
Die Freilegung des Ostteils der Kirche durch den Ingenieur Kuczinski ergab,
dass sie in keinem Teile, wie serbische Archäologen annahmen, mit Benutzung
römischer Tempelreste, sondern nach einheitlichem, vielfach an die unregelmässige
Anlage der Kuppelkirche im kleinasiatischen Kassabatal erinnernden Plane erbaut
wurde. Wie mir von verlässlicher Seite erzählt wurde, stürzte vor damals 45 Jahren
der quadratische Nordturm durch einen Blitzschlag ein. Auf seinen Resten steht
heute ein Häuschen, in dem getauft und getraut wird. Im erhaltenen Südturme
wurde durch eine eingefügte Decke eine Kapelle geschaffen. Die Narthexmauern
fand ich bis auf geringe Teile zerstört, ebenso den an den Hauptraum gelehnten
südlichen Vorbau. Im nördlichen sah ich eine roh profilierte Steinplatte, neben
Ihr ein unmittelbar nach der serbischen Besitznahme geöffnetes, zwei in schwarzen
Seidenstoff gehüllte Skelette enthaltendes Grab; im Estrich des Hauptschiffs einige
unvollständig lesbare Votivsteine aus dem 14. Jahrhundert. Am dreigeteilten Ost-
fenster des Kuppeltambours erkannte ich reich verschlungenes gemaltes Ornament.
Den einstigen figuralischen Bilderschmuck bedeckt ein dicker Kalküberzug, was
die Überlieferung bestätigt, die Kirche sei durch längere Zeit als Moschee und
ihr Südturm als Minarett benutzt worden. Die zierlich konstruierte Tribuna wurde
erst kurz vor Kursumlijas Eroberung (1878) von den Amanten zur Gewinnung
des schönen Materials teilweise zerstört, und ohne das Einschreiten des Niser
Bischofs Deda Viktor beim dortigen Gouverneur wäre, wie Augenzeugen mir
versicherten, das ganze, nun eine Brutstätte zahlloser Schlangen bildende schöne
Denkmal dem gleichen Schicksal verfallen.
Als nicht länger aufschiebbaren Pietätsakt möchte ich dem serbischen
Bautenminister empfehlen, den Zustand der interessanten Nemanjidenkirche auf
die Frage eingehend prüfen zu lassen, ob er nicht ihre dem Staate zur Ehre
und der Stadt zur Zierde gereichende Wiederherstellung in alter Pracht gestatte,
und ist dies der Fall, sie tunlichst rasch ins Werk zu setzen.
Rettungslos verloren für alle Zeit ist die zweite, 1 km östlicher, gleichfalls
von Stevan Nemanja auf dem linken Flussufer erbaute Kirche.') Sie gehörte
einem gegenüber d-er Kosanica-Mündung der hl. Jungfrau gewidmeten Kloster an,
■) Danieid, RjeJnik, 111, S. 300.
KUF^SfAII.IIA. Sv. BouoriHlici.
JAN Kl) VA KI. I SU RA. Hunyady-Kirchc.
^/y^-^-^^>u^
l ^:-
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3&::s^',^^$r'm^
Kirchenruinen zu Kursunilija und in der Jaiikova Klisura.
F. KANITZ, Serbien. II.
20
über Prokupljc tlurcli die Jniikova Klisiir;i uiuf Kiirsuiiilija niif den ['rcpolac. 307
in das seine Gemahlin Ana als Nonne Anastasija sich zurückzog, als er 1195 zu
Stuilenica Mönch geworden. Von den Gebäuden dieses Frauenstifts blieb wenig
erhalten; seine Kirche traf ich im westlichen Teile verschüttet, vor der Tribuna
steht ein hoch aufragendes dreibogiges Mauerstück mit wechselnden Bruch- und
Backsteinlagen von oft 25 X 35 cm messenden Prachtziegeln, das mit den Grund-
mauern, soweit sie freiliegen, auf eine grosse Ähnlichkeit der Bauanlage mit der
berühmten Marmorkirche zu Manasija hindeutet. Rings um den höheren Mittel-
bogen sind auf dem Mörtelanwurfe figurenreiche Freskenreste sichtbar, unter den
Querbalken an den Pfeiler-Schmalseiten solche von Heiligen mit Nimben und
Umschriften.
Das Volk nennt die nur wenige Schritte sütilicli von der Prokupljer Strasse
zwischen jungem Eichwald in schattigem Tiefgrunde liegende Ruine „Sv. Petka".
An Freitagen besonders erscheinen viele Gläubige, die hier ihre Leiden durch
Gebete und Opfer heilen wollen. Ich sah in der halbkreisförmigen Altarnische
der Heiligen dargebrachte Glasperlen, Messingringe, Medizinfläschchen, Knöpfe,
römische Kupfermünzen, Blumen, Weizenkörner usw. Leicht wären die pittoresken
Überbleibsel dieses einst prächtigen altserbischen Denkmals durch eine feste
Umzäunung gegen die drohende gänzliche Verwüstung zu schützen. Wohl erzählt
man, dass die von einem Amanten aus entführtem Kirchenmaterial erbaute Mühle
zur Strafe durch die Toplica fortgerissen wurde; dies hindert jedoch selbst
christliche Anwohner nicht, Ziegel wegzutragen oder nach Schätzen zu suchen,
wozu nicht wenig die Sage beiträgt, vor 50 Jahren wäre in der Tribuna eine
von der Zarin Ana vergrabene, mit Silber und Gold gefüllte Truhe gefunden
worden.
Der den moslimischen Eroberern wenig gefallende Stadtname Bela Crkva
(Weisse Kirche) wich bald dem türkischen „Kursumlja", der traditionell von der
Bleibedachung der Nikolakirche, wahrscheinlicher aber von den reichen Blei-
lagern stammt, deren noch im 17. Jahrhundert erwähnter Betrieb vermuten lässt,
dass Bela Crkva zu Altserbiens Bergstädten gehörte. Während der österreichischen
Invasion gössen die Türken die Bleidächer von Sv. Nikola zu Kugeln um, und
seit dem Einzüge der fanatischen Albanesen schmolz Kursumlijas Christenzahl
stetig mehr herab. Hahn fand dort 1858 neben 50 moslimischen Häusern nur
15 christliche, deren serbische Insassen „sich kaum zu atmen getrauten" — ihn
selbst bat der türkische Mudir, das Haus nicht zu verlassen! Der Arnaute
mutete Hahn hier „wilder, selbstbewusster und unternehmender an, als in irgend-
einem Teile des eigentlichen Albaniens". So ist es nicht zu verwundern, dass
1877, beim Hcranzuge der Serben, nur zwei Christen, ein Bäcker und ein Töpfer,
dort wohnten!
Am 24. Dezember 1877 nahm unter Oberstleutnants Binickis Führung der
Major llija C. Zivkovic die Kursumlija heftig verteidigende Schanze; serbischer-
seits blieben 15 Tote und 37 Verwundete. Am 11. Januar besetzten die Türken
jedoch wieder die Stadt, wobei die Cetaführer Milan Petrovic und Mijat Crnoglavac
schwer verwundet in ihre Hände fielen. Der Kampf setzte sich über Mackovac
zum östlichen Beloljin fort, worauf die Angreifer zurückgingen. Dauernd wurde
20*
-iOH über F'rokiiplje duich die Jankova Klisiira iiiul Kiirsiitnlija auf den I'rcpolac.
Kursumlija erst am 19. Januar 1878, durcli üliLMSt Milojko Lesjanin, serbisch.
Die einziehenden Soldaten fanden es leer, die Köpfe der am 11. Januar von den
Arnauten ermordeten zwei Unteroffiziere aber auf den Medzlis-Konak gespiesst!
Die städtische Bevölkerung bestand lange nur aus einer Infanteriekompanie,
einigen serbischen Beamten und Handwerkern. Am 18. Mai 1879 kehrten die
früher dort wohnenden Arnauten unvermutet aus dem nahen türkischen Grenzlande
zurück, steckten die als Munitionsdepot dienende Moschee in Brand, plünderten,
bis das Militär sich sammelte, in der ersten Verwirrung die wenigen Läden und
Amtshäuser, wobei der Konak des vornehmsten Albanesen Ali Aga Karinianovic
angezündet wurde.
Unter dem Eindrucke dieses Ereignisses wollten sich keine neuen Ansiedler
in dem verrufenen Raubneste niederlassen. Im Herbste 1878 war das weibliche
Geschlecht dort nur durch eine einzige Frau vertreten, so dass die feinere Wäsche
der Beamten und Offiziere, wie Miliceviti erzählt, nach Nis zur Reinigung gesendet
werden musste. Doch 1883, nachdem der befestigte Grenzkordon gezogen war,
zählte das Städtchen ausser dem Garnisons-Bataillon bereits 752 Seelen, eine
Schule mit einem Lehrer und 50 Schülern, und als ich es 1889 besuchte:
180 Häuser mit 285 Steuerköpfen, 5 Lehrern, welche 164 Knaben und Mädchen
unterrichteten, was für ein Dezennium einen riesigen Fortschritt bedeutete.
Da viele der früher mit starken Steinplatten gedeckten Arnautenhäuser,
gleich allen Neubauten, rote Ziegeldächer erhielten, mildert dies den umheimlichen
Eindruck der winkelig und eng gebliebenen Basarstrasse, doch wird es noch
vieler Jahre bedürfen, bis das herrlich liegende Kursumlija sein schlechtes
Pflaster, seine schrecklichen Garküchen und Läden ä la turka, mit einem Worte
sein altes Kleid gänzlich abstreifen wird. Die Bezirkshauptmannschaft, das
Zollamt und Militärspital behelfen sich mit alten Gebäuden. Der südliche, noch
etwas wüst aussehende grosse Platz, scheint sein künftiges Zentrum werden zu
wollen. Schon umsäumten die weite Grasfläche ausser der alten türkischen
Karaula das Post- und Telegraphenamt, die fünfklassige Schule, das 1889
vollendete, gross angelegte Gast- und Kaffeehaus, hinter dem die hochliegende,
fünf Kompanien bequartierende weisse Kaserne aufragte.
An letztere schliesst sich an der Pristinaer Strasse der ärmliche Vorort
Palilula, dessen grosse Jahrmärkte am 21. Mai und 6. Oktober viele Besucher
aus der Kursumlijaer Pfarre herbeiziehen. Diese bildet ein buntes Mosaik von
Kolonisten aus verschiedensten Landschaften des türkischen Altserbien und zählt,
wie mir der aus dem stark arnautisierten Prizren stammende Pope mitteilte, ausser
dem Städtchen 25 grössere und kleinere Orte mit 550 Steuerköpfen. Das Tauf-
register verzeichnet jährlich 140 — 150 Geburten gegen 80 — 100 Todesfälle, was
neben der dauernden Zuwanderung eine rasche Vermehrung der städtischen
Bevölkerung verspricht; 1896 betrug sie schon über 1700 Seelen in 212 Häusern.
über Prokupljc durch die Jankova Klisiira und Kiirsumlija auf den Prepolai;. 1309
Ganz vcrkehrslos und menschenleer erschien die 16 km lange Strasse, auf
der wir am 5. Oktober 1889 von Kursmniija zum serbisch-türkischen Grenzberge
Prepolac ritten. Von den Türken erbaut, ist sie mit Ausnahme einiger kurzen
Kurven gut traciert und trcffiicii erlialten. Da die waldreiche Gegend im höchsten
Grade unsicher, wurden an den gefährdetsten Steilen des oft nur wenige Schritte
breiten Defilees starke Karaule errichtet. Beim ersten Blockhause, neben der
Tiovacer Mühle und dem etwas höher liegenden zerstörten Kirchlein, geht die
Strasse auf das rechte Ufer der prächtig klaren Banjska reka über. Die nahe,
salzhaltige Quelle wird von den hier zahlreichen Rehen gern aufgesucht. Raubtiere
aller Art, besonders Wölfe und selbst Bären, vegetieren in dieser Wildnis ganz
ungestört, in welcher man den mit Pristina verbundenen Telegraphendraht meist
an Bäumen befestigte.
Ununterbrochen zieht hochstämmiger Buchenwald hinauf zu den Kuppen
des erzreichen Samokov. Als die Serben Kursumlija 1878 genommen, setzten
sich seine verdrängten Nizams hier fest und verteidigten mit grosser Zähigkeit
die wichtige Pristinaer Strasse. Vergeblich waren wiederholte mehrtägige Angriffe.
Am 3. Februar ging aber die von Oberst Milojko Lesjanin befehligte Rudniker
Brigade mit aller Kraft gegen die stark befestigte Position erfolgreich vor, nahm
das untere Vorwerk und einige Schützengräben. Der eingebrochene Abend endete
unter dem Hauptwerke die blutige Aktion, und am nächsten Morgen wurde sie
auf die Nachricht von dem abgeschlossenen Waffenstillstand eingestellt. Die
tapferen Offiziere Jovan Praporcetovic, Aksentije Jakovijevic, Branko Vasiljevic
und Sava Petkovic, deren Truppen hier und auf der östlichen Sokolska Planina
143 Tote, 827 Verwundete und 107 Vermisste verloren, gingen in ihre Ausgangs-
stellung zurück, ohne ihre weitere Aufgabe am Lab: in das Kosovogebiet
einzudringen und Pristina zu besetzen, lösen zu können (Kap. XI).
Am Vereinigungspunkte der von den nordwestlichen Bergen abfliessenden
starken Banjska reka mit der von S. kommenden Prepolacka reka gelangten wir
zum kleinen, von der Regierung erbauten Badhause der gleichnamigen Therme.
Staunend hörten wir, dass dort, angezogen durch die vielgerühmfc Heiltätigkeit
der primitiv gefassten Quellen, etwa 50 Personen unter dem Schutze der stark
bemannten Karaula 11 in der grossen Mehana gesommert und oft selbst Spazier-
gänge zu dem allerdings nur einen Büchsenschuss entfernten „crkviste"(?) im
westlichen Banjska reka-Tal unternommen hatten. Bei näherer Untersuchung der
dortigen Baureste dürften die Mauern der römischen Badeanlage gefunden werden,
die durch einen der Thermennymphe gewidmeten Votivste'n bezeugt wird. ') Von
den beiden Quellen mit 44" C. ist eine kohlensauer, die andere schwefelhaltig.
Zur Zeit unseres Besuchs waren die modernen Neubauten nahezu verödet. Dafür
gab es Bewegung in der Karaula, denn auf des Nacelniks Befehl sollten zwei
ihrer Panduren unserer schon acht Gewehre zählenden Eskorte sich anscliliessen.
Das abwechselnd in Tonschiefer, Sandstein und Kalk eingeschnittene
Defilee verengte sich bald zu einer ganz unheimlich aussehenden Waldschlucht.
') Starinar, Bd. 1, S. 82.
310 Über Prnkiipljc durch die Jankova Klisura und Kursumlija auf den Prepolac.
Zur leichteren Überwachung der Strasse hatte man die dicht zum Bache herab-
ziehenden Buchen auf 100 ni beiderseits gefällt und teilweise zur Versicherung
seines Wildbettes verwendet. Tausende Prachtstämme vermodern ungenutzt;
das Holz hat hier gar keinen Wert. Auch die medvedja leska (Bären-Haselnuss-
baum), deren Stämme auf dem Jastrebac mit 45 — 60 d bezahlt wurden, weil man
ihr treffliches Holz für Möbel, Gewehrschäfte, Cuturas usw. verwendete, bleibt
unbenutzt. Gleich selten fällt man die brekinja (Eberesche), die mukinja, ein
Baum mit essbaren blauen Früchten, die Roteiche, deren Stamnipreis an anderen
Orten 13 d beträgt, oder den Ahorn, dessen edlere Art hier allerdings seltener
ist. Dagegen tritt in der reichen Flora häufig Herniaria hirsuta und glabra auf,
welche das Volk in starken Abgüssen gegen Blasenleiden erfolgreich trinkt.
Unfern der von Albanesen angezündeten Karaula III begegnete uns der
„jeden Vogel im Fluge sicher mit der Kugel treffende" Buljukbasa von Karaula II.
Der allgefürchtete, besonders gern auf Arnauten zielende Schütze berichtete, dass
diese zwei Tage zuvor einen Mehandzija, dem sie 30 Dukaten abgenommen, mit
durchschnittener Kehle liegen Hessen. Etwas weiter zeigte uns einer der Grenz-
panduren den Baum, bei dem vor drei Wochen sein jüngerer, patrouillierender
Bruder von einem am jenseitigen Bachufer versteckt ihm auflauernden Heiducken
erschossen wurde; am Stamme sah man deutlich die Spur der Kugel, die seinem
rasch Deckung suchenden Kameraden zugedacht war. Gleich darauf passierten
wir die Stelle, auf der ein Arnaute den auf seinem früheren Hofe siedelnden
serbischen Bauer tötete. Dessen erbitterter Bruder rächte ihn. Mit einigen
beherzten Genossen überfiel er den Hochzeitszug des hart an der Grenze
wohnenden Mörders und machte alle seine Teilnehmer erbarmungslos nieder.
Die Panduren ermüdeten nicht im Erzählen derartiger grauser Bluttaten, und
fortan wunderte es mich nicht mehr, dass die wenigen uns begegnenden, meist
berittenen Bauern ihr Martinigewehr schussfertig ans Knie gedrückt hielten. Einer
der blutigsten Arnauteneinfälle am 20. Juli 1897 bei Karaula Lokvica und Block-
haus Tresnjica, kostete beiderseits viele Opfer.
Nochmals kreuzten wir auf einer Brücke die Banjska reka, es folgte Karaula iV,
wir waren heil am Ziele. Vor uns lagen die 873 m hohe Wasserscheide und
die Häuser des serbischen Grenzamtes Prepolac. Wieder empfand ich, wie
auf mancher meiner Balkan-Passagen, das freudige Gefühl, wenn nach langem,
beschwerlichem Anstiege durch die keinen Ausblick gestattende Waldregion auf
der endlich erreichten Kammhöhe das südliche Land sich weithin dem über-
raschten Blicke öffnete. Leider befand sich der das serbische Prepolac-Kastell
kommandierende Vukoje fern auf der Kordonsinspeklion. Der Nacelnik befahl
dem Bericht erstattenden Polizeibeamten die Meldung seiner Ankunft im türkischen
Zollhause. Darauf stiegen wir ohne Rast zur noch 74 m höher liegenden Haupt-
karaula des verschanzten nördlichen Plateaus hinauf. Die Luft war klar, die
Aussicht von überraschender Weite und Schönheit.
Dimitrije, ein Enkel des tapferen Rudniker Wojwoden Antonije Rakic und
„Ältester" der zehn ihre Gewehre schulternden Panduren, erwies sich als treff-
licher Cicerone. Mein Fernrohr suchte in dem breit aufgerollten Relief zuerst
über Prokuplje durch die Jankova Klisura uiul Kursumlija auf den Prepolac. 311
am scharf markierten Lablaufe seinen geschichtlich interessantesten Punkt, das
54 km ferne, 350 m tiefer liegende „Kosovo poljc" auf. Obschon man 18 Stunden
bedarf, um es nach der Länge zu durchreiten, und acht, es zu durchqueren, sah
ich nur einen verschwommenen Lichtstreif, auf dem Dimitrijes scharfes Auge
sogar in einem dunklen Punkte die Tulba erkennen wollte, bei der Sultan Murad
fiel und der Serbenknez Lazar vor dessen ersterbendem Blicke, angesichts des
fliehenden Heeres, am St. Veitstage 1389 Leben und Reich verlor. Eine etwas
westlichere massige Erhebung sollte die „Goles Planina" sein, auf welcher Lazars
treuloser (?) Eidam, Vuk Brankovic, mit 12000 Panzerreitern das Schlachtfeld im
Augenblicke der Entscheidung verliess.
1389 — 1889! Genau fünfhundert Jahre waren seit jenem Sedantage der
orientalischen Christenheit verflossen. Welche Gestaltung hätte ohne jenen
verhängnisvollen 15. Juni der europäische Osten genommen, der Bajazid die
Herrschaft über denselben auslieferte! Die Völkergeschicke hängen nun einmal
an der Entscheidung des Schwertes, und daran werden alle gegenteiligen
Bestrebungen der Gegenwart und Zukunft schwerlich etwas ändern! Mein Blick
haftete wie festgebannt auf dem sonnig vergoldeten und doch traurig stimmenden
Unglücksfelde, das gleich ernst, wie der Charakter der es umschliessenden, meist
nackten Berge.
Gegen SSW. beherrscht das Bild der langgestreckte Sar, mit schneeigem,
bis Salonik sehenden Ljubotingipfel, etwas weiter erscheinen die WSW. zwischen
Prizren und Djakovo aufstarrenden, scharfprofilierten Kalkzinnen, westlicher die
im heissen Mittagsdunste verschwimmenden Konturen der montenegrinischen
Grenzberge mit der das Amselfeld begrenzenden Cecevica, an deren Hängen der
grosse ungarische Johann Hunyady derartig geschlagen wurde, dass die Serben
noch heute bei hart treffendem Unglück sagen: „Es erging ihm wie dem
Hermannstadter Johann auf Kosovo!" — Noch heute bleibt das weite Schlachtfeld
unbebaut, denn sowohl Türken wie Christen scheuen sich, den Boden zu bearbeiten,
der das Blut ihrer Ahnen so reichlich trank. Den Mittelgrund füllen die zahmen
Hochplateaus des vielverästelten Kopaoniks und der Ljesnica, zwischen welchen
der Lab an Pristina, der aufstrebenden Hauptstadt des Kosovo -Vilajets vorüber,
der Sitnica zufliesst. Die waldreichen Berge Markov Vis, Sekiraca, Djak,
Ivanovo Brdo, Veliki und Mali Sokolov Vis im Südosten und der nordwestliche
Jastrebac sind serbisches Gebiet. Von den Grenz-Blockhäusern waren das nahe
Orliste unter dem 931 m hohen, scharf zugespitzten Previticki Vis, ferner das
türkische Orenzamt Prepolac und seine nördlichste Karaula Susnjak ohne Glas
deutlich erkennbar. Ich zeichnete das orographische Profil dieses wichtigen Teiles
von Alt-Serbien, dessen Studium mich lange auf dem 947 m hohen Punkte festhielt.
Während unseres bescheidenen Mahles in der reinlichen Mehana besuchten
uns der Zollbeamte Suleiman (Djumrukcija) und der den türkischen Nizam-
Grenzkordon befehligende Offizier aus Arabestan. Nach kurzer Vorstellung lenkte
der Nacelnik das Gespräch auf die das freundschaftliche Nachbarverhältnis
störenden arnautischen Raubeinfälle. Der Djumrukcija erwiderte, dass die Arnauten
nur die meist von den serbischen Grenzbewohnern ausgehenden Angriffe auf
312 über Prokiiplje chircli tlic Jankova Klisura und Kursumlija auf den Prepnlac.
Menschen und Vieh abwehrten oder räcliten. Die heftij^en Bewegunj^en, mit
welchen er einige Fälle erzählte, stachen grell ab von dem vornehm ruhigen
Wesen des arabischen Offiziers. Wirklich stellte sich heraus, dass er, ein
fanatischer Bosniake, seine Heimat erst anlässlich der österreichisch-ungarischen
Okkupation erbittert gegen die Njenici (Deutschen) verlassen hatte. Die erregte
Diskussion endete mit dem gegenseitigen Versprechen, jede Ausschreitung an der
Grenze durch strenge Ahndung tunlichst zu hindern.
Die Etikette erforderte die Erwiderung des Besuchs. Unter Nizameskorte
passierten wir die durch zwei Pfähle auf der Pristinaer Strasse markierte Scheide
des serbischen vom türkischen Territorium. Das Aussehen des sultanlichen,
nur wenige hundert Schritte entfernten Grenzamtes in der baumlosen Fläche und
der Empfang in demselben durch die erwähnten Herren und den Passapordzija
Mehemed Ali Effendi, der sich „zur Erinnerung" türkisch in mein Tagebuch
schrieb, war in allem ein Klischee des im Bd. I auf S. 576 geschilderten auf der
Vasiljina Cesma. Die Bedürfnisse der ziemlich starken Nizamtruppe deckt der
kleine Kramladen eines Pristinaer Albanesen, von dem wir mehrere charakteristische
arnautische, gestrickte weisse „celepus" (Kopfmützen) und aus Baumwolle gepresste
„culav" kauften. Der Warenverkehr durch das Prepolacer Kastell beschränkt
sich auf serbischen Rakija und einige Hundert von Mitrovica nach Serbien gehende
Mühlsteine; Pässe gelangen etwa 600 jährlich zur Vidierung, und die Gesamt-
einnahme beträgt türkischerseits kaum 20000 Piaster = 4000 Franken.
Die meisten der in den Prokupljer Kreis einwandernden Rajahs suchen sich,
um allen Auseinandersetzungen mit ihren moslimischen Grundherren zu entgehen,
auf Nebenpfaden über die Grenze zu schleichen. Man unterscheidet in dieser
Gegend noch immer Ciftlik sahibi, Gutsbesitzer, welche ihre Rajah beliebig von
Grund und Boden treiben können, was jedoch selten geschieht, weil sie den
vierten Teil vom Ertrag erhalten; dann „Agaluks", auf welchen der Grund und
Haus besitzende Rajah dem Gutsherrn den siebenten oder neunten Teil bezahlt.
Ausserdem haben sämtliche Rajah dem Sultan 29 Piaster (5 Piaster -- 1 Frank.)
für jeden männlichen Kopf als bedelieh (Ablösung des Kriegsdienstes), 4 Piaster
von je 1000 Piaster Feldwert, 4 Piaster für jedes Stück Grossvieh, 4,5 Piaster
für jedes Schwein usw. zu bezahlen. Trotz der Vielfältigkeit und Höhe dieser
Lasten sind es aber nicht diese, sondern das Gefühl der Rechtlosigkeit gegenüber
dem arnautischen Grundherrn, welches den Rajah vom heimatlichen Boden nach
Serbien treibt, wo er gleich 5 pluzi (Joche)" Ackerboden und längere Steuerfreiheit
mit der Aussicht erhält, den allmählich durch Fleiss vergrösserten Besitz als
allen gleichgestellter Staatsbürger seinen Kindern zu vererben.
Obschon die Regierung die Wiederbesiedelung des 1878 nahezu entvölkert
übernommenen Toplicaer Kreises in jeder Weise begünstigt, zählte man 1905
auf seinen 2839 km- in 37 Gemeinden mit 341 Orten nur 102954 Bewohner,
also 36 Seelen per km^ Am dünnsten von den 3 Bezirken: Prokuplje, Dobric
und Kosanica ist letzterer mit kaum 19 Seelen per km- bewohnt; auf 1307 km-
über Prnkuplje durch die jankuva Klisiua iiiul Knrsuinlija auf deu Prepolac. 313
siedeln dort 24989 Seelen in 130 Orten, darunter nur 11 mit Geistlichen und
5 mit Schulen. Dabei ist im Kreise das männliche Geschlecht mit 3920 Seelen
iU^erwie^end. Diese unerfreulichen Verhältnisse werden sich rascher bessern,
sobald im angrenzenden türkischen Grenzgebiete befriedigende soziale Zustände
dauernd geschaffen würden, denn der Boden ist im allgemeinen hier besser, als
in den anderen neu erworbenen Gebieten, und zu jeglicher Kultur geeignet.
Von den 283880 ha des Kreises standen 1905 nur 58382 ha unter Kultur.
13942 ha trugen Mais, 13997 Weizen, 6625 Gerste, 2704 Gemüse usw., neu
angelegte Weingärten gab es 1416 ha, und die von- den Amanten mit besonderer
Vorliebe betriebene Obstzucht gelangte auf 1439 ha in Aufnahme. Ausserdem
verzeichnete man über 100000 ha Wald, 9855 ha Wiesen und Weiden für den
über 262 000 Stücke betragenden Viehstand. 1905 zählte man: 7265 Pferde,
53119 Rinder, 287 Esel, 23669 Schweine, 132783 Schafe, 45889 Ziegen und
2760 Bienenstöcke. Auf 100 Seelen entfielen im Bezirke Kosanica 290, Dobric 288
und Prokuplje 192 Stücke Vieh, ein vergleichsweise sehr gutes Verhältnis zum
benachbarten Niser und Leskovacer Bezirk, in welchen nur 180 Stücke auf
100 Seelen kommen. Besonders reich ist der Toplicaer Kreis an wild wachsenden
Birnbäumen, welche, noch heute von den Albanesen „darda" genannt, der illyrisch-
riimischcn Provinz „Dardania" ihren Namen gaben.
XI.
Von Kursumlija durch, die Kosanica,
Pusta Reka und denjablanicaer Arnautenbezirk nach Leskovac.
MEIN nächster Ausflug von Kursumlija mit Ingenieur Valenta und dem weg-
kundigen Gendarmen Simo galt dem südlichen Kosanicatale. Sein Beginn
erscheint unheimlich wüst, das Baciigelände zerrissen; zwei hundertjährige, durch
barbarische Menschenhand oder Blitzschläge verwüstete Riesenpappeln senkten
melancholisch ihr verdorrendes Geäste zur grasreichen Ebene, auf der aber das
Auge vergeblich ein lebendes Wesen suchte. Erst wo die emigrierte arnautische
Bevölkerung durch Kolonisten aus Altserbien ersetzt wurde, übt der prächtigen Mais
zeitigende Boden einen freundlicheren Eindruck aus. Ruinen zerstörter Häuser
und Moscheen verraten aber auch dort, dass er kurz zuvor der Schauplatz
heftiger Kämpfe war, die sich hoch hinauf in die gutbewaldeten Berge zogen.
Wie die feste türkische Position auf dem westlichen Samokov das Vordringen
der Serben durch das Banjskatal gegen Pristina aufhielt, setzte ihm die von
Amanten verteidigte auf der Sokolska Planina einen schwer üherschreitbaren
Damm entgegen. Vom 13. bis 30. Januar 1878 kämpften hier und auf den
benachbarten Bergen Trha, Trpeza, Donja Hrtica starke Abteilungen der
von Lesjanin geführten Donaudivision. Jeder Schritt vorwärts kostete sehr viel
Blut. Die Albanesen wussten, dass es sich um Sein oder Nichtsein für sie
handle und verteidigten jeden Zoll ihres Bodens. Die Serben beklagten hier
allein 220 Tote, Verwundete und Vermisste!
Auf die kleinen Ansiedelungen Kastrat und Visoka folgte die grössere
Rudare. Nicht wenig überraschte mich, hier viele Leute für die Budapester
Firma Leopold Kern mit der Fabrikation von Fassdauben beschäftigt zu finden.
Der Beginn war etwas schwierig, die eingebrochenen Amanten erschlugen den
ersten fremden Werkführer; seitdem wird nur bewaffnet gearbeitet. Die Regierung,
der heimische Spekulanten durchschnittlich per Eiche nur 10 d bezahlten, erhält
nun hier und auf der östlichen Arbanaska Reka 18 d per Stamm von 45 cm
Durchmesser. 1889 waren schon auf dem 1007 m hohen Sokolovo Brdo
3000 Bäume zu 50 -245 cm langen „duge" (Dauben) verschnitten. Der unglaub-
lich niedrige Tagelohn der einheimischen Arbeiter beträgt nur 0.25 d während der
Kampagne vom Oktober bis Februar. Das Ausbringen der Dauben bis zum
316 Von Kiirsiimlija durch die Kosanicn, Piista Reka usw. nach Leskovac.
Ladeplatze beträgt per Akov (Eimer) 0.25 d, von Rudare bis zum Niäer Bahnhofe
für den 500—600 kg fassenden Wagen 1.60 d per 100 kg. Grosse Dauben-
niengen lagen neben der von einer deutschen Frau geführten Mehana zum Export
aufgespeichert. Ich wünschte iiir und dem landsmännischen Werkmeister alles
Glück für den anbrechenden Winter. Beide meinten, sie fürchteten die Amanten
ebenso wenig, wie die hier oft grimmige Kälte; gegen erstere besässen sie
Hinterlader, gegen letztere aber Holz in Menge.
Nahe der Mündung des Lubnicki potok, an dessen Ursprung bei Donja
Pupavica alte Baureste sichtbar, verengt sich das Tal. Dort kreuzten wir dreimal
die Kosanica und den wasserreichen, Mühlen treibenden Dorfbach. Überall lugten
vereinzelte Gehöfte zwischen hübschen Obstgärten hervor; bald folgten tiefere
Einschnitte mit romantischen Kalkfelsen, welche die Strasse zu fortwährendem
Wechsel der Ufer zwingen. Die einstige ansehnliche Moschee bei Raca dient
nun als Gemeindehaus, ^obwohl die Amanten diese Profanierung blutig zu rächen
iJrohten. Die wenigen* im Sonntagsstaate zur Stadt ziehenden Bauern trugen
„Kasikare" (Löffelflinten) genannte Peabody und erzählten, dass selbst Ihre
Knaben nicht unbewaffnet zur Weide zögen. Dieses allerorts im Toplicaer
Kreise herrschende Unsicherheitsgefühl Hess keinen auf „Vergessen seines Selbst"
beruhenden freudigen Genuss in der an Naturschönheiten reichen Landschaft
aufkommen.
Ernst gestimmt kamen wir zum „Sastanci", zur Vereinigung der Velika
und Mala Kosanica. An letzterer führt ein alter, heute noch fahrbarer Weg,
mit stellenweise künstlichen Einschnitten und erhaltenem Pflaster, vorbei an dem
lange schon in Ruinen liegenden Kloster Degrmen, zwischen den Karaulen
Reponja und Mirovacer Plateau am Wege nach Podujevo. Auf diesem drang
eine starke Abteilung des Obersten Lazar Jovanovic am 1. Februar 1878 in das
Labgebiet ein und drängte die Türken bis Sajkovac zurück. Dies kostete den
Serben 23 Tote und 42 Verwundete.
Wir wandten uns SO. und verfolgten die bei der 204 m hoch liegenden
„Sastavcimühle" in das Tal der Velika Kosanica abbiegende Römerstrasse. Im
nahen Gehöfte des Milos Ristovic, dessen acht Kopfe zählende zadruga aus den
Familien zweier, vom serbischen Ivanjica hierher übersiedelten Brüder besteht,
verriet alles schon einen gewissen Wohlstand. Man lobte die neue Heimat, doch
auch hier ertönte das alte Lied, Leben und Gut seien stets gefährdet, das beste
Vieh holten die über den Djak Brdo einbrechenden, alle Stege kennenden
Arnauten. „Wohl gab die Regierung uns Gewehre, aber Patronen müssen wir zu
13 Centime kaufen," klagte der Staresina. 2,5 km weiter sahen wir am Mehanski
potok die Gräber von am 30. Januar 1878 bei der vom Oberst Lesjanin
genommenen, 800 m hoch liegenden Mehane gefallenen Serben. Östlicher trat
der stark verrufene Djak Brdo mit scharf profiliertem, 1400 ni hohem Gipfel in
Sicht. Von allen Seiten strömten hier Wildwässer zum Wege herab. Bald langweilte
es mich, zu zählen, wie oft wir die Kosanica bis zur Zebicamühle queren mussten.
Nach 25 km langem Ritte erschien endlich zwischen Nuss-, Birn- und
Apfelbäumen das von 15 altserbischen Familien besiedelte Ivan Kula, in
Von Kiirsimilija durcli die Kosaiiica, Pusta Reka usw. nach Leskovac.
:U7
prächtiger landschaftlicher Lage, beherrscht von der auf isoliertem hohen Rücken
stellenden „Ivanova Kiila". Der dichte Überzug ihres Piedestals mit Weiss- und
Schvvarzbuchen, Eichen, Eschen, verfilzt mit jungem Kornelkirschenholz und
dornigem Gestrüpp, erschwerte den Aufstieg. Die Ehre des Pfadfinders blieb
Simo. Mit Preisgebung unserer Kleider folgten wir ihm auf die aussichtsreiche
Höhe, um deren Besitz die türkischen Mitglieder der internationalen ürenz-
regulierungs-Konimission am 12. Juli 1879 heftig stritten. Sie stützten sich auf
die Bestimmung des Berliner Vertrags, nach welcher der Djak Brdo die Grenze
bilden sollte, doch stellte sich heraus, dass dieser auf der österreichischen Karte
falsch eingetragen und, nach der Absicht der Mächte, als Wasserscheide zwischen
dem Lab und der Toplica zu gelten habe, und bei dieser Entscheidung blieb es.
Gehüft altserbischcr Ansiedler zu Sastavci.
Oben angelangt, schwand bald jeder Zweifel, dass der 14 m hoch erhaltene,
rechteckige Turm, mit 7,78 in langen, 5,80 m breiten Fronten, auf römischen
Fundamenten stand, deren 1,34 m starkes Mauerwerk von rohen Sandsteinblöcken
und durch Ziegelstückchen gefestigten Mörtel noch einer Ewigkeit trotzen zu
wollen scheint. Nördlich schliesst ein bis auf die Grundfeste verwüsteter, 56 m
im Umkreis messender mittelalterlicher Bau an. Auch südlich stiess ich auf Reste
jüngerer Bauten. Das nach allen Seiten steilgeböschte Plateau war für einen
„Luginsland" wie geschaffen. Man überblickt von dem 1076 in hohen Punkte die
meisten vom jenseitigen Labgebiet über die südliche Kammlinie herabführenden
Wege mit den Karaulen: Sikiraca, Skrep, Markov Vis (1224 m), Mokri
Kamen, Mokri Kremen, Vulovo Brdo (Trpeza), Macija Stena, ferner den
Hrtica Brdo, bei dem, nur durch den Grenzzaun getrennt, sich ein serbisches
Panduren- und türkisches Nizampikett gegenüberstehen, um den Weg nach
dem Kosovo polje zu überwachen, dessen Snltansgrab man deutlich sieht.
318
Von Kursumlija durch die Kosanica, Pusta Reka usw. nach Leskovac.
Weiter nördlich die Karaiila auf dem Vasiljevac, die Prepolacschanzc, NO.
den Sokolov Vis und Djak Brdo, 0. das Hochtal von Zagradje, überragt
vom Madan, und W., in weiter Ferne, die höchste Spitze des europäischen Ostens,
den Ljubaten.
Nach traditioneller Arnautensage residierte auf der Kula der vom Sultan
Bajazid nach dem Kosovosiege zum Herrn der Kosanica eingesetzte mächtige
Ivan Beg, welcher auch die prächtigen Nussbäume im Tale pflanzen Hess. Dieser
angebliche Ivan Beg erinnert an Ivan Kosancic, den grossen Wojwoden, der mit
seinem in der Nachbarschaft begüterten jugendlichen Bundesbruder Milan Toplica
in serbischen Volksliedern als Tapferster unter den vielen tapferen Kämpfern auf
dem Amselfelde verherrlicht wird. Auf der Hochebene unter der Ivanova Kula
sammelten beide Helden ihre Streiter aus dem Toplica- und Kosanicagebiet und
führten sie durch die südwestlichen Trpeza- und Trhaschluchten auf denselben
Wegen hinüber zur Entscheidungsschlacht ins Labtal, die, wie Befestigungen
Zagradska
Skreb.
Markov vis.
Mokri Kamen.
Die Ivanova Kula.
an der Trpeza, beim jenseitigen Ladovce und an der Brvenica zeigen, schon
die Römer als kürzeste Verbindung zwischen Turres (Pirot) und Vicianum benutzten.
Gleich zahlreich, wirr und meist unstichhaltig wie die Sagen über die
Vorgänge während der Schlacht auf dem Amselfelde, sind jene über den Weg,
den Knez Lazar, dahin nahm. 12 km SW. von Prokuplje steht eine „iatinska
crkva" mit Narthex, halbkreisförmigen Altar- und Seitenapsiden, an der Stelle,
wo traditionell Zar Lazar auf seinem gemeinsamen Zuge mit Jug Bogdan über
Dobrotic von der ihn begleitenden Volksmenge Abschied nahm, weshalb später
zur Erinnerung diese „Rastavnica crkva" (Abschiedskirche) erbaut wurde. Weiter
wird erzählt, Zar Lazar habe von diesem Punkte seinen Marsch über Kosmaca,
Ponor, die Ivanova Kula und Mrdar Planina, durch das Labgebiet gegen Pristina
fortgesetzt. Zur Beglaubigung dieser von M. Valtrovic kritiklos abgedruckten
Legende wird bemerkt, „dass man auf diesem Wege mit guten Pferden Pristina
in 1 7-2 Tagen erreichen kann (sie), während man über den Prepolac 3 Tage
dahin benötige".') Und gleich irrig ist auch Milicevics Behauptung: „Zar Lazars
') Starinar, V, S. 125 ff.
Von Kursiinilija diircli die Kosnnica, l^usla Reka usw. nach Leskovac 319
Heer zog von Prokuplje diircli Bela Voda, Dobrotic, Biicinac, Vlase, weiter über
den Djak Brdo, die Ivanova Kiila, Trpeza, den Vasiljevac und Podujevo nacii
dem Kosovo polje," ferner: „diese Route könne in 7 Fussstunden (!) zurückgelegt
werden (!), jene über den Prepolac beanspruche aber 12 Stunden."')
Schon bei flüchtiger Betraciitung einer iinibwcgs richtigen Karle ist tias
Unsticiilialtige beider Traditionen leicht zu erkennen. Denn selbst ein mittel-
niässiger Feldherr wird nicht, falls seine Armee nicht aus „Globetrotters"-) besteht,
die fraglichen, fortwährend hohe Wasserscheiden und tief eingeschnittene Schluchten
quercndcn, nach meiner Berechnung 85 km langen Wege von Kursumlija nach dem
Amselfelde wählen, solange ihm die bequeme, durchaus gute Verproviantierung
bietende, nur 50 km lange Strasse an der Banjska Reka über die sanften Prepolac-
iHilien ins Labtal offen steht. Und dass diese Route 1389 in Lazars Hand war,
zeigt schon ihre und Pristinas Lage, dessen nordöstliches Gebiet kein Türkenfuss
bis dahin betreten hatte. Nach meinen, auf persönlicher Kenntnis des fraglichen
Terrains beruhenden Studien können demnach nur kleine Kontingente aus dem
oberen Nisava- und Moravatale durch die unwirtliche Kosanica in das Labgebiet
gelangt sein, Lazars Hauptmacht aber gewiss ebensowenig, wie Hunyadys Heer
im Jahre 1448. Beide zogen, wie 1688 auch Graf Piccolomini, wie Secken-
dorff 1737 und Oberst Lesjanin 1877, von Krusevac am Rasinabach durch die
Jankova-Klisura, Blace, Barbatovac, Kursumlija, an der Banjska Reka über den
Prepolac ins Labtal, wo Kreuz und Halbmond um die Herrschaft am Balkan
kämpfen wollten.
Von Radivoj Jovanovics prächtiger Wiese zeichnete ich die Ivanova Kula
mit ihrer südwestlichen Umgebung. Da es Sonntag war, sammelten sich die
aufgeweckten Männer der nächsten Gehöfte bald um mich. Obschon erst vor
wenigen Jahren aus dem fernen Gebiete des einstigen altserbischen Patriarchen-
sitzes Pec eingewandert, kannten sie schon die Namen aller Bergspitzen. Die
guten Leute glaubten offenbar, wir seien zur Auskundschaftung der besten Wege
nach Altserbien abgesendet. „Wann geht es an die Befreiung der Daheim-
gebliebencn von ihren arnautischen Drängern?" fragten sie. „Bog znaje!"
(„Gott weiss es!") antworteten wir und kehrten, als meine Arbeit getan war, in
beschleunigtem Tempo nach Kursumlija zurück.
Mit demselben Geleitc, vermehrt durch noch einen Gendarmen des nach
Prokuplje abberufenen Nacelniks, verfolgte ich am nächsten Morgen die Hochstrasse
zum nördlichen Mackovac. Wie es den Jäger rasch in den Forst treibt, wenn
er von der Spur eines seltenen Wildes hört, zog mich die Nachricht von römischen
Bauten dahin. Was ich fand, entsprach aber nicht der gehegten Erwartung. Trotz
aller Umfrage gab es da nichts, als kaum 1 m hohe, 0,75 m starke, wohlgefügte
') Kraljevina Srbija, S. 375.
') Ein serbischer, H. Milovan O. Milovanovii, berührte auf seinem zweijährigen Fuss-
marschc auch Wien (III Bd , II. Kap.).
:V2()
Von Kursumlijn durch die Kosanicn, Piista Rcka usw. nncli I.cskfjvac.
Quadermauern eines 6 in langen, 3,5 ni breiten „cri<viste", in dessen halbkreis-
förmiger Apsis ein antiker Granitsäulenstuinpf die Altarplatte trug, ihr eisernes,
stark verbogenes Kreuz, die vergilbten geopferten Blumen, die überragenden
herbstelnden Baumkronen und hohen, eigenartig geschnitzten Grabkreuze, an welche
verwandtschaftliche Pietät nun von Sonne und Wetter gebleichte Tücher befestigt,
verklärten poetisch diese der Sv. Petka geweihte Stätte, ihre Kuppel bildete
dasselbe blaue Himmelszelt, unter dem die hi. Brüderapostei den Slaven das
Evangelium verkündeten. So mögen ihre ersten Kirchen ausgesehen haben, und
vielleicht steht das graiiitne antike Säulenfragment noch aus jener fernen Zeit
'"■ v^' ^''^ • ■■■ .M
Das crkvistc zu Mackovac,
auf dem Weiheorte, welchen die Frauen namentlich an Freitagen gern aufsuchen,
um der angesehenen Heiligen ihr Leiden und Hoffen im Gebet zu empfehlen.
Ein ähnliches crkviste steht auch an der Toplica in Donji Krcmar, zu
dem wir über Novo Selo und Pepeljevac hinabritten. An der südwestlichen
Quelle der Grabrovacka Reka blieb zu Kosmaca ein Kirchlein mit Narthex und
Granitpfeilern vor der halbrunden Apsis und von 1535 datierter Inschrift ziemlich
gut erhalten, ebenso im Südosteinschnitt ein „crkviste" aus nahe anstehenden,
horizontal geschichteten Sandsteinschieferplatten mit ähnlicher Altaranlage.
Angesichts dieser vielen, einander auffällig gleichenden „ckrviste", bei welchen
keine Spur gewaltsamer Zerstörung sichtbar, überkam mich der Gedanke: ob
überhaupt ihr Ausbau beabsichtigt gewesen, und wenn es der Fall, ob nicht eine
gleichzeitig über sie gekommene Katastrophe ihre Vollendung vereitelte?
Rings um das crkviste zog von dem prächtigen Weideboden junger Eichenwald
zum nahen Donji Dedinac hinauf, dessen nördliche Höhe eine stark verwüstete
Von Kiirsumlija durch die Kosanica, Pusta Reka usw. uacli Leskovac.
:i2i
Kastellruine krönt. Ihre Lage deutete darauf liin, und meine östliche Rekognoszierung
stellte es vollends klar, dass ein antiker Strassenzweig von Ad Fines (Kursunilija)
direkt durch das Gebiet der Pusta Reka, über Gornji Statovac, Zitni Potok und
Zlata zum wichtigen Morava-Knotenpunkte Leskovac lief. Schon Hahn vermutete
dies, glaubte aber irrig, es wäre die von Lissus nach Naissus führende Strasse.
Ausser dem Dedinacer Kasteile wurde dieser Rümerweg durch ein anderes bei
Pestis, ein drittes bei Zitni Potok und das grösste, vierte bei Zlata geschützt, das
ich ausführlicher schildern werde. Ein bewaffneter junger Hirte, der unter
Tovrljan in wunderbar ruhiger, aber menschenleerer Bergidylle einige Kühe und
Ziegen weidete, erzählte uns, dass die Kursumljcr, wenn sie in Leskovac zu tun
DEDINCE. Ariiautenhaus.
hätten, noch immer diesen „stari put" (alter Weg) benutzten.') Auf dem Rückwege
wanderte die Skizze eines erhalten gebliebenen arnautischen Hauses in mein Buch,
dessen Mauern und Dach aus geschichteten Sandsteinplatten in sauberer Technik
ausgeführt waren. Unfern warteten Stösse von Fassdauben aus der westlichen
Arbanaska Reka des nächsten Schnees zur Reise nach Nis. Weiter ging es
durch Grabovnicas zerstreute Gehöfte zur Bogujevacer Mühle des Prokupljer
Kaufmanns Melentije Simic, der 8 von 100 kg verarbeiteter Frucht seinen Kunden
als Mahllolin abnimmt. Fünf Gänge waren vollauf beschäftigt für die hier aus
dem altserbischen Sjenica angesiedelten Einwanderer. Um lodernde Feuer mit
kleinen Ochsengespannen unter gewiss zweihundertjährigen Riesenpappeln lagernd,
um abwechselnd die Umwandlung ihres Getreides in Mehl zu kontrollieren, hätten
die malerischen Gruppen unserem Gause dankbaren Stoff geboten. Dem erregten
') Glasnik, Bd 56, S. 358.
F. KANITZ, Serbien. U.
21
322 Von Kursumlija durch die Kosanica, Pusta Reka usw. nach Leskovac.
Treiben folgte unheimliclie Stille auf der bald erreichten Hauptstrasse. Der Abend
war angebrochen, und noch hatten wir 18 km bis Prokuplje.
Im scharfen Trabe, vorüber an Plocnik und dem in sumpfiger Gegend
liegenden Kondzelj, gelangten wir zwischen Drenovac und A\ala Plana an die
lange schon mit ihren scharfen, dunklen Konturen vom flimmernden Nachthimmel
sich abhebende „ Krnjina-Moschee" des einst vorhandenen Tscherkessendorfs.
Ihr helmloses Minarett ragte so melancholisch in die Luft, als trauerte es seinem
herabgestürzten Halbmond nach. Zuletzt, im Sommer 1888, wurde an seinem
Fusse Mino aus Vucitrn, das die ganze Gegend von Pristina bis Nis in Schrecken
setzende Haupt einer grossen Bande, mit zweien seiner Gesellen erschossen, im
Prokupljer Gefängnis hatten sie bereits ihre Ketten durchgefeilt, die Gitterstangen
waren aber zu stark. Mit unverbundenen Augen, in Gegenwart von nah und fern
herbeigeströmten Volkes, sah der, wie ihm das Urteil vorrechnete, mit 63 Untaten
belastete Heiduck furchtlos acht Gendarmen die todbringenden Gewehre anlegen.
Unser Simo, der ihn ins Jenseits befördern half, rief voll Ekstase: „Mino starb
wie ein Held, schade um solchen Menschen!" So entsprach das Finale genau
der Ouvertüre meiner Exkursion: Räuber- und Mordgeschichten vom Anfang bis
zum Ende. Man gewöhnt sich, der Puls schlägt gleichniässig fort; doch der tiefe
Seelenfriede, den wir sonst in sternenheller Nacht empfinden, die ruhige poetische
Beschaulichkeit, welche in Töpfers Wanderbildern auf Schweizer Boden dem
Leser anheimelnd entgegentritt, sie stellt sich bei diesen ununterbrochenen
Erzählungen von menschlicher Bestialität nicht ein.
Das Tal verengte sich, die Strasse zieht dicht am Humac-Hang, an der
wasserlosen „Suva cesma" vorüber, und auf dem rechten Ufer trat die Vidovica
planina näher. Am 27. Juni, am Vidov dan, der als Tag der Kosovoschlacht den
Serben als „schwarzer" gilt, zieht das Volk zu ihrer in ein grosses Felsbecken
fliessenden Quelle hinauf, der Pope segnet sie, man opfert einige Para, wäscht
sich mit dem heiltätigen Wasser, das ein Jahr lang vor jeder Krankheit behütet.
Solcher Anklänge an heidnischen, auch im aufgeklärten Frankreich neuestens
wieder aufgelebten Brauch gibt es in Serbien in Menge.
Wir streiften das flüsternde Laub der Mithadschen Alleepappeln. Endlich
erschien die ersehnte Pasa-Tulba, bei welcher wir vor wenigen Tagen nach Norden
abbogen, bald darauf die scharfe Silhouette des Hisars von Prokuplje und das hart
zur Strasse tretende Bett der vom Monde mit Silberlicht gestreiften Toplica. Ihr
Rauschen begleitete uns in die schlafende Stadt. Die zehnte Stunde schlug vom
massigen Uhrturm, als wir das gastliche Ingenieursheim betraten.
Am nächsten Vormittag traf der Nacelnik telegraphisch Anordnungen für
meinen Besuch des Albaneser Bezirks. Auf dem Cardak des von Herrn Bozovic
bewohnten Türkenhauses, dessen prächtigster Schmuck farbenfrische Piroter
Teppiche und eine Trophäe alter und moderner Schiesswaffen, kredenzte uns die
gastliche Hausfrau dunklen Negotiner. „Also auf fröhliches Wiedersehen über-
morgen bei den Amanten!" Damit verliessen wir die Stadt des hl. Prokopius,
Von Kiirsumlija durch die Kosanica, Pusta Reka usw. iinch Leskovac. 323
dein icli das seinen besorgten Vater zurüci<haltende fiebernde Nacelniksöiinlein
ganz besonders empfahl!
Der bereits schon geschilderten Toplicastrasse folgend, machten wir bei
Zitoradjes Mühle knrzen Halt. Der aus Prag dort nach allerlei Wanderungen
angesiedelte Jovan Novak nimmt lü von 100 kg des zu vermählenden Getreides,
klagte aber, dass der Weizenpreis sehr tief stehe. Im 830 Bewohner zählenden
geschlossenen Dorfe besitzen einzelne Zadruga 20 — 27 Seelen. Das Geläute
seiner 1815 geweihten Maria Himmelfahrts-Kirche begleitete uns auf das südöstliche
Hochplateau. Zwischen Studenac und Crnatovo bildet dieses eine riesige
Hiitweide mit niederem Eichengebüsch, das, zu Jungwald verdichtet, auch die
westlichen Hohen bedeckt. Wieviel fruchtbaren Boden könnten fleissige Hände
nur hier allein in ein gottbegnadetes Paradies umwandeln, wo heute das Wild
kaum Nahrung findet! Magere Hasen, Schlangen, Geier sahen wir in Menge,
Singvögel wenige, Menschen gar keine. Erst bei dem 13 km fernen Dubovo
stiessen wir auf von seinem crkviste zurückkehrende Frauen.
Über sanft gesenktes Terrain stiegen wir hinab nach Zlata, in dem
25 Familien aus der Vlasina eine neue Heimat fanden. Fruchtbares Land dehnt
sich weit gegen Osten aus; die Leute sind zufrieden, oft schon wohlhabend, dabei
aber unglaublich bedürfnislos. Das Haus des Mijailo Petrovic, eines der besten,
das uns für die Nacht aufnahm, besass nur zwei Räume. Der kleinere, das
Tageslicht durch die Tür empfangende, mit niederer Herdstelle und kaum not-
wendigstem Gerät zum Kochen und Backen, dient der Familie als gemeinsamer
Schlafplatz; Männer, Frauen und Kinder strecken sich da im Halbkreise um das
brennend erhaltene Feuer auf den gestampften Erdboden hin. Der anstossende
grössere, mit zwei im Winter durch Papierrahmen und Holzdeckel geschlossenen
Öffnungen wird zur Aufbewahrung von Kleidern, Mehl, Kartoffeln, Geschirr, Eiern,
Fett, Öl, Petroleum, Flachs, Wolle usw. benutzt. Inmitten dieser verschieden
duftenden Vorräte wurde für uns frisch gemähtes Gras auf die Erde gebreitet,
und nach einem lukullischen Souper von gebratenen Kartoffeln, Eiern und frischem
Käse schliefen wir, in unsere Mäntel gehüllt, bald so fest wie auf raffiniertesten
Matratzen.
Mit dem ersten Sonnenstrahl zog es mich hinaus „zu den Resten der alten
Festung", die Konsul Hahn und Major Zach im Jahre 1859 „wie römisch angemutet",
von deren Gestalt und Umfang sie aber keine deutliche Vorstellung gewinnen
konnten. Angesichts der wirren Mauern auf dem von SO. nach NW. streichenden,
40 m hohen Plateau, zwischem dem Glasovicki potok und der Zlatna Reka, erging
es mir anfangs wie meinen Vorgängern. Dass sie römisch, darüber war ich wohl
bald ausser allem Zweifel; aber erst als ich nach längerem Rekognoszieren W.
von in gerader Linie zum Bache ziehenden Mauerresten auf Spuren ausgedehnter
parallel streichender Querwälle stiess, ergab sich allmählich die klar umgrenzte
Gestalt eines riesigen Kastrums. Nun konnte Ingenieur Valenta zur Aufnahme des
Grundrisses, ich selbst an jene ausserhalb der Wälle liegender Ruinen schreiten.
Unsere Aufzeichnungen ergaben für das Kastrum ein der Plateaugestalt
folgendes, NW. nach SO. streichendes unregelmässiges Parallelogramm mit 460,
21*
n24
Von Kursiimlija durch die Kosanica, Piista Reka usw. nach Lcskovac.
400, 180 und 150 Schritte langen, durchschnittlich 2 ni starken Mauerfronten.
Auf dem nordöstlichsten höchsten Punkte des 220 Schritte langen, 150 Schritte
breiten Mittelabschnittes B zeigten sich Rudimente eines starken Zwingers, dessen
starke Verwüstung die nähere Bestimmung ohne Freilegung seiner Fundamente
unmöglich macht. Von der Nordwestecke des Abschnittes C setzt eine auf
76 Schritte gut verfolgbare Mauer D diagonal fort. In der Mitte der SW. weiter
laufenden, 75 m langen Wallmauer des Abschnittes A stehen, 32 m vom Kastrum
entfernt, die 3,50 m hoch aufragenden, aus Ziegeln mit gleich breiten Mörtellagen
hergestellten abgetreppten Pfeiler des Tores E für die von Ad Fines (Kursumlija)
Kastellplan von Zlata-
herabkommende antike Strasse. 22 m 0. von der bis auf die Grundfesten
zerstörten Tormauer zieht eine, am Wasser noch 8,50 m hohe, 2,30 m starke,
35 m lange, aus 36x30 cm grossen Ziegeln mit Qusswerk aufgeführte andere
Mauer /^ zur Zlatni potok (Goldbach), die, über dem Bachbette geborsten, jenseits
65 m fortläuft, dort in der Mitte eine rundbogige Oeffnung und am 3 m breiten
Ende G aber zwei 1,70 — 2 m tiefe, gewölbte Räume enthält.
Hahn und Zach hielten diese technisch meisterhaft vollendete Backsteinbaute
für eine Brücke; mir lag, da Zlata zur Römerzeit wahrscheinlich gleichwenig gutes
Trinkwasser wie heute besass, der Gedanke an einen unterirdisch fortgeführten
Aquädukt näher, der, durch das Wasser des gestauten Baches gespeist, dieses auf
der vielleicht als Leitung benutzten Mauer E in die Feste und zum grösseren
Teil abwärts zur Stadt trug. Sollte, wie ich annehmen darf, eine künftige
eingehende Untersuchung meine Vermutung über den Zweck der Mauer in der
Von Kursiinilija durch die Kosanica, Piista Rcka usw. nach Lcskovac.
325
Hauptsache bestätigen, so besässe das an römischen Resten überreiche Serbien
auch eines der erhaltenen römisclien Wasserwerke, ähnlich jenem des Arnotals,
wo Kaiser Nerva oberhalb Serbiaco bei Rom den Bach durch eine Mauer seeartig
anstauen liess, oder den von Moltke anschaulich geschilderten Staubauten des
Kaisers Konstantin M. und Valens zu Konstantinopel'), deren System (türkisch
bend) von den schon zu ihren religiösen Übungen viel Wasser benötigenden
Arabern und Türken durch „Suterasi" (Wasserwagen) usw. weiter ausgebildet
wurde. -)
Zlatas heutige, dem Wasserkomfort als Getränk und Reinigungsmittel weniger
huldigende Anwohner glauben wohl auch, dass die Mauern einst zusammenschlössen.
Ansicht und Plan des Kastelltorcs zu Zlata.
doch nur zur „Auffangung der einst ungemein goldhaltigen Zlatna Reka", und selbst
das Schloss hätte Zlata, eine Schwester jener Prinzessinnen, welche die Burgen
zu Kurvingrad und Svinjare an der Caricina gegründet, nur deshalb hier erbaut,
um die aus dem gewaschenen Goldsande geschmolzenen Barren in seinen festen
Türmen bis zur Versendung an ihren Vater, den fern wohnenden Zaren, zu
verwahren; als Sultan Murad diesen besiegt, zerstörte er aber das grad und die
nahe, gleichfalls „Zlata" genannte grosse Stadt, welche unterhalb des heutigen
Dorfes auf den Feldern des Veljko Sreckovic und Radisav Vuckovic lag, wo
beim Ackern ausgedehnte starke Mauern zum Vorschein kamen.
Diese auch hier auftretende Tradition von den Burgen bauenden serbischen
Prinzessinnen ändert selbstverständlich nichts an der Tatsache, dass zu Zlata
») Briefe über Zustände u. Begebenheiten i. d. Türkei. Berlin 1841. S. 85-92.
') Strzugowski, Die byzantinischen Wasserbehälter in Konstantinopel. Wien 1893.
3'2fi
Von Kursumlija durch die Kosanica, Piista Reka usw. nach Leskovac
ein römisches Kastrum stand, über dessen verlorenen Namen ') ich auf die
bei Leskovac gemachte Bemerkung verweise. Aus an verschiedenen Orten von
mir kontrollierten Aussagen schliesse ich, dass Zlata der wichtige römische
Wegknotenpunkt war, an dem die von Ad Fines (Kursumlija) zur Morava ziehende
Strasse durch eine zweite, von 12 Kastellen rerteidigte, gekreuzt wurde. Diese
ging von Hammaum (Prokuplje) unter dem Kastell bei Bucinac über die befestigte
Pasjaca, vorüber an Momcilovo, wo ein latinsko groblje sich befinden soll,
nach Zlata. Dort vereinigt sie sich mit dem kurzen von Hammaum und lief
unter den Kastellen zu Bojnik, Frekopcelica, Rajinkovac weiter SW. mit
einem Zweige über den Mrkonj nach Vicianum (Pristina) und mit einem
zweiten, entlang der Banjska Reka, nach dem durch seine Edelmetalle berühmten
Backsteinmauer zu Zlata.
Distrikt von Novo Brdo. Die Kastelle dieser südwestlichen Tracen werde ich
noch ausführlicher schildern.
Südlich von Zlata betrat ich die heutige Vranjaer Kreisgrenze und bei
Crkvina, am Zusammenfluss der Konjuvska und Golenia Reka, das mittlere Gebiet
der Landschaft „Pusta Reka". Diesen gegenwärtig ganz unpassenden Namen
„verödetes Tal" erhielt sie, als ihre serbische Bevölkerung 1738 nach Ungarn
•) Artur John Evans setzte, Hahns irriger Ansicht folgend, ohne Rücksicht auf die
Masse der Tab. Peut., Hammaum bei Zlata an (!"), dem einzigen Punkt in Serbien, mit dessen
Römerresten Evans sich eingehender beschäftigte. Seine bezügliche Schilderung imd die sie
begleitenden Pläne leiden jedoch an grosser Ungcnauigkeit, die ein Vergleich mit meinen
Aufnahmen allerorts hervortreten lässt. Schon die Grundform des Kastrums erscheint verfehlt,
seine Zwischenmauern sucht tnan vergeblich, die Pfeilermasse des irrig „Porta Naissitana"
getauften Tores stimmen schlecht mit der Wirklichkeit, auch existiert nicht der „Zitni Potok",
welcher, flösse er an jener Stelle, den Zweck der zwischen ihm und der „Zlatna Reka"
erscheinenden Mauer unenträtselbar gestalten würde. (Vergl. A. J. Evans, Antiqu. Res.
in llliricum, Archaeol. Res. XLIX, S. 157 ff.)
Von Kursumlija durch die Kosanica, Ptista Rcka usw nach Leskovac 327
Übersiedelte. Dass ihr Boden fruciitbar, zeigt der ältere Name des NO. von
Zlata liegenden Dorfes und lierabkommenden „2itni potok" (Weizenhach); dass
er vor dem Exodus auch stark bewohnt war, beweisen zahlreiche altserbische
Ortsnamen, Ruinen, Traditionen und Mythen. Auch der romantische Nationalheld
Marko lebt hier in Liedern und an bestimmte Orte geknüpften Sagen fort. Die
sitzartige Aushöhlung am Crveni Breg und das Loch für den Streitkolben eines
mächtigen Riesen bei Statovac spielen ihre Rolle im Legendenkreise vom
Königssohn.
Am Ursprung der Bucumetska Reka steht unter dem 956 m hohen Zahac
ein altes Kirchlein, auf dem Mrvez polje eine malerische Ruine mit halbzerstörten
Bildern von Heiligen, zu Obrazda am Majkovacki potok eine dem gleich-
namigen Flurenpatron dieser Gegend geweihte, nur durch das Altarfenster erhellte
Kirche. Auf dem Golubac bei Ivanje, beim Maciner „Heiligenwasser" und
N. von Bublica sieht man ebenfalls vielbesuchte Heilstätten und crkvista. Unter
den alten Dörfern gibt es das genannte Crkvina (Kirchdorf), Bogojevac
(Gottesdorf) usw. Dies alles bekundet den frommen Sinn der dem Albanesen-
druck gewichenen slavischen Bevölkerung. In der schwersten Prüfungszeit für
das rasch bis zur Vereinigung der Konjuvska mit der Golema Reka arnautisierte
Pusta Reka-Westgebiet nuissten seine wenigen Christen auf allen religiösen Kult
verzichten. Zu Ostern, Pfingsten und Weihnachten bestieg ein mutiger Pope die
höchste Petrova-Gora-Spitze, schwang dort ein Kreuz nach den vier Himmels-
gegenden und rief: „Damit ist jeder Geborene getauft, jedes Paar vermählt, jedes
Grab gesegnet!"
Als ältestes Serbendorf der Pusta F^eka gilt Dragovac, auf dessen aus-
gedehnter Hochebene traditionell die von Kosovo flüchtenden Christenscharen
den nachdrängenden Türken eine letzte unglückliche Schlacht lieferten. Das lange,
blutige Rmgen zog sich bis zum später entstandenen nördlichen „Bojnik", daher
sein Name „Schlachtort"; die Arnaulen nannten ihn „Buje". Für die Arbeits-
tüchtigkeit dieser ethnographisch hochinteressanten Rasse sprach in dem durch
reiche Kulturen und kleine Waldpartien ausgezeichneten einstigen albanesischen
Hauptorte der Pusta Reka die schon 1859 von Hahn gerühmte Schönheit ihrer
Häuser, Gärten, Kleider, Waffen und Pferde, auf welchen sie die überraschendsten
Reiterkünste ausführten. Fr hob aber auch die freche Zudringlichkeit ihres jungen
Nachwuchses und das stark entwickelte Hochgefühl dieser Bauernaristokraten
selbst gegenüber christlichen Reisenden von hohem amtlichen Range hervor und
Hess das schlimme Verhältnis dieser Abkömmlinge der alten Illyrer zu ihrer
Zehentpflichtigen Rajah erraten. Besser lernen wir es kennen durch gerade zu
Bojnik in frischer Erinnerung fortlebende Traditionen. Denn dort empfand
nicht allein der serbische Christ, sondern auch der herrschende Türke den
unbeugsamen albanesischen Geist. In Bojniks festem Konak und in einer
wahrscheinlich aus antikem Material erbauten starken Kula sassen die türkischen
Grundherren Abdur Rahman und Ali Alijatja, weithin bekannt durch gleich grossen
Reichtum wie gewalttätigen Sinn. Jeder Reiter sollte vom Pferde absteigen, wenn
er an ihren Sitzen vorbeizog. Die über diese Zumutung erbitterten Arnauten
328 Von Kursumlija durch die Kosnnica, Piisfa Reka usw. nach Leskovac.
töteten beide; ihre Kinder rettete eine mitleidige Serbin vor gleiclieni Lose.
Seibstverständiicii iiätte unter dem arnautisciien Drucke zu [k)jiiik an den
beabsiciitigten Bau der von Zivanovic entworfenen, auf 29000 d veransclilagten
Kuppelkirciie nicht gedacht werden können.
Die kriegstüchfigen Amanten leisteten 1878 dem Vordringen der Serben
auch in der Pusta Reka energischen Widerstand. Am 18. und 19. Dezember
wurden sie aber aus Brijanje, Kacabac und Pridvorica vertrieben, und bald
mussten sie auch Bojnik räumen, dessen Kuia und Moschee zerstört wurden.
Erst am 25. Januar aber erfolgte nach einem blutigen Gefechte bei Slisane ihr
Rückzug über die Petrova Gora nach dem Djak Brdo. Den Flüchtenden folgten
bald ihre Weiber und Kinder mit der beweglichen Habe. Rasch ging es nun
an die Besiedelung der verödeten Orte durch Zuzügler aus den verschiedensten
serbischen Gebieten. An der westlichsten Pusta Reka -Quelle entstand damals
unter dem 1258 m hohen Sokolovac das erste Montenegrinerdorf Novo Vlase,
bei Gornje Brijanje das neue Dorf Kosancic durch Banater Serben, deren Frauen
für tugendhafter als ihre Mädchen gelten, was die schon berührten Verhältnisse
erklären.
Der an der unteren Pusta Reka von ihren alten Bewohnern gesprochene
Dialekt gleicht jenem des angrenzenden Leskovacer und Niser Flachlandes,
während der an der oberen Toplica gesprochene vom Krusevacer nur wenig
abweicht. Charakteristisch ist der häufige Ausgang der Ortsnamen auf „ce", der
vierten Endung, statt ersten auf „ci". Philologen, welche serbische Dialekte aus
Nord und Süd studieren wollen, finden in der Pusta Reka und Medvedja alle; doch
müsste dies bald geschehen, bevor sie durch enges Mit- und Durcheinandericben
ihre Eigentümlichkeiten einbüssen.
Südlich von Bojnik bot die weitgedehnte Hochebene „Mrvez" — das
gleichnamige Dorf der österreichischen Karte traf ich verödet — einen höchst
instruktiven Ausblick auf die das Pusta Reka-Gebiet umrandende, prächtige Buchen
und Eichen tragende nordwestliche Pasjaca mit dem 896 m hohen Orlov Kamen,
ferner auf die westliche, 1452 m erreichende Radan Planina, deren Buchen-
forste gut erhalten sind, auf die südwestliche, 1172 m hohe, zweigipfelige
Petrova Gora, welche stellenweise dichte Eichenwälder bekleiden, südlich auf
den nur 620 m hohen, von der Rafunska (721 m) überragten Kurmuszug im
Medvedjatal, der gegen die NO. auftretenden hohen Suva Planina-Kuppen sehr
zahm erscheint. Nachdem ich das interessante Profil krokiert, ging es SO. weiter
durch von mächtigen alten Eichen überschatteten jungen Laubwald und schöne
Maiskulturen zur Preko pcelica. Zwischen diesem Bache und der westlichen
Caricina (arnaut. „Starisina") liegen bei Svinjarica die Reste einer römischen Feste.
Ihre Anlage, nur 10 Millicn vom Zlataer Kastrum, erklärt ein von Vicianum in
das mittlere Nisavagebiet führender antiker Pusta Reka-Strassenzug, der Bojnik
berührte und es zum wichtigen Wegpunkt gestaltete. Die Ruinen einer anderen
römischen Feste mit Warmbad, am Punkte „Padina"(?) in der Petrova Gora,
wo angeblich der Steintorso einer Brunnenfigur gefunden wurde, empfehle ich
gleichfalls zur näheren Erforschung.
Bezirksort LebaiiL*; Friuien aus Altserbien; Hotl/.a, l'ope, ürenzwachotliziu-r ; Arnaute üsnian;
Kirchicin zu Dediö.
Von Kuräumlija durch die Kosanicn, Pusta Reka usw nacli Leskovac. 331
Im westlichen Siisane fand ich Milicevics angebliciicn „F'etrovo Jezero" (See)
nicht; hingegen in Prekopcclica ein wahrscheinlich auf alten Mauern entstandenes
neues Kirclilein mit halbrunder Altarapside, über dessen Eingang das Bild des
hl. Nikola prangt. Während wir neben dem hölzernen Glockenturme zwischen
originell geformten Grabkreuzen im Schatten malerischer Riesenulmen ruhten und
nur bedauerten, dass nicht ein erquickender Quell diese reizende Idylle vervoll-
ständigte, erschien der zu meiner Begriissung vom Prokupljer Nacelnik entsendete
Lebaner Bezirkskapetan Milutin llic in Begleitung zweier Panduren. Unser Weg
folgte dem Dorfbacli, an dessen im gneisartigen Glimmerschiefer eingeschnittenen
Bette sich halbwilde Schweine unter wilden Birnbäumen umhertummelten. Die
Sonne warf ihr rötliches Licht auf die Gräber dreier rechts am Wege erschossener
arnautischer Heiducken, welche den dichter werdenden Wald auf der Pusta
Reka-Scluide unsicher gemacht; die wenig anheimelnde Landschaft wurde durch
einfallende Purpurstrahlen verschönt, und bald ging es auf schlecht tracierten
Steilkurven hinab in das jenseitige Jablanicatal nach imsereni Ziele Lebane.
Den Kern des erst im Werden begriffenen Städtchens bildet eine mit der
hier 45 m breiten Jablanica parallel laufende niedere Häuserzeile, die mit dem
bescheidenen Bezirksamt endet. Sein Wahrzeichen bilden .zwei Riesenpappeln
von 10 m Stammumfang neben drei mächtigen Nussbäumen am rechtsuferigen
Brückenstege. Seit alter Zeit ist Lebane ein Christendorf mit etwa 40 wohlhabenden,
auf der Höhe zerstreuten Gehöften. 1900 zählte dieser Ort 67 Häuser mit
460 Einwohnern. In der es beherrschenden, früher türkischen Karaula mit
hohem Cardak hatte sich Kapetan llic recht anheimelnd eingerichtet imd hiess
uns seine liebenswürdige Gemahlin Jelena mit gewinnendster Herzlichkeit will-
kommen.
Zieht man von der bei Lebane von N. nach S. fliessenden Sumanska reka eine
senkrechte Linie über Dragovac— Bojnik zum Pasjacagebirge, so erhält man die
Grenze, von welcher bis zum 2 Stunden NO. von Pristina liegenden Grastica
früher ausschliesslich Albanesen wohnten. Östlich dieser Linie gab es nur isolierte
Arnautenorte, westlich keine einzige christliche Niederlassung. Der Arnaute fühlte
sich seit jeher wohler im waldreichen, dabei fruchtbaren Mittelgebirge, als in der
topfebenen Fläche. Als die serbischen Truppen im Januar 1878 gegen die
„Medvedja" vordrangen, schloss sich die Rajah der eroberten „Pusta Reka" ihren
Stammesgenossen und Befreiern an, um den seit Dezennien gegen ihre moslimischen
Bedränger aufgespeicherten Hass zu kühlen und das einst ihnen gehörende prächtige
Weideland zurück zu gewinnen. Die Albanesen verteidigten tapfer jeden Zoll.
Von Höhe zu Höhe zog sich der erbitterte Kampf. Am 20. Januar nahm Ljuba
Ivanovic die feindliche Stellung westlich von Lebane zwischen Krivaca und der
Tekija mit geringem Verlust. Er trieb die Arnauten über die Petrova Gora nach
Gajtan, am 21. Januar aber von dort nach heftigem Gefecht und bis zum 28.
fortgesetzten Scharmützeln über Vrtop, Sviliäte und die Madan F^lanina gegen
die Ivanova Kula zurück. Gleichzeitig ging die von Lazar Jovanovic befehligte
Abteilung gegen den SW. von Lebane liegenden Crni Vrh vor. Die dort verjagten
Arnauten ralliierten sich bei Macedonci an der Medvedja, wurden aber am
332 Von Kursumlija tiiircli die Kosanica, Pusta Reka usw. nach Lcskovac.
2. Februar geschlagen und zersprengt. Die Serben beklagten 5 Tote und 32 Ver-
wundete, unter letzteren den Offizier Jevdjenije Jurisic (Eugen Sturm).
Der abgeschlossene Waffenstillstand machte dem in Niederbrennung der
widerstrebenden Arnautenorte und Verjagung ihrer Bevölkerung ausartenden Kampfe
kein Ende. Wiederholt drangen, während in Berlin über das Schicksal dieses
allmählich verödenden Gebietes verhandelt wurde, Arnauten in dasselbe ein. Am
7. Juni überfielen sie ein serbisches Detachement bei Lapastica und töteten
den Offizier Dragutin Arandjelkovic aus Pozarevac; die Serben blieben die
Antwort nicht schuldig. So entwickelte sich ein fortgesetzter kleiner Krieg mit
gegenseitigem Totschlag und Viehraub, der selbst nach der Aufrichtung des
serbischen Blockhauskordons entlang der im Berliner Vertrage festgestellten Grenze
unausgesetzt fortwucherte. Neben der von Belgrad mit grossem Eifer betriebenen
Neubesiedelung der verlassenen Ortschaften des Toplicaer Kreises versuchte
man serbischerseits endlich die im ersten Übereifer vertriebenen Arnauten in ihre
alten Wohnsitze zurückzuführen.
Am folgenden Morgen machte mich der pünktlich eingetroffene Nacelnik
in der kleinen Lebaner „Kafana" mit dem am Vortage dahin geladenen Haupt-
vermittler in der schwierigen Reiseangelegenheit bekannt. Dieser Vollblut-Arnaute
Sajid, unter dessen moralischem Schutze wir den stark verrufenen Lebaner
Albanesenbezirk besuchen sollten, war der älteste, damals etwa sechzigjährige
Sohn des kurz zuvor verstorbenen hundertjährigen Osman Saliovic. Im nahen
Lapastica geboren, wo seine Familie althergebrachtes Ansehen genoss, kämpfte Sajid
1878 gegen die eindringenden serbischen Truppen am Crni Vrh, wobei er den
rechten Zeigefinger verlor und über Vranja emigrierte. Vor die Wahl gestellt, als
Feind Serbiens auf albanesischem Boden zu vegetieren oder als Untertan des
Königs Milan sein väterliches Erbe unverkürzt wieder zu erhalten, entschied er sich
für das letztere und wird seither allgemein als Chef der durch ihn und mit ihm
in das Königreich zurückgekehrten Arnauten betrachtet. Obschon Sajid keinen
systemlsierten Militär- oder Zivilposten bekleidet, er ist nur „Pocastni", Titularoffizier,
erhält er einen Monatsgehalt von 92 Dinaren, auch ist ihm das Tragen seiner
türkischen Uniform mit Tscherkeska und Säbel gestattet. Von Sajid erfuhr ich,
dass die zurückgekehrten Arnauten ziemlich ruhig die Orte: Vrabce (5 Gehöfte),
Svirce (40 Gehöfte), Radinovac (16 Gehöfte), Lapastica (3 Gehöfte), Kapit
(22 Gehöfte), Tupale (35 Gehöfte), Sijarina (30 Gehöfte), Radevci (20 Gehöfte),
Ravna Banja (20 Gehöfte), Grbavci (13 Gehöfte) und Vlase (14 Gehöfte)
bewohnen. Ausser dem Drvodelja (5 Gehöfte) gibt es auch in Nis und Leskovac
etwa 30 arnautische Familien. Alles in allem sollen nach Sajids etwas hoch-
gegriffener Schätzung 4000 Albanesen in Serbien leben.
Ich sagte Sajid einige verbindliche Worte und begrüsste sodann den zum
Führer unserer Eskorte berufenen potporucnik (Leutnant) VukojeTodorovic. Er wurde
mir vom Nacelnik als „Hauptteufel" vorgestellt, der furchtlos, ganz allein durch die
Arnautenberge reite und beim Inspizieren der langen Grenzkordonlinie schon so
manchem allgemein gefürchteten Heiducken den Lebensfaden gekürzt. Wenige
Wochen zuvor wurde aus sicherem Hinterhalte zweimal auf ihn vergeblich
Von Kiirsiiiiilija durch die Kosanica. Pusta Reka usw. nacli Leskovac. 333
geschossen. Er gilt als kugelfest und scheint ganz aus dem Stoff, iiiii bald in
Volksliedern gefeiert zu werden. Den interessanten Kreis vergrösserten der
Rittmeister a. D. Petar Rajkovic, der gleichfalls aus Ungarn stammende Postmeister
Panta, den das radikale Regiment vom fretuullichen Cacak, wo ich ihn 1888 traf,
in dieses „elende Nest" versetzte, dann ein martialischer Montenegriner, der hier
im süssen Nichtstun eine kleine Pension verzehrt.
Gegen Mittag meldete der elastische potporucnik Vukoje, es sei alles zum
Aufbruche fertig. Der Nacelnik und Sajid ritten an der Tete; der Kapetan zog es
vor, die Tour im Wagen zu machen und bot mir den Ehrensitz an. Valenta und
Vukoje mit ihrem Dutzend Gendarmen und Panduren schwärmten um uns her.
Westlich von Lebane betraten wir das Tal der Medvedja, das, im Beginne schmal,
sich allmählich erweitert und auf beiden Ufern von prächtigem Kulturland,
triftenreichen, auch hübschen Laubwald tragenden Höhen bekleidet wird. Nach
zweimaliger Querung des Flusses erschien das alte Christendorf Silovo, das als
wohlhabendstes im weiten Umkreise gilt. Seine ausgedehnten Felder und Wiesen
umhüllen herrliche Nussbäume, Linden, wilde Ölbäume, Kornelkirschen, Weiden,
Christusgrün (Hristovina) usw. Der hier trefflich gedeihende, 2,5 m hohe Hanf
lag teilweise, flossartig geschichtet und luit Steinen beschwert zur Erweichung
im Bachbett, oder stand schon in langen Zeltreihen zum Trocknen am Ufer
aufgestapelt. Allerorts tummelten sich fleissige Leute, auch vor den Ziegelöfen,
welche die „ceramidi" (Rundziegel) liefern, die das frühere dichte Strohdach dieser
Gegend allmählich verdrängen. Bei dem von Lebane 8 km fernen, durch sechs
serbische Familien aus der türkischen Kriva Reka wieder besiedelten Radinovac
stiessen wir auf die ersten arnautischen Häuser. Ihre Bewohner stammen, wie
alle zurückgekehrten Albanesen, von dem grossen Fis (Stamm) Sob und Krasnic
bei Djakovo in Altserbien. Sein grosses Ansehen geniessender Chef Suleiman
Aga residiert in Pristina auf dem Aniselfelde. Soviel ich bemerken konnte,
reinigten die arnautischen Frauen mit serbischen im besten Einvernehmen gemeinsam
ihre Wäsche. Die vorbeiziehende bunte Kavalkade erregte ihre Neugierde; doch
die unverschleierten moslimischen Damen blickten ihr nur verstohlen nach.
Am Ursprünge des ein Dutzend Mühlen treibenden rechtsuferigen Zabrdjski
potok steht unter dem 721 m hohen Rafunski Vis, bei Lapasticas Moschee,
Sajids grosses Gehöft. Als trefflichster Kenner dieser Gegend machte er mich
am Bacheinfluss auf Reste eines Turmes aufmerksam, welcher zweifellos das
Vorwerk des antiken Kastells bildete, dessen noch teilweise meterhohe Mauern
von Bruchstein und grossen Ziegeln auf der südöstlichen Höhe stehen. Die
Anwohner glauben, dass auch das zerstörte Kirchlein des jenseitigen serbisch-
arnautischen Rajinkovac zum „grad" gehörte (?). Bei einem crkviäte, deren
es hier in Menge gibt, schlössen sich zwei Sajid befreundete arnautische Reiter
in stark verbrauchten malerischen Kostümen unserer Eskorte an. Gleich darauf
wurde diese durch eine Cefa Fussgänger vermehrt, die ein Montenegriner befehligte.
Die flink kletternden, meist jungen Burschen hatten den im schlechtesten Rufe
stehenden Crni Vrh an unserer Route abgestreift, doch nichts Verdächtiges gefunden.
Wir reisten nun „paäajiäte" mit eineiu Geleite von dreissig Gewehren.
334 Von KurSumlija diircli die Kosanicn, F'iista Reka usw. nach Leskovac.
Etwa 4 km weiter gewann die Landschaft wildromantiscliL-n Ciiarakter. Die
Kulturen wurden seltener, nur manclimal sehr komisch aussehende, das abgemähte
Gras tragende Bäume, weidende Schafe und Ziegen; bald aber mehr steiniges
Terrain, dessen nackte Sandsteinklippen das Bachbett auf einer kurzen Strecke stark
verengten und vertieften. Einige von den Gendarmen hier in den smaragdnen
Spiegel geschleuderte Dynaniilpatronen zeigten, wie fischreich die Medvedja;
kleinere und grössere Barben, krkuske, skobalje, kleni usw. füllten in wenigen
Minuten ihre bissage. Unser Wagenlenker nahm mit grösster Bravour die steilsten
Uferhänge und brachte uns auch heil durch die oft klippenvollen Furten, deren ich
bis zum Einflüsse der Grabovnicka reka über zwanzig zählte. An ihren 12 km
fernen nordwestlichen Quellen bei dem schon vor 1889 durch 30 montenegrinische
Familien neubesiedelten Gajtan stand unter dem Gipfel der Petrova Gora, auf
einer von Laubwald umschlossenen kleinen Ebene, die ansehnliche Kirche eines
dem hl. Petrus geweihten Klosters, dessen Mönche es wegen der fortgesetzten
arnautischen Brandschatzungen verliessen, nur die Grundmauern und ein Brunnen
blieben. 5 km südlicher sieht man am Zusammenflusse zweier westlicher Medvedja-
bäche unterhalb Drajinci in 500 m Höhe die Ruine eines Römerkastells, das
mit vielen anderen, früher ungekannten, zum Schutze eines wohlkombinierten
Wegsystems gehörte, über welches ich mir am nächsten Tage volle Klarheit
verschaffte. Erst abends erreichten wir den vom Gasthause und der Schule
gebildeten Kern des neubesiedelten, jetzt Medvedja genannten Dedic. Vor
und in der einzigen, von Tabaksqualm und Rakijadünsten erfüllten Stube seiner
kleinen Mehana hatte sich ein wirrer Nationalitätenknäuel zu unserer Begrüssung
eingefunden. Jeder wollte den Nacelnik sehen, ein Anliegen vorbringen. Die
meisten wurden „auf morgen" vertröstet. Widerstrebende schoben die Panduren
einfach zur Tür hinaus; nur die Gemeindevorsteher durften bleiben. Der
etwas laut geführten, verschiedenste Verhältnisse der neuen Ansiedler streifenden
interessanten Unterhaltung entnahm ich, dass diese noch immer nicht gefestet waren
und der Behörde viel zu tun blieb, um Besitzansprüche, Grundablösungen usw.
zu ordnen.
Als der wissenschaftliche Pionier v. Hahn 1858 in Dedic notgedrungen Halt
machte, weil sein arnautischer Protektor Rani Buco behauptete, die argwöhnischen
Sijariner würden ihn kaum unangefochten durch ihr Gebiet ziehen lassen, ahnte
er sicher nicht, dass die Ortsmoschee zwanzig Jahre später den Serben als Schule
dienen werde, und als ich auf Wunsch meines verewigten Freundes die zweite
Ausgabe seiner „Reise von Belgrad nach Salonik" 1868 mit Noten edierte, hätte
ich gleichfalls — obschon niemals an eine lange Dauer des Türkenregiments in
Europa glaubend — nicht gedacht, dass es hier so rasch enden und ich selbst
1889 im einzigen Gebäude schlafen werde, das den Untergang des stolzen
Arnautenhorstes Dedic überlebte. Nun wohnt in der einstigen Moschee eine
mutige Lehrerin, die Medvedjas jungem Nachwüchse das elementarste Wissen
beibringt. Ohne ihre Gastfreundschaft hätten wir die Nacht in der unsauberen
Mehana zubringen müssen — Gott vergelte der braven Uciteljica (Lehrerin) die
erwiesene Wohltat!
Von Kuräumlija durch die Kosanica, Pusta Reka iisw nach Leskovac. 335
In frühester Morgenstunde staute sich schon vor der Mehana eine bunte
Menge, Bittsteller aller Art, Albanesen aus Kapit, Männer von der türkischen
Pcinja, die im südöstlichen Drvodeija, mit Arnauten gemengt, angesiedelt wurden,
Staresiiias der 50 Pecer Hauskonimunionen, an die man das verödete Dedicer
Territorium verteilt hatte. Für letztere sprach ihr Pope, der Insurgentenführer
Radoslav Stefanovic, der im April 1883 den Exodus 150 serbischer Familien des
Pecer Bezirks geleitet, in dem sich die alte Patriarchenstadt Ipek und das 1890
durch die Arnauten hart mitgenommene Kloster Decani befinden. Da die Spahis
den Wegzug ihrer christlichen Kolonen gewaltsam verhindert hätten, musste dieser
vorsichtig bewerkstelligt werden. Die Emigranten nahmen nur ihr wertvolles
Grossvieh mit, verbargen sich am Tag in den Wäldern, marschierten bei Nacht
und erreichten erst nach qualvoll verlebten vier Tagen die serbische Grenze.
Dies und mehr erzählte mir mit feuriger Sprache und drastischen Details der aus
Mali Djurdjevic stammende Pope, dessen zadruga 24 Köpfe stark und doch nicht
die grösste ist, denn einzelne zählen 30 Seelen. Gern folgte ich dem energischen
Manne zu seinem Kirchlein, das König Milan 1888 auf der linksuferigen Hohe
mit Benutzung eines alten crkviste auf eigene Kosten herstellen liess. Etwas
nüchtern aussehend, bildet es trotzdem, namentlich am Spasovdan-Sabor (Christi
Himmelfahrtstag), den weithin sichtbaren Anziehungspunkt für die vielen ihm
zugepfarrten Weiler der Umgebung. Gegenüber liegt das stattliche weisse Popenhaus
hoch bei Kapit, über dessen gutbebauten Einschnitt der Dukatski Vis (827 m),
weiter nach S. die trachitischen waldreichen Berge von Tu pale und Sijarina
erscheinen.
Unten, wo die Lapastica im breiten, fruchtbaren Plane in die Medvedja
mündet, soll die altserbische Stadt Dibocica gestanden haben, deren Bewohner
nach einer verlorenen Schlacht hinaus zur Morava flüchteten, wo sie das gleichfalls
„Dibocica" genannte heutige Leskovac gründeten. Diese Sage steht wahrscheinlich
in Beziehung zu dem von Kaiser Manuel nach heftigen Kämpfen mit den Serben
ihrem Gross-2upan 1149 überlassenen „Glibocka" im Veternicatale. i) Meine
Nachforschungen ergaben einige hundert Schritte vom Schulhaus auf dem rechten
Ufer der Lapa§tica ein weit gegen N. und W. in die Schlucht sich dehnendes
Ruinenfeld mit Substruktionen eines römischen Kastrums, zwischen dessen starken
Wallmauern und Gebäuderesten allerorts antike Deckplatten zum Vorschein kamen.
Dort befand sich jedenfalls die grösste, durch Kastelle auf der nahen Harzovina
und auf dem 14 km fernen Zubni Vis geschützte römische Ansiedelung des
Medvedjatals.
Während meiner archäologischen Exkursion hatte der Nacelnik, ähnlich den
montenegrinischen Wojwoden, unter einer schattigen Linde zahlreiche Anliegen
erledigt und lange schwebende Streite im kurzen Wege geschlichtet. Ich sah,
wie er einem um Land bittenden armen Montenegriner den Stempel seines
Gesuchs zurückstellte, weil es dessen nicht bedürfe, welch humanen Zug die
Umstehenden mit gleich grosser Genugtuung bemerkten, wie die zum Abschied
') Jire£ek, Handelsstrasse, S. 32.
336
Von Kuräumlijn iliiicli die Kosanicn, Piista Rcka iisw nacli Leskovac.
an die Slrazari (Karaulwächter) gerichtete ernste Maiinimg, sich streng an ihre
Dienstvorschrift zu halten, sich nie in die Angelegenheiten der Bevölkerung zu
mengen und dieser keinen Anlass zur Klage zu geben, da er sonst unnach-
sichtiich Schuldige entlassen müsste. Zur Aneiferung ernannte er, auf Vukojes
Empfehlung,, einige im letzten Kriege dekorierte diensteifrige Leute zu Buljukbaäen
für mehrere neue Karaule. Der Nacelnik schien durch das anhaltende Sprechen
etwas ermüdet und glücklich, als wir das zum Forum avancierte Medvedje im
Montenef^rinerinnen, ein Fort verproviantierend.
Rücken hatten. Als wir 3 km weiter die Banjska reka bei Macedonci gekreuzt,
begrüssten uns die Staresina von 4 Pecer und 16 aus Darkovac an der
Vlasina dort angesiedelten serbischen Familien. Das bald sich verengende und
wieder erweiternde Tal behielt den gleichen landschaftlichen Charakter: einzelne
Nussbäume, Riesenpappeln, Weiden am Bache, und auf den Höhen armselige
Arnautengehöfte. in der bunt zusammengewürfelten Staffage fielen die montene-
grinischen Frauen durch Behendigkeit auf.
Zwei weitere Kilometer brachten uns beim arnautischen Vrapce an die
Einmündung der Mrkonjska reka, welche zur Türkenzeit die Grenze zwischen den
Von Kursumlija durch die Kosnnica, Pusta Reka usw. nacli Leskovac.
337
Mudirliks Leskovac, Gilan und Pristiiia und schon unter der Römerherrschaft
einen wichtigen Strassen -Gabelpunkt bildete. Der in seiner antiken Trace
stellenweise erhaltene, von Turres (Pirot) über Leskovac und Lebane, zwischen
den Kastellen bei Radinovac und Popovac an der Sumanska reka laufende
Hochweg führte von Vrapces Kastell an der Tularska reka, geschützt durch Befesti-
gungen auf dem 750 m hohen Brajinski Vis und dem Mrkonj (1045 m), W. nach
Vicianuin (Pristina), mit seinem südlichen Zweige aber, unter den vier Kastellen
bei Sijarina und Svirce, zu den Thermen und Eisenwerken von f-^avna
Banja und zum durch seine reichen Gold- und Silberminen bis ins Mittelalter
berühmt gebliebenen Novo Brdo. Nach allem besass das Medvedjagebiet in
Ruine Ravna Banja.
seiner antiken Epoche eine starke autochthone Bevölkerung, die einst von vielen
Römerfesten, wie heute die arnautische durch türkische Karaule, im Zaume
gehalten wurde. Die Details für vorerwähnte antiken Wege erhielt ich von Vukoje
und Sajid, den trefflichsten Kennern des Jablanicagebiets; die Kastelle an der
Banjska reka aber berührte ich selbst auf unserer in ihrem SO. streichenden
Defilee fortgesetzten Reise.
Die an einigen Punkten wildromantisch aneinander gerückten bewaldeten
und felsigen Ufersporne zwangen uns, die über ihr klippiges Bett hintosende,
prächtig klare Banjska reka bis zum berühmten „Sijarina banja" achtmal zu kreuzen.
Hoch aufsteigender Wasserdampf verriet fern schon den Ausfluss seiner heissen
Quellen. Zuerst kamen wir in der eiförmigen, von herrlichstem Waldgrün
umrahmten Talausweitung an die Ruine eines N. nach S. gerichteten türkischen
Bades. Nur 20 m lang, 7 m breit, Hesse sich das technisch der Prokupljer
Incar-Moschee gleichende Gebäude mit sehr zierlichen Spitzbogen -Eingängen
F. KANITZ, Serbien. M. 22
ol5iS Von Kiiisiimlija durcli die Kosanica, Piista Reka usw. iiaLli Lcskovac.
dIiiic grosse Kosten leicht wieder herstellen. An seiner Südmauer lehnte ein
kaum 3 m langer Vorbau, aus dem das heisse Wasser, durch einen kalten Zufluss
gemildert, in den Baderaum für Männer mit 5,75 m breitem quadratischen
Bassin, und durch ein 6 m langes Zwischengemach in das nördliche, runde
Frauenbad von 5,75 m Durchmesser geleitet wurde. 80 Schritte südlicher bricht
auf dem rechten Banjskaufer, hart am Bache, ein mächtiger Quell unter heftigem
Gebrause hervor, der Eier in 20 Sekunden weich siedet. In seiner Nähe ist
alles mit Kalkmilch bedeckt und versintert; 40 Schritte weiter entspringt auf dem
linken Ufer eine dritte, weniger heisse Quelle.
Im südlicheren, vielgekrümmten Engdefilee steht auf zur Banjska steil
abstürzendem, 690 m hohem Kalkzylon eine pittoreske Kirchenruine mit an der
Qrundriss der Kirchenruine bei Sijarina.
Südfront noch 6 m hohen und 1 m starken Mauern. Den Portalsturz ihres in
das 15 m lange, 6 ni breite Schiff eingeschlossenen Narthex tragen zwei
mächtige Steinpfeiler. Auch der 1 m breite Sockel besteht aus Quadern, und
solche wechseln im ganzen Bau mit ein- und mehrfachen roten Lagen von meist
36X28 cm grossen Backsteinen. In besonders schöner, rhythmischer Wirkung
erscheint diese byzantinische Technik an der pentagonalen Altarapsis, deren
halbkreisförmiger Innenraum durch ein 1,80 m hohes, 0,80 m breites Fenster sein
Licht erhielt. Das prächtige Monument stand, wie ich bei näherer Untersuchung
des Plateaus fand, im Mittelpunkte eines bis auf die Rudimente verwüsteten
antiken Kastells, das mit einem westlichen, nur 5 km fernen die gewiss von den
Römern benutzte nahe Therme und die über Svirce nach Janjevos Minendistrikt
führende antike Strasse schützte.
Gleich unter dem Ruinenfelsen traten wir hinaus auf die schöne, taufrische
Hochebene mit dem weissen Hodzahaus und der zierlichen Moschee, die König
Von Kursuiiilija durch die Kosanicn, Piista Rek.n usw. nacli Leskovac.
339
Milan dem Jahiaiiicaer Arnautenbezirke zu Sijariiia aus eij^encn Mitteln erbaute.
All der Stelle des abwesenden Mehiiied Hodza hielt sein Sohn den Freitags-
Gottesdienst, welcher Vertreter aller nahen niosliniischen Orte hier zusammenführte.
Ihre „Gjobaren" (Ältesten) begrüssten uns freundlich in der rasch mit Teppichen
und Sitzkissen ausgestatteten Vorhalle. Der Nacelnik sprach die Vornehmsten
an, Sajid machte den Dolmetsch; so hörten wir, dass es zwischen den in fort-
währenden Grundstreiten miteinander befindlichen Amanten von hüben und
drüben am Tage zuvor zu einem ernsten Scharmützel kam. Die serbischen
LLLQJ b
MM
MI
Umm
= MI
Sjlil
Ziegelnuisleruiig vom Sockel und von der Kirclienapsis bei Sijarina.
Amanten lagen im Hinterhalt, um den türkischen das ihnen von der Weide
abgetriebene Vieh wieder abzujagen, wobei Schüsse gewechselt wurden und
einer der erkannten Räuber fiel. Der Nacelnik suchte beruhigend einzuwirken
und versprach, den Fall mit dem Pristinaer Kajmakam auszutragen. Ähnlich
wird es sich mit dem viel Staub aufwirbelnden Arnauteneinfall bei der südlicheren
Karaula Crna Cuka, der zum Kampfe zwischen türkischen und serbischen Regulären
führte, am 14. Juni 1899 verhalten haben.
Im auf andere Verhältnisse geleiteten Gespräche wurde der Wunsch nach
einer besseren Schule laut, die man, sobald der junge Leskovacer Hussein Suleiman
Babic vom Niser Lehrerseminar heimgekehrt, gründen wolle. Man sieht, der
22*
;j4ü
Von Kursuinlija durch die Kosanica, Pusta Reka usw. nach Leskovac.
serbische Arnaute ist schon biidungslustig, obgleich aucii er die Vorliebe für
das Waffenhandwerk mit allen seinen Stammesgenossen teilt.
Die prächtige Hochvviese, auf welcher unter jungen Weiden ein ganzer
Hammel für uns gebraten wurde, bot ein Bild voll Leben und Farbe. Das
kleidsame Kostüm, die rote, oft goldgestickte, die Brust vollkommen deckende
Weste (dzamadan), die braune oder gelbe, weitgeschnittene Abatuchhose, die
gleichfarbigen Gamaschen (desluk), der rote Leibgürtel (silaj) für Handschar und
Pistolen, das rote Fes mit lose umwundenem heilen Tuch oder weisse Kopf-
mützchen (celepus), hob die elastischen, oft kraftigen Gestalten, in deren Mitte
wir, auf Teppiclien gelagert, das durch Topfenkäse, Eier, Brot luid Rakija vervoll-
-.J-^
v$%m
Die von König Milan erbaute Moschee zu Sijarina.
ständigte Mahl uns trefflich munden Hessen. Während der dieses abschliessende
Mokka gereicht wurde, bereitete uns Sajid ein höchst interessantes Intermezzo.
Pfeifer und Pauker stimmten eine schrill tönende kriegerische Melodie an.
Die am schattigen Waldsaum gelagerten Männer gruppierten sich rasch zu einem
koloartigen Reigen, in dessen Zentrum Sajids herkulischer, 185 cm hoher Bruder
Hussein mit dem zum Zweikampf aufgeforderten Gegner traten. Nach gegen-
seitigen höhnischen Zurufen zogen sie ihre Handschare blank und nahmen unter
getanzten Tempi die Klingen wechselnd in den Mund, bald in die Hand. Die
Musik wurde immer heftiger und die von ihren roten Dolamaärnieln, gleich
griechischen Clamis, umflatterten Kämpfer rückten sich, mit katzenartigen Sprüngen
geschickt der gegnerischen Handscharspitze ausweichend, stetig näher, bis zuletzt
der scheinbar getroffene Hussein auf den Rasen hinsank und der Sieger ihm
sein Messer an die Kehle setzte. Das Aufregende dieses von mordiustigen
Pantomimen begleiteten, in einzelnen Kampfstellungen an klassische Fechter-
skulpturen mahnenden „Handschartanzes" ist schwer zu schildern. Allgemeiner
Von Kiirsiiiiilija durch die Kosanicn, Piista Rckn usw. nach Leskovac. ^41
lauter Beifall beloiiiite beide stark erhitzte Kampfer. Wer dieses Schauspiel
aber gesehen, begreift die Bewunderung, welche die im letzten thessalischen
Kriege bewiesene Todesverachtung dieser Amanten den fremden Militärattaches
abzwang. „Ich kenne," äusserte Grumbckow Paäa, „nichts Vollkommeneres als
den preussischen Soldaten. Aber allen Respekt vor diesen Albanesen, wenn sie
im Granatenhagel der Griechen singend wie zum Tanz auf die Wälle klettern."
Nachdem wir dem Gemeindevorstand für den freundlichen Empfang gedankt
und die Bewirtung aus dem Hodzahause mit einem entsprechenden Geldgeschenk
erwidert hatten, machten wir noch einen Ausflug nach dem zur fernen Pfarrkirche
Prekopcelica gehörenden Ravna Banja, wo drei Stollen und Schlackenhalden
auf einen alten Hüttenbetrieb hinweisen. Er befand sich am Nordhange des
erzreichen Gebirges, dessen Kamm hier die Grenze zwischen dem Königreich
und Altserbien bildet.
Nur 10 Kilometer Luftlinie trennen die serbische Lisacka-Karaula auf der
1193 m hohen Kitka von dem berühmten „Novo Brdo", aus dem das schon
von Plinius gerühmte „auruni dardanicum" stammte. Ein volles Jahrhundert vor
der türkischen Eroberung (1441 und 1455) zählte Novo Brdo zu den berühmtesten
Städten Europas. Gewiss befand es sich unter den „gemischten", sowohl Gold
wie Silber enthaltenden Bergwerken, von welchen der französische Mönch Brocard
1332 berichtet. Die altserbischen Regenten, und besonders Djordje Brankovic,
zogen den grössten Teil ihres Einkommens aus dieser mit Janjevo und Kratovo
an Ragusa verpachteten und durch Deutsche (Sachsen, sasi) betriebenen Mine.
Der die Türkei durchziehende Vertraute Philipps von Burgund, Bertrandon et la
Broquiere, hörte 1433, dass sie jährlich einen Reinertrag von 200000 Dukaten
liefern. Ebenso behauptete der Byzantiner Kritobulos 1453, dass Gold und Silber
zu Novo Brdo frei am Tage lägen. Bald darauf (1466) wurde aber die katholische
„Sachsenkirche" in eine Moschee verwandelt und die Rajah-Bevölkerung 1467
zum Exodus nach Konstantinopel gezwungen.') Mit dem gleichzeitigen Wegzuge
der vornehmsten ragusanischen Familien verfiel die Stadt. Über ihre Ausbeute
im 17. Jahrhundert erwähnt kurz Hadzi Chalfa: „In Novo Brdo befinden sich die
meisten Minenpachtungen der Bergwerksinspektion zu Skopje (Üsküb)." 1859
fand der Konsul v. Hahn dort nur noch eine serbische neben 15 türkischen
Familien, und das auf 1104 m hohem Berge thronende starke, auf unzählige
verraste Schlackenhalden und verlassene Schachte herabblickende Schloss,
gleich den benachbarten, zum Schutze der reichen Bergstadt erbauten Schlösser
Priljepac und Prizrenac, als Ruine!
Auf dem Rückwege nach Medvedja begegnete uns ein vom westlichen
Svirce herabkommender Beg, dessen gleichfalls reitende Frau mit rotem Feredza
und weissem Gesichtstuch eine ihren schlafenden Sprössling bergende Wiege
sorgsam balancierte. Sajid tauschte einige Worte mit dem vorneluncn Stammes-
genossen. Der unsere ganze Eskoite an hoher Gestalt, prächtigem Kostüm und
reichem Waffenschmuck überragende Hussein rezitierte das auch im Arnautluk
') Dani£ic, Rjeinik, S. 170.
342 Von Kursunilijn clurcii die Kosanica, Pusta Reka usw. nach Leskovac.
populäre Lied von Anta Bogieevic mit halblauter Stimme vor sich hin. Auf-
gefordert, ein aibanesisches zu singen, begann er mit einem sein Echo in den
Bergen findenden langgedehnten, schrillen Oho! das Omer Pasas berühmten Feldzug
in den vierziger Jahren gegen die arnautischen Rebellen erzählende Epos, wie
der Wali vom Sultan Abdul Medjic ausser der „Goldenen Bosna" auch die
Paschaliks Fee und Prizren zum Regieren verlangt, der Sultan aber antwortete:
„Du bist viel zu gewalttätig mit meinem tapferen Arnautenvolk verfahren, als dass
ich Dir es anvertrauen könnte!" Das ganze lange, in der auch bei den Albanesen
gebräuchlichen arabisch-türkischen Sangweise vorgetragene Poem klang in einen
den arnautischen Unabhängigkeitsdrang von jedem Fremdjoche verherrlichenden
Hymnus aus, der allerdings nicht ganz zur Stellung passte, in welcher die
serbischen Amanten, speziell der Sänger, sein Bruder Sajid und der uns nach-
geeilte würdige Mehmed Hodza, sich befanden.
Kurz vor Medvedja übergab ein uns wie rasend entgegensprengender Pandur
dem Nacelnik ein Telegramm, das ihm am 12. Oktober, also im schon weit
vorgerückten Herbste, ganz lakonisch anzeigte: „es würde im selben Monat die
Ansiedelung von 6000 Montenegrinern in seinem Kreise stattfinden, und ein
bereits von Belgrad abgereister Sekretär bringe die näheren Weisungen." —
„Gott helfe uns allen," rief der wie von einer Bombe getroffene, die Depesche
seinem Bezirkshauptmann und Ingenieur reichende Präfekt. „Das fehlte noch!"
Mir sagte er: „War es schon zuletzt schwierig, von den alten Dörfern, und selbst
von den auf Staatsboden angesiedelten neuen, Gründe für einzelne zuwandernde
Familien zu erhalten, obschon die kleinsten Weiler oft zwei Stunden lange „utrine"
(Hutweiden) besitzen, die sie nicht brauchen, wie soll ich, wo gar nichts vorgesorgt
ist, Unterkommen und den Bedarf für viele Tausende anspruchsvolle, arbeits-
scheue Crnogorcen bei anbrechendem Winter schaffen?"
Wirklich fiel diese in allen Richtungen gänzlich unvorbereitete, in der
ungünstigsten Jahreszeit vollzogene Kolonisation von 7500 Seelen genau so aus,
wie es der erfahrene Nacelnik vorhergesehen. Ein Belgrader Bericht vom 7. April
1890 im „Budapester Lloyd" lässt ahnen, welche Summe menschlichen Elends
dieselbe über den Jablanicaer Bezirk gebracht, obgleich Herr Bozovic und seine
Beamten ihre Kräfte bis zur Erschöpfung aufrieben, um es zu mildern. Im
Eingang erzählt das Blatt: „Vor kurzem sind hier drei Abgesandte der montene-
grinischen Kolonisten eingetroffen, um bei der Regierung Klage zu führen über
die nach ihrer Aussage unerträglichen Bedrängnisse und Grausamkeiten, welchen
sie in ihren Ansiedelungsorten ausgesetzt sind. Die Abgesandten erklärten, dass
die zur Verzweiflung gebrachten Montenegriner nur zwischen gänzlicher Aufreibung
oder Wiederauswanderung zu wählen haben. Nicht weniger als ein Dritteil sei
bereits dem Hunger und allerlei Krankheiten erlegen. Glücklich schätzen sich
jene wenigen, welchen es gelang, über türkisches oder bosnisches Gebiet sich
in die alte Heimat zu schleichen. Unter den Zurückgebliebenen seien die Verhältnisse
wahrhaft trostlos. Wohl sind aus Serbien selbst und zum Teil auch aus Russland
Geld und Liebesgaben zur Unterstützung der armen Expatriierten eingelangt,
trotzdem leiden die Leute aber Hunger und gehen massenhaft an Entkräftung
Von Kursumlija durch die Kosanica. Piista Reka usw nach Lcskovac. I54I3
zugrunde. In dieser verzweifelten Situation greifen sie zur Selbsthilfe und verbinden
sich zuweilen mit den benachbarten Arnauten, um die heimische serbische
Bevölkerung zu bestehien. Diese fühlt sich durch die ungebetenen Gäste aufs
äusserste bedrückt und ist schon nahe daran, selbst zum Wanderstabe zu greifen;
denn es bleibt ihr kein Stück Nutzvieh im Stall." Wenn auch die weiter in
dieser Korrespondenz mitgeteilten entsetzlichen Details übertrieben waren, schädigte
diese schlecht inszenierte Einwanderung doch Serbiens Ansehen bei den alten
Bewohnern des Toplicaer Kreises. Zweifellos gewann es aber andererseits eine
die Arnauten an der Grenze in Schach haltende streitbare Bevölkerung, und als
im Herbste 1895 der fanatische Mollah Seka Biber, den Ferik Halil Pasa 1889,
weil er die Angriffe der Fis Krasnic und Istinic auf das reiche Kloster Decani
verschuldet hatte, zur Verantwortung nach Konstantinopel gesendet, von dort
nach Prizren zurückkehrte und neue arnautische Ausschreitungen zu befürchten
waren, bewaffnete der serbische Kriegsminister die aufgeregten Montenegriner zu
ihrer Zurückweisung mit 1200 Gewehren und lüOOüO Patronen.
Mit Pistolenschüssen begrüsste man unsere glückliche Rückkehr in Lebane.
Dort erwartete uns ein Bild, wie man es ausserhalb des von so verschiedenen
Nationen gebildeten Österreich -Ungarns, Russlands und der Türkei in keinem
europäischen Staate sehen kann. Es gewährt einen geradezu überraschenden
Anblick, wenn die Buljukbasen der zahlreichen Blockhäuser, Arnauten, Pecaner,
Montenegriner in ihren kleidsamen Nationaltrachten, mit reichem Medaillenschmuck
am letzten jedes Monats sich vor dem Bezirkshause versammeln, um den Sold für
sich und ihre Mannschaften in Empfang zu nehmen. Alle erscheinen bis an die
Zähne bewaffnet und mit 54 Patronen für ihre im Gürtel steckenden belgischen
Revolver. Als Hahn um 1860 hier reiste, erregte sein „fünfläufiges Pistol" bis
nach Pristina grösste Sensation bei den waffenliebenden Arnauten; seitdem gesellte
es sich aber zu den mittelalterlichen Handscliars und oft wertvollen türkischen
Krummsäbeln. Entlang der Toplicaer Kreisgrenze gab es 56 Karaule mit ebenso
vielen Buljukbasen und 290 „Strazaren" (Wächter). Erstere erhielten monatlich
25 d, letztere 20 d Sold. Im ganzen wurde die Auslage für den Toplicaer
Kordon 1889 mit 89000 d budgetiert; sie erhöhte sich in den letzten Jahren, weil
das albanesischen Einbrüchen stark ausgesetzte Gebiet die Vermehrung der
Karaulen dringend forderte und die Türkei gleichfalls den Bau soliderer Wacht-
häuser entlang der serbischen Grenze begann.
Diese 500 m voneinander entfernten, von Nizams des III. Korps besetzten
Karaulen sollten zugleich den Grossmächten den ernsten Willen der Pforte bezeugen,
dass sie die vom Gesandten Novakovic behaupteten, in türkischen Gegennoten
aber als gänzlich entstellt bezeichneten 120 Gewalttaten der moslimischen Grenz-
arnauten verhindern wolle, falls einige wirklich vorgekommen sein sollten.
Interessant ist Saad Eddin Pasas in dieser Note zitierter Bericht, welcher sagt;
„Der Unterschied der Religionen sei in der Türkei nie eine Ursache von Uneinigkeit
gewesen. Gewalttätigkeiten zwischen Bekennern derselben Religion seien sogar
zahlreicher als solche zwischen Andersgläubigen. Die Gewalttaten entsprängen
der Blutrache und anderen Landessitten, seien übrigens geringer an Zahl als in
344 Von Kiirsiimlija diircli die Knsanica. Piista Rcka usw. nach Leskovac.
zivilisierten Ländern. Das Vorkommen von Vergehen j^egen die Sittlichkeit sei
bei den strengen Sitten der Albanesen nahezu ausgeschlossen, die bezüglichen
Angaben seien daher unwahr. Ebenso seien die Angaben, dass christliche Kirchen
Angriffen ausgesetzt gewesen seien, unbegründet; trotzdem sie in vereinsamten
Gegenden situiert seien, waren diese seit fünf Jahrhunderten nie Gegenstand von
Angriffen. Dagegen wurden in Leskovac, Vranja und zehn anderen Ortschaften
Moscheen geplündert und demoliert. Die serbischen Behörden hätten in sechs
mohammedanischen Ortschaften sogar das Hausrecht verletzt und ganze Familien
misshandelt. Die Note gibt der Hoffnung Ausdruck, dass man in Hinkunft einer
Verletzung der Interessen derjenigen vorzubeugen wissen werde, welche die
zwischen den beiden Ländern glücklicherweise bestehenden Bande aufrichtiger
Freundschaft gekräftigt zu sehen wünschen!"
Zur Erleichterung des Verkehrs zwischen Lebane und der Leskovacer
Bahnstation wurde 1887 die teilweise Umlegung der alten Strasse begonnen.
Vorbei an sieben rasch sich folgenden, meist grösseren Orten gelangten wir im
durchschnittlich 3—5 km breiten Jablanicatale nach dem reichen Bosnjaci, dessen
stattliche Kirche und Schule in umfriedetem, prächtigem Laubparke stehen; die
nahe fischlose Wasserfläche von kaum 60 Ares heisst „Cerina". Die von Lebane
seit altersher flussabwärts ansässige, ungemengt gebliebene christliche Bevölkerung
treibt vorherrschend sehr einträglichen Hanfbau; auf der Strasse, in den Dörfern,
auf den Feldern, allerorts tritt dies hervor. Über eine schlechte Brücke ging es
auf dem alten Wege, vorbei an Pertates kleinem crkviste und Spuren einer antiken
Ansiedelung, zur Leskovacer Bezirksgrenze. Auf der vom Kapetan Todor Stankovac
1877 begonnenen, nach der Mitte ungewöhnlich hoch gewölbten neuen Strasse
mit sehr tiefen Abzugsgräben kündigten vom Samstagsmarkte zurückkehrende
Karawanen in allen denkbaren Vehikeln und Kostümen die nahe Stadt an, in
deren freundlichem „Hotel Solun" (Salonik) ich mit meinen liebenswürdigen
Reisebegleitern und Leskovacer Freunden den Abend genussreich verbrachte.
Nochmals dankte ich dem mit seinem Ingenieur nach Prokuplje zurück-
kehrenden Nacelnik für die mir in seinem wenig erforschten, in jener Zeit schwer
zu bereisenden Kreise unausgesetzt gewidmete Fürsorge. Herr Bozovic erwiderte:
„Auch ohne die besondere Empfehlung meines Ministers war es mir eine angenehme
Pflicht, möglichst für die Sicherheit des alten Freundes des Serbenvolks zu
sorgen; ich bedauere nur, dass wir für Ihre Bequemlichkeit nicht mehr tun konnten.
Gott erhalte Sie, damit Ihr Werk zum Nutzen unseres Landes erscheine!" —
Er selbst erlebte es nicht — vorzeitig starb der treffliche Mann im Frühjahr 1897.')
') Leider war es auch dem Verfasser dieses Werkes nicht vergönnt, sich des
Erscheinens desselben zu freuen.
XII.
Von Nis über Knjazevac, Soko-Banja
und Zajecar nach Negotin.
DIE Weigerung des türkischen Passapordzi, meine Reiselegitimation am
Freitag, dem mosiimischen Sonntag, zu visieren, hätte bald die unfreiwilhge
\'eriängerung meines ersten Besuchs zu Nis verursacht, wäre es nicht einfluss-
reicher Verwendung gelungen, die religiösen Skrupel des glaubenseifrigen Beamten
zu besiegen, ungern verfügte er sich in sein Amt und drückte meinem Passe
das grossherrliche Siegel auf. So fuhr ich am 20. Juli 1860 durch das an die
Festung sich anschliessende elende Barackenviertel am rechten Niäavaufer den
serbischen Grenzbergen zu. Südlich tauchte in der damals wenig bebauten
Ebene die Silhouette der traurigen „Cele-Kula" auf, der grause „Schädelturm",
an dem kein Rajah in türkischer Zeit unbewegt vorüberging, und der nur erhalten
bleibt, damit künftige Geschlechter sich der Leiden ihres Vaterlandes und des
Martyriums seiner Befreier erinnern. Wohl bedarf die Mahnung an jene Epoche
keiner künstlichen Denksteine, denn lange nachdem der Türke den europäischen
Boden verlassen haben wird, werden die Länder zwischen dem Pontus und der
Donau die nicht leicht zu tilgenden Spuren seines Regiments tragen Die
Geschichte wird aber die Überflutung des europäischen Südostens durch die
Turanier in gleicher Linie mit den Hunnen- und Avarenzügen verzeichnen.
Die erste, II km lange Strassenstrecke hält sich durchschnittlich 1,5 km
entfernt von der die Nisava begleitenden 220 m hohen unbewohnten Fläche.
Auf dem nördlich rasch bis zu 820 m ansteigenden Terrain blicken von den mit
prächtigen Kulturen, Weingärten und kleinen Wäldchen übersäten Höhen die
roten Ziegeldächer der italienischen Charakter tragenden grossen Ortschaften
Gornja und Donja Kamenica, Gornji und Donji Matejevac und Knez-Selo herab,
deren interessante geschichtlichen Denkmäler ich 1889 besuchte und im VII. Kapitel
schilderte. Bald hinter Gornja Vrezina steigt die Strasse N. an und gewinnt
bis Vrelo auf weiteren 8 km 200 m; ihre ^ km lange letzte Strecke brachte uns
mit vielen Serpentinen auf den 512 m hohen Gramadasattel. Nachdem der
^46 Von Nis über Knjazevac. Soko-Banja und Zajecar nach Negotin.
„Passapordzi" in der türkischen Karaula mein Reisedokunient geprüft, pochte ein
martialischer Zaptie an den serbischen „Karantinpiot", dessen starkes Pfahltor
sich auch bald öffnete.
Erleichtert atmete ich auf. Nun erst begriff ich vollends die Stelle in
Ritters Reisebriefen: „Ich habe Europa wieder betreten, lebe wieder in der lieben
Christenheit, habe den Gefahren des bösen Festlandes mit Gottes Hilfe und
Gnade den Rücken gekehrt und bin mm hier in einen sicheren Hafen eingekehrt."
Der berühmte Berliner Geograph schrieb diese Worte nieder, als er am 1. Dezember
1837, Rustschuk gegenüber, bei Gjurgjevo die walachische Quarantäne betrat. Seit
Ritters Besuch waren die türkischen Zustände ziemlich unverändert geblieben;
die beiden Donaufürstentünier und Serbien hatten aber durch Nacheiferung
occidentaler Kultur anerkannte Fortschritte gemacht. Man begreift also meine
tiefe Befriedigung, als ich die türkischen Grenzpfähle hinter mir wusste und auf
einem Boden stand, der europäischer Zivilisation und dieser entsprechenden
Rechtsbegriffen ungehinderten Eingang gestattete.
Auf der „Gramada" erwartete Karadjordje 1811 mit den Knezen MIaden,
Jevta und Mileta von Katun den mit 8000 Mann heranziehenden Rusid Pasa
und wehrte ihm siegreich den Einbruch in die Crna Reka. Trotzdem wurde sie
erst 1833 Serbien definitiv einverleibt. Sogleich ging man an die Aufrichtung
des „plot" (Grenzzaun) und Gramadas Kastell. Noch 1860 bestand hier eine
Quarantäne zweiten Ranges mit kleinen Häusern für die fürstlichen Beamten und
eine Mehana. Im bescheidenen Amtsgebäude unterzog ich mich der üblichen
Prozedur. Der Fremde hatte damals beim Eintritt in Serbien entlang der trockenen
Grenze den Wert seiner Effekten und eingeführten Barsumme anzugeben; nach
diesem Bekenntnis wurden die Zollgebühren bemessen. Die Erhebung dieser
gleich unpraktischen wie primitiven Steuer sollte aber bald abgeändert werden;
ich murrte nicht, bezahlte gern meinen Beitrag für den Strassenbau und Sicher-
heitsdienst des Landes und empfand gleich darauf die Wohltat der von dem
tüchtigen Ingenieur Mihalovski „gemachten Strasse".
Die bis auf den Gramadasattel sichtbar gebliebenen Suva Planina-Gipfel
waren bald verschwunden. Denn Terrain und Strasse fielen rasch zum Svrijiski
Timok ab. Nach passabwärts zurückgelegten 8 km kreuzte ich bei Derven
diesen fischreichen Arm des „Veliki Timok". Die ihn begleitenden Kalke
charakterisieren bei Gulijan prächtige Ammoniten, östlich vom über 1300 m
hohen Crni Vrh viele Dolinen und im allgemeinen ein selten grosser Höhlen-
reichtum. Bei dem hart am Wege liegenden Prekonoge führt ein niedriger,
schlundartiger Gang durch die „Sakrna strana" in eine Höhle mit schlüpferigem
Boden und teilweise eingestürzter Decke. Ein dritter, nur auf Strickleitern erreich-
barer Raum enthält prächtige, an Adelsberg mahnende Tropfsteingebilde und
gleicht einem säulenreichen Kuppelbau mit Altären, Hängelampen usw. Auch in
den Nebengrotten gibt es auffallend starke Stalaktiten, und in allen stösst man auf
die Reste ausgestorbener Tierarten. 1880 fand Bergingenieur Felix Hofmann in
dem grossen, 400 m ausgedehnten Raum unter der feuchten Schuttdecke in
einer mit Resten kleiner Tiere und Kohle gemengten Kulturschicht viele Scherben
Von Nis über Knjazevac, Soko-Banja und Zajccar nach Negotin. ;?47
von keramischen Gefässen nebst Knochen vom Höhlenbaren, was die Existenz
des Menschen in weit zurückliegender Zeit auf serbischem Boden beweist. ')
Die Römer überzogen das Timokgebiet mit einem Netze befestigter Ansiede-
lungen, die in naher Beziehung zur auf der Tab. Peut. verzeichneten, 91 Millien
langen Donaustrasse standen. Dass diese NO. bei Naissus vom Konstantinopeler
Heerweg abbog und hierauf dem oberen Tinioklaufe folgte, erriet schon vor
nahezu 90 Jahren der scharfsinnige Mannert; ihre von Naissus 27 Millien
entfernte Mansion Timachum majus vermutete er aber bei einem Dorfe „Isperik"
(wahrscheinlich Izvor beim Derven), wo jede Spur einer antiken Niederlassung
fehlt. Die unglaubliche Mangelhaftigkeit der gleichzeitigen Karten erklärt auch,
dass Forbiger dieses Timachum beim fiktiven Dorfe „Timok" ansetzte. Auf einem
Krokis im k. und k. Wiener Kriegsarchiv fand ich, dass ein rekognoszierender
Fähnrich Pokorny 1784 auch eine alte gepflasterte Strasse bei Nisevci (Nisevac)
verzeichnete. Dies und im Derven empfangene Winke führten mich 1864
nach diesem Orte, dessen Entfernung von Nis genau dem Masse der Tafel von
Naissus bis Timachum majus entsprach, und meine dortigen Funde ergaben als
gesichertes Resultat, dass die gesuchte Zwischenstation an seiner Stelle lag.
Die auf der Tab. Peut. 10 Millien östlicher folgende Mansion „Timachum
minus", das justinianische Timaccolum, stand auf der von Niäevci nahezu gleich-
weit entfernten „Baranica", am strategisch wichtigen Vereinigungspunkt beider
Veliki Timok-Arme, wo ich ganz zuverlässige Beweise für eine römische Nieder-
lassung fand. Dies bestätigt sein Ansatz durch Mannert bei Knjazevac, zu
dessen Stadtgebiet die Baranica gehört. Jirecek nahm meine Feststellung beider
Rümerorte an-), verlegte aber Timachum majus nach Knjazevac und Timachum
minus nach Ni§evci. Dies beruht wohl nur auf einem Schreibfehler, denn
schwerlich dürfte er Dragasevics Umstülpung der Reihenfolge dieser Orte auf der
Tafel ■^) und dessen im groben Widerspruch mit ihren Massen stehenden Ansatz
der dritten Zwischenstation Conbustica gerechtfertigt finden.
Die Gegend zwischen dem eine Therme von 14" C. besitzenden Nisevci,
dem Bezirksorte Derven') und Knjazevac sieht recht unwirtlich aus. Die Strasse
zieht über die durch viele Dohnen zerrissenen, petrefaktenreichen Kalke der 809 m
hohen Tresibaba, welche 1876 der Schauplatz heisser Kämpfe zwischen Türken
und Serben war. Auf ihrem stark undulierten, spärlich bewaldeten Terrain,
das vom fernen, vielgezackten Magien und scharfgeschnittenen Rtanj überragt
wird, entschied sich das Schicksal des an seinem Fusse liegenden Knjazevac, des
oberen Timoktais und des ganzen Feldzugs. Der Chef des serbischen Generalstabs,
General Jovan Miskovic, veröffentlichte ein Tagebuch über die Vorgänge auf dem
linken Flügel derMorava-Armee'), welches durch seine Objektivität viele gleichzeitige
Darstellungen berichtigt und deshalb hier im kurzen Auszug eine Stelle verdient.
') Glasnik, Bd. 51.
2) A. a. O., S. 162.
■') Glasnik, Bd. 45, S. 52 ff.
*) Dieser Ort heisst seit 1904 Sorijij,' und wurde zugleich zum Städtchen erhoben.
'•) Glasnik, Bd. 49.
348 Von Niä über Knja^evac, Soko-Baiijn und Zajccar nach NcKotin.
Am 29. Juli wurden die Gramadahöhen von der Pozarevacer Brigade erster
Klasse, dem Svrljiger Bataillon zweiter Klasse, dem Timoker erster Klasse,
4 schweren Geschützen und 4 leichten Batterien, unter dem Kommando des
Oberstleutnants Laza Jovanovic, gegen den von Nis mit 10 Bataillonen Nizams,
1 Feld- und 1 Gebirgsbatterie und 800 tscherkessischen Reitern heranziehenden
Hafis Pasa verteidigt. Gegen Mittag überrumpelte dieser die serbische rechte
Stellung und nahm die Redoute auf dem durch das Mlava-Bataillon und eine
halbe schwere Batterie besetzten Debeli Del, was die Serben um 4 Uhr nach-
mittags veranlasste, sich nach Derven und nach einem leichten Gefecht am
30. Juli auf die Tresibaba zurückzuziehen, wo sie sich mit der Knjazevacer
Brigade unter dem Oberbefehl des Obersten Horvatovic vereinigte. Der 31. Juli
General Hon'atoviö.
traf dort beide Knjazevacer Brigaden, die Pozarevacer Brigade mit ihren leichten
Batterien, einer schweren und einem Freiwilligenbataillon in Schützengräben, den
30 Bataillonen, 6 Eskadronen, 2000 Tscherkessen und 6 Batterien des persönlich
erschienenen Musirs Ahmed Ejub Pasa gegenüber. Um 8 Uhr morgens wurde
der aus 3 Bataillonen und einer leichten Batterie bestehende serbische rechte
Flügel auf der Ploca heftig angegriffen, doch hielt er sich tapfer; weniger
glücklich der um 3 Uhr nachmittags attackierte, mit der Pozarevacer Brigade
und einer schweren Batterie die Tresibaba besetzt haltende linke Flügel, welcher
um 5 Uhr zurückgedrängt wurde. Am heftigsten entbrannte der Kampf im
Zentrum bei dem von 6 Bataillonen, den Freiwilligen und 1 Batterie verteidigten
höchsten Tresibaba -Punkte „Brkina Vrtaca". Auch hier entschied die
türkische Übermacht. Mit einem Verlust von 30 Gefangenen, 500 Verwundeten
und 130 Toten, von welchen auf das tapfer streitende zweite Reservebataillon
allein 80 kamen, mussten die Serben den Rückzug auf die letzten Höhen vor
Knjazevac antreten. Auf diesem begegneten sie der über Zajecar angelangten
Von Nis über Knjazevac, Soko-Banja und Zajecar nach Negotin. 'U!)
Branicevoer Brigade, ihr folgten • 3 Bataillone der Kragujevacer Brigade; sie
kamen viel zu spät, um die wichtige Position zu halten.
Während der leichten Gefechte am 1. und 2. August raillierten sich die
Serben in folgender Aufstellung: der rechte Flügel mit der Knjazevacer Brigade
II. Klasse und I leichten Batterie auf dem Lastavicko polje und ürohatljevica
podvis, das Zentrum mit der Pozarevacer Brigade I. Klasse und 1 schweren
Batterie auf der Glavicica, der linke Flügel mit der Branicevoer Brigade, den
3 Kragujevacer Bataillonen und Freiwilligen auf den Baranicaer Höhen, die
Reserve auf dem Ibisov Zabran. Dieser nur 12-13000 Mann zählenden Macht
standen türkischerseits, einschliesslich der unter Suleiman Pa§a erschienenen
Verstärkungen, 42 Bataillone, 6 Eskadronen, 2500 Tscherkessen und 9 Batterien
zu 6 Geschützen, zusammen 32—34000 Kämpfer, gegenüber. Die am 3. August
vollends aus ihrer stark verschanzten Tresibabaer Position hervorbrechenden Türken
überschütteten den serbischen linken Flügel mit einem furchtbaren Geschütz-
hagel, besetzten und befestigten den Berg Lipovica, von dem sie gegen die
rechte serbische Stellung vordrangen. Ihre Infanterie wurde jedoch von den
tapferen Suniadijern und ebenso ihre über Rgoste vorgehende Kavallerie zurück-
geworfen, eine gegen das Zentrum sich zu weit vorwagende Eskadron aber
aufgerieben.
Auf die falsche Nachricht, dass General Cernjajeff dem stark bedrängten
Aleksinacer Korps über das südwestliche Sv. Arandjel zu Hilfe ziehe, Hess
Horvatovic seinen rechten Flügel zur Offensive übergehen, die er jedoch bald
aufgeben musste. Um so heftiger bedrängten nun die Türken sein Zentrum; ihr
ganzes Geschützfeuer konzentrierte sich auf dasselbe, während ihre Infanterie
ununterbrochen stürmte und stetig Terrain gewann. Um 8 Uhr abends über-
schritten die türkischen Freiwilligen den Timok, das Gros folgte; die Glavicica
fiel in ihre Hand, bald musste auch der Ibisov Zabran geräumt werden,
um 9 Uhr war die Rückwärtsbewegung der Serben eine allgemeine. Um
Mitternacht zog der Stab, gegen Morgen das serbische Gros durch das seinem
Schicksal überlassene Knjazevac. Horvatovic besetzte mit der Knjazevacer
Brigade und den Suniadijern die Klisura, die Branicevoer Brigade ging nach-
Vlasko Polje, die Pozarevacer nach Bucje. Der blutige Gefechtstag kostete
den Serben 260 Tote, 1600 Verwundete und die Hauptstadt des der plündernden
türkisch -tscherkessischen Soldateska preisgegebenen Knjazevacer Kreises. Ani
29. August räumte Ahmed Ejub endlich Knjazevac, um am Angriff auf Aleksinac
teilzunehmen, worauf es Horvatovic am 18. September wieder besetzte.
Von einer Vorhöhe der seit 1896 die Grenze zwischen dem Ni.ser und Timoker
Kreise (Zajecar) bildenden Tresibaba erblickt man die 1 Stunde ferne nunmehrige
Bezirksstadt Knjazevac tief unten in der vom Svrlji§ki Timok durchschnittenen
Hochebene, welche bei seiner Mündung am Trgoviski Timok sanft verflacht.
Auf vielgewundenem Wege geht es im blumenreichen Tale von Oresac hinunter.
Plötzlich biegt die Strasse östlich von diesem hübschen Dorfe ab, und gleich
darauf erscheinen die ersten Häuser des hochliegenden südlichen Stadtteils, den
zwei Brücken mit dem anderen nördlichen verbinden. In diesem liegt das
350 Von Nis über Knjazevnc. Snko-Bnnja und Zajecar nach Ncgotin.
Kreishospital, dessen Chefarzt Dr. Macsay mich 1860 in gastfreundlichster Weise
aufnahm, in den komfortablen Räumen seines Hauses fand ich eine Bibliothek,
Bilder und Zeitungen, deren Entbehrung einem an geistige Anregungsmittel
gewöhnten Mittel- und Westeuropäer auf die Dauer schwerer fällt, als sonstige
Kasteiungen jeder Art.
Meine Vermutung, dass Knjazevacs treffliche natürliche Lage schon den
römischen Strategen nicht entgangen sein konnte, wird durch den Fund antiker
Reste, von Säulen usw. bestätigt, welcher neuestens auf der „Kulahöhe" bei dem
Divisionsgebäude gemacht wurde. Dort erhob sich in mittelalterlicher Zeit auch
die kleine Feste von „Gurgusovac". Der Ursprung dieses altserbischen Namens
wird nach einer bisher historisch unerhärteten Tradition von Grgur, dem Sohne
Djuradj Brankovics, abgeleitet, unter dessen Regierung die Stadt wahrscheinlich zu
neuer Blüte gelangte. Im österreichisch-türkischen Kriege 1737 wird Gurgusovac
unter den durch Palanken verteidigten Orten erwähnt, doch als die Kaiserlichen
heranrückten, verliessen sie die Türken ohne Kampf. Als sie aber im nächsten
Jahre vom albanesischen Drin zur Donau wieder siegreich vordrangen, wurden
Gurgusovac und der Timokdistrikt furchtbar verwüstet. Die Neubesiedelung der
von den Türken schlechtweg Timocka Palanka genannten Stadt soll durch Serben
aus Temesvar erfolgt sein. Zu Beginn des Freiheitskampfes im Jahre 1808
entriss sie ihnen der Wojwode Veljko, welcher den Führer Tosa zum Bezirks-
wojwoden ernannte; doch nach der Niederlage bei Nis fiel sie mit dem ganzen
Bezirk erneut unter den Halbmond, im November 1810 zog Graf Orurk mit
den russischen Hilfstruppen den Timok aufwärts, bombardierte die Palanka mit
18 Geschützen, und trotz tapferer Gegenwehr niusste ihre 800 Mann starke
Besatzung mit Zurücklassung von 4 Geschützen und aller Handwaffen kapitulieren.
Nochmals besetzten die Türken 1813 die Stadt und blieben, bis auch dieser Teil
des Timokgebietes 1833 dem Fürstentum ausgeliefert wurde.
Knjazevac umgibt ein reizender Naturpark, begrenzt von reben- und baum-
bepflanzten Höhen, welche zahlreiche Wasseradern durchrieseln. Auch vor dem
unheilvollen Kriege vom Jahre 1876 fehlten ihm architektonisch hervorragende
Gebäude; doch sein hochliegendes Kreisamt, die um dasselbe und auf beiden
Timokseiten gruppierten netten Häuser mit Veranden und Terrassen, durchwachsen
in italienischer Weise von saftigem Grün, übten gleich freundlichen Eindruck,
wie die nach den Höfen geöffneten Bogenhallen, in welchen man die malerisch
gekleideten Frauen mit der Anfertigung von den Pirotern wenig an Güte
nachstehenden Teppichen beschäftigt sah. Den höchsten Punkt krönt die Ruine
der berüchtigten „Gurgusovacer Kula", in welcher man einige 1857 als „Gegner
der Karadjordjevic" verhaftete Senatoren bis zur Rückkehr der Obrenovic gefangen
hielt. Auf Milos' Befehl musste der Stadtnamen sofort mit „Knjazevac"
(Fürstenstadt) vertauscht und die Kula vertilgt werden. 1859 wollte man sie mit
Pulver sprengen; der Fürst bestand aber darauf, dass Feuer an dieselbe gelegt
werde. Auf der Veranda seines Hauses wartete — wie mir Augenzeugen
erzählten — der rachedürstende Greis, bis die Flammen aus First und Fenstern
schlugen. Das grelle Schauspiel ergötzte ihn, die geborstenen Mauern liess er
Von Nis über Knjazevac, Soko-Banjn und ZaJL-car nach Negotin.
351
tags darauf tier Erde gleich machen; die Nebengebäude wurden für das
Telegraphenanit eingerichtet.
Knjazevac, dessen Umfang sicii einst bis zum östhciien Trgoviste und seiner
Burg Golubac auf dem „Kozarnik" erstreckt haben dürfte, besass 1859 nur
527 Häuser mit 2417 Seelen, ferner mehrere Gebäude für die Kreisäniter, zwei
Knaben- und eine Mädchenschule, eine Post- und Telegraphenstation, einen
Leseverein und eine architektonisch unbedeutende Kirche, neben der ein grösserer
Rote Kreuz-Station im Spital zu Knjazevae.
Neubau projektiert war, für welchen die Gemeinde schon 1864 einen durch
Verzinsung sich mehrenden Baufonds von 150000 Piastern besass. Das Kreis-
spital wurde 1852 für 24 Betten errichtet, um der häufigen Syphilis möglichst zu
steuern, die man früher in Serbien nur in Studenicas Umgebung kannte und,
wie es heisst, eine traurige Hinterlassenschaft der russischen Hilfstruppen vom
Jahre 1810 ist.
Dr. Mäcsays Spital und Apotheke gehörten zu den besten des Landes und
bewährten sich trefflich während des Krieges im Jahre 1876. Nur wenige Kreise
des Landes wurden durch diesen gleich stark wie der Knjazevacer geschädigt.
Er hatte im ganzen 7265 Mann mobilisiert, welche nach der Schlacht auf der
Tresibaba teilweise auch an den Gefechten des 9. August bei Zitkovac, des
352
Von Nis über Knjazevac, Soko-Banja und Zajecar nacli Negotin.
12. August bei Sumatovac, des 13. und 14. August bei Rzavci, des 18. September
bei Gredelina teiliialimeii und 1 Stabsoffizier, 3 Ober-, 17 Unteroffiziere
und 390 Soldaten an Toten, dann 78 Vermisste und 740 Verwundete verloren.
35 blieben Krüppel an Händen oder Füssen. Durch Knjazevac zogen 20000 Serben
und 35000 Türken hin und zurück. Die Dörfer litten nicht minder. In 12 Orten
blieben von 865 Häusern nur 64 erhalten. Die Frauen von Aldinac und
Dejanovac töteten 13 Kinder, damit sie nicht in tscherkessische Hände fielen.
Die Bewohner von Pricevac flüchteten in eine benachbarte 175 m lange, 4 m
breite, 6 m hohe Höhle, deren Eingang der später durch die silberne Tapferkeits-
medaille ausgezeichnete Buljukbasa Dina Radojkovic mit einigen Soldaten gegen
Plünderung eines Dorfgehöfts.
die Öfters anrückenden Türken heldenhaft verteidigte. Die von der Knjazevacer
Bevölkerung bewiesene patriotische Aufopferung geht aus vorstehenden Daten
ohne weiteren Kommentar hervor und wird durch ein den Gefallenen gewidmetes
bescheidenes Denkmal verewigt.
Überraschend schnell erstand die von den Türken in einen Schutthaufen
verwandelte Stadt. Als ich sie am 11. August 1897 wieder besuchte, erinnerten
nur wenige provisorische Lehmhäuser und unaufgebaute Ruinen, bei deren
Durchsuchung man auf stark verkohlte menschliche Skelette stiess, an die Katastrophe
von 1876. Die eingeäscherten Magazine und Wohnhäuser erstanden in soliderer
Gestalt. Das von den Tscherkessen als Pferdestall benutzte Kirchenschiff erhielt
eine von Markovic trefflich gemalte Ikonostasis, ihr hoher Turm wurde erneuert,
das einstige Nacelstvo zum Pukkommando bestimmt, auf dem Kulaplatz erbaute
man mit dem Kostenaufwande von 500000 d ein hübsches Gebäude mit Vorgarten
für den 1888 von Paracin dahin verlegten Stab der II. Division, andere für
Von Nis über Knjaievac, Soko-Banja und ZajeCar nach Negotin. 353
3 Batterien, und nachdem der Trgoviäki Timok, welcher den unteren Stadtteil
früher oft überflutete, reguliert worden, an der Zajecarer Strasse, bei den Resten
des Goiubac-Schlösschens, 4 Pavillons für die starke Infanterie-Garnison.
1896 zählte Knjazevac schon in 840 Häusern über 5000 Bewohner, unter
diesen 47 Gast- und Kaffeewirte, 2 Ärzte, 3 Geistliche, 19 Professoren und Lehrer,
8 Advokaten, 157 Kaufleute und Krämer, welche gleich den sehr zahlreichen
Gewerbetreibenden durch die 1888 begründete, zuletzt 12 Millionen d zu 10 »/o
in Umlauf setzende Sparkasse sehr gefördert werden. Der dort fabrizierte
„Sajak"-Schafwollstoff wird sehr gerühmt, und Crampton-^ivkovicschc Webstühle
sind oft im Gebrauch. Die 46 Offiziere, 500 Soldaten und vielen Pensionäre
geben dem in Gasthöfen und Cafes chantants sich abspielenden öffentlichen Leben
stark militärischen Anstrich. Die in Gesellschaft des Bezirks- und Stadtvorstandes,
mit Oberst Jakobljev, dem Advokaten Uros Gavrilovic und dem für Archäologie
sich interessierenden Lehrer Ristic verbrachten Stunden verflossen rasch. Alles in
allem wird die freundliche Stadt, wenn ihr 1889 vom Zajecarer Ingenieur Mata
Dimic entworfener Regulierungsplan durchgeführt sein wird, zu den schönsten
Serbiens zählen, und auch die Bevölkerung ihrer Umgebung dürfte bald wieder
an Wohlstand sich wie früher mit dem der gerühmten Sabacer Landschaft
messen können.
Im Juni 1900 bereitete Knjazevac dem König Alexander einen gleich
sympathischen Empfang, wie er ihn auf seiner Rundreise bis Nis in ganz Ost-
serbien gefunden, was für mich und andere, die daselbst zuletzt reisten, nichts
Überraschendes hatte. Denn bis 1883, wo sich der Kreis dem Aufstande gegen
das Regiment der „Naprednjaci" (Fortschrittspartei) anschloss, was mehrere
Knjazevacer mit Tod oder Gefängnis zu Zajecar büssten, galten seine Bewohner
als unbedingt herrschertreu. Noch 1881 rühmte Miäkovic'), dass sie ungleich den
fortwährend politisierenden Sumadijern einzig der Arbeit lebten, gerne singen,
tanzen, doch sehr abergläubisch seien. „Fleissig wie ein Zaglavcanin", sagt ein
Volkswort, und dem entspricht auch das Aussehen der Dörfer. Ihre Häuser sind
mit Ziegeln gedeckt; jedes wohlhabendere hat einen podrum (Keller), ambar
(Maisspeicher), einen kos (Art Scheuer von Flechtwerk) für Weizen und kosara
(Stall von Flechtwerk) für das Vieh.
Im Gesichtsschnitte der Männer will Miäkovic türkische Züge entdecken;
ich sah sie aber als solche des bulgaro-slavischen Typus ihrer serbisierten
Vorfahren, der „Timociani", an-), von welchen ich noch sprechen werde (III. Bd.,
11. Kap.).
Die Burschen heiraten hier oft mit 16—18 Jahren; stark bebartete finden,
weil „drt" (verbraucht), schwer tüchtige Mädchen. Diese werden im Gegenteil,
als wertvolle Arbeitskräfte, selten vor dem 25. Jahr aus dem Elternhaus entlassen.
Ich selbst sah zu Knjazevac am 22. Juli 1860 den Hochzeitszug eines alten
Mädchens, das, vom Fürsten wegen Kindesmords begnadigt, ihren weit jüngeren
') Glasnik, Bd. 49, S. 98 ff.
') Safarik, Slavische Altertümer, II. Bd.
F. KAM TZ, Serbien. II. 23
n54 Von Nis über Knjazevac, Soko-Banja und Zajetar nach Negotin.
Burschen heiratete. Das Fest verlief sehr lustig. Alle, auch die Braut, trugen
Fahnen und bunte Tücher an den Schultern; ein Dudelsackpfeifer und Qajde-
spieler — man kennt hier die echt serbischen Ouslc nicht — spielten heitere
Weisen. Unter den vielen Vorbedeutungen für die Zukunft der Wöchnerin und
des neugeborenen Kindes spielt die Nabelschnur wie mir Dr. Mäcsay erzählte —
eine grosse Rolle. Auch der zu gebende Name erscheint wichtig; er weicht oft
von den üblichen zentralserbischen ab. Die gebräuchlichsten für Knaben sind:
Bojko, Djergo (serbisch Djordje, Georg), Janos, Pavun (Paun), Puja (serbisch Prvul),
Selimir, Sevdelin'), Sibin, Sokol, Strahin, Subota (Samstag), Trandavil u. a.; für
Mädchen: Budimka (Ofnerin), Divna (Wunderschöne), Dobra (Gute), Dunja
(Quitte), Jabuka (Apfel), Jagoda (Erdbeere), Kita (Blumenstrauss), Krstava
(abgeleitet von Kreuz), Kadivka (Samtblume), Kosuta (Hirschkuh), Latinka
(Lateinerin), Nena (bosnisch Mutter), Moravka (Flussname), Mira (Friedliche),
Solunka (Salonikerin), Rusa (Rose), Trena (Augenblickliche), Vesela (Lustige),
Vukana (altslavischer Name), Zlata (Goldene) u. a. Auch in Sprache, Brauch
und Tracht unterscheiden sich die Serben im Timokgebiet auffällig von jenen
im nördlichen Königreich. Milicevic bringt hierfür viele überzeugende Beispiele.-)
Während meiner eingehenden Reise im serbischen Südostgebiet im Jahre
1864 führte mich ein mit Dr. Mäcsay von Knjazevac unternommener Ausflug
in einer Stunde S. zum ausgedehnten Ruinenfelde „Baranica" am Timok. Dort
fand ich neben den Fundamenten antiker Bauten zwei beim nahen Zukovac
ausgegrabene weisse Marmorsäulen und römische Inschriften. Nach meiner auf
S. 347 berührten Untersuchung stand hier die Zivilniederlassung von Timacum
minus, auf der Höhe ihr Kastell. Beide lieferten das Material für zwei Burgen,
welche im Mittelalter das dort sich verengende Timokdefilee beherrschten. Ihre
auf hohen, Kalkfelsen stehenden Ruinen boten mit der wild zerklüfteten Schlucht
ein pittoreskes Bild, dessen Umrisse ich rasch skizzierte.
Viele antike Münzfunde im benachbarten Terrain beweisen, dass Timacum
minus ein lebhafter Verkehrspunkt der antiken Donaustrasse nach Ratiaria war.
Um ihre weitere Trace zur dritten, noch festzustellenden Zwischenstation Conbustica
zu bestimmen, schlug ich die eine Viertelstunde N. hinter Knjazevac auf das
linke Timokufer tretende alte Zajecarer Strasse ein. Die nach Ratiaria zur Donau
führende Trace musste jedenfalls das Serbien gegen O. von Bulgarien trennende
Gebirge gekreuzt haben. Dass dieses nicht, wie auf Schedas Karte, ununterbrochen
zur Timokmündung ziehe, wurde mir schon 1862 klar, als ich vom Vrska Cuka-
Kastell über die dort beginnende Hochebene nach Vidin fuhr; die zeitkürzende
Abzweigung musste aber noch vor dem nach Zajecar führenden „Passo Augusto"
erfolgt sein, sollte nicht, falls es vom Feinde genommen, jede Verbindung mit
der Donau verloren sein.
Empfangenen Andeutungen über von Knjazevac nur 7 km entfernte Baureste
bei Ravna folgend, beschloss ich, zunächst diese zu besichtigen. Nach Safariks
') S. Fussnote auf S. 273.
') Kneievina Srbija, S. 857 ff.
Von Nis über Knjnzevac, Soko-Banja und Zajecar nach Negotin.
355
Lebensbeschreibung von Neinaiija hatte Stevan der Erstgekrönte im festen Ravna
eine Zusammenkunft mit dem Ungarkönig Andreas, bei welcher die Fürsten
nach geschlossenem Frieden sich gegenseitig mit prächtigen Pferden, wertvollen
Bechern usw. beschenkten. Ich traf bei Ravna gegen alle Erwartung wenig
Mittelalterliches, dagegen aber ein Kastrum von bedeutender Grösse, dessen
Galerien und Kasematten bergende, 137 m lange, 114 m breite Fronten vier
im Mauerweik 1 m starke Ecktürmc und, wie General Anta Bogicevic später
feststellte, auch gegen N., W. und S. je drei vorspringende Rundtürme verstärkten.
Sein Hauptzugang befand sich an der Flussfronte, der Brunnen im Zentrum.
Leider verschleppten die Dorfbewohner das Material des Oberbaues zum Häuserbau;
Aus iler Tr^oviski Tiinok-Sclilucht.
zahlreiche Inschriftsteine wanderten in Kirchen- und Brückenfundamente. Aus
Ravna stammt auch neben neueren Funden die Inschrift, welche auf einem
mit Delphin und Dreizack verzierten Marmorsteine die I. der „cohortes Thracum
Siriacae" zum erstenmal bezeugt.') Etwa 100 m NO. vom Kastrum stiess ich
auf zwei nun trocken liegende Köpfe einer antiken Brücke über den früher
westlicher fliessenden Timacus.
Dieser unerwartet gefundene römische Timokübergang gab mir den
erwünschten Fingerzeig für die weitere Richtung der antiken Hauptstrasse, und
eine an den nahen östlichen „Kadibogazpass" geknüpfte Tradition liess mich
ihre Wegabzweigung durch diesen zur Donau vermuten. Der Name des Defilees
') Arch.-epigr. Mitteil. 1884, S. 84 f. Starinar, iil, S. 27.
No 8261, 8263 und eine dritte Inschrift No. 8262.
C. I. L. 111, Suppl. Fase. II,
23*
^5ß Von Nis über Knjazevac, Soko-Banja und Zajecar nach Negotin.
Stammt von einem Kadi, der, vom jenseitigen Beiogradcii< l<omniend, hier über-
fallen, todesmutig in das unten hintosende Wasser sprang und entkam, was auf
eine Strasse im Einschnitt iiindeutete. Wirklich stiess ich bei dem von Bulgaren
bewohnten Novo Korito auf Stellen eines gepflasterten Weges, der mich in drei
Stunden an den verbarrikadierten Defileeausgang brachte. NW. von diesem krönt
die zwischen Korito und Osljane sich erhebende „Gradska Glama" die Ruine
eines KasteHs, das mit dem südlicheren, auf der 907 m hohen „Gradiska Cuka"
an der Jelasnica, den Pass überwachte. Bis zum Ende des vorigen Jahrhunderts
war der Kadibogazweg sehr belebt; Pasvan Oglu Pasas Vidiner Regiment, die
Dahienstürme und serbischen Freiheitskämpfe hatten aber das Timokgebiet so
verödet, dass dieser ursprüngliche Römerweg alle Bedeutung verlor. Er büsste
sie vollends ein, als Fürst Milos den Pass sperrte und die Verbindung mit Vidin
nur durch die Quarantäne Vrska Cuka gestattete.
Nur Schmuggler und passlose Gesellen suchten sich durch das Korito-Defilee
nach Serbien und Bulgarien zu schleichen. Vor wenigen Jahren bewältigten dort
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MTES TtMOlCBE t ".-- ■ ■;'^;i!i^
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Römerbrücke am Timok bei Ravna im Jahre IStK).
serbische Gendarmen nach schwerem Kampfe sechs bulgarische Heiducken, bei
welchen man tausend türkische Goldlira in den Schuhsohlen eingenäht fand.
Der zur Türkenzeit gänzlich gesperrte, erst im Herbste 1897 dem Verkehr
wieder geöffnete Kadib ogaz-Grenzzaun unterbrach bedauerlicherweise meine
jenseitige Verfolgung des gefundenen römischen Donauwegs. Einige Wochen
später stellte ich vom türkischen Arcar aus, am gleichnamigen Flusse W.
ziehend, eine scheinbar zum Kadibogaz laufende antike Strasse fest und stiess
an dieser bei Kladrup auf eine römische Niederlassung; doch wagte ich nicht,
sie mit Conbustica zu identifizieren, weil die Tafelmasse nicht mit diesem Punkte
stimmten. 1) Ebensowenig wagte ich es, bei der Unverlässlichkeit der damaligen
kartographischen Behelfe, die von mir im südlicheren Belogradcik nach-
gewiesenen römischen Reste mit diesem Conbustica zu identifizieren.-) Heute
darf ich aber, auf Grundlage der neuen serbischen Karte, mit grosster Wahr-
scheinlichkeit annehmen, dass diese seit Mannert vergeblich gesuchte Mansion
an Belogradciks Stelle lag, und dass die römische Trace von Timacum minus
') Donau-Bulgarien und der Balkan, II Auflage, I. Bd., S. 1(X).
=) Ihid., S. 51.
Von Nis über Knjazevac, Soko-Banja und Zajecar nach Negotin. 357
(Baranica) östlich an der Zukovacka reka, unter Gradiätes Kastell, bei dem man
silberne Getasse usw. fand, über die Ivanova Livada, das 27 Millien entfernte
Cünbustica, und mit weiteren 27 Millien, über Kladrups befestigte mutatio, die
Donaustadt Ratiaria erreichte. Sollte die weitere Untersuchung auf dem Terrain
diesen Strassenzug vollends festlegen, wird damit ein neuer Beweis für die
Verlässlichkeit der Peut. Tafel erbracht sein und der Römerweg im „Kadibogaz"
sich als eine nördlichere Verbindung des Veliki- mit dem unteren Tiniok darstellen.
Die vom südwestlichen Sv. Nikola- Balkan zur Vrska Cuka streichenden
Zaglavak-Grenzberge bilden einen mächtigen kristallinischen Zug, dessen Kitka
und Tresak (1025 m) sich aus Syenit, der anschliessende 1150 m hohe Babin
Nos aus Grünstein, die südlichen Höhen bis zur Ivanova Livada aber aus Sylikaten
konstituieren. Von Korito, wo ich das Bd. 111 mitgeteilte Gebirgsprofil nahm,
auf die Hauptstrasse zurückgekehrt, sah ich bei Novi Han noch Reste der
„Adlija Kula", welche der Subasa Omer 1833 trotz des klaren Sultanfermans
nicht räumen wollte, bis die Anwohner sie anzündeten und ihn töteten. 1897
fand ich in dem 1560 Bewohner zählenden, seither „Kraljevo Selo" genannten
und zum Amtszentrum des Timoker Bezirks erhobenen Novi Han ein stattliches
Administrationsgebäude mit Schule und eine gute Mehana, in der wir den auf den
sonnigen, nahen Tiniokhöhen wachsenden Rotwein kosteten und trefflich fanden.
Auf Kieperts früher anerkannt bester Karte erschien die von uns durchquerte
nördliche fruchtbare Hochebene wenig bewohnt, ich verzeichnete jedoch an der
Strasse bis Zajecar nicht 3, sondern 20 Orte, darunter einige durch besondere
Grösse und Wohlhabenheit ausgezeichnete. Am linken Timokufer begleitete uns
das 1020 m hohe, scharfprofilierte Gebirge Magien, dessen Plateau kaum 200 m
breit ist. Die nördlichere, 1135 m hohe Tupiznica besitzt wie der benachbarte
Rtanj (S. 118) eine durch Eisbildung in der warmen Jahreszeit berühmte Höhle.
Der ganze „Lasovacka Planina" genannte Gebirgszug kulminiert im 1210 m
hohen Glogovacko Brdo. An seinem südöstlichen Fusse stehen bei Kozelj
auf einem etwa 180 m aufragenden Kalkfelsen die 100 m langen, 50 m breiten
Reste des „Koziji grad", auch „Kozjak" genannten Schlosses, dessen bis auf
unsere Zeit ziemlich wohlerhaltene Kirche am Zusammenflüsse der Veliko und
Malo 2drelo zum Baue der Knjazevacer abgetragen wurde, ein Barbarismus, den
Milicevic mit Recht tadelte. Der bei ihrer Ruine gefundene, von mir veröffentlichte
römische Votivstein ') und andere Anzeichen machen es fraglich, ob nicht „Kozelj"-)
auf den Rudimenten eines Römerkastells entstand. Nach der Volkssage hatte
das erwiesen von Stevan Nemanja 1185 den Byzantinern entrissene Schloss durch
eine türkische Beschiessung, nacii anderer Meinung aber durch eines der in
dieser Gegend häufigen Erdbeben stark gelitten; auch am 19. September 1858
und ebenso 1867 erschreckten heftige Erdstösse die Anwohner.
Gleich nachdem wir die Selacka reka überschritten, bogen wir 0. in ihr
Defilee ab. Auch das Eindringen in dieses enge Quertal suchten die Römer durch
') Arch.-eplgr. Mitt. 1884, S. 86. - C. I. L., Siippl Fase. II, No. 82(35.
-') Daniele, Rjecnik, I, S. 432.
■?5tS Von Nis über Knjazevac, Soko-Banja und Zajccnr nach Nogotin.
Kastelle auf der vom Kloster südwestlichen 997 m hohen Janosica und auf dem
nordöstlichen 500 m hohen Vetren zu hindern. Ihre Rudimente sind noch
sichtbar. Gemeinsam mit den Sperrforts auf dem linken Timokufer zwischen
Zagradje und Vrbica •) hatten sie mit der geschilderten grösseren Feste
bei Ravna die von Tiniacuni minus zum Vratarnica-Defilee laufende Strasse
zu schützen.
Selten sah ich eine pittoreskere Schlucht. Die auf beiden Selacka reka-Ufern
näher tretenden Kalkfelsen reflektierten ihr helles Gestein mit saftigfrischer Vegetation
im kristallklaren Bache. Immer lauteres, geheimnisvolles Tosen eines in mehreren
Kaskaden herabstürzenden, über 20 m hohen Wasserfalls begleitete uns bis zu
dem von seinem Plateau herabblickenden „Manastir Suvodol". Wir stiegen
hinan, und ein „Sveti otac" (hl. Vater) begrüsste uns an seiner Pforte. Das der
„Sveta Bogorodica" (hl. Mutter Gottes) geweihte Kloster zählt zu Serbiens alten
frommen Stiftungen, doch fehlen Inschriften und Urkunden, welche über sein
Gründungsjahr sichere Aufschlüsse geben. 1810 war es der Schauplatz eines
Kampfes zwischen Serben und Türken. Diese plünderten das Kloster und kühlten
ihr Mütchen auch am mittelmässigen Freskenschmucke seiner Kirche, indem sie
mit ihren Handscharspitzen den Heiligen die Augen ausstachen. Der Grundriss der
seither wieder geweihten Kirche erinnert an Zica; denn an den schmalen Narthex
lehnen auch hier zwei Kapellen, der kuppellose Hauptraum wird aber durch ihre
drei Apsiden kleeblattförmig geschlossen und durch wenige Fenster nur spärlich
erhellt. Bemerkenswert fand ich die bei serbischen Kirchen seltene Anlage eines
Peristyliums an der Stirnfassade. Drei, von zwei vortretenden Wand- und zwei
freistehenden Pfeilern getragene Bogen bergen das in der Wölbung befestigte
harmonische Geläute. Nach den Umschriften wurde die Glocke zu Pest, die
zweite 1858 zu Vrsac im Banat gegossen. Seither entstand auf der Stelle des
abgetragenen Kirchleins ein wieder „Maria Geburt" 1889 geweihter grösserer
Kuppelbau. Als ich die Kirche verliess, wäre ich beinahe auf ein Mädchen
getreten, das anscheinend bewusstlos vor dem Portale lag. Seine Gesichtszüge
waren wenig entstellt, das Leiden äusserte sich nur in den krampfhaft zuckenden
Extremitäten. Neben der Kranken kauerte mit stumpfsinnigem Blicke die ächzende
Mutter, welche ihre Tochter in das Kloster gebracht, damit seine Mönche den sie
quälenden djavo (Teufel) bannen möchten! „So pfuscht man uns hier und allerorts
ins Handwerk!" meinte Dr. Mäcsay. Auch der Knjazevacer Kreis besass früher
mehrere derartige Brutstätten krassesten Aberglaubens, die mit reichen Stiftungen
begabt waren. Suvodol besitzt noch heute 55 Hektar Felder und Wiesen, 7 Hektar
Obst- und Weingärten, 715 Hektar Wald, 2 Mühlen, 50 Bienenstöcke, bedeutenden
Viehstand usw. Das ausgewiesene Einkommen beträgt, trotz des grossen Grund-
eigentums und dass der Kirche 3 Pfarren mit 7 wohlhabenden Dörfern zugeteilt,
nach dem Steuerbekenntnis jährlich nur 2850 d.
Ich sehnte mich hinaus aus der dunkel gewordenen Klosterschlucht und
wartete nicht ab, welchen Erfolg der angewendete Exorzismus erzielte. Die
') Ibid., Inschrift von Vrbica, No. 8266.
Von Nis über Knjnzevnc. Soko-Banja und Zajecar nach Negotin.
:{5!)
Pracht der vsestlich auftretenden, mit rötlichem Abendglanz übergossenen Ebene
verscheuchte bald den Eindruck der erlebten grellen Szene. Auf der Strasse und
den erntereifen Feldern herrschte noch volles Leben. Zwischen den mannshohen
Maisstauden trieben sich fn>li!ich singende Menschen umher. Heimziehende
SUVODOL. Kliistci iiiiil VV.isscrfall im Jahre 18(>Ü.
Landlcute in kleidsamen Trachten, die Frauen in dem hier charakteristischen
enganliegenden schwarzen Tuchrocke, die Haare aufgelöst, den Fes mit Hahnen-
federn geschmückt, bewegten sich zum Vratarnica-Pass, und lange Karawanen
mit kleinen Ochsen bespannter, Salz führender Karren gegen Knjazevac.
;!Hü
Von Nis über Knjnzevac, Soko-Banja und Zajecar nach Negotin.
Der meine Forschungen unermüdlich fordernde Dr. Mäcsay begleitete mich
auch auf dem dritten Ausfluge zur richtigeren Eintragung des Trgoviski Timok.
Von Knjazevac führte uns die wenig belebte Strasse durch das allmählich sich
erweiternde, von gut bewaldeten Bergen umschlossene Strpcital, an dessen
interessante Kirchenruine sich folgende, vom Knjazevacer Gymnasiallehrer Ristic
mitgeteilte Erzählung knüpft.') Am Vorabend des Sv. Toma (Thomas) 1888 erschien
dort einer Frau im Traume ein Geist, der ihr versicherte, ihr schwer krankes Kind
würde solange nicht gesunden, bis sie nicht die hl. Jungfraukirche an dem ihr
bezeichneten Punkte aus der Erde grabe. Da die Erscheinung sich wiederholte,
machte sich die Frau mit ihren Leuten ans Werk. Wirklich stiess man bald auf
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Backsteinteclinik von der Kirchenkuppel zu Kameiiica.
Mauern, die mit Hilfe der Nachbarn freigelegt wurden, worauf das Kind gesundete.
Der im Innern 20 m lange, 7,50 m breite Bau besitzt an der Ostseite eine
halbrund vorspringende Apside, gegen W. einen narthexartigen Vorraum, aus dem
man in gegen N. und S. vorspringende kleine, nahezu quadratische Kapellen
gelangt. Die durchschnittlich 1,20 m hoch erhaltenen Mauern sind 0,70—0,75 m
stark. Im Innern wurden sechs marmorne antike Säulenstämme und vier Kapitale
von verschiedener Form und Verzierung gefunden. Die Kirche scheint ein
schlichter Hallenbau aus der byzantinischen Epoche gewesen zu sein.
Von Strpci ging es auf dem rechten Timokufer nach Donja Kamenica.
Hatte ich früher bedauert, dass seine vielgerühmte Kirche in meinem Werke
„Serbiens byzantinische Monumente" fehlte, lehrte mich nun der Augenschein,
dass Alter und architektonische Bedeutung des kleinen Baues stark überschätzt
worden waren. Der erste überraschende Eindruck seiner originellen Anlage wich
') Starinar, VI, S. 75 ff.
Von Nis über Knjazevac, Soko-Banja und ZajeCar nach Negotin 'MW
bei näherer Betrachtung der misslungenen Verhältnisse und schlechten technischen
Ausführung bald der Überzeugung, dass der überdies durch ein schweres
Steinplattcndach beeinträchtigte Bau niciit allein konstruktiv und dekorativ kein
Muster altserbischer Baukunst, sondern eher eine Type ihres Verfalls im 15. Jahr-
hundert bilde; denn damals verstand man es nicht mehr, das byzantinische
Zentralsystem mit der occidentalen Turmanlage organisch zu verbinden. In der
ganzen Narthe.xbreite erhebt sich ein nach oben wenig verjüngter, turmartiger
Vorbau, der ungeschlacht, von vorn gesehen, die Kuppel deckt und weit mehr
einem Verteidigungs- als Glockenturme gleicht. Der in Serbien, Studenica
ausgenommen, überhaupt nicht besonders gepflegte Portalbau erscheint hier ganz
vernachlässigt, der schmale, niedrige Eingang durch das Tynipanon über dem
Querbalken des glatten Türstocks wenig gehoben, die auf diesem schwer lastende
Mauerniasse nur durch einige unsymmetrische Lichtöffnungen durchbrochen, und
gleich ärmlich sind die Seitenfassaden und Altarapsiden dekoriert. Die reizvollere
Gliederung, der doppelte romanische Zahnschnitt am Gesimse, die abwechselnd
aus Trompeten- und Ziegelhändern konstruierten Umrahmungen der Fenster und
die sorgfältigere technische Behandlung des Bruch- und Backsteinmaterials gestalten
die Kuppel jedenfalls zum anmutigsten Teile des Kirchleins.
Der auch in der halben Turmhohe das schwere Mauerwerk in Horizontal-
streifen durchbrechende Trompetenziegel bildet eine von mir zuerst am rechte:i
Donauufer bis nach Mesembria am Pontus beobachtete charakteristische Zierde
der altbulgarischen Kirchen. Gestützt auf dieses am Kamenicaer Kirchlein
verwendete Dekorationsmotiv und eine Inschrift, in der „Mihail Despot" lesbar,
glaubte Kustos Valtrovic, entgegen der bisherigen Annahme, dass Mihail Abogovic,
Mitregent der serbischen Despotenwitwe Jelena (um 1459), sein Gründer sei, als
solchen den bulgarischen Vidiner Teilfürsten Mihail (f 1330) bezeichnen zu
dürfen'); folgerichtig hätte Valtrovic auch die benachbarte, mit Trompetenziegeln
geschmückte Dzanjevoer-) Kirche, als deren Stifter Zar Dusan gilt (Kap. XV.), einem
bulgarischen Gründer zuschreiben müssen. Nach meiner Ansicht kann aber aus
dem Trompetenziegel oder anderen dekorativen Motiven allein nicht das Alter von
Bauwerken bestimmt werden, denn die Erfahrung lehrt, wie leicht architektonische
Formen über politische Grenzen wandern, mu nach längerem Verschwinden oft
wieder aufgenommen und fortgebildet zu werden (III. Bd., Kap. XVIII).
Die innere Ausstattung des Kirchleins entspricht gleichfalls nicht ihrem Rufe.
Bei den teilweise restaurierten Fresken vermisste ich jene Strenge der Zeichnung,
welche bei altbyzantinischen das Schablonenhafte mildert. Im Narthex erblickt
man links vom Eingang einen Christus, rechts den noch zweimal abgebildeten
Despoten Mihail') mit Zepter in der rechten Hand und seine Gemahlin, über
cjenselben den Tempelgang Maria. Auch das Bild der hl. Jungfrau kehrt an
verschiedenen Stellen des Hauptschiffes wieder, auch in der Apsis thronend mit zwei
') Starinar, IV, S. 106 ff.
-) jetzt heisst dieses Dorf üusanovac.
^) Kanitz, Tirnovos altbulgarische Baudenkniale. Sitzungsber. d. phil.-hist. Kl. d.
Akad. d. Wiss LXXXIl. Bd., S. 15. Wien 1876.
<^62 Von Nis über Kiijazcvac, Soko-Banja und Zajecar nach Negotin.
Engeln zur Seite. Die südliciie und nördliche Hauptwand sind mit Darstellungen
des Abendmahls und der Kreuzabnahme geschmückt; am grossen Scheidbogen
erscheint das Schweisstuch Christi.
Nahe dem durch Erdbeben arg mitgenommenen und, wie es scheint, baldigem
Untergange geweihten Kirchlein steht die freundliche kleine Dorfschule, welche
die vom benachbarten Kloster Sv. Trojica unter der Türkenherrschaft bewahrten
spärlichen Bildungskeime weiter zu entwickeln strebt. Auch diese, kein besonderes
archäologisches Interesse bietende Baute soll aus dem 15. Jahrhundert stammen,
als Stifter wird Lazar (1446—1458), Sohn des Fürsten Djuradj Brankovic, genannt.
Sein Grundbesitz, bestehend aus 12 Hektar Felder und Wiesen, 4 Hektar Wein-
und Obstgärten, 14 Hektar Wald, neben gutem Viehstande und 4600 d Barkapital,
wirft ein die Ausgaben balancierendes Einkommen von jährlich 2650 d ab. Ob
der beim östlichen Pricevac aufgefundene alte Bleibau abbauwürdig, ist noch
nicht entschieden; der Nussbaumwald von Gornja Kanienica wird lohnend
verwertet.
Einen weiteren Ausflug widmete ich dem Schlosse Svrljig, Nisevci und Sv.
Arandjel. Spaso, der älteste und angesehenste Pandur des Kreises, wurde zur
Führung bestimmt. Am Frühmorgen umgingen wir westlich von Knjazevac die 1876
viel umkämpfte Glavicica. Ob die nahe Rgostes Numulithenkalken entquillende
Therme die an sie geknüpften Hoffnungen rechtfertigen wird, blieb bis heute
unentschieden; dasselbe gilt von dem Kohlenflöze, das bei Vasilj angeschürft
wurde. Für die Intelligenz seiner Bewohner spricht, dass sie unfern der 1835
geweihten hl. Nikolauskirche jüngst ein hübsches Gebäude für ihre vierklassige
Schule errichteten, was ich bei der noch immer spärlichen Zahl von Unterrichts-
anstalten in dieser Landschaft gern hervorhebe. Vom rechten Svrljiski Timok-Ufer
stiegen wir über die Preseka und den 665 m hohen Milenov Vrh hinab zum
wohlhabenden Topla, bei dem sich das Tal gegen W. zu einer von sanftgewellten
Bergen, gegen S. aber durch ruinengekrönte Felswände abgeschlossenen Hochebene
erweitert. Der Gemeindeausschuss ihres Hauptortes Varos empfing und bewirtete
uns gastlich; doch wusste er nichts von dem Brunnen mit lateinischer Inschrift,
von der Moschee mit antikem Pflaster, dem Römerbad und anderen Bauresten,
deren Besichtigung mir der frühere Physikus Dr. Kiko empfohlen hatte. Die von
mir gesehenen Mauern stammten aus jüngerer Zeit und gehörten zweifellos dem
türkischen Isferlik (Svrljig) an, das zuletzt schlechtweg „varos" (Stadt) genannt
wurde, während sein serbischer Namen nur der hochliegenden Burg verblieb.
Nach Hadzi Chalfa') war Isferlik im 17. Jahrhundert der Sitz einer Gerichtsbarkeit,
also Hauptort des gleichnamigen Bezirks; seine Angabe, dass die Stadt auf
einer vom Schlosse durch ein Tal getrennten Bergspitze lag, beruht aber gewiss
nicht auf Autopsie, denn nur ein kleiner Teil ihrer Häuser stand hart unter der
nördlichen Burgmauer, der grössere aber unten beim heutigen Varos.
Chalfas weitere Mitteilung: „Hier sieht man die Gestalt eines Weibes aus
gehauenem Stein", ferner die mit einer kleinen Herosstatue im Defilee gefundene
') Rumeli und Bosna, S. 47 f.
Von Nis über Knjazcvac, Soko-Banja uiul Zajecar nacli Neyntiii. 'i'i3
fünfzeilige griechische Inschrift von dem Strategen Claudius Theoponipos '), dann
häufige römische Miinzenfunde deuten auf eine an diesem Puni<te liestandene
antike Niederlassimg iiin, nacii deren Mauern ich aber vergeblich unten suchte.
Auch ein goldener Ring mit dem Monogramm \/ im Belgrader Museum stammt
villi hier.-)
Auf felsigem Steilpfade kletterten wir zum Horte der hier kaum dem Timok
Raum gebenden Schlucht zwischen dem üblik und der Bogdanica hinan. Die
kühne Schlossanlage nötigte uns Staunen ab. Nur ein 90 cm breites, in zwei
mächtige Felsen gezwängtes Tor gestattete von W. her den Eintritt in den höher
ansteigenden dreiseitigen Vorhof, welchen dem Felsrande sich anschmiegende Mauern
mit einer ni'irdlichen, halbkreisförmigen Bastion abschlössen. Aus diesem schmalen
Propugnaculum gelangte man erst durch einen cjuadratiscliL'u Tmiu mit im Jahre
1864 noch ganz unverdorbenen Holzbalken in den höchsten, selbst die jenseitige
706 m hohe Bogdanica dominierenden breiteren Burgteil, dessen durchschnittlich
1 m starke Mauern sich in einem am Nordostrande des Plateaus kühn vorspringenden
vierstöckigen Rundturm vereinigten. Die südliche Langfront war, wie Mauerreste
zeigen, durch weitere Vorwerke verstärkt; vor der nördlichen sah ich Spuren
tiefer liegender Gebäude. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist die Svrljigburg auf
der Stelle eines Römerkastells entstanden. Ihre heutigen Reste gehören vielleicht
teilweise der altserbischen Epoche, zum grösseren Teil gewiss aber der türkischen an.
Der Name Svrljig soll aus dem Thrazischen stammen, dem viele Tier- und
Pflanzennamen der Sprachen des illyrischen Dreiecks entlehnt sind. Im 10. Jahr-
hundert gehörte Svrljig zur Niser Eparchie; 1185 wurde es von Stevan Nemanja
den Byzantinern entrissen, im Ausgang des 13. Jahrhunderts fiel es an Bulgarien.
Später abermals serbisch, und wie es scheint eine Stätte, auf der man das Schrifttum
pflegte ■), zerstörte es 1413 der Usurpator Sultan Musa, dessen Bruder Mohammed
es dem Despoten Stevan zurückgab; doch 1454 fällt es dauernd unter die türkische
Herrschaft. In ihrer letzten Epoche gehörte „Isferlik" zum Sandschak Vidin; während
der österreichischen Kriege wird das Schloss nur vorübergehend, im serbischen
Freiheitskampf, wahrscheinlich, weil es bereits verfallen war, gar nicht erwähnt,
um so häufiger aber im Herbste 1876, als sein Defilee von Serben und Türken
wiederholt durchzogen wurde.
Am 2. Juni klettert alt und jung der Orte Varos und Paliluia auf das
Schlossplateau und feiert dort mit Sang und Tanz den Sv. Nikola.
Von den zahlreichen, schwer zugänglichen Oblikhöhlen wird eine grössere
unter der Burg „Posrana" genannt. Zwischen den Ruinen des Svrljig- u\m.\
des am Defilee-Ausgang liegenden Podvisschlosses, bei dem südlich Kohle
und in der nördlichen Syenitregion Magneteisensteine anstehen, stiess ich auf
Spuren der einst von ihnen gehüteten alten Strasse. Sie verfiel und verwandelte
sich in einen lioch über dem Flusse ziehenden Reitweg. Bei jeder Krümnumg
') Epigr. MIttl., X, S. 239 f.
-) Slarinar, XI, S. 97.
') Svrljiski cullomci evandjelija, Glasnik, Bd 20, S. 244 ff.
364
Von Nis über Knjazevac, Soko-Banja und Zajecar nach Negotin.
der von Adlern umkreisten Engsclilucht boten die stark erosierten Kalkmauern
neue, überraschend malerische Bilder. Als wir nach Nisevci hinabkletterten, warf
ich einen letzten Blick auf die prächtige Silhouette der vom klaren Horizont sich
scharf abhebenden Svrljiger Burgtürme.
Am nächsten Tage übernahm Kosta Jovanovic, der Kapetan von Nisevci,
die Führung. Während Diener und Packpferd unter Spasos Aufsicht den Weg
gegen Slivjes Weinberge einschlugen, ritten wir durch die sich ausweitende
Hochebene zur Trümmerstätte von Timacum minus, die jedoch, weil allerorts
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(-.
SVRI.JIO. Südliches Schlossdefilce.
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durchwühlt, geringe Anhaltspunkte für seine nähere Bestimmung bot. Hierauf
suchten wir gleichfalls die westlichen Höhen zu gewinnen und stiessen nach
Übersetzung der Lalinacka reka zu unserer Karawane. SW. blieb Grbavce,
zwischen dem und Prekonoge Ruinen alter Gebäude und Kirchen sich befinden;
die grösste, „Miletina crkva", flog nach der Volkssage vom Podvisberge herab,
weil sie dort entweiht wurde. ')
In zwei Stunden erreichten wir die Vetrilahöhe, weiche eine höchst
instruktive Fernsicht auf das Kohlen führende südwestliche Gebirge gewährt und
die Peilung der bedeutenderen Berge von der Gulijanska Planina bis zum Ljuti Vrh
gestattete. NW. ging es durch dichten Laubwald weiter zu einer Lichtung mit
') J. Mlskovic, Giasnik, Bd. 49.
' Von Nis über Knjaievac, Soko-Banja und Zajefar nach Negotin. 365
prächtigem Ausblick über Kravije nach ticin Jastrebac nnii Kopaonils. Wir
lietratcn liier den in herbstlicher Schönheit prangenden Korst des ehemaligen
Klosters Sveti Arandjel, dessen weisses Kirclilein sich gar freundlicii vom
grünen Laiibrahmen abhob. Traditionell dankt es seine Entstehung einem schönen
Zuge serbischer Geschwisterliebe. Von den Brüdern Vuja und Gruja Radojlovic
aus der Minenstadt Rudnik (1. Bd., S. 445) zog zur Nemanjidenzeit der eine in
die weite Welt; der andere blieb daiieim, erwarb viel irdisches Gut, wurde aber
von namenloser Sehnsucht erfasst, seinen in Konstantinopel lebenden Bruder
aufzusuchen. Am Wege traf er einen von dort kommenden Reisenden, der als
sein Ziel Rudnik nannte, wo er seinen Bruder wiederzusehen hoffe. Vuja und
Gruja erkannten sich, und voll Freude über die unverhoffte glückliche Begegnung
gelobten sie, nahe dem Han ein Kloster zu bauen. So entstand Sveti Arandjel,
die dem hl. Erzengel Gabriel geweihte Heilstätte.
Bald hätte ich den mazedo-walachischen Baumeistern schweres Unrecht
getan. Ich glaubte, die Renovation der Kirche rühre von einem solchen her,
doch nach der Inschrift an ihrer Nordseite wurde sie aber 1863 unter Fürst
Mihail Obrenovic 111. durch das offizielle Bauorgan des Kreises umgebaut. Ein
occidentaier Architekt (?) hatte also die Narthexmauer ausgebrochen, was durch
das Bedürfnis nicht gefordert wurde, auch die gemauerte Ikonostasis zerstört, die
alten Profile verschmiert und quadratische, breite Fenster in den byzantinischen
Bau eingeschnitten, was ein sprechendes Zeugnis für die Ignoranz der alle Pläne
der Kreisingenieure begutachtenden damaligen Belgrader Bautenleitung gab, die
sich nicht entblödete, alle diese schweren Stilsünden inschriftlich mit dem Namen
des Fürsten Mihail zu verbinden.
Auch hier fand ich den mehrfach charakterisierten Grundriss, der sich im alten
Serbien, auf der orientalisch-occidentalen Religionsscheide, ausgebildet hatte. Auf
den Widerlagern der Vierung des Hauptraumes mit zwei halbkreisförmigen Seiten-
apsiden erhebt sich ein quadratischer Bau, auf dem der oktogonale Kuppeltambour
ruht. Das Hauptschiff war ursprünglich von der halbkreisförmigen Altarapside
durch eine steinerne Ikonostasis getrennt, welche man bei der Restauration ganz
zwecklos zerstörte, was um so bedauerlicher, da sie, soviel mir bekannt, die
einzige erhaltene Serbiens war und schon deshalb hätte erhalten werden müssen.
Noch sind die Pfeilerreste sichtbar, welche das Königsfor von den zwei kleineren
Seiteneingängen schieden, und die Widerlager erkennbar, auf welchen die Bogen
der letzteren ruhten. An die Stelle der monumentalen Ikonostasis trat eine
geschmacklose, reich vergoldete Holzwand. Wunderbarerweise schonte der
occidentale Baumeister, dessen Namen ich der Vergessenheit übergebe, zwei vor
der Ikonostasis freistehende, 1,37 m hohe, reich profilierte und verzierte Kerzen-
träger, deren obere, säulenförmige Hälfte sich aus dem achtseitigen Fusse sehr
hübsch entwickelt. Sie scheinen gleich alt wie das Kirchlein und sprechen mit
dafür, dass sein Bau in die beste Periode serbischer Kunsttätigkeit fällt.
Hart neben der Kirche steht ein roh gezimmerter hölzerner Glockenturm.
Ruft seine bescheidene Metallstimme zum Gebet, so ladet das gegenüberstehende
Schulhaus die Jugend der Nachbarorte ein, sich dort das selbst in Serbien vom
366 Von NiS über Knjazevac. Soko-Banja und Zajecar nach Negotin. ^
Bauer geforderte Minimum von Kenntnissen zu erwerben. Mir bereitete es aber
noch die unerwartete Überraschung, dass sich aus der national-serbischen
Kleiderhülle des gastfreundlichen Lehrers, dessen trefflich gepflegter Obstgarten
saftige Pfirsiche auf unseren Tisch lieferte, ein ehemals österreichischer Offizier
entpuppte, der hier eifrig an der Verpflanzung europäischer Zivilisation arbeitete.
Zur Kirche gehören zwei Pfarren mit 13 Orten.
Das Jahr 1876 erfüllte das stillbeschauliche Kloster mit wüstem Kriegslärm.
Serben und Türken stellten an dasselbe grosse Forderungen, und die terrain-
kundigen Mönche, welche ich schon 1864 erprobt, gaben bei Beratungen über
einzuschlagende Wege usw. oft erbetenen Rat. Bei Sv. Arandjel kreuzte ich
die Quellen der zur Morava fliessenden Toponica, an welcher unter dem
Miljkovacer Schloss eine alte befestigte Strasse über Nisevci nach Svrijig
führte. Diese starke Halbniondsfeste verband ein zweiter Weg, von dem stellen-
weise das türkische Pflaster und die Brücke „Lovcin most" über die Galibabinacka
reka erhalten blieben, mit dem gleichstarken „Soko grad". Dahin ziehend, kam ich
an Davidovac vorüber, als dessen Begründer der Heiduckenführer David gilt,
aus dessen Ehe mit einer schönen Albanesin die heute 100 Köpfe starke Familie
„Arnauti" stammen soll. An seinen Genossen Garca erinnert die „Garcina Cuka";
dieser befreite David aus dem Svrijiger Schlossgefängnis. Seine anderen Gefährten
Zdravko, Nejo und Vlaho gründeten die Weiler: Zdravkovci, Nejinci und
Vlahovci. Auf dem ganzen Wege, namentlich zwischen Nisevci, Lalinac und
Grbavce, sieht man auffallend viele künstliche, um Holzkreuze oft 2 m hoch
aufgeworfene Steinhügel. Das Volk nennt sie „prokletije" (Fluchhügel); es sind
alte Richtstätten, auf welchen unbekannt gebliebene Übeltäter im Beisein sämtlicher
Hausvorstände in grässlichster Weise verflucht wurden. Die Kirche verbot den
neuestens von Trojanovic kommentierten Brauch.')
Über die Berge von Radenkovac und Novo Selo (900 m) ging es nach
kurzem W. Abbug bei Jezero weiter über die starkbewaldete 1211 m hohe
Ostra Cuka auf unwegsamem Pfad endlich abwärts zum geschilderten Schlosse
von Soko-Banja (S. 114), von dem ich am 18. Oktober 1870 auf der vorzüglichen
Strasse im fruchtbaren Tale der Moravica ihren Lauf bis zu deren vom Devica-
Gebirge abfliessenden Quellen verfolgte. Auf den etwas sehr steil fracierten
Serpentinen gelangten wir zur 755 m hohen, landschaftlich prächtigen Wasser-
scheide, und auf noch gefährlicheren hinab zum Filipov Han (594 m), in dem
ich leidliches Nachtquartier fand. Dass schon die Römer diese Strasse zur
Verbindung der West-Morava mit der Donau benutzt haben, deutete ich, bereits
an. Nordöstlich von ihrem höchsten Punkte stehen auf der Straza (Wache) die
Reste eines Kastells bei Slatina, aus dem einige dort aufgefundene Skulpturen
in das Knjazevacer Nacelstvo gelangten. Auch am Westhange der Lasovacka
Planina krönt oberhalb Bucje eine „Latinska Kula" den 731 m hohen Strazaberg.
Sie zeigt mit anderen, wie aufmerksam in römischer Zeit alle zur Strasse führenden
Nebenwege bewacht wurden.
') Lapot i prokletije u Srba, S. 20 ff. Beograd 1898.
Von Nis über Knjazevac, Soko-Banjn und Zajecar nach Net;otin. 'Ki?
Vom Filipov Han östlich steht bei Oresac am „Dugacki Trap" Braunkohle an,
die wahrscheinlich einen Zweit; des östlichen Haiiptflözes „Dobra Sreca" bildet,
das, 1,5 ni mächtig und 10 Felder umfassend, von dem Knjazevacer Industriellen
Stevan Sibinovic erworben wurde. Die unter sandiger Oberschicht im Paraffin-
schiefer eingebettete Kohle zeigt in der Analyse C - 64,56",,, H 4,18»/ip,
Asche 9,82 " 0, und hat 6160 Kalorien. 1891 wurde die von Schmieden
vielbegehrte Kohle mit einem Schacht und 445Ü m langen Galerien von zehn
Arbeitern im bescheidenen Umfange von 2150 q ausgebracht, mit 1,80 c per q
an der Grube verkauft und oft bis Kragujevac transportiert. Der weite, kostspielige
Transport verteuert dieselbe, und erst wenn das projektierte Schienensystem im
an Naturschätzen so reichen Timokbecken ausgebaut sein wird, dürfte' die Aus-
beutung dieser Mine und ihres wertvollen Paraffins, das bisher ganz unbenutzt
blieb, sich lohnend gestalten. Gleiches gilt von der 7 km S. bei Vasilj unter
ähnlichen Verhältnissen lagernden Kohle des noch schwächer betriebenen Werkes
„Podvis". Es gehörte zur Masse des Knjazevacer Beamten Mihailo Djordjevic.
1891 wurde seine schwache Ausbeute von rund 1000 q nach Knjazevac verkauft.
Die schwarzfarbige glänzende Kohle steht dort in einer Mächtigkeit von 0,5 — 7 m
an und umfasst 24 Felder.
Nach kurzer Rast in Knjazevac setzte ich mein Routier N. auf der bis
Selacka reka (S. 357) geschilderten Zajecarer Römerstrasse zum Vratarnica-Engpasse
fort. Kurz vor diesem rücken die Kalkberge auch am rechten Ufer näher an das
Rinnsal des Veliki Timok. Wir kreuzten den kurzen Bach Toplik, von dem
mir Dr. Mäcsay erzählte, dass er einer 10 m hohen, geräumigen Hiihle der Golina
mit 1 1 ° C. entfliesst, in deren Mitte ein oben einbrechender Wasserstrahl einen
schon 4 m breiten, 1 m hohen säulenförmigen Stalaktiten bildete.
Gezwungen durch die steilgeböschten Kalkmauern, läuft die Strasse hinter
Izvor hart am rechten Uferrande, kreuzt den Bach Toplik und tritt hierauf in
ein Engdefilee, das nach dem an seineni nördlichen Ausgange liegenden Vratarnica
genannt wird. Dass schon die Römer den strategischen Wert dieses in den
österreichisch-serbisch-türkischen Kriegen vielumkämpften, mit seinen Kurven
nahezu 4 km langen Passes erkannten, dafür spricht ja auch sein älterer Beiname
„Augusto" und die ihn von der Südseite verteidigenden antiken Werke. Sein Besitz
sichert die leichteste Verbindung zwischen dem Timok und der Donau, denn nur
durch dieses natürliche Tor ist es möglich, von Niä über Zajecar nach Negotin
und Vidin Norzudringen. Aus Misstrauen gegen Serbien, welches diesen wichtigen
Sperrschlüssel in Händen hielt, erbaute endlich Mithad Pasa vor 30 Jahren den
im VIII. Kapitel geschilderten, Nis mit Lom und Vidin verbindenden Strassenzug
über den Sv. Nikola-Balkan. Es gab wohl einzelne Hochwege, und im Kadibogaz
sogar einen fahrbaren, welche auf die Vidiner Donauterrasse führten, doch für eine
Armee, die in dem geringe Hilfsquellen bietenden Lande sich von ihrem Train
nicht trennen kann, besassen diese Wege nur für detachierte Abteilungen
368
Von Nis über Knjaievac. Soko-Banja und Zajecar nach Ncijotiii.
einigen Wert, das Gros war aber auf die j^^rosse Tiniokstrasse durcli das Vratarnica-
Defilee angewiesen.
Noch 1737 schrieb der dem i<. Hauptquartier zugeteilte Graf Schmettau; „Mit
100 Mann ist das Vratarnica-Defilee leicht gegen eine Armee zu verteidigen. Ein
ziemlich steil abfallender Felsen lässt neben dem Timok kaum Raum für die Strasse.
Im Besitze des Hochplateaus, kann man den Pass gegen jeden Feind halten." Das
traurige Geschick, welches in jenem Feldzug einige Hundert tapfere österreichische
Krieger im „Passo Augusto" ereilte, ändert nichts an der Richtigkeit dieses
Ausspruchs, denn nach Schmettaus Zeugnis ward es einzig durch die verfehlten
Dispositionen des Hauptquartiers verschuldet. Man vergass nämlich, bei den
Dispositionen für den Rückzug nach Belgrad das im Vratarnica-Defilee belassene
Grundriss der zweitürmigen Kapelle zu Vrafarnica.
Bataillon Bayreuth rechtzeitig abzuberufen; am 9. Oktober mit Übermacht
angegriffen, fielen die Tapferen bis auf zwei Mann, denen es zu entkommen glückte.
Eine dunkle Tradition von dieser Niedermetzelung österreichischer Krieger
erhielt sich auf ihrem Schauplatze, denn nach einer bei den Anwohnern verbreiteten
Sage war die „Latinska crkva" genannte Kapelle in Vratarnica dem Andenken
der Gefallenen gewidmet. Ich bezweifle dies; denn bekanntlich gelang es Österreich
seit 1737 nicht mehr, festen Fuss in Serbiens Süden zu fassen. Wer sollte also
unter türkischem Regimente dieses Denkmal christlichen Kriegern errichtet haben?
Die 6 m lange, 3 m breite, aus Feldsteinen ganz schmucklos erbaute Kapelle mit
halbrunder Altarapsis besitzt wohl keinen Narthex, was allerdings für einen
„lateinischen Bau" spräche; doch gibt es auch viele serbische Kirchlein ohne
solchen.
Weit interessanter fand ich eine zweite, unter dem „Bezded Kamen" an der
Strasse stehende Kirchenruine, deren 3,80 m langer, 3 m breiter kreuzförmiger
Hauptraum mit halbrunder Chorapside und Narthex über der Vierung durch eine
Kuppel überragt wird und — vielleicht das einzige in Serbien — über dem kaum
für eine Person genügenden Eingang zwei, wahrscheinlich für das Glockenspiel
Von Nis über Knjazevac, Soko-Banja und Znjecnr nacli Negolin.
369
bestimmte, turmartige Aufsätze trägt. In dem aus Brucii- und Backsteinen
aufgeführten Mauerwerk stecken auch römische Ziegelfragmente. Ich halte den
Bau für älter als die „Latinska crkva", doch keinesfalls in das 14. Jahrhundert
zurückreichend. Auch Vratarnica erholte sich auffallend rasch von den 1876
erlittenen Kriegswunden. 1893 erbaute sich der in 290 Häusern nahezu 1670 Seelen
zählende Ort eine dem hl. Gavril geweihte Kirche, und als ich ihn 1897 wieder
berührte, überraschte mich die Wohlhabenheit seiner Gehöfte, und dass seine
Frauen schon mit Nähmaschinen arbeiten.
Im von Vratarnica sich gegen N. ausweitenden Tale zieht die Strasse vorüber
an der pittoresken Querschlucht des „Sadni Kamen" und den Weinbergen des
westlichen Grljiste, wo man neolithische Geräte fand, über den Timok nach
Grljan. Dessen Walachen nennen sich gleich jenen des westlicheren Sljivar
und östlichen Prlita „Ungurani" und wollen vor etwa 130 Jahren aus Sieben-
bürgen, um den dortigen grossen Kriegslasten und drückenden Abgaben zu
Präliislorrsclic l'unde bei Grljiste.
entgehen, eingewandert sein. Zuerst zogen sie als Wanderhirten auf die Berge,
später stiegen sie aber in die Täler herab, walachisierten die früher serbischen
Orte Slatina, Luka u. a. Es vollzog sich hier demnach derselbe Prozess wie im
Mlava- und Moravagebiet, im Temeser Banat und allerorts, wo der Walache
mit Slaven und Deutschen in nahe Berührung tritt.
Unterhalb der Grljaner Brücke zweigt ein Weg ab, der, den westlichen
Balkan-Ausläufer „Vrska Cuka" umgehend, durch das gleichnamige Rasteil über
die wasserreiche Kulaer Hochebene nach Vidin führt. Sonst ist Grljan auch
interessant durch den 1831 auf seinem Friedhof bestatteten tapferen Freiheits-
kämpfer Pop Radosav und auch durch seine zahllosen Störche. Nie sah ich
zuvor so viele an einem Orte, beinahe jedes Dach war von einem Neste besetzt,
und lange Züge der langbeinigen Gesellen segelten unter lautem Geklapper über
unsere Köpfe hin, bis wir uns einem wenig bewaldeten Berge näherten, dessen
unwirtliches Aussehen durch das einbrechende Abenddunkel nicht gemildert wurde.
Schwarzes Gewölk ballte sich am Horizont zu unheimlicher Masse, ein furchtbares
Unwetter war im Anzüge. Wir trieben unsere Pferdchen zur Eile; doch die
schwarzen Wolken jagten gleich bösen Dämonen noch eiliger hin, als wollten sie
uns vor dem schützenden Ziele überflügeln. Endlich kamen wir an die ersten
Häuser der Stadt, schwere Tropfen fielen, bald darauf tobte das Wetter mit aller
h. KANITZ, Serbien. 11. '24
•^70 V'on Nis über Knjazevac, Soko-Banja und Zajecar nach Negotin.
Macht. Beim Lichte zuckender Blitze machte ich die erste Bekanntschaft mit
Zajecars „Veiika pijaca" (grosser Marktplatz), auf der sich seine öffentlichen
Gebäude gruppieren. Ihre architektonische Aussenseite hob sie wenig von den
benachbarten Häuschen ab; sie gehörten zu den unbedeutendsten aller serbischen
Kreisstädte.
in römischer Zeit besass die Umgebung des am Fusse der 260 m hohen
Kraljevica lehnenden Zajecar grosse Bedeutung. Dies bezeugen die nahen Reste
einer alten Baute, welche zu den merkwürdigsten im östlichen Europa gehören.
Schon Boue gedachte fKichtig derselben, und selbstverständlich eilte ich, sie zu
besuchen. In Gesellschaft des städtischen Erzpriesters und eines Panduren, den
mir der Nacelnik als Begleiter beigesellte, ritt ich, von lebhafter Neugierde erfüllt,
nach Gamzigrad. Nachdem der erste Abschnitt des hügelig ansteigenden Terrains
überschritten war, gelangten wir auf eine weite Hochebene und sahen SW. die
32 km ferne Rtanjspitze so klar, dass ich mich gegenüber einer Nil-Pyramide
wähnte. Vollkommen losgetrennt von den benachbarten Bergen, beherrschte sie
gigantisch die Landschaft. Ich sass vom Pferde ab, griff nach Mappe und Stift und
zeichnete das Profil, welches, von Viquesnel veröffentlicht, meine Rtanjbesteigung
(S. 121) illustriert. Die prachtvolle Szenerie vor uns, ritten wir eine Stunde über
die im frischesten Grün prangende Hochebene, dann senkte sich plötzlich das
Terrain; es folgte eine schmale Rinne, die sich ein von SW. kommender Timok-
zufluss grub, das jenseitige Ufer erhob sich allmählich, und wenige Schritte vom
rechtsuferigen Rande lagen die von üppig wuchernder Vegetation durchwachsenen
Reste einer stolzen, wohl schon achtzehn Jahrhunderten trotzenden Baute.
Die Römer bedurften zur Unterstützung ihrer zahlreichen Niederlassungen
und kleinen Kastelle am Timok eines diesen wenn notwendig ausgiebige militärische
Hilfe bringenden Waffenplatzes. Zur Anlage eines solchen empfahl sich das genau
in der Mitte zwischen Horreum Margi und Ad Aquas, nahe am Vereinigungspunkte
beider Timok-Hauptarnie, östlich von Zajecar liegende „Gamzigrad"-Plateau. Das
dortige Kastrum ist eine der grossartigslen antiken Bauten Ober-Mösiens und
zählt zu den wenigen Rönierwerken Europas, welche dem Schicksale arger
Entstellung durch mittelalterliche Veränderungen entgingen.
Die wenigen Forscher, welche vor mir Gamzigrad oberflächlich erwähnten,
schrieben die Feste verschiedenen Völkern zu. Eine Sage nennt als ihre Gründerin
Gamza, eine Schwester jener Prinzessin Vida, welche sie Vidin erbauen lässt.
Ich erklärte aber schon 1861, dass dieses riesige Bollwerk ein römisches sei.
Die Unregelmässigkeit seiner Hauptform entspricht dem von Roms späteren
Kriegsbaumeistern befolgten Grundsatze: grössere feste Anlagen dem Terrain
anzupassen und aus seiner natürlichen Beschaffenheit möglichsten Nutzen für
die Verteidigung zu ziehen. Noch klarer bezeugen technische Merkmale, die
Gewölbekonstruktion, die ausgezeichnete Beschaffenheit des Gusswerks und die
charakteristischen Deckziegel den römischen Ursprung. In der altserbischen
Epoche und in den epischen Volksgesängen wird Gamzigrad nicht genannt. Sein
Name ist schwer zu deuten. Die serbischen Worte „gamziti" und „gamizati"
(kriechen), „Ganac" und „Kandza" (Adlerkralle) geben keine befriedigende Erklärung;
Von Nis über Knjazevac, Soko-Banja uiul Zajecar nach Negotin.
371
eher das türkische „gamis" (finster) und das persische „gamsed" (traurig), die
mit dem düsteren Aussehen der Feste im Einklänge stehen. Noch schwieriger
ist zu sagen, welchen Namen sie ursprünglich trug. Dass sie „Graniranis" ') hiess,
beruht auf unstichhaltiger Hypothese; wahrscheinlich ist Gamzigrad mit einem der
vielen durch Justinian, wieder hergestellten Tiniokkastelie identisch, von welchen
Prokopius: Burgus Altus, Combos, Krispae, Longiniana, Ponteserium u. a. nennt.-)
Ich begann die nähere Erforschung des interessanten Werkes bei meinem
zweiten Besuche im Herbste 1864 mit der ersten ürundrissaufnahme seines
ausgedehnten doppelten Mauergürtels und seiner 33 Türme. Vier riesige Rundtürme
von 28,5 m Durchmesser markieren das ungleichseitige Kastrumviereck, von dessen
213 und 230 m langen Schmalseiten je drei, und von dessen 300 m messenden
Langfronten je vier Türme, im vollen Kreise und in unregelmässigen Zwischen-
räumen, vorspringen. Mauern und Türme sind 3,8 m stark. An der Ostseite
Türme und Gewölbebau zu Cjanizigrad.
wechseln die Abstände zwischen letzteren von 24,7 — 30,4 m, an der Nordfront
von 28,5 — 32,3 m, an der Westseite von 13,3—30,4 m und an der südlichen
von 36,5— 43,2 ni. Der nordwestliche Eckturm ragte damals noch mit zwei
Stockwerken, welche je sechs Fenster von 3 m Höhe und 2 m Breite enthielten,
über die den tiefen Graben füllende, auf ein drittes Stockwerk hindeutende
Schuttmasse empor. Das Mauerwerk aller Türme durchziehen gleichweit voneinander
abstehende Ziegelbänder; ihre äussere Steinverkleidung, grösstenteils aus nahe
anstehendem, metallführendeni grünlichen Hornblendeporphyr, den der sächsische
Hüttenmann Breithaupt „Tiniosit" nannte, wurde, gleich jener der teilweise noch
16 m hohen Frontniauern, von den Anwohnern mühsam abgelöst und enttragen.
Die wenigen zugänglichen Gewölbe sind technisch ganz vorzüglich aus sorgfältig
behauenen Bruchsteinen und 48 cm grossen Ziegeln hergestellt. Der Hauptzugang
befindet sich heute und war wohl auch ursprünglich an der Flussfront; kleinere Tore
führten durch die anschliessenden Mauern ins Innere. Bei seiner Durchforschung
fand ich, 17 m von der geschilderten Umwallung, eine ähnliche zweite, bestehend
') Dragasevic, ülasnik, Bd. 45, S. 37.
-) Mannert, a. a. 0., S. 86.
24*
'^72 Von Nis über Knjazevac, Soko-Banja und Zajecar nach Ne^otin.
aus durch Mauern verbundenen Rundtürmen, deren Grundfesten an einigen Punkten
des mit Schutt bedeckten, stark bewachsenen Raumes deutlich hervortraten. Im
Zentrum stiess ich auf die Rudimente einer quadratischen Baute, mit gegen 0.
und W. 13,3 m, gegen N. und S. L'I ni langen Fronten, wahrscheinlich das
Prätorium des mächtigen Werkes, das kleinere Kastelle und Türme auf den
nahen Höhen zu einem grossen verschanzten Lagerplatze gestalteten.
Rings um Zajecar ist das Timoktal mit lehmiger, schwarzer Moorerde bedeckt,
unter welcher W. von Garnzigrad mergeliger Tonschiefer von muscheligem Bruch
ansteht, auf dem Syenit lagert. Beim gleichnamigen nördlichen Dorfe, wo
Kalkstein den Fluss durchsetzt, brechen an zwei Stellen heisse Quellen hervor,
von welchen eine mit 39" C. wegen ihres starken Karbonsalzgehalts einer
bedeutenden Zukunft entgegensieht. Das hier etwa eine Stunde breite, überaus
fruchtbare Hochplateau fällt zieinlich stark geneigt zum Timok ab. Auf dem
Rückwege zur Stadt besuchte ich das von prächtigen Obstkulturen umgebene
Zvezdan, dessen Pope uns freundlich bewirtete. Nördlich vom Dorfe steht ein
altes Kirchlein, erbaut in Kreuzform, mit einer Kuppel über der Vierung, das
architektonisch interessant, weil es, obschon nach aussen quadratisch, im Innern
vier halbkreisförmige Nischen birgt, von welchen die westliche den Eingang
enthält. Wir durchritten den Timok bei dem später in Ausbeute genommenen
südlicheren Kohlenwerk und bewunderten die malerische Tracht des die zweite
Heuernte einbringenden walachischen schönen Geschlechts. Spät abends traf ich,
befriedigt von der reichen archäologischen Ausbeute, in der kleinen Kreisstadt
wieder ein, deren bewegte Schicksale im XIV. Kapitel ihre Schilderung finden.
Auf der Weiterfahrt nach Negotin lernte ich die am Timok eingeführte
verbesserte Wollwäscherei kennen, welche namentlich Zvezdans weiblicher
Bevölkerung lohnenden Erwerb bietet. Die Crna Reka-Wolle gilt als die beste
Serbiens, ist für feinere Stoffe sehr gesucht und erzielt auch gute Preise. Die
Veredelung der Schafe am Krivi Vir wird auf Pasvan Oglu Pasa zurückgeführt, der
edle asiatische Zuchtwidder kommen Hess und anordnete, dass die schwarzen
und weissen Schafe getrennt auf beiden Rtanjhängen weiden sollen. Traditionell
wird behauptet, dass auch die Anzüge der Schäfer und ihre Hunde von gleicher
Farbe mit ihren Herden sein mussten. Nahe bei einer neuen Wollwäscheanstalt
durchfurtete ich 1860 den Timok; 1889 sah ich an derselben Stelle eine 80000 d
kostende schöne Eisenbrücke mit drei Durchlässen.
Etwa 15 Minuten unterhalb der vereinigten Tiniokarme steht auf dem linken
Flussufer die Ruine eines Römerkastells, dessen Reste ich im Herbste 1860 im
rechten Mündungswinkel des Duboki potok in Karte brachte. Dieses von den
Anwohnern den Brüdern Tankosic, Zeitgenossen des Despoten Djuradj Brankovic,
zugeschriebene „Kostol" bildet ein Rechteck mit 40 m langen, 35 m breiten
Fronten und vier kreisförmig vorspringenden Ecktürmen. Der Zugang befand sich
in der Westmauer; von der Ostfront führte ein kurzer gewölbter Gang zur
Wasserversorgung nach dem Flusse. Die 1875 freigelegten Rudimente lassen im
Innern mehrere rechtwinkelige Zwischenmauern erkennen ; während der Ausgrabungen
wurden hier ein teilweise lesbarer siebenzeiliger Grabstein, Architekturstücke und
Von Nis über Knjazcvnc, Soko-Banja und Zajecar nach Negntin 373
Märzen gefunden.') Oberst Miskovic veröffentlichte den Plan des gänzlicher
Vernichtung preisgegebenen Weri<es mit der auf dem linksseitigen Dubokaufcr
sichtbaren Grundfeste eines Rundturmes.-)
Am rechten Timokufer liegt das im serbisch-türkischen Kriege 1876 viel-
umkämpfte, durch seine gute Pferdezucht in Ruf stehende Veliki Izvor. Es
ist von Bulgaren bewohnt, welche gleich jenen des benachbarten Zagradje u. a.
mit serbischem Brauch und Sitte auch die „Slava", das Fest des Hauspatrons,
annahmen. Sie verloren die Tradition, woher sie eingewandert, müssen also seit
langer Zeit auf serbischem Boden siedeln, dem sie mit von Dragoljub K. Jovanovic
gerühmtem patriotischen Sinn angehören. Am folgenden, aus NW. abfliessenden
Mi§ljenovacki potok entspringt bei Nikolicevo eine heisse Quelle. Seinen
Unterlauf querten wir auf einer hübschen Steinbrücke und erreichten gleich darauf
das grosse Vrazogrnac.
Am gleichnamigen Bache traf ich die ersten serbischen „Diggers". Das
Goldwaschen schien hier jedoch wenig lohnend zu sein, denn es ward nur von
wenigen neben der häuslichen Arbeit betrieben. Nach starken Regengüssen,
wenn die Bäche über ihr gewöhnliches Uferniveau getreten, durchwusch man den
zurückgebliebenen Sand. Es geschah mit einer „Goldlutter" oder grossem Troge,
über deren Quer- und Längenvertiefungen der Sand nach beiden Seiten langsam
bewegt wurde. Gewöhnlich wuschen vier Personen gemeinschaftlich; die Ausbeute
betrug an glücklichen Tagen höchstens '/■.• Dukaten. „Im Hinblick auf die
Mangelhaftigkeit der Vorrichtungen — äusserte ich schon 1868 — darf man
annehmen, dass bei rationellerem Betriebe sich lohnendere Resultate erzielen Hessen.
Nach den im goldreichen Siebenbürgen gewonnenen Erfahrungen bleibt es aber
auch dann fraglich, ob die Goldwäscherei am Timok jene Wichtigkeit erlangen
könne, die ihr Baron Herder beilegte." Auffällig blieb es, dass später seitens der
serbischen Hüttenmänner nichts verlautete, ob die goldführenden Lagerstätten an
der Bela-, Crna- und Jasikova reka selbst vielleicht erfolgreicher auszubeuten
wären. Vor einigen Jahren gab das Ministerium drei Konzessionen für Goldwäsche
an Weifert & Co. speziell für Sikole und Salas — an Stevan Popovic & Co. und
an Paäic & Co., über deren Resultate bisher sichere Daten aber fehlen.
Vom Mündungspunkte der Vrazogrnacka reka in den Timok gehört dessen
rechtes Ufer zu Bulgarien. Sein Unterlauf ist fischreich und wird namentlich die
3 — 6 kg erreichende Karpfenart „Verozub" gerühmt. In der fruchtbaren Ebene
Tatarna bei Vrazogrnac, wo der im jenseitigen Kula hausende Wojwode Ljutica
Bogdan grosse Ländereien besessen haben soll, entfernt sich die Strasse vom
Timokiauf und folgt aufwärts strebend der Vrazogrnacka reka bis Rgotina, über
dessen Namensursprung Milicevic-^) eine von mir beseitigte Hypothese mitteilte.
Bei Jelasnica schied ich für einige Zeit vom Timoker Kreise. Nahe bei
Mala Jasikova querten wir den südlichen Arm des gleichnamigen Baches,
welcher als reichster der goldführenden Timokzuflüsse gilt. An seinem Oberlaufe
') Glasnik, Bd. TA, S. 97.
■-) Starinar, Bd. IV.
') Kneievina Srbija, S 879.
374 Von NiS über Knjazevac, Soko-Banja und Zajecar nacli Negotin.
durchsetzen bei Glogovac viele schmale Trümmer von Brauneisenstein den
serpentinartijfen Oabro. Herder vermutete dort eine goidfüiirende Lagerstätte, und
Hofniann bezeichnet als solche die stark zerklüftete, bröckelige Decke der oberen
Terrasse des Berges Culic, in welcher bis 10 Gramm schwere Goldkörner vorkommen.
Dass schon die Römer diese wichtige Tatsache kannten, darf man wohl vermuten,
denn nur 40 m vom linksuferigen Bachrand und 20 m W. von der Negotiner
Strasse stiess ich auf die Reste einer antiken Baute, von welcher die 8,6 m lange,
0,8 m starke Ostmauer und die anschliessenden, noch 12 m langen Fronten, ferner
eine Abteilungsmauer erhalten blieben. 4 km nördlicher läuft die Strasse durch
Salas, bei dem das konstituierende Gestein aus Hornblende mit dichtem Feldspat
weiter NW. in porphyrartigen Syenit übergeht.
hl zwei durch Erosion entstandenen 2 m breiten Querrissen vor und hinter
dem Dorf erblickte ich das 60 cm hoch mit Erde überlagerte Querprofil der ihre
Richtung auf Trnjane nehmenden, 7 m breit gepflasterten Römerstrasse. Weiter
ging es über eine niedere Wasserscheide zur Sikolska reka, an deren Quellen gute
Braunkohle angeschürft wurde. Die vom Engländer E. M. Grant für das tertiäre
„Sikole" (10 Felder) erworbene Konzession ging an Radovan Petrovic & RanftI in
Belgrad über, welche 1891 mit den Arbeiten begannen, sie aber bald einstellten. Die
zur nördlichen Trnjanska reka streichende, 35 km von der Donau, neben Manganese
2 — 4 m stark in Sand, Ton und Sandstein lagernde Kohle hat C 59,52, H 3,98,
Asche — 4,55 und erwartet ihren lohnenden Betrieb von der lange projektierten
Timokbahn, die auch andere, heute tote Schätze der Krajina lebendig machen wird.
Die andauernd treffliche Strasse quert im reizenden Wechsel noch einige
schöne Täler und Höhen, welche, je näher der Donau, sich ermässigen und zuletzt
den Charakter einer weitgedehnten Hochterrasse annehmen. Nach allen Richtungen
findet das Auge angenehme Zerstreuung in diesem prächtigen Landstriche. Gegen
SO. erscheinen auf der bulgarischen Timokterrasse hübsche Kulturen, dunkle
Eichenwäldchen und wohlhabende Ortschaften, und das einzige, zwischen Bulgaren
und Rumänen eingekeilte rein serbische Dorf Bratjevac. Gegen NW. beherrschen
die scharf profilierten Umrisse des Deli Jovan und Crni Vrh mit nahezu senkrechten
1200 m hohen Wänden die vorlagernde sanfte, gut bebaute Hochebene. Ihr
üppiges Weideland bedecken zahllose Herden, in deren Glockengeläute sich das
fröhliche Lärmen zum nahen Kloster Bukovo pilgernder Karawanen hineintönt.
Bei den folgenden Rebenhügeln von Badnjevo umlagerten neben und zwischen
von walachischen Bauern und Mädchen eskortierten Salzwagen heitere Negotiner
Stadtkinder einen verfallenen Brunnen. Auch wir Hessen hier unsere Pferde
tränken und mengten uns in das lebendige Treiben. Nochmals ging es eine
Höhe hinan. Am östlichen Horizonte tauchte dort ein grell beleuchteter, endlos
scheinender Streifen auf, den ein bald glitzender, bald dunkler Faden durchschnitt.
Es war die in graugelben Tönen verschwindende, weite rumänische Ebene für
den seit Monaten in tiefen serbischen Gebirgstälern sich bewegenden Reisenden
ein unbeschreiblich wohltuender Anblick, den die Aussicht auf einige angenehme
Tage in dem am Fusse der letzten rebenbewachsenen Hügel auftauchenden
Negotin noch steigerte.
XIII.
Von Paracin durch das Crnica- und Baba-
V
Gebiet zum Cestobrodica-Passe.
DAS Strassennetz des im Norden sehr gebirgigen Öuprijaer Kreises blieb
dasselbe spärliche wie zur Römerzeit. In seinen östlichen Bereich fällt,
ausser der Strecke Medvedja-Paracin des Konstantinopeler Heerwegs, nur ein
Teil der gleichfalls antiken Strasse, welche die Morava mit der Donau verband.
Da letztere ein geographisch wenig gekanntes, in prähistorischer und römischer
Zeit stark ausgebeutetes Minengebiet durchschneidet, stellte ich mir im Oktober
1889 die Aufgabe, sie von ihrem Abzweigungspunkte bei Paracin bis zur
Timokmiindung zu verfolgen. Infolge meiner bewährten Erfahrung, dass nahezu
alle heutigen Städte am Konstantinopeler Heerwege auf Resten antiker Nieder-
lassungen entstanden sind, forschte ich auch in Paracin nach solchen; denn die
Terrainverhältnisse bedingten, dass der Konstantinopeler Heerweg dieselbe Trace
wie der mittelalterliche und türkische verfolgt und im städtischen Weichbilde die
Crnica gekreuzt haben musste.
Nähere Erkundigungen während meines ersten kurzen Besuchs (1887) blieben
resultatlos. Von besserem Erfolge waren meine persönlichen Beniiihungen im
Oktober 1889 begleitet. Bei eifriger Durchforschung des Ruinenchaos nahe der
„Carigrader Brücke" traf ich auf dem rechten Bachufer einen quadratischen
Bau, von dessen 36,5 m langen und 1,10 m starken Mauern die östliche und
westliche sich stellenweise 3 m hoch erhielten.
Dieses 6 Millien von Horreum Margi entfernte „Kaleh" stand zweifellos auf
der Grundfeste des römischen Kastells, welches den Bachübergang und die
römische Ansiedelung schützte, von der ich auf den Veljkovicschen Feldern,
jenseits des Bahndammes, zahlreiche Bruchstücke antiker Deckplatten und Mauern
auffand. Die Tab. Peut. nennt nicht diese Zwischenstation. Im hin. Hieros., das
auch die Namen kleinerer Strassenpunkte gibt, scheint sie aber durch Versehen
weggeblieben zu sein, denn seine Entfernung (55 Millien) zwischen Horreum
Margi und Naissus ist gegen jene der Tab. Peut. und des Itin. Ant. zu kurz.')
') Ob der 1897 vom Kaufmann Milan Pesic am Paracincr „Tursko Brdo" gefundene
Friedhof mit 6 Marmorreliefs — wie mir der Belgrader Lehrer Ceda Marjanovic mitteilte —
aus antiker Zeit stammt, bleibt fraglich.
37fi
Von Paracin durch das Crnica- und Baba-Gebict zum Cestobrodica-Passe.
Paraciii blieb zu allen Zeiten ein wichtiger Punkt. Während der österreichisch-
türkischen Kämpfe im 17. und 18. Jahrhundert wird es oft genannt, und in einer
gleichzeitigen Karte erscheint es als „Baragin", umgeben mit starken Befestigungen.
Als der Marschall Seckendorff es 1737 besetzte, verlegte er dahin die Hauptmagazine
der gegen Nis vorrückenden kaiserlichen Armee, und auch die Türken erkannten
in allen Kriegen seine hohe militärische Bedeutung. Von ihrem vorerwähnten
„Kaleh" laufen starke Mauern vorbei am Hause des Zivko Rakic zur westlichen
Ruine einer Moschee, die, noch vor einem Dezennium als Brauereilokal benutzt,
jetzt, obschon Gemeindegut, noch mehr durch einen in ihrer Kibla eingenisteten
Schweinestall profaniert wird. Unfern diesem Bau fand ich reichskulptierte
PARACIN. Skizze des Konstantinopeler Heerwegs.
Marmorplatten von einem vornehmen Türkengrab, über der Strasse die Mauern
eines Hamam (Bades) und nördlicher jene des Konaks, in dem der Vezier Hafis
Pasa nach seinem Misserfolge bei Ivankovac (1. Bd., S. 219) im August 1805
übernachtete. Karadjordje war ihm von dort gefolgt und errichtete auf dem nur
2 km fernen „Tursko Brdo" eine Schanze, deren Reste noch vorhanden sind.
Die Position war gut gewählt, doch kam es nicht zum Angriff auf Paracin, weil
er den Leskovacer Pascha, dem er verpflichtet war, und auch die in der Stadt
wohnenden Serben schonen wollte. Nach einigen auf die Palanka am Frühmorgen
abgegebenen Schüssen zog Hafis Pasa, tief erschüttert, dass er undisziplinierten
serbischen Freischaren weichen musste, nach Nis ab, wo er bald darauf starb.
1806 wurde Paracin durch den Wojwoden Dobrnjac besetzt, 1833 aber erst
dauernd serbisch und von den Moslims gänzlich verlassen. Ausser den erwähnten
Bauten stammen nur wenige feste Häuser aus der Türkenzeit. Wie es Paracins
Von Pnrnciii durch das Crnica- iiru1 Bahn-Oebicl /um Cestobrodica-Passc. 377
christlichen Bew-dhiiern während derselben erging, erhellt schon aus dem Umstände,
dass seine alte Kirche als Magazin benutzt wurde und ihre hl. Bücher vernichtet
wurden. •)
Die Einverleibung in das junge serbische Staatswesen feierte Paracin noch
im selben Jahre 1833 durch die Errichtung seiner ersten Volksschule, an der
heute 13 Lehrkräfte 'in je vier Klassen 520 Knaben und Mädchen unterrichten.
Neben ihr entstand in einem stattlichen Neubau ein vierklassiges, 1889 von
170 Schülern besuchtes Untergymnasium mit acht in Wien, Leipzig, Graz usw.
gebildeten Professoren. Das von dem leider früh verstorbenen Pavle Vujic
geleitete physikalische Kabinett fand ich gut, den Zeichensaal und die Klassenräume
mit genügenden Lehrmitteln ausgestattet. Weniger glücklich ist die Stadt mit
ihrem neben der alten unansehnlichen Markuskirche 1862 begonnenen grossen
Kirchenbau. Dieser war mit seinen fünf Kuppeln bereits ziemlich weit gediehen,
als am 20. Oktoberabend 1864 sein hoher Turm wegen fehlerhafter Konstruktion
einstürzte und die vollendeten Teile arg verwüstete. 1884 wurde endlich nach
Architekt llkics Plänen die Arbeit wieder aufgenommen, 1886 aber wegen
Geldmangels eingestellt. Erst 1897 fand ich den 47 m hohen Turm für die vom
Belgrader Kaufmann Mihailo N. Terzibasic gewidmete Glocke mit auf den Tod
seines Vaters Tasa (f 1887) bezüglicher Inschrift vollendet. Die auf 214000 d
veranschlagte dreischossige Kirche verspricht durch die polychrome Ausstattung
- alle Sockel, Säulen und Gesimse sind von rotem Baba-Marmor — eine prächtige
Zierde der strebsamen Stadt zu werden, welche mit Hilfe ihrer 1887 gegründeten,
schon 10 Millionen d jährlich in Umlauf setzenden Sparkasse den 1889 vom
polnischen Ingenieur Roman Babecki entworfenen Regulierungsplan zu verwirk-
lichen hofft.
Schon jetzt sieht man viele Häuser, deren nette Fassaden kaum glauben
lassen, dass sie einfache Piroter „Dundjeri" herstellten. Bei der wohltuend von den
hässlichen Türkenhanen abstechenden „Tatar Bogdanova Mehana" überspannt die
solide Holzbrücke „Velika cuprija" und unterhalb der „Carigradska mala cuprija"
die Eisenkonstruktion der Bahnbrücke den die Stadt durchfliessenden Crnicabach.
Allerorts herrscht reges Leben. Der Verkehr und die Bevölkerung wachsen
fortwährend. Seit 1870, wo Paracin nur 600 Steuerköpfe besass, verdoppelte
sich diese Ziffer, und 1896 zählte man in 1078 Häusern schon 5965 Seelen.^) Viel
wurde Paracins rascher Aufschwung durch den sein Weichbild durchschneidenden
Ni§er Schienenweg gefördert, der weiter durch eine Zweigbahn, welche 1895
vom kgl. Direktor M. D. Stojanovic und seinem Ingenieurstabe studiert wurde,
über die Cestobrodica mit dem stark radikalen Distrikte Zajecar verbunden
werden soll. Bei diesem Projekte mögen militärische Motive die wirtschaftlichen
überwogen haben. Denn nur die bedeutenderen Firmen Aleksa Tosic, Marko
Misic, Risto Vasiljevic aus Sarajewo und einige andere treiben ausgebreiteteren
Handel mit Mais, Weizen, Ochsen, Schweinen, Wolle, Holz, Nussbaumstämmen usw.,
die hier aus der produktenreichen Umgebung zusammenströmen.
') Glasnik, Beiträge z. serb. Kulturgesch., Bd. 56. 1884.
=) 1905 zählte Paradin 5660 Einwohner in 1179 Häusern.
r?78 Von Paraciii durch das Crnica- und Baba-Oebict zum Lestobrodica-Passe
Hervorragende industrielle Bedeutung erhielt Paracin durch eine für serbische
Verhältnisse grossartige Tuchfabrik der Firma Brüder Münch aus Triesch bei
Iglau in Mähren. Anfänglich hatte das 1880 am Ostrande der Stadt erbaute,
1882 eröffnete Etablissement mit riesigen Schwierigkeiten zu kämpfen, weil alle
geschulten Arbeiter, das feinere Wollmaterial, die Motoren, Stühle usw. vom
Auslande bezogen werden mussten. Dank ihrer Förderung durch die Regierung,
welche ihr kontraktlich die Abnahme des Heeresbedarfs für 15 Jahre zugesichert,
falls die Preise gegen andere Offerten sich nicht höher als 10 "/o stellen, vergrösserte
sich die Fabrik ausserordentlich rasch und arbeitete schon 1889 mit Wasser-,
Dampf- und elektrischer Kraft auf 58 Chemnitzer mechanischen Stühlen mit
200 Personen. Seither beschäftigt der auf Sajak, Tuchkotzen, Kammgarnstoffe,
Posamenterien ausgedehnte Betrieb 350- 500 Arbeiter, darunter nahezu QO^/o
Frauen und Mädchen. Diese verdienen — bei behördlich untersagter Nacht- und
PARACIN. .Vlünchs Tuchf.ihnk.
Sonntagarbeit — 0.40 bis 1 d, die Männer 1.20 bis 2 d täglich. Das Anlagekapital
der Fabrik soll samt allen Maschinen 1,2 Millionen d betragen. Als Motoren
dienten 1898; eine Turbine von 50 Pferden konstanter Wasserkraft, zwei Dampf-
kessel mit 500 m- Heizfläche für eine Compoundmaschine von 270 Pferdekraft.
Ausserdem gibt es: einen Eastwood- und Ambler-Wollwaschapparat und zwei
älteren Systems, eine Wolltrockenmaschine, zwei Krempel- und zwei Reisswölfe;
für die Färberei; fünf Kessel, drei Kuppen und zwei Färbemaschinen; für
die Spinnerei; 11 Assortinients-Schrobelmaschinen, vier Seifaktoren und acht
Mulejennys mit 3500 Spindeln, drei Schweif-, eine Zwirn-, eine Spulmaschine;
für die Weberei; 94 mechanische Webstühle verschiedener Systeme; für die
Appretur; acht Zylinder-, zwei englische Schnellwalken, sechs Tuchwasch-, eine
Trockenrahm-, eine Karbonisations-, drei Rauh-, fünf Schermaschinen und eine
hydraulische Dampfwalzenpresse.
Die Kammgarnspinnerei englischen Systems ist für 1500 q Garn eingerichtet
und liefert Strickgarne, sowie das Material für die Posamentier-Abteilung, welche
Von Paracin durch das Crnica- und Baba-Gebiet zum Cestobrodica-Passc. -^"9
auf 50 Apparaten lüOO q Gajtan (Wollschnüre) jährlicli erzeuj^t. im ganzen
brachte das AUinclische Etablissement durchschnittlich in den letzten Jahren für
0,8—1,4 Millionen d Waren in den Handel. Besonders werden gerühmt seine
perl- und dunkelblauen Offiziers- und Mannschaftstuche, Kotzen und verschiedene
Kommerzstoffe; bei ersteren wird ungarische Wolle gemengt mit 50 "/o heimischer
verwendet; letztere allein nur bei Kotzen und billigen Stoffen. Indigo wird von
Kohnberger in Wien bezogen, Anilinfarben sind streng ausgeschlossen. Die
Belgrader Fabrikniederlage konkurriert in billigeren, dem Nationalgeschmack
angepassten Sorten ganz gut mit aus Mähren importierten Stoffen; trotzdem hatte
das Etablissement harte Angriffe seitens der Presse zu bestehen. ')
Kiiniji Milans Hauptciuartier zu ParaCJn im Jahre IS7t\
So sehr auch das Münchsche Etablissement den städtischen Kleinverkehr
belebte, bleibt doch das „Ooldjahr" 1876 unvergessen, in dem sich Fürst Milans
Hauptquartier im Paraciner Bezirksamt etablierte und dort der Nachschubdienst
für die gegen Nis operierende Armee organisiert wurde, was der Stadt viel Geld
und Verdienst brachte. Eine andere willkommene Einnahmequelle verlor sie durch
die 1888 erfolgte Verlegung des Morava-Divisionskommandos nach Knjazevac;
nur der Cadre des Territorial-Bataillons blieb.
Paracins Bezirkshauptmann und der Stadtkmet Lazar Simic betätigten ihr
Interesse für meine Studien, indem sie mir Panduren zur Verfügung stellten,
welche die Umgebung genau kannten. Auf dem ersten Ausfluge konstatierte ich
östlich vom Bahnwächterhaus No. 97, zwischen Maisfeldern des Stanoje Pajkic
') Dieses grossartige Etablissement brannte im Jahre 1904 gänzlich ab, und an dessen
Stelle erbaute eine serbische Aktiengesellschaft eine Glasfabrik, welche am 8. '21 . September 1908
feierlich eröffnet wurde.
380 Von Paracin durch das Crnica- und Baba-Gebiet zum Cestobrodica-Passe.
auf dem „Zmidz", eine starke, lange Mauer von dünnplattigem Kalkstein und
Geschieben, ferner antike Deckplatten in grosser A^enge. Diese Baute trug,
gleich den Resten einer zweiten nordwestlicheren, entschieden römisches Gepräge.
Die Standorte beider Ruinen und alte Strassenspuren bewiesen, dass die römische
Konstantinopeler Heerweg -Abzweigung zur Donau von Horreum Margi direkt
ausging und — wie meine späteren Untersuchungen ergaben — dann Grza
aufwärts unter dem starken Bollwerk auf der Baba zur Cestobrodica lief. Dass
Paracins wald- und erzreiche Umgebung in prähistorischer und römischer Zeit
stark besiedelt war, zeigen zahlreiche Gräber, die ich auf der nordöstlichen
„Zuta poljana", im Wäldchen der Brüder Aleksa und Stojan Knjezebac,
traf. .Ausgrabungen ergaben unter oft sargähnlich aufgerichteten Platten neben
Skelettresten liegende Schmuckgegenstände, Bronzefibeln, Nadeln usw., ferner
auf der „Mala Kolajna", beim südlichen Davidovac, ummauerte Urnen von
80 cm Höhe und 60 cm Durchmesser mit verbrannten Knochenresten. Die
reichste Ausbeute lieferten die Grabstätten am Hange des „Zuto polje", von
deren mit Wein bepflanzten Vorhöhen zwei prächtige Quellen hinab gegen
Paracins Rebenhügel fliessen, um dort im fetten, schwarzen Humus ungenutzt zu
versickern.
Am nächsten Morgen schloss sich zu aller Freude der stets heitere Pope
Zaharije Petkovic uns an. Sein flinkes Rösslein trug verschiedene, von seiner
vorsorglichen Hausfrau mit Wein und Esssachen gefüllte Cutura und Bissage, die
des Reiters Sancho Pansa ähnliche Gestalt nur wenig überragte. Die schlimmsten
Wegstellen vermochten seinen fröhlichen Gleichmut nicht zu stören; ich gab ihm
das Epitheton „unsere feste Burg", und er machte diesem in jeder Situation
volle Ehre. Unser Weg ging nach einem der romantischsten, ruinenreichen Ein-
schnitte, an welchen das Crnica-Quellgebiet so reich ist. Glavica mit den
Resten eines alten Kirchleins blieb rechts. SW. die Glavicka Cukara. welche
gleich der Bosnjacka djula neuere Schanzen krönen. Hart, wo unsere Diagonale
die Crnica berührte, durchschnitt sie die von Cuprija zum Mutnicko polje laufende
antike Trace. Vorbei an der Mehana von Bosnjane und seine Crnicabrücke
rechts lassend, hielt sich unser Vizinalweg fortwährend zwischen den linksseitigen,
mit Wein und wilden Birnbäumen bepflanzten Höhen des Dorfes Popovac
und dem Bachrinnsal, über das SO. aus dichten Zwetschkenpflanzungen die roten
Ziegeldächer des hochliegenden Buljane erschienen. Wir lenkten zur Crnica, in
deren rasch fliessendem Gerinne einige halbnackte Männer den vom Hochwasser
zerstörten Wehrgang einer unserem Popen gehörenden Mühle herstellten und bei
dieser lebensgefährlichen Arbeit ausserordentliches Turnergeschick entwickelten.
Unsere „feste Burg" ermunterte durch einen guten Tropfen aus seiner Riesen-
cutura die braven Leute.
Als das Felsentor erreicht, aus dem die tosend hinschäumende, kristallklare
Flut der wilden Crnica die Ebene betritt, sassen wir ab, denn nur ein schmaler,
schwindeliger Fusspfad führt an der steilgeböschten Lehne des rechtsuferigen
Popljesak über glattes, klippiges Gestein in das von spärlich bewaldeten Bergen
gebildete Engdefilee. Die hohen, nackten Kalkkuppen und Spitzen schnitten
Von Paracin durch das Crnica- und Baba-Gebiet zum Cestobrodica-Passc.
381
abenteuerlichste Umrisse in das tiefduiikle Ätiiergrau, das seinen feuchten Gehalt
glücklicherweise zurückhielt, denn sonst wäre die Erreichung unseres Zieles
undenkliar gewesen. Nur noch ein weit vorspringender Steilfels deckte dasselbe,
und als auch dieser überwunden, tauchte vor uns auf, nahezu eins mit dem
riesigen, überhängenden Kalkblock, eine turniartige Ruine, welche den Frauennamen
„Petrusa" trägt.
Unglaublich gross ist die Zahl der von Serbenherrschern gestifteten Klöster
und Kirchen in den Tälern der Mlava, Resava, Ravanica und Crnica. Keines
ihrer A\onuinente kann sich aber einer gleich romantischen Lage rülmien wie die
Pclnisa iir.nl im Cniica-rJefilec.
der „hl. flammenden Maria" geweihte „Petruska crkva"; sie allein genügte, um auf
die Phantasie des Volkes zu wirken. Dazu gesellt sich aber auch die Sage, dass die
Türken dort die zum Sabor (Kirchweihfest), 29. Juli a. St., versammelten Gläubigen
überfielen und abschlachteten. Das Blut floss in solchen Strömen, dass es die
Belica (Weissbach) an dieser Stelle so dunkel färbte, dass sie fortan „Crnica"
(Schwarzbach) hiess. Diese Tradition, der Kirchenname „Petruäa" und die über
ihr liegende zerstörte Felsburg erinnerten mich an die auf S. 87 erwähnte
chronistische Notiz, welche unter den von dem türkischen Thronprätendenten
„Zar Musija" zerstörten Festen auch ein bisher unbestimmt gebliebenes „Petrus"
nennt. Sollte ein von dem eroberten Stalac entsandtes Streifkorps die unferne
Feste Luui Kirche Petru.sa überfallen und verwüstet haben?
382
Von Paracin durch das Crnica- und Baba-Ocbict zum Cestobrodica-Passc.
Die originelle Anlage des 13,8 ni langen, im östlichen Teile zwischen den
Seitenapsiden auf 7,55 m sich verbreiternden Kirchleins ist aus seinem von mir
aufgenommenen Grundriss ersichtlich. Seine 0,8 m starken Mauern ■ bestehen
durchgehends aus Kalktuff (bigar), der beim nordöstlichen Presakaberg ansteht,
doch seiner Festigkeit nach beim nordwestlichen Bigrenica gebrochen wurde.
Die Chornische und Tonnengewölbe wurden aus sorgfältig behauenen, dichten
Kalksteinquadern hergestellt; die einzigen Ziegel fand ich am Bogen des über
dem geradlinigen Türsturze der Narthexscheidemauer eingeschnittenen, 1,30 m
hohen Tympanonfeldes, in dem die „feurige Maria" mit dem hl. Elias rechts
erscheint, die links stehende Figur aber, gleich anderen Fresken, stark verwüstet
Petrusa Grad, Plan.
ist. Die Kirche lehnt so nahe an der Cokoce-Felswand, dass ich nur schwer
zu ihrer Chorapsis mich durchzwängen konnte.
Das Kloster scheint niemals grössere Ausdehnung besessen zu haben und
war stets nur eine Metochija des nördlicheren Ravanica. Für die Wohngebäude
der Mönche blieb auf dem schmalen Felskopfe kein Raum; ihre Mauern befinden
sich bachaufwärts am linken Ufer, in dem vom Dorfe Zabrega 1 km fernen,
schmalen Taleinschnitte. Neben ihnen steht die Ruine eines 10 m langen, 3 m
breiten, aus Sand-, Kalk- und Tuffstein- erbauten Kirchleins, mit Narthex und
halbrundem Chorabschluss, in dessen noch 2,5 m hoch erhaltener Westwand
vier rundbogige Nischen eingetieft sind. Der kleine Bau ist dem Sv. Jovan
geweiht und feiert seinen viele Gläubige anziehenden Sabor am Enthauptungstage
des Apostels, am 29. August a. St.
Von Paiacin durch das Crnica- und Baba-Gcbict zum Cestobrodica-Passc.
'^m
In naher Beziehung zum Petrusakloster steht nach dem Volksglauben eine hoch
am Nordabfaile des Cokoce sichtbare Grotte, in der die Mönche die grossen
Fasten verlebten. Drei unter ihr an der Crnica liegende riesige Felsstücke trug
die hier wieder auftretende, oft genannte Fürstin Jerina in ihrer Schürze auf
Pclrusakirclic. Grundriss.
das Bergplateau, in den weiten Hofraum ihres einstigen Schlosses. In Wahrheit
sieht man auf dem Cokoce einen 13 m langen, 5 m breiten und 8 m hohen,
dreimal gespaltenen Felsblock und Reste von den Plateau-Umfassungsmauern,
deren Durchmesser Ingenieur Babecki, während ich den Grundriss der Kirche
COKOCH. Jcrinaslein,
aufnahm, von O. nach W. mit beiläufig 780 m und von N. nach S. mit 600 m
bestimmte. Oben duftete es herrlich von in so später Herbstzeit zum zweitenmal
blühendem Jorgovan (Hollunder), welcher mit dunklem Feigengesträuch und
anderem Niederwuchs alle Felsen dicht überzieht. Solcher durchschnittlich nur
alle zehn Jahre eintretende zweite Frühling gilt für den Bauern als sicheres
Vorzeichen eines folgenden strengen Winters.
384
Von I'ar.iOin durch das Crnita und Haba-Gcbict zum Cestobrodica-Passc.
Mit Blumen geschmückt, in froher Stimmung über die gelungene Partie und
den wieder blauenden Himmel kletterten wir den mühsamen Steilpt'ad zurück.
Während ich das pittoreske Defilee skizzierte, versuchten meine Begleiter bei einer
„Sinjac" genannten Buchtung mit ausgeworfenen Dynamitpatronen den Forellenfang,
doch ohne Glück. Die Fische standen zu tief. Das junge, frischgrüne Hasel- und
Gästebegriissuii}; zu Buljane.
Buchenholz zwischen den Felsen, die dichtstehenden Weiden am Uferrande, die
Musik der sich fortwährend in Kaskaden und Wirbeln unruhig gebärdenden Crnica:
das war sinnbestrickend schön. Doch im Orient klappt niemals das Ganze.
Unsere Pferde waren nicht an der bestimmten Stelle, und nun hiess es, mit dem
angestrengtesten Aufgebote touristischer Kunst über die kaum fussbreite Pfahlbrücke
auf das linke Ufer zu balancieren. Der Übergang der „festen Burg" erregte
Von Parncin durch das Crnica- und Baba-Gebiet zum Cestobrodica-Passe.
385
allgemeinste Heiterkeit. Der vielgeneckte Pope entschädigte sich und uns im
Schatten prächtiger Nussbaumkronen seiner nahen Mühle, wo er das improvisierte
frugale Mahl durch die lukullischen Schätze seiner Bissage und Cutura würzte.
Die zwei Kilometer aufwärts, durch nicht endenwollende Pflaumengärten
zum Nachtquartier Buljane (320 m), waren bald zurückgelegt. In seinem
Popenhause fanden wir gastlichste Aufnahme. Am Frühmorgen lud uns der
angesehenste Mann des Dorfes zu einem Imbiss. Radisav Jovanovic trug dasselbe
kleidsame Kostüm, in dem er für die Pariser Ausstellung photographiert wurde,
und wanderte mit selbstbewusster Miene samt den Seinen in mein Skizzenbuch.
An Teppichen und Sitzkissen herrschte grosser Ueberfluss, alles deutete auf grossen
Wohlstand. Die Frauen waren nicht wenig stolz, als ich mir einige Motive ihrer
J»i^.?
Sisevacer Kolilenwerke.
reizenden Stickereien „abschrieb". Ich dachte an Bosnien und bangte, dass
vielleicht auch hier hofrätliche Einflüsse das angeborene nationale Formtalent
in falsche Bahnen lenken könnten. Im Hofe sah ich einen Rakijakessel, der hier
nahezu in keinem Hause fehlt, obschon diese Industrie lange nicht mehr wie
früher lohnt.
In der Nähe der Dörfer ist jeder Baum geradezu vogelfrei. Nichts hinderte
den Ausblick zum fernen, schneeigen Kopaonik. Erst am Hange des 900 m
hohen Plos verdichteten sich die einzelnen Buchen- und Eichenstände zum von
Haselnussgebüsch mit prächtigem Herbstflor durchwachsenen Walde, aus dem wir
nach zurückgelegten 10 km vom 7ö2 m hohen Straovac in das wiesenreiche
Sucavatal abstiegen. Im dort 1873 mit 57 Grubenfeldern konzessionierten
Kohlenwerke „Sisevac-Vrcic" erwartete uns der Besitzer Bozin Boäkovic am
Häuschen seines slovenischen Steigers, dessen Frau ein treffliches Huhn-Paprikas
für uns vorbereitet hatte. Das kleine Unternehmen zeigte mit der primitiven
F. KANITZ, Serbien. II. ■^■^
386
Von Paracin durch das Crnica- und Baba-Gebiet zum Cestobrodica-Passe.
Förderbahn stark hinterwäldlerischen Anstrich. Bisher wurden jährlich mit zwei
Stollen aus vier Orten höchstens 8000 q durch 8 bis 20 mit 1.60 d per Tag
entlohnte Arbeiter gefördert. Der Grubenpreis stellte sich auf 0.60 d. Obschon aber
das 2 bis 7 m starke, im von rotem Sandstein umgebenen Konglomerat lagernde
tertiäre Kohlenflöz vollkommen dem nahen Senjer gleicht (1. Bd., S. 285), steht
selbst dieser bescheidene Betrieb in Frage, falls nicht der durch kostspieligen
Wagentransport auf der eigens über Dubnica angelegten, 30 km langen Strasse
verteuerte Paraciner Preis mit 1.50 d per q durch den leicht ausführbaren Bau
einer nur 6 km langen Drahtseilverbindung mit dem Senje-Cuprijaer Schienenstrange
Sisevac, Kastellplan.
vermindert wird. Die rasche Lösung dieser Lebensfrage für Sisevac ist um so
notwendiger, weil sein bester Kunde, die Paraciner Münchsche Tuchfabrik, sich
lange schon durch den projektierten Abbau des näheren Mutnicaer Flözes
(S. 378) von ihm unabhängig machen will.
Unsere Rast währte kurz, denn im westlicheren Hochtale wartete eine nahezu
ungekannte Baute der näheren Erforschung. Den Weg zu ihr erschweren dem
üppigen Wiesenboden entsprudeinde, ihn östlich vom Kohlenwerke stark ver-
sumpfende kalte und warme Quellen. Unterhalb des Vereinigungspunkts beider
Arme der durch mächtige Zuflüsse vom Pozare plötzlich breiten und reissenden
Crnica brachte uns eine tiefe Furt auf ihr rechtes Ufer. Ein kurzer Galopp, und
ich stand vor einer Kirchenruine, welche, durch gelungene Verhältnisse und Grösse
die Petrusaer und viele bekannte altserbische Baudenkmale übertreffend, mich in
hohem Grade überraschte. Spuren von Pendentifs an der noch 6 m hohen
Von Paraciii durch das Crnica- und Baba-Gebiet zum Cestobrodica-Passe. 387
Südmauer zeigen, dass das 14,30 ni lange und zwischen den Seitenapsiden
10,10 m breite Hauptsciiiff von einer Kuppel überragt war. Leider liegt sie gleich
den Gewölben in Trümmern und Schutt, der bis zur Chorfensterhöhe das Innere
erfüllt. Alle drei Apsiden sind nach innen rund, nach aussen heptagonal. Die
am besten erhaltenen Fresken in der Südapside zeigen namentlich in den Heiligen-
figuren eine über den gewöhnlichen Schematismus hinausgehende Individualisierung
und lassen die starke Verwüstung der meisten anderen und des Widmungsbildes
im Pendentif über dem Eingange des 6,25 m langen und 6 m breiten Narthex
bedauern. Die durchschnittlich 1 m starken, auf rotem Sandsteinsockel ruhenden
Hauptmauern von Tuffstein gleichen bezüglich der Technik jenen von Petrusa
und sind wie diese von schiessschartenartig runden Luftkanälen durchzogen.
Nie zuvor bemerkte ich solche in serbischen Bauten. Sie bestärken meine
Vermutung, dass beide Kirchen von demselben Meister gleichzeitig erbaut wurden;
wann und wer ihr Stifter, darüber schweigen die serbischen Autoren. Milicevic
und Karic kennen nicht einmal ihre Existenz. Nur der fleissige Historiker Ruvarac
brachte eine Notiz '), nach welcher das Kloster schon vor der Kosovoschlacht
bestanden haben muss. Denn 1381 wird ein „Abt von Sisoje" als Besucher des
Athosklosters Hilandar erwähnt, 1509 erschien ein „Sisojer Mönch Janicije" in
Russland, und zum letztenmal wird 1679 vom Patriarchen Arsenije 111. einer
„Metochija Sisojevac an der Crnica" gedacht, die, zweifellos mit unserem Sisevac
identisch, wahrscheinlich wie Petrusa zum Hauptkloster Ravanica gehörte.
Bei genauer Durchforschung des Kirchenplatzes fand ich eine ausgedehnte
Befestigung, deren starke Verwüstung die genaue Bestimmung ihrer sieben Fronten
erschwerte. Es gelang nur, dieselben in den Hauptlinien, mit 27 m N., 20 m S.,
15 m O. und 36 m W. von der Kirche entfernt, festzustellen. Dicht vor der
Westfront stiess ich auf einen 27 m langen und 6,20 m breiten, durch Zwischen-
mauern in drei Räume, von 5, 7 und 13 m Breite, geteilten Bau. Am Südwalle
sprang ein gegen die Crnica gerichteter riesiger, quadratischer Turm vor, der den
Hauptzugang verteidigt haben mochte. An verschiedenen Stellen zeigte sich, das
I m starke Mauerwerk gut erhalten, das in den östlichen Rudimenten, wo es aus
durch dichten Mörtel verbundenen roten Sandsteinen besteht, den Eindruck antiker
Technik macht. Allem Anscheine nach ist dieses stark befestigt gewesene Kloster
„Sisoje" auf den Ruinen eines römischen Bollwerks entstanden, das mit jenem
auf dem südwestlichen Berge Cokoce bei Zabrega und einem dritten auf der 801 m
hohen nördlichen Straza, am Ursprünge der Crnica, den geschilderten Hochweg
und römischen Hüttenbetrieb am Fusse des nahen Gorunovac schützte, den viele
Kupferschlacken auf dem rechten Ufer des Jovancev potok und ein von Horreum
Margi hinführender Weg bezeugen. Letzterer ging auf dem rechten Ravanicaufer
10 km bis Senje, überschritt dort die niederen Plateaus des Jelen-Brdo und zog
dann weiter am Hange des Laz zum Gorunovac.
Die meine Arbeiten mit dem grössten Interesse verfolgende Gesellschaft
teilte sich hier. Der Pfarrer kehrte mit den Herren Babecki und Boskovic nach
') Starinar, VI, S. 35. 1889.
25 "
;3,S8
V(in Paracin durch das Crnica- und Baba-Gebiet zum Cestobrodica-Passe.
Paracin zurück, während icli mit Ingenieur Teodorovic, unserem Panduren und
einem wegkundigen Führer zum Kloster Sv. Petka weiterzog. Vom Kohlenwerke
steil ansteigend, Hessen wir das „Bojadzin grob" über einem ermordeten
Färber links und erreichten, 200 m auf Serpentinen erklimmend, den 813 m
hohen Paprat, der einen kleinen feuchten Tribut der benachbarten, kaum 30 m
breiten, aber 400 m langen „Vrtaca padina" zusendet. Hier betrat ich die
westliche Karstregion des 1321 m hohen, langgestreckten Golubinjezugs.
Seine scheinbar endlos nach Osten sich dehnenden Hochplateaus bergen, wo sich
die am Wege auftretenden Buchen zu Wäldern verdichten und die westliche rote
Sandstein -Vorzone in ein breites Kalkgebiet übergeht, viele kleine Rinnsale, deren
Lauf gewöhnlich durch trichterförmige Schlünde (ponor) im Tiefboden zahlloser
Dohnen in den unterlagernden durchlässigen Kalkschichten verschwindet. Nahezu
Kloster Sv. Petka.
alle grösseren „vrtace" erhielten von den serbisch -walachischen Anwohnern
charakteristische Namen. Unfern NO. liegt, umgeben von 40 kleineren Dohnen,
die 250 m lange, steil umrandete „vrtaca Brezovica", bei welcher der 120 m
östlicher herabkommende gleichnamige Bach in einen tiefen Schlund fällt.
Wir zogen weiter S. über das stark undulierte, baumreiche Hochplateau,
dessen nur einmal gemähte Wiesen im Spätherbste reichliches Futter geben. Hier
und da mildert eine wasserreiche Doline, an der Viehherden ihren Durst löschen,
oder walachische Hirten, welche die auf uns losstürmenden vierbeinigen, wilden
Wächter abwehren, das Eintönige der Landschaft. Vom Pesterek führt ein
Nebenweg O. über den Tupan (834 m) zur „vrtaca Igriste" (Tanzboden) mit
40 — 50 m tiefem Rand und mehreren kleinen, noch steiler geböschten Trögen
innerhalb des Beckenrahmens, ferner zum benachbarten „frgoviste" (Marktplatz),
welcher den kleinen Zufluss „Golubnica" aufnimmt. Weiter berührten wir die
Debela Glava (811 m), an deren gleichnamigem Bache bei Gornja Mutnica
man eben im hängenden Sandstein auf Kohle schürfte, den Kosanic (726 m)
Von Paracin durch das Crnica- und Baba-Gebiet zum Cestobrodica-Passe. •'^89
und Crni Vrli (700 m) mit ciitzückeiuk'r Fernsiciit. SO. tauclitt der Gipfel des
Rtanj auf, W. i<ennzeichneten einige «glitzernde Kurven den Lauf der Morava, und
über dieser schoben sich die scharfen Profile der westserbischen Gebirge in
prächtiger Abendbeleuchtung kulissenartig ineinander. Vor uns sperrte aber Paracins
ungeschlachtes Babaniassiv, gleich einem zur Hut der Landschaft hingestreckten
Riesentiere, diese gegen Süden ab.
Der 470 m hoch über dem Grzabett aufragende, bei 20—230 m Breite
3 km lange Babarücken trug eine das Anlaiid weithin beherrschende Feste, für
deren leichte Verteidigung die Natur das beste tat. Nördlich durch die Grza,
gegen 0., W. und S. durch die tiefeingeschnittenen Bäche Mutnica, Carevac und
Skorica gedeckt, war die Ersteigung der steilgeböschten Babahänge äusserst
schwierig. Gelang sie, so erwarteten den Angreifer hart an den Plateaurand
gerückte, mit seinen Felsköpfen eng verbundene, starke Mauern eines, auf der
670 m hohen Nordwestpartie in drei Abschnitten angelegten, 210 m langen,
20—80 m breiten, mit Quellbruiinen versehenen Kastells. Dieses verstärkten
gegen SW. auf dem um 10 ni höheren, 230 m breiten Babateil, über der 420 m
langen und schmalen Einsattelung „Mala Teskoba", mächtige, hohe Wälle, aus
Kalktuff und grossen quadratischen Ziegeln erbaut. Ingenieur Babecki konstatierte
überdies, etwa 50 m über dem nahen Dorfe Lesje, auf einer von Wasser um-
flossenen kleinen Hochebene drei Bauten, welche die Anwohner „Pavla Orlovica
gradic" nennen. Die nördlichste, 13 m lang und 10 m breit, gilt als „Konak"
des berühmten altserbischen Wojwoden, die zweite, 15 m lang und 8 m breit, als
seine Kirche, die dritte, im Pentagon angelegte, mit 7 m langen Seiten, als seine
Kula (Turm). Auch am Ostfusse der Baba, auf der „Cuka", nahe bei Donja
Mutnica, sieht man Reste eines „gradic" (Schlösschen).
Selbst wenn der mittelalterliche Ursprung der Orlovic zugeschriebenen Bauten
erwiesen vväre, dürfte man mit hoher Wahrscheinlichkeit annehmen, dass sie auf
Resten antiker, zum Schutze der Baba-Römerfeste angelegter Vorwerke stehen.
Dies gilt namentlich von dem Cukakastell am wichtigen Gabelpunkte, wo die von
Cuprija und Paracin ausgehenden antiken Strassen sich zur Cestobrodica-Trace
vereinigten. Denn die Sicherheit im nahen, wald- und schluchtenreichen Gebiete
mochte auch zur Römerzeit nicht grösser gewesen sein als heute, wo sie zeitweilig
viel zu wünschen übrig lässt und die stetige Überwachung der Strasse durch
Karaulen notwendig macht. In Izvor kamen wir am Hause des berüchtigten Koda
vorüber, der mit seiner Bande lange Zeit die ganze Umgebung brandschatzte;
im April 1889 wurde er mit vier Spiessgesellen gefangen und erschossen. Von
der Höhe über deni Dorf erschienen die Vorhöhen der Baba wie illuminiert durch
die vielen Feuer, welche die Hirten von Donja Mutnica und Lesje angezündet hatten.
Das in Sicht getretene Le§je war mir zweifach interessant: als Stammort
der mir befreundeten Familie Lesjanin und durch an dasselbe geknüpfte historische
Erinnerungen. Sein altes Kirchlein soll nach einem Chrysovulj der Iguman
Dyonisije mit seinem Bruder, dem Wojwoden Crep, und ihrem Vater Vukosav
unter dem Zaren Uro§ gestiftet haben.') 1411 gab der Despot Stevan Lazarevic
') Persönliche Mitteilung von Prof. Kovacevic.
;390
Von Paracin durch das Crnica- und Raha-Gebiet zum Öestobrodica-Passe.
dem Athosklostär Hilandar statt Lesje einige Orte bei Novo Brdo, „zur Zeit, als im
Kloster Lesje der Iguman Venedikt (Sohn des vorgenannten Crep) lebte". >) —
Aus Leäje stammt der 1796 geborene Stojan Jovanovic Lesjanin, der im ersten
Freiheitskriege sich auszeichnete. Später Richter zu Paracin und Razanj, 1842
Gerichtspräsident in Kragujevac, 1845 Senator und 1858 Minister des Innern,
lernte er erst im höheren Alter lesen und schreiben; seine mangelhafte Erziehung
empfindend, sorgte er um so eifriger für jene seiner Kinder und Verwandten. Er
starb 1866. Sein 1826 in Lesje geborener, zu Heidelberg und Paris gebildeter Neffe
Kastellplan von Baba.
Rajko Lesjanin stieg rasch vom Katheder zum Justizminister auf und war nach
Fürst Mihails Ermordung kurz Mitglied der Regentschaft. Er starb viel bedauert zu
Wien 1872. Der gleichfalls zu Leäje geborene Miloje Lesjanin förderte als scharf-
sinniger Jurist durch tüchtige Publikationen die Rechtskunde in seinem Lande.
Der 1896 gestorbene, gleich liebenswürdige wie tapfere General Lesjanin (S. 419),
führte im türkischen und bulgarischen Kriege das Timokkorps mit Auszeichnung
leitete später den Generalstab und inszenierte 1889 die zu Zica erfolgte Salbung
des Königs Alexander. Als dieser mit der Königin Natalie auf der Fahrt nach
Sv. Petka auch Leäje besuchte, rühmte er den eisigkalten Quell, welcher einem
grossen Felsen über dem Dorf entfliesst.
') Mikloäid, Mon , S. 571.
Von Paracin durcli das Crnica- und fJaba-üebiet zum Cestobrodica-Passe. 391
Es dunkelte bereits, als wir die stark zerrissenen Uferhänge der Grza kreuzten.
Auf beiden Ufern krönen weisse Puivertürme die Höhen. Die verschiedenen
Mordgeschichten, welche unser Pandur erzählte, gaben der Landschaft ein noch
unheimlicheres Aussehen und Hessen uns doppelt freudig das ersehnte Nachtziel
Sveta Petka begrüssen, in dem wir uns bald heimisch fühlten. Unser Kloster-
wirt, der Isposnik Hadzi Jovan, war in allem das Gegenteil seines Vorgängers,
eines Banater Mönches, der mit dem erwähnten Koda und seiner Bande heimliche
Orgien im Kloster feierte. Von Kodas Festnahme hörend, flüchtete er, aus Furcht,
als dessen Hehler bestraft zu werden. An seine Stelle kam aus Ravanica der
fromme Kaludjer Jovan, der sich eifrig bemühte, durch ein reines, vorwurfsfreies
Leben den schlimmen Ruf seiner Heilstätte in Vergessenheit zu bringen. Mir
schien es, dass er in einfacher Lebensführung zu weit ging. Der Klosterdiener
stellte eine kleine Tasse halb gar gekochter Bohnen und klares Wasser für ihn zum
.Abendessen hin, und gleich frugal soll sein Mittagsmahl sein. 1886 war Jovan
auf dem hl. Athosbergc, von dem er ausser dem Hadzititel manche Berichtigung
mitgenommener Illusionen heimbrachte. Am tiefsten kränkte sein Nationalgefühl,
das von Serbenherrschern gestiftete Hilandar in bulgarischen Händen zu finden;
noch mehr, dass man ihn dort nicht einmal über Nacht aufnehmen wollte. „Ohne
die Gastlichkeit des nahen russischen Klosters hätte ich unter freiem Himmel
schlafen müssen", schloss er seufzend seine Erzählung. Interessant war auch, aus
so glaubwürdiger Quelle zu hören, dass in allen Athosklöstern insgesamt nur
neun serbische Mönche hospitieren.
Der Sinn für Askese und mönchisches Leben nimmt im Serbenvolke derartig
ab, dass es den bestehenden Klöstern bereits schwer fällt, die durch Ableben
ihrer älteren Generation entstehenden Lücken zu füllen. Welch anderes Ansehen
genossen sie einst! Da hing an der Wand unseres Schlafraums unter Glas und
Rahmen ein serbisch geschriebenes „Masbata" der Paraciner Christen, das man
nach der Besetzung von Leskovac (1877) im dortigen Konak fand und, weil das
Kloster betreffend, diesem schenkte. Es enthält die Bitte um die Erlaubnis „zum
Aufbau des durch Brand zerstörten Monastir für die Siechen, damit wir nicht,
wie Hühnchen ohne Mutter, als Bettler in andere Klöster gehen müssen!" — Auch
der unterwürfige, blumenreiche Ton fällt auf, dessen sich die Paraciner 1816, also
60 Jahre vor ihrer Befreiung von der Türkenherrschaft, gegenüber ihrem Gouverneur
bedienten. Hier der von mir treu übersetzte Eingang: „Hochmächtiger, geehrter
Pascha! Wir küssen den Boden viel vor Dir, auch Deine Kleider, Hände, Füsse,
und beten zu Gott für unseren ehrenmächtigen Kaiser, Sultan Mahmud, dass ihm
Gott langes Leben gebe und eine starke Hand. Nach ihm, dass Dir Gott gebe
Dein Paschalik und Deine Macht für lange Zeit, dass Deine Söhne Grossvezlere
werden und dass Dir Gott so langes Leben gibt, wie es Dein Herz wünscht, und
dass Dein Säbel sehr lang sei! Amen! — Wir bitten Dich, ehrenmächtiger Pascha,
unsere Söhne, unser Vater, unsere Mutter, unsere Kinder sind Deine Kinder usw."
Es scheint aber, dass es sich nicht allein um die Herstellung des Gästehauses,
sondern hauptsächlich um die dem Pascha verschwiegene Erneuerung der Kirche
handelte. Man wollte wahrscheinlich mit diesem Bekenntnisse nicht seine Habsucht
•^92 Von Paracin durch das Crnica- und Baba-Oebiet zum Cestobrodica-Passe.
reizen und baute so nebenher auch die während des Freiheitskriegs stari<
beschädigte Kirche 1818 — 1824 wieder auf und fügte ihr einen hässlichen Zubau
an. Ihr geradliniges Portal ist ganz neu. Das 18 m lange, zwischen den Seiten-
apsiden 6,70 m messende Schiff mit plumper, runder Chorapside überragen zwei
oktogonale Kuppeln, zu deren reicherer Gestaltung exotische Säulen und über
Eck gestellter Zahnschnitt aufgeboten wurden. Im grau marmorierten Innenraum
fällt an der bunten Ikonostasis rechts das Bild der Patronin des Klosters, Sv. Petka,
im Nonnenkostüm auf mit Nimbus und Händen von Silber, die rechte trägt ein
Kreuz, die linke einen goldenen Teller mit einem Frauenkopf; viele gewidmete
1,5 m hohe, bunt gemusterte Wachskerzen und Ampeln beweisen das ihr gezollte
hohe Vertrauen. Am Freitag erscheinen die Kranken aus der weiten Umgebung,
um in der Sv. Petka-Quelle, die ein frommer Paraciner Bürger 1852 mit einem
Pavillon überbaute, Heilung zu suchen. Das mächtig hervorbrechende Wasser
bildet einen kleinen See und fällt nach ^/^ stündigem Laufe in die Grza. Zwischen
diesem Hauptanziehungsmittel des Klosters und seiner die Anhöhe krönenden
Kirche mit schönem Blick auf die Baba steht das neue solide Wohnhaus der
Mönche mit einigen Zimmern für wohlhabendere Besucher; andere finden in der
jenseitigen, auch als Karaula dienenden Mehana ländliche Unterkunft.
Zu Sv. Petkas zwei Pfarrsprengeln gehören acht wohlhabende Orte mit etwa
4000 Seelen. Das Kloster besitzt schöne Herden, 41 ha Äcker und Wiesen,
1,5 ha Weingärten und 17 ha Wald. Trotzdem aber sein emsiger Iguman Hadzi
Jovan unablässig bemüht ist, die ungeordneten materiellen Verhältnisse des Klosters
zu verbessern, so dass die 4 — 5000 d betragenden Einnahmen die Ausgaben
decken, erlaubten sich im November 1896 einige aufgestachelte Bauern arge
Ausschreitungen gegen ihn, weshalb sie verhaftet und vom Gerichte bestraft wurden.
Bei Sv. Petka auf das linke Grzaufer übergehend, verfolgten wir die stetig
im roten Sandsteingehänge ansteigende Strasse, deren steilste Stellen, obschon
neuestens umgebaut, noch immer den Wagenverkehr erschweren. Viele, besserer
Übersicht wegen gefällte Buchen faulten rechts und links, ohne dass sich jemand
um sie kümmert. Für die .Ausbeutung der hier noch trefflich erhaltenen Staats-
waldungen müsste eine durch den Srednji potok über Donja Mutnica und Lesje
zum Paraciner Bahnhof führende Rollbahn gebaut werden. Wir begegneten vielen
Karawanen. Mit Obst, Vieh, Zerealien und Wolle wanderten sie zu Pferde und
zu Wagen vom Timok zum Paraciner Markte. Bei flüchtiger Betrachtung waren
Serben und Walachen nicht zu unterscheiden, denn auch erstere tragen hier zottige
Schaffellmützen. Jenseits der auf das rechte Grzaufer führenden Brücke verkündet
eine rote Marmortafel: „Im Jahre 1894—95 wurde unter der Regierung Sr. Majestät
des Königs Alexander 1. diese Strasse durchschnitten usw." Der Staatszuschuss
für ihren Bau war mit 300000 d festgesetzt.
Nachdem wir auf dem alten Wege den 501 m hohen Vasaca erstiegen,
ging es aber aufs neue hinab zur rauschenden Cestobrodica, und 190 m tiefer
durchfurtete ich sie bei der zweiten „Straza" am Repusarski potok, um hierauf
den 246 m höheren „Stolovi-Pass" wieder in Steilserpentinen zu erklimmen.
Hoch oben bei den „Stolice" (Stühlen) Hessen wir unsere nach Atem ringenden
Von Paracin durch das Crnica- und Bahn-Gebiet zum Cestobrndica-Passe. 39:5
Pferde ein wenig rasten. Hier lagerte im Jalire 1883 eine stari<e Ceta der gegen
König Milan und seine „Naprednjaci" revoltierenden Radikalen viele Tage. Der
Wald ringsum lieferte das Holz für ihre weithin auf dem nun traurig öden Plateau
sich ausdehnenden Lagerfeuer. Der zur Bewältigung der Revolution entsandte
General Tesa Nikolic hinderte ihre Ausbreitung, indem er auf Materialwagen
der im Unterbau vollendeten Schienenbahii Belgrad -Nis mit einigen tausend
Soldaten von Aleksinac aus im Rücken der Aufständischen erschien, sie bei
Zajecar auseinandersprengte, worauf auch die am Cestobrodica-Passe von einigen
Bataillonen angegriffenen Freischärler bei den ersten von der Vesala abgegebenen
wohlgezielten Granatschüssen ihre verschanzten Stellungen verliessen. Der
Bürgerkampf kostete viel Blut, und noch heute krankt die Krajina an seinen
Nachwehen. Das radikale Prinzip siegte aber 1887, und seine im Kerker oder
Exil gewesenen Anhänger besassen bis 1897 in der Skupstina, im Staatsrat und
Ministerium wiederholt die führende Majorität.
XIV.
Am Krivi Vir über Zlot, Brestovacka Banja,
Zajecar, Vrska Cuka zur Jasenica.
MIT der Überschreitung der Tinioker Kreisgrenze und Timoi<scheide betraten
wir das sclion friiiier erwälinte, ausser zahllosen Dohnen noch weitere
interessante Karstphänomene bergende riesige Kali<gebiet zwischen dem Gebirge
Golubinje und dem Rtanj. Hart neben der Strasse verschwindet der sie begleitende
Ponikve nach kurzem Lauf im Kalk, ebenso einige nördlichere Quellen des
„Krivovirski Timok", um bei dem gleichnamigen Dorfe vereinigt in überraschender
Stärke hervorzubrechen. Abwechselnd durch tiefe Lehmrisse und über Sandstein
brachte uns die hier in schwierigem Terrain angelegte Trace zur dritten Karaula
„Straza" (Wache). Wir legten diese Strecke im Galopp zurück, denn schon auf
der Passhöhe brachte ein Bote die Nachricht, dass in ihrer Mehana mehrere vom
ZajeSarer Nacelnik entsandte Herren mich erwarteten. Der Grüssetausch mit den
Professoren Dragoljub Pavlovic und Svetislav Simic, die sich meinem offiziellen
Begleiter, dem Kreisförster Sava Draganovic, freiwillig angeschlossen hatten, war
gleich herzlich wie mein Abschied vom Cuprijaer Ingenieur.
In den kurzen Herbsttagen muss jede Minute von frühmorgens an auf
Studienreisen ausgenutzt werden. Meine jungen Gefährten zauberten aus ihren
Bissagen einen trefflichen Imbiss auf den Tisch. Dann ging es rasch auf der
nun trefflichen Trace SO. durch die Hochebene „Kalafat", wo an der Suvaja
Kohle angeschürft wurde. Nördlich umsäumen sie prächtig waldgrüne 800—900 m
hohe Berge, an deren Fuss das ausgedehnte Serbendorf Krivi Vir lehnt. Dass
seine weithin gerühmte Schafzucht gewinnbringend, dafür spricht dessen zwischen
Rebenhügeln amphitheatralisch aufsteigender stattlicher Gehöftekranz; ringsum
sichtbare Schanzen mahnen aber auch hier an die Sturmtage von 1876, in welchen
die Bewohner von Zajecar und des unteren Timoktais vor den siegreich vor-
dringenden Türken und plündernden Tscherkessen in diese Berge flüchteten.
Das riesige Massiv der dicht vor uns aufsteigenden Rtanj-Pyramide blickte damals
auf ein „Tal der Tränen" herab, und ebenso 1883, als sich traurige Bürgerkampf-
szenen dort abspielten!
nofi
Am Krivi Vir über Zlot, Brestovaöka Banja, Zajecar, Vrska Ciika zur Jasenica
Der Anblick des gewaltigen „Rtanj" weckte diesmal in mir ein stark gemengtes
Gefühl von Freude und Wehmut. Vor nahezu dreissig Jahren, in lebensfroher
Jugendkraft, blickte ich von seiner Spitze voll kühner Arbeitspläne in das
weitgedehnte Rundbild hinaus; doch nur einen bescheidenen Teil derselben
vermochte ich auszuführen. Wohl war es mir vergönnt, den damals auf dem
Balkan bis zum Pontus liegenden dichten Schleier zu lüften, an der Befreiung
des Bulgarenvolks erfolgreich mitzuarbeiten, auch das vergrösserte unabhängige
Serbien wiederholt durchwandern und schildern zu können; viel gäbe es aber im
europäischen Osten noch zu tun, und der Jahre lagen nur wenige vor mir. Doch
seit jeher sahen nur einzelne Glückliche ihre Jugendideale voll verwirklicht. Auch
Veljko, der jüngst durch ein Denkmal geehrte Freiheitskämpfer, dessen ich
unwillkürlich angesichts des weissen „ Lozica "-Kirchleins gedachte, weil er im
Der Rtanj, gesehen von Krivi Vir.
grünen Plane dort mit kleiner, todesmutiger Schar die mosliniischen Bedrücker
erwartete, starb mit den Waffen in der Hand (Kap. XV), ohne Serbien befreit
zu sehen.
Etwa 4 km weiter von der Strasse südlich abbiegend, erreichten wir durch
stark sumpfiges Terrain in 12 Minuten die malerische Kirchenruine „Lopu§nja".
Der Volksglaube zählt sie zu den neun ältesten, heute meist verfallenen Gottes-
häusern im Rtanjgebiet, welche ein schlauer Räuber zur Entsündigung auf den
Rat eines Bischofs gebaut, den er zu ermorden beabsichtigte und wirklich tötete.
Für Lopusnja fand ich diese Fabel unbegründet. Eine Inschrift nennt uns die
Namen der Stifter des von Miljcevic flüchtig erwähnten, sonst ganz unbeachtet
gebliebenen interessanten, aber nur teilweise erhaltenen Baues. Sein Tympanonbild
über dem westlichen Haupteingang ist stark verwüstet, jenes auf der dem
Hauptraume zugewendeten Narthexwand zeigt den hl. Nikola und darüber die
historisch höchst interessante Gründungs-inschrift. Während meine Begleiter sie
kopierten, schritt ich zur Grundrissaufnahme der 20 m langen, 8,4 m breiten
Am Krivi Vir über Zlnt, Brestovaäka Banja, Zajecar, Vrska Cuk;i zur Jasenica. 397
Bauanlage, welche äusserst auffällig jener der Petrusakirche gleicht. Auch das
Steinmaterial ist dasselbe, doch verwendete man hier mehr Backsteine und
pflasterte auch den Estrich mit 30x42 cm ii;r()sscn, 7 cm starken keramisciien
Platten. Über der am besten erhaltenen West- und Südfassade steht noch ein
dreiseitiger, baldigem, Einstürze verfallener Mauerteil des einst oktogonalen, von
Kalktuff aufgeführten, aussergewühnlich hohen Kuppeltambours. Vom alten
Ereskenschmucke sind nur einige Heilige gut erkennbar, das ornamentale Netzwerk,
Spiralen usw. sind rein ausgeführt. Alles in allem zählt diese Baute zu den besten
im östlichen Serbien (111. Bd., Kap. XVlll).
Besonders hervorhebensvvert erscheint mir, dass die Lopusnjaer Inschrift
„Joan Radul, Wojwode und Herr aller ungro-walachischen Länder und Veliki
Parkalab Zupan Georgi, zur Zeit des igumans Jeromonachen Gelazije, im Jahre 1501 "
als Stifter der Kirche nennt, welche vom „Iguman Jeromonachen Teodor mit
Hilfe des Knezen Bogoja, Frau Mara und Kindern im Jahre 1510 gemalt wurde".
Wo regierte dieser Joan Radu? Die Geschichte kennt wohl einen gegen
Ungarns Suprematie sich sträubenden Wojwoden Radu Negru (1290 1314), der
den vorgenannten Titel annahm und seinen Nachfolgern vererbte. Wir wissen
auch, dass sich schon unter Zar Dusan, namentlich aber unter den Lazariden
(1372—1427), zwischen den Serbien und die Walachei regierenden Dynastien
durch gemeinsame politische Interessen und enge Verwandtschaftsbande freund-
schaftliche Beziehungen entwickelten, welche die Gründung von Kirchen durch
serbische Fürsten auf walachischem Boden und durch walachische in Serbien
ausreichend erklären. In der von Neagoe-Bessaraba gestifteten und vom Wojwoden
Radu erneuerten Kirche „Curtea de Arges" erscheinen beispielsweise neben den
Ktitoren Neagoe, Radu und Vladislav auch die Bilder des Serbenherrschers Lazar
und seiner Gemahlin Milica '), welche schon dem walachischen Wojwoden Vlad 1.
die Kirche zu Vodica bauen und Radu-Bessarab jene von Tismana ausschmücken
halfen. Andererseits wird die Teilnahme der vom moldauischen Wojwoden Petar
Masutin dem Zaren Lazar gesendeten Hilfsschar an der Kosovoschlacht durch
eine leider schlecht erhaltene Freske an der Lopusnjaer Kirchen-Südwand verewigt.
Wie trefflich auch weiter die Verhältnisse zwischen Walachen und Serben blieben,
beweist, dass Despot Stevan Lazarevic dem walachischen Kloster Vodica und
ebenso Tismana (1407) die von seinem Vater geschenkten serbischen Güter nicht
allein verbriefte, sondern ihr Erträgnis durch Abgabenfreiheit und vermehrte
Ansiedelung von Walachen zu steigern suchte.-)
Bei solch warmen freundnachbarlichen Beziehungen kann also ein als Kirchen-
bauer in Serbien auftretender walachischer Wojwode um so weniger überraschen,
weil im Mittelalter das Nationalgefühl so sehr hinter dem religiösen zurücktrat,
dass vornehme Walachen selbst bei dem fernen bulgarischen Tirnovo einige
') Mönastlrea Curtea de Arges, Tab XI. Zwischen lieiden Figuren ihre Kinder, den
Lazarevic Stevan und die spätere Sultanin Mara (?)
') Ced. Mljatovic, Srpski odzraci iz rumunske istorije (Letopis mat. srps. Knjiga 187).
Novi Sad 1896. In dieser interessanten Studie werden die neueren rumänischen Historiker
benutzt, die Lopusnjaer Kirche und ihr Stifter „Vojvoda Joan Radul" aber nicht erwähnt.
398 Am Krivi Vir über Zlot, BrestovaCka Banja. Zajecar, Vrska Cuka zur Jasenica.
Kirchen stifteten '), und namentlich auch deshalb nicht, weil um 1501 die Krajina
schon stark rumanisiert war. Auffällig ist nur das über dem Lopusnjaer „Vojvoda
Joan Radul" herrschende Dunkel in den walachischen Geschichtsquellen. Dass
er nicht mit dem vorgenannten „Radu-Bessarab" identisch ist und ebensowenig
mit dem in serbischen Volksliedern gefeierten „Vojvoda Radul", dessen Gemahlin
angeblich Zar Lazars Schwester war (?) und für dessen Kirchen, vielleicht um der
eifrigen päpstlichen Propaganda zu steuern, serbische Mönche nicht nur hl. Bücher
schrieben, sondern die wundertätigen Gebeine des hl. Grigorije aus dem Kloster
Bistrica widmeten, geht allein schon aus der Jahreszahl „1501" der Lopusnjaer
Inschrift hervor. Ihr „Joan Radul" kann also nur jener gleichnamige „Vojvoda" sein,
der zur Zeit der arnautischen Andjelina, Gemahlin des Despoten Stevan Brankovic,
lebte, um 1508 einen „Liturgijar" drucken liess (III. Bd., Kap. XVI) und 1509
starb.-') Sein Verhältnis zur Walachei, wo zur fraglichen Zeit „Stevan cel Mare"
herrschte (1457—1504), klären aber auch die rumänisch-serbischen Quellen nicht
auf. Ich möchte annehmen, dass er — wenn überhaupt -^ als türkischer Vasall
im serbischen Timokgebiet regierte (?), was allerdings seinen Titel in der Lopusnjaer
Inschrift als unberechtigt erscheinen Hesse. Vielleicht bringen Ruvarac') oder
rumänische Forscher mehr Licht über diesen interessanten, altwalachischen
Kunstmäcen.
Kurz vor Lukovo zweigt an der Lukavica ein über die gleicHnamige west-
liche Rtanj-Vorhöhe in das südliche Moravicatal führender Weg ab, von dessen
römischem Schutzkastell die Grundfeste bei Vrmdza noch sichtbar ist. Dieses
kaum 12 Millien lange Strassenstück bildete das wichtige Verbindungsglied des
südlichen Wegnetzes von Naissus mit dem nördlichen, das im Timokgebiete
zum Donaulimes lief. Wir kreuzten die Lukavica, in deren Schlucht sich
40 Zigeunerfamilien eingenistet haben. Es sind fleissige Koritari, die selbst-
verfertigte Holzwaren, besonders Tröge, in den angrenzenden Kreisen verkaufen
und ihren eigenen Kmeten wählen. Merkwürdigerweise erscheint dieses interessante
Lukavica auf der österreichischen, aber nicht auf der neuen serbischen Detailkarte-
Wir begegneten einem langen Wagenzug mit schönen Buchenstämmen, welche
hier per Kubikmeter von 2 bis 3 d bezahlt werden, erreichten, nun rascher
fahrend, bald das von Serben und Walachen bewohnte grosse Lukovo. Damit
letztere es nicht ganz rumanisieren, verweigert der serbische Pope seit längerer
Zeit die Zustimmung zur Heirat seiner Pfarrjugend mit Walachinnen. Weiter
erzählte er mir, die Lage des Ortes sei so gesund, dass 1888 auf 120 Taufen
nur 50 Sterbefälle kamen. Die 1876 von den Türken verbrannte Dorfschule
erstand später in grösseren Verhältnissen und wird jährlich von 40 Knaben und
einigen Mädchen besucht.
Freiherr von Herder fand 1835 bei Lukovo einen nicht unbedeutenden
Hüttengraben und stark verrasten Pingenzug als wahrscheinliche Reste eines
verlassenen alten Eisenwerks, welche das Volk „Josje" nennt. Aus jener Zeit
') Kanitz, Donau-Bulgarien u. d. Balkan, 2. Aufl., I, S. 155, 173.
2) Daniele, Rjecnik, I, S. 13, III, S 16; nach dem „Liturgijar" starb er 150Ö
■"') Ruvarac starb 3., 16. August 1905.
Am Krivi Vir über Zlot. Brestovaika Banja, Zajecar, Vräka Cuka zur Jasenica. '^99
des blühenden serbischen Hüttenbetriebs in diesem erzreichen Gebiete stammt
wohl eine dicht unter dem Kali<felsen des Ortes stehende Kirchenruine. Die ^anz
verfallenen Mauern des einst der Sv. Vavcdenije geweihten, 21 m langen Baues
bewahren mir mehr geringe Freskenspuren. Meine Aufnahme ergab auch hier,
ganz so wie bei der zpvor geschilderten Lopuänjaer Kirche, einen nahezu ähnlichen
Grundriss wie in Petruäa, was mich vermuten Hess, dass alle drei Monumente
gleichzeitig und wahrscheinlich von (.lemsclben Meister erbaut wurden. Jedenfalls
stellte ich auf dieser archäologischen terra incognita einen bemerkenswerten alten
Bautypus fest, dem möglicherweise auch die benachbarte nördliche Krepicevoer
Klosterkirche angehört, welche Djordje Jovanovic, nach der Volkssage ein Sohn
Joan Raduls, erbaute. Knez Golub, erzählt die Tradition weiter, der die Kirche ohne
Erlaubnis des Vidiner Paschas restaurierte, wurde durch Wegnahme von 12 Oka
Silber, 1000 Schafen und überdies mit Gefängnis bestraft. ') Für mich war es
interessant, hier der Erinnerung an den Lopusnjaer Wojwoden Radul zu begegnen,
der, falls er nicht diese Landschaft beherrschte, doch zweifellos in derselben
begütert war und den fremdartigen Kirchengrundriss aus der Walachei herüber-
brachte. Selbstverständlich ist dies nur eine Hypothese, die von der historischen
Aufhellung jener wenig gekannten Epoche des Timokgebietes ihre Bestätigung
noch erwartet.
Die Burgreste auf dem 366 m hohen „Crveni Kamen", welcher NO. das
Dorf und seine Umgebung am linken Timokufer überragt, stammen aus der
Römerzeit. Ihre Mauern von etwa 60 m Längendurchmesser schliessen sich der
Konfiguration des gegen W. steil abfallenden, stark zerrissenen Kalkfelsens an, der
das Material zu denselben lieferte. Aus antiker Zeit dürften auch die benachbarten
auf dem 700 m hohen Lazine NO. von Krivi Vir, die 8 km von Lukovo, 500 m
hoch liegenden und die 608 m hohen nordwestlicheren auf dem Bilo an den
Quellen der Radovanjska reka stammen. Die beiden ersteren, von welchen N. auf
der Stelle Novi Lom noch ein lateinischer Stein stehen soll, hatten den von der
Cestobrodica herabkommenden Heerweg zu schützen, die letzteren aber den beim
nahen Jablanica schwunghaft betriebenen Eisenbau, den ein künstlicher, langer
Kanal, der an einem hohen Abstürze vorbei zu riesigen Schlackenhalden führt
und sich östlich gegen Valakonje ausdehnt, bezeugt. Das Gradiste bei Jablanica
war noch zur Zeit des Türkenansturms so fest, dass es nach der Tradition die
dahin flüchtenden Anwohner erfolgreich verteidigten, bis ein gepeinigtes Mütterchen
die Moslims auf eine das „grad" dominierende Höhe brachte, worauf es nach
kurzer Beschiessung genommen winde (?).
Weiter ging es am Nordhange des Rtanj, dessen Tannenwälder dort hoch
hinaufziehen. Von einem kurzen, scharf N. nehmenden Strassenbug gesehen, zeigte
sein nördlichster, 700 m hoher, durch eine tiefe Bifurkation von ihm getrennter
Vorberg „Obia" im kleinen Massstab eine auffallende Wiederholung seines
charakteristischen Profils (S. 121). Rechts am Wege blieb ein zerstörtes Kirchlein.
Sonst bot auf dem äusserst fruchtbaren, durch kleine Zuflüsse des Baches Arnaul
'J Miiicevic, Knezevina Srbija, S. 882.
400 Am Krivi Vir über Zlot, Brestovacka Banja, Zajecar, Vrska Ciika zur Jaseiiica.
stark undulicrten Kalkterrain mir die mit uns von Lukovci naeii dem 1 1 km fernen
Boljevac ziehende bunte Staffaife einiges Interesse. In dem kleinen Bezirksorte
wurde ich von seinen in der Mehana rasch versammelten Honoratioren mit
wohltuender Herzlichkeit empfangen. Da ihr kleines Gastzimmer nicht Raum für
uns alle bot, hatte der Telegraphenbeamte seine Staatsstube für mich vorbereitet,
und auch sonst zeigte man, dass der „gute alte Serbenfreund" herzlichst
willkommen sei.
Der Platz und die Strasse zwischen den Brücken über die sich mitten
im Orte vereinigenden Bäche Arnaut und Kotar erhalten durch die netten
Amtsgebäude, einige bessere Läden, die grosse Kirche mit hohem Turm und
das neue Schulhaus städtischen Anstrich. Die Mehrzahl der mit Platten von dem
nahe anstehenden Kalkschiefer gedeckten 180 Häuser unterscheidet sich aber
wenig von jenen im südöstlicheren Dorfe „Staro selo Boljevac", mit dessen
170 Familien das Städtchen 1100 Seelen zählt. Die 1851 erbaute, jetzt zweiklassige
Schule war die erste des aus 20 Gemeinden bestehenden Bezirks und hatte die
allmähliche Gründung solcher in Krivi Vir, Podgorac und 12 anderen Orten zur
Folge. Dass sie von 100 Knaben und 15 Mädchen besucht wird, ist ein
erfreuliches Zeichen des wachsenden Bildungssinnes, der auch die Soldaten des
hier sich ergänzenden Territorial-Bataiilons charakterisiert. Boljevac hatte 1876
schwere Tage durchzumachen. Am 17. Juni griff Osman Pasa von Zajecar mit
7 Bataillonen Nizams und Basibozuks die verbarrikadierte serbische Stellung
zwischen Boljevac und Planinica an, um gegen Paracin vorzudringen, wurde jedoch
tapfer zurückgewiesen; doch brannten die Türken das am Wege liegende Dubnica
und Planinica so gänzlich nieder, dass im Frühjahr 1877 nicht eine Seele in
beiden Ortschaften zu finden war!
Durchschnittlich 10 m breit, stellenweise den Felsen durch Feuersetzung
und mit dem Meissel abgerungen, lief die antike Trace von Boljevac über die
sanften Höhen der Glavica und des Tatarsko Polje (420 m) zum „Markov
Kamen", ein Stein, auf dem das Volk den auch in der Crna Reka gefeierten
Königssohn Marko sein Schlachtross Sarac besteigen lässt. Dort bog die
Römertrace über das 480 m hohe Kasapsko Polje, zwischen Planinica und
Osnic über Zajecar zum sie schützenden grossen Kastrum von Gamzigrad am
Vereinigungspunkte beider Timok-Hauptarme ab.
Eine andere Strasse bauten die Römer hier nach ihrem nördlichen Minen-
bereiche. Diese einschlagend, Hessen wir 0. die Zavetina Sv. Trojica-Höhe, über-
setzten eine niedere Wasserscheide und zogen zwischen dem Andrijev- und
Bukovi potok hinab nach Valakonje. NO. vom geschlossenen Kerne dieses
mit 500 Gehöften weithin sich auf der Höhe ausbreitenden Walachendorfs warten
mächtige Eisenlager im Syenitporphyr auf ihren erneuerten Abbau. Mehrere
Werkzeuge aus reinem Kupfer und bei den alten Gruben liegende Schlacken-
halden am „Ogasu draku" (serbisch Djavolski potok, Teufelsgraben) deuten auf
ihre Ausbeutung in prähistorischer und mittelalterlicher Zeit. Aus der römischen
Epoche stammen höchst wahrscheinlich die Reste einer Baute und eines ausge-
mauerten Brunnenschachts auf der Kuppe des nahen, 500 ni hohen Tilva ros.
Am Krivi Vir über Zlot, Brestovacka Banja, Zajecar, Vräka Cuka zur Jasenica. 401
dessen Quellen, wie mir versichert wurde, einst hinab zum zerstörten Dorfe
Paraljevo geleitet waren.
Etwa 1,7 km NW. hinter Valakonje kreuzten wir den Timok, gleich darauf
elie Bogovina, Hessen das gleichnamige Dorf und seine Weingärten links,
durchschnitten das mit wilden Birnbäumen besäte, wenig kultivierte Hügelland,
dessen ausgedehnte Hutweiden grosse Schafherden nähren, und erreichten, auf
das rechte Ufer der Velika Reka übergehend, das grosse Dorf Podgorac.
Zwischen den meist aus Holz erbauten, mit Kalkschiefern gedeckten Häusern
seiner langen Hauptstrasse stehen die Schule, die hl. Geistkirche und einige
Mehanen. Zwei Popen teilen sich kollegial in die aus 2720 Seelen bestehende
Klientel. Einer der beiden Seelsorger stammt aus Ungarn, war früher Kupfer-
schmied und spricht auch einige deutsche Worte. Das Wirken der geistlichen
Herren scheint aber kein gesegnetes zu sein. Was mir von den Frauen und Männern
des Dorfes erzählt wurde, lässt auf sehr elastische moralische Begriffe schliessen.
Zwei Kupierhaiiiincr vi)n Valakonje.
Glücklicherweise stehen nicht alle walachischen Orte der Umgebung auf gleich
niedriger Stufe. Die Podgoracerin ist ungemein putzsüchtig und vernachlässigt
kein Toilettemittel zur Hebung ihrer angeborenen Reize. Die bunten, kurzen
Vor- und Rückschürzen, welche das weisse Hemd von den Hüften abwärts sehen
lassen, Chignons, Blumen und Münzen im Haar, Glasperlen und Schminke werden
selbst an Werktagen sehr kokett verwertet.
Wie der Menschenschlag verschönerte sich auch die Landschaft, je mehr
wir uns der höheren Bergregion näherten. An der gut tracierten, aber wenig
beschotterten Strasse begleitet uns westlich das immer kräftiger hervortretende
scharfe Profil des waldreichen, oben nackten Malen ik, dessen höchster Gipfel
1172 m, der Mali genannte 1031 m misst. Seine sanft gerundeten niederen
Vorhöhen zeigen stellenweise guten Anbau, auch schöne, doch für die grossen
Herden nicht ausreichende Weiden. Einzelne Bauern besitzen 200 Schafe, die
sie im Winter mit Baumlaub erhalten. Dabei herrscht eine Art von Wechsel-
wirtschaft. Ein grosser Teil der Eichenstände am Wege war bereits „abgemäht",
der geschonte kommt im nächsten Jahre an die Reihe. Auch hier hörte ich — wie
mir dünkt, nicht mit Unrecht — klagen, dass die amtlichen Organe den Wert des
mit der zweiten Steuerklasse belegten Bodens überschätzen.
F. KANITZ, Serbien. 11. 26
402 Am Krivi Vir über Zlnt, BrestovaCka Banja, Zajecar, Vrska Cuka zur Jasenica.
Das ganze Umland zwischen dem Timok, der Zlotska reka und dem Südhange
des Golubinjezugs zeigt dieselben typischen Karsterscheinungen wie die bereits
geschilderte westliche Vorterrasse. Von Bogovina an mehren sich vom Wege W.
stetig kleine Dolinen auf den höheren Bodenwellen zwischen den direkt im Timok
mündenden Bächen Bogovina und Saraka; 2 km hinter Podgorac wird der
Valjanicalauf durch eine Doline mit scharfgeböschtem Tiefrande geteilt, und
weiter erscheinen die aus W. und NW. von der hohen Morava-Timokscheide zur
Zlotska reka abströmenden Bäche Klencus, Djemizlok, Lucjak, Pecina (Höhlenbach)
und Dubasnica nach 4—10 km (Luftlinie) langem Laufe, durch „ponori" unter
ein von S. nach N. 10 km langes, von W. nach 0. 6 km breites, mit kleinen
Dolinen siebartig besätes trockenes Terrain abgeführt, das dort beginnt, wo die
Rinnsale im Boden verschwinden. Wie weit Erosionen und tektonische Störungen
an diesem interessanten Parallelismus teilnahmen, ist schwer zu sagen, denn noch
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w» ■SsissJ
Schule und Kirche zu Zlot.
stehen sich die Erklärungen der mit Karstphänomen sich beschäftigenden Forscher,
beispielsweise Prof. Cvijic und Franz Kraus '), über die „nackten Dolinen" im
ostserbischen Kucaj-Gebirge in wesentlichen Punkten diametral gegenüber.
Der melancholische Charakter dieses typischen Karstgebietes wurde kurz vor
Zlot durch einen ungemein rein gehaltenen herrlichen Eichenwald unterbrochen.
Gleich darauf gewährte ein vom 545 m hohen nahen Burci abgetrennter, aus
dem stark zerrissenen Talgrunde pittoresk aufragender Kalkfels mit burgartigen
Zinnen und Mauerspuren reizenden Ausblick in das südöstliche Defilee der
Zlotska reka bis gegen Sumrakovac. Die Walachen nennen ihn „Krsija saturlui",
die serbischen Karten „selski kamen". Die 1838 geweihte Sv. Ilijakirche und
gegenüberstehende prächtige Schule mit Turnvorrichtungen unter schattigen Nuss-
bäumen, in welcher drei Lehrer die Dorfjugend unterrichten, sprechen für den
Bildungssinn und die Wohlhabenheit der allein über 10000 Schafe besitzenden
Zloter Walachen.
Im Kriegsjahre 1876 drangen die Tscherkessen bis Zlot vor und brannten
einige Häuser nieder. Die Spuren dieser Katastrophe sind aber längst verschwunden.
') Höhlenkunde, S. 126 ff. Wien 1894.
Am Krivi Vir über Zlot, BrestovaCka Banja, ZajeCar, VrSka Cuka zur Jasenica. 403
Trotzdem klagte der ungewöhnlich intelligente, die Namen aller grösseren öster-
reichisch-iingarisclien Städte überraschend gut kennende Ortsschulze über zu hohe
Steuern, die sich bei einzelnen Bauern bis zu 700 d von Jahr auf Jahr übervvälzen.
„Wir zahlen ja gern," schloss er, „man hat uns aber oft zweimal so viel Terrain
angerechnet, als wir besitzen." Auch hier also wieder der gerechtfertigte Not-
schrei nach dem schwer auf dem Bauernstande lastenden, fehlenden Kataster.
Gewiss trug dieses Gefühl ungerechter Belastung hier 1883 zum Tumulte gegen
die es mit der Regierung haltenden Naprednjaci und Liberali bei. Ein besonders
verhasster reicher Mehanenbesitzer, der in den Keller flüchtete, wurde durch
Die Lazarev Kanien-Hnhic bei Zlot
angezündete Strohbüschei „herausgeräuchert" und mit dem Ortspopen getötet.
Gleiches Los war von den aufgeregten Bauern einem dritten „Verräter" zugedacht,
der rechtzeitig mit Frau und Kindern flüchtete; doch zerstörte man die Einrichtung
und Vorräte seines Hauses, Hess den Wein aus den Fässern laufen, ihn selbst
aber lange nicht zurückkehren. Die Hauptbeteiligten büssten später diese traurigen
Ausschreitungen des Parteihaders mit Kerker oder Tod.
Während unser Zloter Wirt sich bemühte, einige nach seiner Ansicht
unübertreffliche, schrecklich paprizierte Gerichte auf den Tisch zu stellen, traf
der gefällige Kniet die notwendigen Vorkehrungen für meinen Besuch der
„Lazareva pecina". Es ist dies die weithin berühmte, nur eine Viertelstunde
NW. von Zlot entfernte Höhle des nahezu senkrecht aufsteigenden „Lazarev
Kamen" (Lazarstein), aus deren „gaora" (Schlund) der erwähnte 16 km W. im
26*
404 Am Krivi Vir über Zlot, Brestovacka Banja, Zajecar, Vrska Ciika zur Jasenica.
Kalkgebirge entspringende, 5 km unterirdisch fiiessende Djemiziok als 8 m breite,
romantische Kaskade tosend herausstürzt und 70 Schritte weiter in die Bcljanica
mündet. Wir genossen möglichst lange das schöne Schauspiel. Den zur Eile
spornenden Lichtträgern auf dem Fusse folgend, gelangten wir, mehr kriechend
als gehend, durch den niederen Eingang in den etwa 160 m tiefen, 12 m breiten
und 16 m hohen Hauptraum mit wenig malerischen, doch mächtigen Stalaktiten.
60 m weiter auf der mit einem den Marsch erschwerenden Steinchaos bedeckten
wasserreichen Sohle standen wir am treppenartigen Aufgang zu dem höher
liegenden, nordwestlichen Höhlenarm mit prächtigen Sinterbildungen, aus dem
man, wie unsere Führer versicherten, zum 35 km fernen Kloster Ravanica
gelangen könne (?). Eine glaubwürdigere Tradition erzählt, dass ein von
Gendarmen verfolgter Heiducke durch diesen linksseitigen Arm zu einer von
aussen sichtbaren, hochliegenden Öffnung der Felsmauer gelangte, dort in eine
der zahllosen vrtace (Dolinen) des stark verkarsteten, im Tresta mit 1300 m
kulminierenden Terrains flüchtend, so seinen Kopf rettete. Ein ähnlicher, an
schönen Tropfsteinfiguren reicher Schlund öffnet sich gegen NO. Dort stiess
Felix Hofmann schon vor einem Dezennium 1,4 m unter der jüngeren Kultur-
schicht auf eine ältere mit Knochen von Ursus speiceus, Hyena speloea, Ahle aus
Hirschhorn; ich selbst fand neben racenten kleine rohgeformte Topfscherben.
Für eine Ansiedelung in prähistorischer Zeit bei Zlot sprechen auch künstliche
Hügel an der Beljanica, die vielleicht Tumule oder von Leuten herrühren, welche
ihren noch heute goldhaltigen Sand durchsiebten. Wahrhaft grossartig sind die
nahen, oft nur 5 m breiten, wohl 70—90 m hohen Cenone, in welche wir auf
dem Rückweg zum Dorf einen Blick warfen.
Abends tischte der Handzija eine ganze Fischmusterkarte aus der Beljanica
auf. Da gab es trefflich schmeckende pastrmke (Forellen), zmijulije (walachisch:
bosok), krku§e, govedarke, klenovi (squalius dobula Heckel) u. a.; doch alle von
sehr bescheidener Grösse. Lärmende Musik begleitete unser Mahl, es wurde
der Vorabend einer am nächsten Tage stattfindenden Hochzeit gefeiert. Die dever
(Brautführer) traten ein und luden mich zum Feste. Zuerst ging es, der Kniet und
einige Laternenträger voraus, zum Tanzplatz. Dort begrüsste uns der 22jährige
Bräutigam und reichte uns eine mit Wein gefüllte Cutura zum Willkommtrunk.
Die Braut, ein hübsches Mädchen von 18 Sommern, verliess den Reigen, küsste
meine Hand und Wange; eine Ehre, die nur älteren Männern erwiesen und mit
einem Geldgeschenk erwidert wird. Sodann betraten wir das Häuschen und
gratulierten der von Verwandten umgebenen Brautmutter. Die Arme weinte,
ihr fehlender Mann gehörte zu den wegen Naprednjakenmordes zu 20 Jahren
schwerer Arbeit Verurteilten, und ihre Habe war während des lange dauernden
Prozesses sehr geschmolzen.
Die prächtige, ruhige Herbstnacht begünstigte das heitere Fest. Man tanzte
beim Schein einer Talgkerze abwechselnd Kolo und Ropota; meine jungen
Zajecarer Begleiter scherzten mit den schlagfertig antwortenden Dorfschönen.
Als wir aufbrachen, folgten uns alle Anwesenden, voran die aus zwei Violinen,
einer Flöte und Dudelsack bestehende Musikbande. Das Fest fand im grossen
Am Krivi Vir über Zlot, Brestovaiika Banja, Zajef ar, Vrska Cuka zur Jasenica. 405
Gasfraum unserer Metiana seine Fortsetzung. Man tanzte die Srbijani<a und
die schwierigere Zajecartca. Diese gelingt nur sehr geübten Tänzern. Das
andauernde, mehrere Schritte Vorwärtsspringen und die gemässigte, elegante
Rüci<wärtsbewegung in kleinen Schritten sieht sich hübsch an, ist aber sehr
anstrengend. Zum Schluss wurde zu meiner nicht geringen Überraschung die
Marseillaise intoniert. Wie ist sie in diese Berge gelangt? Sollte auch bei
diesen Walachen das Bewusstsein der Zusammengehörigkeit mit der grande
nation lateinischer Rasse erwacht sein?
Die Sonne des folgenden Sonntagsmorgens rötete kaum die nahen westlichen
Kalkspitzen, als unser Wagen die nordöstlichen Serpentinsteilen der noch im
ersten Werdestadium begriffenen Brestovacer Strasse zu erklimmen suchte. Drei
Panduren, geführt von einem als walachischer Bauer gekleideten Gendarmen,
zogen mit uns den gleichen Weg. Im ganzen waren 60 Polizisten auf den Beinen,
um einen entsprungenen, die Gegend unsicher machenden Naprednjacimörder
wieder einzufangen, was die isoliert umherliegenden, sichere Verstecke biegenden
pojate (Stallungen), mit riesigen, jede Annäherung von Fremden verratenden Hunden,
sehr erschwerten. Eine freundlichere Staffage bildeten die zur Hochzeit nach Zlot
ziehenden, mit Blumen herausgeputzten, schwere Körbe und Cuture bringenden
Frauen und Mädchen, denn nach hier herrschender Sitte gestaltet sich das Fest-
mahl zum Picknick, zu dem alle Teilnehmer Speise und Trank beisteuern.
Die über 500 m hohe Wasserscheide gewährt einen prächtigen Ausblick
nach dem nördlich aufsteigenden, nahezu 800 m erreichenden Crni Vrh, dessen
gut erhaltene Staatswaldungen, sich N. zum Sto, 0. nach Krivelj, W. gegen
iagubica und S. bis Brestovacka Banja dehnend, 38000 Hektar bedecken. Auf
der Zajecarer Seite allein könnten leicht 2000 für Fassdauben geeignete gesunde
Eichenstämme von 0,60 — 1 m Durchmesser gefällt werden. Da der Preis
für den ganzen Baum 5—6 d beträgt, die Anlage zur Ausbringung der
Dauben an die Timoker Bahnstation Vrazogrnac etwa 8000 d kostet, dürfte sich
bald ein Unternehmer für die Ausbeutung dieses sonst der Fäulnis überlassenen
wertvollen Naturschatzes finden. Aber auch in metallurgischer Richtung verdiente
der Crni Vrh die Aufmerksamkeit fachmännischer Kreise. Etwa 2' j Stunden an
der Beljanica, bachaufwärts am Zlot, befinden sich Schlackenhalden, welche
beweisen, dass an seinem Hang auf Blei und Silber in alter Zeit gearbeitet
wurde. Kaum 2 km in nördlicher Luftlinie steigen vor uns die 617 m hohe
Sarparijakuppe und der 200 m höhere Gipfel der dichtbewaldeten Tilva njagra
auf, von welchen die kristallklaren Pujcaquellen abfliessen. Die Vorhöhe Tilva
Mik soll einst befestigt gewesen sein (?). An einigen Schanzen vorüber, die
1876 das Vordringen der Türken abwehren sollten, erreichten wir das nur mehr
5 km ferne, 150 m tiefer liegende Brestovacka Banja in rascher Fahrt.
Inmitten einer prachtvollen Waldvegetation entspringen dem stellenweise in
viele kugelförmige Stücke sich absondernden Syenitporphyr der Kubusorhänge,
dicht nebeneinander auf beiden Pujcaufern, mehrere warme Mineralquellen, welche
die wahrscheinlich schon zur Römerzeit benutzte Therme rasch in Serbien berühmt
machten. Der „Ljubicastein" erinnert daran, dass seine erste Fürstin es 1834
40fi Am Krivi Vir über Zlot, Brestovacka Banja, Zajecar, Vrska Ciika zur Jasenica.
mit ihren Söhnen Milan und Mihail besuchte. Auch Fürst Miloä fand hier 1860
Linderung seines chronischen Leidens. Nach Herder geben die fünf aus Fels-
klüften koniincnden Hauptquellen in einer Minute ungefähr 9,5 Kubikmeter
Wasser; einige zeichnen sich durch grossen Gehalt von schwefelsaurem Natron und
Bittererde aus, andere sind so reich an kohlensaurem Salz, dass Prof. Pancic sie
an Wirksamkeit allen serbischen voran und den Karlsbadern am nächsten stellte.
Die Überbauung der Quellen trägt deutlich türkisches Gepräge und wurde
meist nur renoviert. So das Bad No. I, dessen kreisförmiges Steinbassin von
3 m Durchmesser ein quadratischer, mit vier Ecknischen geschmückter Oberbau
umgibt, der durch in die Kuppel eingefügte bunte Glasstücke erhellt wird. Es
ist die schwächere, vielbesuchte Therme mit 27 •' C. auf dem linken Ufer. Die
gleichfalls in einem runden Bassin gefasste Quelle des wenige Schritte entfernten
Bades No. II besitzt 36» C, die wärmste des Bades No. III auf dem rechten
Ufer hat 39» C. und die benachbarte No. IV als kühlste 24» C. Eine fünfte
mit 3ö 0 C. wird als heilsame Augenquelle gerühmt. Diese von früher
veröffentlichten stark abweichenden Temperaturangaben stammen von dem mich
zu den verschiedenen Quellen persönlich geleitenden k. Inspektor, der seit vielen
Jahren alle Trink- und Badeanstalten überwacht.
Fürst Alexander Karadjordjevic tat viel für den Komfort der von ihm oft
aufgesuchten Therme. Das für seine Familie bestimmte einstöckige Wohnhaus
bildet heute noch die Zierde der Brestovacka Banja. Die anderen, langgestreckten
Gastgebäude und die 32 Zimmer enthaltende Mehana genügen aber lange nicht
mehr modernen Ansprüchen und dem jährlich wachsenden Besuche. Die Regierung
als Eigentümerin sämtlicher Bauten und Bäder beabsichtigt denn auch einen
Kurhausbau mit 24 Zimmern. 1889 zog sie aus der Verpachtung der Gebäude
11640 d, weitere 1000 d — Arme wohnen und baden unentgeltlich — ■ aus
5000 Badekarten zum billigen Preise von 20 Centimes. Im Beginne der Saison
erscheint der vom Staate bezahlte Arzt, ein Polizeibeamter und ein Telegraphist
in dem jährlich 250 bis 300 Gäste aufnehmenden Bade.
Den Hauptreiz des ebenso billigen als ungezwungenen Lebens bilden
Spaziergänge in die pittoreske Umgebung, in den Erlenhainen, welche die Bäder
umschliessen, oder zum hochliegenden Ruhesitz im herrlichen rechtsuferigen
Buchenwalde, den der Staat ganz besonders schirmt und pflegen lässt. Eine
junge Fichtenparkanlage bei der Mehana bietet vorerst geringen Schatten,
dafür aber einen lohnenden Blick auf die gesamte Badeanlage und die in
das freundliche Tal hereinblickende ferne Tilva njagra. Auch im südlichen
Sarbanovac, wo Gipskristalle vorkommen und römische eiserne Pfeilspitzen,
Werkzeuge usw. gefunden wurden, entspringt eine zukunftreiche heisse Quelle. In
den nahen Buchenwäldern wird von den Walachen starke Holzindustrie getrieben.
Tröge, Ofenschaufeln usw. werden gleich im Walde produziert und wie das
Brennholz auch im schneelosen Herbst auf Schlitten herabbefördert. Das
vorgespannte Rindvieh ist von kleinster Rasse.
Unsere stetig sich verschlechternde Strasse belebten einige Walachenfrauen,
welche der blauende Sonntagsmorgen ins Bad lockte. Sie kamen aus dem
Am Krivi Vir über Zlot, RrestovaCka Banjn, Zajecar, Vrska Ciika zur |ascnica. 407
seitlicIiLMi, 1660 Seelen zählenden Dort'e Brestovac, bei dein ausgezeichneter, zu
Schleif- und Mühlsteinen sich eignender Wetzschiefer ansteht. Seinen Wohlstand
verrieten vortreffliche Ackergründe und Weingärten, durch welche wir auf riesige
Hutweiden gelangten. Das tiefgesättigte frische Grün der lehmigen, oft den
unterlagernden Kalk hervortreten lassenden Hochterrasse mit riesigen Herden
bildete den wirksamen V'orgrund zum majestätischen Fernbilde der nördlichen
Gebirgswelt. Der Sto, Krs, Krivelj, Crni Vrh lagen in malerischster Farben-
abstufung vom Tiefblau bis zum alle Details verschmelzenden kalten Grau ihrer
meist nackten, über 1170 m hohen Kuppen, Hörner, Spitzen vor uns. Unten in
zwei von NO. nacli SW. laufenden Einschnitten fliessen die ansehnliche Borska
und Crna — auf der österreichischen Karte fehlten sie damals — , im dritten die
BrestovaCka Banja.
S. nach N. laufende Bela reka. Im ersten liegen die Orte Bor und Slatina, im
zweiten Krivelj und 0§trelj, im dritten Luka, Topla, Bucje und Bela Reka. Ein
grosser Teil dieses Gebietes gehört der eruptiv-trachitischen Zone an. Es ist
ein bergmännisch hochinteressanter Boden. Schon Herder stiess bei Lukas
erzführenden Baritgängen auf silberhaltige Bleischlacken, alte verraste Halden
und Pingen, auf Kupfer und Blei bei Krivelj und anderen Punkten, als zweifellose
Fortsetzung der berühmten Majdanpeker Erzlager über Bor und Zlot zur Brestovacer
Brauneisensteinmine. Hofmann erzählt, dass ein Bauer beim Ackern 1886 auf
der „Cista Pucina" bei Luka ein 213 Gramm schweres Stück Gold gefunden,
für welches er in Negotin 14 Dukaten erhielt, und schliesst nach eingehender
Durchforschung des Terrains, dass der Gold führende Gang in der erwähnten
primären Region gesucht werden müsse. ')
') Qodignjak rudarskog odeljenja, I. Bd., S. 162.
408 Am Krivi Vir über Zlot, Brestovacka Banja, Zajecar, VrÄka Cuka zur Jasenica.
Dass schon der in prähistorischer Zeit hier siedelnde Mensch diese
verschiedenen Melallschätze zu benutzen verstand, ist sicher erwiesen. Bei Bor
fand man ausser einem Ton-Spinnwirtel von 3,5 cm Durchmesser und 0,8 cm
weiter Öffnung den 27 cm langen, 3 kg wiegenden Teil eines kupfernen
Werkzeugs. Leider entscheidet bei der Volksniasse für die Bewahrung zufälliger
Funde ihr Materialwert. Dies erklärt, dass den bisher spärlichen neolithischen
Werkzeugen in Serbien eine verhältnismässig bedeutende Zahl solcher von
reinem Kupfer gegenübersteht, weiche vereint mit in Kroatien und Bosnien
aufgefundenen die prähistorische, pannonische Kupferzone ') ansehnlich vergrössern.
Am interessantesten erscheint ein in das Wiener k. k. Naturhistorische Museum
gelangtes bergmännisches Werkzeug, das 1888 bei dem östlichen Slatina gefunden
wurde. Es ist eine Doppelhaue (Breit- oder Rodehaue) mit zwei sanft gebogenen
Schneiden, deren eine vertikal, die andere aber horizontal und zugleich löffelartig
Crni Vrh
Krivelj Tilvaros
Krs
Sto
Die befestigten Stoberge bei Slatina.
ausgeschweift ist. Sie hat 38 cm Länge, 3—5 cm Breite, 1,5—2 cm Stärke und ein
rundes Stielloch von 32 mm Durchmesser. Für das Gewinnen milder Massen
erscheint sie sehr geeignet, auch darf man den Guss gelungen nennen; die etwas
narbige Oberfläche zeigt einen sehr schönen Patinaüberzug, im physikalischen
Kabinett des Negotiner Gymnasiums sah ich einen 0,26 m langen, zur Hälfte
beilartig gestalteten Spitzhammer von reinem Kupfer, angeblich aus Brestovac.
Zwei grössere Hämmer wurden 1873 im südlicheren Valakonje (S. 400) gefunden.
Der eine, 0,29 m lang, wiegt 255, der zweite 0,31 m lange 387 Gramm.
Ein 24 cm langes, 1 kg schweres Kupferbeil stammt aus dem benachbarten
Osnic, ein Hammer aus Bor. Nach allem darf man daher annehmen, dass die
Anfertigung von kupfernen Werkzeugen, von welchen schon jetzt aus Serbien
') Die Kupferzeit in Ungarn, Budapest 1884, und Kanitz, Die prähist. Funde in Serbien
bis 1889, Anthrop. Ges., 19. Bd., Wien 1889. Ein der Haue im Wiener Naturh. Museum sehr
ähnliches Kupferwerkzeug sah ich im Oktober 1896 im Agramer National-Museum, einige
andere aus seiner reichen Sammlung in der Budapester Milenniums-Ausstellung.
Am Krivi Vir über Zlot, Brestovacka Banja, Zajccar. Vrska Cuka zur Jasenica. 409
sechs, teilweise nur dort vorkommende Typen bekannt sind, am scinvungiiaftesten
im Timokgebiete blüiite.
Den römischen Minenbetrieb in diesen Bergen bezeugen ausser vielen
Werkspuren, Miinzen, gestempelten Ziegeln usw. die zu seinem Schutze erbauten
Kastelle. Die Spitze der nur von Osten ersteigbaren Tilvaros, zwischen Krivelj
und Bor, trägt die Ruine eines solchen; andere Burgreste liegen auf dem 1174 m
hohen Sto, dessen 160 m steil abstürzende Kalksteinwände sein Besteigen sehr
schwierig machen. Hoch oben stand auf einem etwa 5 Hektar grossen Wiesen-
plateau ein Rümerkastell mit etwa 3ü m langen Fronten. Am höchsten Stofelsen
„Cornu de capra" (Geishorn) befinden sich, wie mir Bergingenieur J. Manteanu
mitteilte, eingemeisselte antike Inschriften, die noch ihrer Kopierung warten. Unter
dem Schutze des Sto-Kastells zog die römische Timok-Strasse über Luka und
Doppelhaue von Slatiiia und Spitzhainmcr von Kupfer aus Brestovac.
den Trebuc an der Bela reka in das Porecka reka-Tal nach Taliata zur Donau.
Ihre Schilderung bringt das folgende Kapitel.
Die nach vollendeter Aufnahme des Gebirgsprofils von uns durchschnittene
Terrasse überziehen dichte Wachholderhecken, deren starkes Holz zu Gehöftzäunen
verwendet wird. Niemand sammelt und trocknet aber ihre Beeren, obschon man
aus Budapest bezogene in der Zajecarer Apotheke als beliebtes Räuchermittel
verkauft. Die stark vernachlässigte Strasse wird durch sich stetig erweiternde
Querrisse im bröckeligen Lehmboden stark gefährdet, und gleich sehr der hier
vorherrschende Eichenstand, den das abstürzende Erdreich in 5—8 m tiefen
Erosionen allmählich begräbt. Solche und einige Schanzen von 1876 begleiteten
uns bis zum tiefliegenden Slatina. Sein ringsum unter lustiger Frulamusik
(Flütenmusik) von walachischen Hirtenknaben geweidetes Grossvieh zeigt viel
kräftigeren Schlag, als jenes im Gebirge. Das Dorf gilt als eines der grössten
und reichsten des Bezirks. Schon aus der Ferne kündigt es sich als solches an.
Auf Serpentinen ging es hinab zu seinem Forum, gebildet von der im Banaler Stil
erbauten Kirche mit weissem Turm, der grossen schönen Schule, einigen netten
Häusern und stattlicher Mehana. Wir hatten uns in dieser kaum installiert, als
zu meiner freudigen Überraschung der von Zajecar herübergekommene General-
stabschef Miskovic und Kreispräfekt Vule Vukotic mich begrüssten.
410 Am Krivi Vir über Zlot, Brestovacka Banja, Zajecar. Vrska Cuka zur Jasenica.
Unsere gefällige serbische Wirtin zauberte ein treffliches Mahl, echten
Negotiner Rotwein und prächtiges Obst auf den Tisch. Ein auf dem benachbarten
Kirchplatze sich abspielendes Hochzeitsfest lieferte die Tafelmusik. Ich war in
die beliebteste walachische Heiratszeit hineingeraten. Aus dem tieferliegenden
Dorfteile zog ein anderes, des Priesters Segen verlangendes Paar herauf. Junge
lustige devers, behängt mit rotgeblumten Tüchern, eröffneten die bunte Prozession;
Fahnenträger, Tamtamschläger, Dudelsackpfeifer folgten. Wir traten hinaus. Der
mit Blumen und einem bunten Tuche geschmückte Bräutigam bot uns der Reihe
nach den Willkommtrunk; die von ihren Freundinnen umgebene Braut küsste
mit tiefgesenktem Kopfe unsere Hände, doch ihr Gesicht war unter dem reichen
Münzen- und Blumenkranze kaum erkennbar. Der Nacelnik rühmte seine Walachen
als ungemein bildungsfreundlich. Vom Sto südwärts bis Sikole und Slatina
gibt es wohl keine Kirchen, jedes nur etwas grössere Dorf besitzt aber ein
Schulhaus oder sammelt die Mittel zum Bau eines solchen. Einen interessanten
Beitrag für Sitte und Brauch dieser Rumänen lieferte Dr. Stevan Mäcsay. ')
Mein Tagesprogramm gestattete mir nur eine Stunde Rast. An der Borska
reka ging es 3 km abwärts zur mit Reben bepflanzten Popova Cuka, bei der sie,
nahe ihrer Mündung, die durch den 200 m breiten Samar (Sattel) getrennten Bäche
Bela- und Crna reka aufnimmt. Diese bilden das Hauptrevier der am Timok
betriebenen Goldwäscherei. Ihr Zentralpunkt Slatina liegt auf schmalem Kreide-
gürtel, umschlossen von einem gewaltigen Massiv eruptiver andesitischer Gesteine.
Nach Bergingenieur Götting-) durchbrechen diese die Lias- und Tertiär-Sedimente
in Form von Inseln und Kuppen als Träger des Goldvorkommens. Ob dieses
gangartig oder anders gestaltet sei, steht bis heute nicht fest. Bisher fand man
weder im begleitenden Terrain, noch am Slatinska reka-Laufe Reste alter Halden
oder Pingen, was nicht ausschliesst, dass solche bei eingehender Untersuchung
unter dem Rasen zum Vorschein gelangen können. Hauptsächlich wurden in alter
Zeit „Goldseifen" ausgebeutet. Die Erinnerung an einen rationellen Bergbaubetrieb
auf Edelmetall ging in der von jüngeren Ansiedlern stammenden Bevölkerung
verloren. Das Goldwaschen wird hier, am Djalucberge bei Glogovica und
anderen Punkten des Krajinagebietes in der von mir schon früher geschilderten
primitiven Weise betrieben. Nach reichlichem Regenfalle gelingt es einzelnen, bei
fleissiger Arbeit ein halbes Dram (1 Dram ^= 1 Dukaten) täglich zu gewinnen.
Ist eine grössere Quantität beisammen, so wandert einer der Goldwäscher nach
Negotin, wo man per Dram, wie mir mehrfach versichert wurde, nur acht dinar,
also zwei Dritteile seines Münzwertes, bezahlt. Aus diesen und den bereits
gegebenen Daten erhellt, dass die Goldwäscherei sich sehr bescheiden lohnt.
Von den Serpentinen der über Rgotina zur Bela reka ziehenden grossen
Strasse entwickelte sich ein landschaftlich schöner Blick in ihr reiches Tal und auf
die östlich wildromantisch aufstrebenden Felsmauern, durch welche sie zwischen
kaum einem Fusspfade genügenden Raum gewährenden Abstürzen hinaus zum
Timok fliesst. Nur von SO. sind die Reste der diesen „Rgotski Kamen" einst
') Glasnik, Bd. 73, S. 135 ff
') Berg- und Hüttcnm. Zeitung, 1888.
Am Krivi Vir über Zlot, BrestovaCka Banja. ZajeCar, VrSka Cuka zur Jasenica. 411
krönenden Befestigung zugänglich. Ihr Namen soll gleich dem des nahen Dorfes
Rgotina, nach einer Hypothese des Zajecarer Erzpriesters Ugrinovic, von dem
griechischen „Argos" stammen.') Das Material und die Bauart der am Felsrande
klebenden stark verwüsteten Umwallung hoben aber jeden Zweifel, dass sie einem
Kastell angehörte, welches die Römer zum Schutze ihres hier nach Taiiata
abbiegenden Strassenzweiges erbauten. Als trefflicher „Luginsland" bot das
Kastell eine weit ins bulgarische Timokgebiet reichende Fernsicht. Die dem Volke
fremdartigen Gräber auf dem von Mauern durchzogenen Plateau heissen „zidovsko"
und auch „latinsko groblje". Für eine prähistorische Ansiedelung auf dieser Stätte
sprechen die von ihr stammenden Gefässe, Eisenkelte und ein 10 cm grosser
Feuersteinknollen mit zierlich eingeschnittenem Formmodell, welche ich in der
kleinen Sammlung des Kreisingenieurs Mita Dimic zu Zajecar sah.
Weitere 5 km Fahrt führten uns in die Mitte des italienisch anmutenden
Dorfes, in seiner besten Mehana erwarteten mich der uns entgegengeeilte
Bezirkskapetan, der Ortsskupstinar, der Pope und einige Honoratioren. Während
der mir angebotene Kaffee bereitet wurde, besichtigte ich den neuen Schulbau,
der ganz hübsch zu werden versprach. Zurückgekehrt unter die schaftigen
Baumkronen leitete ich das Gespräch auf den Ursprung des Namens Rgotina.
Der im Dorfe geborene Pope Stevan Milosevic versicherte, dass sein „ded"
(Grossvater) oft erzählte, dass dessen von zwei Brüdern geführte Ahnen aus
Kosovo und Sjenica in Altserbien vor 150 Jahren an der Mündung der Bela reka
sich angesiedelt hatten. Der Hanbesitzer, poslanik (Landtagsabgeordneter) Aleksa
Zdravkovic, bestätigte dies und meinte; Traditionell erbe sich die Sage fort,
die christlichen Einwanderer wären von den auf der benachbarten „Tatarna"
siedelnden Tataren so sehr gequält worden, dass sie den Ort verlassen wollten.
Man verhandelte über das Wohin? Ein aus dem Banat eingewanderter Insasse,
') Milidevlc, Kneievina Srbija, S. 879.
412 Am Krivi Vir über Zlot, Brestovafka Banja, ZajeJar, VrSka Cuka zur Jasenica.
der stets „Herr Gott!" rief, empfahl den Berj^hang beim iieutigen „Rgotina";
der mit dieser Wahl unzufriedene Teil zog nach dem von den Gegnern „Vraze •
grno" (Teufelsort) geschimpften „Vrazogrnac", und so kamen beide Nachbardörfer
zu ihren heutigen Namen.
Dieser eines gewissen heiteren Anstrichs nicht entbehrende historisch-
ethymologische Exkurs stimmt nicht mit Drag. Jovanovics Mitteilung, dass diese
Orte durch kroatisch-slavonische Ansiedler begründet wurden '), und auch nicht
mit der vorerwähnten gekünstelten Ableitung des Namens Rgotina vom griechischen
„Argos". Andererseits geht aus den Mitteilungen meiner Gewährsmänner zweifellos
hervor, dass die serbische Besiedelung eines grossen Teiles des Timokgebietes
erst während des vom Pecer Patriarchen Arsenije IV. geleiteten zweiten grossen
Exodus aus Altserbien im Jahre 1740 erfolgte. Unter den Einwanderern befand
sich auch der Stamm „Dragutinci" aus der Senicaer Nahija, von welchem eine
Familie weiter nach Bulgarien wanderte und dort südlich vom Bela am Jantraflusse
das Dorf „Kosovo" begründete; ihre Nachkommen sollen heute noch den Haus-
patron Lazar feiern und sich ihrer Abstammung erinnern.
Die für meine Studien sich lebhaft interessierenden Herren verehrten mir
einige auf der Hochburg gefundene römische Kaisermünzen und erzählten auch
von Mauern auf einem 2 km östlicheren Punkte, deren Ursprung unbekannt sei.
Den nach dieser „Straza" führenden Feldweg einschlagend, fand ich bald, dass
die Römer sich nicht mit der Befestigung des Rgotinaer Berges begnügten, sondern
an diesem Gabelpunkt ihrer Timok- und Bela reka-Strassen auf der Hochebene
ein zweites Kastell angelegt hatten. Die arge Verwüstung seiner Mauern, von
deren nach allen Richtungen verschlepptem Material römische Deckziegel, Mörtel-
stücke usw. die Felder ringsum bedeckten, erschwerte die Bestimmung seines
Grundrisses. Doch ergab sich nach wiederholter Umschreitung der Wallfronten
ein ungleichseitiges Hexfagon von beiläufig 120 m Durchmesser mit fünf rund
vorspringenden Ecktürmen. Der Hauptzugang befand sich zwischen den Süd-
mauern. Das durchaus 2 m starke Gusswerk zeigte Reste einstiger Verkleidung
mit Sandsteinplatten, zwischen diesen fand man einen inschriftlosen Votivstein
mit roh skulptierten Figuren eines, den Stab in der rechten Hand haltenden
Mannes und seiner Frau. Von dem kleinen Kastellfriedhof stammen die Grabsteine,
welche Herr Dimic, der Eigentümer einer nahen Kunstmühle, vor Verschleppung
rettete und ich in meinen „Römischen Studien" abbildete. Zwei eingemauerte
Reliefplatten mit Brustbildern und den Buchstaben D M (Diis manibus) erkannte
ich als zusammengehörig, ob auch zwei andere schwer lesbare Fragmente, ist
fraglich; ebenso, ob auf dem östlichen, etwa 30 Quadratmeter messenden, mit
Gestrüpp und Steinen bedeckten „Seliste" ein antiker Wachturm stand. Es erhielt
sich die Tradition, dass hier vor 200 Jahren ein grosses Dorf Tolovac sich befand,
dessen Bewohner am Sabortage von den Türken teils getötet oder in die Sklaverei
geschleppt wurden. Nur wenige entkamen und gründeten das Pancova benach-
barte Dolova an der Donau. Ob sich dort dieselbe Tradition erhielt?
') Glasnik, Bd 54.
Am Krivi \'ir über Zlot, Rrestovacka Ranja, Zajecar, Vrska Cuka zur Jasetiica 413
Die Nacht war eingebrochen. An uns vorüber sauste der Wagen meiner
in Slatina gebhebenen Zajccarer Freunde. Wir hielten noch in Vrazogrnac, wo
ich die im Rohbau sehr hübsch ausgefüiirte, 1887 geweihte, aber bald darauf in
der Westhäifte zusammengestürzte hl. Geistkirche bei Fackelschein besichtigte. Eine
Kommission hatte kurz zuvor erhoben, dass einige eigenmächtige Planänderungen
des Unternehmers das Unglück verschuldet hatten. Die fünfkuppelige Anlage des
von 2ivanovic entworfenen, 33000 d kostenden Baues fand ich im ganzen sehr
gelungen, aber den geradlinigen Portalabschluss nicht ganz dem byzantinischen
Stil entsprechend. Unsere Pferde griffen nun scharf aus, und die im letzten
Kapitel geschilderte kurze Wegstrecke nach Zajecar war bald zurückgelegt.
In seinem ersten, durch höhere Offiziere stark besetzten Gasthofe hatte der
stets liebenswürdige Oberst Miskovic sein eigenes Zimmer für mich geräumt
und ein treffliches Souper bestellt, das nach des Tages Mühen sich allseitiger
Anerkennung erfreute.
Aus Zajecars mittelalterlicher Epoche erzählt die Tradition, dass eine von
dem 15 Minuten fernen Römerkastell Kostolac geflüchtete Königin auf der süd-
lichen Kraljevica grosse Schätze vergrub; die Türken suchten nach diesen, fanden
aber nur treffliches Trinkwasser. Der Namen der Stadt stamme aber von dem
sie gründenden Pascha — Zaja — . Der bis 1833 in Zajecar residierende Muselim
war vom Vidiner Pascha abhängig. Die reiche Crna Reka bildete für diese und
namentlich für den vom Sultan abgefallenen Pasvan Oglu Pasa eine Privatdomäne,
die er durch Aufkauf kleinerer Bauerngehöfte zu von ihm selbst bestimmten
niederen Grundpreisen allmählich vergrösserte. Die fruchtbarsten Ländereien auf
dem linken Timokufer bis zur wiesenreichen Tatarna bei Vrazogrnac beutete er
zu eigenem Nutzen aus. Sein Einfluss in der Crna Reka war so gross, dass die
serbischen Knezen Pop Radosav aus Planinica, Joko aus Krivi Vir u. a. mit ihm
gegen die suitanlichen Truppen kämpften. Einige zeichnete er für bewiesene
Tapferkeit mit goldenen und silbernen Waffen aus; mit Geld die mutigen serbischen
Krdzalijen: Zdravko Markovic Zibulovac aus Rgotina, Petko aus Nikolicevo, Joncu
aus Sumrakovac u. a.
1804 entsendete Karadjordje den Arambasa Petar mit sechs Heiducken, um
die Crna Reka gegen die Türken zu insurgieren. Bei Vrska Cuka fing man sie
aber und schnitt ihnen auf Pasvan Oglus Befehl Hände und Füsse ab. Darauf
ermahnte der Pascha persönlich die zu Zajecar versammelten Knezen, sich ruhig
zu verhalten, er bewilligte einige Freiheiten und ernannte den angesehenen Milisav
Djordjevic aus Lasovo zum Staresina des Bezirks. Die Nachricht von den
serbischen Erfolgen erhitzte trotzdem die Gemüter. Milisav ging als Kaufmann
verkleidet in die Sumadija, beriet sich mit den Revolutionshäuptern und versprach
diesen feierlich die baldige Erhebung der Crna Reka. Im von Zajeöar südlichen
Griister Kloster Sv. Petar verabredete Milisav mit Pop Radosav und Joko heimlich
alle vorbereitenden Schritte. Er selbst übernahm die Aufwiegelung der Ortschaften:
Lasovo, Vrbovac, Lenovac, Leskovac, Grliste, Lubnica, Dobro Polje, Dobrujevac,
Boljevac; der Pope jene von Planinica, Sarbanovac, Sumrakovac, Zlot, Podgorac
und Valakonjc; Joko aber von Krivi Vir, Jablanica, Lukovo, Mali Izvor und Mirovo.
414 Am Krivi Vir über Zlot, Brestovacka Banja, Zajecar, Vrska Cuka zur Jasenica.
Der Aufstand begann bei der llinoer Kula, wo der ihre Übergabe
verweigernde Subasa Vecir mit seinen Leuten fiel, aucii 36 Pferde, Waffen und
Geld erbeutet wurden. Auf dem Wege nach Zajecar kam es aber zu ernstem
Kampfe. Die vom Knezen Resavac in Svilajinac zugesagte, von Lazar Barjaktarovic
geführte Hilfsceta erschien rechtzeitig und das Gefecht endete glückhcli. Trotzdem
wagten die Aufständisciien es nicht, sich mit den bereits von Vidin iieranziehenden
Scharen im freien Felde zu messen. Joko war schwer verwundet; Milisav und
Pop Radosav verschanzten sich unter dem Berge Tupiznica, andere Haufen auf
der Rasnica. Pasvan Oglu Pasa Hess sie durch Abgesandte aus ruhig gebliebenen
Dörfern zur Übergabe, unter Zusicherung voller Straflosigkeit, auffordern. An
längeren Widerstand war nicht zu denken. Den türkischen schönen Worten
glaubte man nicht; so flüchtete Pop Radosav in seine Heimat und später nach
Russland, Milisav aber, der am allerwenigsten auf dauernde Gnade hoffen durfte,
zog mit 500 der nationalen Sache ergebenen Leuten, welche er in Krivi Vir
gesammelt, zu seinem Bundesgenossen Resavac, und mit diesem später in das
Lager bei Ivankovac, wo er den Sieg gegen die Türken mit erfechten half.
Pasvan Oglu Pasa verstärkte nach dem vereitelten Erhebungsversuche
die Besatzungen der Kulas in den Rajahdörfern. Jedes wurde von einem mit
grossen Vollmachten ausgestatteten Subasa überwacht, die sich oft Ausschreitungen
gröbster Art gegen die waffenlosen Christen erlaubten. Diese jede freie Bewegung
hindernde Massregel, dann die grosse Nähe der festen Orte Kula und Belogradcik,
insbesondere aber des starken Donauhortes Vidin, dann die 1300 m hohen Berge,
welche die Crna Reka vom nördlichen Serbien trennen, hinderten ihre energische
Teilnahme an der nationalen Erhebung während des fortgesetzten Freiheitskriegs.
Wenige Kämpfer aus diesem Gebiete beteiligten sich an diesem; unter ihnen glänzt
aber einer, trotz seiner rauhen Sitten und Beutegier, durch feurigen Patriotismus
und ganz hervorragende Tatenlust. Es ist der schon mehrfach genannte Veljko
Petrovic, bekannter unter dem volkstümlichen Namen „Hajduk Veljko", dessen
erste Biographie man Vuk verdankt.')
Der namentlich im Timokgebiet abgöttisch verehrte Nationalheld, ein Sohn
des reichen Lenovacer Herdenbesitzers Petar „Sirenjar", so genannt, weil er von
seinen 3000 Schafen viel Käse (sir) gewann, konnte schon als Bursche die
türkischen Gewaltakte nicht ertragen. Eines Tages überfiel er mit einigen Hirten
mehrere Moslims, die es sich in der väterlichen Sennerei gut sein Hessen, und
gelangte so in den Besitz der längst ersehnten Waffen. Dies geschah zur Zeit,
als Pasvan Oglus mit dem Belgrader Vezier in Fehde liegenden Krdzalijen die Crna
Reka brandschatzten und Veljkos Heimatsdorf Lenovac anzündeten.-) Von da ab
') Danlca, 1826.
-) Nach P. Sreckovic stand Veljko als junger Bursche im Dienste Caja Ninas, des
Vorstehers sämtlicher Schäfereien Pasvan Oglu Pasas, der ihn gelegentlich eines Zweikampfes,
in dem Veljko einen starken Türken besiegte, „Hajduk Veljko Bei" nannte. Wegen eines
Fehlers im Dienste soll Veljko dem Nina entlaufen sein und sich den Heiducken der Sumadija
zugesellt haben. Als er später Wojwode der Krajina geworden, liess er Nina nach Negotin
kommen, wo er ihn reich beschenkte, (ülasnik, Bd. 54, S. 198 ff.)
Am Krivi Vir über Zlot, Brestovai^ka Banja, Zajecar, Vrska Cuka zur Jasenica. 415
schloss sich Veljko dem gefürcliteten Heicluckenfiihrer Stanoje Glavas und später
Djusa Vulicevic an, übertrat" alier tu'ide bald in verwegenen Angriffen auf die
türkischen Banden. An der Donau, am Timok, bei Podgorac, wo er zuerst die
Krdzalijen schlug, zu Kijak, Poljanica, am Kaiafatfeld und bei Vrazogrnac, wo er
Schanzen gegen sie aufwarf, bei Lukovo, wo er die von Soko-Banja flüchtenden
Serben schützend aufnahm, 1809 vor Nis, namentlich aber 1810 bei Negotin. mit
einem Wort, überall, wo man sich im südöstlichen Serbien mit den Türken schlug,
glänzte er durch Tapferkeit. Als diese in Gegenwart einiger Wojwoden von
einem Guslar besungen wurde, warfen ihm diese vor, dass er doch nur ein
„Hajduk" sei; Veljko erwiderte aber lakonisch: „Gerade darauf bin ich stolz,
und leid wäre es mir, gäbe es einen grosseren!" Sein Heldentod im Jahre 1813
wird im folgenden Kapitel erzählt.
Was Veljko anstrebte, erfüllte sich erst zwei Jahrzehnte später. Die Krajina
und Crna Reka wurden wohl mit Hilfe des russischen Generals Orurk 1810 von
den Türken geräumt, doch 1813 von diesen wieder besetzt, trotzdem sich ihre
Bewohner an verschiedenen Orten und auch in der auf der Höhe beim heutigen
Nacelslvo errichteten Zajecarer Schanze gegen die türkische Übermacht tapfer
schlugen. Die Schanze befehligte derselbe Milisav Djordjevic, welcher 1805 den
Aufstand in der Crna Reka angefacht, später bei Ivankovac, Paracin, Razanj,
Aleksinac, Soko-Banja gefochten und 1810 an der Befreiung des Gebietes lebhaften
Anteil genommen hatte. Dieser Milisav, der echte Typus der kriegerischen Altserben
des Kosovofeldes, wurde im Bezirke Kolasin 1762 zu Susica geboren, suchte mit
vielen seiner Brüder eine neue Heimat und fand diese in Lasovo am Timok, wo
er durch sein männliches Wesen bald die Knezenwürde erlangte. Nachdem er
vergeblich Zajecar zu halten gesucht und die Türken sich 1813 in der Crna Reka
festgesetzt, flüchtete er durch die Sumadija über Obrenovac nach Sirmien. Als
man ihm beim Übertritte den Säbel abnehmen wollte, zerbrach er diesen und warf
ihn in die Save. Er lebte hierauf bis 1815 in Kischinjew mit einer russischen
Jahrespension von 500 Rubeln, bis er, unter Milos' Fahnen eilend, auf öster-
reichischem Boden festgenommen wurde. 1816 kehrte er mit einem vom Vidiner
Gouverneur Mehemed Ruzdi Pasa ausgestellten Bürgschaftsschreiben ') nach Lasovo
zurück, übersiedelte jedoch, des Rajahloses müde, nach Svilajinac, wo er als
angesehener Mann 1832 starb und nahe der Kirche seine Ruhestätte fand.
Nur ein Jahr, und Milisav hätte wahrscheinlich zum drittenmal sich am
Befreiungskampfe der Crna Reka beteiligt. Die willkürliche Ausschreibung einer
neuen, hohen Steuer, welche der Zajecarer Muselim unerwartet der Crna Reka
1832 auferlegte und wohl gleich sehr die Aufstachelung durch Fürst Milos'
Agenten führten zum neuen Rajahaufstande, der am St. Georgstag 1833 beraten
und sofort durch eine an den Muselim entsandte, Klage führende Deputation
eingeleitet wurde. Mit Auseinanderjagung bedroht, kam es zu rascher Tat. Der
Kniet Stanisav von Planinica tötete einen Delibasa, der Kampf spann sich fort
und 126 Serben fielen am 9. Mai in der schon zu Karadjordjes Zeit errichteten
') Sreckovic, Glasnik, Bd. 54, S. 235.
416 Am Krivi Vir über Zlot, Brcstovacka Banja, Zajecar, Vrska Cuka zur Jasenica.
Zajecarer Schanze. Nun erhob sich die ganze Krajina. Fürst Milos rief die
russische Intervention an und brachte auch direkt der Crna Reka mlHtärische Hilfe.
Er benachrichtigte die Paschas zu Nis und Leskovac, er müsse, bis die angesuchte
sultanliche Entscheidung über die künftige Landesgrenze eintreffe, zur Aufrecht-
erhaltung der Ruhe das strittige Gebiet besetzen; den Zajecarer Türken drohte
er aber mit Gewalt, wenn sie die Stadt nicht friedlich räumen wollten. Um diese
Drohung wirksamer zu gestalten, Hess er seine nur 60 Mann starke uniformierte
Kavallerie eine von der Stadt sichtbare Waldlichtung wiederholt passieren, was
die Moslims zur raschen Flucht bewog. Minister Cukic erzählte mir, dass dieser
gelungene „coup de theatre" ihm oft und auch von einem der beteiligten Reiter
verbürgt wurde.
Nachdem die Timokgrenze 1834 definitiv reguliert war, erhob Alilos Zajecar
zur Kreisstadt, verlegte dahin den Bischofssitz für das neuerworbene Gebiet; auch
'^i<v]}-t 1
Türkisclier Angriff bei Halova-Karaula.
erhielt es 1833 eine Volksschule und 1838 ein Gymnasium. Letzteres und der
Bischof übersiedelten aber nach Negotin, welches der Fürst in jeder Weise zu
heben suchte. Später geschah wieder manches für Zajecar, namentlich durch
verbesserte Strassen zur Donau und Morava. Der serbisch -türkische Krieg
schädigte aber lange sein allmähliches Aufblühen. Denn die nordwestliche Spitze
Bulgariens zwischen dem Timok und der Donau wurde 1876 der Schauplatz heisser
Kämpfe des auf Vidin gestützten rechten Flügels der türkischen Armee unter dem
als „Löwe von Plewna" berühmt gewordenen Divisionär Osman Pasa mit dem
serbischen Timokkorps. Dieses von Oberst Lesjanin und dem Generalstabsmajor
Topalovic geführte Korps bestand aus 8 Bataillonen Zajecar, 10 Bataillonen
Negotin, 14 Bataillonen Pozarevac und Branicevo, der „heiligen Legion",
3 Bataillonen, 3 Kompanien Jäger, 6 Eskadronen, 2 schweren und 2 leichten
Vierpfünder-Batterien. Nach dem serbischen Kriegsplane sollte das Korps die
bei Vidin sich sammelnden Truppen verhindern, die unter Cernjajeff gegen Nis
operierende Hauptarmee in Flanke und Rücken zu fassen. Am 2. Juli überschritt
Lesjanins Krajina-Brigade und „heilige Legion" bei Vrska Cuka die Grenze. Seine
Offensive kam jedoch schon beim ersten Versuche zum Stehen. Von Osman
Am Krivi \'ir über Zlot, Brestovacka Banja, Zajccar, Vrska Cuka zur lasenica 417
Pasa am 3. Juli mit starkem Verlust in die Versclianzun|j;en am rechten Timokufer
zurückgeworfen, iiuisste man am nächsten Tag auch diese räumen und sich in
die feste Stellung bei Zajecar zurückziehen. Die beiden Tage hatten die „heilige
Legion" nahezu dezimiert, die Tscherkessen mähten ganze Reihen derselben nieder,
denn sie gaben keinen Pardon. In allem betrug der serbische Verlust 1800 Mann
an Toten und Verwundeten; der türkische wurde, wegen der wiederholten Angriffe
auf die serbischen Verschanzungen, noch höher geschätzt.
Am 12. Juli griff der durch eine Brigade Sumadija verstärkte Lesjaniii die
Türken bei Veliki Izvor abermals vergeblich an. Gleichzeitig versuchten von
Major Ostojic geführte Serben und bulgarische Freischärler über Rakitnica nach
Osman Pasa.
Ginzovo vorzudringen; die Gegner verliessen beide Orte, doch schon am nächsten
Tage wurden sie durch ein kurz zuvor in Vidin eingetroffenes Trapezunter
Nizam- Bataillon und berittene Tscherkessen blutig zurückgewiesen. Gleich
erfolglos war aber Osman Pasas Angriff am 13. Juli auf die serbische Stellung vor
Zajecar; am 18. Juli ging sogar Oberst Leäjanin erneut offensiv vor und suchte
den linken türkischen Flügel durch weit ausholende Umgehungen über Bugar
Korito im Kadibogaz und Salas zum Rückzuge zu zwingen, was nach mehrtägigem
Widerstände gelang. In diesen Gefechten fiel der russische Oberst Kirijeff,
Kommandant der bulgarischen Freischaren (S. 418). Am 28. Juli warf jedocli
Osman Pasa die Serben energisch über den Timok und zwang sie zum Rückzug auf
ihre Zajecarer Positionen. Am 6. August überschritt der durch die Vrska Cuka
vordringende Brigadier Hassan Pasa bei Prlita den Timok, erstürmte Grljan und
F. KANITZ, Serbien, li. L'T
418 Am Krivi Vir über Zlot, Brestovacka Banja, Zajecar, Vrska Ciika zur Jasenica.
bombardierte das unglückliche Zajecar, dessen ausgedehnten Schanzengürtel
General Lesjanins geschwächtes Korps gegen die den Fluss auf verschiedenen
Punkten übersetzende türkische Uebermacht nicht zu halten vermochte. Vor und
mit den abziehenden Truppen flüchteten die erschreckten Bewohner der
Stadt und ihrer Umgebung, welche alle Herden und leichtere Habe vor den
tscherkessischen Räubern zu retten suchten. Viele Häuser wurden nach ihrer
Ausplünderung bis auf den letzten Eisennagel, und nachdem Türen und Fenster
ausgebrochen worden, angezündet. Am 18. August versuchte Leäjanin einen
Vorstoss über Jclasnica gegen Zajecar, wurde aber von Osman Pasa gegen
Koprivnica zurückgedrängt.
Unter den mit ihren serbischen Stammesbrüdern kämpfenden Bulgaren und
Russen befanden sich manche unzuverlässige, gewiss aber auch viele von hoher
Uneigennützigkeit beseelte Elemente. Als Typus dieser letzteren leuchtete hervor
jener im weissen Waffenrocke der „heiligen Legion" bei Zajecar in allen schweren
Kämpfen heldenmütig vorangehende Nikolaj Kirijeff, der, obgleich von fünf
Gewehrkugeln getroffen, sterbend noch „Vorwärts" rief! Kaum hatte sich das hart
mitgenommene Zajecar etwas erholt, brach 1883 der Aufstand gegen das Regime
der Naprednjaci aus, den viele seiner Bürger mit Tod oder Gefängnis büssen
mussten. Im serbisch-bulgarischen Kriege 1885 bildete Zajecar den Stützpunkt
des vom General Lesjanin befehligten linken Flügels, welcher am 15. November
von Vrska Cuka den Vormarsch gegen Kula und Vidin begann, infolge der
Ereignisse bei Pirot gingen aber durch den Waffenstillstand vom 29. November
die errungenen Vorteile verloren, und am 20. Dezember betrat das Gros des
Timokkorps über Vräka Cuka wieder den heimischen Boden.
Mit bewundernswerter Regenerationskraft erholte sich Zajecar stets von
allen herben Schicksalsschlägen. Wohl trug die „Velika Kafana", in der ich am
20. Oktober 1889 dasselbe Zimmer bezog, welches der „Löwe von Plewna"
bewohnte, gleich der Kirche und einigen Privathäusern noch beredte Spuren
tscherkessischer Brutalität, doch auch diese verschwinden, namentlich durch die
Tätigkeit des „Gegenseitigen Hilfs- und Sparvereins" und der Sparkasse, welche
1895 allein nahezu 14 Millionen d in Umlauf brachten.') Als ich am 10. August 1897
Zajecar zum fünftenmal besuchte, fand ich es durchaus gepflastert und Kozlics
Regulierungsplan von 1889 grösstenteils durchgeführt. Fertig war die Parkanlage,
auf der Velika pijaca (Grosser Marktplatz) und in der Oberstadt strömte das von
der Kraljevica herabgeleitete Wasser aus zwei Brunnen, an deren Stelle bald
monumentalere treten sollen. Vollendet sah ich in der Oberstadt das 250000 d
kostende Gymnasium mit 25 Fenstern Front und mit Figuren geschmückt, „der
Wissenschaft und dem Vaterlande 1891 erbaut", ferner im Bau eine 40000 d
kostende Mädchen-Elementar- und Arbeitsschule. Die neue Kreispräfektur ist nahe
der alten, unscheinbaren geplant, wo sich die Stadt zur entfernten Station der
Timokbahn auszudehnen verspricht. Mit ihrem lange projektierten Ausbau von
Zajecar über Knjazevac nach Nis wird sich auch die städtische Industrie heben,
') 1906 betrug der Umlauf des Hilfs- und Sparvereins 24,6 und der Sparkasse 9,4 Miil. d.
Am Krivi Vir über Zlot, Brestovafka Banja, Zajefar, VrSka Cuka zur Jasenica. 419
die, von dem in vielen Häusern fabrizierten „Sajaktucli" abgeseiien, iieute aus
einer Kunsfmiiiiie und zwei Brauereien, von weichen jene der 1895 gegründeten
üeneral Milojko Lesjanin.
„Zajecarer Industrie-Gesellschaft (Milisav Nikolic et Cie.)" im modernen Stile
mit Dampfkraft aus serbischem Hopfen rationell erzeugt.
Zajecar gilt nach Belgrad als die reichste Stadt des Königreichs und ihre
Bewohner den bulgarischen Nachbarn an Fleiss und Sparsamkeit ebenbürtig. 1897
27*
420 Am Krivi Vir über Zlot, BrestovaCka Banja, Zajecar, Vrska Cuka zur Jasenica.
zählte man in 1250, teilweise hübschen Häusern 7000 Bewohner'), von welchen
etwa 360 Landbau, 230 Handel, die Mehrzahl aber Gewerbe trieben. Advokaten
gab es nur 2, Ärzte 6, Geistliche 8, Professoren, Lehrer 31. Unter 410 Rumänen,
65 Slaven, 40 Deutschen, 9 Ungarn, 105 Zigeunern usw. bekannten sich nur 50
als Katholiken; die Orthodoxie herrscht also hier unumschränkt. Im bescheidenen
Häuschen neben der 1834 geweihten „Maria Geburtskirche", das bald ein
würdigerer Bau ersetzen soll, residiert der zu Kiew gebildete, noch ganz junge
Melentije, Bischof der Timoker Diözese, deren Sitz 1886 von Negotin hierher
verlegt wurde.
Auch sonst suchte die Regierung Zajecar zu heben. Es ist der Sitz des
Divisionskommandos, dessen Chefs General Djuknic und Oberst Vanlic ich für
ihre mir erwiesene Liebenswürdigkeit, wie nicht minder dem Kreispräfekten
Dragoljub K. Jovanovic, hier gern nochmals danke. Die 59 Offiziere der ver-
schiedenen Stäbe und in zwei sehr netten Pavillons untergebrachten Unteroffiziere
und Soldaten der 820 Mann starken Garnison tragen viel zur Belebung des
städtischen Verkehrs bei, und namentlich am Todestage des Krajinahelden Veljko,
den die beiden hier stationierten Batterien feiern, zieht es die Stadt hinaus in
das südliche Sommerlager. Unmittelbar bei diesem beginnt der den Timok-
Übergang schützende, resp. wehrende neue Zajecarer Fortsgürtel. 1897 waren es 8,
darunter 3 gemauerte Schanzen, von welchen 2 auf den östlichen und 6 auf den
westlichen Höhen auch die Knjazevacer Strasse und künftige Niser Bahnlinie
unter Feuer nehmen. Letztere läuft von Zajecar in der Ebene, bis sie vor dem
Vratarnicaer Engdefilee den Timok kreuzt und sodann, allmählich steigend, über der
Fahrstrasse in ziemlicher Höhe traciert erscheint.
Wie in seiner Hauptstadt beginnen auch in dem auf 3197 km- 88 Gemeinden
.mit 124 Orten und 140898 Seelen umfassenden Timokkreise mit dem Vernarben
der hart empfundenen Kriegswunden von 1876 78 sich jetzt bessere wirtschaftliche
Verhältnisse zu entwickeln. Dies hob auch König Alexander bei Zajecars Besuch
im Juni 1900 rühmend hervor. Sein ganzes Streben gehe dahin, die das serbische
Volk mit dem Hause Obrenovic verknüpfenden Bande unlösbar zu gestalten,
äusserte der überall von der Bevölkerung sympathisch begrüsste König auf eine
Ansprache des Gymnasialdirektors Nestorovic, welcher das Schwinden des Partei-
haders und Streben nach Kulturfortschritt betonte. In Wahrheit hebt sich,
obgleich der Kreis nur massig bevölkert — im Boljevacer Bezirke kommen
20 — 30, im Zajecarer, Zaglavaker 43—55 und nur im Timoker 50—62 Seelen
auf den km - — wie ich 1897 selbst bemerken konnte, der Wohlstand auffällig. Die
zahlreich dort siedelnden Bulgarenstämmlinge, welche früher das Bauhandwerk
und Verarbeiten der Ziegenwolle nahezu ausschliesslich betrieben, nahmen grossen
Einfluss auf die Hebung der Landwirtschaft. In wenigen Gebieten des Königreichs
werden so viele Gemüse gepflanzt, die Obst- und Weinzucht so gepflegt, wie
hier, wozu auch die im Osten günstigen Boden- und Klimaverhältnisse mitwirken.
Die Temperatur beträgt im Februar durchschnittlich 12" und im Juli 35» C.
') Nach der Zählung von 1905 hat Zajecar 1426 Häuser mit 7760 Einwohnern.
Am Krivi Vir über Zlot. Brestovaöka Banja, Zajeöar, VrSka Ciika zur Jasenica. 421
Selbst am Siidhange des felsigen Stos gibt es fruchtbares Terrain, und die sonnigen
Vrbicaer Höhen reifen den berühmten Krajinaer Wein. Auch den Wald fand ich
im Westen ziemlich gut erhalten; auf der Ivanova Livada des Balkangebietes sah
ich noch schöne Buchen- und Eichenforste, alte Ahorne, kräftige Eschen, Sperber-
bäume usw. Namentlich begünstigt das prächtige Wiesenweideland im Boljevacer
Bezirke die Viehzucht. Dort kommen über 320 Nutztiere auf 100 Seelen, im
Zajecarer 255, im Timok- und Zaglavaker 250—290 auf 100 Bewohner. 1905
zählte man im ganzen Kreise: 7768 Pferde, 45100 Rinder, 33771 Schweine,
238509 Schafe, 44173 Ziegen, 8997 Bienenstöcke usw.
Über den Feldbau des stark vergrösserten, in seiner Begrenzung seit 1893
total veränderten Kreises vermag ich wegen mangelnder neuerer Daten keine
speziellen Nachweise zu geben'); doch ist auch sein stetiger Fortschritt unverkennbar,
obgleich allgemein, namentlich in der Umgebung von Zajecar, das „delimo se"
(teilen wir) um sich greift. Die Zahl der getrennt wirtschaftenden Söhne überragt
die in der Zadruga (Kommunion) verbliebenen, doch findet man in der Crna Reka
weniger verschuldete Bauern als in der Sumadija. Der durch das bulgarische
Beispiel oder Blut vererbte Fleiss lässt auf dem durchschnittlich gut lohnenden
Boden auch kleinere Anwesen gedeihen, und der allgemeine Wohlstand tritt schon
in der reichgestickten Tracht, durch Goldmünzen und sonstigen Schmuck hervor,
mit welchen die Landmädchen bei festlichen Anlässen in den nach bulgarischer
Weise getanzten „Oro" treten. Wenig gefällig sehen die ordinären Wollchignons
des Kopfputzes der verheirateten Frauen um Veliki Izvor aus; schön dagegen die
hellgelbe Abatuchtracht der dortigen Männer, deren kräftiger Körperbau das
Auge erfreut.
Den Timok-Serben rühmt Milicevic nach, dass ihre an den südlichen Dialekt
mahnende Sprache grammatikalisch reiner als jene an der Morava klinge. Im
ersten Augenblicke mag dies schon deshalb überraschen, weil dort Serben mit
Bulgaren und Walachen bunt gemengt wohnen. Es erklärt sich aber ganz einfach,
weil die Serben am Krivovirski Timok aufwärts zum Cestobrodica-Passe — wie ich
dort schon wiederholt hörte — erst vor kaum 150 Jahren aus Stara Srbija
(Altserbien) einwanderten und — wie ich mich persönlich überzeugte — noch die
Namen ihrer Stammorte, ihres „pleme" (Stammes) usw. traditionell bewahren. Bis
vor kurzem wurde sogar die altserbische gunja, dolama getragen und die Lieder von
der Kosovoschlacht mehr als in den nördlichen Teilen des Königreichs gesungen!
Am 21. Oktobermorgen begrüssten mich die Zajeöarer Professoren und lasen
mir den im „Timocanin" erschienenen Artikel vor, der mich in der Crna Reka
und Krajina herzlich willkommen hiess. Ich dankte ihnen und dem Nacelnik
aufrichtig für die mir zum Abschied unausgesetzt gewidmete Aufmerksamkeit und
■) Die bebaute Fläche betrug 1906 in ha: mit Mais 38318, Weizen 18701, Roggen 5640,
Gerste 10958, Hafer 28229, Gemüse 1658. Weiter waren unter Wiesen und Weiden 21 119,
Obstgärten 3197 und Weingärten 3125 ha.
422 Am Krivi Vir über Zlot, BrestovaJka Banja, ZajeCar, Vrska Cuka zur Jasenica.
fuhr sodann mit dem Bahninspektor Jan Jiracek zum Kohlenwerk auf der Vräka
Cuka, von der ich nachmittags, auf freundliche Einladung des Generalstabschefs
Miäkovic, den für ihn vorbereiteten Train nach Radujevac benutzen sollte.
Am „Bremsberg" angelangt, bestiegen wir eine Lori, auf die russige
Gesellen eine primitive Bank stellten, und sofort ging es, gezogen von der
kleinen Lokomotive „Natalija", auf der dem Steilfelsrand abgerungenen schlangen-
förmigen Schienentrace zum Kohlenbau im Bujkovski potok. Als ich das
begreifliche erste Bangen überwunden und mich an das Hinabblicken von dem
oft hart am Abstürze sich bewegenden geländerlosen, schwankenden Vehikel
gewöhnt, übte die wildromantische Schlucht mit ihrer tief unten, über den
Häuschen von Prlita auf dem Felsenkopf „Barba ros" erscheinenden Ruine
eines Römerkastells, das den Durchzug im Prlitski potok nach dem östlichen
Bononia hütete, mächtige Wirkung. Unfern lag eine vorgeschichtliche Nieder-
lassung mit primitiven, schüsselartigen, 1 — 1,5 m tiefen, 3 m breiten und kleineren
Gruben, in welchen man Schädel und Knochen vom Schaf, Schwein und Reh,
ein- und zweischneidige Messer von Eisen und Bronze, Armringe, Tonscherben usw.
fand.') Auch viele antike Münzen der Prlitaer hübschen Walachenfrauen stammen,
wie ich am Orte hörte, aus dieser archäologisch interessanten, weiterer Erforschung
harrenden Lokalität. Die Fortsetzung des hier abzweigenden wichtigen Römer-
wegs über das bulgarische Städtchen Kula nach dem stark befestigten Bononia
(Vidin) und die Römerreste an beiden Punkten schilderte ich in meinem
„Donau-Bulgarien und der Balkan" (II. Auflage, Bd. 1, S. 14 und 57).
In der Felspartie südlich von Prlita befindet sich eine Höhle, die wahr-
scheinlich mit der südwestlichen „Funija" zusammenhängt, deren prächtige
hellweisse Wände und Stalaktiten mein Begleiter enthusiastisch rühmte. Östlicher
liegt die serbisch-bulgarische Grenz- Quarantäne, und über dem unten laut hin-
brausenden Bujkovski potok erscheint die 739 m hohe Vr§ka Cuka, deren von
vielen vrtace (Dohnen) durchzogenes Plateau fünf terrassenförmige prähistorische
Steinumwallungen erkennen lässt und später ein römisches Observatorium trug.
Man fand hier Reste eines gemauerten Brunnens, Silbermünzen aus dem vierten
und fünften Jahrhundert, keramische Fragmente, Schlacken usw.
Qualmend und pustend eilte unsere kleine Lokomotive am rechtsseitigen,
pittoresk zerrissenen Felshange stetig vorwärts. Endlich ein schriller Pfiff und
wir hielten im Zentrum des 262 Felder umfassenden, der „L'industrielle Serbe",
oder präziser: der hauptbeteiligten Brüsseler „Societe generale" auf 50 Jahre
überlassenen Liaskohlenwerks. Es unterscheidet sich wenig von derartigen
belgischen Anlagen, erhielt jedoch sofort nach der Eröffnung im September 1888
sein Lokalkolorit durch die Ermordung des Kassierers Destraz, dessen Tresor und
Wohnung rein ausgeplündert wurden. Ich weiss nicht, ob sich ein Nachfolger
für diese lockende Stellung bald fand. Uns begrüsste Mr. Jules Potier,
„Ingönieur-directeur de charbonnage de la Cuka", in seinem aus gewalztem Eisen-
blech hergestellten, mehrere Räume enthaltenden belgischen Hause, das er mit
') Mitt. d. Anthrop. Ges. in Wien, Bd. 19, S 14.
Am Krivi Vir über Zlot, Brestovacka Banja, Zajetar, V'rSka Cuka zur Jascnica. 423
dem allen Kranzosen eigenen Geschick sicli wohnlicli eingericiitet. Wer mir
gesagt hätte, als ich 187Ü im türkischen Grenzblockhaus übernachtete, ich
werde nach kurzer Zeitspanne auf der Vräka Cuka ein Kohlenwerk, eine Eisen-
bahn, ein komfortables Haus und selbst eine kleine französische technische
Bibliothek finden!
Diese hier 0,5 — 25 ni im mit einer Sandschicht überdeckten Tonschiefer
anstehende Liaskohle ist nach dem Bergingenieur Götting (1887) rein, fest, von
koksartigeni Aussehen und grösstenteils frei von Zwischenmitteln und nur ver-
unreinigt durch grössere Schwefelkiesknollen von linsenartiger Form. Feinere,
schnürenförmige Kieseinlagerungen fehlen gänzlich. Der geringe Stückkohlenfall
erheischte die Einrichtung einer Brikettfabrik am Verladepiatz II. Die Stückkohle
mag gegen die Feinkohle höchstens 15 ";o betragen, der Qualität nach ist sie
ausgesprochen mager mit C 82"'o, H =— 13"/„, 2— 5% Asche und ganz belang-
losen Schwefelkies. Den geologischen Horizont der produktiven Liasschichten
charakterisieren die Fossilien: Pholadomya ambigua, Beleninites giganteus und
canaliculatus, ferner Hamites rigulus, Hamites banaticus und Faeniopteris steno-
neura in den Hangendschichten, Pflanzenreste sind spärlich vertreten. Ob diese
Steinkohlenflöze mit den jenseitigen der bulgarischen Sto-Vorberge, welche
„Walchia piniformis" u. a. enthalten, korrespondieren, ist nicht erwiesen; wäre
es der Fall, Messe dies auf grössere Kohlenlager auch am bulgarischen Vrska
Cuka-Hange schliessen und forderte zu seiner eingehenderen Untersuchung
gegen Sv. Trojica auf. Das Hauptflöz ist gegenwärtig durch drei, je 30 ni
übereinander liegende Schächte und über 3000 m lange Galerien aufgeschlossen
und repräsentiert bei 113150 m^ Fläche, unter Zugrundelegung einer durchschnitt-
lichen Mächtigkeit von 6 m, ein abzubauendes Kohlenquantum von 678900 m"
ä 1,25 Tonnen == 848650 Tonnen. Dabei ist der Aufschluss der Teufe durch
einen 40 m tiefen flachen Schacht, welcher in der Flözebene abgesunken ist,
nicht in Rechnung gezogen, ebensowenig diejenigen Schürfarbeiten, welche südlich
Avramov potok andere abhauwürdige Kohlenflöze von 2 — 3 m Mächtigkeit
nachgewiesen haben. Es unterliegt keiner Frage, dass allein der jetzige Aus-
richtungsbau bei den günstigen lokalen Verhältnissen einen stollenmässigen Abbau
für Jahrzehnte hindurch sichert und einen Tiefbau zunächst entbehrlich macht.
Die Absatzfähigkeit des Donaugebietes ist eine grosse für gute Steinkohle,
die Preise entsprechend hohe, ja zum Teil enorme. Die englische Kohle kostet in
den Donauhäfen durchschnittlich 35 — 40 Franken per Tonne und wird schon jetzt
im unteren Rumänien viel begehrt. Für den Export der Vr§ka Cuka-Kohle wäre
es allerdings erwünscht gewesen, falls sich, wie es der erste Konzessionär Bankier
BruU in Budapest geplant, die nur 46 km lange Bahn über Kula durch sanft-
gewelltes Land nach Vidin hätte verwirklichen lassen. Die Gestehungskosten mit
2 d per Tonne am Orte würden gestattet haben, sie im Vidiner Donauhafen mit
22 d abzugeben. Die bulgarische Regierung verweigerte jedoch die Konzession.
So waren die Belgier zur Anlage einer kostspieligen Seilbahn zum tiefliegenden
Viaski Do und der 80 km langen schwierigen Timok-Uferbahn mit 0,76 m
Spurweite zur Radujevacer Brikettfabrik gezwungen, was die Frachtkosten
424 Am Krivi \'ir über Zlot, Brestovafka Banja, Zajecar, Vräka Cuka zur Jasenica
bedeutend erhöhte und ihr die Konkurrenz mit der liiliifj;en enghschen Kohle
nahezu unmöghcii macht.
Bei dem von Mr. Putier rasch improvisierten Dejeuner tranken wir auf das
Gedeihen des jungen Unternehmens und seiner occidentalen Leiter. Heil wieder
am Bremsberg angelangt, bewunderte ich die sohde Ausführung der am 18. Oktober
1888 mit der ganzen Linie eröffneten Seilbahn, auf der wir sicher in die Ebene
hinabrollten. Bei der ohne Unterkunftshalle, nur durch die Tafel „1. Viaski Do,
km 70" markierten Haltestelle für Zajecar erwartete bereits die Generalstabs-
kommission in einem rasch unserem Kohlenzug angehängten Miniatur-Salonwagen
unsere Ankunft. Als Fahrgäste schrieben wir, dem eingeführten Brauche gemäss
— die Bahn hat keinen konzessionierten Personenverkehr — unsere Namen in
das vom Ingenieur Jiracek vorgelegte Buch, erhielten eine „podvozna karta"
(Fahrbillett), worauf sich der lange Lorentrain in Bewegung setzte. Seine zur zweiten
Station „Cefalov Do" und auch weiter eingehaltene Omnibusschnelle begünstigte
unsere verschieden gearteten Arbeiten. Generalstabschef Miskovic und Divisions-
kommandant Magdalenic brachten fleissig Notizen über das bulgarische Ufer in
Karte. Die Pausen an uninteressanten Partien kürzte Major Dragomir Vuckovic
mit Anekdoten und Witzen, die selbst den ernsten Genieobersten Svetozar Ljocic
oft lachen machten. Zeitweilig folgt dann eine stets dankbar aufgenommene
Erquickung aus dem militärischen Negotiner Flaschenkeller und Imbissvorrate.
Mich, den Laien, setzte während der unterhaltenden Fahrt nichts so sehr
in Erstaunen, als die Bahntrace, welche, unausgesetzt dem schlangenartigen
Timoklaufe hart am Ufer auf Pistolenschussweite folgend, den ganzen Betrieb vom
Belieben der bulgarischen Nachbarn auf dem höheren Rechtsufer abhängig macht!
Vom Bremsberge zieht die den vereinigten Timok hinter Veliki Izvor kreuzende
Trace geradlinig nur 16 km bis Vrazogrnac. Dort beginnen aber die Kurven von
unglaublich kleinem Durchmesser, und an der „Ljuta Stena", deren Glimmerschiefer
bohnengrosse Granaten birgt, mussten sie den vom Flusse bespülten Steilhängen
mühsam abgerungen werden. Die folgenden, stetig wechselnden Tonschiefer- und
Kalkwände erforderten gleichfalls viele kostspielige Sprengungen und bei km 49,5
einen 162 m langen Tunnel. Die Trace liegt durchschnittlich 6 m über dem
Hochwasserniveau des an vielen Stellen malerische Kaskaden bildenden Flusses.
Fortwährend wechseln herrlichste Prospekte, welche einzelne kleine Mahlwerke,
Wachhäuser, kleine Wasserstationen und allerorts auf den Höhen erscheinende
Rebenkulturen beleben.
Die grellbeleuchtete, oben Laubwald tragende, unten nackte Felsenwand
Golubovac hebt sich prächtig vom in tiefen Schatten gehüllten bulgarischen Ufer
ab. Der Train windet sich durch eine nur 60 m breite Kurve, und gleich darauf
tritt der pittoreske „Kaludjerski Rt" mit der Ruine einer „latinska crkva"
(Kastell?) in Sicht. Eine dritte, etwas grössere Kurve bringt uns dem bulgarischen
Gradskov gegenüber, zum romantischen „Sokolov Kamen", an dessen Fuss
zwischen Felsen und Bäumen steckende Mauern erscheinen.
Im nächsten, sehr primitiven Wächterhäuschen warteten unser verschiedene
Überraschungen: ein Telephon, das sofort zur Wagenbestellung in Negotin benutzt
Am Krivi Vir über Zlot, BrestovaCka Banja, Zajciar, VrSka Cuka zur Jasenica 425
wurde, eine gebratene Ente, in die wir stehenden Fusses uns teilten, aromatischer
Wein und Kaffee, welche treffliche Zigaretten würzten, endlich frischgepflückte
Veilchen, die wir zur Erinnerung an diesen sonnig-blauenden Oktobertag dankbar
von der freundlichen Landsmännin entgegennahmen. Unsere gute Laune war kaum
mehr einer Steigerung fähig. Wäre es mir nur halb so gut ergangen, als ich
1862, 1864 und 1870 die jenseitige, durch räuberische Tscherkessen unsicher
gemachte bulgarische Hochterrasse erforschte.
Die Karaulpanduren der nahen „Straza" salutierten. Aufmerksam verfolgt
von den Soldaten der jenseitigen bulgarischen Grenzkaraula, glitt unser Zug
langsam unter dem Hange der Jasikovacer Weinberge erneut vorwärts. Wir
durchschnitten einen bis zum Flusse herabziehenden Eichenwald, und nun gingen
die abwechselnd von* der dies- oder jenseitigen 320 m hohen Uferterrasse
vorgeschobenen kultivierten Sporne zu breiterer, die Bahnanlage erleichternder
Talbildung über. Der Flussstrich riss und trägt fortwährend, die Bahnanlage
gefährdend, bedeutende Stücke fruchtbaren Bodens vom serbischen zum rechten
Ufer, wo sie sofort von den Bulgaren bepflanzt werden, was zu nutzlosen Reibungen
führt. Nur noch eine kurze, etwas gefährliche Kurve hart vor dem ein Römerkastell
von 60 m Durchmesser tragenden „Tabakovacko Brdo", in dessen Nähe der
Tonschiefer am Sinji Vir bei der Krivobarska Straza goldführend ist, und
weiter ging es, vorbei an zwei von mächtigen Zitterpappeln umrahmten Mühlen
und Tamnic, das sich durch eine prächtige byzantinische Kuppelkirche schmücken
will, zu Brusniks Rebengärten, deren köstliches Produkt sich auf der Ausstellung
in Bordeaux die goldene Medaille und viele französische Kunden errang.
Von km 30 verflacht sich das Terrain fortwährend. Bei einer Ziegelei biegt
die Trace nach dem durch eine Maria Himmelfahrts-Kirche mit hohem Turm
ausgezeichneten reichen Rajac ab, umgeht sodann dessen links bleibende
Zavetina-Ulme, wegen deren geplanter Beseitigung die Bahningenieure von den
erbitterten Bauern lebensgefährlich bedroht wurden, und berührt die geschätzten
Leithakalkbrüche bei Bljuvanovac '). Bei der Haltestelle „Romanov most" über die
Sikolska reka bestiegen meine militärischen Reisegefährten gegenüber der seit 1886
bulgarischerseits vertragsmässig Serbien zugesprochenen Bregova-lnsel die tele-
phonisch bestellten Wagen von Negotin, um es über Bukovce rascher zu erreichen.
Ich rollte aber durch die topfebene Fläche behaglich weiter nach der Kopfstation
Radujevac, die ich 1887 im Werdezustande getroffen und jetzt „en plein travail"
wiedersehen wollte.. Ein Bahnbediensteter leuchtete uns zur „Grand Hotel"
getauften Kantine, die eine spekulative Banaterin auf einer der Schanzen Heiduck
Veljkos zum Frommen der polyglotten Beamtenschaft etabliert hatte. Maschinen-
ingenieure, Werk- und Buchführer aus. Österreich, Deutschland, Belgien und der
Schweiz teilten mit uns das international gehaltene Table d'hote. Die Unterhaltung
gestaltete sich sehr kollegial und anregend. Erst in später Stunde geleitete mich
Herr Jiracek durch hochgeschichtete Schwellen- und Briketthaufen zum Hause
des abwesenden Direktors, in dessen wohnlicher Fremdenstube ich lange entbehrten
Komfort fand.
') Seit 1899 heisst dieser Ort Veljkovo.
42fi Am Krivi Vir über Zlot, Brestovacka Banja, Zajecar, Vrska Cuka zur Jasenica.
Am nächsten Morgen besichtigte ich die hart am Donauufer in grossem
Massstab angelegte Brikettfabrii<. Eine Dampfmaschine mit 150 Pferdekräften
und wenige Arbeiter besorgten in diesem interessanten Teile des ausgedehnten
Etablissements die vielen komplizierten Vorarbeiten, bis die durchfeuchtete Kohlen-
niasse, durch den sinnreich konstruierten Apparat „No. 47 Systeme F. Couffenhal
von Bietrix et Cie. in St. Etienne" laufend, aus den eisernen Formen als gestempelte
Briketts traten, um in die weiten Lufttrockenräume befördert zu werden, aus
welchen sie in die nahen Magazine, oder wenn deren Vorräte erschöpft, sofort
in die auf Ladung wartenden Schiffe wanderten. Die ganz nach belgischem Muster
angelegte Fabrik samt den für Wohn- und Geschäftszwecke eingerichteten, nur
6000 Franken per Stück kostenden Häusern von gewalztem Blech, die Remisen für
Lokomotive, Arbeiterbaracken mit dazwischen eingeschobenen, auf vielen Geleisen
3 ■•"
Belgische Kohlen-Brikettfabrik zu Radujevac.
ihrer Entladung wartenden Lorireihen machten guten Eindruck. Trotzdem drängte
sich mir schon damals der Gedanke auf, dass die Wahl des Punktes für
dieses kostspielige Etablissement an der Mündung der Jasenica eine unglückliche
sei. Wie konnte man so grosse Kapitalien auf einem Terrain verbauen, das
erfahrungsgemäss nahezu alljährlich durch diesen Bach und das Donau-Hochwasser
mundiert wird. Gleich 1889 wurden alle Gebäude überschwemmt und 5000
aufgestapelte Schwellen von den Fluten fortgetragen. 1891 förderte man aus der
Vr§ka Cuka wohl 20434 Tonnen Kohle, die auf die tägliche Lieferung von 800 q
eingerichtete Brikettfabrik beschäftigte jedoch nur höchstens mit dem Bahnbetriebe
250 Arbeiter. Die Belgier versprachen . sich aber bessere Resultate für die
Zukunft, die sich aber bis heute nicht erfüllten.
Als ich am 8. August 1897 das Radujevacer Etablissement der von Viktor
Stoclet in Brüssel präsidierten „Srpsko industrijsko drustvo" wieder besuchte, fand
ich es unter dem Drucke der durch den Pontus den Donauländern zuströmenden
billigen englischen Kohle nur schwach arbeitend. Nach viermaligem Direktor-
wechsel leitet es seit 1894 der tätige belgische Bergingenieur Tanuel mit dem
Am Krivi Vir über Zlot, Brestnvacka Ranja, Zajecar, VrSka Cuka zur Jasenica. 427
Sekretär Jean Zeimet aus Luxemburg und dem Buchführer Svetislav Jovanovic.
Bergingenieur Auguste Battard überwacht die Minenarbeiten auf der Vrska Cuka,
wo, seit die JuHa-Galerie, die Nataiia- und Barbaraschächte ziemlich erschöpft,
nur 120 Knappen die starken Augusta- und Katharinagruben ausbeuten. Den
Transport besorgen fünf Lokomotiven mit 80 Loren, zwei gedeckten Warenwaggons
und zwei Salonwagen. Die Tischler- und Schmiedewerkstätten besitzen eine
Lokomobile von 20 Pferdekräften, drei Drehbänke, eine Schneide- und eine
Hobelmaschine, ein Dynamo für Beleuchtung von Siemens & Halske; die Brikettfabrik
verfügt über eine Lokomobile von 60 Pferdekräften, zwei neue Bulettepressen
und drei Denayerkessel. Die Fabrik vermag täglich 170 Tonnen Briketts zu
erzeugen, die sich an ihrer Donaustation auf 19 d per Tonne, in der Belgrader
Hauptagentur Felix Kohn aber durch die teuere Fracht um 7 bis 7.50 d (exklusive
Ausladespesen) höher stellen. Dies erklärt wohl, dass 1896 nur 8000 und 1897
kaum mehr als 12000 Tonnen abgingen, und dass die stets bedeutenden Vorräte
den flotten Betrieb beeinträchtigen. Durch den mit Rumänien abzuschliessenden
Handelsvertrag hofft man — ich fürchte vergeblich — die Chancen für den
Brikettabsatz zu bessern.
Den anfänglich grossen Administrationsapparat fand ich bedeutend vereinfacht.
Unabänderlich verhindert aber die Rentabilität des Unternehmens die getroffene
schlechte Wahl der Donau-Kopfstation und ihrer Verbindung mit der Vrska Cuka-
Mine. Das Konsortium hätte unbedingt noch vor Beginn ihres Betriebs die
Konzession einer normalspurigen Bahnlinie Negotin — Zajecar — Knjazevac — Ni§
anstreben sollen, die Brikettstation auf einem Wassergefahr nicht ausgesetzten
Punkte, etwa in Kusjak, anlegen und sich durch eigene Remorköre und
Schleppkonvois von fremden Gesellschaften unabhängig machen müssen, wollte
es die Hoffnungen der Aktionäre verwirklichen.
XV.
über Radujevac, Negotin, den Deli Jovan
und Donji Milanovac auf den Miroc.
Von Brza Palanka über Vratna, Bukovo, Prahovo zur
Timokmündung.
WENIGE grossere Orte des Küiiigreichs blieben in ihrer äusseren Erscineinung
gleich unverändert wie Radujevac. Obschon 2320 Seelen in 470 Häusern
zählend'), zeigte der Ort 1897 bis auf einen Leseverein und eine bessere Mehana
alles genau wie bei meinen früheren, bis 1860 zurückgehenden Besuchen. Dieselben
wenig anmutenden walachischen Gehöfte der endlosen, staubigen Hauptstrasse
mit grossen Pfützen, in welchen Enten und Gänse lustig umherplätscherten; selten
ein besseres Häuschen mit einem Laden oder Speditionsbureau.
Vor dem Auftreten der Phyllo.xera herrschte im Herbst auf dem unreguliert
belassenen Donaustrande vor dem Zollamt und am Dampferlandeplatz reges
Treiben. Fremde Agenten, Kaufleute, mit dem edlen Negotiner Nass beladene
walachische Bauerngefährte stauten sich da oft zum scheinbar unentwirrbaren
Knäuel. Das war die goldene Zeit für das den Hauptexporthafen für die Krajina
bildende Radujevac. in Tausenden von Fässern strömten dort die frisch gekelterten
Überschüsse der weinreichen Umgebung zusammen. Nun sucht man einigen
Ersatz im vermehrten Bau von Mais, der hier so vorzüglich gedeiht, dass bei
Rajac 30 Ar zur Ernährung einer Familie genügen. Bedeutende Getreideüber-
schüsse der Krajina werden exportiert, was ihren Wohlstand rascher heben müsste,
würde dort nicht die Lockerung der Hauskommunion mehr noch als in den
Nachbarkreisen fortschreiten. Die Leichtigkeit, an der Donau durch Holzhandel,
Waldarbeit, Fischfang usw. auch einzeln seinen Lebensbedarf zu gewinnen, führt
zu häufigem Verlassen des Elternhauses,
Trotzdem hob sich der Export so stark, dass auch die russische Schwarze-
Meer-Dampfschiffahrtsgesellschaft zu Radujevac eine Station errichtete, welche
aber im März 1900 zu einem scharfen Konflikt mit der serbischen Behörde
führte, weil letztere die Anlage der Geschäftsstelle und Landungsbrücke an einem
') 1905 zählte dieser Ort in 491 Häusern 2737 Einwohner.
4^0 (Ibcr Radujevac, Negotin, den Deli Jovan usw. auf den Miroc.
Orte bestimmte, der die Löschung der Frachten erheblich verteuert hätte. Durch
das Eingreifen der russischen Gesandtschaft wurde jedoch diese Verfügung, als
Serbiens Beziehungen zum Zarenhofe freundlicher sich gestalteten, annulliert.
Von Radujevac führt eine ziemlich geradlinige Strasse SW. nach dem kaum
13 km fernen Negotin. Die Stadt liegt in einer ehemals dem Donaubett
angehörenden, stark sumpfigen Ebene, deren tuffartigen, petrefaktenreichen Kalk-
stein eine ungemein fruchtbare starke Humusschicht bedeckt. Oft forscht man
vergebens nach den Ursachen, weshalb manche ältere Strassenzüge statt in die
Täler auf unwirtliche Gebirge verlegt wurden, und ebenso gelang es mir nicht,
die Gründe aufzufinden, weshalb Fürst Milos, der so manche Stadt von der alten
Stelle gerückt, gerade die Hauptstadt der Krajina an ihrer Stätte beliess, obschon
sie gutes Trinkwasser entbehrt und ganz nahe sich 1700 Hektar bedeckende
Sümpfe ausdehnen. 1858 dachte er ernstlich daran, ohne Rücksicht auf Negotins
Hausbesitzer, den Kreissitz an die Donau zu verlegen, kam jedoch davon ab,
und seither entwickelten dort Private und auch die Regierung eine so nachhaltige
Baulust, dass der Gedanke wohl für immer undurchführbar bleibt.
Wie entstand Negotin? Zu Beginn des 18. Jahrhunderts gab es auf seinem
Terrain nur eine nach dem Besitzer „Negota" genannte grosse Sennerei. Da
ringsum kein grösserer Ort, siedelten sich neben ihr einige Handwerker und
Krämer an. Von 1718—1737 kam während der österreichischen Okkupation eine
Kaserne hinzu, deren Areal noch heute „Kasarna" heisst. Als die Krajina wieder
türkisch wurde, nahm ihr Basknez aus dem Geschlechte Karapandza dort seinen
Sitz. Wie jener zu Kladovo, dem der „Kljuc" unterstand, übte er, was anderen
Knezen nicht gestattet war, auch die Gerichtsbarkeit über die christliche Bauern-
schaft seines Bezirks. Denn beide Gebiete waren „Emini" (sultanliche Domänen)
und besassen Freibriefe, kraft deren kein Türke sie mit „beschlagenem Pferde"
betreten durfte. Die Basknezen hoben die Abgaben in Geld und Naturalien ein
und lieferten die dem Sultan zufallenden Erträgnisse einem zu diesem Zwecke
von Stambol entsendeten Beg direkt ab.')
Interessant ist das in der Krajina und im Kljuc bis zu Pasvan Oglus
Usurpation geübte türkische Verwaltungssystem. Nach authentischen Daten im
Archive der Belgrader gelehrten Gesellschaft erhoben die Dorfkmeten von der
Rajah : 1. den Porez, 7 Piaster, und 2. Harac, 2' ._, p für jeden Kopf männlichen
Geschlechts; 3. Mrtvina (Totensteuer), 1 ' .^ p; 4. Hochzeitssteuer, 1 p; 5. Weinsteuer,
' ., p für 1000 Weinstöcke; 6. Schafsteuer, ' ,, p per Stück; 7. Schweinesteuer in
gleicher Höhe; 8. Bienensteuer, ' x p für jeden Korb; 9. Krautsteuer, ^'s p für
100 Köpfe; 10. den Zehent von aller gemähter Körnerfrucht. Zu diesen für jene
Zeit sehr hohen Steuern kamen Abgaben zur Erhaltung des Kladovoer Begs und
seiner Leute, der Basknezen, ihrer Buljubasen, Panduren und Knieten. Jeder
steuerpflichtige Kopf gab diesen Basknezen jährlich: 7 Oka Käse, 1 Liter Schmalz,
20 Oka Gerste, 1 Wagen Heu, 1 Fuhre Holz; überdies jedes Dorf 6 Oka Bohnen
und gleichviel Talg. Trotzdem die Basknezen einen Teil dieser Naturalabgaben
') Vuk, Rjecnik, S. 278 f.
über Radujevac, Negotin, den Deli Jovan usw. auf den Miroc. 431
für die Besatzungen der festen Plätze an den Zentralspeicher zu Prahovo abliefern
niusstcii, flössen doch beträchtliche Suninien in ihren und in den sultanlichen
Säckel. Als Entschädigung genoss die Rajah dieser Bezirke allerdings eine
ziemlich weitgehende Autonomie. Starb ein Basknez, so erhielt dessen Nachfolger
einen alle Privilegien, bestätigenden Ferman. Nach diesem durften weder der
Beg, noch der Wojwode (?) sich in die Administration einmengen; taten sie es doch,
und erhob der Basknez darüber Klage, wurden sie vom Pascha abgesetzt. Alle
Streitigkeiten suchte der Basknez zu schlichten; gelang es ihm nicht, so fällte er
mit dem Wojwoden das letzte Urteil. Zur Unterstützung seiner Autorität hielt er
in seinem Konak einen Buljubasa, dessen 30 bis 40 Panduren die Befehle in die
Dörfer brachten; zwei andere mit je 15 Panduren schützten die Bezirksgrenze gegen
die Einbrüche gewalttätiger Türken und Heiducken.
Diese ziemlich erträglichen Verhältnisse endeten, als derVidincr Krdzaliensturm
über den Timok hereinbrach. Der Rajah wurden 3 Piaster per Kopf als „Spenza"
(Geldsteuer) auferlegt, die nicht willfährigen Basknezen abgesetzt oder getötet (1798).
Der letzte, Perca Karapandza, floh 1807 nach Porec. Als Pasvan Oglu Pasa
von Vidin sich der Krajina mit Gewalt bemächtigte, erbaute er zu Negotin 1807
eine verpalisadierte Palanka mit Türmen. Während der Freiheitskämpfe wurde
um und bei dieser viel gekämpft. Zuerst 1806, wo die vom Grafen Orurk
befehligten Russen, vereint mit den vom Hajduk Veljko und Vujica Vulicevic
geführten Serben, Sasit Pasa bei Bregovo über den Timok warfen und hierauf
Negotin zum erstenmal nahmen. In den folgenden Jahren verloren sie es aber,
und selbst nach dem gewonnenen Gefechte bei Malajnica (I.Juli 1807) misslang
Milenkos Versuch, es den Türken zu entreissen. Erst als der russische General Sass
nach langem Ringen die türkischen Positionen bei Prahovo am 19. September 1810
besetzt hatte, entsandte er den Oberst Skapski mit den Serben unter Veljko nach
Negotin. Nach einigen wohlgezielten Schüssen verliessen die Türken ihre Geschütze
in der Palanka und flüchteten nach Vidin, worauf die Russen das ganze linke
Timokufer besetzten. •)
Im Jahre 1812 entsandte Karadjordje den später berühmt gewordenen jungen
Vuk Karadzic als Kommissar des Senats nach Negotin. Seinem Sammeleifer
danken wir grösstenteils die interessanten Daten über die türkische Epoche dieser
Stadt und über Vidin, wohin er 1813 mit einer Mission an den Pascha ging.
Dort sammelten sich bereits des Sultans Truppen, welche bald über den Timok
gegen Negotin rückten, und es nach Hajduk Veljkos in den Liedern gefeierter
heldenhafter Verteidigung wieder nahmen. Noch 1833 übte dort ein vom Pascha
zu Ada Kaleh (Neu-Orsova) abhängiger Muselim des Sultans Gerichtsbarkeit, bis
er im selben Jahre durch den Wojwoden Tenka vertrieben und die Krajina gleich
dem Kljuc nach kurzem Kampfe dauernd befreit wurde. Diese Vorgänge schilderte
ich schon früher.
Negotin darf man so recht die Stadt Hajduk Veljkos nennen. Dort, wo
heute ihr Forum, schlug er mit 2000 Mann und 10 Geschützen ihre Hochwacht
') Documenti privitore la Istoria Romanilor, 1709 1812, Bd. III, S.306.
■132 Über Radujcvac, Ncgotin, den Dcli Jovaii usw auf den Miroc.
auf. „Glavu dajem, Krajinu nc!" (Den Kopf gebe ich, die Krajina nicht!) Nach
homerischer Heidenart tjenoss er des Leidens Freude, dazwischen oft genug die
Türi<en seinen starken Arm fülilen lassend. Und dort, wo er, bis zum letzten
Augenblicke kämpfend, am 30. Juli 1813 endete, erhebt sich nun auf der mit
seinem Blute getränkten Stelle das ihm am 80. Todestage von dem dankbaren
Serbien gewidmete, sein Erzbild tragende Denkmal. Dieses wurde nach einem
Entwürfe des Ingenieurs Vladimir Pavlovic von einem italienischen Meister aus
dunklem Lepenicaer Marmor (S. 434) hergestellt und das vom Bildhauer Djoka
Jovanovic modellierte Kopfrelief zu Paris in Bronze gegossen. ')
Schon 1845 war Veljkos Schanze bis auf einen Rest, den ich noch 1889
in der „Hajduk Veljkova ulica" im Hause No. 22 sah, verschwunden; viel früher
schon die berühmte „Baba Finka" (Mastkorb), in der er mit seiner Cucuk Stana
und Schwägerin Stanojka hauste. Während der männlich schöne „Grosse Hajduk"
sich und seinen tapferen Waffengenossen von den Frauen unausgesetzt Kaffee
und Cibuk auf dem höchsten Cardak reichen und die von ihm besoldeten
Zigeuner unten musizieren Hess, blickte er wachsam zum Timok. Sah er dort eine
nur etwas verdächtige Bewegung, stieg er sofort mit seinen Momken (Burschen) zu
Pferde, ritt im blinkenden Waffenschniucke ruhigen Schrittes durch die Carsija,
sowie er aber die Palanka hinter sich hatte, ging es im sausenden Galopp auf
die Türken los, für welche sein verhasster „Luginsland" das stete Ziel ihrer
Kugeln bildete. Veljko machte dies Spass; den erschreckten Frauen pflegte er
aber lachend zu sagen: „Haltet Euch mit den Zähnen am Winde fest, dass er
Euch nicht davonträgt!" Zuletzt musste auch er sich aus dem ganz durchlöcherten
Oberstock in das Untergeschoss des Turmes zurückziehen.
Bei der Verteidigung der Negotin deckenden Schanze fiel Veljko mit dem
Rufe: „drzite se" (haltet Euch!). Nun schmücken seine letzten Worte die Stirnseite
des Obelisken mit Ljubomir Nenadovics schönem Zusätze: „Dein Beispiel
leuchtet uns wie die Sonne, wir werden uns halten, solange einer von uns
lebt!" Den Platz für das Denkmal widmete Milan Nikolic aus Jasenica im Jahre
1893. Als Vorbild für das Reliefmedaillon diente Veljkos eigentümlich entstandenes
Porträt. Als seine Witwe den Fürsten Milos zu Bukarest besuchte, liess er einen
seiner arnautischen Momken, der Veljko täuschend ähnlich sah, entsprechend
kleiden und plötzlich eintreten. Stana erschrak, denn sie glaubte, ihr Mann sei
von den Toten auferstanden. Nachdem der Fürst sie beruhigt, bat sie um ein
Bild des Doppelgängers. Es ist das später dem Nationalmuseum gewidmete, von
Cortanovic für den Negotiner Bürgermeister Mihail Lazarevic kopierte Porträt,
der mir die romantische Entstehung des Originals verbürgte. Sein Bruder Aieksa
verehrte mir die hier mit einigen perspektivischen Korrekturen wiedergegebene
Skizze der „Baba Finka".
Die im Lazarevicschen Patrizierhause verbrachten Stunden zähle ich zu den
angenehmsten in Negotin verlebten, schon wegen des historischen Reizes, den
') Diese Daten mögen die von Sr. Stojkovic eingehend geschilderte Enthüllungsfeier
in „Na lepom srpskom Dunavu", Belgrad 1893, ergänzen.
2. Hajdiik Veljko-DcnkiiiMl
mit Bronzc-Mcdailloii.
3. Lazarevic-Koiiak.
F. KANITZ, Serbien. II.
28
über Radujevac, Nc^otin, den Deli Jovan iisw auf den Miroii. 435
seine anheimelnden, von Lazar Lazarevic, Vater der genannten Brüder, einst
bewohnten Räume üben. Vom Cardak verlas er als „Obori<nez der Krajina" 1842
Fürst Mihails Proklamation gegen Vucic (1. Bd., S. 470) rumänisch und serbisch,
wofür ihn dieser, als er gesiegt, mit fünfmonatlicher Haft strafte. Sein griechisch
und deutsch sprechender, gleich angesehener älterer Bruder Jakov beherbergte in
dem zur Türkenzeit besten, durch prächtiges Grün isolierten „Konak" berühmte
Paschas, russische Generale und —last not least — auch Vuk, als er die „Hajduk
Veljko" feiernden Volkslieder aufzeichnete.
Ein anderes, interessantes Gebäude ist die benachbarte, schon 1803 geweihte
„Maria Geburts-Kirche", ein Cincarenwerk, an dessen achtseitiger Chorapside sich
rechts vom Mittelfenster die rote Marmortafel befindet, welche Knez Miljko dem
Andenken seines Bruders mit der Inschrift stiftete: „Dem unsterblichen serbischen
Helden Veljko Petrovic, Karadjordjes berühmtem Wojwoden und Herrn des Negotiner
Kreises." In der Kirche ruht auch der in Dabica bei dem altserbischen Prilip
geborene erste Krajinaer Biscliof Dositije Novakovic. Vom Kloster Zograf am
Athos kam er als junger Mönch voll Tatenlust nach dem seine Freiheit
erkämpfenden Serbien und lebte einige Zeit im Kloster Gornjak. Als aber. 1833
der Kampf in der Krajina ausbrach, stritt er dort wacker mit und ward zum Lohne
dafür von Milos 1834 zum Vladika der Timoker Diözese ernannt. 1839 übersiedelte
ihr Sitz von Zajecar nach Negotin. Der Sprengel umfasste damals die Kreise
Krajina, Crna Reka und Knjazevac; 1886 wurde er aber aufgelöst und die Krajina
dem Belgrader zugeteilt. Nur der Prota residierte weiter in Negotin. 1894 wurde
aber die Timoker Diözese wieder mit dem Sitze in Zajecar hergestellt.
Vorüber an dem ehemaligen Bischofshof, aus dem man jetzt Briefe und
Telegramme versendet, wanderte ich mit meinem lieben Gastfreunde Vladimir
Pavlovic aufdie mit guten Gasthöfen und einzelnen hübschen Privathäusern umsäumte
„Velika pijaca", die sich seit zwei Dezennien sehr hübsch ausgestaltet hat. Aus
dem Material der „Baba Finka" wurde das neue Ingenieursamt erbaut, und auch
Veljkos Pulverturm fiel, als um die 20000 Dukaten kostende, 1874 geweihte hl.
Geistkirche das Negotiner Forum mit dem neuen Nacelstvo und Kreisgerichtc
vollendet wurde. Die Trennungslinie beider Fassaden markiert nun der römische
Löwe von Vidrovac auf hübschem Piedestal. Doch die aus der Ferne bestechende
malerische Silhouette der neuen Kirche löst sich, näher betrachtet, trotz ihrer mit
Kupfer gedeckten Kuppel und Türmen in ein bizarres Stilgemenge auf, das bei
anerkennenswertem guten Willen des Architekten keine strengen Kunststudien
verrät. Bescheiden, doch dem Zwecke voll entsprechend, ist der Neubau, in den das
1844 begründete Gymnasium 1874 übersiedelte. 1894 zählte es 11 Professoren und
Lehrerinnen für 160 Zöglinge, für die der Staat jährlich 25000 d verausgabt.') Das
kleine physikalische Kabinett bewahrt einige von mir an ihren Fundorten besprochene
Altertümer. Andere sah ich leider ganz schutzlos im Nacelstvohofe, darunter einige
später in das Belgrader Lapidarium gelangte Inschriften von Prahovo u. a. 0.
'; 1906 waren im Gymnasium 11 Lehrkräfte und l.'iT Schüler, die Erhaltungskosten
betrugen 36017 d.
28*
436
Über Radujevac, NcKOtin, den Doli Jnvan usw auf den Miroc.
Vor dem Nacelstvo befindet sich der zierliche Auslaufsbrunnen der vom
3,5 km fernen Badnjevo herabkommenden Wasserleitung. Schon vor 15 Jahren
versuchte ein dundjer (Maurer) die herrliche Quelle nacii Negotin zu führen;
nachdem er eine ansehnliche Summe verbaut, zeigte sich aber, dass ihm hierzu
die nötigen Kenntnisse fehlten, und die erzürnten Bürger wiesen ihn mit einer
Tracht Prügel zur Stadt hinaus. 1885 erhielt der tüchtige Ingenieur Jiracek den
Auftrag zum Bau der Leitung, die er mit einem Kostenaufwande von 30000 d
für ein Reservoir von 250 Kubikmetern und aus Deutschland bezogene Tonrohre
von 0,75 m Durchmesser im September 1887 glücklich vollendete. Seither hat
NEGOTIN. Rüiiiischer Löwe am Kreisamle.
sich der Gesundheitszustand der früher von Fieber und Tuberkulose stark heim-
gesuchten Stadt so bedeutend verbessert, dass die Sterbefälle allmählich, wie mir
Herr Stadtarzt Dr. Djordje Vidakovic mitteilte, jährlich auf durchschnittlich 130
sanken, wozu nicht wenig auch die Ableitung der Sümpfe bildenden Jasenica
vom städtischen Weichbild beiträgt. Ärzte gibt es hier 4, Apotheken 2, welchen
aber die noch immer einflussreichen „Babe" (alte Weiber) — obschon oft wegen
Kurpfuscherei gestraft — erhebliche Konkurrenz machen. Fremde Elemente
gibt es in der Stadt nur etwa 70 verschiedensprachige Siaven, 180 Rumänen,
13 Deutsche, 10 Ungarn, 113 Zigeuner, unter diesen 35 Katholiken, 12 Juden
und nur einen Mohammedaner. Ihrer politischen Parteistellung nach galten die
Negotiner zu ^'/.^ radikal, ',-, liberal und 'I:, fortschrittlich gesinnt.
Die Stadt Negotin hat dem Begründer der Dynastie Obrenovic, Fürsten
Milos, ein Denkmal errichtet. Bei der feierlichen Enthüllung wurde König
über Radujevac, Negotin, den Deli Jovan usw. auf den Miroc.
437
Alexander tiurcli einen Adjutanten und die Regierung durch den Handelsminister
Dr. Milovanoviii vertreten. Auch der russische Gesandte Tscharykoff und dessen
Geniahhn, welche schon früher die Absicht hegten, die östlichen Teile von Serbien
zu besuchen, benutzten ihren kurzen Aufenthalt im |uni 1901 in Negotin, um der
Knthiillungsfeier beizuwohnen.
Nur ein kleiner Teil des in 1120 Häusern 5350 Seelen') zählenden Negotin
treibt noch Feld- und Gartenbau. Gewerbe und Handel entwickeln sich stetig;
es werden namentlich die Arbeiten seiner 50 Eisenschmiede, zahlreicher Töpfer,
NEUOTIN. Milos-Denkmal.
Abatuchschneider und Schneider gerühmt. Eine kleine Buchdruckerei und vier
Advokaten sind durch die vielen Handeltreibenden stark beschäftigt. 20-30000 d
Besitzende gelten dort als wohlhabend, es gibt aber auch einzelne wirklich Reiche.
Die grosse Nähe der Zollstation Radujevac, durch welche ein bedeutender Teil
des Warenimports für die Kreise Krajina und Zajecar geht, ferner des Kusjaker
Hafens, aus dem ihr Salzbedarf seinen Weg durch die Stadt nimmt, und die 1886
begründete Sparkasse, die allein 1895 über 16,2 Millionen d -) zum für Serbien
billigen Zinsfusse von 8— 10";o in Umlauf setzte, förderten stetig Negotins
Aufschwung.
') 1905 hatte Negotin 1145 Häuser mit 5769 Einwohnern.
') 1906 betrug der Umsatz 11,2 Millionen d.
438 ilber Radujevac, Negotin, den Deli Jovnn iisw auf den Miroc.
Den Häuserbau, das Pflaster, die Beleuchtung und nanientlicli die Ausstattung
der Läden mit meist aus Österreich-Ungarn und Deutschland bezogenen Waren,
gleich der ganzen Lebensführung, fand ich bei jedem meiner sechs Besuche seit
1860 bedeutend fortgeschritten; das Gymnasium, Handels-, Lese-, Singvereine
und zwei vierklassige Volksschulen hoben auch den Intellekt. Ausser dem Präfekten
und den vielen Beamten des Kreises und des Bezirks Krajina amtieren dort —
nicht gerade zur Freude des Städtchens Brza Palanka — auch jene des Kljucer
Nachbarbezirks. In Negotin liegt wohl der Stab der Krajinaer Brigade, aber
sonst nur wenig Militär. 1896 zählte man in allem neun Offiziere und samt
den Gendarmen 50 Unteroffiziere und Soldaten, welche sich in der fern im grünen
Plane stehenden grossen, einstöckigen Kaserne mit 27 Fenstern Front während
des langen Winters stark vereinsamt fühlen müssen.
Seit ich in meinem „Serbien" zuerst die Trefflichkeit der Krajinaweine
rühmend hervorgehoben, wurden sie als „Negotiner" bis nach Frankreich bekannt
und gesucht. Leider vernichtete die böse Reblaus den viel Geld ins Land
bringenden, viel verheissenden Volkswirtschaftszweig. Anfänglich hielten die
Bauern die 1884 auftretende, in sechs Jahren ihre Weinberge vollständig verwüstende
Phyllo.xera für eine vorübergehende Krankheit und pflanzten, trotz alles Abmahnens,
wieder heimische Reben an, die aber bald gleich trauriges Siechtum ereilte.
Seither sind der Staat und das zunächst interessierte Negotin eifrig bemüht, den
hochwichtigen Krajina-Weinbau neu zu beleben. Apotheker St. Fritzmann, Vorstand
der 1888 mit 2000 Aktien ä 50 d zu Negotin gegründeten Weinbau-Gesellschaft,
wendet, nach mehrjährigen Fehlversuchen, ein Boden und Klima berücksichtigendes
Okulierverfahren mit amerikanischen Reben an, mit dem er schon im zweiten
Jahre dichten Blätterwuchs und Jahr auf Jahr sich mehrende Trauben erzielt.
Energisch durchgeführt, wird es, nach Fritzmanns Ansicht, in kürzester Zeit zur
Regeneration des Krajinaer Weinbaues führen. Gern besichtigte ich am 9. August
1897 mit dem für die Sache begeisterten Manne die von ihm geschaffenen
Neukulturen.
Auf der Fahrt nach dem von der Gesellschaft angekauften Versuchsterrain
von rund 20 Hektar kamen wir durch das kaum 6 km 0. von Negotin liegende
Srbovlah'), einen hübschen, aber verrufenen Fieberort, dessen Walachen zur Über-
siedelung auf die nahe, gesunde Hochterrasse nicht zu bewegen sind. Auf dieser
führte mich Herr Fritzmafin durch das frischgrüne, schon damals 135000 veredelte
amerikanische Stöcke tragende neue Weinland, dessen Produkt sich gar nicht
von dem der heimischen gesunden Rebe unterscheiden soll. Erwähnenswert
erscheint, dass Fritzmann und der Direktor der beim nahen Kloster Bukovo
1891 gegründeten Staats-Weinbauschule über das anzuwendende Okulierverfahren
abweichender Ansicht sind. Fritzmann pflanzt — sein erster Winzer zeigte es
mir praktisch — die amerikanische Rebe 0,50 m tief, so dass die okulierte Stelle
nach oben mit 2 cm Erde bedeckt ist; Direktor Savic lässt aber diese Stelle
nach ungarischer Übung unbedeckt. In dem der Landwirtschaft gewidmeten
M Seit 1899 lieisst dieses Dorf Srbovo.
über Radujevac, Negotin. den Deli Jovan usw. auf den Miroc. 41^9
Kapitel (111. Bd., X. Kap.) hoffe ich, auf Grundlage der mit beiden Verfaiiren
erzielten praktischen Resultate, sie objektiv würdigen zu k()nnen; wünschenswert
wäre es, wenn auch in diesem Falle „alle Wege nach Rom führten".
Der geringe Vorrat von zehnjährigem Negotiner steht heute mit 250 d per
Hektoliter im Preise.. Von den 20 pivnice (Kellereien) der Negotin malerisch im
Halbkreis umschliessenden Rebenhügelterrasse gilt das Produkt jener von Balej,
Lokva, Rajac, Rogljevo, Smedovo und Visoka, deren Kulturen auf den sonnigsten
Timoklehnen liegen, als vorzüglichstes; aber auch jene von Badnjevo, Bratujevac,
Dzevrin, Mokranja usw. werden sehr geschätzt. In guten Jahren repräsentierte,
ungerechnet den heimischen und Belgrader Verbrauch, der 50 — 60 000
Hektoliter betragende Weinexport der Krajina 2 Mill. d, also nahezu die Hälfte
ihrer Gesamtausfuhr von Zerealien, Rindern, Mastschweinen, Ziegen, Fellen usw.
In dem auch 1905 seinen alten Umfang von 2909 km- bewahrenden, von
104 342 Seelen in 71 Gemeinden mit 86 Orten bewohnten Negotiner Kreise
kommen in seinen mit 47 — 66 Seelen per km - dichtbevölkertsten Bezirken Brza
Palanka und Krajina 264 — 300, im Negotiner mit 47 Seelen per km- 137, im
Kljucer mit 31 Seelen per km- 193, und im nahezu ausschliesslich Tierzucht
treibenden Porecer mit nur 14 Seelen per km- 438 Stück Vieh auf 100 Bewohner.
Im ganzen Kreise wurden 1905 gezählt: 6278 Pferde, welche dank den von dem
rührigen „Kolo jahaca" (Reiterbund) erzielten Resultaten schon stark nach Bulgarien
exportiert werden, ferner: 35472 Rinder, 21817 Schweine, 150838 Schafe,
37 253 Ziegen und 4701 Bienenstöcke.
Will der Negotiner erfrischende Luft geniessen und köstliches Wasser an
der Quelle trinken, geht er nach Badnjevo, das man auf der Zajecarer Strasse
leicht zu Wagen in einer halben Stunde erreicht. Die Stadt hüllte am 23. Oktober-
morgen 1889 noch leichter Nebel ein, als ich mit dem Kreisingenieur Pavlovic
über die sonnige Höhe durch prächtigen Eichenwald fuhr. In seinem kühlenden
Schatten stehen nahezu 200 um das Wasserleitungsreservoir malerisch gruppierte
„pivnice", welche spanischem Südwein an Kraft und Feuer ebenbürtigen
Negotiner bergen. Sie besitzen meist ein wohnlich eingerichtetes Stockwerk
und mindestens einen mit Reisig und Fahnen geschmückten Cardak, von dem
sich die Anfahrt des gekelterten Nasses, der lustige Gesang der Winzer, der bis
spät in die Nacht dauernde Kolotanz der Jugend bei lodernden Feuern gut
ansehen und hören lässt. Es gibt Familien, die während der oft einen Monat
sich dehnenden Weinlese hier ihren durch gegenseitige Besuche und Gastereien
verkürzten Aufenthalt nehmen. Die „berba" (Weinlese) ist die Zeit, deren Erscheinen
jung und alt freudig begrüsst; sie schliesst den Reigen der frohen Feste in Gottes
schöner Natur, welche der Serbe ausserordentlich liebt.
Mit SW. führenden Serpentinen ging es weiter durch die Stubiker Kellereien
auf der 1876 für den Krieg erbauten Strasse zur breiten Hochebene, von der
das hübsche, weisse Popenhaus des jenseitigen Jasenica freundlich grüsst. Es
folgte westlicher der „Plavljenje", ein mehr grüner als „blauer" Syenitaufbruch
440 Über Radujevac, Negotiii, den Deli Jovnn usw. auf dun Miroc.
und sodann bogen wir links ab in das durcii Abstürze zerrissene südliche Tal
von Sarkainen, dessen von Kalk und Lehm überlagerte Sandsteine frei am
Tage liegen. Am tief eingeschnittenen Bache dieses wohlhabenden Serbendorfs
steht eine vernachlässigte Mehana; wir zogen es jedoch vor, die von der vor-
sorglichen ingenieursgattin gefüllten Bissage, trotz der mit den welken Blättern
ihr Spiel treibenden Herbstbrise, unter dem nahen riesigen Maulbeerbaum zu
leeren. In einem der durchgehends. mit Hohlziegeln gedeckten Gehiifte konnte
ich auch hier den Fleiss und das industrielle Talent der Serbinnen bewundern.
Und mit welch einfachen Instrumenten diese anmutigen Schürzen usw. geschaffen
werden! Nur ist das Ornament nicht mehr so rein, das Material nicht mehr so
gut wie einst. Die wohlfeilen Garne und Anilinfarben dringen von der Stadt
selbst in entlegene Täler ein, und bald werden die älteren kleinen Meisterwerke
nur noch in unseren Museen zu sehen sein.
Der starke Westwind verjagte das drohende Gewölk, und nachdem unsere
Pferde angelangt, ritten wir bei blauendem Himmel aufwärts am mit roten und
blauen Spätlingen bunt gefärbten Raine des Sarkamenbaches zu einer Mühle,
deren Besitzer uns nach eindringlichem Interview über eine sich hier befinden
sollende „lateinische Feste" orientierte. Eine halbe Stunde westlicher Iraf ich
am Südhange des 0. aufstrebenden Plateaus ein starkes, die Strasse schützendes
Rönierkastell. Sein von mir aufgenommener Grundriss zeigt ein Viereck von
100 ni langen und 2 m starken Wailfronten, an deren Mitte und Ecken acht
mächtige Rundtürme von 14,5 m Durchmesser vorsprangen. Die aus felsartig
verbundenen Syenitblöcken, Findlingen, behauenen Sandsteinen und Ziegeln von
0,50 m Länge hergestellten Mauern folgen der von N. nach S. abdachenden Lehne,
deren Ackerboden, mit antiken Deckziegeln und Gefässscherben übersät, dem
Eigner Radoje Milic Bugarski manche wertvolle antike Münze und andere Objekte
spendete. Etwa fünf Minuten bachaufwärts stehen links vom Wege ungewöhnlich
starke Mauern bei einer „Zavetina". Traf ich solche auf sonst nur leicht
umzäunten Betplätzen unter freiem Himmel, so gehörten sie meist einer alten
Baute an, und dies war auch hier der Fall. Die Zavetina hatte sich im nördlichen
Teil eines quadratischen Römerkastells mit 30 m langen Fronten eingenistet, von
dessen Bauten viele 0,50 m grosse viereckige Ziegel, gebrannte Rundplatten usw.
den Vorplatz bedeckten. Diese kleine Befestigung sperrte mit dem vorgeschilderten
grösseren Kastrum die östlich weiterziehende Strasse nach Ad Aquas, bei dem
sie in den zur Timokmündung führenden Heerweg mündete. — Krsta Arsenije
Lazic, der Eigentümer des unter Kultur gesetzten Terrains, stellte inmitten der
Zavetina zwei Tische mit Kreuzen und Gabentellern auf, bei welchen sich am
Petrov dan die Jasenicaer und die Bewohner der Nachbarorte zur Andacht und
anschliessenden Lustbarkeit einfinden.
Weiter zogen wir aufwärts zwischen „pojate" (kleinen, leichten Hütten), in
welchen der walachische Bauer mehr Zeit als im Dorfe verbringt. Wir begegneten
verdächtig aussehenden Leuten mit zottigen, wilden Hunden, die sich auf den
Vorhöhen des in vier Terrassen ansteigenden Deli Jovan eingenistet. Die vor-
herrschenden Buchengehölze und selteneren dichten Eichenstände sind allerorts
über Radujevac, Negotin, den Deli Jovan usw. auf den Miroc. 441
von Haselnuss- und anderen Sträuchern durchwachsen, und in den Lichtungen
bis hoch hinauf zur Quelle „Nikülina voda" stehen auch einzelne prächtige
Nussbäunie. Durch die Aufnahme der Rümerkastelle hatten wir uns stark ver-
spätet; das Abendrot verglühte bereits auf den fernen nördlichen Gipfein des
Miroc und Strbac, die, Schatten des Deli Jovan deckten das hochliegende südliche
Popovica samt seiner an Chromeisen, Kupfer und Bleigängen reichen Umgebung.
Als die in das westliche Porecka reka-Tal hinüberleitende Einsattelung erreicht war,
erlosch auch das erborgte Licht auf den südlichen 1100 m und 1179 m hohen
Gipfeln des Goli- und Crni Vrh, und die rasch dem kurzen herbstlichen Dämmern
folgende tiefe Nacht gestaltete unseren Abstieg am steilen Uferhange der Crnajka
und durch ihr zwischen Serpentinfelsen tosend hinbrausendes Gerinne stellenweise
sehr schwierig. Ich weiss nicht, wie es uns ergangen wäre. Da leuchtete plötzlich
im fernen Dickicht leichter Feuerschein auf, Hunde schlugen an, und bald zauberten
unsere Panduren einen walachischen Schafhirten herbei, der uns heil hinab zu
den ersten Häusern von Crnajka brachte. Wir waren von der Passhöhe über
400 m in zwei, uns doppelt lang erscheinenden Stunden herabmarschiert, und
der cincarische Wirt gratulierte uns mit pagodenartigem, Verwunderung ausdrücken
sollendem Kopfwackeln zur glücklichen Ankunft.
Den Kern von Crnajka, dessen 224 von 1125 Walachen bewohnte Häuser')
weithin auf den Bergen zerstreut liegen, bildet die Mehana, ein Ducan (Laden) und
das Gemeindehaus auf dem rechten Bachufer, während seine schon 1848 erbaute
Schule auf dem linken steht. Der heute schon bedeutende Ort verspricht das
hüttenbetriebsame Zentrum des von Herder 1835 zuerst bergmännisch erforschten
erzreichen Gebietes zwischen dem Deli Jovan, Sto und Majdanpekgebirge zu
werden. Südlich wird der bedeutende Trachiteinschlüsse bergende Granit von
mächtigen Magnet- Eisensteingängen durchsetzt, die, wie verraste Halden,
Pingenzüge und Schlacken an verschiedenen Punkten zeigen, bereits in alter Zeit
abgebaut wurden. Am südlicheren Gabarbache liegen abgeschwemmte grosse
Quarzblöcke mit Kupferkies, und sein Wasser wird von der goldhaltigen Lehmerde
gelb gefärbt.
Die Regierung verweigerte in diesem zukunftreichen Gebiete private
Schurfverlangen und Hess es 1888 eingehender studieren. Ihr entsendeter
Bergingenieur Hofmann konstatierte am während der österreichischen Okkupation
von 1734 — 17.38 betriebenen Stollen bei der „Oraäu Njampuluj", dass das
erzführende Chalkopyrit gegen 50% Eisen, aber nur 1,4 »/o Kupfer und 0,01 »/o
Silber enthält. Auch zwischen Crnajka und Tanda ist ein 15-30 cm mächtiger
Quarzgang der „Gabrova Mika" sehr reich an Chalkopyrit mit 34% Kupfer,
etwas Silber und Molybdenit, der 1870 versuchsweise durch einen 20 m langen,
seitdem verlassenen Stollen aufgeschlossen wurde. Am „Kraku-Ku-Odnele",
einem Vorberge des Deli Jovan, durchbrechen das Eruptivgestein einst in offenen
Pingen abgebaute, oft 50 m mächtige Kalke und Quarzadern mit Bleiglanz und
Kupferkies, deren Silbergehalt 5,5% betragen soll, und nahe bei der Tandaer
') 1905 zählte Crnajka in 224 Häusern 1297 Einwohner.
442
Über Radujevac, Negotin, den Deli Jovan usw auf den Miroc.
Die Miloseva Kula an der Saska-
MiinduiiK.
Mehanafand Hofmann einen
1,3 m starken Quarzgang,
dessen Pyrit viel Kupfer und
vielleicht auch Gold enthält.
Südlich von Tanda führt eine
trefflich angelegte neue Fahr-
strasse am Crnajka-Oberlauf
über den Veliko Brdo-Sattel
(486 m) aus dem Krajina-
Minengebiete zu dem im
vorhergehenden Kapitel ge-
schilderten gleich reichen
der Crna Reka.
Die rechtsuferigen, sehr
baumreichen Kalkhänge der
Crnajka, an welchen ich
zur ihren Vereinigungspunkt
mit der von NW. kommen-
den Saska markierenden
„Miloseva Kula" weiter ritt, kontrastierten angenehm von den stark zerrissenen
Syenit- und Tonschieferbergen ihres Westufers. Über die dunklen Tonschiefer
eines scharf gegen N. vorspringenden Spornes stiegen wir hinauf zur Ruine mit
altserbischem Namen, die sich bei näherer Untersuchung als der stehen gebliebene
quadratische Hochturm eines ansehnlichen Römerkastells entpuppte, von dessen
südwestlichem Teil ich gut erkennbare, gleichfalls 1,5 m starke Mauern fand,
die eine durch den antiken Mörtel untrennbar verbundene Musterkarte der durch
beide Bäche herabgebrachten Geschiebe' darstellen. Das Kastell wurde zum
Schutze der aus S. und W. kommenden Römerstrassen angelegt, die von hier
vereinigt nach dem grossen Waffenplatze Taliata an der Donau liefen. Dass die
Burg auch im Mittelalter ihre Bedeutung bewahrte, beweist die Tradition: Zar
Lazar habe sie unter die besondere Hut seines in ihrem Bereiche geborenen
Schwiegersohns Milos Obilic gestellt. Von diesem später Sultan Murad auf
Kosova tötenden, beliebten Volkshelden erzählt die Sage-. „Lazar traf ihn schlafend
unter einer Pappel und bemerkte staunend, wie sich ihre Blatte;- bei jedem
Plan und ürundriss des Kastells an der SaJka-Mündung.
über Radujevac, Negotin, den Ocli Jnvnn usw. auf den Miroc 443
Atemzuge des Schläfers hoben und senkten. Der Zar Hess ihn wecken und nahm
den starken Mann in sein Heer auf, in dem er bald durch seltenen Mut so
berühmt wurde, dass Lazar ihm seine Tochter vermählte." Das Volkslied versetzt
viele Erlebnisse der Nationalheroen Miloä und Marko Kraljevic in die wildreichen
Krajinaberge. Es lässt beide gern jagend durch die Schluchten des Miroc reiten,
Milos dort durch den Pfeil einer Vila (Fee) verwunden und Marko häufig eine
Schenke besuchen, welche nahe bei der Miloäeva Kula stand.
im Jahre 1888 begann der Umbau des alten Porecka reka-Talwegs in
eine mittels Kuluk (Frone) rasch vollendete Kreisstrasse, die bei Rgotina in die
Timokstrasse übergeht. Die geologische Beschaffenheit des Terrains bereitete
ihr von der Kula abwärts keine besondere Schwierigkeit. Dort setzen im Ton-
schiefer zwei Grauwackenzüge auf und steht roter Sandstein mit weissen und roten
Tonlagen an, der bei Topolnica in vorzüglicher Qualität gebrochen, auch zur
Porecka reka-Brücke verwendet wurde. Topolnicas Name stammt wahrscheinlich aus
dem verdorbenen „Topionica" (Qusswerk); denn Reste alter Hüttenstätten zeigen,
dass solche dort betrieben wurden. Zwischen den Wiesen und Maisfeldern des
sich stetig verbreiternden Talgrundes blieben noch einzelne prächtige Nussbäume,
die jedoch wahrscheinlich, gleich vielen verschwundenen, auch bald in die
Orsovaer Gewehrschaftfabrik wandern dürften.
In der Mehana des am Ausgang einer pittoresken Kalkschlucht liegenden, zuvor
berührten Klokocevac löste sich das Rätsel, weshalb die Strasse so auffallend
verödet erschien. Ich hörte, dass die Milanovacer Reisenden diese kürzere
Route durch das Porecka reka-Tal nach Zajecar meiden, seit dort vor 12 Jahren
vier Kaufleutc von Bauern mit geschwärzten Gesichtern überfallen und um
2000 Dukaten erleichtert wurden. Seither wird der Weg über Radujevac vor-
gezogen, und nur der Herdentrieb belebt noch die verfemte Strasse. Kurz vor
Mosna passierten wir die zu einem Hinterhalt vorzüglich geeignete verrufene
Stelle, bald darauf das Tor des riesigen Zaunes, mit dem das Dorf, gleich allen
walachischen Donauorten, umschlossen ist, damit das Vieh nicht die Felder
schädige. Hier beginnen Braunkohlen- und Lignitlager, die gegen Golubinjc und
zum Bezirksstädtchen Donji Milanovac hinstreichen, dem wir uns rasch näherten.
Schon trat die Porecka reka-Mündung in Sicht, deren stark zerrissenen Grasboden
ungewöhnlich viele „bunike" (Bilsenkraut) dunkelrot färbten. Die serbischen
Volksheilkünstler schätzen sie als unfehlbares Mittel gegen Rotlauf (?). Wir
kreuzten die von der Donau zurückgestaute Porecka reka auf einer 1887 vollendeten
60 m langen, 6 m breiten Brücke, deren auf zwei 7 m hohen Pfeilern ruhender
eiserner Oberbau im ungarischen Resica ausgeführt wurde. Ich wünschte meinem
Begleiter, sein gelungenes Werk möge gleich lange den Elementen trotzen, wie
die nahen Römerbauten, deren Studium mich zum drittenmal nach Donji Milanovac
führte. Wir trafen es gut: im Hause eines freundlichen Siebenbürger Sachsen
fanden wir erfreuend reinliche Unterkunft.
Kurz vor meiner Reise im Jahre 1887 war das radikale Regiment angebrochen,
und der seines Amtes entsetzte, seinen Nachfolger stündlich erwartende Bezirkskapetan
überliess es seinem Schreiber, die für meine archäologischen Ausflüge notwendigen
444
Über Radujevac, Negotin, den Deli Jovan usw. auf den Miroi.
Panduren beizustellen. So wertvoll auch die gewonnenen archäologischen
Resultate im Grebendefilee waren (1. Bd., S. 198), niussten sich doch neue ihnen
anreihen, wollte ich die in den Itinerarien von Taliata donauabwärts genannten
römischen Uferorte und besonders jene Punkte topographisch feststellen, welche
in Kaiser Trajans Kriegen mit den Daziern geschichtliche Wichtigkeit erlangt haben.
Zunächst galt es, die Lage der von hervorragenden Historikern vielgesuchten
Mansion Taliata, mit Trajans zweitem Donauübergang von Viminacium abwärts,
endgültig zu bestimmen. Das Itin. Ant. entfernt Taliata 36, die Tab. Peut. 37 Millien
von Cuppae und 20 von Dierna. D'Anville vermutete es bei einem dem dazischen
Pescabara gegenüberliegenden Kastell, das dem heutigen Golubinje entspricht;
Porecka reka-Brücke.
Mannert identifizierte es mit den von Marsigli auf dem linken Porecka reka-Ufer
angegebenen Resten zweier Römerwerke, i) Aschbach schwankte in der Wahl zwischen
Lukadnizza*) oder Columbina (Golubinje), und Kiepert setzte es bei Donji Milanovac
an^). Alle diese Punkte liegen näher oder entfernter von der breiten Talausweitung
an der Porecka reka-Mündung, welche in Wahrheit allein zwischen dem Greben-
und dem Kazanpasse den nötigen Raum für eine befestigte grosse Kolonie, als
') A. a. O. „Noch jetzt hat sich im richtigen Abstände der Ort Tatalia erhalten."
Es ist dies jenes von mir 1867 weggeräumte fiktive Dorf, das Mannert, zur Stützung seines
Ansatzes, aus dem in Griselinis Karte angegebenen Felsriff Tahtalia gestaltete, bei dem
V. Neigebauer und Aschbach die Trajanstafel, Ackner und Müller diese mit noch zwei
anderen Inschriften anführten.
') S. I. Bd. Lukadnica zähh zu den fiktiven Orten, an welchen die serbische Karte
noch vor 40 Jahren so reich war.
8) C. 1 L. 111, Tab, II.
über Radujevac, Negotin, den Deli Jovan usw. auf den Miroc
445
welche die Tab. Peut. Taliata durch zwei Türme kennzeichnet, und zur Ansammlung
der zum Übergang nach Dazien bestimmten Truppen bot.
Schon meine ersten im Herbste 1887 von Donji Milanovac ausgeführten
Rekognoszierungen zeigten, dass Taliata zu Mösiens grössten und festesten Waffen-
plätzen gehörte. Seinen fortifikatorischen Stützpunkt bildete ein 120 m vom heutigen
Donaurande, hart am rechten Ufer des Baches Papratnica im Rechteck angelegtes
Kastell mit 140 und 110 in langen Mauern, sieben Rundtürmen und 20 m breitem,
tiefem Graben. Der 5 m breite Eingang befand sich an der dem Strome zugewendeten
Schmalfront. Dieses heute von Nuss- und Maulbeerbäumen bewachsene Werk
wurde 145 m gegen 0. durch ein kleineres, quadratisches verstärkt, das, obschon
römisch '), im Volk als neuere Schanze gilt, weil es unter Karadjordje gegen die
Türken verteidigt wurde. Westlich von der Papratnica dehnt sich ein 300 m breites,
überschwemmungsfreies Terrain bis zum Donji Milanovacer Friedhof aus, auf dem
Plan von Taliatas Befestigungen.
ich 1889 endlich die früher vergeblich gesuchten Reste der civitas von Taliata fand.
Die ansehnlichen Substruktionen und grossen Werkstücke, welche dort gelegentlich
beim Ackern zum Vorschein kamen, lassen mich annehmen, dass das Forum von
Taliata zwischen dem Kazanski und Varoski potok stand. Südlich von den
Papratnica-Kastellen lässt sich das Weichbild der civitas bis auf die Weinberge
der Milovanova Cuka verfolgen; dort befand sich auch die ausgedehnte Nekropole,
von deren Grabsteinen, wie mir Herr Dampfschiffahrtsagent Ilija Zaric im Oktober
1889 persönlich mitteilte, einzelne noch vor 20 Jahren sichtbar waren; gestempelte
Ziegel von den ausgemauerten Gräbern liegen selbst heute allerorts umher. Es
wäre möglich, dass zur Römerzeit am westlichen Ribnicki potok ein Friedhof
lag; antike Münzen zwischen zahlreichen Menschenknochen, welche dort beim
Zurücktreten der Donau gefunden werden, lassen dies um so mehr annehmen, als
Taliatas im weiten Halbkreise angelegte Befestigungen sich über jene Region bis
') Marsigli sah es bereits im Beginne des 18. Jahrhunderts.
446
Über Radujevac, Neiiotin, den Deli Jcivan iisw nuf den Miroc.
gegenüber der Porecinselschanze erstreckten. Sowohl dort, wie am Ribnicki
potok blieben die Rudimente kleiner Werke an der Strasse erhalten.
Schon Prokopius erwähnt, dass Taliata mehrere Kastelle besass. Seine Werke
begannen auf dem linken Ufer des Zlaticabaches, nahe dem alten Majdanpeker
Weg und südlich vom heutigen Bezirksamte, mit einem kleinen Rundturm von
5 m Durchmesser und 60 cm Mauerstärke, von dem 1889 ein 4,5 m langes, 1 m
hohes Segment und viele Deckziegelstücke erhalten waren. Die Verfolgung der
bis zur Porecka reka ziehenden Mauern, welche, bald stärker, bald schwächer, der
alten Befestigung oder grösseren Bauten Taliatas angehörten, führte mich auf das
kegelförmig abgeschnittene Glavicaplateau; doch zeigte sich keine Spur, dass es
jemals ein Kastell krönte, wie zu Donji Milanovac allgemein geglaubt wird. Dagegen
war der Nordfuss des Berges stark befestigt. Wo die aus Taliata östlich
fortziehende Donaustrasse wegen häufiger Überflutung des Porecka reka-Deltas
dieses mit scharf S. abbiegender Kurve umgeht, stiess ich auf einen römischen
RiiinertLirni auf der Caretina.
Rundtunii von 10 m Durchmesser und 1,5 m Mauerstärke, vun dem SO. eine
240 m lange, nach einem zweiten Rundturm ziehende Mauer noch 40 m östlich
bis zum linken Porecka reka-Rande läuft.
Eine zweite in gleicher Richtung auf dem rechtsuferigen Terrassenrande
sichtbare Mauer stand in enger Beziehung zum ziemlich gut erhaltenen rechts-
uferigen Rundturm auf der einen weiten Ausblick zum Kazan- und Greben-Defilee
gestattenden Caretina-Höhe. Landschaftern würde seine noch 7 m hohe, von
einem pittoresken Salas umfangene Ruine eine prächtige Studie bieten, die ihn
bewohnende Walachenfamilie und ihre wilden Wolfshunde die passendste Staffage.
Unten rauscht der breite Strom, aufgelöst in tausend durchsichtige, weissgeränderte,
meergrüne Wellen, über die Felsensohle des Jucriffes in die Donja Klisura
(Kazanpass). Auge und Ohr bleiben staunend beschäftigt. Wie beneidenswert
wäre dieser arme, nur ein kleines Maisfeld und wenige Ziegen sein eigen nennende
Walache, der sich hier auf einem der entzückendsten Punkte des Donaulaufs
eingenistet hat, besässe er Sinn für dessen Pracht.
Für geringen Lohn machte er mit uns den an der Gradisnica-Brücke
beginnenden Aufstieg zum Berg Cetace und hütete, als wir auf der Serpentine
über Radujevac, Negotin, den Deli Jnvan usw. auf den Miroc. 447
des alten Römerwegs einen kleinen Wiesenplan erreiciit hatten, dort unsere Pferde.
Wir kletterten noch ein gutes Stück zu Fusse durch das Wakidickicht höher, bis
unser Pandur rief: „Evo gradiste!"
In Wahrheit stand ich vor einer quadratischen Befestigung mit 40 ni langen
Fronten, deren zweifellos römisches, noch 3 m hohes Mauerwerk, aus Gneis,
Glimmerschiefer und Ziegelstücken, 1,5 m stark war. Zwischen seit Jahrhunderten
hier wurzelnden Eichen und Eschen fand ich auch die Rudimente eines an die
innere Ostmauer gebauten Rundturmes, im Durchmesser und Stärke vollkommen
den beiden zuvor geschilderten an der Porecka reka ähnlich. Über diese hoch
aufragend, diente er jedenfalls als Auslugswarte in das jenseitige feindliche, von
den Römern verlassene Land und zur Beachtung jeder Schiffbewegung auf dem
breiten Donji Milanovacer Becken bis zu den Toren des Greben- und Kazan-Defilees.
Alle von mir durch ausgedehnte Untersuchungen (1887, 1889) festgestellten
Reste von Taliata fasst der beigegebene Plan (S. 445) übersichtlich zusammen.
Meine Nachfolger werden ihn ergänzen; vielleicht gelingt es ihnen auch, in
dem durch oft eine halbe Stunde landeinwärts dringende Donaustaue und den
oft sich ändernden Porecka reka-Lauf stark verwüsteten Tale die Standorte der
Römerbrücken zu finden, auf welchen die antike Tiace ihre Fortsetzung zum
Donauufer nahm.
Dass schon Kaiser Trajan deni Grundsatz: „Getrennt marschieren und vereint
schlagen" huldigte, beweisen einerseits die vielen aus dem Innern in Taliata
mündenden Strassenzüge zur Sammlung einer grösseren Streitmacht und seine
von verschiedenen Punkten des mösischen Donaulimes in das Herz des feindlichen
Dazien führenden Strassenanlagen. Wie bereits erwähnt, ging auch von Taliata
eine solche über Dierna und Tibiscum nach der Dazierhauptstadt Sarmisegethusa,
doch fällt es schwer, den Punkt sicherzustellen, bei dem sie auf das linke Stromufer
überging. Eine alte Tradition erzählt von einer Schiffbrücke bei den Papratnica-
Kastellen, wo dies- und jenseits bei den ungarischen Tri Knie, einer wahrscheinlich
mittelalterlichen Befestigung auf römischer Grundlage, ') allerdings genügender
Raum zur Truppenentwickelung vorhanden, jedoch der Donauspiegel 1,4 km
breit ist und deshalb den Bau einer Pontonbrücke bedeutend erschwert. Der
Übergang krmnte aber auch bei dem östlichen Golubinje, ausser dem Bereiche
der gefährlichen Jucriff-Strömungen stattgefunden haben. Die Strombreite beträgt
dort nur U,7 km, und das \on der Tab. Peut. angegebene Mass zwischen dem
DonauUbergang und Dierna (Orsova) würde, weil mit der Entfernung des letzteren
von Golubinje nahezu übereinstimmend, gleichfalls dafür sprechen. Auch diese
Örtlichkeit ist für eine grössere Truppenansammlung geeignet; betrachten wir sie
und ihre Befestigungen näher.
Um rascher abwärts zur Donau zu gelangen, schlugen wir einen steilgeböschten
Seitenpfad ein. Rechts und links lichteten hier die Salasbewohner für den Anbau
von Mais und Weizen den Wald, der während der Freiheitskämpfe oft der
') Stojka suchte in den Tri Kulc i drei Türme; das römische Tricornesium; iiiihm buzeugt
gleichfalls ihren antiken Ursprung (Arch.-epigr. Mitt , XII, S. 179).
448 Über Radujevac, Negotin, den Deli Jovnn usw auf den Miroc.
serbischen Rajah sichere Zuflucht bot. Noch heute heisst ein schwer zugängliches
Asyl, bei dem wir vorüberkamen, „razmirica" (Kriegsort), denn selten waj^te es
der Türke, in die dichten Buchen- und Eichenforste des Miroc einzudringen. In
den letzten Jahrzehnten wurden aber viele Stämme zum Bahnbau nach Rumänien
geschafft, ohne dass für ihren Ersatz durch Aufforstung etwas geschah, wie überhaupt
alle Wälder der Krajina durch das unausgesetzte Ausführen von Nutz- und
Brennholz stark zu leiden beginnen. Der Miroc bildet ein riesiges Massiv von
Glimmerschiefer, auf dem nahe am Donaurande von der Golubinja abwärts und
am östlichen Hange hohe Kalk- und Sandsteinschichten lagern, durch welche der
Strom sich sein Bett grub. Eine letzte Serpentine brachte uns hinab zum Uferrand,
an dem wir die 5 km lange topfebene Strasse nach Golubinje rasch zurücklegten.
Dort fand ich mein vorausgesandtes Lastpferd gut untergebracht, den dasselbe
geleitenden Panduren aber vereint mit dem Kmeten Vasilije Petrovic beschäftigt,
die müden Ankömmlinge vor der reinlichen Mehana möglichst gut zu bewirten.
Antike Ziegel mit dem Stempel DI ERNA im Schulhause dieses Walachen-
dorfes leiteten mich auf dem rechten Ufer der es durchfliessenden Golubinja,
hart bei ihrer Mündung, zu einem quadratischen Römerwerk, dessen starke,
50 m lange Mauerfronten ein auf seiner Ruine angenistetes Häuschen wallartig
umschliessen. Vielleicht vollzog sich bei dieser, schon von Marsigli unter dem
heute ungekannten Namen „Lukadizza" verzeichneten Feste'), auf der hier
allerdings nicht gleich günstigen Uferentwickelung wie an der Papratnica, der
Übergang eines Teiles des nach dem jenseitigen Dierna ziehenden Trajanschen
Zentrums.
Sicher hat die Römerbrücke aber nicht 2,5 Millien nordöstlicher bei dem
Kastell gestanden, das ich auf der schmalen, keine grosse Truppenentwickelung
gestattenden 15 m hohen Uferterrasse, im linken Mündungswinkel der Mala
Golubinja traf. Seine 38 m langen, 1,5 m starken Mauern enthalten neben
zahlreichen mit DIERNA gestempelten 31 cm langen, 15 cm breiten und 9 cm
hohen Ziegeln einzelne mit: DRP DIERNA^). Hier wurde auch das 29 cm
hohe, 27 cm breite eingeritzte Bruchstück einer Ziegelinschrift ausgegraben, das
ich im Oktober 1887 beim Donji Milanovacer Forstaufseher Kojcinovic kopierte.
Meine Abschrift unterscheidet sich von der 1888 veröffentlichten^) in einigen
Buchstaben und zeigt in der ersten Zeile deutlich das in der dort publizierten
Lesung durch Domaszewski in CL korrigierte Q.
Von diesem Kastell zog die Strasse nahe der höchsten Wasserstandslinie
hart am Uferrande weiter, auf der dem Mirochange mühsam abgerungenen Trace,
welche, wo die Felsmauern steil in den Strom fallen, nur 2—2,5 m breit, durch
') A. a. O., Bd. I, Tab. VI.
=) C. 1. L. ill, Suppl. Fase. II, No. 8277. — Starinar. V, S. 20, wurden die beiden ersten
Buchstaben von Valtrovic irrig lOB gelesen und der Stempel als erste Inschrift von „Dierna"
erwähnt. Vgl. auch Kaiinka und Svoboda, Arch.-epigr. Mitt., XIII, S. 37, wo Dierna gleichfalls
irrtümlich bei Golubinje angesetzt erscheint. Über dessen wirkliche Lage werde ich im
XVII. Kap. sprechen.
■>) Starinar, V, S. 22. - - C. I. L. III, Suppl. Fase. II, No. 8277
über Radiijevac, Ncijotin, den Deli |ovan usw. auf den Miroc.
449
eine hölzerne Bahn verbreitert wurde, die auf in quadratischen Vertiefungen
befestigten, sehr starken Querbalken ruhte. Bei der Unnahbarkeit der im Strbac
789 m hoch aufragenden, nahezu senkrechten Felswände bedurfte die Strasse hier
keines Schutzes. Erst 10 Millien von der Mala Golubinja abwärts hatten die
Römer ein viertes Kastell zur Hut des Kazans auf der Mrakonija angelegt.
Die zwischen den Donauübergängen Taliata und Egeta, 26 km ins Dazierland
vorspringende nördliche Landzunge zwang die Römer zur Anlage einer direkten
Die Röincrkastelle am Miroc.
Heerstrasse 'auf der kürzeren Bogensehne übei das Mirocgebirge, welche den
Legionen die Verfolgung der bewundernswerten, aber oft schwierig zu passierenden
und zeitraubenden Kunststrasse durch den Kazan ersparte. Diese von der Tab.
Peut. angedeutete Trace zweigte bei der Gradiänicabrücke, nahe der Porecka reka-
Mündung, vom Donauheerweg ab, erklomm zuerst mit einigen Serpentinen eine
kleine Hochwiese, dann mit stärkerer Steigung das bereits geschilderte Kastell
auf dem Berg Cetace, um dauernd von W. nach O. auf dem gewonnenen,
21 km breiten Plateau seinem Donauhange bei Brza Palanka zuzustreben. Die für
F. KANITZ, Serbien. U. 29
4r)() über Radujevac, Negotiii, den Deli Jovaii usw auf den Miroc.
den Waj^eiivcrkelir wenij,'er steile lieutige Trace über den Miroc umgeht lici der
Porecka reka-Mündung die turnigekronte Caretina, erklettert nacii ganz kurzem
Laufe, hart am Donaurand, in 21 Serpentinen das Plateau des Miroc und vereinigt
sich erst beim Dorfe Mirocevo mit der Römerstrasse. Ein noch kürzerer Hochweg
vom Golubinja-Kastell strebt gleichfalls dem Dorfe Mirocevo zu und wurde
wahrscheinlich schon in römischer Zeit benutzt.
Um diesen zeitsparenden Römerweg kennen zu lernen, stieg ich im Oktober
1887 von Golubinje zum Miroc auf; unser Tross schlug die bequemere Serpentinen-
strasse ein, die wir unter Kmet Vasilijes kundiger Führung, auf durch prächtigen
Wald und abgeerntete Salasfelder sich schlängelnden Pfaden, auf der Passhöhe
(508 m) erreichten. Auf diesem Punkte war die Station Gerulatis zu suchen,
falls die zwischen ihr und Taliata von der Tab. Peut. angegebene Entfernung
mit 8 Millien richtig war. Wirklich traf ich nach einigem Umfragen, kurz vor
Mirocevo, ein rechteckiges Kastell von am Donaulimes seltener Grösse (Lang-
fronten 106 m, Schmalseiten 94 ni) und östlich die Reste seiner beträchtlichen
Zivilniederlassung. Wo die alte Trace mitten durch das 1872 entstandene Dorf
geht, kam ein keramischer Estrich zum Vorschein, dessen über Eck gestellte
14 cm lange, 9 cm breite und 3 cm hohe Platten meist ohne Mörtel aneinander-
gereiht waren. Es war nicht der einzige Fund in dem 78 Häuser zählenden,
stetig wachsenden Walachenorte, dessen Gehöfte zumeist auf Grundfesten von
antikem Material stehen und viel Unbenutztes bergen. Nahe der Mehana lagen
kreisrunde, 6 cm hohe Ziegelplatten von 17 cm Durchmesser, die wahrscheinlich
zur Herstellung kleiner Säulen gedient und von einer quadratischen Baute am
fünf Minuten entfernten Valja mare potok stammten, deren aus Sandstein und
Ziegeln hergestellte Fundamente 11 m Länge bei 1,10 m Mauerstärke massen.
Als ich dort im Herbst 1887 wieder das Terrain durchstöberte, stiess ich auf
Tonröhren einer römischen Wasserleitung, von welchen später etwa 20 für die
1889 erbaute Dorfcesma verwendet wurden; ferner auf einzelne skulptierte Werk-
stücke. Wir dürfen also annehmen, dass das nun bei Mirocevo festgestellte
Gerulatis, dessen Reste bereits Marsigli signalisiert hatte'), eine ebenso feste
wie durch die Künste verschönte Niederlassung war.
Die ersten Ansiedler des 1872 entstandenen Mirocevo kamen aus Dibre
am Ohridsee. Zu diesen gesellten sich Walachen aus Ungarn und 1889 aus
Popovica. Jede Familie erhielt 2,5 Hektar Waldterrain zur Urbarmachung und
entsprechenden Gehöftgrund. Im Dorfe herrschte die weinseligste Stimmung.
Die Hochzeitsfeier eines Paares, dessen Zug in die Donji Milanovacer Kirche ich
am Tage zuvor gesehen, hatte die Geister so erregt, dass meine Umfragen nach
alten Bauresten an der Strasse nach Brza Palanka sehr widerspruchsvoll beantwortet
wurden. Es handelte sich für mich darum, das gleichfalls bisher unbestimmt
gebliebene antike Unam zu finden, das die Tab. Peut. 6 Millien von Gerulatis
und gleich entfernt von Egeta ansetzte, demnach auf halbem Wege zwischen
Mirocevo und Brza Palanka gestanden haben musste.
•) A. a. O., Bd. I, Tab. XVI.
über Radujevac, Negotin, den Deli Jovnn usw. auf den Mirot. 451
Einem Winke des giaubwiirdifisten Mannes folgend, bog ich hinter dem
Dürfe N. ab, ohne nach längerem Marsch auf antike Reste zu stossen. Gleicii
erfolglos war meine Umschau auf dem N. von grossen Dohnen erfüllten Terrain,
nahe der Pojata Silva, welche, zwischen Buchen- und Eichenständen, eine
prächtige Fernsicht nach der Donau bietet. Auch meine eifrigen Rekognoszierungen
auf dem trotz seiner Unsicherheit im Oktober 1889 von mir zum zweitenmal
besuchten Miroöplateau blieben ohne Resultat. Auf der Meteris genannten,
stark überwachsenen Höhe stiess ich wohl auf das [Pflaster der alten Strasse, aber
auf keine Anzeichen von Mauerwerk. Während der letzten 3 km abwärts nach
Brza Palanka wuchs die Dunkelheit derartig, dass wir bedacht sein mussten, nicht
in die Gräben dies- und jenseits der Strasse abzustürzen. Nur selten blitzte in
den Waldlichtungen das Feuer eines Salaä auf, noch seltener begegnete uns
ein Reiter, der dann gewöhnlich, von gleich unfreundlichem Gefühl wie wir erfasst,
sein Pferd zu grösserer Eile spornte. Ohne weiteres Abenteuer kamen wir
endlich bei strömendem Regen nach Brza Palanka, und eine Stunde später
langte auch unser Tross heil in seiner Mehana am Donaustrand an, die sich in
allem vorteilhaft von dem elenden Wirtshaus unterschied, das mich dort 1860
beherbergte.
Im grossen Gastraum trafen wir zufällig den Sumar (Förster). Obschon er aber
das Mirocplateau angeblich genau kannte, wusste er nichts von dortigen Ruinen.
Nur der Mehandzija wollte solche auf der „Sapatura" bemerkt haben. Als
Ingenieur Pavlovic diese, eine Stunde von Mirocevo entfernte Lokalität im Mai
1890 auf meinen Wunsch besuchte, fand er 120 m S. von der Strasse und 50 m
östlich von der Sapaturaquelle, auf etwa 50 m langem und 35 m breitem Räume,
einige Vertiefungen mit von Grabungen herrührenden Erdhaufen, in welchen
Serpentinsteine vorkamen. Das Ganze machte den Eindruck einer von Menschen-
hand durchwühlten Stätte; doch bedarf es in die Tiefe gehender resultatreicher
Nachforschungen, um mit Bestimmtheit sagen zu können, dass ein antiker Bau
an dieser Stelle sich befand.
Am nächsten Morgen blaute das Firmament wieder. Ich benutzte ihn, um
Brza Palankas antike Reste aufzusuchen. Von des Städtchens grösserem Glänze zur
Römerzeit sprechen die Wälle dreier Kastelle und Mauern ausgedehnter Bauten,
die ich im östlichen Stadtteil auf die Uferterrasse hoch hinauf verfolgte, ihre
Lage ist in dem von mir aufgenommenen Plane ersichtlich. Die Mauerfronten
des östlichen Kastells zeigen nahezu gleiche Verhältnisse wie jenes zu Mirocevo,
das mittlere (ß) 54 m und 26 m, das westliche (C) litt stark beim Bau der es
durchquerenden neuen Miroestrasse und durch den vorbeifliessenden Bach. Es
dürfte identisch sein mit dem einzigen Kastell, das Marsigli zu Brza Palanka
verzeichnete. Von den vier Rundtürmen ist wenig erhalten; die Südwestmauer
zieht aber tief hinab ins Städtchen, wo ich im Stalle des Holländers Uysterhagen
auf dieselbe stiess.
Südlich vom heutigen Brza Palanka fand ich bedeutende Reste der grössten-
teils durch die Hochwasser der Donau allmählich vernichteten Zivilstadt Egeta,
deren Weichbild sehr ausgedehnt war. In diesem konstatierte ich eine zweifellos
2i)*
452
Über Radujcvac, Negotin, den Deli Jovan usw. auf den Miroc.
römische, zum Kastell /1 führende Strasse, bei dem von einem Prachtbau herrührende
ornamentierte Gesimsplatten mit Säulenstämmen gefunden wurden, im nahen
Garten des Lehrers Sima Mihailovic sah ich fünf 56 cm lange, 10 cm hohe
quadratische Ziegelplatten mit in meinen „Römischen Studien" abgebildetem
BRZA PALANKA. Zivilstadt Egeta.
Stempel. Von den zu Brza Palanka wiederholt gemachten antiken Münzfunden
erzählten mir glaubwürdige Männer, dass die 1869 beim Kirchenbau beschäftigten
Arbeiter über 20 kg Silbermünzen in Halbdinargrösse, von Alexander Severus,
Augustus, Julianus und anderen, ausgruben, von welchen die Kirche 1200 d Wert
und der Staat den Rest erhielt. Um nicht gleichfalls mit dem Fiskus teilen zu
müssen, floh ein Maurer, der bei der Fundamentierung auf einen Goldmünzenschatz
über Radujevac. Negotin, den Deli Jovan usw. auf den Mirot. 453
stiess, nach Rumänien. Gleich häufig sind die Funde von Waffen, Bronzen,
Schmucksachen, Kameen usw. Oft werden solche auch von Einwohnern dem
vor der Mehana ausruhenden Fremden zum Kauf angeboten. Egetas aus-
gedehnte Verteidigungsweri<e zeigen aber, dass die zur Trajansbrücke laufende
Donauheerstrasse bei' Brza Palanka in einen strategisch wie kommerziell gleich
bedeutsamen Knotenpunkt mündete, dem bei romischen Unternehmungen in das
jenseitige Dazien eine grosse Rolle zufiel.
Ptolemäus, der nur bedeutende Städte erwähnt, nennt Egeta, das Itin. Ant.
verzeichnet es 21, die Tab. Peut. nur 20 Millien entfernt von Taliata, mit einem
Stromübergange zu den, entlang dem Ciul und der Aluta, in das unterworfene
Dazien führenden Strassen. Franke und Aschbach setzten Egeta bei Kladovo an.
Kiepert erkannte es aber'), nach der Tab. Peut., welche sich für diese Region am
verlässlichsten erweist, in Brza Palanka. Die Masse der Tafel von Egeta nach Taliata
mit 20, nach dem dazischen Drubetis (Turn Severin) mit 21, und donauabwärts
nach Clevora (Mijailovac) mit 9 Millien passen zweifellos besser auf Brza Palanka
als auf Kladovo, und die Identifizierung des letzteren mit Egeta muss nach meinen
letztjährigen, auf dem Terrain selbst gewonnenen Studien fallen, will man nicht,
wie der noch 1877 an Kladovo festhaltende Dragasevic, in die grössten Wider-
sprüche geraten.'-) Denn es geht nicht an, das sowohl vom Itin. Ant. als von
der Tafel nahezu übereinstimmend angegebene Mass zwischen Taliata und Egeta
als Schreibfehler zu erklären und durch Zusatz von XVII Kladovo anzupassen,
oder das sowohl von der Not. Imp. als von Procopius auf dem rechten Donauufer
angegebene Transdierna bei dem linksuferigen Cernec zu suchen, wie dies Aschbach
getan, obschon die Tab. Peut. dort kein solches kennt, sondern 21 Millien von
Egeta die Brückenstadt Drubetis verzeichnet, deren Reste, in gleicher Entfernung
von Brza Palanka, noch beim heutigen Turn Severin vorhanden sind, was auch
Kiepert zu ihrem Ansätze dort bestimmte.
Von dem antiken Egeta wissen wir durch die Not. Imp., dass es im Beginn
des 5. Jahrhunderts als Standplatz einer Schiffsabteilung und Reiterschwadron
von Truppen der Leg. XIII Gemina besetzt war, welche vor dem Verluste Daziens
in der Colonia Ulpia Traiana Sarmisegethusa ihr Hauptquartier hatte. Als die
Barbaren die römischen Donauprovinzen überfluteten, ereilte Egeta das gleiche
Schicksal aller Uferstädte. Seine Ruinen lieferten später dem Kaiser Justinian
das Material zur Herstellung einiger benachbarter Kastelle, welche ich bei der
weiteren Verfolgung des Donaulimes nach N. und S. auffand und noch schildern
werde. Unter den Türken und während der österreichischen Okkupation war
„Pirsa" eine feste Palanka. 1860 sah ich auf dem Hochplateau am Donauufer
Reste von Stadtmauern und Moscheen, welche von seiner türkischen Vergangenheit
erzählten. 1810 verteidigten drei mit 650 Mann besetzte stark verpalisadierte
Schanzen das Städtchen tapfer gegen die es einschliessenden Serben. Als aber
der vor Prahovo befehligende Graf Zukato am 1. Juli letzteren den Major Jukoff
mit einem Bataillon des Neu-Jegrischen Regiments, vier Geschützen und einigen
') C. I. L. III, Tab. II.
>) A. a. 0
454 (ibcr Radujevac, Negotii!, den Deli Jovan usw. auf den Mirot.
Hundert von Milan Obrenovic geführte Serben zu Hilfe sandte, kapitulierte die
Besatzung mit Zurücklassung von vier Kanonen, drei Fahnen und vielem Proviant')
gegen zugebilligten freien Abzug nach Vidin. Der von dort zurückgekehrte Vuk
Karadzic übernahm 1813 auf Karadjordjes Befehl in sehr schwieriger Zeit die
Organisation des Bezirks für den in Sicht tretenden neuen Kampf. Es war der
letzte Dienst, den der berühmte Schriftsteller als Beamter seinem Vaterlande
erwies. Bald darauf wurde Brza Palanka wieder türkisch und blieb es bis 1833,
wo sich dort die Scharen sammelten, welche die Moslims dauernd aus der Krajina
über denTimok drängten. Nun sollte Brza Palanka das Zentrum des neugeschaffenen
Kreises werden; Negotin siegte aber im Wettbewerb und Brza Palanka erhielt nur
ein Zollamt mit Fähre für den damals bedeutenden Rohprodukten- und Vieh-Export
nach der Walachei und Ungarn. Obschon später eine Dampferstation hinzutrat,
sank nach dem Wegzuge der Türken Brza Palankas Handel, und selbst zuletzt
fand ich sein Post- und Telegraphenamt auffallend schwach beschäftigt.
Das 780 Bewohner in 172 Häusern-) zählende Bezirksstädtchen besitzt eine
an seinem Südende isoliert stehende, 1871 geweihte hl. Geistkirche mit hohem Turm.
Ihre Ikonostasis und den Presto (Thron) schmückte Casnji mit Malereien, deren
Stil ich bereits im ersten Band würdigte. Ihre prächtigen Ehrenstühle schnitzte
der einige Zeit in Brza Palanka lebende Italiener Aloisios. In der benachbarten
vierklassigen Nornialschule unterrichten drei Lehrer den städtischen Nachwuchs. Im
Oktober 1887 traf ich in Brza Palanka den Holländer Jean Uysterhagen aus Gans, der
die nahen Eichenwälder zur Erzeugung von Fassdauben vom Staate auf drei Jahre
gepachtet. Schwellen für die Kohlenbahn Vrska Cuka — Radujevac lieferte, auch
Nussholz ausführte und ein 1888 am Aliksarbach angeschürftes Kohlenflöz ausbeuten
wollte. Man versprach sich viel von seiner überall zugreifenden Tätigkeit; als
ich ihn aber 1889 wieder besuchen wollte, hörte ich, dass er gleich schlecht
spekuliert hatte, wie der ebenfalls von seinem Belgrader Initiator Vasa Sokolovic
beratene Ostender Holzhändler Debique in Kupuziäte und ein anderer Unternehmer
in Dubocane. Wenige Monate zuvor war der ruinierte Holländer mit Frau und
Sohn, unter Zurücklassung seiner Habe, aus Brza Palanka verschwunden.
Das vorerwähnte, nur 6 km vom Städtchen ferne Kohlenflöz „Aliksar"
am gleichnamigen Bache lagert 2 — 4 m mächtig zwischen mit Kohlenpartikeln und
Tonschichten gemengten grauen Sandsteinen. Seine braune, harzige Tertiärkohle
wurde 1890 durch staatliche Geologen auf ihre Abbauwürdigkeit am Orte geprüft,
wobei man die vorgefundenen Schächte reinigte, verlängerte und die Galerien
vermehrte. Der Bergingenieur Rosberg erkannte das Vorkommen als verwandt
mit der fossilen Kohle beim südlichen Sikole im Timokbecken. Die Regierung
stellte seither „Aliksar", dessen Ausbeutung nur den Bau einer kaum 7 km langen
Bahn zur Donau bedingt, der jungen serbischen Dampfschiffahrts-Gesellschaft zur
freien Verfügung.
') Documenti privitore la Istoria Romanilor, 1709-1812. S. 308. Bukuresci 1887.
'') 1905 zählte Brza Palanka in 210 Häusern 1051 Einwohner.
über Radujevac, Negotiii, den Dcli Jovan usw auf den Miroc. 455
Die hart an der Donau laufende, nahezu geradlinige Negotiner Strasse liilirt
mit 4 km von Brza Palanka zur Slatinska reka. Auf ihrem linken Ufer stiess ich
unfern der Brücke auf ein die zum flachen Donauufer vorspringende sanfte Höhe
krönendes Kastell mit 30 m langen Mauerfronten; 350 m östlich von diesem
Bollwerk und 280 m von der Mündung des 1891 solid überbrückten Baches
befand sich hart am Donaurand ein grösseres mit 55 m langen Wällen, das
hier jede Landung hinderte. Wir Hessen das Dorf Slatina mit seiner „Bell
Izvor" genannten Bittersalzquelle rechts und erreichten mit 3,5 km ein drittes,
quadratisches Kastell, das gleichfalls links von der Strasse, hart am Prijodbach
und Donauufer, auf der mit Wein bebauten höheren Terrainwelle „Hajducka"
stand. Seine stark verwüsteten Mauern messen 40 m und liegen gegenüber
der Nordspitze der äusserst fruchtbaren, prächtige Herden, Mais- und Weizen-
felder bergenden, 15 km langen rumänischen Insel „ Oslrovo mare", mit
gleichnamigem Dorf und mehreren Wachhäusern. Diese 15 km lange Insel
entfernt das serbische Ufer an ihrem breitesten Punkte 4 km vom rumänischen,
zwischen dessen Auen und Sümpfen sich riesige Schaf-, Pferde- und Rinderherden
umhertummeln.
Das 3,5 km weiter folgende, von Fürst Milos nach seinem ältesten Sohne
benannte Mijailovac, entstanden 1833 durch jenseitige Walachen, die hier
Wälder und Weingärten besassen, gilt als eine der grössten rumänischen Ansiede-
lungen an der serbischen Donau. Seine Kirche ist ein Geschenk des ersten
Obrenovic, die neue Schule erbaute die wohlhabende Gemeinde selbst 1889, da
ihre alte für die sie besuchenden 80 Knaben und Mädchen nicht mehr ausreichte.
Das in einem prächtigen Silberpappelhaine liegende Dorf exportiert mit seiner
Umgebung jährlich lüOOü Hektoliter dem spanischen an Güte ähnlichen Weines;
der Mais- und Weizenbau reicht aber nur für den eigenen Bedarf. 1886 wurden
per Hektoliter 15 — 20 d, 1887, in dem der Wein minder geriet und sich wenige
Käufer einstellten, kaum 12 — 15 d erzielt.
Die Morgensonne warf ihr Rot über die tiefblauen Donauarnie auf die fernen
weissen Sandhöhen von Prahovo und seine neue, hochliegende Kuppelkirche, als
wir, begleitet von dem höchst intelligenten, in Orsova erzogenen Kaufmann Jovan
Popovic, zur Zamna ritten, wo die von Ingenieur Paviovic erbaute dreibogige
Brücke eben vollendet wurde. Da es sich um die stark belebte Staatsstrasse
Belgrad — Vidin handelte, erhielt ihr 35 m langer Oberbau eine Breite von 5,6 m,
und weil der grosse Bach im Frühjahr stark anschwillt, beträgt die Spannweite
ihrer drei Bogen je 10 ni bei 3 ni Höhe. Der ungemein zierliche Bau wurde
aus Muschelkalkstein der trefflichen Brüche des nahen Mala Kamenica ausgeführt,
wo das Material sich auf 1 d per Kubikmeter stellt. Dieser graue, weissdurch-
äderte Kalkstein lehnt, oft von Sandstein überlagert, an vom Miroc O. streichenden
Glimmerschiefern und wird bereits nach allen Richtungen verführt, während man
früher, beispielsweise für die Donji Milanovacer Kirche, den minder guten,
kostspieligeren Stein aus dem 25 km südlicheren Mokranja verwendete. Mit uns
kreuzten die Brücke einige Holz tragende Wagen, die füi' den Weg vom Fällorte
am Miroc bis Kobiänica am Timok fünf Tage brauchten. Welche Kraft- und
456
Über Radujevac, Negotin, den Deli Jovan usw. auf den Miroc
Zeitvergeudung, um wenige Dinare zu gewinnen. Das „Time is money" hat in
den Balkanländern noch keine Geltung.
Auf ein viertes Strassenkastell, mit gleichen Verhältnissen wie das zuletzt
beschriebene, stiess ich am Kamenicabache, bei der 1600 m von seiner Mündung
entfernten Brücke. Durch die nahen Weingärten 100 ni aufsteigend, kam ich zu
den Resten einer fünften, ursprünglich römischen, von den Türken in eine Schanze
umgewandelten Befestigung, welche mit jenen bei Mijailovac und auf der Ostrovo
mare dem russischen General Zukato im Juni 1810 den Weg nach Brza Palanka
sperren sollte, nach tapferer Verteidigung aber genommen wurde. Noch sieht man
das 1 m dicke Gemäuer eines Rundturmes von 9 m Durchmesser, der nach der
Meinung der Anwohner einen, den „Latini" zugeschriebenen, ausgemauerten
tiefen Brunnenschacht birgt. Nach allem dürfte es gerechtfertigt erscheinen, wenn
Zainnabrücke.
ich das in der Tab. Peut. mit 9 Mühen von Egeta verzeichnete Clevora bei den
Kastellen an der Kamenica ansetze. Die Entfernung der von mir an derselben
nachgewiesenen römischen Reste, welche auf eine dort bestandene grössere
befestigte Ansiedelung schliessen lassen, entspricht genau dem von der Tafel
angeführten Masse.
Das Zamnagebiet gleicht einem nahezu ununterbrochenen riesigen Weingarten.
Allerorts stösst man auf die charakteristischen, Serbien eigentümlichen „pivnice",
auf die dorfähnlichen Kellereien, welche einzelne grössere Orte oder mehrere
kleine vereint, bis zu 20 und 30 gewöhnlich auf einem höheren Punkte anlegten.
Die Einrichtung einer solchen pivnica zeigt meine zu Kamenica gefertigte Skizze.
Am Oberlaufe der Skoska auf einem Vizinalwege weiter ziehend, kam ich zu
ihrem grössten, durch Weinbau wohlhabendsten Orte Jabukovac. Leider schlich
sich auch dort die seit 1887 gegen 200 lanaca (Tagwerke) vernichtende Phylloxera
ein. Die durch ihre prächtigen Mais-, Weizen- und Pflaumen-Kulturen reiche,
3940 Seelen in 805 Häusern zählende Gemeinde') baute schon 1846 eine Schule
') 1905 zählte Jabukovac in 801 Häusern 4076 Einwohner
über Radujevac, Negotin, den Doli Jovan usw. auf den MiroC.
457
und 1867 eine hübsche Christi-Himmelfahrts-Kirche mit Turm. Der intelligente
Jovan Pajkic betreibt ausser seiner grossen Landwirtschaft drei Kalköfen am
östlichen Kornjet. Selbstbewusst, wie die anderen zu meiner Begrüssung
erschienenen Honoratioren, meinte er:Jabukovac habe längst verdient, der Amtssitz
des Bezirks zu werden, und ersuchte mich, die massgebende Stelle in Belgrad
besser zu orientieren.
Auch zu Jabukovac bewahrheitet sicii das serbische Wahrwort: wo eine
Walachin ins Haus heiratet, walachisiert sie es gänzlich; denn früher rein serbisch,
ist das Dorf durch die Verheiratung seines Nachwuchses mit den schönen
walachischen Mädchen aus den Donauorten nahezu ganz rumänisiert. Doch zeigt
alles, besonders der treffliche Gehöftbau, einen auffälligen kulturellen Unterschied
zwischen diesen Walachen der Ebene und den selbst bei ihnen als faul, unreinlich
und verderbt geltenden Brüdern des Majdanpek- und Mirocgebirges. Es ist ein
Pivnica zu J.ibiikovac.
gelungener Menschenschlag mit Exemplaren von tadelloser Schönheit beider
Geschlechter, wie sie die römische Campagna kaum mit reineren antiken Anklängen
besitzt. Diese pittoreske Staffage in farbenreichen Kostümen belebte den von
Jabukovac westlich führenden Weg zum Kloster Vratna, das ich wegen seiner
vielgepriesenen Lage und von alten Traditionen umwobenen Kirche in mein
Routier einbezogen hatte.
Den Ritt über die wcitgedelmtc Hochebene verschönte der Ausblick auf
die Karpathen, den Miroc und die Berge bis zum Deli Jovan. Bei einer von
dichtem Grün eingehüllten, nur durch ihr Geräusch sich verratenden Mühle ging
es hinab zur Vratna. Dort hörte alles Leben auf. Heilige Stille herrschte in
ihrem sich verengenden Defilee, und bald standen wir vor einem von mächtigen
Steilwänden eingeschlossenen weissen Kirchlein, aus dessen gezimmertem Glocken-
stuhle helle Töne einer Symantra uns begrüssten. Der Mann, der sie so kräftig
zu schlagen verstand, war ein aus dem sirmischen Gergetek hierher gewanderter
Kaludjer (Mönch); der einzige Bewohner dieser Heilstätte, Pahomije Damjanovic,
lud uns in sein bescheidenes Häuschen und brachte herbei, was er für alt und
wertvoll hielt.
458
Über Radujevac, Negotin, den Deli Jovan usw auf den Miroc.
In dem einzigen, wiri<lich sehr interessanten Triod fand ich eine gemalte
Vignette und unter verschiedenen chronistischen Aufzeichnungen die Notiz: das
Kloster wurde 1415 (?) gegründet und 1836 renoviert. Im Volke pflanzt sich
aber die Tradition fort, die Kirche sei von Nikodim, Erzbischof unter Kralj Milutin
(1279—1321), erbaut worden, die für Frauen bestimmte Vorhalle aber in späterer
Zeit. Eine leider überkalkte, schwer lesbare Inschrift über dem Eingange des
Narthex nennt als dessen Stifter „Sarban Voda Desturca aus Bukarest im Jahre
1415". Ich glaube durch diese Mitteilungen die vagen Daten Milicevics und auch
seine Annahme berichtigt zu haben, als gäbe es zu Vratna, das er irrtümlich an
die „Jabuca" verlegt, keinerlei handschriftliche Nachweise oder monumentale
Inschriften.') Das 17 m lange niedrige Kirchenschiff mit erneuerter pentagonaler
Kloster Vratna.
Chorapside wird durch sechs Schiessscharten ähnliche Fenster und ihr Narthex
durch zwei runde erleuchtet, enthät aber nichts Bemerkenswertes aus älterer
Zeit. Das die Seelsorge des gleichnamigen Dorfes besorgende Vratna ist eine
Filiale des benachbarten Klosters Bukovo. Dieses bezahlt dem Mönch 25 d
monatlich für die Verwaltung des aus 19 Hektar Feldern, Wiesen und Weingärten,
370 Hektar Wald und etwas Vieh bildenden Vratnaer Besitzes und bezieht den
die Jahresausgabe von 1400 d, wie ich hörte, durchschnittlich übersteigenden
Reinertrag von 300 d.
Ein stellenweise schwer gangbarer Fusssteig brachte uns SW. vom Kloster
zu seinen weithin in der Krajina berühmten zwei „Vratna"-Felstoren. Diese übten
nach traditioneller Sage einen so mächtigen Zauber auf den weltsatten asketischen
Mönch Nikanor, dass er zur Zeit des Despoten Stevan dort in einer schwer
zugänglichen abgemauerten Höhle lebte, betete und so viele Jahre fastete, bis er.
') Kneievina Srbija, S 957.
i'ber Radujevac, Negotin, den Dcli Jovan usw. auf den MiroC.
459
von allen Menschen fern, als Heiliger starb, in Waiirhcit übertrifft die an das
sächsische Prebischtor mahnende Romantil< der Vratnaer Kalkszenerie die schönen
Erosionen bei Plavna im südwestlichen Zamnatal, und mehr noch jene im Löss bei
Stubik. Ich versuchte mit wenigen Strichen die charakteristischsten Punkte der
Ravnaer Szenerie festzuhalten und gebe sie hier, obschon ich glaube, dass sie
die empfundenen mächtigen Eindrücke nicht entfernt widerspiegeln.
Weiter ging es nach dem jetzt schon durch seinen reichen Feld-, Wald- und
Herdenbesitz wohlhabenden Stubik. Dieses 1920 Bewohner in 355 Häusern')
VRATN'.A. Oberes Jabutator.
zählende grosse Dorf erbaute 1868 eine hl. Geistkirche, in deren Grundfeste eine
vom Fürsten Mihail wenige Tage vor seiner Ermordung unterschriebene Urkunde
versenkt wurde, ferner eine von zwei Lehrkräften geleitete vierklassige Knaben-
und Mädchenschule. Seiner bildungsfreundlichen Bevölkerung winkt eine noch
schönere Zukunft, falls das unfern des Pulvermagazins für das Timoker Regiment an
der oberen Zamna angeschürfte Braunkohlenlager sich abbauwürdig erweisen sollte.
Am 1. Juli 1807 waren die benachbarten Plateaus der Schauplatz eines
blutigen Kampfes zwischen Türken, Serben und Russen, welcher mit dem Siege der
beiden letzteren endete. Serben und Türken hatten sich bei Stubik und Malajnica
') Stubik hatte 1905 in 423 Häusern 2086 Einwohner.
460
Über Radujevac, Negotin, (.Ilmi Deli Jovan iisw auf den Miroc.
Stark verschanzt. Sechsmal stärker, setzten die durch Mula Pasa von Vidin, Kara
Feis und Guäanac Ah befehligten 5000 Tijrken den serbischen Wojwoden Miienko
und Dobrnjac hart zu. Sie schnitten ihnen das Trinkwasser ab, nur ausgesetzt
dem feindlichen Feuer konnte man solches aus der Zamna holen, und nicht besser
stand es mit dem Proviant, nur 80 Dramm Weizen kamen täglich auf den Kopf.
Karadjordje eilte von Porec über Golubinje herbei; doch auch er hielt sich dem
unausgesetzt frische Zuzüge erhaltenden Pascha gegenüber zu schwach und
VRATNA. Unteres Jabuca-Tor.
ersuchte endlich notgedrungen den in der kleinen Walachei befehligenden russischen
General um schleunigste Unterstützung.
Obgleich selbst nur über geringe Streitkräfte verfügend, wollte Graf Isajeff
aus politischen Gründen diesen ersten offenen Appell der Serben an des Zaren
Macht nicht abweisen. Am 4. Juni hatte er den Türken fünf mit kostbarer Ladung
gefüllte Schiffe auf der Donau weggenommen. Mit diesen brachte er rasch sein
Detachement, bestehend aus: einem Bataillon Olanec, vier Don -Geschützen,
350 „Horwaten" und 1000 Panduren, am 29. Juni bei der grossen Olmar-Insel
auf das rechte Ufer. Karadjordje machte Isajeff Vorstellungen über die geringe
über Radujevac, Ncgotin, den Deli Jovan iisw auf den Miroc.
4(!1
Zahl seiner Truppen. Dieser antwortete, dass er auch ohne seine Mitwiri<ung,
u;anz aliein, die Türken angreifen werde. Die Russen legten die 25 Werst vom
Donauufer rasch zuriici< und rüci<ten auf den linken Zamnahühen gegen die Türken
vor. Am 1. Juli machten diese einen starken Kavallerie-Ausfall, welchen die
Kosaken gliinzend zurückwiesen. Dem fliehenden Feinde folgte das brave Bataillon
Olanec auf dem Fusse und erstürmte mit den nun gleichfalls angreifenden Serben
alle neun feindlichen Redouten mit dem Bajonett. In wilder Flucht, 1000 Tote,
vier Kanonen, einen Mörser, 13 Fahnen, eine Rossschweifstandarte, die Kassen,
VRATNA. Nikanor-Celija.
Munition und den lu.xuriösen Train des nach Vidin entflohenen Mula Pasa Hessen
die Türken auf dem Felde. Die Serben waren voll Bewunderung über die Leistung
der Russen, um so schlechter aber auf die Franzosen zu sprechen, da man im
Paschazelte Briefe vom Grafen Sebastiani fand, welche Ratschläge zur Bekämpfung
der christlichen Gegner enthielten. General Isajeff setzte eilends seinen Marsch
fort, um die in Negotin wieder gesammelten Türken anzugreifen. Der zwischen
Russen und Türken abgeschlossene Waffenstillstand ') beendigte seine glänzende
Aktion in Serbien.
') Dociinicntl privitori la Istoria Ronianilor. Bukiircsci 1887. S. 142 ff.
462
Über Radujevac, Negotii!, den Deli Jnvaii usw. auf den Miroc.
Begleitet von dem geschichtskuncligen Stubii<cr Popen Dimitrije Ilic und dem
Knieten Mihailo Marinkovic ritt ich am 13. Oktober 1887 nach Malajnica, um
von der hochliegenden Schanze Mula Pasas auf dem reciiten Zamnaufer das
Schlachtfeld zu zeichnen. Westlich sahen wir Milenkos Redoute und die „Glavica",
auf welcher der von Golubinje über den Miroc marschierende Karadjordje sich
stark verschanzte, hart vor mir lagen aber die Erdwerke, aus welchen die Russen
ihre Verteidiger verjagt und zum Rückzug nach Vidin gezwungen hatten. Die
weite, von den Deli Jovan- und Miroebergen abgeschlossene Landschaft atmete
tiefen Frieden, und ausser den noch vorhandenen Wällen der türkischen Position
Prokopije Bujisic.
verriet nichts, dass sie 80 Jahre zuvor eine berühmt gewordene Stätte blutigen
Ringens war.
Vorbei an den grossen Weinkellern von Jasenica und Stubik ging es SO.
über die baufällige Jasenicabrücke, und nachdem wir die Zajecar — Negotiner
Strasse gekreuzt, durch prächtigen Linden- und Eichenwald hinab zum Kloster
Buk ovo. Sein im herzegowinischen Aufstande 1875 als Archimandrit von Banja
am Lim vielgenannter Iguman Prokopije Bujisic war eine der interessantesten
Personen, welche ich auf dieser Reise kennen lernte. Auf seinem mir gewidmeten
Bilde erscheint er mit sehr ausdrucksvollem, schwarzbärtigem Kopfe, einem
Kreuze, zwei Orden und drei serbischen Medaillen auf der Brust, den Revolver
in der rechten Hand, die linke auf einem erbeuteten türkischen Offizierssäbel:
über Radiijevac, Negotii!, ilen Deli Jovan usw. auf den Miroc.
463
so, wie er seiner Ceta stets zum
Kampfe vorausritt. Unter den mit ihm
genannten Füiirern glänzte er durch
Intelligenz, Ausdauer und Tapferkeit.
Nachdem Prokopije das muslimische
Priboj niedergebrannt, hielt er Banja
mutig (siehe 1. Bd.) gegen die Über-
macht des mit vier Tabors von
Sjenica heranziehenden Mehemed Ali
Pasa und zog dann mit seiner Ceta
nach Serbien. Von dort aus beteiligte
er sich lebhaft an allen Kämpfen zur
Befreiung der Herzegowina in den
Jahren 1876—78 mit seiner Freischar.
Als der Waffenstillstand abgeschlossen
war, zog er in das Kloster Raca
(I. Bd., S. 605), übersiedelte sodann
nach Bogovadja (I. Bd., S. 134) und
erhielt als Lohn die Igumanswürde
von Bukovo, mit dessen Renovation
ich ihn beschäftigt fand.
Die Wände des besten Wohn-
raumes im wohnlichen Fremdenhause,
dessen Cardak eine prachtvolle Aus-
sicht über Radujevac auf die jen-
seitige rumänische Donauterrasse bietet,
schmückte er mit orientalischen Tep-
pichen, historischen Porträts und dem
von Cortanovic nach der Natur gemalten
Bilde des von Kralj Uros 1. (1237 bis
1272) gegründeten, von dem Iguman
einst regierten herzegowinischen Kloster
Banja, das nicht mit jenem ganz zer-
störten Banjskaer, südlich von Novi
Pazar, verwechselt werden darf, dessen
„Svetostevanski Hrisovulj", vom König
Uros II. Milutin (1276—1320), durch
eine ungarische Gelehrten-Kommission
1889 aus dem Konstantinopeler „Eski
seraj" geholt und im Auftrage der
bosnisch - herzegowinischen Landes-
regierung durch Professor Jagic 1890
publiziert wurde. Die Anlage der
interessanten herzegowinischen Kirche
464 Über Radiijevac. Negotin, den Deli Jovan usw auf den Miroc.
gleicht jener in der berülimten serbischen Carska Lavra zu Studenica (S. 17); im
April 1892 erteilte der Pascha von Novi Pazar den dortigen Serben die Erlaubnis
zur Restauration der stark verwüsteten Heiltätte.
Die dem „hl. Vater Nikola" geweihte Bukovoer Kirche wurde 1877 vergrössert,
und ihr früher an der Nordostseite unregelmässiger Grundriss zeigt nun ein
18,3 m langes Schiff mit Narthex und Chorapside, dessen Breite zwischen den
Hauptmauern sehr niedrig vorspringenden, gleichfalls pentagonalen Seitenapsiden
im Innern 8,3 m beträgt. Die Ausmalung der Kirche stammt aus dem Jahre 1864,
als Kir Mihail von Decani ihr Iguman und Kir Sofronije Bischof des Vidiner
Sprengeis waren, zu dem die Krajina gehorte; die Kosten trug der Trnjaner
Knez Simon, als „Christum liebender Wohltäter". Bukovos 1893 auf 102000 d
geschätzter Besitz bestand aus 50 Hektar Feldern und Wiesen, 18 Hektar Wein- und
Obstgärten, 300 Hektar Wald, grossem Viehstande und 76000 d Barkapital, mit
einer durchschnittlichen Jahreseinnahme von 12800 d und nur wenig kleinerer
Ausgabe. An die Stelle des 1 894 nach dem Kloster Petkovica (I, Bd., S. 373) versetzten
Bujisic kam der Iguman Gavrilo von Vracevsnica, ein frischer, alter Herr, den ich
1897 persönlich kennen lernte. Die von Paviovic nach Kloster Bukovo erbaute,
3 km lange Kunststrasse mit drei Brücken über den „Blato" gestaltete es seither
zu einer der beliebtesten Fusspromenaden der seine schattigen Wälder gern
aufsuchenden Negotiner.
Eine Cesma rechts vom Klosterportale spendet den Pilgern köstlichen
Labetrunk. Etwas südlicher kamen wir an der amerikanischen Rebenversuchsstation
vorüber, für welche der Staat dem Kloster 3000 d jährlichen Grundpacht bezahlt,
und die seit 1891 mit erweitertem Wirkungskreise in eine grosse staatliche
Agrikulturschule umgestaltelt wurde. Als ich unter Führung ihres gefälligen
Direktors Milutin Savic die ihren vielfachen Arbeitszweigen gewidmeten Lokalitäten
am 8. August 1897 besuchte, staunte ich über das hier in verhältnismässig kurzer
Zeit Geleistete. Vereint mit seinem tüchtigen Ökonomen, zwei ordentlichen
Professoren, einem praktischen Pomologen und den mithelfenden 76 Zöglingen
wurden von den der Schule zugewiesenen 200 Hektar — grossenteils Wald, Wiesen
und alte Weingärten — 3 Hektar in eine Gemüse-, gleich viele in eine Obstbau-
und 36 in eine Rebenkulturschule umgewandelt, in welchen man in geographischer
Anordnung und mit selbstverständlicher Berücksichtigung der Boden- und
klimatischen Verhältnisse Serbiens die bekanntesten kultivierbaren Typen aller drei
Gebiete, frei wachsend unter blauendem Himmel oder in Glasbeeten gezogen, findet.
Wenn nun auch die Ansichten über das von dem seither als Forstdepartementschef ')
wirkenden Savic befolgte amerikanische Reben-Okulierungssystem geteilt sind,
hörte ich andererseits die Leistungen seiner Obstbauschule einstimmig rühmen.
Erwähnt sei noch, dass die Anstalt auch die Tierzucht zu heben bemüht ist.
Sie selbst besitzt 40 Schafe, 4 Zuchtwidder, 2 Zuchtstiere, 4 Monfauconkühe,
6 Stuten u. a. edelster Rassen. Zu diesem Zwecke wurden ihr die Staatsdomänen
') M Savic wurde 1902 in den Ruhestand versetzt und fungiert als Direktor der
serbischen Seidenbaugesellschaff.
über Radujcvac, Negotin, den Deli Jovan usw. auf den Miroc
46r)
„Balej" am Timok mit 40 Hektar und „Cvetanovac" im Brza Palanka-Gebiete
zugewiesen; aucii die Verbesseruni» der Bienen- und Seidenzucht fällt in den
Wirkungskreis des Instituts, für welches der Staat in den Jahren 1894 und 1895
rund 173000 d verausgabte und eine nietedniiogisciie Station einrichtete.
Die Verbindungswege mit den grossen westlichen Orten um Negotin sind
nach starkem Regen nur schwer passierbar. Sie stecken zwischen den viel Terrain
erfüllenden Sümpfen, zu deren Trockenlegung der Ministerpräsident Djordjevic
Amerikanische Rebcnkultiir- und Agronomische Lehranstalt zu Bukovo bei Negotin.
einen bewährten Ingenieur 1898 aus Belgien berief, im schwarzen Humusboden,
der so fett, dass er ohne Düngung trefflichsten Mais und Weizen zeitigt. Dadurch
wird hier die walachische Bevölkerung faul; ihre Häuser sind schlecht und
unreinlich, die Männer findet man meist beim Wein und Kartenspiel in verkommenen
Mehanen, deren weibliche Bedienung, trotz Falschschmucks und Schminke, sie
mir noch unheimlicher machte. Auf den Höhen wechseln Wein mit einzelnen
hübschen Eichenständen; an Bauholz fehlt es also nicht, und doch sind die vielen
Bäche äusserst selten, und wenn, dann schlecht überbrückt.
Die Durchforschung des Negotin umschliessenden, stark undulierten Terrains
zwischen dem Timok und der Donau führte mich am 15. September 1887 auf
das eine ausgedehnte Fernsicht in das bulgarische und rumänische Donauland
gestattende Hochplateau bei Vidrovac. Diesen strategisch wichtigen Punkt krr>ntcn
F. KANITZ, Serbien. II. '"
466
Über Rndujcvac, Ncgotin, den Deli Jovaii usw. auf den Miroc.
die Römer mit einem quadratiseiien Kastell, dessen Wailfronten 70 m massen.
Bei eingehenderer Rekognoszierung stiess ich südlich auf starke Fundainentmauern,
die sich 300 m lang und im rechtwinkeligen Ansätze 120 m breit deutlich weiter
verfolgen Messen. Die Ansiedelung, der sie angehörten, hatte, wie einzelne Spuren
zeigten, ein weit grösseres, aber nur durch Ausgrabungen bestimmbares Areal
bedeckt, und dass sie auch reich geschmückte Monumente besass, beweisen
DZANJEVO
Reste von Ad Aquns.
SituationspK'in von NcKotin.
Kastell von Dzanjevo.
hier gefundene Werkstücke und Skulpturen, welche im Negotiner Nacelstvo
bewahrt werden.
Nachdem wir beide Arme der Jasenica durchfurtet, stand ich vor dem alten
Koroglas-Kirchlein. ') Vereinsamt liegt seine Ruine im grünen Plane eines alten
Friedhofs, dessen Grabsteine meist tief in die Erde gesunken; wo ihre Inschriften
aber noch lesbar, wie die 2,5 m hohe für Radak Zivanovic vom Jahre 1768,
zeigen sie, dass hier einst Serben siedelten. Aus jener Epoche stammen die
zahllosen Mythen bei den walachischen Anwohnern über die Gründung des
Kirchleins. Nach einer wäre es vom jenseitigen „versündigten" Rumänenlande
') Seit 1890 lieisst dieser Ort Milosevo
über Rnitiijcvac, Negotin. den Doli Jdvan usw. niif den Miroc. H)7
liL'riiberi;etl()gen, die andere lässt es von Zar Dusan zu Ehren eines in der Näiie
geborenen tapferen Wojwoden erbauen, der in einer Schlacht gegen die Bulgaren
gefallen war, und dessen Familie er mit grossem Grundbesitz, genannt „Dusanjevo",
begabte, welcher Name im heutigen „Dzanjevo" ') verstümmelt fortlebt.
Eine dritte Sage lässt den in der Walachei verwundeten Nationalhelden
Kraljevic Marko auf seinem Streitrosse Sarac über die Donau setzen, hier sterben
und in der ihm errichteten Kirche ruhen.-)
Der Biograph des Lazarevic erzählt, dass unter Bajazids serbischen Vasallen,
die sich 1394 am Zuge gegen den insgeheim mit Ungarn verbündeten walachischen
Mircia 1. beteiligen mussten'), sich auch Marko befand, welcher zum Fürsten
Konstantin sagte: „Ich bitte zu Gott, dass er den Christen helfe, und ich möge
der erste unter den Toten sein!" Nach Konstantin Philosoph sollen beide auch
in diesem Kample gefallen sein. Ein späterer Chronist verzeichnet: „Und da
fiel Marko Kraljevic; es tötete ihn Novak Dokmanovic" usw. Den Tod Konstantins
im Jahre 1394 bezeugt sicher die gleichzeitige Stiftung seiner Tochter Helena,
Gemahlin des Kaisers Manuel Paleologos (1391 — 1424), für Seelenmessen usw. im
hl. Johanneskloster zu Petra, welche der Konstantinopeler Patriarch in sein Buch
eintrug.') Ein Stein mit der Inschrift: „Zdie zamce Kralj Marko" (Hier verblich
K. M.) soll 1876 noch an der Srbovoer Brücke gestanden haben und ins Negotiner
Nacelstvo übertragen worden sein, wo ich ihn aber vergeblich suchte. Trotzdem
halte ich die Dusanovacer Marko-Tradition begründeter als viele andere. Voll-
kommen sicher dürfte der Begräbnisort des „Königssohnes" niemals festgestellt
werden können im Hinblick auf die zahlreichen Punkte, an welchen das gern
fabulierende, singlustige Serbenvolk seinen Liebling von der Donau bis zur Adria
im blutigen Streite verscheiden lässt.')
Die von so volkstümlichen Legenden umwobene Heilstätte wird selbst-
verständlich an ihrem Sabortag, am Djurdjev dan, stark besucht. Ist der
Gottesdienst beendet, wird der hl. Georg in den improvisierten Schenken mi(
Schmausereien gefeiert; die Jugend vergnügt sich aber bis zum späten Abend
mit Gesang und Tanz. Das Kirchlein ist aber auch archäologisch interessant.
Sein von mir gemeinsam mit Ingenieur Pavlovic aufgenommener Grundriss unter-
scheidet sich wesentlich von Riznics '•) späterem (1888), der falsch an der
Nord- und Südmauer apsidenartige Risalite vorspringen lässt, an der Nordseite
ein nicht vorhandenes Fenster zeigt und in den Einzelmassen gleich ungenau
wie die im Texte berührte .Anordnung der Fresken ist. Das Gewölbe des
10 m langen, 6 m breiten Hauptraums ist eingestürzt; die wenig beschädigten
Umfassungsmauern lassen aber erkennen, dass der Bau zur Reihe jener bereits
gekennzeichneten Monumente des byzantinischen Stils gehört, deren charakteristisches
') jetzt heisst der Ort Dusan ovac.
-•) Vuk, Rjecnik, S. 297
■■') Hormuzaki, Fragmente, I, S. 215 f
') Novakovie, Serben u. Türken im XIV. ii. XV. Jalirli , S. 191).
■"•) Karl Gröber, Der Königssnhn Marko, S 250. Wien 1883.
■■■) Starinar, Bd. V, Tafel IX.
30*
468
l'ber Radujevac, Negotin, den Deli Jnvnn usw auf den Miroc.
A'\erkmal der zur äusseren Dekoration verwendete Trompetenziegel ist. Die durch
den fehlenden Narthex und ihren Apsidenschluss interessante Bauanlage ist in
meinen Aufnahmen ersichtlich. Von den Fresken sind hervorzuheben: an der
Nordwand links drei weibliche Figuren, ferner im vertieften Mittelfelde drei
trefflich individualisierte Ritter mit Schilden und Schwertern, sowie rechts drei
Kleriker. An der Südmauer sind nur in einem kleinen Nischenfelde der hl. Trifun
und hl. Agatonik erkennbar; in der Apsis zu beiden Seiten ihres Schmalfensters
über einer schematisch gemalten Stoffdraperie zwei grosse geistliche Figuren;
im obersten Schmalstreifen: Christus an einem Tische, von dem rechts und links
in geradliniger Anordnung je sechs Apostel stehen. Auf der Westmauer erscheint
eine ähnliche Darstellung, unter ihr eine figurenreiche Grablegung Maria und
über dieser ein in Wolken schwebender Engelschor, der mit Nimben geschmückte
Trajansbrücke, die Kopfpfeiler im Jalire 1889.
Brustbilder von Heiligen emporträgt. In der Zeichnung besonders gelungen ist
der prächtige, mit Schild und Lanze bewehrte Ritter rechts vom 2 m hohen,
horizontal abgeschrägten Eingange, der, wie Farbenspuren im Mörtel zeigen, auch
an der Aussenmauer mit Fresken geschmückt war.
im benachbarten Dusanovac hörte ich von einem südwestlichen „Crkviste"
(Kirchenruine) auf der „Rovina"; die Angaben über seine Grösse Hessen auf
eine Kathedrale schliessen, und dies bestimmte mich, es zu besichtigen. Östlich
vom Defileetor, aus dem der Dupljaner Bach in die Hochebene tritt, fand ich
am bezeichneten Orte wirklich sehr starke Mauern eines kleinen Kastells, dessen
Grundriss wegen der argen Verwüstung aber schwer bestimmbar war. An der
ziemlich gut erhaltenen Grundmauer der 25 m langen Hauptfront erkannte ich
deutlich zwei an den Ecken vorspringende Rundtürme, von welchen in stumpfen
Winkeln gebrochene Mauern wahrscheinlich nach einem dritten Turme liefen,
dessen Reste das Erdreich bedeckt (Plan, S. 466). So erwies sich die Ruine
des „Klosters Dusica", von welcher Milicevic spricht, und die auch in der
über Radujcvac, Negotin, den Doli Jovan usw. auf den Miroc. 469
serbischen Generalstabskarte als solche verzeichnet erscheint'), als ein (jücd
des römischen Kastellf^ürtels an der Timol<nuindun^'.
Weiter ging es unter Führung des Knieten Radul Popovic über prächtigen
Wiesenboden zu einer schon von Vuk erwähnten alten Wasserleitung-). An den
„pivnice" (Weinkellern) von Duäanovac vorüber gelangte ich in einer halben Stunde
zu der nordwestlichen, steilgeböschten Terrasse, deren Sandsteinscliichtcn zwei
Quellen so mächtig entströmen, dass sie gleich unterhalb vier Mühlen treiben.
Zwischen beiden Zuflüssen entsprang, nahe einer Riesenulme von 6 m Stamnunnfang,
ein dritter, nun versiegter Quell. Die wegen ihres starken Rauschens serbisch
„Caricina" und walachisch „Bolboroä" genannten Quellen fingen die Römer in
einem grossen Reservoir auf, von dem ich Mauerreste, Ziegel und Deckplatten
in Menge fand (Plan, S. 466). Die zutage gelangten Bleiröhren, welche das
Wasser in die benachbarten Donaukastelle leiteten, gössen die Serben während
der Freiheitskämpfe in Gewehrkugeln um. Auch auf der. Route, welche ich von
der Quarantäne Radujevac am Donaurande gegen N. einschlug, stiess ich, etwa
1 km hinter den Salzmagazinen, auf eine römische Befestigung, deren 60 m
lange Wallfronten, trotzdem der gegen Prahovo 200 Hektar bedeckende „fliegende
Sand" sie teilweise überschüttete, deutlich erkennbar blieben (Plan, S. 466). Im
Innern des quadratischen Werkes fand ich wahrscheinlich einem Wachtturm
angehörende rechtwinkelige Rudimente, dann allerorts zerstreute grosse Ziegel
und Deckplatten. Den Kern der starken Mauern bildet Gusswerk.
Nur mühsam gelangte unser Wagen auf der grundlosen Strasse nach
Prahovo, dessen Gehöfte innerhalb ihrer hohen, dichten Akazienzäune kaum
sichtbar werden. Die 1880 vollendete hübsche Kirche gab dem wohlhabenden
Walachendorf einen stattlichen Mittelpunkt. Ihre Malereien stammen von demselben
in süsslicher Manier arbeitenden Künstler, dessen Hand auch den Bilderschmuck
für Stubiks neue Kirche besorgte. Am Rande der vom Donauufer massig hoch
ansteigenden Lössterrasse liegen die Reste eines Römerkastells, dessen starke
Ostfront ich noch 1860 mit 40 m Länge und 4 m Breite mass, und das seither
weiter als bequemer Steinbruch benutzt wurde. Man sprengte ihr aus Quadern
und Gusswerk hergestelltes, mit breiten Ziegelbändern wechselndes Mauerwerk
und verwendete es zum Grundbau der neuen Kuppelkirche, der, wie mir der
Ortskmet erzählte, auch das Grab einiger während der letzten Dezennien beim
„latinski grad" aufgefundenen, oft 2 m hohen Inschriftsteine wurde. Gleich
beklagenswert erscheint der Verlust vieler Waffen, Schmucksachen, Gefässe usw.
aus im Jahre 1886 ausgehobenen Sarkophagen. Keiner der anwesenden Hono-
ratioren wollte etwas von ihrem Schicksal wissen; nur eine, wahrscheinlich von
den die serbische Donau periodisch absuchenden Antiquitätenhändlern verschmähte
eiserne Schaufel gelangte in das physikalische Kabinett des Negotiner Gymnasiums,
wo ich sie 1887 sah. Das Los der antiken Funde hängt meist vom Zufall ab.
Im Sommer 1860 fand ich zu Prahovo einen dem Kaiser Trajan gewidmeten
•) Knezevina Srbija, S. 956. - Karte, Blatt Negotin, K. 4.
') Rjeinik. S. 297.
470
(Jber Railiijcvac, Negotii), den Dcli Jovaii usw. auf cIl'ii Miroc.
lnscliriftstfiii in zwei Stücken.') Als icli 1S7() wietier hinkam, war eint' Hälfte
nach Ncgotin gewandert, die andere aber nur iiacli langem Suchen bei einem
Mehandzija aufzufinden, der sie verbauen wollte. Der intelligente Ortskmet Jovan
Mihailüvic versprach mir, sie nach Negotin zu senden, dessen Kreischef ich die
Aufstellung sämtliclier Römerfunde aus seinem Amtssprengel dringend empfahl.
Der Stein gelangte aber ebensowenig dahin wie zwei andere, die ich 1870 kopierte
und gleichfalls veröffentlichte.-) Der vierzeilige Votivstein war verschwunden, den
sechszeiligen traf ich 1887 als Türschwelle der neuen Dorfschule.
Prahovos Kastell ist Marsiglis „Deez"; die heutigen Anwohner nennen es
„Dec", sie bewahren die Tradition, dass die „lateinischen Mauern" von einem
Schlosse stammen, das Trajan nach seinen dazischen Siegen hier erbaute und
„Decebalus" (!) nannte. Diese und andere Fabeln dürften aus Büchern entstellt
in das Volk gelangt sein, welche Prahovos Römerreste allgemein mit Ad Aquas
identifizierten. Diese im Hin. Ant. nur 16 Millien von Egeta, in der Tab. Peut.
Römisches Knstell zu Prahovo.
aber 18 Millien von diesem und 9 Millien vom Zwischenorte Clevora donauabwärts
verzeichnete Stadt wird auch von Procopius als durch den Kaiser Justinian
wiederhergestellter fester Platz und in den Kirchennotizen als Bischofssitz „Aquis"
erwähnt. Erscheint aber Ad Aquas' Verlegung auf Prahovos Ruinen durch die
bezüglichen Angaben der Itinerarien oder durch die örtliche Terrainbeschaffenheit
gerechtfertigt? Nun zur einzigen von Marsigli zwischen Brza Palanka und dem
Timok aufgefundenen Römerstätte „Deez" durch meine Funde viele andere, früher
ungekannte hinzutreten und die neue serbische Karte auch eine genauere Prüfung
der bezüglichen Masse gestattet, ergibt sich meine Verneinung dieser Frage.
Schon Ad Aquas' Namen deutet auf eine quellenreiche Gegend, nicht aber
auf Prahovos den austrocknenden Wirkungen des „lebenden Windes" ausgesetzte
Terrasse hin; ferner ist zu erwägen, dass Prahovos Kastell von dem an der
Kamenicamündung festgestellten Clevora 6 Millien entfernt ist, während das Mass
zwischen diesem und Ad Aquas in der Tab. Peut. mit 9 Millien angegeben wird.
■) C. 1. L. III, Nu. 1642.
-) Arcli -epigr. Mitt. 1884, S. 85 f.
C. I. L. III, Siippl. Fase. II, No 8093, 8096.
über Radujevac, Negotin. ilcn Dcli J<iv;ni usw. ;uif ilcii Mirot. 471
Dieses Mass und die Ad Aquas' Namen entsprechende Landschaft stimnicn viel
besser mit dem zwischen den reichen Quellen von Badnjevo und Dzanjevd
liegenden Vidrovac-Plateau, das von der Cubra und Jasenica umflossen, auch einen
strategisch wichtigen Kommunikationspunkt bildet. Unter \'idrovac verband sich
der von Clevora kommende Donau-Heerweg und die vom nördlichen Erzgebirge,
zwischen Sarkamens Kastellen herabziehende Strasse mit der an Gamzigrads
starker Feste vorbeilaufenden zu einem den Timok bei Bregovo übersetzenden
Strange. Diese Vereinigung dreier wichtiger Routen am Fusse des Vidrovac-Plateaus
erklärt, abgesehen von den zuvor entwickelten Gründen, die Anlage einer grossen
befestigten Stadt auf demselben. Die Reste eines starken Kastells und die
ausserhalb seiner Wälle \()n mir gefundenen Substruktionen zeigen, dass eine
solche dort bestand. Mein Ansatz von Ad Aquas auf dem Vidrovac-Plateau
dürfte durch diese Ausführungen gerechtfertigt erscheinen.
Der von Clevora über Ad Aquas zum Timok führende Heerweg bog schon
beim heutigen Kusjak vom Donaulimes südlich ab (Plan, S. 466). Diese Richtung
wurde ihm durch periodische Überschwemmungen der Radujevacer Ebene uiul
das schwer zu überbrückende breite Müiidiuigsdelta des Timoks diktiert. Kusjaks
Lände eignet sich besser als die benachbarten zum Anlegen tiefgehender Schiffe,
was schon die Römer, wie Spuren alter Uferbauten zeigen, erkannten, und noch
heute bildet es den bedeutendsten Stapelplatz für die Salzeinfuhr und den Export
solcher Produkte, die mittels Holzschiffen ihren Weg donauabwärts nehmen. Bei
seinen grossen Salzdepots und Mehanen finden sich oft Hunderte mit Büffeln oder
Ochsen bespannter Fuhrwerke zusammen, um das aus Rumänien einlangende Salz
ins Innere zu führen. Von diesem Hafen für Ad Aquas zog die antike Trace
über Samarinovac. Ein spekulativer Negotiner, der einen 1886 dort erkauften
Landbesitz durch fleissige Bulgaren in Gemüsegärten umwandeln liess, besitzt
viele dabei gefundene römische Münzen.
Die bei Prahovo und Radujevac angelegten Burgen, welche diesen Teil der
Heerstrasse am Donaulimes schützten, zählten wahrscheinlich zu den sieben unter
Justinian erneuerten Kastellen zwischen der Trajansbrücke und Aouis. Procopius
nennt: Marburg, Susiana, Armata, Timena, Theodoropolis, Stiliburg und Halikaniburg..
Schon Mannert schloss aus der Endigung dreier dieser Namen mit „bürg", dass
sie durch deutsche Truppen besetzt waren. Vom Radujevacer Kastell zog
der feste Grenzgürtel im grossen Bogen landeinwärts über das isolierte Hochplateau
von Kobiänica hinab zur Cikoijskabrücke, um den nahen Timokübergang gegen
einen Angriff von NO. zu decken (Plan, S. 466). Insgesamt sind es fünf Kastelle,
von welchen das in den Bereich der belgischen Brikettfabrik fallende an der
Donau und ein zweites, gleichfalls quadratisch angelegtes im südlichen Flachterrain
bei Kobisnica, nur 40 in lange Fronten besassen, während das zwischen beiden
in der Niederung liegende, durch die Jasenica gedeckte dritte, 120 m lange, durch
Rundtürme an den Ecken verstärkte Wallmauern zeigt. Dieses bedeutende Werk
bildete zweifellos den Zentralpunkt der ganzen, Ad Aquas und die Timokbrücke
schirmenden Anlage, welche zwei Kastelle auf der H()hc bei Bukovce und Srbovo
vervollständigten.
472 Über Radiijcvac, Negotin, den Dcli Jovan usw. auf den Miioc.
Wie auf dein linken Ufer des Tinioks, fand ich 1864 auch auf seinem
rechten, nahe der Mündung, die Reste der grossen römischen Niederlassung
Dorticum. Diese schon von Ptolemäus genannte Donaufeste, welche nach der
Not. hnp. im III. Jahrhundert eine Reiterabteilung besetzt hielt, und deren Kastell
Kaiser Justinian herstellte, wurde von Mannert, Forbiger, Aschbach und Smith
bei den fiktiven Serbenstädten Blaska (Dorf Srbovo?) und Deez (Prahovo), also
irrig auf dem linken Timokufer gesucht.
Vergleichen wir die Itinerarien, so lag Dorticum nach dem Itin. Ant. nur
lü Millien, nach der Tab. Peut. aber 24 Millien entfernt von Ad Aquas. Da nun
die Gesamtlänge der im Hin. Ant. angegebenen Entfernung zwischen Ad Aquas
und der östlichen obermösischen Hauptstadt Ratiaria, deren Lage genau bestimmt
ist, um 10 Millien zu kurz, jene in der Tab. Peut. um gleich viele zu lang
erscheint; andererseits die Masse zwischen den einzelnen Stationen an dieser
Strecke im Itin. Ant. nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmen, in der Tab. Peut.
sich aber als richtig bewähren, so dürfen wir von ihrer Millienzahl zwischen Ad
Aquas und Dorticum eine vom Abschreiber irrig hinzugefügte X streichen. Nach
dieser gerechtfertigten Korrektur ist das 14 Millien von Ad Aquas und 25 Millien
von Ad malum (Bononia =- Vidin) entfernte Dorticum mit der schon 1868 von
mir in Karte gebrachten weithin die Donau und alles Anland beherrschenden
Römerfeste bei Rakovica') identisch (Plan, S. 466). Dorticum lag demnach auf
der rechtsuferigen Terrasse an der Timokmündung, wo es schon d'Anville
vermutete-) und Kiepert, auf Grundlage der von mir dort nachgewiesenen antiken
Reste, ansetzte. ■)
Mit dieser Festlegung von Dorticum ist nunmehr der ganze römische Heerweg
am obermösischen Donaulimes zwischen der Porecka reka- und Timokmündung
mit allen seinen Städten und Kastellen genau bestimmt. Leider wurde von dessen
zahlreichen Meilensteinen bisher nur ein unter Kaiser Trajan zwischen Viminacium
und Ratiaria gesetzter aufgefunden*). Über die von mir 1862 — 1874 erforschte
bulgarische Donaulimes-Strecke in Moesia superior und inferior, von deren
Hauptpunkten mit zahlreichen Zwischenkastellen ich hier nur Florentiana, Bononia,
Ratiaria, Almus, Cebrus, Augustae, Oescus, Utus, Asemus, Novae, Prista, Trans-
marisca, Durostorum und die Konstantinsbrücke nenne, sowie über viele Städte
im Innern und antike Hafenplätze am Pontus, beispielsweise das von mir bestimmte
Marcianopolis, Nicopolis ad Istrum, Burdizu u. a., verweise ich auf mein
„Donau-Bulgarien und der Balkan".')
Während der Freiheitskämpfe wurden die Römerschanzen auf dem linken
Timokufer vielfach zur Verteidigung gegen die von Vidin vorbrechenden Türken
') Reise in Süd-Serbien und Nord-Bulgarien. Denkschr. d^ k. Akad. d Wissensch.,
phil.-hist Kl , Bd. XVII. Wien 1868.
-) Meni. de l'Acad. de Inscr., vol. XXVIII, S. 441.
•■') C. I. L lii, Tab. II.
') C. 1. L. III, Suppl. Fase. II, No. 8267.
•■■) II. Aufl., Leipzig 1880. Der Abschnitt „Archäologie" des Sachregisters (Bd. III, S. 376)
erleichtert das Auffinden der einzelnen Punkte.
über Radujevac, Neijotiii, Jen Doli Jovan iisw auf den Miroc. 171)
benutzt. Die Wacht liielten hier Veiji<os nach Kosakenart uniformierte Bursciien.
Trotz der russischen Hilfsaktion gelang es aber Karadjordjes Scharen nicht,
dauernde Erfolge zu erzielen. Im Jahre 1810 beorderte der in der kleinen
Walachei kommandierende Graf Sergius Kamenski des Grafen Zukato Division,
gemeinsam mit dem serbischen linken f-lügel die Türken vom unteren Timok zu
verdrängen. Der unter Zukatd hefehli.neiule Isajeff Hess schon am 16. März durch
sieben Bataillone die von lIcu Türken am 5. September 1809 den Russen ent-
rissene, Prahovo deckende Donauinsel nehmen imd landete hierauf, trotz des Feuers
zweier, hart am Ufer und auf der Duduhohe errichteter Redouten, oberhalb des
Dorfes. ') Auf dem Marsche nach diesem wurde Isajeff aber mit seinen Truppen
zurückberufen. Ende Mai übernahm Graf Zukato persönlich den Befehl über das
3000 Mann Infanterie und 1000 Kavalleristen zählende Hilfskorps, das sich mit
den von der Porecka reka kommenden 6000 Serben vereinigen sollte. Am 17. Juni
erschien Zukato in finsterer Nacht oberhalb der Olmarinscl, und am folgenden
Morgen verbrüderten sich die Russen mit den von Petar Dobrnjac geführten
Serben unter V'ortragung ihrer Fahnen in begeisterter Weise.
Die durch diese Vorgänge überraschten Türken sandten von Prahovo eilends
Verstärkungen in ihr den Weg dahin sperrendes befestigtes Lager auf dem Cima
Dudu. Zukato wollte seine Aktion mit dessen Erstürmung beginnen, schritt aber,
um Menschenleben zu schonen, am 20. Juni zu ihrer regelmässigen Belagerung. Die
am 23. Juni von Prahovo offensiv gegen Zukato vorgehenden Türken wurden von
der gegen Vidrovac vorgeschobenen Kavallerie unter Gleboff zurückgewiesen.
Am 25. Juni besetzte Oberst Cvilenijeff eine wichtige Höhe zwischen Dudu und
Prahovo. In der Nacht vom 26. zum 27. Juni wurde ein durch Signale zwischen
i\i^n Besatzungen aller türkischen Redouten vereinbarter Ausfall von Zukato blutig
vereitelt. Diesen Gefechten folgte am 27. Juni ein heftiger Angriff Ibrahim Pasas
auf die russische Stellung. General Isajeffs linker Flügel hatte Mühe, sich zu
behaupten, und ebenso Oberst Skapsky, der mit zwei Bataillonen vom Regiment
Skarakolsk der türkischen Übermacht tapfer widerstand. Der Zähigkeit des
Zentrums gelang es, die Türken zurückzuwerfen. Die Frucht dieser Kämpfe
war die Kapitulation von „Cima Dudu", dessen auf 150 Mann geschmolzene
(jarnison sich kriegsgefangen gab. Am nächsten Morgen kampierten die Russen
bei dem nur 3 km von Prahovo fernen Kusjak, um dort den Erfolg der gegen
Brza Palanka eingeleiteten serbischen Operation abzuwarten, an der ein Bataillon
des Neu-Ingrischen Regiments und vier russische Geschütze teilnahmen. Am I.Juli
kapitulierte dieser starke Platz, was die Verbindung mit der kleinen Walachei
sicherte. Die dort frei gewordenen Serben rückten nun gegen Kladovo, Zukato
aber zum Angriff des durch drei starke Redouten verteidigten Prahovo, indem
er eine feste Stellung auf der Carica nahm, die gleichzeitig Negotin bedrohte.
Der weitgedehnte türkische Schanzengürtel hinderte Zukato, dessen Ver-
teidigern die Verbindung mit Vidin abzuschneiden. Krankheiten und Kämpfe
dezimierten seine Truppen, mancher tapfere Offizier ging verloren, und er musste um
') Docunientl privitore la istoria Roniaiiilor. Vol. III Siippl I. Fase. I, S. 302 ff. 1887.
474 iUicr RacluJL'vac, Nciiotiii. dt-n Dcli Jnvaii usw, auf den Miroc.
Verstärkungen bitten. Erst nach längerer Zeit vermociite General Zass ihm von
Rustschuk den Grafen Orurk mit dem Regiment Ladoga und fünf Eskadronen
woliiynischer Ulanen zu senden. Seine Lage wurde kritisch, als die Türken von
Nis und Zvornik mit starken Korps gegen Serbien rückten und Karadjordje
schleunigste Hilfe forderte. Hier bewährte sich glänzend Zukatos militärisches
Talent. Es galt, Prahovo rasch zu nehmen und eine Diversion gegen Nis zu
machen, um die Vereinigung des türkischen Moravakorps mit dem bosnischen
zu verhindern. Der Plan war kühn. Am 13. August Hess er Isajeff mit vier
Bataillonen und 100 Serben in die rechte Flanke der türkischen Stellung vorgehen
und sich dort verschanzen. Es war kaum geschehen, als die Türken energisch
hervorbrachen. Die tapferen Offiziere Skapsky, Turcaninoff, Vtoroff, Oleboff und
Jukoff zwangen sie aber mit grossen Verlusten zur Flucht, wobei Ibrahim Pasa fiel.
Bei etwas grösserer Entschlossenheit hätte Isajeff leicht, mit dem Feinde eindringend,
sich der Werke bemächtigen können. Am 25. August ging Graf Orurk mit seinen
Rustschuker Truppen und einigen Hundert von Veljko und Tanasije Carapic
geführten tapferen Serben energischer vor. Die Türken fielen abermals aus,
wurden aber von der Donschen Artillerie zum Stehen gebracht. Viele Serben,
darunter Carapic, deckten das Feld. Die von Vidin ohne Unterstützung gelassenen,
durch die häufigen Angriffe dezimierten Türken verliessen endlich entmutigt ihre
Werke am 18. September, und damit war das Timokgebiet für drei Jahre ihrer
Herrschaft entzogen.
Das 1813 erfolgte Wiederaufleben des türkischen Regiments in Serbien
berührte ich wiederholt, ebenso die Ereignisse, welche es 1833 in der Krajina
beendeten. Im Juni 1862, als nach dem Belgrader Bombardement neue Kämpfe
mit der Türkei befürchtet wurden, eilte man serbischerseits, den schon geschilderten
Timok-Schanzengürtel und namentlich das alte Römerwerk unterhalb Radujevac
durch Schanzkörbe, Palisaden und Gräben verteidigungsfähig zu machen; die
Gefahr ging durch die Vermittelung der Grossmächte glücklich vorüber. 1876 kam
es aber während des serbisch-türkischen Krieges dort wirklich zu ernsten Gefechten.
Am 8. Juli überschritt eine serbische fliegende Kolonne unter Oberst Ostojic
den Timok bei Bregovo, erschien bei Gamzova, 16 km von Vidin, wurde aber
nach mehrstündigem Gefechte durch Fasli Pasa zum Rückzuge gezwungen. Seine
Tscherkessen rächten die Zerstörung ihrer Ansiedelungen grausam an den christlichen
Ortschaften, namentlich an solchen, in welchen verwundete serbische Soldaten
freundliche Aufnahme oder Pflege gefunden hatten. Eine Ostojicsche Abteilung
schlugen sie aus Kosovo hinaus, und die von den Serben besetzt gewesenen
Dörfer Novo Selo und Vurf an der Donau wurden zur Strafe von Kriegsdampfern
bombardiert. Man begnügte sich nicht damit und schleppte viele als „Komitee"
verdächtigte Bauern in die Vidiner Feste, wo sie nach kurzem Prozess, mit einer
das Urteil enthaltenden Tafel auf der Brust, beschimpft und verhöhnt vom
moslimischen Pöbel, durch Zigeuner an den Galgen geknüpft wurden! Bereits
brachen einzelne tscherkessische Reitertrupps in das Negotiner Vorland ein, und da
es an ausreichenden Truppen fehlte, erteilte die Regierung den Befehl zu dessen
Räumung. Die Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft sandte bereitwilligst eine
über Radujevac, Ncgotin, den |)eli Jnvnn usw. auf den Miroc. 475
grosse Zahl von Remorkören und Schleppern. 1600Ü Flüchtige aus Negotin
und den Nachbarorten wurden im rumänischen Gruja und Turn-Severin gelandet,
lirst nach sechs Wochen, als die üefalir vorüber, kehrten sie zurück.
Im Herbst 1864 besuchte ich, dicht bei Bregovo, eine auf keiner Karte
verzeichnete Insel, welche der Timok durch eine seiner häufigen Laufänderimgen
vor Jahrzehnten bildete. Die Türken hielten ihren grösseren südlichen, die Serben
den mittels eines Palisadenzauns gelrennten nördlichen Teil durch Karaulen besetzt.
Nach der Begründung des bulgarischen Fürstentums forderte das Belgrader Kabinett
die Abtretung der ganzen Insel. Es entspann sich ein heftiger Notenwechsel, der
stetig schärfer wurde und mit anderen Verhältnissen im Herbst 1885 zur serbischen
Kriegserklärung führte. Schon vor derselben hatte Hauptmann Solarovic mit
einer Kompanie und zwei Geschützen die Position bei Bregovo besetzt, welche
die von Vidin heranziehenden bulgarischen Milizen mit einigen wohlgezielten
Kanonenschüssen vertrieben; die nahe der Insel errichtete serbische Kriegsbrücke
wurde von tien Bulgaren zerstört. Später trat das siegende Bulgarien die viel-
umstrittene Insel an Serbien ab; doch fand ich sie weder 1887, noch 1897 besetzt.
Wie die Donau stetig ihr Bett an der Mündiuig des Timoks gegen SW.
vorrückt, so letzterer das seine gegen Norden, was periodisch die Zurückverlegung
der serbischen Karaulen gegenüber dem bulgarischen Rakovica notwendig macht.
XVI.
Von Brza Palanka über Kladovo
am römischen Eisernen Tor-Kanal nach Tekija und Ada Kaleh.
EIN grosses Verdienst erwarb sich Fürst Mihails Regierung durch die Erneuerung
der direkten Römerstrasse von Brza Palanka über die Miroc-Vorberge nach
Kladovo. Vor ihrer Herstellung war man genötigt, dem in südöstlicher Kurve
weit ausgreifenden Uferrande zu folgen, dessen Reben-, Wein- und Wiesenland
wohl günstig vom jenseitigen, in riesige Staubwolken gehüllten walachischen Ufer
abstechen, aber den eilenden Reisenden doch nicht für den grossen Zeitverlust
entschädigen konnten. Nach mehrmonatlichen Reisen im Lande zur raschen
Heimkehr gedrängt, schlug ich am 25. Juli 1860 von Brza Palanka die direkte
Strasse durch den Brlogaer') Eichenwald nach Kladovo ein, verlor aber dadurch die
Gelegenheit, Kaiser Trajans grossartigen Brückenbau (S. 468) und Kastellgürtel
kennen zu lernen. Im Oktober 1889 holte ich aber mit dem Ingenieur Pavlovic
das Versäumte nach und fand auf der gegen 0. vorspringenden Landzunge, auf
welcher Marsigli nur zwei und Milicevic nur fünf Kastelle anzugeben wussteii,
13 antike Befestigungen.
Von Brza Palanka genau 1,5 km N. und von der Brücke über den Pivnicaer
Bach 1 km W. liegt auf einer Höhe seines rechten Ufers, gegenüber Grabovicas
Kellereien, das erste im Rechteck erbaute römische Strassenkastell mit stark
verwüsteten Mauerwällen von 30 und 50 m. Nicht viel besser ist das zweite
nordöstlichere Kastrum auf dem linken Ufer des Gradacki potok erhalten, der, mit
dem vorgenannten parallel laufend, durch Grabovica fliesst. An dessen Ursprung
auf einem heute dicht mit Gestrüpp bewachsenen Plateau quadratisch angelegt,
messen die Fronten 32 m; das abgebrochene Material, darunter sehr viele
Deckziegel, wurde wahrscheinlich zu der Baute benutzt, von der am Bachunterlaufe
noch Reste vorhanden sind. Das hochliegende, mit dem unteren korrespondierende
Kastell übersah das rechtsuferige Vorterrain auf 22 km Länge und spähte auch
hinüber in das jenseitige feindliche Dazierland.
In dem von der Strasse durchschnittenen Grabovica, in dessen Nähe man
Braunkohle anschürfte, besichtigte ich seine 1885 geweihte Kuppelkirche Sv. Nikola,
') Dieser Ort heisst seit 1899 Mihitinovnc,
478
Vdii Rrzn Pnlaiikn über Klndovo usw. nncli Tckijn und Adn Knicl
deren Architekt recht hübsch die byzantinische Balltechnik mit roten und j^elben
keramischen Horizontalbändern anwendete, den harmonischen Gesamteindruck
aber dadurch beeinträchtigte, dass er das Radfenster zu nahe an das Portal
rückte. Eingeholten Erkundigungen im Dorfe folgend, fuhren wir zwischen Feldern,
Eichenständen und Weingärten zum 2 km (istlicheren Bordelj '), dessen Namen
höchstwahrscheinlich von den in die Erde gebauten Wohnungen seiner ersten
walachischen Besiedler stammt. Seine heutigen, meist netten Gehöfte, mit schönen
Zwetschken-, Nuss- und Birnbäumen, umgeben von frischgrünen .Akazienhecken,
verleihen ihm ein recht freundliches Aussehen.
Eigentümlich ist allen Walachenorten dieses „Kljuc" genannten Uferstriches
der zierliche, türmchenartige Schornstein und die oft hübsch geschnitzten Balkone
ihrer meist weiss getünchten Häuser. 3,5 km NO. von Ljubicevac liegen am Ciganski
potok seine berühmten Weinberge. Auf dem 12m hohen Terrassenrande fand ich,
Donau-Romerkastell am Baclie Jakomir iiii Jahre 1889.
etwa 15 m von der seine Häuser stark bedrohenden Donau, wieder die Grundfeste
eines rechteckigen Kastells, von dessen 52 und 60 m langen Fronten die dem
Strome zugekehrte am meisten gelitten hat. Sein römischer Ursprung ist, abgesehen
vom Mauerwerk, durch viele der charakteristischen Dachziegel erwiesen.
Auf einem nördlichen Feldwege erreichte ich kurz vor dem mit riesigen
Pflaumengärten umgebenen Velesnica die Chaussee, und nachdem wir die
Podvrska reka gekreuzt, zwischen den Gehöften des östlicheren Milutinovac ein
von Maulbeer- und Zwetschkenbäumen überwachsenes Kastell, dessen Vernichtung
bis zur letzten Spur bald bevorsteht. Nur mit Mühe gelang es, die drei Eigner
des Territoriums zur Öffnung ihrer Zäune zu bewegen, worauf ich die stellenweise
noch 2 m hohen Mauern des Rechtecks mit 50 und 60 m mass.
NW. von Milutinovac krönt das höchste Plateau der in mehreren .-Xbsätzen
sanft zur Donau streichenden Cuka mare (366 m) ein Erdwerk, das vielleicht
während der ersten serbischen Freiheitskämpfe auf antiken Rudimenten erbaut
wurde. Auf dem, einen weiten Ausblick nach allen Richtungen gestattenden
') Seit 1899 heisst dieser Ort Ljubicevac.
Von Brza Palnnkn über Kladovd usw. nacli Tekija und Ada Kaleli.
479
Gipfel der nordwestlichen Podvrska sieht man Reste eines von Steinen und Ziegeln
erbauten quadratischen Rinnerkasteils, das 1887 durch Offiziere aus Kladovo mit
355 m Höhe liestimmt wurde.
Am Fusse dieses scharf profilierten Berges entspringt eine salzig schmeckende
lieisse Quelle, die vor 18 Jahren missglückte Bohrversuche auf Salz, unfern dem
vor drei Dezennien, durch Montenegriner besiedelten Dorfe, veranlasste.
Über prächtiges Wiesenland gelangten wir hart am Donauraiide weiter zum
Bache Jakomir. Trotz eifrigen Suchcns wollte sich auf der topf ebenen Terrasse
am Rinnsal und in den nahen GeluJizen keine Stein- oder Ziegelspur von dem
Kastrum finden, das uns der Milutinovacer Kmete signalisiert hatte. Auch
Q 10 n 30 *0 51 10 fp
Kastell bei VajiiKa.
herbeigerufene Hirtenknaben wussten nichts von alten Mauern. Der von mir in
ein fernes, isoliertes Gehiift entsandte Pandur loste alle Zweifel. An der Mündung
des Baches lag unter seinem rechtsutcrigen Terrassenrande, von oben nur aus
unmittelbarer Nähe sichtbar, was von iIlmii wahrscheinlich quadratischen Bau
verschont geblieben. Felsartig widerstand nur der nordwestlichste Bauteil, trotz
der seit 16 Jahrhunderten ihn angreifenden Fluten und seiner auf einen Limesturm
deutenden geringen Mauerstärke von nur 0,8 m, dem unabwendbaren Lose. Die
vielen antiken Deckziegelreste im Ufersclilamme lassen mich annehmen, dass er
voll überdeckt war.
Durch das Dorf Vajuga gelangte ich, 100 in W. von seinem Friedhofe,
zum nächsten hart am Donauufer liegenden Kastelle mit sehr interessantem
Grundrisse. Von den Seiten des rechteckig auf dem kleinen Plateau ange-
legten Hauptwerks misst die (istliche und westliche je 86 m, die Donau- und
480
Von F?rza Palaiika über Kladovo usw. nach Tekija iiiul Ada Kaleh.
entgegengesetzte Landseite je 80 ni. Inmitten der letzteren befand sicii ein
rechteckiger Anbau mit 44 ni langen Flügeimaiiern und 22 m breiter Stirnfrunte,
mit dem durch zwei, von den Ecken des Hauptwerks vorspringenden Rundtürmen
geschützten Kastellzugang. Soweit die an einigen Mauern stark fortgeschrittene
Zerstörung erkennen lässt, betrug ihre durchschnittliche Stärke 2 m. Im Schutte
stiess ich auf vorzüglich gebrannte Deckplatten und Gusswerk von felsartiger Härte.
Links vom Wege nach dem 6 km fernen Korbovo steht, von einer Akazie
beschattet, ein originelles Kreuz walachischer Dorfkunst, das in Skulptur und
Malerei ausser dem Heiland und den Apostelfürsten auch den hl. Trifun, die
rumänisch „Vinjera niare" genannte hl, Paraskeva und andere Heilige des orthodoxen
Olymps unter schirniartigem Dache verherrlicht. Weiter folgten rechts drei Tumuli,
und bald darauf fuhren wir durch das Pfahltor
der „carina", des hohen Zaunes, welcher das
Dorfareal nahezu aller walachischen Donauorte
uiifriedet. Im Hofe des. Gemeindehauses ging
es anlässlich des Sv. Paraskeva-Kirchen-
patrontages hoch her. Der Orotanz
war bereits im besten Gange und bot
ein derartige serbische Feste an Jugend-
lust und Farbe noch übertreffendes Bild.
Es schien, als ob die Frauen ihre ganze
Zeit und Habe ihren überreichenKostümen
opferten. Niemals sah ich prächtigere
in einem Dorfe. Abgesehen von den ge-
schmackvoll ausgeführten bunten Streifen
der Hemden, den prächtigen Kopftüchern,
überraschten mich ganz besonders die
schwarzen und karmesinroten, mit Pelz-
und Schnurvverk reich verzierten, dolmanartigen
Jacken der älteren Frauen, die von der Estrade des
kleinen Amtshauses am Feste teilnahmen. Viele
Mädchen hätten gewiss ohne die stark aufgetragene
Schminke noch hübscher ausgesehen; geschicktes
Hantieren mit Pinsel und Farbe gehört nun einmal
zur Vervollständigung der walachischen Frauen-
toilette. Nur sehr
schwer entging
ich den mir zu-
gemuteten Ehrun-
gen seitens der
Honoratioren, und
nicht leichtwares,
sie zu bestimmen,
Walachisches Holzkreuz zu Korbuvo. l-'nS endlich UaCh
Von Brza Palanka über Kladovo usw. nach TcUija und Ada Kaleli. 481
dem „Cetace" zu führen. — Im Gehöfte des Petar Grucic, mitten im Dürfe, fand ieh,
dem Westende der gleichnamigen rumänisciien Insel gegenüber, nahe am Donau-
steilrande, ein stark verwüstetes quadratisches Römerkastell mit 24 m langen
Fronten, welches mit dem von Marsigli als „Corvingrad" verzeichneten identisch
sein dürfte. ') Das kleine Werk wurde wahrscheinlich zur Überwachung iler zum
linken Ufer gehörenden bedeutenden Insel angelegt, denn nur 2 Millien stromaufwärts
stiess ich auch, ihrer Ostspitze und dem rumänischen Inovo gegenüber, 10 m vom
30 m hohen Uferrande entfernt, auf ein zweites quadratisches Werk mit 20 m langen
Wallmauern, welche der stetig westlich vorrückende Strom bald unterwaschen
imd begraben dürfte. Fünf riesige Werkstücke, die ich im Popenhause des
benachbarten Rtkovo sah, stammen aus diesem Kastelle.
Unten auf dem breiten Strome steuerte der stolze „Ferdinand Max", unsere
scharf ausgreifenden Pferdchen überholend, nach Turn-Severin, wir aber nach
Rtkovo, in dem sich die malerische Szene von Korbovo auf dem kleinen Platze
vor dem neuen, stattlichen Popenhaus, etwas abgeschwächt, wiederholte. Nur
das Töchterlein des Geistlichen schien alles an Feiertagsstaat bisher Gesehene
übertreffen zu wollen. Das jugendfrische Madchen strahlte in golddurchwirkten
Stoffen und mit echtem Schmuck, dem man so selten in diesen Regionen begegnet.
Der zweite Reisetag ging zu Ende, als unser Gefährt die bei Feuerschein dem
Tanze huldigende Jugend des gleichfalls walachischen Velika Vrbica für einen
Augenblick vom Wege scheuchte. Bei dem folgenden Mala Vrbica bezeugten
die grossen Ahnen der heutigen Anwohner ihre einstige Siedelung am Strome
durch ein quadratisches Kastell, dessen Grundfeste mit 40 m langen Fronten nur
noch bei sehr niederem Wasserstande sichtbar wird. Die Mauerreste liegen genau
dem rumänischen Simijanu gegenüber.
Stromaufwärts von dieser Befestigung stand Kaiser Trajans berühmte Donau-
brücke (S.4f58). 75 m von ihrem mösischen Uferpfeiler fand ich auf dem bis zum
Uferrande streichenden Plateau Mauern eines Kastells — das dreizehnte von Brza
Palanka — welches dem westlicheren Dorfe Kos toi seinen Namen gab. Dort
sieht man in allen Gehöften grosse Haufen antiken Materials, darunter riesige
Architrave von Sandstein. Das Kastell gliedert sich in zwei Teile. Die ältere,
streng N. gerichtete Anlage besitzt 50 m lange und 30 m breite Mauern, von deren
Ecken Rundtürme mit 6 m Durchmesser vorsprangen; die anschliessende, zweifellos
spätere, deren stark verwüstete Fronten ich nach längerem Rekognoszieren mit 120 m
langen, 2 m starken Mauerwällen feststellte, bildete ein gegen NO. gerichtetes Recht-
eck, das einige grössere, in den Rudimenten noch erkennbare Bauten umschloss.
Der Kern des seiner Steinverklcidung grösstenteils beraubten Mauerwerks besteht
allerorts aus durch Findlinge, kleine Ziegelstücke und trefflichen Mörtel her-
gestelltem Gusswerk. Ich halte den älteren Teil dieser Brückenfeste mit dem
Kastelle „Pontes" für identisch, das (nach Procopius) von Trajan erbaut, durch die
Barbaren zerstört und von Justinian erneuert wurde. Die Verteidigungsfähigkeit
dieses Werkes wurde gegen 0. noch durch einen jetzt versumpften Donauarm und
') A. a. O., Bd. 2, Tab. VIII.
F. KANITZ, Serbien. U. 31
482 Von Rrza Pninnkn über Kladovo usw. nach Tekija und Ada Kaleli
gegen W. durch einen mit diesem korrespondierenden, wahrsclieinlicii künstlich
vertieften Hohlweg erliciht.
Im tiefsten Nachtdunkel fuhren wir durch Kostol. Jenseits erstrahlte das
amphitheatralisch sich aufbauende , durch seine Wahl zum Werftplatze der
Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft in 30 Jahren vom unbedeutenden Dorfe zur
prächtigen Stadt erblühte Turn-Severin. Als wäre es illuminiert, liess der
Glanz seiner nach Hunderten zählenden Gasflammen das nur durch wenige
Petroleumlaternen beleuchtete Kladovo noch finsterer erscheinen. Wenig bekannt
ist selbst in serbischen Kreisen die Tatsache, dass in der handclslätigen
rumänischen Hafenstadt etwa 240 Familien aus Deber (Dibra) am Drimflusse
leben, welche, wie mir ihr Priester und Lehrer Luka Dozudic versichert, in treuer
Anhänglichkeit ihrer altserbischen Heimat zugetan, ihren dortigen Verwandten
und Freunden innigst verbunden sich fühlen.
Zu Kladovo nächtigten wir im reinlichen Hause der deutsch sprechenden
hübschen Wirtin Maria. Der Frühmorgen aber traf uns wieder auf dem Wege
nach Kostol und seiner 2 km östlicheren Römerbrücke. Der Schilderung meiner
Forschungsresultate an ihrem mösischen Uferkopfe geht hier das knappe Bild
der welthistorischen Ereignisse voran, welche ihre Erbauung und Vernichtung
nach kurzem Bestände herbeiführten.
Gleichzeitig, als Kaiser Trajan in männlicher Vollkraft dem Reiche seine
weitesten Grenzen gab, indem er den vom Niederrhein zur oberen Donau
laufenden „Limes Romanus" anlegte und dadurch Roms schimpfliches Verhältnis
zu den germanischen Nachbarn unter Domitian brechen konnte, rüstete er auch
zum Kriege an der unteren Donau, um den widerstrebenden Dazierherrscher
niederzuwerfen. Schon der erste dazische Feldzug, begonnen im Frühjahr
101 n. Chr., brachte Trajan nach der glücklichen Schlacht bei Tapae unter
unausgesetzten Kämpfen mit den geharnischten Reitern der gefürchteten Rhoxolanen
bis zum „Eisernen Tor"-Passe der Siebenbürger Karpathen. Eine dort geschlagene
zweite Schlacht erschloss ihm auch ihre anderen Tore, und ein dritter Sieg im
Hatzeger Tal über den aus seiner Hauptstadt heranziehenden Decebalus befreite
Rom von diesem hartnäckigen Gegner, nachdem seine zahlreichen, stark
befestigten Lager und Burgen nach in den Reliefs der Trajanssäule bezeugten
hartnäckigem Widerstände genommen und niedergebrannt waren.
Der gedemütigte König erschien vor dem siegreichen Imperator, legte
seine Waffen ab, flehte auf den Knien um Gnade und leistete die ihm auferlegte
Huldigung. Zur Sicherung seiner mit bewundernswerter Umsicht vorbereiteten
Eroberung errichtete Trajan sofort in Sarmizegethusa (Värhelj) ein befestigtes
Lager, liess in den wichtigeren Orten Besatzungen zurück und beging dann erst
zu Rom einen feierlichen Triumph. Gleichzeitige Münzen tragen unter Trajans
Ehrennamen den Titel „Dacicus", mit welchem seine Krieger ihn begrüsst hatten
und den der Senat bestätigte.
Roms Siegesjubel war noch nicht verklungen, und schon schickte sich Trajan
an, Dazien dauernd in einen römischen Besitz zu verwandeln. Der die drohende
Gefahr erkennende Decebalus rüstete im geheimen, stellte die geschleiften
Von Brza F'alanka ülier Kladi)vo usw. nach Tckija iiiul Ada Kalcli. 4813
Befestigungen wieder iier, schloss Bündnisse mit licnaclibarten Völi<crn, rief die
Hilfe der Partlier an, beschleunigte aber dadurch nur den Ausbruch des zweiten
dazischen Krieges.
Im Frühjahr 105 ging Trajan, begleitet von Hadrian und Lucius Quintus,
zum Heere ab. Während der kaum , vierjährigen Waffenruhe schuf des Kaisers
Genie bei Drobetae (Turn-Severin) aber jene grossartige Brücke, welche mit dem
bereits geschilderten Befestigungsgürtel seine Operationen gegen Dazien wesentlich
förderte. Ais erfahrener Bauherr und fachkundiger Leiter zahlreicher Brücken-
bauten in Italien, Spanien, Deutschland, über den Luphrat und Tigris, hafte er
für den schwierigen Donaubau im griechischen Meister Apollodorus von Damaskus
die richtige Wahl getroffen. Die gesicherte, feste Verbindung mit dem rechten
Stromufer befähigte Trajan, langsam, doch unaufhaltsam in Dazien vorzudringen.
Nach der Wegnahme vieler fester Plätze verliess eine starke, schon früher Rom
zugetane Partei den unglücklichen Decebalus und trat gleich den Sarmaten,
Rho.xolanen, Jazygern und germanischen Buriern zu Trajan über, der durch eine
siegreiche Schlacht seinen Truppen den Weg auch in die unwirtlichen nördlichen
Gegenden bahnte, in welchen eine Reihe von Festungen das Vordringen sehr
schwierig gestaltete. Oft musste mit Leitern gestürmt werden, und erst nach
fortgesetzten Kämpfen mit dem tapferen Feinde ergab sich die Hauptstadt. Ihre
Edlen steckten die Häuser in Brand. Decebalus wählte den freiwilligen Tod. Sein
Haupt wurde nach Rom gesandt. Unermesslich gross war die Beute der Sieger!
Trajan scheint noch einige Zeit in Dazien verweilt zu haben, um die
Kolonisation und Verwaltung, die Anlage neuer Strassen und Befestigungen
anzuordnen und damit die ersten Schritte zu dessen Umgestaltung in eine
römische Provinz persönlich vorzubereiten.
Die neuen Untertanen nahmen rasch Sprache und Sitten der Sieger an.
Wie hochinteressant sich Daziens Kulturleben in jener Epoche gestaltete, dafür
geben dort zahlreich aufgefundene Denkmale umfassenden Aufschluss. Die
meisten Städte der von einem Proprätor regierten Provinz wurden nach
römischem Schema umgestaltet und das Land mit Veteranen des Heeres besiedelt,
deren physische Vorzüge bei den Rumänen und selbst bei den Walachen der
serbischen Donaustriche erkennbar sind.
Die nach gleichzeitigen Münzen im Jahre 104 vollendete Steinpfeilerbrücke
bei Turn-Severin zählt zu den grossartigsten Werken römischer Bautechnik und
wurde auch auf der „Trajanssäule" verewigt. In neuerer Zeit machte Graf
Marsigli in seinem berühmten „Danubius Panonico-Mysico" (Band II) zuerst auf
ihre Reste aufmerksam. Erst aber der selten gleich niedere Wasserstand von
0,42 m unter Null am Orsovaer Pegel ermöglichte es im Januar 1858 dem
Ingenieur Deuster, einen sehr instruktiven Längenschnitt und eine Draufsicht der
zutage getretenen Pfeiler anzufertigen. Der begleitende Fundbericht findet sich
in meinem „Serbien" (349 f.) abgedruckt, und im Herbst 1889 konnte ich Deusters
Pläne durch eine Detailaufnahme des musischen Brückenkopfes, seines Viadukts
und des ihn schirmenden, von mir aufgefundenen Kastells „Pontes" (S. 485)
ergänzen, wobei sich die Zuverlässigkeit der durch Dio Cassius auf Grundlage von
31*
484
Von Brza Palanka über Kladovo usw. nach Tekija und Ada Kaleli.
leider verlorenen Berichten des Apoilodorus uns überlieferten Einzelmasse in
überraschender Weise ergab.
Dass die Römer es verstanden haben, nicht allein Wölbungen von ausser-
ordentlicher Spannweite auszuführen, wie jene zu Martorell und Lissabon mit
32—43 m Durchmesser, sondern auch Brücken von bedeutender Länge mit
29 und 32 Quadernbogen, dafür sprechen die bekannten über den Kurttschai und
Naher-Kjor in Syrien u. a. Die Ueberbrückung der zwischen dem mösischen
und dazischen Uferkopfe 1127 m breiten Donau erfolgte durch 20 voneinander
durchschnittlich 36,5 m entfernte Pfeiler, bei der Fundamentierung der schon von
Vitruv geschilderte Betonbau mit Pfahlrosten und Kastensetzungen unserer
modernen Technik angewendet wurde. Die 1858 hervorgetretenen 16 Pfeiler
zeigten, je nachdem sie einen kleineren oder grösseren Teil ihres den Betonkern
umhüllenden Quadernpanzers verloren hatten, meist die ursprüngliche Stärke von
18 m. Die hohen Ufer bedingten eine aussergewöhnliche Höhe der Strompfeiler;
P1.1I1 der Tr.ijansbriicke
a Q
0
c. (.1 n. öl
sie betrug nach Dio Cassius 46 m. Vor dem mösischen, turmartig aufragenden
Kopfpfeiler brachte ich die Grundfesten des im bezüglichen Relief der Trajanssäule
angedeuteten Viadukts in Plan, dessen erster Pfeiler 1 m, die folgenden 2 m
stark durch gemauerte Bogen von 1, 4, 8, 10 m, wie am dazischen Brückenkopf,
den Uebergang vom Hochplateau auf die Brückenbahn vermittelten. Obgleich
der 4 m starke Kopfpfeiler durch die Elemente sehr gelitten hat, fand ich ihn
noch 10,5 m hoch. Soldaten der mazedonischen, spanischen und anderen Legionen
haben sein festes Mauerwerk aus prächtig roten, fein geschlämmten Ziegeln
hergestellt. Diese sind in den unteren nördlichen Lagen 45 cm lang, 6 cm hoch,
in der obersten Partie nur 30 cm lang, 6 cm hoch. Die ursprünglich mit
Quadern bekleideten Schmalseiten verloren diese bis auf wenige durch die
Plünderungsversuche der Anwohner; schwieriger scheint es, das lockende Material
dem zu Fels verhärteten Gusswerke des noch 3 m hohen und 7 m breiten
Widerlagers abzugewinnen. Nach Deusters Frontansicht des dazischen Uferpfeilers
besass dieses auch stromabwärts einen 4 m langen Keilfortsatz, wie ich ihn
aufwärts feststellte, und somit die gesamte untere Pfeilerbreite 15 m. Die an
ihren Stromseiten sichtbaren vier Reihen eingemeisselter quadratischer Löcher
\'on Brza F'nlankn über Kladovo usw. nach Tekija und Ada Kalch.
4S.-
dienten höchst wahrscheinlich zur Befestigung der Stützbaiken des durch
Konstantin erneuerten Oberhaues, als er im Jahre 328 gegen die Goten zog. Dass
jener des Apollodorus aus Steinbogen bestand, ist wahrscheinlich, geht aber
weder aus Dios Beschreibung, noch aus der scheniatischen Darstellung der
Brücke auf der Trajanssäule bestimmt hervor. Das bezügliche Relief veranschaulicht
nur ihre neben einem Rundturme des Uferkastells „Pontes" an den letzten
Viaduktbogen schliessende gezimmerte Längsgalerie. Auf den Münzen zeigt der
imposante Bau an beiden Uferviadukten hohe, Triumphbogen ähnliche Türme,
deren Attika über dem Wächtergeschosse zwischen zwei Trophäen eine Statue (?)
trägt. Um 1850 zogen Fischer nahe dem serbischen Uferpfeiler aus dem Strombett
einen prächtig gearbeiteten Bronze-Porträtkopf, der gegenwärtig eine Hauptzierde
des Belgrader Nationalmuseums bildet.
Ob er einst der Brückenkopfstatue angehörte, und wen diese verewigen
sollte (?), ist heute schwer zu entscheiden. Jedenfalls liegt das Porträt eines
und des Kastells Pontes.
/
A
U
3 ü rj (3 -d fi g
•u tarn
Römers in hervorragender Stellung vor. „Man könnte" - meint Dr. Ank)\\
V. Premerstein — „an einen der Statthalter von Obermösien denken, die nach
einer neugefundenen Basis im Hauptquartier der Provinz zu Viminaciuni wohl
alle ihre Statuen hatten. Leider sind fest bestimmbare Porträts der römischen
Kaiserzeit, soweit nicht die Kaiser selbst in Betracht kommen, sehr selten. Der
Arbeit nach wird der interessante Kopf wohl noch in die erste Hälfte des zweiten
Jahrhunderts fallen. Dafür spricht auch die Bartlnsigkeit. Ich will nicht ver-
schweigen, dass er mir auf den ersten Anblick einige Ähnlichkeit mit Köpfen zu
haben schien , die auf den Vater des Kaisers Trajan (divus Traianus pater)
gedeutet werden. Aber diese Zuweisungen sind an sich recht unsicher." Nach
Froehner') lagen den Turmfassaden der Trajansbrücke mehrstufige Treppen vor,
was ich bezweifle, weil sie die Zufahrt der Katapulte, Rüst- und Proviantwagen
behindert hätten; eher wäre es denkbar, dass die auf den Münzen angedeuteten
Treppen den Zugang vom Ufer in die Scitentore der Brückenkopftürme vermittelten,
wie es mein Restaurationsversuch der letzteren zeigt.
') La coionne Trajanne, 111. Bd., S. 129. Auch Barfoli, Tab. 74, Scgm 295 f.
486
Von Brza Palaiika über Kladovo usw. nacli Tekija uiul Ada Kaleli.
Trajans feste prächtige Donaiibriicke bei Pontes') liätte sicii woiii bis auf
unsere Zeit erhalten, ohne seines Nachfojf^ers Hadrians Missfj;unst, der — vor-
schützend, sie erleichtere den nordischen Barbaren das Eindringen in Dazien — sie
nach kaum 20jährigem Bestände zerstören Hess. Nach gleichzeitigen Berichten traf
Apollodorus' Werk der Neid des in den Wissenschaften mit mehr Glück als auf
künstlerischem Gebiete sich betätigenden Kaisers. Der Architekt aus Damaskus
hatte durch seine viel gepriesene Baute allzusehr Trajans Ruhm gemehrt, sich
überdies an dessen Triumphbogen zu Rom durch ein später in das Konstantinstor
versetztes Relief verewigt, wie er dem Kaiser einen Bauriss vorlegt, auch soll er
Hadrians Bauten ironisierend beurteilt haben, was er zuletzt mit Verbannung und
gewaltsamem Tode büsste. Mit Trajans Namen lebt aber der seines genialen
i^
1^
mmm,^wr-'^m
L J^^BSr
Bui der Trajansbrücke gefundener Brtmzekopf im Belgr.ider .Museum.
Architekten dauernd fort, dessen allerdings angezweifelte Büste die Münchener
Glypthotek bewahrt.
') Dieses von mir 1889 gefundene und 1892 geschilderte Kastell erscheint in einem
Relief mit des Kaisers Weilinpfer an seiner vollendeten Brücke auf der Trajanssäule und
soll durch seine Anordnung in ihrem grossen Bilderzyklus Prof. Benndorffs Hypothese stützen:
,.Das Tropaeum zu Adam Klissi wurde errichtet zur Verewigung eines von Trajan in der
Dobruüa im Jahre 105 persönlich erkämpften, historisch allerdings unerweisbaren Sieges über
die Barbaren." Benndorff äussert in der interessanten Kontroverse mit Petersen, Furt-
wengler u. a., welche diesen Sieg in eine frühere Zeit verlegen (Arch.-epigr. Mitteil. Wien
1896): „Drobetae ist Municipium, später Kolonie und aus zahlreichen Inschriften bekannt;
Pontes jüngst von Kanitz gefunden und aufgenommen (Kanitz, Römische Studien in Serbien.
Denkschriften der Wiener Akademie, phil.-hist. Klasse. CLL u. II. Bd., S 44, Fig. 25. 1892),
ein blosses Kastrum von massiger Grösse und bisher ohne alle Inschriften. Hier ist also
nicht auszuweichen. Die alte, durch die Gesetze einer Frieskomposition bedingte Reihenfolge
besteht zu Recht, die Kaiserschlacht bleibt auf dem rechten Donauufer und findet statt, ehe
Trajan an die Donaubrücke gelangt und seine Armee über sie in Feindesland führt."
Von Brza Palankn über Kladovo iisw nach Tckijn und Ada Kalcli. 487
War aber die Steinbrücke zwischen Kostol und Turn-Severiii wirklich
dieselbe, auf der Trajan seine Legionen nach Dazien führte? Darüber wurde,
nachdem Marsigii auch bei dem östlicheren Vadin antike Pfeilerreste signalisiert
hatte, von namhaften Forschern viel gestritten. Für den Standort der Trajansbrücke
bei Vadin traten ein: Trajans tüchtiger Biograph Franke, der Philologe Schwarz,
die Historiker Sulzcr, Büdinger (f 1902) u. a. — für ihre Identität mit den
Resten bei Turn-Severin; ausser Marsigii auch D'Anville, Engel, Mannert, Aschbach,
deren überzeugenden Ausführungen ich schon 1868 beipflichtete. Obgleich es
mir seither gelang, durch weitere historisch-archäologische Forschungen im Terrain
von Bulgarien viele seit Marsigii und Lejean gebliebene Lücken am mösischen
Donauufer zu schliessen, vermochte ich leider nicht, wie ich schon früher aus-
führte '), die von Marsigii in flüchtiger Vorbeifahrt erhaltene Notiz über die
Brückenpfeiler bei Vadin durch eine authentische Aufnahme zu ersetzen. Was
ich aber selbst bei hohem Wasserstande in situ sah und durch kundige Steuerleute
erfuhr, bestätigt die einstige Existenz einer zweiten antiken Steinbrücke allerdings
nicht bei Vadin-), sondern 5 km östlicher vom bulgarischen Gigen, wo das
Kastell Palatiolum3) sie deckte, und nahe dem rumänischen Celei, wo schon
Marsigii ein Römerwerk verzeichnete und künftige Forscher die bei niederem
Wasserstande den Spiegel I — 2 m hoch überragenden Pfcilerreste näher
bestimmen werden.
Am mösischen Brückenkopfe bei Kostol herrschte tiefste Ruhe. Nur selten,
wenn hoher Wasserstand die Uferpassage hindert, wird sein Widerlager von
aufwärts fahrenden Schiffern behend erklettert, um ihr Schleppseil über dasselbe
wegzubringen (S.468). Jenseits liess König Sigismund im August 1396 das ungarisch-
deutsch-französische Kreuzheer auf serbischen Boden übersetzen, wo es Sultan
Bajazid am 28. September bei dem nahen Nikopoli vernichtete.') Am linksuferigen
Romerpfeiler sieht es heute lebhafter, ich möchte sagen: viel moderner aus. I^orl
qualmen auf dem Hochplateau aus dem Schlote einer Werkstätte schwere
Rauchwolken in den blauen Äther, hart an seinem Widerlager unten braust ein
nach Bukarest eilender Schnellzug vorüber, und ein Remorkör mit schwerbelasteten
„Schleppern" pustet auf dem unterhalb der antiken Brückenpfeiler durch eine
Insel geteilten Strome langsam abwärts. Der grosse Frachtenverkehr wird ihm
auch weiter bleiben, wenn Rumänien und Serbien die am 18. Januar 1898
vereinbarte Eisenbahnlinie mit Brücke zwischen Turn-Severin und Kladovo
wirklich einmal bauen sollten.
') Donau-Bulgarien u. d. Balkan II. Auf! II. Bd., S. 101.
-') Danub. II. Bd., S. 38.
') Heerstrasse v. Belgr. n Konstant S. 159.
') Dass diese Schlacht bestimmt bei NIcopoli an der Donau und nicht, wie der Odessaer
Prof. Braun, ferner Slavejkov, Jirecek u. a annahmen, bei „Nicopolis ad Haenuun" stattfand,
wies ich in „Donau-Bulgarien u. d. Balkan" (II. Aufl., II Bd , S. 47, 58 ff.) so überzeugend
nach, dass die den folgenschweren Kampf kritisch erörternden neueren Schriften des
k. preuss. Generals G. Koehler (1882) und des k. u. k. FML. Kupelwieser (1895) mir voll-
kommen beipflichteten.
488
Von Brz;i Pal;iiil<a über Kladovo usw. iiacli Tckija und Ada Kalch.
Begleitet von den jenseitigen langen Häuserzeilen Turn-Severins, dessen
1864 von mir gezeichneter römischer „Severinsturm" aus frischem Parkgrün
hervorlugte, ging es an Kostols auf halbem Wege liegenden Schanzen vorbei
wieder nach Kladovo. Kurz vor diesem erbaute ein spekulativer Russe hart am
Donaurand, um dem höheren Zollsätze zu entgehen, ein kleines Petrolcuin-
Raffineriewerk für dort kaukasisches Rohöl landende Caissondampfer. Wir fuhren
dnekt in die niu' 10 Minuten von der Zivilstadt entfernte Feste.
DONAU
Riinierkastcll Zancs.
Einige Worte, dass es mir erwünscht wäre, die von Marsigli dort angedeuteten
antiken Reste zu sehen, genügten, und der mich als alten Bekannten von
Kragujevac begrüssende Kommandant, Oberstleutnant Sima Vlasic, stellte sich
mir in allem zur Verfügung. Ob bei Kladovo eine prähistorische Siedelung
bestand, ist trotz des im Ufersande gefundenen, in der Mitte aus dünnem
Bronzeblech gewundenen Halsringes im Belgrader Museum ') fraglich.
Bei den vielen Um- und Zubauten, welche die Feste seit den Völkerstürmen
völlig veränderten, war es schwierig, ihre römische Anlage zu bestimmen. Es
•) Starinar, VII. Bd., S. 93.
Von Brza Palanka über Kladovo usw. nach Tekija iiiul Ada Kaloh. 4Si).
bedurfte vieler Stuinieii forti^esetzten Auf- und Abkletterns der Wälle, wiederholter
Betretun^ des gefüllten Pulvermagazins, und stetiger Prüfung des Mauerwerks
mit der Spitzliaue, die ein von zwei Soldaten überwachter, in Eisen geschmiedeter
herkulischer robijas (Festungssträfling) trefflich führte, bis es mir mit Hilfe des
Ingenieurs Pavlovic gelang, den hier beigefügten Grundriss des Römerkastclls so
weit fertigzustellen, als dies überhaupt auf dem von iWinengängen durchzogenen
Terrain nuiglich war.
Die erlangten Resultate ergaben eine rechteckige Umwallung mit 100 m
langen, 54 m breiten und 1,5 m starken Steinfronten, von welchen tlie nördliche
schmale wenige Schritte vom Donaurande sich erhob. 3 m nach innen umschloss
eine zweite, gleich starke Ummauerung, deren Seiten 85 m und 45 m niassen,
das nur durch einen schmalen Gang von ihr getrennte, 73 m lange und 38 m
breite eigentliche Kastrum, mit Rundtürmen an den Ecken und inmitten der
Breitfronten, die zwei quadratisch vorspringende an den Schmalseiten verstärkten.
Sollten Nachgrabungen die von mir nur hypothetisch angegebene nördliche
Kastellanlage bestätigen, dann dürften die in ihrer Mitte aufgefundenen vier
Mauerreste einem quadratischen Hauptturme, sonst aber der Nordfront des nur
vier Rundtürme zählenden Kastrums angehört haben. Römisch scheint auch eine
von mir besuchte, I km südlich vom Kastell entfernte Wasserleitung mit zwei
Kammern zu sein, deren ruinierte türkische Rohre jüngst durch neue, zur Speisung
des Zitadellen-Brunnens, ersetzt wurden.
Genau 5Ü0 m westlich von der Kladovoer Feste und gegenüber der
rumänischen Skela Kladovska, wo dem „Pester Steinbruch" ähnliche Salase
angelegt wurden, stand ich vor einem zweiten rechteckigen Römerkastelle, von
dessen 55 m langer Nordfront die 24 m messenden Schmalseiten zur 15 m
höheren Plateauniauer aufstiegen. Die innere und äussere Verkleidung der oben
stark verwüsteten, unten besser erhaltenen 2,2 m starken Mauern besteht aus
40 cm grossen Quadratziegeln, mit ihrer Höhe von 5 cm entsprechend breiten
Mörtelfugen, der Kern aber aus festem Gusswerk. Die von dem Donau-Hoch-
wasser bespülte Strommauer besitzt nach aussen abgerundete, nach innen vertikal
abgeschrägte Ecken, eine auch von der Trajanssäule bezeugte Bauweise '), die,
wenn auch in Mosien nur selten, doch bei den Kastellen am germanischen
Donau-Limes häufig, beispielsweise am grossen Butzbacher sogar an allen vier
Ecken vorkommt. Die geringe Entfernung zwischen beiden Kastellen und die
vielen dort gemachten antiken Funde deuten auf eine grössere Niederlassung
hin, die ich für das vom Kaiser Justinian wieder hergestellte Zanes halte, von
dem Pro«copius ausdrücklich erwähnt, dass es stromaufwärts, nahe von „Pontes"
lag, welches ich unterhalb Kladovo bestimmte.
Die Bedeutung des auf den römischen Ruinen erstandenen mittelalterlichen
Bollwerks sank nach der Erfindung des Schiesspulvers und der fortschreitenden
Ballistik stetig mehr. Gegenwärtig besitzt die auf 120U Schritte von nahen Höhen
dominierte Feste sechs Türme, Bastionen und Wallmauern, die das Römerkastell,
') Froehncr, La Colonne TrajaniK', S. 134.
4!)l) Von Rizn Palanka über KIndovo usw. nach Tckija und Ada Kalch.
einen Zwinger und tias l'ulvermagazin unisciiliessen. Über den 4 ni breiten Graben
mit gemauerter Konter-Escarpe führen drei Tore, das Dunavski-, Orospi- und
Varos Kapu, sowie einige Nebeneingänge in das Innere. Dort hat sich seit dem
Abzüge der Türken nichts geändert, die Sultans-Chiffern und Inschriften über den
Toren, eine Moschee mit Minarett, der Brunnen und Gefängnisse, weiche 20 Festungs-
sträfiinge beherbergten, die Kaserne für die kleine Garnison, alles blieb wie es war,
nur herrscht allerorts grössere Reinlichkeit; so erscheint der „grad" mit seinen durch
romanischen Zahnschnitt belebten weissen Türmen recht freundlich, und sein
malerisches Aussehen gewinnt nocii an Reiz durch die historischen Erinnerungen,
die an demselben haften.
Obschon die Türken Kladovo, das türkische „Fet islam" (Hort des Glaubens),
stets hartnäckig verteidigten, wurde es von Österreichs Kriegern mehrmals genommen.
Der Markgraf Ludwig von Baden Hess dort den angeblichen letzten Sprossen des
Fürstengeschlechts Braiikovic im Jahre 1689 verhaften, weil er, wie der Markgraf
am 7. November dem Kaiser berichtete, „mit deiu von Ew. Majestät verliehenen
Diplom nicht allein Missbrauch macht, sondern sich mit dessen Hilfe für den
absoluten Despoten von Serbien, lllyrien, Mysien, Bosnien, Syrmien und vieler
anderer Provinzen ausgab, und aus diesem Grunde die Restitution aller dieser
Länder pretendicrt, und nachdem er sowohl von dem griechischen Patriarchen
und dem gesamten Klerus, welche nur zuviel Einfluss auf das gemeine Volk
haben, als auch von einigen tausend Leuten anerkannt, und in dieser Weise
bereits einen bedeutenden Anhang hat, was, wenn man dem länger zusähe, die
ernstesten Folgen haben könnte". — Nachdem man Brankovic das k. Diplom
abgenommen hatte, ward er über Orsova, Hermannstadt und Wien nach Eger
gebracht, wo er als Staatsgefangener nach 22jähriger Haft starb. (III. Bd., Kap. III.)
Im Jahre 1737, nach der Niederlage der Kaiserlichen bei Grocka, fiel auch
Kladovo wieder an den Halbmond. Die vor dem Abzüge teilweise zerstörten
Werke stellten die Türken wieder her. Dies wurde in noch erhaltenen Inschrift-
tafeln an den Toren und Gebäuden im blumenreichsten Stile verewigt: „Seine
Erhabene Majestät Mahmud Chan, der Völker Gerechtigkeit und Wohltätigkeit,
voller Grossmut und Gnade, wie das Meer, dessen ruhmvoller und siegreicher
Name die Sieben Himmel erfüllt; dem der Allerhöchste die siegreiche Fahne
gegeben, mit welcher er die Ungläubigen bezwungen hat, dass sie ihn um Gnade
anflehen mussten; mit Hilfe des Allerhöchsten eroberte er viele Festungen, unter
diesen auch diese der Rajah gehörige Festung, die durch die Hände der Unreinen
ganz ruiniert war. Er aber, der Herrliche, hat selbe verschönert und darinnen
viele prächtige Gebäude aufführen lassen, so auch dieses wunderbare 'Hamam
(Bad), das als Muster architektonischer Schönheit, soweit der Horizont reicht,
betrachtet werden kann. Dasselbe ward von der Hand des geschicktesten und
vollendetsten Baumeisters erbaut. Seine Formen sind schön und ausgezeichnet,
dass deren Anblick Verwunderung erregt. Möge der grosse, allmächtige Gott
diesen erhabenen Kaiser, der die ganze Welt beherrscht, in Glück und Wohl-
ergehen auf dem Kaiserthron erhalten. Dieses schrieb der schwache Sklave
Taksin zum Andenken an das neue „Mahmud-Hamam" 1156 (1739), gemeisselt
Von Brza Palanka ühcr Kladovo usw. nacli Tckija und Ada Kaleh. 491
von dem armen Sklaven Melimed Refia Catib Zadeli. Möge Gott ihn seiner
Gnade würdig finden."
Als 1804 der serbisLhc Freiheitskampf begann, fühlten die in der Krajina
befehligenden Wojwoden wohl die Notwendigkeit, sich des festen Kladovo zu
bemächtigen, der Mangel an Belagerungsgeschütz machte dies aber unmöglich,
und Milenko musste sich begnügen, die Ausschreitungen der Garnison möglichst
einzuschränken. Erst 1809 belagerte es Milenko Stojkovic ernstlicher, als der in
der kleinen Walachei befehligende General Isajeff ihn zu gemeinsamer Aktion
aufforderte. Dies geschah, nachdem die Russen am 5. April sich der grossen
Insel bei Brza Palanka bemächtigt und sie am 27. Juni energisch gegen die
Türken verteidigt hatten. Am 14. Juli setzte isajeff über die Donau, um Kladovo
zu nehmen, von dem aus die Türken stetig das linke Donauufer bedrohten und
dessen Besitz die Verbindung der Russen mit den Serben zu sichern versprach.
Isajeff vereinigte an Truppen, was er in der kleinen Walachei entbehren konnte:
6 schwache Bataillone Infanterie, 300 Panduren und einige Kosaken. Dazu kamen
1000 Serben, die Kladovo aus einem erhöhten verschanzten Lager beobachtet
hatten. Am 17. Juli war die Einschliessung vollzogen, und am 19. Juli begannen drei
Batterien, darunter eine mit vier Geschützen, vom linken Ufer das Feuer. Der
eingetroffene kaiserliche Generaladjutant Vasil Trubeckoj scheint General Isajeff
bestimmt zu haben, die Feste mit Sturm zu nehmen.') Dieser, am 22. Juli mit fünf
Kolonnen versucht, misslang; von allen drang nur die fünfte, welche vom linken
Ufer, oberhalb Kladovo, übersetzte, bis zur Zitadelle vor. Die kleiiirussischen
Grenadiere erklommen wohl den Wall, doch von der in falsche Richtung geratenen
F^eserve und den, das türkische Geschützfeuer nicht aushalteiiden anderen Kolonnen
im Stiche gelassen, mussten auch sie Kehrt machen. Die dritte Pandurenkolonne,
geführt von dem Obersten Kurt, einem geborenen Moldauer, hatte sich am feigsten
benommen, 350 Soldaten und 6 Offiziere blieben tot, 600 Soldaten und 20 Offiziere
wurden verwundet. Die Serben, welche in den Batterien standen, nahmen keinen
Anteil am Sturm und kehrten in ihre alte Stellung zurück, nachdem Isajeff auf das
linke Ufer zurückging. Bei den Anwohnern verbreitete sich der auch in verschiedene
Werke übergegangene Glaube, dass Isajeff durch eine mit Dukaten gefüllte Melone
türkischerseits bestochen worden sei, eine Meinung, die auf dem Boden des
allregierenden „bakschisch" nicht verwundern kann!
Wie wir schon sahen, hielt es Graf Zukato im Jahre 1810 für seine wichtigste
Aufgabe, die Verbindung der kleinen Walachei mit Serbien durch seine Festsetzung
zwischen Negotin und Kladovo zu sichern. Zu diesem Zwecke entsandte er nach
der Einnahine von Brza Palanka eine Kolonne unter dem Oberst Cvileneff, die
gemeinsam mit 3000 Serben unter Petar Dobrnjac am 10. Juli Kladovo einschloss.
Die von Ibrahim Beg befehligte, nur 500 Mann starke Besatzung streckte die
Waffen, übergab 21 Geschütze und verpflichtete sich, ein Jahr lang nicht gegen
Serben oder Russen zu kämpfen. Ibrahim Beg versprach überdies, seinen zu
Ada Kaleh (Neu-Orsova) kommandierenden Neffen Redzeb Aga dahin zu bestimmen,
') Documentc privitore la istoria Romanilor. 1709— IHi:^. S. 102 f. Bukuresci 1887.
492
Von Brza F'nlniiUa über Kladovo usw. nach 'l'ckija und Ada Kak-Ii.
dass dieser das serbische, besetzt geiiaitene Tekija verlasse ')• Das nächste Jahr
traf dort den 1811 wieder die Beamtenlaufbalin aufsuchenden Vuk Karadzic im
Zollamt als „pisar" (Schreiber) beschäftigt.
Nachdem die Türken das um seine Freiheit ringende Serbien 1813 wieder
zeitweilig unterworfen hatten, sah Kladovo eine jener furchtbaren Blutszenen, wie sie
Rachelust und Fanatismus damals in allen von den Siegern betretenen serbischen
Städten herbeiführten. Entmutigt durch die Misserfolge bei Negotin, von welchen
die Kunde rasch sich nach Kladovo verbreitete, und noch mehr durch die wirksame
türkische Beschiessung der Feste, entfloh der dort kommandierende Wojwode
Zivkü Konstantinovic nächtlicherweile mit seinen Burschen, und die ratlose Besatzung
wurde von den eindringenden Türken ohne Gnade niedergemacht.
Im Jahre 1818 befahl der Sultan die vollständige Wiederherstellung der
Kladovoer Werke, und ähnliche überschwengliche Lobschriften wie die mitgeteilte
Kladovo.
verherrlichten über den Toren diese Tat, welche in Wahrheit die Krajina bis 1833
dem Halbmond unterwarf. Auch nachdem dieses Gebiet in jenem Jahre endgültig
an Serbien fiel, hielt die Pforte ihr Besetzungsrecht in Kladovo aufrecht. Erst
im Sommer 1867 räumte sie es zufolge der Konvention mit Fürst Mihail, welche
alle serbisch-türkischen festen Punkte serbischen Garnisonen überantwortete. Im
Kriegsjahre 1876 bildete Kladovo das serbische Werbungszentrum für eine bulgarische
Hilfslegion, die, nachdem sie dort militärisch eingeübt worden, sehr energisch
in die Kämpfe bei Zajecar eingriff. Und ist es nicht merkwürdig? Wie der
unserer modernen Schiffahrt erneuerte römische „Eiserne Tor"-Kanal dachte man
1898 daran, auch die Trajansche Riesenbrücke bei Turn-Severin, dank der
Initiative des Königs Karl von Rumänien und des Serbenherrschers Alexander,
ihre Auferstehung mit dem Eisenbahnverkehr angepasster Konstruktion für den
Verkehr zwischen der Donau und Adria herzustellen. Eingehende technische
') Ibid., S. 306, 309 ff.
Von Brza Palanka über Kladovo usw. nach Tekija und Ada Kaleh. 493
Untersuchungen Hessen jedoch einen Neubau an benachbarter Stelle zweckmässiger
erscheinen. Ich verweilte bei der Trajansbrücke und ihren Schutzwerken länger,
weil in der Schilderung ihrer Entstehung, Zerstörung und späteren Geschicke
sich jene der meisten wichtigen Plätze am mösischen Donaulimes spiegeln und
dies mir gestattet, bei der antiken Epoche seiner folgenden westlicheren Punkte
mich kürzer zu fassen.
Sowie man die letzte Serpentine der Brza Palanka— Tekijaer Strasse hinfährt,
erglänzt im breiten Donaubette der hohe weisse Turm der 1861 geweihten hl.Georgs-
Kuppelkirche, die Kladovos einzige monumentale Zierde bildet. Seit 1860, wo
ich es zuerst besuchte, entstanden auf dem grossen Platze und in der Hauptstrasse
wohl einige hübsche Häuser; doch obschon das Gericht für den Kljucer Bezirk
dort amtiert, es auch c^e Vorteile einer Garnison geniesst und eine Haltestelle
der Dampfboote, sowie eine Fähre nach Turn-Severin seinen Verkehr begünstigen,
will sich die nur 1830 Seelen zählende Bevölkerung wenig vergrössern'); auch
das Umland ist dünn bevölkert. Die Kljucer galten als Ultraradikale. 1895
schickte der Kladovoer Bezirk den regierungsfreundlichen „Kaviarkönig" Djordje
Tomic in die Skupschtina; seine Radikalen enthielten sich aber der Wahl. Das
prächtige Wiesenland um Kladovo begünstigt den Aufschwung der stark betriebenen
\'iehzucht, die Hochebene „Ceribasa" gilt als Kornkammer, Wein und Obst geraten
in Fülle, namentlich sah ich viele prächtige Nussbäume.
Am 5. September 1900 traf nahe bei der Stadt den aufwärts fahrenden
serbischen Remorkör „Negotin" eine Kesselexplosion, welche den ganzen Schiffs-
körper zerriss, wobei der Kapitän Bozarovic, der Kontrolleur, ein Maschinist,
10 Steuerleute, Heizer und Matrosen mit dem sinkenden Schiffe ertranken. Nur
ein Steuermann rettete sich auf eins der vier, infolge der Explosion frei gewordenen,
mit Mais beladenen Schleppboote, von welchen das leckgewordene „Milos" ver-
sank, bevor der von dem telegraphisch verständigten Hafenamte zu Orsova rasch
abgesendete Hilfsdampfer es retten konnte. Dieser konnte sich nur an der Hebung
der beiden gesunkenen Schiffe beteiligen.
Stromaufwärts von Kladovo wird die Uferlandschaft vvechselreicher. Im
waldgrünen „Saju potok" liegt das trotz seines Waldbesitzes von 250 Hektar
arme, nur an Erinnerungen reiche Kloster „Manastirica". Der hl. Nikodim-)
soll unter Kralj Milutin die Heilstätte gestiftet und Zar Lazars dem Sultan
Bajazid vermählte Tochter Maria hier Zuflucht gesucht haben, als sie aus dem
Lager seines Besiegers Timur flüchtete. Das Kloster „arbeitete" zuletzt nicht, weil
seine kaum 10 Hektar betragenden Nutzgründe und kleinen Bareinnahmen selbst
für bescheidene Monchsansprüche nicht hinreichen.
Auf Kladusnica folgt das gleichfalls walachischc Dzedzerac •). Beide treiben
den Hausenfang als Haupterwerb. Im November 1897 wurde hier ein 98 kg
') 1905 zählte Kladovo in 408 Häusern 1783 Einwohner.
-) über einen höchst interessanten serbischen Popen Nikodim, der bei dem walachischen
Wojvvoden Radul (1372—1386) in hohem Ansehen stand, siehe Ced. Mijatovic, „Srpski
odzraci usw." Letopis matice srpske. Knjiga 187, S. 16 ff.
'■) Seit 1899 heisst dieser Ort Davidovac.
494
Von Brza Palniika über Klndovo usw. nach Tekija und Ada Kalch.
schwerer Hausen gefangen, dessen 27 kg erbsengrosser Kaviar 400 d brachte.
Die Kaviarpreise stiegen in den letzten Jahren unglaublicii. Man bezaiilt per
Kilogramm 15—20 d. Ausser Moruna (Hausen) fängt man auch die grossen
Störarten: jesetra, pastruga, sini u. a., da sie, um zu laichen, die Donau in Menge
hinaufschwimmen. Turnu bildet den Hauptstapcl für den immer schwungvoller
betriebenen Kaviarhandel.
Bald hinter Davidovac befindet sich, etwa 20 m von der Strasse, gegenüber
dem rumänischen Dorfe Gura Vaj, ein „Karatas" (Schwarzer Stein) genanntes,
stark überwachsenes Plateau, dessen stark verwüstetes Kastell zu den bedeutenderen
Bauten des mösischen Donaulimes zählt. Sein interessanter Grundriss bildet ein
Parallelogramm mit 172 m langen, 100 m breiten und 2 m starken Wallmauern,
Kastell auf dem Karatas.
von deren Mitte und Ecken, wie ich an der Südwestseite deutlich erkannte, einst
mächtige Rundtürme vorsprangen. Eine Abweichung von dieser regelmässigen
Anlage konstatierte ich im südöstlichen Teile. Dort verlängerte sich die zur
Donau gerichtete Schmalseite 20 ni gegen einen quadratischen Turm, von dem
zwei Mauern mit schmalem Zwischengange schräg zur Mitte der südöstlichen
Front zogen. Ein in der Kladusnicaer Kirche eingemauerter römischer Inschrift-
stein stammt aus dem Innern des Kastells, das mit einem anderen korrespondierte,
von dem Reste auf der nahen rumänischen Insel „Ciplak ada" sichtbar sind.
Das 3 km nordwestlichere S i p birgt einen der interessantesten Beweise römischer
Tatkraft. Sein serbischer Name stammt von sipati = anschütten '), von hier durch
Anschüttung hergestellten hohen Erddänimen eines noch in seinen Überresten unser
Staunen erregenden Kanals, den die Römer zur Umgehung des gefährlichsten Riffes
') Vuk, Dnnica, 1827, S. 50.
Von Brza Pnlanka über Kladovo iisw nach Tekija und Ada Kaleh. 495
im „Eisernen Tore" erbauten. Irri.L; ist die vielverbreitete Ansicht: das in den letzten
Jahrzehnten energischer aufgetretene Verlangen nach Beseitigung der Schifi'ahrts-
hindernisse am „Eisernen Tore" gehöre ausschliesslich der Neuzeit an. Denn lange
bevor der Dampf die schwere Ruderarbeit abgelöst, schon in den Tagen der
von mystischem Dunkel umhüllten Argonautenfahrt, und mehr noch, als Trajan
auf seinen Kriegszügen nach Dazien oft die Bewegung der mächtig eingreifenden
istrischen I-lotte durch die von tosenden Wellen umschäumte, Schiffe und Menschen
verschlingende riesige Felsenbarrikade gehemmt sah, wurde an ihre Beseitigung
gedacht. Zog Kaiser Trajan wirklich seinen durch die grossartige Brücke bei Turn-
Severin (S. 486) berühmten Architekten Appolodor von Damaskus in der schwierigen
Stromregulierungsfrage zu Rate — und alle Verhältnisse sprechen dafür — dann
betätigte der gleich grosse Mathematiker und Kriegsbaumeister auch am „Eisernen
Tore" sein Genie in solch trefflicher Weise, dass die zur Lösung der gleichen
Aufgabe berufenen scharfsinnigsten Hydrotechniker unserer Zeit, von dem genialen,
1795 geborenen Väsärhelyi (1834) bis herab auf die letzte Enquete, seinem Bei-
spiele folgten. Auch sie empfahlen, und zwar meist nahezu an derselben Stelle,
die Anlage eines die Katarakte umgehenden Kanals beim serbischen Sip, in
dessen Nähe die Reste des römischen unser Staunen erregten. Gleicht der dort
für die Dampfschiffahrt entsprechend konstruierte Kanal auch nicht in den Details
seinem antiken Vorbilde, jedenfalls haben die römischen Bautechniker bei der
Wahl des F'unktes, bei der Kurven- und Längenbestimmung der Anlage ihren
allerorts hervortretenden Scharfsinn bewährt.
Leider vernichteten das Donaubett weit in das serbische Uferland vor-
schiebende Elementarereignisse den römischen „Eisernen Tor"-Kanal bis auf wenige,
etwa 200 m lange Dammreste am Kasajnabach und an den Mündungstoren. Die
Katastrophe ereilte ihn höchst wahrscheinlich am Trstenicabache, wo des Stromes
Hochfluten zwei Inseln und jene nur 6 m breite Fahrrinne schufen, durch welche
bei gutem Wasserstande seichttauchende Kähne mittels zwanzig bis vierzig Ochsen
mühsam aufwärts gezogen wurden. Als der über das Terrain der erwähnten, vom
Festland abgetrennten Inseln laufende Römerkanal dort, am südlichsten Punkte
seiner Flachkurve, durchbrochen war, hatten die Donau-Hochfluten und später
auch die von Süden gegen seine Flügel anstürmenden Gebirgswasser leichtes Spiel.
Des antiken „Eisernen Tor"-Kanals wurde bisher selbst in fachmännischen
Schriften nur flüchtig gedacht. Deshalb schritt ich auf meiner, namentlich der
Erforschung des obermösischen Donaulimes gewidmeten Reise am 27. Oktober
1889 zur Aufnahme seiner Neubau gewidmeten Reste. Nach meiner Berechnung
betrug die Länge des vom felsigen Uferrande durchschnittlich 150 m entfernten,
mit nach Süden ausbiegender Flachkurve angelegten Kanals 3220, seine Sohlen -
breite 57, die Höhe der zwei meist künstlich angeschütteten Dämme 14, ihre
Fussbreite 10, der Abstand zwischen ihren Kronen 75 m. Zum Schutze des
Süddammes gegen die starken Mirocbäche Kosovica und Kasajna befanden sich
hart vor demselben an drei Punkten 1,2 m starke Steinmauern, welche ihre
Wasser seitlich ableiteten. Von diesen felsartigen Wehren sind bei Sip noch
fil,5 m lange, 2 m hohe Reste, an der Ka.sajna ein 25 m langes Stück erhalten.
lOfi
Von Firza Pnlnnkn über Kladovo iisw nnch Tekija und Ada Kaleh.
Von dem Kastelle, welches das West-Eingangstor schützte, fand ich 40 ni
lange Mauern mit entsprechendem Graben und einen von der Mitte der Ostfront
ausgehenden 80 m langen Steindanim, welcher als Kern den südlichen Kanaldamm
verstärkte. Ganz verwüstet ist das Kastell am Mündungstore des Kanals in einem
Garten des Nordteils von Sip. Seit dem Bau des nahe dem Römerkanal im
Strombett angelegten modernen Kanals für tiefgehende Dampfer (XVlll. Kap.),
welcher auf der „Salaria" bei Sip eine von tausenden Rumänen, Italienern,
Slaven bewohnte Kolonie mit deutschen Ingenieurhäusern, ungarischen Restau-
rationen, serbischen Cafes usw. entstehen und vergehen sah, sind auch die
Dammreste des antiken Kanals nahezu verschwunden. So endet alle Herrlichkeit!
Früher bildeten die ausgedehnten Vorrichtungen zum Hausenfang die einzige
Sehenswürdigkeit zu Sip; sie waren jedenfalls interessanter, wie sein altes Kirchlein
Reste des
von Fachwerk. 1889 besass es aber schon einige hübsche Häuser, auch eine
leidlich gute Mehana, und seit im Oktober 1893 zu Orsova eine ungarisch-serbische
Kommission wegen der Überlassung des oberen Uferstreifs bei Sip für die
Dampfer-Kanalanlage sich einigte, brachte sie ihm goldene Tage, die es für den
gestörten Hausenfang glänzend entschädigten.
Die häufigen Austritte der Donau führten 1889 zum Umbau der Strasse
nach Tekija, welche nun hart unter der Südmauer des Kasajna-Kastells läuft. Auf
der Vorhöhe des südlichen „Dzeverinski Kamen" entspringt eine Schwefelquelle,
für deren Benutzung in alter Zeit die Reste eines etwa 3 m grossen Bassins
und Mauern eines Kastells auf dem 370 m hohen Berge Gradac sprechen,
von dem man jede Bewegung im „Eisernen Tore" überwachen konnte. Während
unserer Fahrt zum Dzeverinski potok erfreute mich, wie schon oft zuvor, mit
unvermindertem Genüsse die prächtige Stromszeneric, die zweifellos keine andere
europäische an Grossartigkeit übertrifft.
Selbst der in den rumänischen Uferrand eingeschnittene Schienenweg und
die modernen weissen Bahngebäude von Verciorova vermochten nicht den
Von Brz;i Pnlnnkn iiher Kladovo usw. nach Tckijn iiml Adn Knich.
407
roniantisclien tincirtick zu stören, wcldieii das weithin vernehmbare Brausen des
an den „Eisernen Tor" -Kuppen schäumend sich brechenden Wogenschwails übt.
Wie im grauen Altertum stellte die „Pregrada" noch 1896 zeitweise dem mittel-
europäischen Verkehre mit den Pontusländern unbesiegbaren Widerstand entgegen,
welcher oft die durchdachtesten militärischen Pläne und kaufmännischen Speku-
lationen durchkreuzte. Heute sichert der am 1. Oktober 1898 eröffnete, selbst
bei niederstem Wasserstande fahrbare „Siper Donaukanal" auch tieftauchenden
Seeschiffen die Bergfahrt nach Ungarn. (IM. Bd., Kap. IX.)
Es waren aber trotz der Kataraktenhemmnisse jedenfalls günstigere, weil
konkurrenzloseZeitenfürdie „k.k. privilegierteDonau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft",
als ich am 26. Juli 1860 durch das etagenförmige, vom österreichischen General
Hamilton 1730 erbaute und von den Serben 1867 gesprengte „Elisabethfort" fuhr,
Donaulimes.
Über dessen Trümmer nun mein Wagen rollte. Wir eilten damals, weil die beim
Kagajnabach abzweigende, die türkische Ufersperre umgehende Bergstrasse wohl
begonnen, aber noch unvollendet war. Knapp vor Sonnenuntergang erreichte ich
das zu Ada Kaleh gehörende Fort, dessen Tore, sobald der laute Ruf des zum
Abendgebete rufenden Muezzins herüberschallte, unnachsichtig bis zum nächsten
Morgen geschlossen wurden. Der zufällig verspätete Reisende mochte dann
unter freiem Himmel die Stunde erwarten, in welcher der Gebetrufer den nächsten
Tagesanbruch verkündete.
Man wundere sich nicht über diese Rücksichtslosigkeit. Ein Türke hat nie
Eile; mit dem Abend schliesst für ihn alles Leben ab, und kein noch so wichtiges
Ereignis könnte selbst europäische Moslims zu einer nächtlichen Reise bewegen.
Kardinalzüge im türkischen Charakter schufen aber tiefe Gegensätze zwischen
den türkischen Herren und der Rajah in den Städten, welche durch die immer
zahlreichere Berührung mit dem Occident dessen Sitten und Lebensweise annahm.
Ein Nizam-Caus (Korporal) machte sich eben mit den Torschlüsseln des
Sperrforts zu schaffen, als wir durch seinen Vorhof jagten. Die Sonne war
F. KANITZ, Serbien. M. 32
498
Von Brza Palanka über Kladovo usw. nach Tekija und Ada Kaleli.
hinabt^esunken, und die alten Tort'lüj»el scliluj,'en hinter uns zusammen. Mitten
im majestätischen Strom erschienen die heilen Bastionen von Ada Kaleh, der
seit 1878 ungarischen Festungs-lnsel, deren Reflexe sich im dunklen Wasserspiegel
brachen, während die scharfen Umrisse ihres weissen Uhrturms und Minaretts
sich prächtig von den hohen Bergen ablösten, welche den Strom hier auf beiden
Seiten begrenzen. Einzelne lichte Punkte verrieten die jenseitigen Blockhäuser,
mit welchen Österreich, abgesehen von politischen Motiven, dem von seinen
serbischen Nachbarn lebhaft betriebenen Salz- und Tabakschmuggel steuern
wollte. Schwach vernehmbar tönte der Anruf der sich ablösenden türkischen
Wachen herüber, melancholisch stimmende Ruhe herrschte in der grossartigen
Landschaft. Alles Leben schien erloschen. Nur auf dem neutralen schmalen
Landstriche, welcher die ungarisch-rumänische Grenze bildet, loderte das helle
Wachfeuer des Blockhauses, neben dem eine kleine, im orientalischen
Das „Eiserne Tor" bei niederem Wasserstande.
Stile aufgeführte Kapelle die Stelle bezeichnet, wo nach der Katastrophe von
Vilägos Ungarns verehrtestes Kleinod seit dem 24. August 1849 in der Erde ruhte,
um am Tage „Maria Geburt" des Jahres 1853 zu neuem Glänze aufzuerstehen.
Welch interessanter Boden , welche Fülle historischer Erinnerungen und
welch reicher Stoff zu Parallelen von Kaiser Trajan bis auf Kaiser Franz Josef!
Die letzte Stunde nächtlicher Fahrt auf der oft sehr schmalen, durch die
immer näher rückende Donau stark bedrohten Strasse, und wir kamen bei einem
1866 angeschürften, später aber verlassenen Kohlenbau und an der Stelle vorüber,
wo dem dort von den Türken an den Galgen geknüpften Freiheitshelden der
„Kocina Krajina" ein Denkmal errichtet werden soll. Nach einem resultatreichen
Tage hielt ich vor Tekijas kleinem Ufer-Gasthof, in dem bereits mehrere
Reisende eingetroffen waren, um gleichfalls den von Orsova aufwärts gehenden
Dampfer zu benutzen.
Der nächste Morgen war Tekijas römischen Resten gewidmet. Ausser den
unterhalb des römischen „Eisernen Tor"-Kanals von mir bestimmten Uferpunkten
Pontes (S. 485) und Zanes (S. 488) werden aufwärts desselben von grösseren
Niederlassungen in der Notitia dignitatum Imperii: Zerna und Transdierna, von
J
Von Brza Palanka über Kladnvo usw. nach Tekijn und Ada Kalch
499
Procopius aber nur das letzte genannt. Manncrts Ansatz von Zerna bei Alt-Orsova
ist gleicii falsch, wie jener von Transdierna durch Aschbach beim rumänischen
Cernec, denn beide verlegten die von den genannten Quellen auf dem rechten
Stronuifer angeführten Orte auf das linke. Auf diesem suchten auch Kiepert und
Böhm ') irrtümlich Transdierna in Orsova, wo sicher nach der Tabula Peut. das
20 Millien von Taliata entfernte „Tierna" lag, das in der Not. Imp. wie in
Ziegelstempeln richtiger „Dierna" hiess und schon bei Ptolemäus (III, 8, 4) als
bedeutende Stadt in „Dazien" erwähnt wird. Diese bestimmt lautenden Angaben
wichtiger Zeugen verbieten es, Dierna auf das rechte Ufer zu versetzen -), obschon
gerade bei Golubinje und Prahovo Ziegel mit dem Stempel DIERNA gefuntlen
wurden. Man führte sie auf Schiffen zum Bau der dortigen Kastelle hin, ganz
Das „Eiserne Tor" bei mittlerem Wasserstande.
SO, wie zuletzt Baumaterialien jeder Art vom imgarischen Ufer zum Kai- und
Nacelstvobau in Smederevo oder Orsovaer Ziegel bei den Schutzbauten der
Trajanstafel im Jahre 1890 verwendet wurden. *
Auf dem musischen Ufer gab es zwischen der Porecka reka-Mündung (Taliata)
und Kladovo (Zanes) nur bei Tekija und Sip genügenden Raum für grössere
Gemeinwesen, deren einstigen Bestand an beiden Punkten auch ausreichende
Anzeichen beweisen. Ich glaube demnach das von der Not. Imp. aufwärts von
Zanes, mit einer Abteilung der Leg. XIII. Gemina, verzeichnete Zerna bei Sip
und ihr gleichfalls von Fusstruppen besetzt gehaltenes Transdierna in dem
Orsova (Dierna) gegenüberliegenden Tekija ansetzen zu dürfen. Die spärlichen
Überreste von Zerna erwähnte ich schon bei Sip und darf hier zur Schilderung
der Reste von Transdierna übergehen.
Unter der Bezeichnung „Orsova vetus Servie" hatte schon Marsigli eine
Rönierbaute zu Tekija in Karte gebracht.-) Was ich aber dort fand, stimmte
') C.I.L., III. Bd., Tab. II. -^
■) Siehe Fussnote S 486.
^) A. a. O , Bd. II, Tab, VI.
Arch.-cpigr. Mitl.. XII. Bd., S. 180.
3-2 1
500
Von Rrza Pnlnnkn über Kladovo usw. iinch Tekijn umr Adn Kaleh.
durchaus nicht mit seiner iTeziiglichen Skizze. Statt eines quadratischen Kastells
mit vier Rundtiirmen und Graben traf ich an der bezeichneten Stelle des rechten
Tekijabachufers die Rudimente einer teilweise von der Donau zerstörten Baute,
deren durchschnittlich 3,2 m starke Mauern für ein hier bestandenes festes Werk
sprechen, das, nach dem Fortsatze seiner 36 m langen Südfront zu schliessen,
wohl mehrere Abteilungen besass, aber keine Spur von einstigen Rundtürmen
zeigte und auch nicht das eigentliche Kastell war. Dieses von Marsigli unbeachtet
gelassene, auf dem linken Bachufer im Rechteck angelegte Werk besass 100 m
Plan der Reste von Transdierna.
lange, 84 m breite und 2 m starke gemauerte Fronten, auf und innerhalb welcher,
wie auf meinem Plane ersichtlich, Tekijas nördlicher Teil mit dem Zollamte steht.
Diese Befestigungen bildeten, vereint mit dem Kastell auf der benachbarten
Insel „Ada Kaleh" und dem antiken Werke, auf dessen Stelle zweifellos das
rechtsuferige „Fort Elisabeth" entstand, den oberen Sperrschlüssel zum „Eisernen
Tor"-Kanal, der aber trotz seiner scheinbaren Unbezwinglichkeit von den Barbaren
ebenso überwältigt wurde, wie die serbischen und österreichischen dort angelegten
Befestigungen von den Türken.
Auf Jakob Alts Abbildung von Tekija (1824) sind noch die Schanzen sicht-
bar, welche, nachdem die Serben 1810 den Ort ohne Kampf genommen, im
fortgesetzten Befreiungskriege mit abwechselndem Glück verteidigt wurden. Im
allgemeinen teilte Tekija während dieser Epoche das Schicksal des südwestlichen
Von Brza Palanka über Kladovo usw. nach Tekija und Ada Kaloli. 501
Porec, dessen bewegte Vergangenheit ich im folgenden Kapitel erzählen werde.
Während Tekijas serbische Bewohner sich vor ihren türkischen Orangem in die
Berge zurückzogen, besiedelten es später Walachen vom jenseitigen Ufer, die
dort durch Fleiss zu ansehnlichem Wohlstande gelangten. Trotzdem es aber als
wichtige Ausfuhr- und Dampferstation durch eine stabile Fähre mit Orsova
verbunden ist, besitzt es ausser einer netten Kirche mit hohem Turm und dem
bescheidenen Zollhause, das an der Nordmauer des Römerkastells steht, nur
wenige bessere Gebäude ').
Tekija rühmt sich, dass dort die Wiege jenes des Wortes und der Feder
gleich mächtigen, 1791 geborenen Avram Petronijevic stand, der durch besondere
diplomatische Begabung seinem Lande grosse Dienste leistete. Im jenseitigen
Orsova, wo er die Schule besuchte, eignete er sich mehrere fremde Sprachen
an. Milo§ würdigte diese damals seltenen Kenntnisse des seit 1817 im Bezirke
Gruza angestellten Schreibers. Er benutzte Petronijevic als Sekretär und liess ihn
1821 eine Gesandtschaft an die Pforte begleiten, welche erst 1826 zurückkehrte. Zwei
Jahre später ward er zum ständigen Vertreter des Fürstentums in Konstantinopel
ernannt und zeitweilig mit besonderen Missionen nach Petersburg, betraut. In dem
von Vucic gegen Milos geführten Parteikampfe zur Einschränkung der fürstlichen
Macht stand Petronijevic auf Seite der Opposition. Als der Gebildetste unter
seinen Landsleuten besass er grossen Einfluss auf alle Angelegenheiten. Auch
die heimische Industrie suchte er zu heben; die erste serbische Glasfabrik zu
Jagodina dankt ihm ihre Entstehung. Dabei fand er Zeit für literarische Arbeiten.
Er versuchte eine Übersetzung der Apokalypse und verkehrte gern in gelehrten
Kreisen. In Stanibul erlag er einem Schlaganfall und wurde in Haskoi begraben.
Weit mehr als heute kontrastierte Tekijas äussere Erscheinung zur Zeit
meines ersten Besuchs von jener des gegenüberliegenden ungarischen Orsova,
dessen viele Amts- und Quarantäne - Gebäude ihm jene deutsclistädtische
Physiognomie gaben, welche nahezu alle früheren militärisch organisierten Grenz-
komnumen auszeichnete. Bei genauerer Betrachtung täuschte aber ihr scheinbarer
Wohlstand kaum über den ersten flüchtigen Eindruck weg. Veraltete Normen
hinderten das autonome Gebaren der Bürger, welche in allem dem am Buchstaben
haltenden Militärregiment unterworfen waren. In vielen Grenzstädten wuchs buch-
stäblich Gras auf den öden Plätzen, und wenn Orsova nicht gleiches Schicksal teilte,
dankte es dies seiner Quarantäne und der Dampfschiffahrts-Gesellschaft, welche
dort namhafte Etablissements anlegte, ferner dem nahen vielbesuchten Mehadija
und der türkischen Inselfeste Ada Kaleh, die mit ihrem nicht unbedeutenden
Bedarf grösstenteils auf Orsova angewiesen war. Nun soll sein Verkehr durch
die 1895 genehmigte Anlage eines „Umladungshafens", der eine Million Gulden
erforderte, und durch die dort zu errichtende Administration des „Eisernen Tores"
gehoben werden.
Da früher das nachbarliche Verhältnis der Türken zu Österreich ebenso
freundlich, wie zu Serbien feindlich war, empfahl sich ein Ausflug nach dem
') Tekija zählte 1905 in 295 Häusern 1332 Kinwohner
502 Von r?rza Palankn über Kladovo usw. nach Tekija und Ada Kalch.
grossherrlicheii Ada Kaleh besser von Orsova , als von Tekija. Mit dein
notwendigen Passvisnni des k. k. Piatzkommandanten und einem braunen, in noch
dunklerer Uniform steckenden Grenzsohne fuhr ich durch Orsovas Quarantäne
zur Fähre, weiche die Verbindung über den schmalen Donauarm mit der
Festungsinsel unterhielt. Ein durch meine Ankunft aus seiner kauernden, ganz
unmilitärischen Stellung aufgerüttelter Nizam-Caus nahm mich jenseits in Empfang.
Seine nach dem Zwecke des Djaurenbesuchs forschenden Züge heiterten sich
erst auf, als ich mein mit dem imponierenden grossen Vidiner Paschasiegel
beglaubigtes Bujuruldi vorwies und zum Festungskonimandanten geführt zu
werden verlangte. Da man es nicht wagte, dessen Kef (Siesta) zu stören, konnte
ich Ada Kaleh ruhig besichtigen.
Ausser einigen ursprünglich österreichischen Kasernen, Verwaltungsgebäuden
und der zur Moschee umgewandelten Kirche erweckte die Niederlassung nur
klägliche Eindrücke. In einem plumpen, türkischer Baukunst wenig zur Ehre
gereichenden Konak empfing mich der Kommandant, ein zwischen Obstkörben,
ausgekramter Wäsche und allerlei Gerumpel hockender Mir-Alaj. Nach kurzer
Präsentation meines Bujuruldis und Schlürfung des obligaten Kaffees und Cibuks
lud mich der freundliche Effendi zur Besichtigung der Feste ein. Da ich jedoch
auf dem Wege zum Konak das Interessanteste bereits gesehen, benutzte ich
seine Gunst zur Croquierung einiger Punkte und verliess sodann die schicksals-
reiche Insel.
Im Jahre 1691 begannen die Oesterreicher die oft gewonnene und verlorene,
1400 ni lange, 300 m breite, gegen Osten spitz zulaufende Insel zu befestigen.
Marsigli fand dort zu Beginn des 18. Jahrhunderts ausser einem quadratischen
römischen Werke mit Rundtürmen an den Ecken und zwei isolierten antiken Türmen
nur einige Schanzen. Erst 1717 begann Gouverneur Mercy Ada Kaleh nach
Prinz Eugens Plänen auszubauen. Es entstand ein nach allen Regeln der
Verteidigungskunst erbautes bastioniertes Viereck mit entsprechenden Aussenwerken,
und auf dem serbischen Ufer das Fort „Elisabeth". Bis zum Ausbruch des
erneuten Kampfes (1737) geschah viel zur Verstärkung der Werke, und im Osten
der Insel bildete sich eine kleine Kolonie deutscher Händler und Handwerker.
Wie alle österreichischen Militärbauten jener Epoche, tragen auch diese Werke
das Gepräge grosser Solidität, und namentlich wird die Stärke ihrer Kasematten
gerühmt. Der in zahlreichen Winkeln gebrochene Bastionenkranz springt nahezu
überall bis an den Inselrand vor und blieb bis 1878 mit den von den Kaiserlichen
1739 dort zurückgelassenen Geschützen armiert. Seitens der Pforte geschah gleich-
wenig wie in Belgrad etwas, um die Verteidigungsfähigkeit zu erhöhen; bei der
grossen Zahl türkischer Festungen an der Donau hätte aber auch der Stand der
grossherrlichen Finanzen ein anderer sein müssen, um Bedeutenderes in dieser
Richtung zu leisten.
Es waren nicht die besten Freunde der Türkei, welche sie im zähen
Festhalten aller festen Punkte in Serbien bestärkten; hätte sie sich auf Orsova
und Belgrad beschränkt, die einem äusseren Feinde gegenüber ganz sekundären
Forts von Smederevo. Kladovo, Sabac und Mali Zvornik aber aufgegeben, so
Von Brza Palankn über Kladovo usw. nach Tckija und Ada Kalcli. 503
wäre dadurch ein Kardinalwunsch dieser in ihrer Entwickelung gehemmten Handels-
städte erfüllt, ein fortwährend wuchernder Streitpunkt mit Serbien beseitigt worden, •
und man hätte auch grössere Mittel gewonnen, um das verfallende, unstreitig eine
wichtige strategische Position bildende Ada Kaluli in besseren Stand zu setzen.
Mit dem Feuer des Elisabethforts sperrte es den breiten Donauarni, welchen die
Dampfschiffe benutzen mussten; auf dem linken Ufer schützte es der Sistovocr
Friedensschluss (1791) vor einem von dort leicht zu bewerkstelligenden Angriff,
indem er das Uferstück von der Cernamündung bis zur rumänischen Vodicaer
Mühle als neutrales Gebiet stipulierte. Vor der Erklärung der Donau als freie,
internationale Verkehrsstrasse war jede Ada Kaleh besitzende Macht befähigt,
dem Donauhandel ernste Hindernisse zu bereiten. Allerdings hätte man die mit zwei
Bastionen und einem höher liegenden Wachturm 1736 durch General Hamilton
erbaute und zu Ehren der Kaiserin genannte „Elisabetlischanze" wieder herstellen
und zugleich auf dem linken Ufer neue Werke aufführen müssen. Gegen einen
Angriff zu Wasser durch eine von der Donaumündung aufwärts dringende Flotte
bedurfte es früher keines künstlichen Schutzes; das seit altersher gefürchtete
„Eiserne Tor" machte ihn überflüssig.
Ein Rückblick auf Orsovas Schicksale in dem für Österreich verhängnisvollen
Kriege 1737 — 1739 besitzt grosses Interesse, denn durch die Beteiligung eines
sächsischen Hilfskorps und andere Verhältnisse gibt es Anlass zu lehrreichen
Parallelen mit den 1866 in Böhmen gewonnenen Erfahrungen. Versetzen wir
uns in jene Zeit, wo sich in der Wiener Kaiserburg noch kein Monument
Prinz Eugens erhob, dort aber die Traditionen des „edlen Ritters" und grossen
Staatsmannes bewahrt wurden, welche Österreichs Stellung in Ost und West
gefürchtet machten. Damals erblickte der Kaiserstaat eines seiner wichtigsten
Ziele in der Erlösung der christlichen Völker an seiner Südgrenze vom fort-
schrittfeindlichen türkischen Regimente, so wenig glücklich man auch oft die
Mittel und Personen wählte, um das durch Eugen begonnene grosse Werk zu
vollenden.
Wie heute , erwies sich Oesterreich unter Karl VI., ungeachtet seiner
schlimmen Finanzlage und inneren Kalamitäten, unerschöpflich im Aufbringen
mächtiger Heere. Ihre Führung lag aber in der Hand mittelmässiger oder ganz
unfähiger Feldherren, und ihre Verpflegung besorgten gewissenlose, nur auf
Selbstbereicherung spekulierende Intendanten. Anfängliche Siege verkehrten
sich durch beschauliches Zuwarten und unverzeihliche Missgriffe in Nieder-
lagen, die gewonnenen Sympathien der mit den österreichischen Befreiern
kämpfenden Rajah durch Bedrückung des orientalischen Kultus zugunsten des
Katholizismus und grosse Steuerauflagen in Hass und Abfall von der kaiserlichen
Sache. Bei Sabac, Uzice, Novi Pazar, Nis, Pirot und anderen Orten erzählte
ich von dem Missgeschicke der kaiserlichen Waffen im Feldzuge 1737,
das die weitreichenden Pläne des Wiener Hofes für lange Zeit vertagte. Der
unvorhergesehene rasche Fall von Nis, Vidins verzögerte Belagerung durch
den mit Terrain und sonstigen Verhältnissen gänzlich unbekannten Marschall
Khevenhüller leiteten die Katastrophe ein, der schlecht geleitete Rückzug über
504 Von Brza Palanka über Kladovo usw. nach Tckija und Ada Kalcli.
den Tiniok vollendete sie. Auf diesem Hess die kaiserliche Arrieregarde das
feste Fiorentin unbesetzt, und schon am 25. Oktober überschritten die Türken
unj»ehindert den Fiuss. Es geschah unter den Augen des Generals Loewenwald,
der, durch Vedettcn auf die landenden türkischen Sajken aufmerksam gemacht,
diese komischerweise für Schwärme grosser „Nimmersatt" (Pelikane) hielt und
Khevenhüller in Sicherheit wiegte. Das türkische Gewehrfeuer störte ihn bald
aus dieser; der Feind drang in eine zwischen dem sächsischen Korps und den
aus ihren Kantonnements hervorgebrochenen kaiserlichen Truppen entstandene
Lücke ein, trieb die serbischen Freiwilligen vor sich her und massakrierte
Trainsoldaten und Kranke beim Sturm des Lagers. Das sächsische Kontingent
unter Graf Rudoffsky deckte mit bewunderungswürdiger Bravour den durch allerlei
sich kreuzende Befehle erschwerten Rückzug, welcher den Türken die ungehinderte
Besetzung Brza Palankas und Sips ermöglichte.
Nach dieser unglücklichen Wendung des Feldzugs beschloss Seckendorff,
die zersprengte Armee bei Orsova zu sammeln. Sein immer fühlbareres
Schwanken hatte jedoch seine Autorität im Offiziersrate wie im Lager schwer
erschüttert und sein Verhältnis zu Rudoffsky so sehr gelockert, dass dieser des
Marschalls Verlangen, zwei sächsische Bataillone von Belgrad nach Majdanpek
zu senden, rundweg abschlug. Die von allen Seiten stark anstürmenden Nach-
richten von durch die Oberleitung herbeigeführten Unfällen im Passo Augusto
und anderen Orten demoralisierten die Armee vollends, alles schien nur mehr
auf die persönliche Rettung bedacht. Seckendorffs Abberufung vom Oberbefehl
und seine Ersetzung durch Philipp! im Oktober kam zu spät. Die Abneigung
der Sachsen, weiter mit den Kaiserlichen zu kämpfen, war bereits in vollste
Widersetzlichkeit übergegangen. Auf einen Befehl des Hauptquartiers, der sie
anwies, in ihrem Verbände mit dem Batthiänyischen Korps zu bleiben, antwortete
Rudoffsky, ungeachtet ihm Khevenhüller mit der Entziehung aller Subsistenzmittel
drohte, dass er abziehen werde. Dieser Konflikt wurde nur durch die Ernennung
des widerstrebenden Generals zum Kommandanten für den nach Wien gesandten
Batthiänyi auf kurze Zeit behoben, denn die Sachsen zogen, trotz aller Bitten,
den Rückzug zu decken, in Eilmärschen nach Mehadia, wodurch, da man bereits
die kleine Walachei geräumt, der schutzlos gelassene Train der durch das
Elisabethfort retirierenden Seckendorffschen Armee bei Brza Palanka von den
Türken nahezu gänzlich erbeutet wurde. Die Verwirrung scheint, nach einzelnen
von Schmettau geschilderten Episoden, heillos gewesen zu sein. Ein Oberst
Lange mit vielen Offizieren, die es sich in Sip beim Frühstück wohl sein Hessen,
entgingen nur durch die Schnelligkeit ihrer Pferde der türkischen Gefangenschaft.
Am 11. November erschien der Pascha von Vidin mit 130 Sajken vor
Orsova, wo er am 9. November die kaiserlichen Galeeren „Karl" und „Elisabeth",
von je 22 Kanonen^), in den Grund bohrte; nach Schmettau geschah dies durch
die Kaiserlichen selbst. Es waren die zwei einzigen Schiffe der aus 2 Sajken
') Briner, Gesch. d. k. k. Pion.-Reg. I, 1, S. 116 (Wien 1878i, führt die Schiffe „Karl"
mit 33, „Elisabeth" mit 32 Kanonen ausgerüstet an, was schhessen lässt, dass ihre Zahl
wegen der schwierigen Passage verringert worden war.
V(Mi Brza Palaiika über Klatlovo usw. nacli Tckija und Atla Kalcli ")();')
ZU 30 und 40, 6 zu 36 und 7 zu 22 Geschützen unter dem Oberbefehle des
Marquis Pallavicini stehenden Flotte, weiche trotz des niederen Wasserstandes
bis Orsova vordrinj,'en konnten. Der mittlerweile eingetretene Winter machte der
achttägigen Blockierung Orsovas ein Ende.
Der zweite Feldzug wurde im März 1738 durch den Heranzug Amiakum
Paäas mit 20000 Mann eröffnet. Nachdem er Mehadia belagert, dessen Pass
durch Piccolominis Kapitulation mit 500 Mann frei geworden war, brachten die
Türken ihr schweres Geschütz auf beide Donauufer vor Orsova und nahmen
auch dieses. Weder die durch 2000 Mann verteidigte Inselfestung, noch das
durch 240 Soldaten gehaltene Elisabethfort hatten jedoch bei ihrer ausgezeichneten
Kasemattierung x'oin feindlichen Feuer besonders zu leiden.
Einen grossen Teil des türkischen Belagerungskorps bildeten erbitterte
walachische Gebirgsbauern, die unter dem Reginiente des ebenso grossen Kriegers
wie weisen Politikers Eugen in den eroberten Donauländern nach Möglichkeit
geschont, in ihrem Kultus geschützt und auch durch keine übermässigen Steuern
— sie bezahlten I Dukaten pro Kopf — bedrückt worden waren. Gern hatte
die von dem humanen Gouverneur Mercy mild behandelte Rajah jene von Eugen
angeordneten grossen Bauten ausgeführt, die zum Teil noch heule als Zeugen
eines ruhmvollen Abschnittes der österreichischen Vergangenheit sich erhielten.
Nach Mercys Tode verdarb jedoch die kaiserliche Bureaukratie bald Eugens
Werk. Ohne staatsmännischen Blick, verlor sie Österreichs hohe Aufgabe im
Osten aus den Augen. Auf die Füllung des stets leeren Staatssäckels bedacht,
schrieb die Domänenkammer in Serbien und in der Walachei harte Steuern aus.
Das Landvolk aber, stets geneigt, die Güte jeder Regierung nach der Höhe
der Abgaben zu messen, überdies durch vexatorische Massregeln in der freien
Übung seines Kultus oft gekränkt, begrüsste, was früher kaum denkbar, die heran-
ziehenden Türken als sehnlichst erwartete Befreier von der kaiserlichen Herrschaft!
Marschall Wallis von Belgrad und General Neipperg von Teme§var führten
endlich die Korps heran, welche, bei Lugos vereinigt, Vidin angreifen und das
seit dem 29. Mai aus 56 Kanonen und 16 Mörsern beschossene Orsova entsetzen
sollten. Am 25. Juni setzte sich endlich die Armee in Bewegung. Ein Teil
derselben wurde zwischen Dognacka und Gornja an der Karaä überfallen, und die
Türken drangen bis zum Zelte des Oberkommandanten Herzogs von Lothringen,
der eben dinierte, wurden aber, nachdem man sich von der ersten Überraschung
erholt, durch die herbeigeeilten Kavallerieregimenter Diemar, Scher und Schulenburg
zurückgeworfen. Die Szene verkehrte sich nun. Die Kaiserlichen verfolgten den
Feind bis in sein Lager und erbeuteten nach vierstündigem harten Kampfe sieben
Kanonen. Graf Schmettau erzählt, dass man 1200 Christenköpfe mit abgeschnittenen
Ohrläppchen fand, deren jedes der türkische Oberfeldherr mit 1 Dukaten ein-
gelöst und bemerkt: „Es gehörte der gute Glaube eines Muselmannes dazu, sich
mit einer solch schwachen Probe zu begnügen, unsere Soldaten würden uns
wahrscheinlich unsere eigenen verkauft haben."
Am 6. Juli wurde der Sieg, welcher den Kaiserlichen grössere Verluste als
den Türken kostete, bei Mehadia durch eine dreifache Decharge gefeiert. Man
SOf) Von Brza Palankn über Klndovn usw. nach Tckija und Ada Kaleh.
säumte auch nicht, den blutigen Triumph durch Übersendung erbeuteter Fahnen
und Tambourins nach Wien zu melden. Im feierhchen Aufzuge, unter Voranritt
von 24 Postillonen, zog Oberst Reissing dort ein. Das durch die unerwartete
freudige Nachricht und mehr noch durch allerlei Pamphlete aufgestachelte Volk
sammelte sich aber in grossen Haufen vor dem Gefängnisse des in Untersuchung
gezogenen „protestantischen" Marschalls Seckendorff, dem es allein die Unfälle
des ersten Feldzugs zuschrieb, man fluchte, beschimpfte ihn und brach zuletzt
die Tore ein, bis ein Detachement Soldaten anrückte, das dem schmählichen
Unfug ein Ende machte.
Während dieser Vorgänge gelangte die kaiserliche Armee am 9. Juli vor
Mehadia, dessen 600 Jenisseri sich bedingungslos ergaben. Dort erschienen
Abgeordnete der aufständischen Walachen, um ihre Untreue zu entschuldigen und
dem Kaiser aufs neue zu huldigen. Auch weiter erwies sich der kaiserliche
Schwiegersohn als begünstigter Sohn des Glückes. Ohne Schwertstreich verliessen
die Türken die bei Orsova zum Schutze ihres Lagers aufgeworfene Redoute, und
bald dieses selbst mit Zurücklassung ihrer gesamten Artillerie und Bagage. Graf
Gyulai wurde zu seiner Besetzung abgeordnet. Orsovas Kommandant, v. Kehrenberg,
versicherte dem Prinzen, die Festung sei trotz der 64tägigen Einschliessung im
besten Stande und hätte sich jedenfalls bis zu Ende des Jahres gehalten. Mehr
als 40 Geschütze und Mörser wurden von der Beute nebst grossen Provisionen,
namentlich an Reis, nach Orsova gesendet, viele Rossschweife und Fähnlein
prangten vor des Prinzen Zelt.
Ohne die leicht gewonnenen Vorteile rasch zu verfolgen,' kampierte die
Armee zwei Tage untätig zwischen Mehadia und Orsova, bei Toplec. Man Hess
dem Grossvezier Zeit, sich zu sammeln, und schon am 12. Juli zog er heran.
Graf Neipperg tat nichts, um den Übergang des Feindes vom linken Cernaufer
zu hindern, obwohl wenige Bataillone zur Verteidigung des wichtigen Defilees
genügt hätten, durch welches der feindliche Verstoss allein möglich war. Sicher
gemacht durch ihre leicht errungenen Vorteile, unterliessen die Kaiserlichen selbst
die einfachsten Vorsichtsmassregein. Schon befand sich der Grossvezier auf dem
linken Cernaufer, als der Prinz-Oberkommandant mit den Generalen Königseck
und Wallis einen Spazierritt in das verlassene türkische Lager machen wollte;
nur ihren schnellen Rennern dankten sie es, dass sie nicht aufgehoben wurden.
Die raschen Bewegungen des Grossveziers erregten grosse Bestürzung im kaiser-
lichen Hauptquartiere. Man dachte weder daran, den Feind zu schlagen, noch
an das beabsichtigte Unternehmen gegen Vidin, und überliess Orsova seinem
Schicksal. In das Fort von Mehadia wurde eine kleine Garnison unter Oberst
Baerenklau geworfen, mit der Freiheit, nach Umständen zu kapitulieren. Den übereilt
ausgeführten Rückzug suchten die Türken durch geschickte Flankenmärsche
zu hindern. Ein 12000 Mann starkes Korps, welches den Kaiserlichen auf der
grossen Heerstrasse und zwei, über Höhen führenden Saumpfaden nachfolgte,
erreichte die Nachhut in den Defileen nördlich von Mehadia. Im edlen Wetteifer
mit ihrem prinzlichen Anführer vollbrachten die Österreicher hier wahre Wunder
der Tapferkeit und trieben die Gegner mit einem Verluste von 5000 Mann zurück.
Von Brza Palanka über Klaitovo usw nach Tckija und Ada K'alcli
')07
Durcli diese f^ünstige tntschei-
diing lies vierstündigen Kampfes für
das i<aiseriiche Heer war sein ge-
sunkener AAiit neu belebt; es hätte
nur eines raschen Entsclilusses der
Füiirer zur Rückkehr nach Orsova
iiedurft, und die Türken wären
geflohen. Offiziere und Soldaten
ersehnten diesen Befehl; man blieb
jedoch ruhig im Lager, gönnte dem
Feinde Zeit, Mehadia zu nehmen, und
setzte endlich am 16. Juli den Rückzui;
gegen KaranSebes fort, wo das Heer,
nachdem sein schlecht gedeckter
Train von der kaum unterworfenen
Bevölkerung geplündert worden, am
20. Juli eintraf. 2001) Kranke und
Verwundete wurden nach Pancova
weiter transportiert, die Infanterie
lagerte bei Lugoselo, die Kavallerie
in Lugos; der Prinz von Lothringen
reiste aber am 24. Juli nicht mit
freudigsten (jefühlen nach Wien ab.
Seine retirierende Armee erfreute
sich nicht lange der notwendigen
Erholung; hart bedrängt von dem
energischen Vezier, musste sie ihren
Rückmarsch fortsetzen. Den Skorbut
und die Pest im Gefolge, und diese
traurigen Geissein über die schuld-
lose Bevölkerimg verbreitend, zog
sie von üenta über Versec, ent-
lang der alten Römerstrasse, durch
Jasenuva und Dubovac nach Kubin,
in dessen Nähe sie die Donau auf
zwei Brücken überschritt, bis Bel-
grads Mauern ihre Reste schützend
aufnahmen. So traurig endete durch
die abermalige verfehlte Leitung
der kaiserlichen Heere der zweite
Feldzug des dreijährigen, dem
Kaiserstaate seine besten Kräfte
raubenden Krieges an der unteren
Donau.
o
fiOS Vdii Riza Palanka über Kladovo usw. nacli Tckija iiiul Ada Kak'li.
Mit dem Rückzüge der Operationsarmee war Orsovas Schicksal entschieden.
Aus 120 Kanonen und 40 Mörsern am 18. Juli beschossen, übergab es Kehrenberg^
trotz der abgegebenen schönen Versprechungen, im August unter der Bedingung
freien Abzugs nach Belgrad; dort endete er durch Selbstmord die gegen ihn
eingeleitete kriegsrechtliche Untersuchung. Der Kommandant des Elisabethforts
verweigerte dessen Auslieferung, da er an jene Orsovas nicht glauben wollte.
Derselben überwiesen, kapitulierte auch er. Der im folgenden Jahre abgeschlossene
Belgrader Friede überlieferte Orsova auch formell dem Sultan.
Im nächsten österreichisch-türkischen Kriege wurde die Inselfestung 1789
unter Kaiser Josefs persönlicher Leitung belagert und nach langwieriger Blockade
1790 genommen. Schon im Jahre darauf gelangte sie im Sistover Frieden wieder
an die Türkei.
Zu Beginn des serbischen Freiheitskriegs spielte sich auf Ada Kaleh eine
blutige Katastrophe ab. Die Unterwerfung der unfügsamen Janitscharen und
Dahien war als Parole von der Pforte auch an den Belgrader Gouverneur Becir
Pasa gelangt. Dieser säumte nicht, dem Befehle mit Hilfe der Rajah zu
entsprechen. Die berüchtigtsten Dahienhäupter: Aganlija, Focic, Kucuk Ali und
Mula Jussuf, flohen von Belgrad nach der Festungsinsel. Da erbot sich der später
berühmt gewordene (I. Bd., S. 219) Milenko, sie zu töten. Mit einem Schreiben
von Redzep erschien er vor dessen Oheim, dem Kommandanten von Ada Kaleh, als
walachischer Bauer verkleidet. Als Ibrahim aus dem Schreiben entnahm, um was
es sich handle, bestellte er Milenko für die einbrechende Nacht. Er kam mit
seinen 50 Momken, überfiel das Haus, in dem die Dahien wohnten, ermordete
sie und brachte ihre Köpfe, wie ihm geheissen war, nach Belgrad.')
Im Mai 1867 übergab die Pforte das „Elisabethfort" dem Fürsten Mihail,
der es schon im September sprengen Hess, und am 25. Mai 1878 überliess der
Sultan das für ihn wertlos gewordene „Ada Kaleh" durch friedliche Uebereinkunft
an Österreich-Ungarn, welches die Sultansflagge — wie ich am 29. September
1896 bei der „Eisernen Tor"-Kanalweihe selbst sah — weiter von den ver-
fallenen Werken wehen lässt, weil ihre faktische Besitznahme bisher international
gleichwenig ausdrücklich anerkannt wurde, wie jene von Bosnien-Herzegowina.
Wem es nicht gestattet ist, türkisches Wesen im europäischen oder asiatischen
Orient kennen zu lernen, gehe nach „Ada Kaleh". Dort wird erdenkbar bequem
ein höchst charakteristisches, an belehrenden Einzelzügen reiches Bild gewinnen.
Eingekeilt zwischen den auf beiden Donauufern aufstrebenden serbisch-rumänischen
Königreichen bildet Ada Kaleh eine fremdartig anmutende moslimische Oase,
welche den Besucher bei einiger, über gewöhnliche Neugierde hinausgehender
Beobachtung überzeugend lehrt, weshalb die letzte Stunde türkischen Regiments
auf europäisch-christlichem Boden näher rückt, obgleich die zeitweilige Beilegung
der griechisch-arnautisch-bulgarisch-serbischen Ansprüche und die Langmut der
Grossmächte sie bisher verzögerte.
') Vuk, Pravitelstviijusci Sovjet, S. 71.
XVII.
Durch den Kazan und von Donji Milanovac
durch den Greben auf der Donau nach Belgrad.
VIERZEHNMAL seit 1862, zuletzt 1896 anlässlicii der feierlichen Eröffnung des
„Eisernen Tor"-Kanals und 1897 zu weiteren Studien in seiner Umgebung,
durchfuhr ich den von Ogradina bis Gulubinje 22 km langen „Kazanpass", und
jedesmal ergriff mich die Grossartigkeit seiner Szenerie so mächtig, dass vor ihrem
tiefen Eindrucke selbst die mir unvergesslich schönen Bilder des prächtigen
Rheinstromes zurücktraten. Denn wenig störte die Menschenhand im Kazan die
majestätische Grösse der fest in sich abgeschlossenen Natur, was aber im Kazan
künstlich geschaffen wurde, erweckt durch seine Kühnheit das genugtuende Gefühl,
dass es keine natürliche Barriere gibt, und wäre sie scheinbar noch so gewaltig,
welche der menschliche Geist nicht zu überwältigen vermöchte, sobald sie seinem
stetig wachsenden Assoziationstriebe sich 'entgegenstellt.
Die im Kazan tosend hinströmende Donau grub sich dort ihr stellenweise
48 m tiefes Bett zwischen hohen, schroff aufsteigenden Jurakalkmauern, deren
auf beiden Ufern gleichartige Schichtungen für ihre einst ungebrochene Zusammen-
gehörigkeit sprechen. Bald mit Laubholz bewachsen, bald nackt mit gezackten
Gipfeln, wie sie der Kalkformation eigen, begrenzen die Berge den Strom. Auf dem
linken Ufer schneidet in ihren Steilrand die den „grössten Ungar" verherrlichende
„Szechönyistrasse ein, über Viadukte und durch vielbogige Felsgalerien unter
senkrecht überhängenden Felsen in mannigfachstem Wechsel geführt, bei jeder
Flusskrümmung neue pittoreske Bilder entwickelnd und an Kühnheit der Anlage
mit der jenseitigen Römerstrasse wetteifernd, deren Erbauer die berühmte „Trajans-
tafel" verewigt.
Dieses in jüngster Zeit endlich gänzlichem Verderben entrissene, in einen
serbischen Uferfelsen gemeisselte Monument befindet sich 12 km von Orsova
stromaufwärts, gegenüber dem ungarischen Ogradina. Die „Trajanstafel" ist vom
künstlich dem Felsen abgerungenen Heerwege bis zur kassettierten Decke nahezu
4 m hoch, mit den Eroten 8 m breit und hat ein 1,62 m hohes, 3,57 m breites
Inschriftfeld, dessen an den Schmalseiten in 0,83 m breite Dreiecke übergehenden
Rahmen zwei von Delphinen begleitete, geflügelte Genien tragen. Oben krönt
die Tafel eine anschliessende, 0,5.5 m ausladende, 0,60 m hohe kassettierte Leiste
510 Durch tlt'n Knzaii und von Dnnji Milarnivae usw. nach Belgrad.
mit 7 Lukiinarieii, von welchen die mittlere ein Adler, die anderen Rosetten
zieren; unten wurde sie von einem knienden, nackten, wahrscheinlich den Ister
personifizierenden Manne mit erhobenen Armen i^estützt. Die rot gefärbten Buch-
staben des 4,5 m über dein mittleren Stromniveau, leider aber nur 1,5 m über
der Strasse angebrachten Schriftfeides schnitt man prismatisch in eine dünn
aufgetragene Stucksciiicht ein.
Trotz der bekannten Festigkeit des römischen Mörtels wurde dieses technische
Verfahren für die Inschrift verhängnisvoll. Denn mehr noch als elementare Einflüsse
schädigten sie vorüberziehende Schiffer und Fischer, welche unter dem schützenden
Tafel -Feisdach ihre den Mörtel sprengenden Lagerfeuer anzündeten. Dies
beklagend, schrieb ich schon 1868: „Wenn irgendwo, fände die serbische Regierung
hier Gelegenheit, durch die Anlage einer die Annäherung erschwerenden Schutzbaute
ihre Pietät gegen eine grosse Vergangenheit zu bezeugen." Leider verhallte mein
Mahnruf, und 1887 fand ich nicht allein die erwähnte, die Tafel unten stützende
Figur, sondern auch ihre letzten drei Zeilen nahezu gänzlich vernichtet. Noch im
selben Herbste forderte ich die Belgrader „Gelehrte Gesellschaft" in einer motivierten
Denkschrift zu energischen Schritten an hoher Stelle auf. Professor Jovan Boskovic
las und unterstützte dieselbe in öffentlicher Sitzung, und als auch dies erfolglos
blieb, wandte ich mich persönlich an den Bautenminister Velimirovic. Dieser
genehmigte den von mir gemeinsam mit dem Negotiner Kreisingenieur Pavlovic
entworfenen Schutzplan, und sein gleich pietätvoller Nachfolger wies 1200 d
für dessen Ausführung an. Interessanterweise stellten Orsovaer Rumänen die
Mauerwehren her, vielleicht also direkte Abkömmlinge derselben Legionäre,
welche die „Trajanstafel" vor nahezu 1800 Jahren ihrem ruhmreichen Imperator
errichtet hatten. *
Seit 300 Jahren wurde die Inschrift wiederholt, doch stets fehlerhaft publiziert.
In unserer Zeit von Neugebauer^), der den Tafelfelsen nach einem fiktiven Serben-
dorfe „Tactalia" verlegte (!). Der verdiente Archäologe Josef Arneth veröffentlichte
ihre im Mai 1855 durch österreichische Ingenieure angefertigte erste Papiermatrize
und Zeichnung, in welcher noch die vorerwähnte, die Tafel tragende Figur
erkennbar. Die schon damals lückenhaften Schlusszeilen ergänzte Arneth -):
MONTIS E FLVVII ANFRACTIBVS
SVPERATIS VIAM PATEFECIT.
Aschbacli schlug für dieselben die Lesung vor'^):
MONTIS ET FLVVII DANVBI RVPIßVS
SVPERATIS VIAM PATEFECIT.
Mommsen vervollständigte sie^):
MONTIBVS EXCISIS AMNIBVS
SVPERATIS VIAM.FECIT.
') Dacieii, S. 7.
-) Jahrb. d. k. k. Zentr.-Komm. z. Erf. u Erh d. Baud 185(5. I, S. 83 ff.
•■') Ibid. 1858, III, S. 200
-) C. I. L 111, No. 1699.
Durch den Kazan und von Donji Milanov.nc usw. nach Belgrad.
511
Benndorf publizierte, nachdem er einen Abklatsch vergeblich versucht, jedenfalls
die trcueste Kopie auf Grundlage der genau ausgemessenen Entfernungen zwischen
den erhaltenen Buchstaben und Spuren von solchen') und las die letzten Zeilen:
MONTIBVS EXClSls ANCOniBVS
SVBLATiS VIAm Fecit.
Das von Monimsen vermutete „Montibus excisis" wird somit voll bestätigt;
ob sein „viam fecit" oder vielleicht „refecit" oder „restauravit" richtiger, ist nicht
mm
f: ^^ ;•■
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^Ws^^£L±^/-^rj
Die ,, Tabula Traiana" mit den nach den Angabfn des Autors im Jahre IS'.il ausgeführten Schut/!bauten.
mehr zu entscheiden. Benndorf liiilt alle anderen Lesarten für irrig und das
„anconibus sublatis" (d. h. auf oder mit erhobenen Kragbalken) für „eine technische
Spezialität, die man eher im Vitruv, als in einer offiziellen Inschrift vermuten
würde, hier aber einen passenden Sinn gibt. Die ungewisse Konstruktion des
Weges, der halb im Felsen gehend, halb auf einem über dem Wasser schwebenden
Holzgerüste lief, wäre damit deutlich bezeichnet, und dass die Worte eine Bezeich-
nung dieser Singularität enthielten, scheint einfach natürlich." Hervorhebenswert
') C. 1. L. 111, üuppl., S. 1469, No. 8267.
512
Iliircli den Knznn iiiul von Donji Milanovnc usw. nach Belgrad.
erscheint in der insclirift des Kaisers Consulat IUI, demzufolge seine giücl<liche
Vollendung des Strassenbaues in das Jahr lüü n. Chr. fälU.
Zum besseren Verständnisse des hier übersichtlich geschilderten früheren und
heutigen Zustandes der Trajanstafel gebe ich ihre Abbildung mit den 1890 aus-
geführten Schutzvorrichtungen und einen Durchschnitt, in dem ich die Konstruktion
der „auf erhobenen Kragbalken" ruhenden Holzbahn versuchte. Das von dem
Baumeister des Kaisers Tiberius angewendete System zur Verbreiterung der in
den Felsen durchschnittlich 2 m breit und 3 m hoch ausgesprengten Strassentrace
unterschied sich von dem ihrer Trajanschen Fortsetzung im Kazanpasse. Im
Greben wurden auf der Strassensohle 3 m voneinander entfernte, bis in die
Die Trajanstafel in römischer Zeit mit den neuen Schutzbauten.
rückwärtige Steilwand greifende quadratische Einschnitte für die durch Zimmerung
zu verbreiternde Fahrbahn eingehauen; im Kazan aber befestigte man ihre hölzernen
Querträger in ein oder zwei Reihen an der Ufermauer eingemeisselten, durchschnitt-
lich 1,50 m voneinander entfernten quadratischen Öffnungen. Die stellenweise
auch an der Tiberiusstrasse sichtbaren unteren Balkenlöcher dürften wahrscheinlich
von ihrer Verbesserung während der Trajanschen Feldzüge herrühren.
In hohem Grade überraschend wirkte auf die Fachkreise die 1891 im
Belgrader „Starinar" publizierte Inschrift der Trajanstafel, angeblich von dem ihre
Schutzbauten leitenden Ingenieur Pavlovic. Wie ich aber nach seiner schriftlichen
Mitteilung bestimmt versichern darf, stammt dieses epigraphische Kuriosum nicht
von ihm. Um jeder möglichen Irreführung vorzubeugen, gebe ich hier die
barbarisch verstümmelte Inschrift fac simile und daneben Benndorfs authentische
Kopie. Bei einem Vergleiche wird man staunend bemerken, dass bei Valtrovic
Durch den Kazan und von Donji Milanovac usw. nach Belgrad.
513
am Schlüsse der ersten Zeile das F fehlt, an jenem der dritten die Zahl IUI,
ferner, dass die vierte, ohne alle BerücksichtiLjunt^ der Stellung ihres erhaltenen
RIAE • CO und ihrer anderen Reste, gleich den Schlusszeilen mit teilweise
lädierten Lettern derartig ergänzt wurden, als existierte die Inschrift in dieser
vom Redakteur Valtrovic publizierten falschen Form. Jedem das Seine! Herr
Valtrovic ist aber kein Freund des „suuni cuique", sonst hätte er die, meine
kräftige Anregung und Mitwirkung zur Erhaltung der Trajanstafel erwähnende
Stelle im Paviovicschen Begleitte.xte nicht gestrichen. Wie kleinlich! Nicht rechten
will ich mit ihm, dass er meine von der Fachkritik anerkannten „Römischen Studien
in Serbien" obenhin beurteilte, weil ich in denselben bei Viminaciuni u. a. 0.
seine bewiesene Unfähigkeit für archäologische Arbeit im Terrain berühren musste.
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Die Trajanstafel nach Valtrovit.
Ein arabischer Spruch sagt: „Bellen auch die Hunde, die Karawane zieht trotzdem
weiter!" Setzen auch wir unsere Donaufahrt stromaufwärts fort!
Etwa 200 m oberhalb der „Tabula Traiana" bemerkte Benndorf in einer flachen
Felsnische eine 0,60 m hohe, 0,82 m breite Ädikula, deren zwei glatte, ein mit
Akroterien geziertes Giebeldreieck tragende Säulen mit diesem ein quadratisches
Feld umschliessen, dessen wahrscheinlich figuralische Reliefskulptur unkenntlich
wurde. Kaum 2 km weiter gelangt man zur „Mrakonija". So heisst ein von
üppigem Grün durchwachsener kleiner Talsporn unter dem Strbac, zwischen dessen
Steilfelsen eine mächtig herausquellende Wasserkraft das 1889 erneuerte Mühlwerk
in Bewegung setzt. Dicht neben diesem sah ich etwa 30 m lange starke Mauern
eines quadratischen Werkes, dessen Wasserfront durch die Unterwaschungen des
Stromes in diesem begraben wurde. Vielleicht hatte ihm das seit 40 Jahren stärkste,
am Orsovaer Pegel mit 6,53 m gemessene Hochwasser von 1876, welches die
Römerstrasse im Kazan überflutete, so übel mitgespielt. Das Kastell korrespondierte
F. KAN'ITZ, Serbien. W.
33
)14
Oiirdi deti Kazaii imd von Donji Milannv;ic iisw, nach Belgrad.
mit den römisclien Befestigungen im gleichnamigen, weit bedeutenderen lini<s-
uferigen Mrakonijatale, von welchen gleiciifaiis Spuren erhalten blieben.
Bei normalem Wasserstande ist die Befahrung des Kazans für Dampfer
ungefährlich; bei niederem wird sie aber schwierig, weil dann sein Spiegel
am Beginne des Defilees nahezu zweimal so hoch wie bei Orsova und, im
stellenweise nur 200 m breiten Passe steigend, starke Strömungen und Wirbel
bildet. Früher erschien der Kazan auf den meisten Karten als „Eisernes Tor",
bis ich nachwies, dass diese Bezeichnung nur dem grössten Donaukatarakt
Im Kazan-Defilee.
unterhalb Orsova zukommt. Die Serben nennen den Kazan zur Unterscheidung
vom Grebenpasse „Donja Klisura" (unterer Pass).
Ausser den stetig wechselnden pittoresken Felskonturen erfreuen im SW. bis NO.
streichenden Kazan-Defilee schöne Forste auf dem serbischen Ufer das Auge. Die
ungarischen haben, namentlich in der Nähe der Ortschaften, arg gelitten, wozu
zwei Sägewerke aufwärts von Ogradina mitwirkten. Altes Holz gehört dort bereits
zur Seltenheit. Mit der am meisten vertretenen Buche mengen sich Walnussbäume,
Eichen, die orientalische Hainbuche, Blumeneschen, Korkulmen, und von Sträuchern;
einzelne Hartriegelarten, Perücken-Sumach, Syrene u. a. Wilder Wein, Schling-
pflanzen und ein reicher Waldblumenflor bringen überall Farbe in die Landschaft.
Durch (Jen Kazan und von Donji Milanovac usw. nach Belgrad. 515
Wenn jedocli tiefe Wolkenschatten FeLs und Veiietatinn in düsteres Grau hüllen
und neben dem Rauschen der Sturzbäche in den steilgebüschten Qucrschiuchten
auch das Auffliegen gieriger Raubvögel die lautlose Stille unterbricht, dann weckt
die Brandung der an den Klippen sich brechenden Wogen, besonders dort, wo
sich das Defilee bei PlaviSevica auf 160 m verengt, eine uns bedrückende
Stimmung, die erst weicht, wenn wir hinter tien dunklen Serpentinbergen beim
ruinengekrönten Jucriffe des plötzlich sich ausbreitenden Donauspiegels ansichtig
werden. Der ganze Gebirgszug zeichnet sich durch teilweise schon in Abbau
genommene Kohlenflöze, Chromerze und grossen Höhlenreichtum aus. Das
Hochplateau des 8Ü0 m hohen serbischen Strbac ist stark verkarstet, und
oft 500 m lange Tunnel mit meist rumänischen Namen durchziehen die
jenseitigen Höhen.
An einzelne Kazanpunkte knüpfen Sage und Geschichte interessante
Erinnerungen. Die bequem 600 Mann aufnehmende „Veterani-Höhle" wurde
wahrscheinlich schon in prähistorischer Zeit bewohnt, sicher aber von den
Römern in ein schwer zugängliches Bollwerk umgestaltet. Unfern Dubova
erblickt man sie im „Cukaru miku" (Kleiner Blutberg), der im Mittelalter die
Feste „Pet" trug. Von ihrem unteren antiken Werke „Piscabara" gab Marsigli
(Dan. II, Taf. 6) den quadratischen Grundriss, Griselini aber auch die Höhle
darstellende Abbildungen (Gesch. d. Temesv. Ban.). Ich selbst hörte von dort
gefundenen Inschriften, konnte jedoch nicht erfahren, wohin sie kamen. Der
heutige Höhlennanie stammt von dem kaiserlichen General Grafen Veterani '), der
diese natürliche Position gegen die Türken erfolgreich verwertete. Der leicht
verbarrikadierbare schlundartige, nur 1,40 m hohe, 4 m breite Höhlenzugang wurde
1692 von dem Hauptmann Dominik du Saix Baron d'Arnau des Mansfeldschen
Regiments durch kleine Vorwerke unzugänglich gemacht, und im etwa 50 m langen,
25 m breiten und hohen Hauptraum, der durch eine Öffnung in der Decke
genügendes Licht erhält, Hess er für seine 350 Soldaten und 5 Geschütze eine
Zisterne und Backöfen anlegen. So beherrschte das Mangel an gutem Trinkwasser
und schwer ableitbarem Rauch leidende Höhlenbollwerk längere Zeit den dort
nur 265 m breiten Kazanpass. Die von Orsova auf 15 Sajken angelangten
Türken suchten die Kaiserlichen durch Umgehung und Beschiessung von
dominierenden Punkten in der Höhle zu zernieren. Trotzdem sperrte ihre kleine
Besatzung 45 Tage lang jede feindliche Bewegung auf dem Strome. Nur der
Mangel an Munition und Lebensmitteln zwangen den schwer verwundeten d'Arnau
und seine Tapferen, vor Ali Paäas Übermacht unter ehrenvollen Bedingungen zu
kapitulieren. Und gleich rühmlich wurde die Höhle im österreichisch-türkischen
Kriege 1788 verteidigt. Major Baron Stein, ein Bruder des berühmten preussischen
Staatsmannes, und Artillerie-Leutnant Voith hielten die eigenartige Feste, trotz des
unausgesetzten Artilleriefeuers des bedeutend stärkeren Gegners, volle 21 Tage.
Die auch diesmal wegen ungenügender Lebensmittel unter zugestandenem ehren-
vollen Abzug kapitulierende heldenmütige Besatzung verlor über 400 Mann,
') Des Grafen Veterani, FM., Feldzüge von 1683-1694. Dresden 1788.
33'
HK! Durch ilcn Kazaii uiurvnn Dnnji Milanovac usw. nach Belfjrad.
darunter die Grafen Thierlieini und Clary d'Aldringen, der Belagerer aber nahezu
2000 Kämpfer.
Einige Minuten weiter zeigt sich am Fusse des „Cukaru Mare" der
Eingang zur „Fledermaushöhle", durch deren 500 m langen und 30 m hohen
Schlund man, entlang des sie durchströmenden Pojnikovabaches, zu seinem
Quellberge, dem 808 ni hohen Golecu gelangen kann. Gleich darauf eine über
Eibenthal herabkommende Schienenbahn, die zur Ausbeute des mächtigen
Kohlenflözes im oberen Tisovicatal angelegt wurde. Die Romantik des auf
186 m sich verengenden Kazans erreicht ihren Höhenpunkt dort, wo aus dem
50 m tosend hinbrausenden Strome die „Kalinikklippe" (serbisch Kanlik)
aufragt, auf welcher ein prosaischer Fischer seinen Fangapparat geschickt und
malerisch befestigte. Bei dem linksuferigen Pylon des überwältigend romantischen
Felsentors feierte der ungarische Ingenieur- und Architektenverein den Strassenbau
des genialen Grafen Szechenyi im Jahre 1885 durch eine in denselben gemeisselte
Inschrift.
Der jenseitige Trajansweg litt stark durch die erodierenden Wasser, wird
jedoch eine Stunde vor Golubinje sogar fahrbar. In diesem wohlhabenden
Walachendorfe, dessen Römerkastelle ich bereits geschildert habe, wurde am
13. Oktober 1808 der türkische Ausgleich mit dem aufständischen Serbien versucht.')
Der Russe Rodofinikin erschien, um nicht das Misstrauen der Türken zu erregen,
in serbischen Kleidern als Sekretär des Senats. Mit ihm kamen der Metropolit
Leontije u. a. Von türkischer Seite waren anwesend: Mursajbija (Siegelhüter)
des Mula Pasa, der Metropolit von Vidin, ein Kapucehaja des Fürsten Suca u. a.
Die Unterhandlungen verliefen resultatlos, weil Karadjordje die Garantierung des
abzuschliessenden Vertrags durch Russland und Frankreich forderte und die Pforte
sich gegen jede Einmengung fremder Mächte in ihre inneren Angelegenheiten
energisch sträubte. Noch am selben Tage kehrten die serbischen Abgeordneten
nach Porec, die türkischen nach Ada Kaleh zurück.
Auf dem ungarischen Ufer zieht zuletzt noch, Golubinje gegenüber, die
Ruine einer englischen chemischen Fabrik für Chromerze unsere Blicke auf sich,
und gleich darauf gelangen wir über die von Grünstein und Trachit gebildete
Juc-Felsbank aus dem Serpentin des Kazans in das von sanft profilierten Kalk-
bergen umschlossene grosse Milanovacer Becken. Der Dampfer nimmt auf dem
seeartigen Wasserspiegel westlichen Kurs; Kapitän und Steuerleute ruhen nun
auf der 10 km langen Strecke bis zum Grebenpasse von ihrer ebenso schweren,
wie verantwortlichen Arbeit aus. Links tritt über der seichten Porecka reka-
Mündung, an deren schon geschilderten Römerwerken wir vorüberfahren, das
pyramidenförmige Profil des Sto in Sicht-), während jenseits die charakteristischen
„Tri Kule", jene malerischen drei Türme auftauchen, welche Petar Petrovic von
') Milicevic, Knezevina Srbija, S. 977
'') Der nur vom Abschreiben fleissiger Reisenden lebende Spiridion Gopcevic, welcher
nur selten Gegenden, die er schildert, selbst gesehen, erblickte hier in seinem „Monumental-
werk Serbien und die Serben" (1888) den Rtanj — weil ich in meinem, von ihm geplünderten
„Serbien" 1I868) durch einen Schreibfehler diesen Berg statt des Sto nannte.
Diircli ilcii Knznn und \'(in Onnji Milnnowic usw. nach Relijrad. 517
Suraklic, „durch des Sultans Gnade Bau von Luj^os und Karansebes", im
16. Jahrhundert hart am Donauufer erbaute. Nordwestliclier fol):;t der amphi-
theatralisch aufsteigende Svinjica; ilim gegenüber erheben sich die metailreichen
Berge des Pekgebietes, in dessen durch seinen hohen weissen Kirchturm
gekennzeiclineten Ausfuiiriiafen wir landen.
Das Städtchen Donji Milanovac, von dessen interessanter Rönierepoche ich
im Xlll. Kapitel ausführlich sprach, ist eine Schöpfung des Fürsten Milos. Er
liess die auf der Porecer Insel wohnenden Serben, welche bei starkem Eisgang
wiederholt durch Überschwemmungen litten und deshalb klagten, 1832 im linken
Mündungswinkel der nahen Zlatarska reka ansiedeln, schenkte ihnen zu diesem
Zwecke 25000 d und lud die Bewohner des östlichen Walachendorfes Oreäkovica
gleichzeitig ein, ihre Heimstätte mit den rechtsuferigen Gründen am selben Bache
zu vertauschen. So entstand das bis heute zweisprachig gebliebene Milanovac,
dem der Fürst den Namen seines ältesten Sohnes Milan mit dem Beiworte
„Donji" (Unter) zur Unterscheidung von dem gleichnamigen hochliegenden
Rudniker Orte gab und die Vorteile eines Bezirkssitzes sicherte. Vor der Einführung
der Dampfschiffahrt auf der unteren Donau war Donji Milanovac auch ein
bedeutender Werftplatz. Zahlreiche Karlasen liefen hier jährlich vom Stapel.
Damit hat es nun ein Ende; 1886 wurde nur noch ein Schiff gebaut. Dafür
erhielt die Stadt eine ihren Handel fordernde Dampferstation, ferner ein Zoll-,
Post- und Telegraphenamt, auch wurde der Stab des Territorial-Bataillons
hinverlegt, und ein bedeutendes städtisches Einkommen brachte auch der reiche
Fischfang am Grebener „Gospodjin Vir".
Die Krajina mit 91 Orten, in weiclien es heute ausser dem Negotiner
Gymnasium 65 Knaben- und Mädchenschulen gibt, besass 1836 nur vier, zu
Negotin, Mijailovac, Kladovo und Donji Milanovac; 1807 zur Türkenzeit aber nur
die von Porec nach Donji Milanovac übertragene, an welcher heute drei Lehrkräfte
etwa 100 Knaben und Mädchen unterrichten, im September 1861 wurde die 1840
geweihte, weithin sichtbare Nikolauskirche von einem altserbische Fresken gründlich
verachtenden Karlovicer Maler mit Ölbildern in altakademischer Wiener Manier
geschmückt. Ein E.xkurs mit diesem nicht wenig von sich eingenommenen
Kunstjünger auf das Gebiet der byzantinischen Malerei zeigte aber, dass er von
dieser gleichwenig wie von Serbiens alten Kirchenbauten wusste. Spaziergänge
auf die südlichen rebenbekränzten Höhen, welche nun eine 1876 erbaute Redoute
tragen, kürzten weit angenehmer die Stunden, bis der „Seelenkränker" ausgerüstet
war, der mich stromaufwärts bis Dobra bringen sollte. Bei meinen letzten Besuchen
(1887 und 1889) fand ich die nun 1340 Seelen zählende Bezirksstadt') nur wenig
fortgeschritten. Dieselben erdgeschossigen Häuser, mit nur wenig besseren,
grösstenteils österreichische Manufaktur-, Glas- und Eisenwaren, englische Garne,
Belgrader Bauernschuhe, Jagodinaer Messer, ungarische Eisengussofen, rumänisches
Salz, russisches Erdöl usw. verkaufenden Läden. Auch der Vieh- und Roh-
produkten-Export war nicht glänzend und erhielt nur durch die neuestens stark
') 1905 zählte fJonji Milanovac 1560 Einwohner in 370 Hiiiisern.
518 Diiicli tieii Kazati und von Donji Milniiovac usw. iiacti Belgrad.
vermehrte Kiipferproduktion zu Majdaiipek j^eringen Zuwachs. Das Städtchen
schien unter der allf^fenieincn Handelsflauheit mehr noch als die benachbarten zu
leiden, wozu nicht wenig das politische Parteigezänke beitrug, das sein geringes
soziale Leben vergiftete. Dass die Dankbarkeit gegen die Dynastie Obrenovic
trotzdem nicht gelitten, davon überzeugte sich König Alexander, als er im Juni
190Ü auf seiner schon mehrfach erwähnten Rundreise in Ostserbien dort den
Dampfer Zar Nikola 11. verliess und vom Prota Jelenije inmitten der zusammen-
geströmten Volksmenge auf das wärmste begriisst wurde.
* *
*
So klein und gebrechlich die „Oranica" war, der ich mich mit meiner Habe
zur Fahrt durch die von den Serben „Gornja Klisura" (Oberer Engpass) genannten
Grebenkatarakte anvertraute, so geschickt und mutig erwiesen sich die Leute,
welche das Schifflein führten. Ohne Zagen fügte ich mich in die allerdings nicht
bequeme, durch die geringe Breite, sowie das Fehlen jedes Sitzbrettes diktierte
Position, streckte mich der Länge nach hin und genoss schon nach wenigen
Ruderschlägen in aller Gemütsruhe das schöne Landschaftsbild, das im klaren
Lichte eines nicht allzu heissen Sonimertages vor uns lag.
Wir longierten die serbische Insel Porec, mit gleichnamigen Hirtenkolibe
(Hirtenhütten) und Resten der verlassenen Hauptstadt der Porecka Nahija. Die älteste
Stadt Porec stand nach der Tradition bei den Kastellen an der Papratnica, nach
einer anderen aber an der Porecka reka-Mündung, also dort, wo ich die östlichsten
Reste der Römerstadt Taliata feststellte. Dass diese altserbische Ansiedelung
„Visesava" hiess, ist nach Novakovics Ausführungen zweifelhaft. Glaubhafter
erscheint, dass ihre Bewohner beim Nahen des Türkensturmes auf die westlichen
Donauinseln flüchteten und auf der grössten ein neues „Porec" gründeten. In den
österreichisch-russisch-türkischen Kriegen wurde öfters um Porec gekämpft, und
noch ist seine starke, stumpfwinkelige Schanze in einer Ausdehnung von nahezu
300 m erkennbar. 1806 wurde Porec von den aufständischen Serben unter
Milenko dem Vidiner Usurpator Pasvan Oglu Pasa entrissen. Major Gramberg
schilderte die dreiteilige Insel 1808 „als eine die Donau sperrende feste Position,
bewehrt mit 30 Geschützen von 1 — 12 Pfund". Als Vorwerk wurde am Greben
eine Batterie errichtet, bei der alle auf serbischer Seite fahrenden Schiffe anlegen
mussten, um die zollamtliche Behandlung durchzumachen. Als die siegreichen
Türken 1813 sich der Insel nahten, Hess ihr Kommandant auch den dreistöckigen
hölzernen Wachturm durch Erdwerke in ein starkes Bollwerk umwandeln. Die
damaligen Vorgänge bilden eine der traurigsten Erinnerungen des Freiheitskampfes.
Hajduk Veljko, der verwegenste serbische Führer, war bei Negotins Verteidigung
gefallen. Brza Palanka und Kladovo wurden von den der grossen Über-
macht weichenden Serben geräumt, und die von den Türken im letzteren verübten
Greuel — Männer wurden gespiesst, Kinder zur Verspottung der Taufe in siedendes
Wasser geworfen — brachten Schreck in die Reihen der um ihre Familien
besorgten Kämpfer. Allen erschien das wasserumgebene Porec ein letzter Zufluchts-
ort. „Die allgemeine Gefahr hatte bewirkt -- erzählt Ranke — dass hier unter
Durch den Kazan und von Donji Milanovac usw. nacli Belgrad. 519
einem tüchtigen Wojvvoden von Mladens Anstellung, ein fähigerer Befehlshaber,
Hadzi Nikola, die Gewalt an sich gebracht hatte. Jedoch auch dieser konnte
nicht helfen. Er errichtete eine Schanze am unteren Ende der Insel; aber der
Feind landete zwischen Stadt und Schanze, und sowie er sich zeigte, flohen die
der Flucht bereits Gewohnten aufs neue." Auf Schiffen, Flössen und Brettern,
einige schwimmend, suchten sie sich vor der türkischen Rache auf das öster-
reichische Ufer zu retten. Hadzi Nikola wurde gefangen und enthauptet; bis
Smederevo war nichts, was den Türken hätte widerstehen können.
Zwei Jahre später rächte Miloä Obrenovic die 1813 Gefallenen. Im Friedens-
schlüsse mit Marasli Ali Pasa (1815) wurde das feste Porec den Serben
überantwortet') und die zweite Insel zu Ehren ihres tapferen Verteidigers „Hadzi
Nikolino cstrvo" (Insel) genannt. Zu jener Zeit besass Porec etwa 40 — 50 Häuser
in einer Carsija und anschliessenden Gässchen. An der Stelle der durch einen
Blitzschlag vernichteten Kirche baute Fürst Milos die noch heute als Ruine
erhaltene, 1818 ausgemalte, mit sechsseitigem Chore und dreiseitigen Apsiden.
Das kleine fürstliche Kanzleigebäude trug echt türkischen Charakter. Fürst Milos
suchte auch die Schiffahrt am serbischen Ufer in jeder Weise zu begünstigen,
jeder Porecer zahlte jährlich vier Groschen zur Erhaltung einer Schenke, in
welcher Schiffer eine bestimmte Zeit frei zechen durften.
Die Porecer galten als die verlässlichsten Lotsen durch das seil altersher
verrufene klippenreiche Greben-Defilee. Sie besassen einen Verband, welcher
die Schiffe auf gemeinsame Rechnung bis Belgrad führte. Man zählte dahin
32 Haltestellen, an welchen gerastet wurde. Nach diesen „Pocivaljke" (pocivati
-= ausruhen) wurde die Entfernung zwischen den Stationen und auch der Lohn
bemessen. Zur Gilde dieser höchst intelligenten Schiffer zählte der 1803 auf
der Insel geborene Misa Anastasijevic, welcher allein über 70 Schiffe besass
und, begünstigt durch den an seinen gross angelegten Geschäften mit Kapital
beteiligten Fürsten Milos, im Salzhandel so riesige Summen erwarb, dass er für
die Hebung des Unterrichts und anderer nationalen Interessen (I. Bd., S. 88)
grosse Opfer bringen konnte, und ausser einer hohen sozialen Stellung auch die
Titel „Kapelan" und „Major" errang. Er starb 1885 in Bukarest, wo er seine
letzten Lebensjahre, fern von aller Politik, ruhig beschloss.
Porec ist auch der Geburtsort des in den neueren Kämpfen Serbiens
vielgenannten Senatspräsidenten Stevan Slefanovic-Tenka. Zu Oravica im Banal
erhielt der 1797 geborene Stevan seine erste Bildung. 1817 trat er in den
Staatsdienst. 1825 — 1834 stand er als Kapelan der Porecer Nahija vor, ward
hierauf A^itglied, Vize-, 1836 wirklicher Präsident des Senats und 1838 Minister
der Justiz und Volksbildung. Als solcher erwarb er sich grosse Verdienste um
die Organisation des Schulwesens; 1839 erhielt er nach der Publikation des
Ustavs (Grundgesetz), an dem er eifrig mitwirkte, auch das Portefeuille der
Justiz. 1840 ging er als Gegner des Fürsten Mihail mit seinen Anhängern nach
Konstantinopel. Unter Alexander trat er 1842 wieder in den Senat, als dessen
') Vuk, .Wiios übreiiüvic, S 132.
520 Dnrcli cic'ii Kazriii und von Donji MilaiiDvac iisvv nach Belgrad.
Präsident er 1857 an der j^ej^en das Leben des Fürsten gerichteten Verschwörung
teilnahm, was ihn in den Gurgusovacer Kerker brachte. 1858 begnadigt, lebte
er verbannt zu Konstantinopel bis zu Fürst Milos' Rückkehr auf den Thron.
Als Staatspensionär schloss er sein wechselvolies Leben 1865 in Belgrad. Beide
Porecer, der kaum des Lesens und Schreibens kundige Misa und der sprach-
und federgewandte Stevan, leisteten auf verschiedenen Wegen viel für die
intellektuelle Hebung Serbiens.')
Der Kurs meines Schiffleins richtete sich bald auf den 775 m hohen
Grebenfels, dessen wuchtige Masse ihn vor seiner Sprengung (1. Bd., S. 209) zum
mächtigen Pylon des nach ihm genannten Defilees gestaltete. Gegenüber, auf
dem ungarischen Ufer, traf der Geologe Kudernatsch in einer 30 cm mächtigen
roten Eisen-Oolithschiciit zahllose Ammoniten einer meist nur in den Alpen und
Karpathen vorkommenden fossilen Cephaloidenart , von welcher einzelne bis
30 kg wiegen.-) Hart am Fusse des durch seine starken Verwerfungen inter-
essanten Greben verengt sich plötzlich der breite Donauspiegel. Das heftige
Tosen des an den Klippen sich brechenden herausstürmenden Wasserschwalles
wurde immer lauter. Ein hartes Stück Arbeit erwartete meine Bootsleute.
Bevor wir in die Stromenge eindrangen, Hess ich sie kurz bei einer kleinen
Fischerkolonie ruhen. Sie benutzten die erwünschte Müsse zu einer ausgiebigen
Razzia in den nahen Weingärten. Auf meine Rüge dieses unberechtigten Eingriffs
in fremdes Eigentum antworteten sie: Gott lasse die Trauben nicht für einen,
sondern für alle Menschen wachsen, und dieselben geringen Skrupel fand ich in
gleichen Fällen auch in Bulgarien, ja selbst bei türkischen Gendarmen.
Auf einer kurzen Strecke gelang es meinen Leuten, das Boot von der
Grebenspitze durch Rudern allein vorwärts zu bringen, bald mussten sie aber
sondieren und die Hebestangen einsetzen. Die gefährliche Passage in dem hier
zwischen den Klippen nur sehr schmalen Fahrwasser führte zur Anlage einer
Signalstation bei Svinjica, welche die Begegnung der auf- und abwärts fahrenden
Dampfer hinderte, immer dichter traten schroffe Klippen im Strombette auf.
Stosswellen und Wirbel brachen sich beutelustig an den schwachen Wänden
unseres Schiffleins. Sein Schwanken wurde immer heftiger; ein einziger Fehlgriff
am Steuer konnte es begraben. Gleich einem Fische elastisch und heil wand
sich jedoch das Boot unter der sicheren Hand seines Steuermanns durch alle
sichtbaren und verborgenen Hindernisse der gefährlichen Bahn, und es hätte nicht
erst dessen wiederholten ermutigenden Zurufs „Ne boj se" (fürchte dich nicht)
bedurft, um mich über den glücklichen Ausfall unseres Wagnisses zu beruhigen.
Nur wo die Klippen zu sehr am Tage und die Wasserrinne so seicht, dass eine
Erleichterung des Schiffleins notwendig, näherten wir uns dem Uferrande, und
zwei Bootsleute zogen es aufwärts, eine furchtbare Arbeit, wie meine Skizze zeigt.
Wir gelangten heil über die Tahtalija- und Izlaz-Riffe. Jenseits der gleich
gefährlichen „Bivoli" (Büffelköpfe) durchbrach die eruptive Rhyolitmasse des
') Millcevic, Pomenik, S. 673.
-) Mitt. d. k. k. Geolog. Reichsanstalt Wien 1852.
Durch den Kazan iiiul von Doiiji Milanovac usw. nacli Belgrad.
521
ungarischen Treskovac die über ihr lagernden Sedimente und erhebt sich als
670 m hoher, isolierter Felskopf über die frischgrüne Waidregion. Stellenweise
erschien auch am serbischen Uferrande eine kleine, ebene, bebaute Oase; ich
verliess dann das Boot, um die an den felsigen Stellen oft nur 1,60—1,90 m
Auf der Urcbciispitze.
breite Romertrace zu verfolgen, welche durch ihre mühevolle Anlage fortwährend
zum Staunen herausfordert. Leider versäumten es meine Fährleute, mich rechtzeitig,
wie ich es in Donji Milanovac verlangt, auf die Felsen an der Boljetinska reka
aufmerksam zu machen. Im Herbste 1889 lernte ich auf einer zweiten Kahnfahrt
nicht nur sie, sondern auch die Tiberiustafel am „Gospodjin Vir" kennen. Der
Leser findet sie mit der Schilderung der von Porec bis Oolubac aufgefundenen
522 Diircli den Kn/aii und von Donji Milannvac usw. nach Belgrad.
Römerstädte und Kastelle an dieser kataraktenreichen Limesstrecke im VI. Kapitel
des I. Bandes.
Mit dem ungevvüliiilich niederen Wasserstande war eine bereits durch
Wochen dauernde schwierige Epoche für die Dampfschiffahrt eingetreten. Ich
begegnete Leichterschiffen, die von Ochsen und Pferden, oft aber auch von 50
und mehr Walachen mit Überanstrengung der Lungen aufwärts geschleppt wurden,
eine Arbeit, welche bei dem stark undulierten Terrain nicht weniger entsetzlich
aussah, als jene auf den Galeeren. Ich war glücklich, wenn eine Krümmung des
Stromes mir den peinlichen Anblick entzog. Stellenweise ist die linke Stromseite der
Schiffahrt günstiger als die serbische; beim Grenzcardak Muntoana näherten wir uns
dem ungarischen Wachthause, und wurden auch gleich von dem auf Pikett stehenden
braunen Grenzsohne mit „Halt, wer da?" angerufen. Ich gab befriedigende Antwort,
stieg ans Land, um den Bootsleuten das Aufwärtsrudern zu erleichtern und meine
durch die ungewohnte Sitzweise ermüdeten Beine in normalere Verhältnisse
zu bringen. Begleitet von einem zweiten Soldaten des Blockhauses, machten
wir eine ziemlich lange Promenade auf banatischem Boden. Mein militärischer
Begleiter trug Riemenzeug, Patronentasche und Gewehr auf der bequemsten
Uniform der Welt, auf seinem faltigen Hemde und landesüblichem weiten Gätya
(Leinen-Beinkleid), das „Ärar" lieferte nur die blaue Feldmütze zu dem pittoresken
Kostüm, das wenig kriegerisch aussah, den armen Grenzsoldaten aber die
Begleitung von Schiffen und Reisenden im Sonnenbrande erleichterte, während
die „kaiserliche Montur" für den Parade- und Felddienst geschont wurde.
Die Spitzen der serbischen Berge wurden von der tief stehenden Sonne
nur noch mit schmalen Streiflichtern angestrahlt. Violettblaues Dunkel lag
bereits auf Vegetation und Wasserspiegel, als wir den hohen, nackten Sliborafelsen
und die kühn in denselben eingeschnittene Szechenyistrasse erreichten. Der Mond
warf, siegreich einige ruhig ziehende Wolken durchbrechend, sein Licht auf den
isolierten Turm einer alten Zwingburg, die nach der Tradition dem berühmten
Pandurenführer Trenk gehörte, welcher auf dem Brunner Spielberg in Versen seine
Treue zum Kaiser beschwor, und dessen Namen, wie man glaubt, auf die nahe
Dampfschiffstation Drenkova überging. Freundlich winkten ihre weissen Gebäude; es
schlug die neunte Stunde, doch kein Lichtschimmer verriet Leben in dem kleinen Hafen.
Glücklicherweise hatten wir alle Riffe und auch den gefürchteten „Gospodjin
Vir" (Frauenwirbel) hinter uns, auch ermässigten sich die Berge auf beiden Ufern.
Das Strombett wurde breiter und im gleichmässigen Takte, hellglänzende Tropfen
werfend, teilten unsere Ruder die feuchte Bahn. Meine Bootsleute schienen bester
Laune, Steuermann Djuro stimmte eines jener vielstrophigen Lieder an, deren
Wiege die schwarzen Berge, dessen Held ein tapferer Wojwode im Kampfe
zwischen Kreuz und Halbmond war; auch die Liebe eines türkischen Aga zu
einem der leichtfüssigen montenegrinischen Mädchen spielte mit hinein. Die
Entwickelung des blutigen Dramas war kaum erzählt, als Djuro auf einen langen,
dunklen Schiffskörper mit magerem, hohem 'Schlote am serbischen Ufer lossteuerte.
Wir landeten dicht neben ihm, gegenüber einigen weissen Häuschen, und waren
am Ziele meiner romantischen Kataraktenfahrt, in Dobra.
Durch den Kazan und von Donji Milanovac usw. nach Belijrad. ^2'A
Hat der Reisende mehrere Wuclien oder i^ar Monate im europäischen Osten
zugeliracht, was Verzicht auf heimische Gewohnheit und Sitte bedeutet, erwacht in
ihm manchmal und oft, wenn er tapfer alle Rückschläge vollkommen überwunden
glaubt, das sehnliche Verlangen, wieder occidentaien Boden zu betreten. Er
zählt dann die Tage und Stunden, welche ihn noch von der nächsten Dampf-
schiffstation trennen, und begrüsst mit unsagbarer Freude die von hohem Mäste
flatternden bekannten Farben. Mit dem Betreten des Dampfers befindet er sich
am ersehnten Ziel, er fühlt sich auf kultiviertem Boden. Unzähligemal habe ich am
Pontus, an der Adria und Donau solches Glück empfunden. Die beiden österreichischen
Unternehmungen boten aber auch alles auf, um ihre Fahrzeuge mit jedem erdenklichen
Komfort auszurüsten. Namentlich am Borde der prachtvoll eingerichteten Eildampfer
der Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft, welche zwischen Belgrad und Oalatz
verkehren, wähnt sich der Reisende phUzlicli auf eine flott gewordene Pension
vom Comosee oder in eines der luxuriösen Hotels am Rhein — und wer sie kennt,
weiss, was dies sagt — versetzt. Mit dem Genie des Schiffbauers verband sich
der feine Sinn des Dekorateurs, um alle Anforderungen raffinierten Komforts in
die reizenden, von schönen Bojarinnen gern aufgesuchten Boudoirkabinen und
gesonderten Rauch-, Spiel-, Lese- und Speisesalons hinein zu zaubern. Als noch
keine rumänische Uferbahn den Dampfern schwere Konkurrenz machte und die
ganze vornehmere Welt vom Bosporus bis zur Dimbovica und Save diese zu ihren
sommerlichen Badereisen benutzte, gab es nach langen Entbehrungen nichts
Angenehmeres, als einen mehrtägigen Aufenthalt auf der „Sophie" oder auf einem
der anderen, gleich prächtig ausgestatteten Schnellboote. Man erzählte mir von
einem ehemals reichen rumänischen Bojaren, der mit seiner Jugend auch den
grössten Teil seines Vermögens in Paris vergeudet hatte, dass er, um sich für
die entbehrten occidentaien Genüsse zu entschädigen, wiederholt von Giurgevo.
nach Mehadia auf den luxuriösen Eildampfern während der Badesaison fuhr.
Nicht so grosse Ansprüche als diese herabgekommene Type walachischen
Feudalwesens brachte ich an Bord des franko-serbischen Dampfers mit, dessen
nach einigem Parlamentieren herabgelassenes Fallreep ich nach der anstrengenden
Kahnfahrt etwas schwer hinankletterte. Im Miniatursalon hatten es sich beim
mageren Scheine einer Öllampe einige serbische Passagiere bequem gemacht, die
gleich mir am nächsten Morgen stromaufwärts reisen wollten. Ihr vielstimmiges
„dobro dosli" (glückliche Ankunft) schallte mir entgegen. Weniger angenehm
als diese landesübliche Aufmerksamkeit berührte mich das nach „Pecenje" (Braten),
Zwiebeln und Käse duftende Parfummixtum, jene unbeschreibbare Atmosphäre
serbischer Mehanen, der ich mich glücklich entronnen wähnte. Auch um das mit
wahrem Heisshunger ersehnte occidentale Abendessen wurde ich schmählich
betrogen. Mit artigem „Pardon, Monsieur!" schlug ein Matrosen-, Küchen- und
Stewarddienste versehender alter Bursche meine Stürme in dieser Richtung ab, und
ohne den freundlichen Kapitän, der mich zum Tee lud, hätte ich hungrig zu Bette
gehen oder richtiger meine müden Glieder auf eine der schmalen Bänke des „Salons"
hinstrecken müssen. In der mit Pistolen und Dolchen phantastisch aufgeputzten
Kapitänskabine fand ich seine Gattin, den Maschinisten und Steuermann traulich
524 Durch den Knznn und von Donji Milanovac usw. nncli Belgrad.
vereint. Jeder Rang schien liier im Gegensatze zu unseren deutsciien Schiffen
aufgehoben. Gemeinsames Leid vermittelt rasche Annäherung, und im Grunde
waren alle die armen Leute sehr zu bedauern. Wie ich erfuhr, hinderten
gleiche Übelstände wie in Majdanpek den Aufschwung der franko -serbischen
Schiffahrts-Unternchmung; denn obwohl die serbische Regierung ihr die prächtigen
Kohlengruben zu Dobra nahezu bedingungslos ausgeliefert hatte, befand sich
die Kompanie doch hier wie dort wegen mangelnder Betriebsfonds auf dem
Trockenen.
Wie konnte man aber auch nur einen Augenblick denken, mit solchen
Schiffen dauernd in wirksame Konkurrenz mit Europas erstem Flussdampfer-
Unternehmen treten zu können, wenn man nicht durch terroristische Massregeln
wenigstens die heimische Bevölkerung zwingen konnte, sich ausschliesslich der-
selben zu bedienen. Das jedem gesunden Kalkül widersprechende Unternehmen
war eben nur ein Ausfluss der gereizten Stimmung, welche während der zweiten
Milosschen Regierung Serbiens leitende Kreise gegen Österreich und seine
Danipfschiffahrts-Gesellschaft beherrschte. Letztere hatte sich bei verschiedenen
Anlässen nicht immer taktvoll gegen das auf seine Rechte eifersüchtige Ländchen
und seinen Fürsten benommen; so entstand in Belgrad das begreifliche Verlangen,
sich von der österreichischen Flagge tunlichst unabhängig zu machen, ferner das
reiche Kohlenlager bei Dobra auszubeuten. Nur war man bei dem Versuche in
die unrechten Hände geraten.
Als ich am nächsten Morgen unser Schiff näher besichtigte, überflog mich
leichtes Bangen; doch mit dem im Orient angeeigneten Fatalismus bekämpfte
ich es. An seine Stelle trat aber Staunen, wie selbst nur zwei der ursprünglich
für den Rhonekanal gebauten Dampfer, bei ihrer schwächlichen Konstruktion, den
weiten Weg durch die Dardanellen und den noch gefährlicheren durch den Pontus
und die Donaukatarakte glücklich zurücklegen konnten. Der dritte, welcher die
Effekten der bedauernswerten französischen Bergingenieure und Beamten trug,
scheiterte bei Konstantinopel. Die See wollte ihr Opfer haben! Zwingende
Verhältnisse bestimmten die franko-serbische Kompanie, nicht ohne vorher-
gegangene Fehlversuche, die materielle Unterstützung des serbischen Publikums
zu gewinnen, sich auf Majdanpek zu beschränken.
Das weitere Schicksal des Dobraer Kohlenbaues zeigt, dass es auch in
Serbien nur der Umsicht und des Kapitals bedarf, um solche Unternehmungen zur
Entwickelung zu bringen. Vor 40 Jahren angeschürft, wurde das 750 ha umfassende,
stark bewaldete Dobraer Kohlenrevier zuerst von dem Belgrader russischen General-
konsul im Hinblick auf das jenseitige, gut arbeitende Berzaskaer Werk erworben,
von der serbischen Regierung aber aus politischen Gründen zurückgekauft und
1861 der vorerwähnten franko-serbischen Dampfschiffahrts-Gesellschaft überlassen,
welche den Sacinski-StoUen sehr primitiv anlegte und auch sonst nur billigen
Raubbau trieb. Nach ihrem Zusammenbruch übernahm ein Mr. J. Kern die
Gruben und die erwähnten, ganz unpassenden Rhonekanal-Dampfer; als diese
aber durch Scheitern und Kesselexplosion ausgelebt hatten, verfielen auch die
Minen, aus welchen in drei Jahren etwa 60000 q gefördert wurden.
Durch den Kaznn und von Donji Milanovac usw. nach Belgrad r)2r)
Im Mai 1887 erwarb das bracliliegeiuie Werk der sofi;leicti seinen rationellen
Abbau beginnende Belgrader Kaufmann A. Ozerovic. Ausser dem Elisenunterbau,
dem Milan- und Fortunastollen wurden mehrere am „Bosman" und der 8000 ni
lange Trajanschacht mit drei anderen am „Podvalac" eröffnet. Beide Reviere
verbindet eine 14 km lange Schmalspurbahn, und zwei Bremsberge (Drahtseilranipen)
fördern die Kohle zur Wäsche an die Donau. Schon 1891 wurden aus den
4000 ni langen Schachten und Galerien 10000 t gefördert, die sich loco Grube
auf 15 d per Tonne stellten.
Die zur tiefsten Lyasstufe (Synemurien) gehörende Dobracr Steinkohle steht
in verschieden mächtigen Flözen von 2 — 8, ja stellenweise 10 m an. Bei einer
durchschnittlich mit 2 m angenommenen Mächtigkeit wurde der mögliche Abbau
auf mehr als 20 Mill. Tonnen berechnet. Eine durch den Leobener Professor
Schöffel 1889 ausgeführte Analyse ergab: 79,84 »„ Kohlenstoff, 3,97 "/o Wasserstoff,
6,79 o/o Sauerstoff, 8,91% Aschegehalt, 0,49% Feuchtigkeit und Wärmeeinheit von
7808" n Kalorien, im Hinblick auf Dobras für die Dampferversorgung sehr günstige
Läge, ferner da alles benötigte Holz aus den das Werk umgebenden Staatsforsten
frei geschlagen werden durfte, und da die rumänische Regierung die Dobraer
Kohle zollfrei eingehen liess, während andere in diesem grossen Absatzgebiet
einem hohen Zolle unterworfen war, eröffnete sich dem jungen Unternehmen
eine um so günstigere materielle Perspektive, als auch die Verarbeitung der Kohle
für Koks und Briketts beabsichtigt wurde. Über die weitere Ausgestaltung der
Dobraer Mine gelangten auffälligerweise keine weiteren Daten zur Veröffentlichung.
Als ich jedocii im Herbste 1898 stromaufwärts vorüberfuhr, bemerkte ich neben
einer hübschen Villa und dem erheblich verlängerten Bremsberge neue Schächte
am Ufer. Die jenseitigen grossen Werkgebäude bei Izlaz, gegenüber dem von mir
besuchten Bosman (siehe I. Bd.), gehören zum grossen Steinkohlenbau der Wiener
Firma Gebrüder Gutmann. Sie hat auch die nahen Waldungen gepachtet und
beschäftigt 400 Arbeiter. Die langen Reihen der für diese erbauten Wohnhäuser,
die Administrations-, Maschinen- und Hafengebäude, die Schleppbahn, die Lände
für den Dampfer „Wilhelm" und 26 Schleppboote, deren Bau und Instand-
haltung die eigene Werft heim nahen Kozla besorgt, geben ein lebensvolles
Bild industrieller Tätigkeit, das die sonst im Defilee herrschende Grabesstille
angenehm unterbricht.
Mit der vollsten Kraft seiner armseligen Maschine suchte unser kleiner
Rhonedampfer über die durch stärkeren Wogenschlag sich ankündende „Stenjka-
bank" wegzukommen. Die landschaftlichen Bilder des im VI. Kapitel des 1. Bandes
geschilderten Defilees, dessen schärfere Kurven wir vorsichtig durchfuhren, entzückten
das Auge. Überall war der Kampf des unermüdlich ausnagenden flüssigen mit
dem beharrenden festen Elemente sichtbar. Wie viele Jahrtausende mochten an
der heutigen Gestalt dieser Felsmauern gearbeitet haben? — Ein Rechenexempel,
eines Lyell würdig, Hesse es sich so leicht wie am Niagarafalle lösen!
Glücklich erreichten wir das Ende des Passes, nahmen hier von den schönen
Kunstbauten der Szechenyistrasse Abschied und steuerten, einen Schwärm beschau-
lich treibender Möwen aufscheuchend, hinaus auf den breiten Spiegel. Nahe dem
526 Durch den Kaznii und von Donji Milanovac usw. nach Belgrad.
Defileetore zeigten sich im karstartigen Kalke der serbischen pfadlosen Steilwand
in 8 m Höhe die beiden Ausgänge der berüchtigten Höhle, durch welche die schon
von Virgil (Georgica üb. 111) erwähnten „Oestren" ihre Verheerungszüge antraten.
Die Anwohner legen sich den Ursprung dieser gefährlichen Mücken in hübscher,
ihre poetische Gestaltungskraft bekundender Weise zurecht: Der hl. Georg hieb
einem giftigen Drachen den Kopf ab, warf diesen in die Höhle, und seither
entfliegen ihm alijährlich Millionen Mücken als Gottesgeissel für das sündige
Landvolk.') Nach der Schilderung eines Engländers, der 1836 die Höhle erforschen
wollte, gelangte er nach 50 Schritten an ein tiefes Bassin, dessen ihm bis zum
Halse reichendes Wasser ihn zur Umkehr zwang. Die furchtbaren Verheerungen
der Golubacer Mücke veranlassten Süchtige Entomologen, so den Pozarevacer
Physikus Dr. Medovic, zu ernsten Studien über ihre Entstehung, Verbreitung und
mögliche Ausrottung. Nach Kollar-) rivalisiert diese Mückenart mit der gleich
gefährlichen, von Linne geschilderten lappländischen „Culex rept.", mit der
berüchtigten „Simulium pertinax" Brasiliens, der Black fly.in Nord- und den
Moustiques von Mittel- und Südamerika. Schon eine wahre Landplage für Serbien,
das Banat und Donau-Bulgarien, dringt sie über deren Grenzen oft hinaus, so
1830, wo ihren Verletzungen an der mährischen A\arch viele hundert Pferde,
Kühe und Schweine erlagen.
Im beginnenden Frühling überfallen wolkenartige Mückenschwärme das
weidende Vieh und oft auch die Feldarbeiter. Indem sie die zarten, unbehaarten
Teile zum Angriff wählen, setzen sie sich meist in den Augenwinkeln, Ohren,
Nasenhöhlen, im Schlünde, in der Luftröhre des Viehes in solcher Dichtigkeit fest,
dass ihre Opfer ersticken müssen. Das Landvolk hält die erste ausfliegende Brut
für die gefährlichste. Jeder Stich verursacht eine rasch entstehende schmerzende,
harte Geschwulst, die bei Menschen im besten Falle selten vor 8 — 10 Tagen heilt.
Mehrere Stiche nebeneinander führen heftige Entzündungsfieber, bei sehr reizbaren
Personen auch Konvulsionen und manchmal sogar den Tod herbei. Die an der
unteren Donau gegen die Golubacer Mücke angewendeten Mittel beschränken
sich bei ihrem Erscheinen auf das Anzünden von Stroh, Mist und Reisig; das
geängstigte Vieh sucht Schutz in dem sich entwickelnden Rauch, der wohl einen
Teil der Schwärme vernichtet, während die Brut des sich rettenden Teiles weiter
ihre gefährlichen Überfälle fortsetzt.
Weil man die Geburtsstätte der Golubacer Mücke früher in der gleichnamigen
Höhle vermutete, vermauerte man alle ihre Öffnungen, bis die genauere Beobachtung
ergab, dass nur Schwärme, welche bei Unwetter in dieselbe flüchten, sie bei
günstiger Witterung wieder verlassen. Über die Entwickelungszeit der Mücke
weiss man jetzt, dass diese bald früher, bald später, manchmal schon im März
eintritt, die Dauer des Schwärmens aber durch Kälte, Regen und Stürme
vermindert wird. Nach Dr. Medovic erzeugt sich das Insekt in einiger Entfernung
vom Ursprünge verschiedener Bäche im gelblichweissen Schleime an Gras,
') Siehe eine Variante in Vuk, Kjefnik, S. 93.
-) Sitzungsber. d. Wiener k. k. Akad. d. Wiss., math.-naturw. Kl., I, S. 92.
Durch den Kazan iitui von Donji Milanovac usw. nacli Belgrad. ■'i-7
Holzspänen usw. Der Sclileini füllt sich mit Eierchen, welche allmählich wachsen
und die künftigen Mücken enthalten. Medovic tritt hier als Anhän^jer der freien
Zeugung auf. Kollar, ihr Gegner, meint aber, dass Wesen auf solch hoher
Entwickeiungsstufe gewiss nicht von selbst entstehen, sondern wie andere Insekten
Eier legen, aus welchen sich Larven entwickeln, die sich verpuppen und endlich
als Insekten zum Vorschein kommen. Er zweifelt auch nicht an der Möglichkeit,
diese auszurotten, falls sich ihre Entstehungsherde wirklich in Serbien auf die
von Dr. Medovic bezeichneten sechs Bäche unterhalb der Golubacer Höhle
beschränken sollten. Für ungenügend hält er jedenfalls aus verschiedenen Gründen
das von Medovic vorgeschlagene Mittel: durch Abkehrung des die Eier ent-
haltenden Schleimes die Fortpflanzung der gefürchteten Mücken zu hindern, die
nach meinen Erkundigungen nicht allein bei Golubac, sondern auch in den nassen
Erdstrecken (pistaline) bei Dobra und selbst in solchen auf dem linken Stromufer
sich entwickeln.
Dass die Golubacer Mücke bei dem Menschen gefährliche Entzündungskrank-
lieiten hervorruft, erwähnte ich bereits. Ob sie aber gleich ihrer Schwester in
Deutsch-Neu-Guinea — wie Geheimrat Robert Koch dort im Frühjahre 1900 fand —
auch „als Verbreiter von Malariakeimen" an der unteren Donau mitwirkt, darüber
können nur bisher mangelnde eingehendere Untersuchungen Aufschluss geben.
Trostreich für die betreffenden Donaustrichc bleibt jedenfalls der Ausspruch des
berühmten deutschen Arztes, nach dem in nicht allzu ferner Zeit wohl ein letztes
sicheres Urteil über die Ausrottbarkeit der gefährlichen Golubacer Mücke erhofft
werden darf. Koch äusserte: Die Ausrottung der Malaria sei möglich mittels
eines von ihm hergestellten Präparats, dessen Hauptbestandteil Chinin ist. Er
habe viele erfolgreiche Experimente gemacht und nach einer mehrere Wochen
dauernden Untersuchung sich überzeugt, dass die Mücken die Verbreiter der
Malariakeime in Neu-Guinea sind. Seine Bemühungen seien daher teilweise auf
die Entdeckung von Mitteln zur Ausrottung der Mücken gerichtet gewesen. Diese
aber müsse je nach der Lokalität auf verschiedene Art erreicht werden. Allem
nach scheint das Wesentliche von Kochs Entdeckung zu sein, dass der Gebrauch
seines Präparats jeden Malariadistrikt purifizieren und so total von Erkrankungen
freihalten werde.
Gern gedenke ich hier, weil nicht leicht eine Krankheit wie das Wechselfieber
gleiche erdkundliche Wichtigkeit besitzt, jul. Mannabergs „Malariakrankheiten" ')
wegen der klaren, umfassenden Darstellung, obschon das Kartographische manches
zu wünschen übrig lässt, und obwohl die sogenannte „Moskitotheorie" in den
letzten Jahren die Ansichten über die Krankheitsverhütung vielfach geändert hat.
Zwischen den westlichen Greben-Defilee-Pylonen hinausdampfend, sahen wir
uns plötzlich der romantischen Golubacer Schlossruine, der jenseitigen Hochburg
Läsziövar und dem die breite Stromfläche überragenden Babakajfelsen gegenüber,
') Mit 4 Tafeln und 2 Karten in Farbendruck. Wien, Holder, 1899.
528 Durch den Kazaii und von Donji Milanovat usw. nach Belgrad.
deren pittoreske Reize und alte Traditionen schon viele Stifte und Federn
beschäfti.üten. (I. Bd., S. 197.)
Wir betraten hier das berüchtigte Sandgebiet des gewaltigen Südostwindes
„Kosava", der jedes Jahr nahezu durch vier Monate die oberen Sandschichten
der Uferberge und Flächen zu alle Vegetation vernichtenden riesigen Wolken
aufjagt und oft ganze Wohnhäuser verschüttet. Das serbische Sandhügelgebiet
beginnt östlich vom Städtchen Golubac und zieht, korrespondierend mit jenem
des ungarisch-rumänischen Donaugeländes, SO. zur Timokmündung, wo es zwischen
Prahovo und Radujevac 200 Hektar, am Berge Kapudjal gegen 600, zwischen
Kostol und Kladovo 800 Hektar bedeckt. Der Sandhügel unterhalb Zatonje dürfte
60, jener an der Klicevacka bara (Sumpf) gleich viel, der grosse Sandkegel bei
Ram aber 1000 und der vom Pek bis Golubac streichende Sandkomplex sogar
2000 Hektar einnehmen; setzt die Kosava diesen in Bewegung, dann gewährt die
ihm am stärksten ausgesetzte Umgebung der NW. von Golubac liegenden Orte
Usje, Vince und Pozezena einen unsagbar traurigen Eindruck. — Alle Versuche
• der ungarischen und serbischen Regierung, die Verheerungen der Kosavastürme
durch Bindung des Sandes und andere Schutzmittel abzuschwächen, blieben
bisher erfolglos, weil die Sandregion aus den alljährlichen frischen Alluvionen
des Stromes stets neuen Zuwachs erhält. Die Elemente erweisen sich hier stärker
als des Menschen Witz und Kraft.
Über die Natur des Kosavawindes und die Sandberge an der Donau
veröffentlichten Prof. Pancic und der Major Stefanovic v. VilovoO lehrreiche
Studien. Die Kosava peitscht im Frühjahre das Hochwasser in starken Wellen
an den entgegengesetzten Flussrand; während des September-Äquinoktiums wird
der Wasserstand niedrig, die Hälfte des Strombettes und seine Sandbänke liegen
dann ebenso bloss, wie die Sandflächen auf dem Lande, und selbst die Acker-
schicht wird locker. Dieses leichtbeweglichen Materials bemächtigt sich die von
den Rumänen „Krivac", in Italien und in der Levanta „Scirocco", in der Sahara
„Samum" genannte Kosava, treibt es in riesigen Wolken SO. gegen NW. und
lässt es beim Ermatten in Parallelstreifen oder Ringen fallen. Ob aber im Banat
und in Serbien, wo diese Gebilde „greda", oder in der Sahara, wo sie „semla"
heissen: überall dehnen sich ihre Längenachsen in der angegebenen Richtung
aus. Die Macht des Flugsandes schiebt die Flüsse seitlich vorwärts, indem er
von der Windseite ihr Bett stetig ausfüllt, oder lässt sie im Laufe der Zeit
gänzlich verschwinden. Durch die Gewalt des Südost-Monsuns wächst die
Sahara gegen NW., durch den „Jube" wird der Amu-Darja versandet, und
gleiches Los trifft viele andere Flüsse.
Am 28. Oktober 1889, als ich am Bord des „Boreas" aus dem Greben-Defilee
in das Golubacer Becken hinausfuhr, sollte ich die Schrecken der „Kosava" kennen
lernen. Die Rumänen nennen ihn, wie gesagt, „Krivac". Schon die Kahnfahrt
am Morgen von Tekija nach Orsova versprach keinen angenehmen Tag. Der
höchste Strbacgipfel blickte kalt aus den noch dunkleren, eisig grauen, unheimlich
'j Glasnlk, Bd. XVI — Ungarns Stromregulierungen. Wien 1883.
Diircli den Kazan iiiid von Donji Milanovac nsw. nach Belgrad. ")'29
weiss geränderten Wolken; doch verlief die Fahrt bis Schloss Goiubac, trotz des
schneidig kalten Windes, der die Passagiere vom Deck in die geheizten Kajüten
trieb, vollkommen normal. Um so wütender erfasste der Sturm unser Schiff, als
es gegen 3 Uhr nachmittags, aus den schützenden Bergen heraustretend, mit
verändertem Kurs SW., zum Städtchen Oolubac wandte. Ringsum in dem 5,5 km
breiten Donaubecken peitschte die heulende Kosava das Wasser mit dem Sande
der breiten Moldova-Insel und der Ufergelände zu hoch emporgewirbelten Wolken
auf, welche jeden Ausblick in die Ferne hinderten. Unser nur schwer gegen
den Wogenschwall ankämpfender, auf und niederstampfender Dampfer ächzte und
krachte in allen Fugen, die Stangen des Zeltdachgerüstcs brachen zusammen, und
was in den Kajüten nicht festgenagelt war, Karaffinen, Gläser, Lampen usw., ging
in Trümmer. In der Kabine des Kapitäns stürzte der geheizte Ofen um, und die
wackeren Matrosen hatten zu tun, Feuerausbruch zu verhindern. Finen Augen-
blick schien sich das Tosen des Sturmes zu verringern. Nach kurzem Lavieren
vollzog sich das schwierige Landen am Golubacer Kai. Kaum hatten wir uns
aber von den schützenden südlichen Höhen entfernt, da erfasste uns die jetzt auf
die Breitseite des N. fahrenden Schiffes wirkende Kosava mit verdoppelter Kraft.
Man konnte sich bei stärkstem Scirocco auf dem Meere wähnen. In den Kajüten
lagen Frauen, Kinder, ja selbst Männer auf den Knien, Gott und den hl. Nikolaus
um Hilfe anflehend. Der viele Jahre diese Strecke befahrende Kapitän versicherte
mir, er könne sich eines gleich mächtigen Kosavasturms nicht erinnern, und da er
seinen altersschwachen „Boreas" kannte, war er glücklich, als wir unter der
etwas schirmenden Moldova-Insel mit aller Kraft hindampften.
Und noch gefährlicher soll die Fahrt bei selbst schwächeren Orkanen am
ungarischen Ufer sich gestalten, wo sie für tiefertauchende Dampfer oft schon
bei ruhigem Wetter genügend schwierig ist; denn selten dürfte die Tiefe in einem
mächtigen Strome so unvermittelt auf verhältnismässig kurzer Strecke wechseln,
wie vom Golubacschloss bis Moldova. Dort 50 m Tiefe, hier kaum die nötige
Wasserhöhe selbst für kleine Dampfer. Unfern des Babakaj sah ich im
September 1896 die „Barostafel" zur Erinnerung an die 1890 von ihm inaugurierte
Regulierung der Katarakte, welche mit der Entfernung einzelner Felsen und
Koäavasandriegel im „Coronini" wohl abgeschlossen sein dürfte (Kap. XVIII).
Diesen Namen des letzten Gouverneurs der „Vojvodina" trägt auch die 1858
hier am ungarischen Ufer begründete Ansiedelung, deren gleichmässig gebaute
Häuschen einem weissen Feldlager gleichen. Auf der Terrasse sieht man die
schon zu Beginn des Jahrhunderts angelegten Orte St. Helena und Weizenried.
Ihre protestantisch-katholische Bevölkerung hat sich mit dem den Böhmen eigenen
Fleisse zu grossem Wohlstand emporgearbeitet und es zu trefflichen Schulen und
hübschen Kirchen gebracht. Sie geben den umwohnenden Serben ein nachahmens-
wertes Vorbild. Teilweise finden sie lohnende Beschäftigung im ausgedehnten
metallurgischen Gebiete, das mit dem gleich reichen serbischen am Pek korrespon-
diert, und dessen Verbindungsadern unterhalb Goiubac und an vielen anderen Stellen
das Strombett durchsetzen. Hauptorte des Banater Montandistrikts sind: Oravica,
Saäka, Dognacka, Moldova und Bazias. Der grösstc Teil ihrer wald-, erz- und
F. KANITZ, Serbien. U. '■^i
530 Diircli den K;iz;iii und von Doiiji Milnnovac usw. nach Belgrad.
kohlenreichen Berge wurde vom Staate unter Brucks Regime an die k. k. priv.
Staatsbahn-Gesellschaft veräussert, welche namentlich bei Saska viele Millionen
kostende, neuestens aber wenig rentable Werke anlegte, von welchen Resica die
spärlicheren Aufträge für das 1899 schon ziemlich vollendete ungarische Lokal-
bahnnetz schwer empfindet. Unter der einstigen Tiirkenherrschaft war das durch
endlose Kriege verödete dortige Gebiet von einem noch bunteren Völkergemenge
als heute besiedelt. Neben Deutschen gab es auch Italiener und Spanier, welche
um 1720 bei Beckerek das Dorf „Neu-Barcelona" gründeten, um den Reis-
und Seidenbau im Banat einzuführen. Ihre Bestrebungen scheiterten. Besser
gelangen die Versuche mit 1740 herangezogenen Kolonisten aus Schwaben.
Alt-Serbien, Bulgarien und Rumänien, deren Gebiete heute wahre Getreidekammern
bilden, doch neuestens durch die amerikanische Konkurrenz leiden.
Der Nordspitze der grossen Moldova-Insel gegenüber liegt der nett gebaute
ungarische Flecken Alt-Moldova mit hübscher Kirche und neuem Kordonshause.
Von seiner einstigen fortifikatorischen Bedeutung sind wenig Spuren erhalten,
denn der grösste Teil der von Mercy angelegten Werke musste nach dem
Belgrader Frieden geschleift werden. Nordöstlicher auf der Kastellruine erhebt
sich das einstöckige Wachhaus von Neu-Moldova, das auf den Rudimenten
des antiken Centum stehen soll. Zweifellos hatten die Römer hier eine wichtige
Station, denn ausser vielen Münzen- und Inschriftfunden sprechen dafür alte
Hüttenbauten mit in das feste Gestein getriebenen Schächten, welche den heute
noch reichen Kupferminen auch archäologisches Interesse verleihen. Die gegen-
überliegende serbische Zollstation Vi nee ist denkwürdig durch ein glückliches
Gefecht gegen die von Vidin heranziehenden Türken im Jahre 1815.
Bei Moldova ermässigen und ziehen sich die Berge auf beiden Ufern zurück.
Der Steuermann nimmt den Kurs direkt auf die Mündung des grossen Pek, wo auf
einer spitzen Landzunge die nächste Haltestelle, das (1. Bd., S. 189) geschilderte
Gradiste, liegt. Von diesem aus umfuhren wir die serbische Insel Ostrovo mit
gleichnamigem Orte auf der ungarischen Seite und gelangten bald darauf an
Divics reiche Sumachernten gebende Höhen vorüber nach Bazias, bei dem
sich die letzten Ausläufer der Karpathen zur Donau herabsenken. Bazias bildet
die Endstation der hier Personen und Waren der Donau zuführenden und von
dieser übernehmenden Staatsbahn und zugleich eine sprechende Illustration, wie
kulturfähig diese von der Natur reich gesegneten Gebiete sind, sobald Kapital,
Intelligenz und Arbeit sich ihnen zuwenden. Vor 35 Jahren noch ein in tiefem
Waldgrün verstecktes Klösterchen, besitzt es nunmehr ausser einem stattlichen
Bahnhofe mit grossartigen Werkstätten auch eine aufblühende Kolonie mit nettem
Gasthof und hübschen Wohngebäuden; die nahen Werke von Steierdorf, deren
Kohle mit der englischen an Güte wetteifert, haben eine reiche Zukunft. Von
Bazias zieht die Bahntrace nördlich gegen Versec, dessen scharfgeschnittene
Gebirge den Horizont beherrschen. Sie unterbrechen wohltätig die Monotonie
der hier beginnenden, zur Theiss streichenden fruchtbaren Ebene.
Bazias' Hafen steht bei den Dampferkapitänen in verdient schlechtem Rufe.
Unbeschreibbar schwierig gestaltete sich bei dem am 29. Oktobermorgen mit
Durch den Kazan und von Donji Milanovac usw nach Belgrad. 581
unverminderter Heftigkeit wehenden Ko§ava-Orl<an dort unsere Landung und
geradezu lieängstigend die Fahrt um den serbischen Sandpyion vor Rani. Drei
Meter hohe, mit weissem Gischt gekräuselte braune Sturzwellen fegten das Deck
gründlich rein. Der Sturm pfiff gellend durch alle Fugen, die Mäste krachten,
dazu kam das die hoch im Äther zerstäubenden Wassertropfen magisch färbende
Sonnenspektrum und die in vollste Bewegung geratenen Ramer Berge, mit ihren
Milliarden feiner Sandkörner alles Grün so lange gelb färbend, bis ein starker
Nordwind sie wieder zurück auf ihre frühere Stelle trägt; alles in allem ein
unvergessbar prächtiges, aber aufregendes Naturschauspiel, mit überraschend
schönen, stetig wechselnden Details. Unter den schützenden Westhang des
Ramer Berges glücklich gelangt, wo einige Remorköre mit zahlreichen Schleppern
die Abnahme des Sturmes seit tags zuvor erwarteten, begrüsste ihre Bcniannung
durch laute Zurufe und Schwenken der Mützen unser Wagnis.
Und wieder erfreute mich der Anblick der vieltürmigen Ranier Feste,
deren Schicksale mit jenen des Bollwerks beim linksuferigen Palanka meist
parallel liefen. Auf beiden Ufern bemerkt man die Spuren bedeutender oblong-
quadratischer Rönierwerke zum Schutze der mit Benutzung eines bei niederem
Wasser noch bei der „Cibuklija-lnsel" sichtbaren mächtigen Stützpfeilers von
der Legio VII Claudia erbauten zweiteiligen ') Brücke mit gemauerten starken
Uferköpfen, auf welcher der linke Trajansche Heerflügel über Lederata nach
Dazien vordrang (I. Bd., S. 184). 1860 besichtigte ich zum erstenmal Lederatas
Hauptwerk auf der spitz zur Donau vorspringenden Syenitporphyrzunge. Rasch
war der spärlich bewachsene Felsen erklommen. Die ziemlich gut erhaltenen
Mauern und Türme zeigten türkisches Gepräge; der schon von Marsigli skizzierte
Grundriss-) deutet aber auf das hier bestandene Römerkastell hin. Dieses bildete
ein längliches Rechteck mit neun Türmen, von welchen vier sich zu einem kleinen,
nach der Donau gerichteten Zwinger zusammenschlössen. In den öster-
reichisch-türkischen Kriegen wurde das stets hartnäckig verteidigte Schloss stark
verwüstet und wiederholt umgebaut. Auf General Miskovics Planskizze ■^) erscheint
die Ruine als Polygon mit fünf Ecktürmen, von welchen zwei gegen den Strom
vorspringen. Mit Ausnahme des als Pulverturm benutzten südwestlichen, sind
alle nach innen kehlenförmig geöffnet. Steintreppen führten zur Galerie der
Hauptmauer, der eine niedrigere zweite mit breitem Graben vorlag. Im Burghöfe
sind Reste einer starken Römerbaute erhalten, auf welcher eine nunmehr
verschwundene primitive Moschee stand. Aus den Mauern, Kanälen, Bädern
der 1 km SW. gelegenen antiken Zivilstadt stammen der von grossen Ziegel-
platten hergestellte Estrich der Ramer Kirche, dann grosse Werkstücke, Bronzen,
Münzen usw. An der Ostmauer der südlichen Schlossbastei erscheint ein dreizeiliger
Votivstein, und unter der Nordwestbastei am vom Trajanswege durchschnittenen
Felsen die schon in meinem „Serbien" (S. 406) erwähnte fünfzeilige Inschrift,
') Hertzberg, üesch. d. Körner im Altert. 1885. S. 530.
-) A. a. O , Tab V.
■') Starinar, IV. Bd , Tab. IV.
34*
532 Durcli den Kaz;ni und von Donji Milanovac usw. nacli Belgrad.
in welcher die LEG. Vi!. CL genannt wird '), von der wahrsciieiniicli eine
Abteilung zu Lederata lag. Nach der Not. imp. bestand seine Besatzung aus
Fussvolk und berittenen Bogenschützen. Im I. Bande, S. 185, entwickelte ich
die Gründe, die mich schon 1861 bestimmten, im Gegensatze zu namhaften
Historikern Lederata mit Rani zu identifizieren, und heute zweifelt kein mit den
Quellen und den Terrainverhältnissen vertrauter Forscher, dass ich dabei im
vollbegründeten Rechte war.
Wenden wir uns zu Rams interessanter Vergangenheit. Nach der Verheerung
der musischen Donaustädte baute Kaiser Justinian Lederatas linksuferigen Brücken-
kopf zu einem starken Kastell aus, bei dem um 1126 die Donauflotte und Truppen
des für seinen Verwandten Bela parteinehmenden Griechenkaisers Johannes II.
die Magyaren schlugen, deren Schiffe verbrannten, Branicevo mit Belgrad, Semlin
und nahezu ganz Sirmien besetzten und einen diese Eroberungen sichernden
Frieden schlössen. Das nach 1444 von den Türken wieder aufgebaute Serben-
schloss Rani wurde 1478 durch den tapferen Temesvärer Grafen Paul Kiniszi
angegriffen. Mit seinen 30 000 Kämpfern besiegte er das türkische Heer, konnte
aber das eroberte Territorium nicht behaupten und kehrte mit 50000 flüchtigen
Serben nach Ungarn zurück. 1482 wurde Rani von dem über Teniesvär mit
einem starken ungarischen Heere heranziehenden Knez Pavle Brankovic genommen.
Um seine Verteidigungsfähigkeit zu erhöhen, wurde das linksuferige feste, Hrom,
Horoni, auch Jeni Horoni (Neu-Ram) genannte Fort um 1590 durch den es
erobernden Temesvärer Alajbeg Caus Halim erneuert.-) Im November 1697
stürmte der nach Eugens Sieg bei Zentä mit 3000 Reitern in das türkische Gebiet
einfallende russische General Rabutin das verpalisadierte Schloss. 500 Türken
wurden niedergemetzelt, 50 Mann gefangen, die ihrer Geschütze beraubten Wälle
rasiert. 1737 kämpften Österreicher und Türken wieder um den wichtigen
Brückenpunkt. Gänzlich zerstört wurde die Ramer Feste und Türkenstadt') erst
1788, als der kaiserliche Leutnant Baron Lopresti sie mit nur 23 Soldaten gegen
die übermächtigen Türken glänzend verteidigte und der gerechtfertigten Übergabe
den Tod mit den Seinen vorzog. „Dem Helden von Rama" wurde 1878 auf
seiner Grabstätte im jenseitigen Uj Palanka durch den Temeser Komitatsvorstand
Sigmund v. Ormos ein würdiges Denkmal errichtet.
Deutsches Blut klebt nahezu an jedem Steine der zerbröckelnden Donaufesten;
das deutsche Schwert brach zuerst den Blutbann, dem die Christen der Türkei
verfallen waren. Der Wunsch nach dauernder Befreiung Hess am 15. September
1804 eine serbische Deputation heimlich bei Rani über die Donau setzen, um in
Petersburg des Zaren Hilfe zu erflehen. <) Nach beendetem Kampfe erbaute
das Dorf eine Schule, 1839 weihte es seine hl. Erzengelskirche, doch wuchs
>) Die Inschriften von Ram: C. i. L. 111, 1643-1645, Addit. Moes sup. ad 1643, 1644,
die dreizeilige Turniinschrift, 6299; Suppl. Pasc. 11, 8099-8101.
') Hadzi Chalfa, Rumeli und Bosna, S. 153.
') Ihre einstige Wohlhabenheit bezeugen die Reste einer grossen Karawanserei, auf
dessen Grundfesten Milos die Kirche erbauen Hess.
*) Prota Matija Nenadovic, Menioare, S. 104.
Durch den K.iznn iiml von Donji Milanovac usw. nncli Belgrad
533
seine Bewohnerzahl wenig, obschon sein Hafen bald für den Export wichlif^
wurde, insbesondere für Schweine, von welchen Rani durchschnittlich jedes
Jahr 36 000 Stück verlud. Seit der Eröffnung des Belgrader Schienenwegs sank
diese Zahl stetig herab und damit der Aufschwung des heute nur 320 Seelen
in 75 Häusern bergenden Dorfes.')
Unter dem Schutze der grossen Insel, welche den riimischen Übergang in
das Dakerland erleichterte, setzte unser „Boreas" den Kampf gegen den unaus-
gesetzt wütenden Kosavastiirm leichter fort. Am Hange der niederen serbischen
^^
KLICEVAC. Prähistorische Tnnfigur.
Uferberge liegt Klicevac, der Geburtsort des Freiheitskämpfers Milenko Stojkovic,
dessen erste ihn populär machende Tat ich bei Ada Kaleh erzählte; auch an
anderen Stellen erwähnte ich seine Kämpfe gegen die Türken. Als Kapetan der
Porecer Nahija siedelte er nach Porec über, teilte aber dann — nach Vuk'^) — 181 1
als unzufriedener Emigrant das Schicksal seines treuen Waffengefährten Dobrnjac
im fernen Russland (I. Bd., S. 219). 1881 fand man zu Klicevac neben drei
prähistorischen Gefässen eine interessante 34 cm hohe, 17 cm breite schwarze
Tonfigur, wahrscheinlich eine weibliche Gottheit, deren Büste, Gürtel und
') 1905 zählte Rani 354 Einwohner in 79 Häu.sern.
=) Gradja, S. 174 ff
534 Durch den Kaznii und von Donji Milanovac usw nach Belgrad.
Unterkleid vertiefte, mit lichter Erde ausgefüllte Ornamente schmücken, die sich
prächtig vom dunklen Grunde abheben.') Die ganze Auffassung und Technik
erinnern an ähnliche Tongebilde in Westpreussen, welche Lissauer der Hailstadt-
Epoche zuschreibt. 2) 1898 erbaute das 2060 Seelen 3) zählende Dorf für 18 000 d
eine Schule, deren Lehrer hoffentlich den antiquarischen Funden gebührende
Aufmerksamkeit schenken wird.
Nicht weniger als zwölf von der grossen ungarischen Insel „Ostrovo"
allmählich abgetrennte kleine Inseln deckten mit dieser die Mlavamündung, an
welcher Viminacium, die römische Kapitale von Moesia superior, stand. Seine
im V. Kapitel des 1. Bandes geschilderten weitläufigen Überreste auf der vom
Ufer sich zurückziehenden massigen Terrasse sind vom Dampfer gleich unsichtbar,
wie jene der Stadt Margus, an welchen wir bald darauf vorbeifahren; wir sehen
nur ihr hochliegendes Polygon, das die gleichnamige Flussmündung beschützte
(I. Bd., S. 185 ff.). Auch bezüglich der auf Margus folgenden historischen
Donaupunkte auf die sie schildernden Kapitel IV und V des ersten Bandes hin-
weisend, knüpfe ich an meine bisherigen Ausführungen einen meine vieljährigen
archäologischen Forschungen an der unteren serbischen Donau zusammenfassenden
Überblick. Alles in allem brachten meine oft auf schwierigen Kahnfahrten durch
die Katarakte und sonst meist zu Pferde ausgeführten Reisen erhebliche Beiträge
zur historischen Geographie.
Wie ich erwähnte, spricht ein altvererbtes Volkslied von 77 lateinischen
Werken, der französische Akademiker Blanqui sogar von 80 Römerbauten zwischen
der Save und dem Pontus, während der Graf Marsigli zwischen der Save- und
Timokmündung allein schon 22, ich selbst aber mehr als 70 grössere und kleinere
befestigte Punkte in Karte brachte. Dies bezeugt die von Roms Imperatoren
dem obermösischen Donaulimes beigelegte Wichtigkeit und bietet einen selbst
für unsere Zeit lehrreichen Einblick in sein mit staunenswertem Scharfsinne
kombiniertes Verteidigungssystem. Wir sehen, wie die Transversalstrassen aus
den Westprovinzen strahlenartig in die mit dem Donaulimes parallel laufende,
alle Uferfesten verbindende Heerstrasse mündeten, was mit den in stärker
befestigten Hafenplätzen stationierten Flottenabteilungen die rascheste Unterstützung
jedes einzelnen bedrohten Donaupunktes ermöglichte.
In den die Teilstrecken des obermösischen Donaulimes behandelnden
Kapiteln III— VII des I. und XV— XVII des II. Bandes konstatierte ich bei fort-
währender Vergleichung der römischen itinerarien, der einschlägigen Literatur und
auf Grundlage meiner auf dem Terrain selbst gewonnenen Erfahrungen die Identität
folgender 25 wichtiger römischer Donaupunkle: 1. Singidunum = Belgrad,
2. Ad Sextum — Mokri Lug, 3. Tricornium Ritopek, 4. Ad Sextum
miliare = Grocka, 5. Aureus mons = Reste am Seonabache, 6. Vinceia
-- Reste im Cirilovactale, 7. Margus Ruinen an der Moravamündung,
') Starinar, VII. Bd., S. 110 f.
-') Die präh. Denkm. d. Prov. Westpreussen, S. Gl ff.
■') 1905 hatte Klicevac in 374 Häusern 2375 Einwohner.
Durch den Kazan und von nnnji Milnnovac usw. nncli Belgrad. 535
8. Viminacium Kostolac an der Mlavaiinindung, 9. Lederata m.it Kaiser
Trajans Schiffbrücke -^ Rani, 10. Pincum ^= Gradiste, 11. Vico Ciippe
Golubac, 12. Novae Briijica. 13. Ad Scrofulas Dobra, 14. Taliata
mit Kaiser Trajaiis Donau - Übergang Reste an der Poreci<a reka-
Miindung, 15. (lerulatis — Mirocevo, 16. Unani auf dem Mirocplateau
(Lage unentscliieden), 17. Egeta Brza Palanka, 18. Kaiser Trajans
Steinbriicke Brückenkopf bei Kostol, 19. Zanes - Kiadovo, 20. „Eiserner
Tor"-Kanal Kasajna-Sip, 21. Zerna Sip, 22. Transdierna Tekija,
23. Clevora Kamenica, 24. Ad Aquas Reste auf dem Vidrovac-Plateau,
25. Dortico Rakovica am Tiniok.
Beim Vergleichen dieser Ansätze mit jenen meiner Vorgänger dürften sich
an vielen Punkten bedeutende, an jedem einzelnen begründet nachgewiesene
Abweichungen ergeben; ich selbst würde aber, im Hinblick auf die sich häufig wider-
sprechenden alten Quellen (I. Bd., S. 185), in den oft gerügten Fehler mancherPorscher
verfallen, wollte ich in jedem einzelnen Fall auf absolute Richtigkeit Anspruch erheben.
Habe ich ja an verschiedenen Stellen betont, dass weniger apodiktisches Absprechen
in archäologischen und ethnographischen, die Balkanländer betreffenden Fragen
dringend geboten erscheint. Diese Mahnung zu grösserer Vorsicht erscheint
begründet, wenn ich beispielsweise an die auf S. 444 geschilderte komische
Entstehung des fiktiven Ortes „Tactalia" erinnere, der seit hundert Jahren in allen
Kombinationen über römische Städte, Donauübergänge usw. eine bedeutende Rolle
spielte, bis ich nachwies, dass ein solcher nicht existiert und nur eine Felsbank
im Grebenpasse diesen Namen führt — oder wenn ich aus so vielen anderen
Tatsachen hier noch die eine erwähne, dass ich 1864 unfern von Ni§ die auf
allen Karten figurierenden Städte „Pirsnik" und „Isnebol" wegzustreichen hatte,
weil ich auf ihrer angeblichen Stelle wohl hohe Berge, aber sonst nicht die kleinste
menschliche Niederlassung fand usw. Aus der Studierstube allein kann man weder
aktuelle noch historische Karten schaffen; es ist durchaus unerlässlich, sich auf
das Terrain zu begeben, was allerdings nicht jedermanns Sache ist.
Wer jemals die Lösung derartiger schwieriger Probleme versuchte, dürfte
also nachsichtig entschuldigen, wenn der ihr entgegengebrachten Opferfreudigkeit
nicht immer gleichwertige Resultate entsprechen. Niemand dürfte sehnlicher
als ich selbst wünschen, dass meine Untersuchungen jüngere Kräfte zu neuen,
ergebnisreicheren, anregen möchten. Weitergehende Erhebungen an den von
mir durchforschten Punkten werden allerdings nur durch viel Zeit und Kosten
beanspruchende, zielbewusste Ausgrabungen erreichbar sein. Solche dürften aber
zweifellos wertvolle architektonische und fortifikatorische Details, vielleicht auch
Inschriften zutage fördern, welche den Namen mancher hier ungetauft gebliebenen
Römerstadt nennen und die von mir aufgenommenen Situationspläne im Detail
berichtigen werden. Diese Arbeiten müssten aber sehr beschleunigt unternommen
werden, weil die Zerstörung aller antiken Reste, bei dem der Bevölkerung inne-
wohnenden geringen Verständnisse für ihren historischen Wert, täglich fortschreitet
und mit jedem vernichteten Monument ein schwer ersetzbarer Behelf für die
Geschichte und historische Geographie verloren geht.
5f!fi Durch den Kazan und vnn Donji Milanovac usw. nach Belgrad.
Denn ob wir nun an die einst stolze Babylonis denken, auf welcher
nomadisierende Beduinenstämme gegenwärtig ihre Zelte aufschlagen, oder an die
alten Kulturstätten Südamerikas, ob wir am Nil zwischen säulcnreichen Tempeln
stehen, an die barbarische Fellahs ihre Schmutznester kleben, ob wir auf Ninives
Trümmern, welche Loyard uns zuerst kennen lehrte, oder auf jenen des zum
prosaischen Steinbruche benutzten, einst prächtigen mösischen Viminacium wandeln,
immer durchzieht uns das schmerzliche Gefühl, dass jede Kultur ihren Höhe-
punkt nur deshalb zu erreichen scheint, um von schonungslos einher stürmender
barbarischer Gewalt wieder weggefegt zu werden! Werden die Erben des klassischen
Bodens, welche so emsig bemüht sind, die letzten Reste monumentaler Pracht
der einstigen mösischen Kapitale zu zerstören, vielleicht ähnliche, durch Kunst
und Technik verschönte Gemeinwesen schaffen? Und wenn dem so ist, welchem
Volke wird nach dem ewig waltenden Naturgesetze die Aufgabe zufallen, sie dem
traurigen Lose der römischen Kulturstätten zu überliefern?
XVUl.
Von Belgrad zur bulgarisch-türkischen Grenze
mit der Bahn.
Durch die regulierten Donau-Katarakte zum Eisernen Tor-Kanal.
DIE Welt stellt im Zeichen des Verkehrs!
Ein halbes Jahrhundert s^in^ ins Land, seit Ami Boiie, der Abkunft nach
Franzose, durch Geburt Hamburger, seinem ganzen Wirken nach aber Kosmopolit
im edelsten Sinne des Wortes, zuerst ein Bahnnetz für die europäische Türkei
entwarf, und 25 Jahre sind verstrichen, seit der geniale Konsul v. Hahn seine
Studien für eine Linie Belgrad — Salonik veröffentlichte. Der erste, berühmt als
Schöpfer des epochalen Werkes „La Turquie d'Europe" (1840), skizzierte in seinen
„Itin^raires" in grossen Zügen ein grundlegendes Bahnnetz für die Balkan-Halb-
insel, Georg V. Hahn, der die Welt mit den kaum gekannten Albanesen vertraut
gemacht, entwarf auf Grund äusserst mühsamer Terrainstudien die Bahntrace
Belgrad— Salonik, deren richtige Führung durch die Täler der Morava und des
Vardars von dem tüchtigen Ingenieur Wilhelm Pressel viele Jahre später rühmend
anerkannt und festgehalten wurde.
Die genialen Entwürfe von Boue und Hahn treten um so leuchtender hervor,
als sie in eine Zeit fallen, wo noch die Fabel von der Erstreckung der Balkankette
vom Pontus bis zur Adria auf unseren besten Karten spukte, wo ich selbst hart
an der bulgarischen Donau und in ihrem Hinterlande Gebiete von der Ausdehnung
deutscher Fürstentümer entdecken konnte. Beide Pioniere erlebten leider nicht
die Verwirklichung ihrer weitzielenden Pläne. Heute fährt man von Wien nach
dem Goldenen Hörn oder zur ägäischen Hafenstadt in ebenso vielen Stunden,
als das Mittelalter dazu Tage benötigte, in unserer leichtlebigen Zeit vergisst
man rasch; keine der vielen Reden während der Niser Bankette erinnerte an den
hochverdienten Verfasser des ersten Bahnbauprojekts „Belgrad — Salonik", an den
wackeren österreichischen Konsul Georg v. Hahn.
Wie es kam, dass diese für Mitteleuropa hochwichtigen Eisenstrassen, mit
denen für das Sultansreich eine neue Ära anbrach, so spät vollendet wurden,
erörtere ich im IX. Kapitel des 111, Bandes. Hier genüge, dass der Orientale
538 Von Belgrad zur bulgariscli-tiirkisclicn Orcnzc mit der Balm.
den hohen Wert der Zeit nicht zu würdigen vermag, dass viele dem Fortschritt
feindliche, einflussreiche Mosiims in den Eisenbahnen eine das bisherige staatliche
und wirtschaftliche Vegetieren der Türkei bedrohende Gefahr erblickten, und
dass die türkische Regierung, als sie den von allen Seiten andrängenden Sturm
nicht länger durch passiven Widerstand abweisen konnte, bei der Beschaffung
des nötigen Baukapitals mit den denkbar grössten Schwierigkeiten zu kämpfen
hatte. Die am Bosporus das „Goldene Vlies" suchenden Finanzmänner stellten
dort so abenteuerliche Forderungen, die Pfortenminister verlangten andererseits so
hohes Backschisch (Trinkgelder), dass die Unterhandlungen stets scheiterten.
Die von allen Kulturfreunden ersehnte endliche Eröffnung der türkischen
Bahnen bildete ein Ereignis von hoher Bedeutung. Man blicke nur nach
Rumänien und Serbien und wird staunen über die Entwicklung ihrer Städte,
ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse, ihrer Fortschritte in G-ewerbe und Industrie,
seit die Dampfkraft ihre früher armseligen Verkehrsmittel ersetzt. Gleich erfreuliche
Erscheinungen sehen wir in Bulgarien, Mazedonien, Griechenland und namentlich
auffallend in der Physiognomie der serbischen Städte, auf deren vorausgegangene
Schilderungen ich verweise. Doch nicht allein in den grösseren Gemeinwesen,
sondern selbst in den Dörfern hat sich der Häuserbau verbessert, entstanden
allerorts Dampfmühlen, Spiritusfabriken und andere industrielle Anlagen, um die-
reichen Naturschätze des Landes besser zu verwerten. Diese Wahrnehmung und
die an vielen Punkten pittoreske Landschaft gestalten eine Fahrt auf den serbischen
Bahnen höchst interessant.
1. Belgrad — Nis.
Gleich hinter Belgrad, bei der ersten Station der am 10. September 1884
eröffneten Belgrad— Niser Bahn und dem durch König Milan durch eine Fasanerie
bereicherten Lustschlosse „Topcider", dessen Steinbruch (I. Bd., S. 119) das
Material für den Semliner und Belgrader Kaibau lieferte, erblickt man die
Molkerei der Brüder Gruber mit prächtigem Viehstand für den Milchbedarf der
Hauptstadt, und nahe Cedics durch Wasser und Dampf betriebene Kunstmühle.
Im Sommer verkehren bis Topcider Vergnügungszüge. Von seinen schönen
Triften wandert der Belgrader gern durch lauschigen Eichenwald zum Kloster
„Rakovica", dessen Gründung das Volk dem hl. Sava zuschreibt (I. Bd., S. 119).
Bald darauf erscheinen im tiefen Einschnitte zwischen km 20 und 21, am
Fusse der burggekrönten Avala, eine Zementfabrik und die Werkhäuser zur Aus-
beute ihrer während des Bahnbaues wieder aufgefundenen Quecksilberadern,
welche, wie Geräte und Waffen aus der neolithischen Epoche zeigen, schon
frühzeitig, gewiss aber den Römern zum Gewinne von Zinnober bekannt waren.
Der anfänglich vielversprechende Betrieb der Mine wurde 1894 eingestellt (1. Bd.,
S. 124). Das auf die Station Ripanj (21,4 km von Belgrad) folgende gleich-
namige Dorf') überraschte mich schon 1860 durch seine zahlreichen wohlhabenden
') Hier wurde der bekannte serbische Schriftsteller und Akademiker Milan Dj.
Milicevic — dessen Schriften der verewigte Verfasser dieses Werkes vielfach erwähnte
und benützte — 7./19. Mai 1831 geboren. Er starb am 4. 17. November 1908 zu Belgrad.
Von Belgrad zur bulgarisch-türkischen Grenze mit der Bahn. 539
Gehüftf. Der hier anstehende, seit 1883 l"abrii<mässi{> erzeugte und stark
exportierte Zement wurde auch in dem folgenden 16Ü0 m langen „Raljatunne!"
verwendet, was doch aber seinen durch unausgesetzte Regengüsse in der
15. Septembernacht 1899 verursachten teilweisen Einsturz nicht aufzuhalten
vermochte. Beim Tunnelausgange beginnt auch das ältere Schmerzenskind der
Belgrad — Niser Linie. Die Trace übersetzt den tiefen Ralja-Einschnitt auf einem
hochangeschütteten Steindamme, dessen häufige Senkungen nur mit grossen
Opfern zum Stillstande gebracht werden konnten. Etwas weiter erscheint bei
der netten Station Ralja der anschliessende neue stattliche Ortsteil mit freund-
lichen Häusern und zahlreichen Kalkbrennereien. Hier verarbeitet der Italiener
Tonetti den weissen und grauen, metallisch geäderten Marmor zur architektonischen
Dekoration für Belgrader Bauten. Sehr reges Treiben herrscht im Herbste auf
der 53 km von Belgrad entfernten Station Medjuluzje. Auf zahllosen Wagen
wird aus der obstreichen Umgebung die Pflaumenernte herbeigeführt, von einem
spekulativen ungarischen Kaufmann zu „Pekmez" (Pflaumenobstmus) gesotten und
exportiert. Gleich Medjuluzje entwickelt sich das auf seine Station angewiesene
nördlichere junge Städtchen Mladenovac durch seinen grossen Viehniarkt zu
wachsender Bedeutung.
14,5 km entfernt von dieser zukunftreichen Station halten wir in einem
parkartig aussehenden Buchenhaine bei dem freundlichen, 5050 Seelen zählenden
Kusadak. ') In diesem Riesendorf ist Miloje Djak, Sekretär des während der
Freiheitskämpfe viel genannten Wojwoden Vujica, geboren. Unzufrieden mit dem
oft schwer drückenden Willkürregimente des ersten Obrenovic, organisierte Miloje
1825 eine gegen dessen Herrschaft gerichtete Insurrektion im Smederevoer Kreise.
Mit 5000 Leuten zog er gegen Kragujevac, ward aber von Vucic geschlagen und
auf Milos' Befehl, ohne richterlichen Spruch, zu Batocina getötet. Das nördlich
von Kusadak liegende noch grössere Selevac (6803 Seelen) ist der Geburtsort
des populären Freiheitskämpfers Stanoje Glavas. Schon vor der grossen Erhebung
suchte er die Berge auf. Den Türken Tod und Verderben schwörend, überall
„verbrüdert", d. h. mit Gleichgesinnten verbunden, machte er sich den Unter-
drückern gefürchtet. 1804 schlug er sich nach Topola durch. Als man dem
Tapferen die Führung des aufgestandenen Volkes damals anbot, lehnte er ab:
„Hajduk bin ich, Hajduk will ich bleiben!" Nicht nach Auszeichnung strebte er,
doch wo gekämpft wurde, war er unter den Ersten. Als 1813 die nationale
Sache unterlag und die meisten Führer über die Save flüchteten, blieb er zurück.
Skopljak Pasa hatte aber Glavas' Aufenthalt zu Banicina erfahren und sandte
einen Vertrauten dahin, ihn zu töten. 40 Arnauten von der benachbarten Karaula
umzingelten das Haus, in dem er Zuflucht fand. Nachdem sieben Moslims
gefallen, brach Glava§ im nächtlichen Dunkel durch den dichten Haufen, strauchelte
aber und konnte sich nicht weiter verteidigen. Rasch schnitt ihm ein Arnaute
den Kopf ab, der im Triumphe nach Belgrad gebracht und vor dem Paschakonak
aufgespiesst wurde. Den von einer mutigen Frau entwendeten Schädel beerdigte
') 1905 zählte dieser Ort (3044 Einwohner in 855 Häusern.
540 Von Belgrad zur bulgarisch-türkischen Grenze mit der F^nhn.
man mit dem Körper des Patrioten auf dem Batocinaer Friedhofe. Dem nördlicheren,
von 8320 Seelen bewohnten Dorfe Azanja entstammt Djnsa Vulicevic, dessen
rühmliche Taten während des Freiheitskriegs ich im I. Bande, S. 133, schilderte.
Nach zweimaliger Kreuzung der Kubrsnica erreichen wir, vorbei an blumigem
Wiesengrund, die erste grössere Station Palanka. Das Bezirksstädtchen ist
historisch interessant. Hier traf Bertrandon de la Broquiere 1433 den Serben-
fürsten Brankovic, Schwiegervater des Sultans Murad, mit seinen Söhnen
und grossem Gefolge. Der vom Fürsten in einem Schlosse bei der Stadt
„Nikodim" empfangene berühmte Reisende schilderte die Hofleute als durch-
gehends schöne Männer mit langem Haar und Bart. 1428 bestätigte der Fürst
in dieser, der reichen Jagd wegen von ihm gern aufgesuchten Residenz den
Ragusanern urkundlich ihren Besitz in Serbien. Man vermutet dieses verschollene
Nikodim auf dem südwestlichen „Jabucar" zwischen Palanka und Pridvorica,
bei dem des Fürsten Gemahlin Jerina eine mächtige Feste erbauen wollte. Als
sie die Stelle persönlich besichtigte, auf der bereits viel Material gesammelt
worden, erhob sich plötzlich', wie eine Volkssage erzählt, ein den Flug gegen
Norden nehmender Gänseschwarm vor ihr. Die Fürstin folgte diesem Zeichen,
entschied sich für Smederevo, liess aber aus den angehäuften Steinen viele
Kirchen in Nikodims Umgebung bauen. Als der Reisende Gerlach Palanka im
Gefolge einer kaiserlichen Gesandtschaft an den Sultan 1573 passierte, hiess es
serbisch Bela Crkva und türkisch „Ak kilise" (weisse Kirche); als diese zerstört
war: „Hasan Pasa Palanka", jetzt einfach Palanka. Bei Palanka schlug 1689 der
Markgraf von Baden sein Lager auf, als er die Türken auf der von Belgrad
über Grocka und Kolare nach Batocina führenden Heerstrasse verfolgte; es
erhielt eine kleine Besatzung, die, wie In allen eroberten „Palanken", neben
wenigen Deutschen meist aus Serben bestand, welche sich anfänglich der kaiser-
lichen Fahne angeschlossen hatten. In einer Depesche klagte der Markgraf über
die spätere geringe Unterstützung: Das serbische Volk ziehe es vor, unter die
türkische Herrschaft zurückzukehren, als die Nörgeleien der kaiserlichen Beamten
zu ertragen. Dies erinnert an ähnliche Berichte in den ersten Jahren der
österreichischen Okkupation Serbiens (1717—1737) seitens der vorurteilslosen
Generale an den k. Hofkriegsrat.
Im Freiheitskrieg erlangte Palanka wiederholt Bedeutung. 1804 trat hier
Karadjordje mit türkischen Belgrader Notabein zusammen, um über die friedliche
Schlichtung alles Streits zu verhandeln. ich erzählte, wie resultatlos dieser
Versuch verlief. 1809 tagte hier eine Skupschtina, die den an der Katastrophe von
Nis schuldigen Wojwoden Miloje Petrovic schimpflich des Dienstes entsetzte,
und 1820 leisteten sämtliche Knezen und Kmeten der östlichen Kreise Milos
als „Erbfürsten von Serbien" den Eid der Treue.
Das 78,75 km von Belgrad entfernte, durch seine grossen Viehmärkte und
nahe dem Bahnhof erbauten steinernen „Schweine-Salase" berühmte Palanka
besitzt 3180 Einwohner'), sehr hübsche Häuser, zwei Dampfmühlen, eine Sparkasse,
') 1905 zählte dieses Bezirksstädtchen in 739 Häusern 3739 Einwohner.
Von Belgrad zur buls,'arisch-tiirkischen Grenze mit ilcr Bahn. 541
die 1895 mit dem Hilfs- und Sparvereiii „Sumadija" 11,5 Mill. d zu 12"/o(!)') in
Verkehr brachte, eine Apotheke, eine gute Schule und seit kurzem eine neue Kirche,
obschon das Material für diese seit 20 Jahren aufgestapelt lag. Fürst Mihail
erliess nämlich, angeregt durch die 1862 von mir in Bild und Wort nachgewiesene
Schönheit der altserbischen Kirchen in byzantinischem Stile, dessen Formen am
besten dem orientalischen Kultus entsprachen, einen Ukas, der einzig dessen
Anwendung für alle neu zu erbauenden gestattete. Die Palankaer Notabein
forderten aber beharrlich eine Kirche mit hohem Turme, wozu das Baulen-
ministerium die Frlaubnis verweigerte. Zuletzt schloss man ein Kompromiss,
das in einem nicht allzu hohen Turme und Kuppeln zum Ausdruck gelangte. Die
ein hübsches architektonisches Zentrum gewinnende Stadt wird weit mehr Fremde
anziehen, sobald ihr wohlschmeckender Säuerling im nahen Vodice zur Anlage
eines Badeortes führen wird. Palankas auch am Bahnhofe verkaufte „gibanice",
eine Art Kuchen, sind als die trefflichsten in ganz Serbien bekannt.
Grasreiche Triften, schöne Maiskulturen und dichte Laubwäldchen durch-
schneidend, gelangen wir nach Velika Plana (90,545 km von Belgrad). Hier
münden die von den Donauhäfen Smederevo und Dubravica ausgehenden Zweiglinien
in den Niser Schienenstrang. Vor dem vom Dorfe ziemlich weit entfernten netten
Stationsgebäude herrscht reger Verkehr, und kann man an diesem zukunftreichen
Knotenpunkte so recht beobachten, wie sehr die abendländische Tracht das
bunte Bauernkostüm namentlich in den Arbeiterkreisen verdrängt. Im Sommer
1890 gründete hier die Cöllner Firma Klefisch & Scheuss ohne allen Lärm eine
Fleischwarenfahrik, die bald grosse Vorteile dem unmittelbaren und selbst weiteren
Umlande durch die lohnendere Verwertung ihres Viehes, Geflügels usw. brachte.
Schon während der ersten Winterkanipagne wurden 400 Ochsen, 3000 Schweine,
20000 Stück Geflügel und Wildbret, darunter mit 1.20 Frank das Paar bezahlte Reb-,
Haus- und Steiiihühner von Nis und Pirot, frisch, in Wurstform oder geräuchert nach
Deutschland exportiert. Diese schon seit 1891 durch Dampf- und Maschinenbetrieb
alljährlich gestiegenen und grösseren Gewinn abwerfenden Resultate bewogen die
1895 zu Belgrad konstituierte serbische Gesellschaft für Schweineschlachtung
nach amerikanischem System, das Etablissement zur beabsichtigten Erweiterung um
100000 d anzukaufen. Scheuss errichtete dort eine Dampffleischerei, die gleichfalls
mit gutem Erfolg arbeitet. Neuestens wird auch der Eierexport im grösseren
Massstabe betrieben, was ihr niederer Preis: 12 — 20 Cent in Pirot, begünstigt.
5 km südlicher liegt nahe der Bahnlinie, in einer romantischen Schlucht,
das kleine Kloster Koporin, das nach langem Verfalle 1880 durch vier umliegende
Gemeinden erneuert und mit 11 Hektar Feldern, Weingärten und Wald begabt
wurde. Die Haupteinnahme erzielt es durch den starken Besuch seines wunder-
tätigen Sv. Stevan-Kirchleins, dessen Gründung man Stevan Visoki (1389—1427)
zuschreibt. Dieser erscheint al fresco, mit dem Kirchenmodell in der Hand,
unter anderen mittelmässig ausgeführten Bildern. Der Narthex des in Kreuzform
') 1906 betrug der Umsatz der Sparkasse 11,6 und jener des Sumadija-Sparvcreiiis
nur 3,1 Mill d. Die Sparkasse wurde 1887 und der Sparverein 1894 gegründet.
542 Von Belgrad zur bulgarisch-tiirkisclK'ii nreiizL' mit der Bahn.
mit halbrunden Chor- und Seitenapsiden angelegten alten Baues wurde bei der
Renovierung vergrössert. Da man von verschiedener Seite behauptete, dass sich
unter dem Estrich Grüfte befinden, wurde 1886 eine Kommission entsendet; doch
blieb die von dem Smederevoer Kreisingenieur Karakasevic geleitete Aufgrabung
vergeblich. Der Palankaer Kapetan sammelte Geld zum Bau eines neuen Hauses
für die Mönche, und gläubig pilgert selbst von fern das Volk an Sonn- und
Feiertagen hin, um Linderung in Krankheit zu finden. Auch dem „Vidova voda"
beim nahen Vodice schreibt es besondere Heilkraft zu, weil es bei einem in
Ruinen liegenden Kloster entspringt, das der am Vidov dan auf Kosovo getötete
Zar Lazar gestiftet haben soll. Man sieht, der Wunderglaube ist auch bei den
Moravaserben stark im Schwange.
Durch die fruchtbare Niederung geht es hart an der Morava vorüber an
Stari Adzbegovac, dessen neue Kirche mit roter Kuppel es hoch überragt,
nach Markovac, wo nahe der Lepenicamündung eine Fähre über den Fluss
setzt. In der folgenden, 109,7 km von Belgrad fernen Station Lapovo kreuzen
sich die von Belgrad und Nis kommenden Züge. Auch die 30 km lange, bereits
geschilderte Zweigbahn von Kragujevac mündet an diesem bedeutsamen Punkte,
bei dem schon zur Römerzeit, wie ich 1888 feststellte, sich eine grosse An-
siedelung befand (siehe I. Bd.). Lapovo nimmt nicht allein einen grossen Teil der
Zerealienausfuhr des fruchtbaren Svilajinacer Morava- und Mlavabeckens auf,
sondern auch den Vieh-, Holz- und Rohproduktenexport aus dem Westen von
Kragujevac, Kraljevo, Cacak und anderen Orten. Es zählt zu den gewinn-
bringendsten Stationen der Belgrad— Niser Strecke. Alle Züge machen hier
längeren Halt, und die bescheidene Restauration kann mittags kaum die bunte
Menge der Aussteigenden fassen. Kaufleute, Offiziere, Popen, Bauern drängen
sich um die wenigen Tische und den stets umlagerten Bierausschank.
Von Lapovo erblickt man am jenseitigen Ufer, auf dem steilen Terrassenrande,
das von Baumgrün umrahmte Kloster Miljkov, dessen 1854 erneuertes, „Maria
Reinigung" geweihtes Kirchlein und Mönche für das Seelenheil der nahen Orte
sorgen. 47 Hektar Felder, Wiesen, Obstgärten und Wald nennt es sein eigen;
Einnahmen und Ausgaben balancieren mit rund 3000 d. Entsprechend der
traditionellen Sage, dass ein frommer Bauer Miljko mit seinen vier Brüdern Tuta,
Jakov, Zlatko und Tonia fünf Klöster an der Morava stiftete, erscheint, nachdem
wir die W. von den Rudniker Bergen begrenzte reiche Ebene durchfahren haben,
der Station Bagrdan gegenüber, die Ruine des Kirchleins Tomic. Das von
der Osaonica durchflossene „ Deve" -Bagrdan („Devi Bakerdan" in damaligen
österreichischen Karten), dessen nun abgelegten Beinainen Vuk von „deve" (Kamel)
ableitete, ist eine um 1700 gegründete türkische Palanke, um welche 1717 von den
Kaiserlichen und namentlich 1815 von den Serben viel gestritten wurde. Zu jener
Zeit rechnete man nach dem gleichfalls befestigten Jagodina 4 Tage, heute selbst
bei langsamer Bahnfahrt gleichviel Stunden! Dicht an die Morava vorspringende
Felsen zwangen auf dieser Strecke die Schienentrace hart an den Fluss, dessen
Ufer durch viele künstliche Steinsporne versichert werden musste. Die gegen
W. und S. auftauchenden hohen Gebirgszüge verschönen das abwechselungsreiche
Von Bels^r;i(J zur bulgarisch-türkischen Grenze mit der H;ihn. 543
Landschaftsbild bis zu dem durch eine junge Anpflanzung verschönten Stations-
hause des geschichtsreichen Jagodina (1. Bd., S. 168).
Vorüber an jagodinas von Dohlen umflatterter, allen Stürmen trotzender
Moscheeruine, die an des Halbinonds Olanzepoche erinnert, während die neue
prächtige Kuppelkirche^ die Schornsteine seiner Glasfabrik und anderer Industrien
den Anbruch einer neuen Zeit verkünden, geht es über die 32Ü m lange, elegant
konstruierte Morava-Eisenbrücke nach Cuprija, dem Horreum Margi der Römer.
F^feilerreste zeigen, dass bereits diese den FIuss überbrückten, und gleich interessant
ist es, dass die Serben auf der Stelle des antiken Arsenals in den letzten Jahren ein
neues für die Pontonier- und Geniewaffe erbauten (I. Bd., S. 228). Der alten Römer-
trace folgend, zieht die Bahn geradlinig auf topfebenem, oft Überschwemmungen
ausgesetztem Terrain nach der schon geschilderten rechtsuferigen Station Paracin.
Das Städtchen vollendete einen für seine Verhältnisse riesigen Kirchenbau mit
llochturm und Kuppel. Ein dampfender Schlot verrät die Lage seiner vom Mährer
Münch gegründeten Tuchfabrik. ') Paracin ist nicht allein der Mittelpunkt des
serbischen Wollhandels — selbst sächsische Fabrikanten treten als Käufer auf —
sondern auch Exportstation für die landwirtschaftliche Produktion. So erwacht
in diesen früher stillen Tälern durch der Lokomotive Zauberkraft überall frisch
pulsierendes Leben und unbeachtete Bodenschätze werden nunmehr zu lohnenderer
Verwertung gebracht. Auf den grasreichen linksseitigen Höhen weiden grosse
Schafherden; vielleicht stammen sie von jenen der prähistorischen Hirtenvölker,
ileren Anwesenheit auf diesem reichen Boden neolithische Funde in Paracins
Umgebung bezeugen. Auf dem westlichen Moravaufer ragen die Steilhöhen des
Jnhors auf, an welchen Reste römischer und mittelalterlicher Burgen kleben und
manches romantische Märchen sich knüpft (1. Bd., S. 533).
Bei dem unterhalb der nächsten Station Sikirica berührten, in 372 Häusern
2300 Bewohner-) zählenden langgedehnten Orte Cicevac wurde vom Belgrader
Advokaten Dr. Milan Markovic 1894 ein Lignitkohlenbau hoffnungsvoll begonnen,
doch schon 1897 wegen ausgebrochenen Prozesses wieder eingestellt. Südwest-
licher drängen riesige Kalkfelsen die Bahntrace hart an den Uferrand. Es folgt
die Station Stalaci, von der eine treffliche Strasse zur westlichen Zarenstadt
Krusevac führt und den Verkehr mit seiner obst- und weinreichen Umgebung
vermittelt. Dass dieser im Wachsen, zeigen die vielen neuen Mehanen (Gasthäuser)
hinter dem Bahnhof, der starke ambulante Obsthandel, welchen hier Bauernfrauen
treiben; das weissrot gestreifte, malerisch gefaltete Kopftuch kleidet sie hübsch. Die
Männer tragen niedere, dunkle Fellkappen. Links bleibt das Kirchlein Sv. Nikolje.
Von der jenseitigen Höhe blickt das zerbröckelnde Turmgemäuer des Schlosses
Stalac herab, der Ort von Todors Heldentat, die eines der schönsten serbischen
Volkslieder besingt.
Hinter Stalac schliessen die den Moravalauf begleitenden rauchblauen
Berge, deren stetig wechselnde Profile kaleidoskopartig immer neue Bilder vor
') S. Fussnofe auf S. 379.
■') 1905 zählte dieser Ort 3210 Einwohner in Ö34 Hausern.
544 Von Bel.nrad zur bulsiariscli-türkisclieii Grenzt.' mit der Bahn
das Auge zaubern, eng zusammen. Die Bahnlinie musste mit grossen Opfern
hier in die steilgeböschtcn, die Ufer besäumenden Granitmassen geschnitten
werden. Diese bilden pittoreske Klippen im Fiussbett; aus dem durchgrabenen
Löss ragen zwisciicn alten Silberpappeln hohe Felsmonolithe in die Luft. Auf
dem langen, von der Morava bespülten Steindamme nimmt die Lokomotive ein
behutsames Tempo. Das schwierigste Objekt bildet der bald hinter Stalac
angelegte, 224 m lange Tunnel, ohne den es unmöglich gewesen wäre, hinaus in
das Aleksinacer Becken zu gelangen. Wegen des Rutschterrains am Defileeausgange
musste die Linie weiterhin wieder auf das rechte Ufer hinüber geführt werden.
Das zwischen den linksuferigen Kalkfelsen mit eingesprengten Granaten
stehende Kirchlein Sv. Nestor (S. 106) bildete den Schlüsselpunkt der von den
Serben im Jahre 1876 verteidigten Position bei Djunis; bis zu dem in der
rechtsuferigen Schlucht liegenden Kloster Sv. Roman (S. 106) waren die feind-
lichen Flankier vorgedrungen. Vorbei an den Höhen, von welchen die feindliche
Artillerie diese erschütterte, und dem jenseitigen befestigten Lager von Deligrad,
bei dem sich die grossen Kämpfe im ersten Freiheitskriege abspielten (S. 107),
fahren wir bei der Station Korman mit schöner Mehana an einer zum Deligrader
Lagergürtel gehörenden Schanze von 1809 vorüber und an den nahe im nördlichen
Mündungswinkel des Pescanica sichtbaren, 285X115 Schritte langen Grundmauern
eines oblongen Römerkastells mit 2 m starken Mauern von 26X32 cm grossen
Ziegeln, welche das Material zum Wiederaufbau des 1876 arg verwüsteten reichen
Dorfes lieferten, bei welchem Anlasse man dort auf zwei antike Gräber, viele
Münzen vom Kaiser Claudius usw. stiess.') Auch das 1876 zerstörte alte Kloster-
kirchlein Sv. Petka wurde seitdem, doch ohne Kuppel, als Pfarrkirche für Trnjane,
Gredetin, Gornji und Donji Adrovac erneuert.
Am Fusse der rebenbepflanzten Höhen von Prcilovica, in dem Anta Petrovic
einen lateinischen Inschriftstein bewahrt, steht inmitten vieler Mehanen die grössere
Station Aleksinac; die Stadt selbst liegt aber 4 km landeinwärts. Man erblickt
ihre Häuser, den Kirchturm und den hochstehenden Obelisken, den die Russen ihren
1876 an der Seite der Serben gefallenen Landsleuten errichteten. Jeder Schritt
Boden weiter südlich ist mit Blut getränkt; doch sind die Kriegswunden äusserlich
nicht mehr sichtbar. Die freundlich anmutenden Häuser im Talgrunde wurden
mit drei-, selbst fünfbogigen Vorhallen und roten Ziegeldächern wieder aufgebaut.
Allerorten zeigen grosse Zwetschkengärten, riesige Lämmer- und Truthühnerherden,
dass hier der Boden seiner fleissigen Bevölkerung gut lohnt. Bei dem alten
Grenzblockhause Supovac setzt der Schienenstrang über die Morava und
durchschneidet die vorgeschobenen Forts und das Vorglacis mit den grossartigen
neuen Kasernen -Pavillonbauten der Geburtsstadt Konstantins des Grossen. Im
V. Kapitel findet man sie, das heutige Nis, im VII. Kapitel seine Umgebung
geschildert.
Nis' grosse Bahnstation bildet den Abzweigungspunkt für die Linien nach
Salonik und Konstantinopel. Hier befinden sich die Werkstätten für die Erhaltung
') Slarinar, VII, S. 45.
Von Bolyrad zur bulgarisch-türkischen Orcnze mit der Fiahii. 545
des Bahnkörpers und rollenden Materials. Zwischen Nis und Bcijj;rad verkehren
gegenuiirtii; drei Züge. •) Der Personenverkehr bdtrug 1906: 627 930 Passagiere, die
Frachtenbevvegung 4 753300 Meterzentner; die Einnahmen aus beiden brachten
1906 nahezu 5 710000 d.
2. Nis — Zibevce (Salonik).
Im Frühjahre 1888 ward das mitteleuropäisciie Baiinnetz mit Salonik durch
die 122 km lange Linie Nis — Vranja verbunden. Diese ist reich an pittoresken
Punkten. Nahe bei der auf S. 174 geschilderten Schlossruine Kurvingrad über-
setzt die Vranjaer Linie die Morava und gleich darauf die Toplica, um in
der breiten Ebene, mit Berührung der einträglichen E.xportstation Pecenjevce,
das freundliche Leskovac, den Stapelplatz des dardanischen Hanfhandels, zu
erreichen, dessen Bedeutung ich im IX. Kapitel würdigte. Dort findet man auch
die Geschichte und interessanteren Bauten dieser Stadt besprochen, ihre weithin
in die schöne Landschaft leuchtende hochliegende Kuppelkirche beherrscht das
reiche flache LIniland, dessen interessantere Punkte die Leser bereits kennen
lernten.
Zwei Stunden südlich von Leskovac tritt der Schienenweg in die ürdelicka
Klisura ein, deren linksuferige Steilhänge ihn, wie früher die römische Heerstrasse,
zum Übergang auf das rechte Moravaufer zwangen. In diesem strategisch
wichtigen, von dünnplattigen Glimmerschiefern konstituierten Defilee sieht man
auf dem linken Ufer, am Einfluss der Kopasnica, ausgedehnte Ruinen einer alten
Stadt, genannt „pazariste", auf dem rechten an der Kozarska reka -Mündung
und auf dem südlichen Berge bei Dedina Bara auch Reste von Kastellen, welche
die Anwohner mit dem „lateinischen" Zaren Konstantin in Beziehung bringen-
Sie hatten die von Turres (Pirot) auf den Thessalonicher Heerweg übergehende
Römerstrasse zu schützen. Andere Kastelle befanden sich am iinksuferigen
720 m hohen Jasenovac bei Grahovo, SW. von Padez und NW. von Zebince auf
der Kukavica. Eine Sage erzählt, dass die Türken das Schloss an der Kozarska
reka erst bezwingen konnten, nachdem sie seinen „lateinischen" Verteidigern
das Wasser abgeschnitten; diese flüchteten nach dem ürahovicafelde, wo sie
eingeholt, niedergemetzelt oder zu Sklaven gemacht wurden. Das Feld heisst
seitdem „Robin Delo" (Sklavenfeld) und blieb eine grosse Grabstätte. Zu jener
Zeit sollen auch zwei alte Kirchlein in und bei dem nahen Slatina zerstört
worden sein.
In der günstigen Position bei Donja Kopa.snica versuchten die aus der
Umgebung von Leskovac vertriebenen Türken und ;\rnauten im Januar 1878 die
vordringenden Serben aufzuhalten. Am 20. Januar verlor die vom Major Milovan
Paviovic befehligte Artillerie ein Geschütz, das aber nach heissem Kampfe zurück-
gewonnen wurde. Am nächsten Tage kam es zur Entscheidung und wurden die
Mosüms südlicher, bei ürdelica, durch den Oberst Nicifor Jovanovic entscheidend
') Ausserdem verkehren zwischen Beigrad und Nis {Konstantinopel) wöchentlich drei
„Blitzzüge".
F. KANITZ, Serbien. M. 35
54(5
Von 15clgrad zur bulgarisch-türkischen Grenze mit der Balui.
auf der kurzen Strecke zwischen
letzterem befand sich am Manastirski
Nacii der Tradition töteten seine
mit seinem Gefolge. Ein .glücklich
geschlagen und gegen Vranja zurückgedrängt. Die Serben verloren in diesen
Gefechten 54 Tote und 242 Verwundete.
Zweimal kreuzt die Schienentrace
Grahovo und Repiste die Morava. Bei
potok das grosse Kloster Sv. Nikola.
70 Mönche einen hier lagernden Pascha
entkommener Jüngling kehrte an der Spitze einer über den Verrat erbitterten
Türkenschar zurück, welche alle Mönche des in Brand gesteckten Klosters
ermordete; mehrere Vertiefungen im Boden bezeichnen ihre Gräber.
Von dem rechtsuferigen Susevje streicht ein bisher nicht aufgeschlossenes
Steinkohlenlager zum jenseitigen Mrtvica hinüber. Einige Kilometer weiter
fesselt im südlichen Defileeteil, in dem durch eine mächtige Revolution chaotisch
durcheinandergeworfenen, von Buschwerk durchwachsenen Felsgewirr, das auf
dem rechten Moravaufer weiss in des Himmeis Bläue starrt, ein Monolith, der
„Devojkin Kamen" (Jungfraustein), unsere Blicke. Das Volk erzählt von ihni
in verschiedener Weise folgende Sage. Einst zogen
christliche Mädchen des nahen Dorfes Dupljane zum
Fluss, um Wache zu bleichen. Eins blieb länger zurück.
Die besorgte Mutter sucht und findet ihre Tochter
schwatzend mit vorüberziehenden türkischen Soldaten.
Vergebens mahnt sie jene, nach Hause zu eilen. Da flucht
ihr die Mutter: „Dass Gott Dich in Stein verwandle!",
was sofort geschah. So steht das Mädchen mit der
Wäsche auf dem Kopfe versteinert da für alle Zeiten,
und das Defilee hiess fortan bulgarisch „Moniina
Klisura", albanesisch „Dzepa", türkisch „Kis derbend",
was gleichfalls „Mädchenpass" bedeutet.
Durch einen Tunnel schneidet die Trace eine
bedeutende Flusskurve ab, geht sodann auf das ihr
geringere Schwierigkeiten entgegensetzende linke Ufer
über und erreicht die wichtige Station Vladicin Han,
bei der man eine lohnende Aus-
sicht in das jenseitige reiche
Vrla- und Masuricatal gewinnt.
Die in dasselbe über Altserbien
eingedrungenen Amanten sie-
delten dort bis 1878 in elf
Dörfern, emigrierten aber nach
dem Übergange dieses Ge-
bietes in serbischen Besitz und
wurden seitdem durch serbische
Einwanderer ersetzt.
Landschaft und Orte dieser
Der .Mom.n Kamen. ii" IX. Kapitel geschilderten
Vom Belgrad /.iir bulgarisch-Iiirkischcn ürciuc mit tfur Bahn. r)47
Strecke bis V'raiija traj^en unwirtlichen Ciiarakter. Unterhalb der Station Pribuj
wechselt die Linie wieder das Ufer und gelani^t zur Haltestelle, von welcher
man das berühmte Vranjska Bau ja, eine der heissesten europäischen
Thermen mit 85" C, in einer Stunde erreicht. Nochmals kreuzt die Bahn den
Fluss, läuft am Fusse der jenseits 1251 m aufragenden Placevica hin, welcher
i^egenüber die 1 196 m hohe Krstilovica erscheint. Zwischen beiden erscheint
Marko Kraljevics berühmte Hochburj^ (S. 250), doch die einst durch sie
beschützte, eine halbe Stunde von ihrer Bahnstation entfernte Stadt Vranja
entzieht eine sie deckende Vorhöhe gänzlich unserem Blicke. Dafür tritt
gegen W. die weisse Ljubotinspitze des Sargebirges in Sicht, die Grisebach 1839
barometrisch mit 2500 m berechnete, die Generalkarte des k. k. milit.-geogr.
Instituts trotzdem aber, unaufgeklärt auf welcher Grundlage, 1870 irrig mit
3050') m verzeichnet, wie sie fortan nahezu auf allen Karten als höchste der Balkan-
lialbinsel erschien, bis Cvijic 1890 anlässlich seiner Besteigung des Ljubotin
ihre Höhe auf 2740 m feststellte, was neuere Messungen auf das schon von
Grisebach vor 60 Jahren bestimmte Mass -von rund 2500 m erniedrigten -),
so dass der alte Göttersitz, der griechische Olympos (2973 m), wieder den
ersten Rang unter sämtlichen Bergen zwischen iler Save, Adria und dem F^)ntus
zurückgewann.
In einer Stunde erreichten wir auf der schon geschilderten letzten kurzen
Strecke die Grenzstation Ristovac-Zibevce. Sie liegt schon auf türkischem
Gebiet. Hier wurde am 19. Mai 1888 im Beisein zahlreicher geladener Gäste
die letzte Schiene zu Belgrads Verbindung mit Salonik feierlich gelegt. Das
moslimische Zeremoniell war sehr originell. Auf den Schienen wurde ein Hammel
rituell geschlachtet, und ein Imam rief Allahs Segen auf das vollendete Werk
herab. Die Stationsgebäude sind unbedeutend, die türkischen Trains werden mit
orientalischer Bedächtigkeit zusammengestellt, die Pässe genau revidiert. Während
die serbischen Beamten meist deutsch oder französisch sprechen, kann man sich
den sie ablösenden Türken nur durch das übliche Backschisch verständlich
machen. Das charakteristische „Javas, javas!" beschwichtigt Ungeduldige. Alles zeigt
stark asiatischen Zuschnitt. Ein Schritt über die serbische Grenze, und man fühlt
sich auf der Schwelle zwischen Occident und Orient!
In den ersten Betriebsjahren gab es keinen direkten Zug von oder nach
Salonik; die Reisenden mussten mit grossem Zeitverlust im primitiven Han
zu Zibevce übernachten. Seit 1890 wurde diesem empfindlichen Übelstande
abgeholfen. Direkte Züge verkehren zweimal täglich in jeder Richtung, und
seitdem hob sich der anfänglich äusserst geringfügige Verkehr. 1898 betrug die
Personunfrequenz der Strecke Nis — Zibevce 215500, die Frachtenbeförderung
1434400 Meterzentner; demnach höchst bescheidene Resultate gegenüber den
sanguinischen Erwartungen, welche an die Eröffnung des Belgrad -Saloniker
Schienenwegs geknüpft wurden.
') S. Fussnote auf S. 121.
') Mitt. d. k. u. k. milit -gcogr. Inst., XVIII. Bd , S. 97. Wien 1898.
35*
r)4S
Von Belgrad zur bulgariscli-türkischeii Grenze mit der Bahn.
3. Nis — Caribrod (Konstantinopel).
Auch diese am 1. August 1888 eröffnete Strecke erfüllte nicht die gehegten
überschwenghciien Hoffnungen. Es verkehren nun täglich drei Passagierzüge und
wöchentlich drei „Bützzüge" in jeder Richtung. Die Zahl der Reisenden hob
sich schon im ersten Betriebsjahre, ebenso der Frachtenverkehr.
So reich auch die Nis-Vranjaer Linie an landschaftlichen Schönheiten ist,
steht sie an pittoreskem Reize weit zurück hinter der Nis-Piroter Seitenlinie.
Insbesondere ist das 7 km lange Nisava-Defilee zwischen Banja und Bela
Palanka ein wahres Schatzkästlein hochromantischer Felsszenerien; Geschichte,
Sage und Mystik leihen ihnen erhöhtes Interesse. Die geradlinig aufsteigenden
BANJA. Suv;i Piariiiia von der Nis.i\a-BahnbriKkc i^eiehen.
Kalkmauern rücken dort so eng zusammen, dass der über die Felssohle
hinbrausende Fluss ihren Fuss benagt und die Römer es vorzogen, ihre Strasse
hoch über die Berge zu führen. Der modernen Ingenieurkunst war es vorbehalten,
den sich türmenden natürlichen Schwierigkeiten durch grossartige Felssprengungen,
hohe Stützmauern, Brücken und sechs, oft in Kurven angelegte, 40—250 m lange
Tunnels die Bahn für den Schienenstrang abzuringen. Die häufigen, jede Aussicht
hindernden Felssporne machten die Anlage von 30 Wächterhäusern zwischen
Nis und Bela Palanka notwendig; die Wächter erhalten nur 55 Franken monatlich
trotz ihres, der häufigen Steinabstürze wegen s§hr verantwortlichen, schwierigen
Dienstes.
Nachdem der Schienenstrang von Nis die östlich sich dehnende Ebene
parallel mit der geradlinigen Konstantinopeler Strasse bis zur Station „Warmbad
Banja" durchschnitten und dann bald darauf die Nisava gekreuzt, biegt er
zwischen Prosek und Malca in ihr von braunroten Tonschiefern, Sandsfeinen
Von Belgrad zur bulgarisch-türkischen Grenze mit der Bahn.
549
und tjraucn Kalken konstituiertes, 10 km langes Defilee ein, dessen viel-
gekrüinnitem Laufe mit allerorts rauschenden Kaskaden seine Trace sich in
Schlangenwindungen anschmiegt. Ihre vortreffliche Anlage und Durchführung
gereicht dem deutschen Ingenieur Kapp zu hoher Ehre.
Unter den vielen pittoresken Punkten, welche den Reisenden fortwährend
beschäftigen, dürfte wohl Sicevo die Palme gebühren. Vor, neben und unter
dem hochliegenden Dörflein lugen allerorten, zwischen Weinreben, Nussbäuincn,
l'elsen und Giessbächen eingebettet, die Ruinen von Schlössern, Klöstern und
Kapellen hervor, an welche sich mannigfache Sagen knüpfen. Nahe bei der
Station erscheint links ein hoher quadratischer Turm mit starken Mauern, gleich
darauf ihr gegenüber, unter den Steilmauern des 610 m hohen Kusaca, das
SICEVO. Vavcdcnje Sv. Bogoro
Kloster „Vavedenje Sv. Bogorodice", ein Kirchlein, dessen köstlich mundender
QueU die Niser anzieht, weil er grosse Heiltätigkeit besitzen soll. An Feiertagen
liest der Sicevoer Pope in der 1648 geweihten, 1875 restaurierten, mit Fresken
geschmückten Kirche die Liturgie.
Etwas weiter erblickt man auf dem rechten Flussufer, unfern von Sicevo,
die Ruinen des Klosters Trnova Sv. Petka, dessen Sabortag noch heute die
Bevölkerung ringsum anzieht. Einst ward es an solchem Festtage währenti des
Gottesdienstes überfallen, und als man später nach dem Schmucke der unter
den Trümmern begrabenen Bräute suchte, fand man sie in Mühlsteine verwandelt.
Glaubhafter erscheint die Sage, welche dem „Jankulov Zbeg", unfern der starken
Burgmauern auf der Slabica, anhaftet. In unruhigen Tagen pflegte die Rajah in
diese unzugängliche Wildnis zu flüchten. Ihre moslimischen Bedränger erhielten
Kunde, dass dort viele christliche Familien weilten, mid brachen auf, um sie
leibeigen zu machen. Der Weg führt über einen nur für eine Person Raum
gebenden Steilpfad. Auf diesem tötete der beherzte Bursche lankulo den ersten,
550 Von Belgrad zur bulgarisch-lürkisclien Grenze mit der Bahn.
zweiten und mehrere nachfolgende Türken. Als deren Genossen das ihnen
drohende Schicksal gewahrten, machten sie kehrt, und die Örtlichkeit tru^ fortan
Jankiilos Namen.
Über die Zerstörung des benachbarten Klosters Sv. Uspenijc auf dem
Gradac erzählt das Volk: Seine Mönche hätten vor etwa zweihundert Jahren
eine schöne, junge Braut entführt. Lange suchte sie ihr Bruder vergeblich; als
er aber an einem Sonntage zur Kirche ging, da fiel aus einem Fenster des
Klosterkonaks ein Frauenschuh herab, den er sogleich als jenen der Gesuchten
erkannte. Die Mönche verleugneten sie. Die türkischen Nachbarn, an welche
sich der aufgebrachte Rächer der Ehre seiner Schwester wandte, befreiten wohl
diese, töteten aber die Mönche und zerstörten das ausgeplünderte Kloster.
Alle diese durch mehr oder weniger romantisch gestaltete Legenden inter-
essant aufgeputzten Werke der Menschenhand verschwinden aber neben der
vom 941 m hohen Oblik und 1327 m aufragenden Ples gebotenen Szenerie, durch
welche die Lokomotive nur allzu rasch uns führt. 200 m abstürzende Steilwände
mit Felstoren, dazwischen kleine Einschnitte mit wilden Birnbäumen, jungen
Buchen, Eichen, Ahornen und Niederholz durchwachsen. Hier ein tosend
abstürzender Giessbach; dort scheinbar unnahbare Hfihlen, in welchen man
trotzdem bei Sicevo unter einer jüngeren Schicht mit Resten von Menschen und
Tieren auch ältere, gemengt mit Knochen von Ursus spelaeus, fand. Auch am
„Popov Stub" des rechtsuferigen Gradiste gibt es derartige, nur mit Lebens-
gefahr nahbare Höhlen, welche sich aber gerade deshalb für die mit allen Wegen
und Stegen vertraute christliche Bevölkerung während der bösen Türkenzeit zu
Verstecken eigneten. Wieder setzen wir über den lärmend im eingezwängten
Felsbette sich hinwälzenden, bald lichtgrünen und stellenweise von dem
mitgerissenen Rotliegenden dunkel gefärbten Fluss. An einigen steilgeböschten,
durch Erosion in Bewegung gebrachten Schutthalden sieht man in kurzen
Abständen etagenartig aufgeführte starke Mauern zum Schutze der Bahnlinie
gegen hier häufig abrollende Felsstücke. Bei Dolap und Crveni Breg krönen
einzelne Kalkmassen türm- und burgartig die Höhen; so der „Suplji Kamen",
neben dem wir hinaus in das sich verbreiternde Tal von Bela Palanka gelangen.
Von dem südlich aufsteigenden Goles der hier wieder hervortretenden
Suva Planina hebt sich das stetig wachsende nette Städtchen hell ab. Oben
liegt inmitten der es dominierenden Schanze ein weisses Pulvermagazin, unten,
hart am Bahndämme, sieht man die während seines Baues freigelegten Fundamente
grosser römischer Gebäude, und am Fusse der rebenbepflanzten Höhen, wo
die Balkanstrasse sie durchschneidet, erscheint das Denkmal, welches den bei
der Befreiung Bela Palankas gefallenen Kriegern errichtet wurde (S. 202).
Seine interessante Vergangenheit, türkische und heutige Physiognomie schilderte
ich im VIII. Kapitel.
Aus der vom Sv. Nikola- Balkan und den Vorbergen der Suva Planina
umrahmten Tiefebene von Bela Palanka, über dessen Neubauten einige Türme
des zerstörten Türkenschlosses emporragen, führt uns der Schienenweg in das
freundliche östliche Defilee der Nisava, zwischen Wein zeitigende Vorhöhen des
Von Belgrad zur bulsjarisch-tiirkischeii Grenze mit der Bahn.
ö-)]
Balkans auf ihrem
rechten und den
oft sterilen Bela-
vahängenauf dem
hnken Ufer. Beim
Kirchlein Sv.Otac
und dem jenseiti-
gen 477 m hoch
liegenden Römer-
kastelle vor Sinjac
kreuzt die Trace
den in starken
Kurven sicli hiii-
wälzendcn Fluss.
Ausser der vor-
genannten Heilstätte arbeiteten hier in alter
Zeit noch mehrere, nun in Ruinen liegende
kleine Klöster.
Das sich stetig verbreiternde Tal er-
scheint bei Stanicenje gut bebaut. Dieses
ansehnliche, geschlossene Dorf entstand auf
dem Schutte abgestürzter Kalkfelsen; die
hier nahezu senkrechten Belavahänge kenn-
zeichnen unverwischt die Ausdehnung der
furchtbaren Katastrophe. Vom Bahnhofe
geht es bald über die Temskabrücke. Von
ihren fünf Bogen wurden zwei zerstörte
durch einen Holzbau ersetzt; sonst konnte
ich von dem 1871 zuerst in Karte gebrachten
Tale von der Bahn aus nichts mehr erspähen.
Und doch ist es, wie ich im VIII. Kapitel zeigte, voll landschaftlicher Schön-
heiten und reich an geschichtlichen Erinnerungen. Eine vom Belavagebirge
nördlich vorspringende, von der Nisava umflossene Nase machte einen Tunnel
und zwei Brücken hier notwendig. Hart am Rechtsufer hinfahrend, gelangen
wir nun im ebenen Plane zum netten Bahnhofe von Pirot. Die von einer
dreikuppeligen Kirche überragte freundliche Stadt wurde im Occident durch
ihre prächtigen Teppiche wohl bekannt. Ihre Eroberung im serbisch-bulgarischen
Kriege und der durch das energische Eingreifen des Grafen Khevenhüller rasch
abgeschlossene Wc-*ffenstillstand bildeten die letzten Episoden des von Kriegen
oft heimgesuchten Pirot (Vlll. Kap.).
Hart bei der im Pavillonstil erbauten grossartigen Kaserne kreuzt der
Schienenstrang die Nisava und läuft in südöstlicher, schnurgerader Linie bis zur
Grenze auf dem Linksufer des mit prächtigen Feldern, Obst- und Weinkulturen
bedeckten Alluviums ihres breiten Beckens. Auch der Belgrad-Konstantinopeler
Das Fcisentor.
552
Vüii Belgrad zur bulgarisch-türkischen (Ireii/.c mit der Halm.
HccTwcti; nahm gleiche RichtuiijJ. Noch
im 16. Jahrhundert sah Sciiweigf^er
Seine Trace. Ergötzlich sind die
Bemerkungen der Reisenden über
den Ursprung dieser alten „gebauten"
Strasse. Sie wird dem „Hunnen-
führer Attila oder einem ungarischen
König" zugeschrieben „und soll von
Ofen bis Konstantinopel gereicht
haben, von den Türken aber zum
Bau ihrer Städte teilweise zerstört
worden sein". Vor der Sukovska
reka-Alündung sind N. von Gradiste
noch Reste eines Römerkastells und
beim westlichen Jalboti na jene eines
/weiten erhalten. Nahe der serbischen Bahn-Zollstation
bukovo, wo die Bahn heute den gleichnamigen Bach
kreuzt, bemerkte der Venezianer Katarin Zeno die
Mauern einer alten Stadt. Südwestlich liegt unter
dem Westhange des 642 m hohen Carev Kamen
das „Sukovski manastir", welches der fromme
Krupacer Landmann Viden gemeinsam mit dem
Popen Jovan 1859 zu Ehren der „Himmelfahrt
Mariens" erneuerten. Die Heilstätte hat keine Pfarre,
erfreut sich aber grossen Zuspruchs, seit die 1878
gezogene Grenze den serbischen Talbewohnern den
Besuch des höher liegenden, jetzt bulgarischen
Klosters Sv. Nikola erschwert. Der Archimandrit
des wohlhabenden Klosters Sukovo bewirtschaftet
mit einem Mönche das aus 27 Hektar Feldern und Wiesen, 5 Hektar Obst- und
Weingärten, 45 Hektar Wald, 1 Mühle, 1 Walke und gutem Viehstande bestehende
Klostergut, dessen Ertrag die 2400 d erfordernden Ausgaben übersteigt.
Kaum 4 km von der Sukovska reka-Brücke erreicht der Schienenweg im sich
verengenden, von grauen Kalken und petrefaktenreichen Sandsteinen begrenzten
Nisava-Defilee die bulgarische Grenze. Östlich von dieser sieht man auf der
„Paska Sija", bei dem früher gleichfalls so genannten Dorfe Milojkovac, die
Ruinen eines antiken Kastells, das mit der nach dem Itin. Hieros. 12 Millien von
Turres (Pirot) fernen mutatio Translitae identisch sein dürfte, falls sie nicht etwas
nördlicher an der Sukovska reka-Brücke lag. Die 10 Millien weiter folgende mutatio
Ballavstra lag schon auf heute bulgarischem Boden, und ebenso die nächste
Mansion Meldia, welche ich bei dem im November 1885 berühmt gewordenen
Dragoman bestimmte.') Auf der ganzen Strecke von Pirot bis Slivnica begleiten
Nisnv.i-Tiinnel.
') Donau-Bulg u. d. Balkan, II. Aufl., III. Bd., S. 205, 24ü.
Von Belgrad zur bulgarisch-türkischen Grenze mit der Bahn. 553
uns zahllose Tumuli, in und bei welchen viele brave serbische und bulgarische
Krieger neben prähistorischen Menschen ihre Ruhestätte fanden. Hoffen wir, dass
es der letzte Krieg zwischen beiden Bruderviiikern war, und dass selbst ihr Streit
um die mazedonische Erbschaft i<einen neuen zwisciien ihnen entzinulen werde.
4. Durch die regulierten Katarakte zum „Eisernen Tor"-Kanal.
Im, ersten und in diesem Bande verfolgten wir die unter den Kaisern
Tiberius und Trajan in die Felsen des rechten „Danubius"-Ufers gesprengte,
115 km lange Strasse, bewunderten Apollodorus' riesige Steinbrücke bei Turn-
Severin, und bei Sip den antiken Kanal, durch welchen Rom seiner Flotte das
„Fiserne Tor" stets offen hielt. Seif dieser weit zurückliegenden epochalen
lätigkeit geschah aber bis 1830 nichts, um die Donau ihrer natürlichen Mission
gemäss zur grössten und billigsten Verkehrsstrasse für den Occident nach dem
Orient zu gestalten.
Das „Eiserne Tor" schied durch Jahrhunderte die ungarische von der
türkischen Donau; Orsova deckte den oberen, Vidin den unteren Strom. Bei
militärischen Operationen gegen diese festen Plätze war der Wasserstand am
„Eisernen Tore" stets massgebend für die Verwendung der österreichischen
Galeeren und türkischen Kriegsschajken. Deshalb betrachtete die Pforte die
Katarakte als natürlichen Schutzwall gegen das stärkere Österreich und wies alle
Vorschläge zu ihrer Regulierung unter nichtigsten Vorwänden beharrlich zurück.
1835 verwarf sie Baron v. Stürmers bezügliche Anträge, und 1870 andere, weil sie
für ihr Schosskind, die Rustschuker Dampfer-Kompanie „Azizieh", eingebildete
Gefahren erblickte. Österreich-Ungarn feindliche äussere Einflüsse nährten diese
Bedenken; denn nur so war der zuletzt vorgebrachte, geradezu absurde Einwurf
türkischer Kommissare zu erklären: die Anlage eines Schiffahrtskanals im „Eisernen
Tor" würde eine permanente Überschwemmungsgefahr für Vidin bedeuten. Nachdem
es den österreichischen Unterhändlern gelungen, diesen ernsten oder vorge-
schützten Wahn zu zerstören, bereiteten Rumänien und Serbien, welche die' zu
regulierende Wasserstrasse hauptsächlich berührt, neue Hindernisse. Die auf
ihre Autonomie eifersüchtigen, ihre Donauufer durch Militärkordons bewachenden
jungen Staaten wollten durchaus bei den Unterhandlungen durch vollberechtigte
Kommissare vertreten sein, wogegen die hohe Pforte als Suzerän protestierte.
Stets dringender aber forderte der wachsende mitteleuropäische Orienthandel,
sowie der an den ungarisch-serbischen Kataraktgestaden sich kräftig entwickelnde
Bergbau und die leichtere Verwertung ihrer reichen Forste die langverzögerte Besei-
tigung des „Eisernen Tores", und dies um so kräftiger, als Väsärhelyis Sondierungen
sämtlicher Katarakte schon 1834 das Märchen von ihrer undenkbaren Schiffbar-
machung — das zur Anlage der kostspieligen Szcchenyistrasse geführt — beseitigt
hatte. Seine trefflichen Arbeiten spornten zunächst die Donau-Dampfschiffahrts-
Gesellschaft an, auf eigene Kosten die selbst bei hohem Wasserstande gefährlichsten
Klippen sprengen zu lassen. Schon 1834 verausgabte sie 17 800 fl. für die
Beseitigung von 530 Kubikklaftern festen Gesteins im Greben-Defilee, also
554 Von Belgrad zur biils^nriscli-tiirkisclicn Grenze mit der Balin.
durchschnittlich 33 fi. per Kubikkiafter. An diesen bis 1866 fortgesetzten
Arbeiten beteiligte sich 1854, zum Zwecke des leichteren Truppentransports nach
der okkupierten Walachei, auch die kaiserliche Regierung. Durch 46 Minen
von 20 Zoll Tiefe und 2 Zoll Starke wurden 1856 für die eigens bei Blyth in
London erbauten Dampfer „izlaz" und „Tahtalija" (mit je 2 Maschinen und
4 Rädern), welche die oberen Katarakte bei nur 3' 5" befuhren, zwei Felsenriffe
im „Eisernen Tore" beseitigt und ihnen seine Passage selbst bei nur 4' 2" am
Orsovaer Pegel, welcher als 1834 beobachtetes niedrigstes Wasserniveau zur Basis
aller in Karte gebrachten Stromtiefen diente, ermöglicht.
Vasärhelyis eminente Arbeiten bildeten auch die Grundlage für die Regu-
lierungspläne der hervorragenden Hydrotechniker Pasetti, Wex-Dinelli, Mac Alpine,
Marchetti u. a. Er selbst empfahl die Umgehung der vier gefährlichsten Riffe:
Izlaz, Tahtalija, Juc und Pregrada mittels horizontal eingedämmter, an den Aus-
gängen abwärts mit Kammerschleusen versehener Seitenkanäle, ferner die Herstellung
solcher mit durchfliessendem Stromwasser und ohne Schleusen an der Stenjka- und
Grebenbank, endlich die Verbesserung der Fahrrine mittels Schutzbauten an den
minder gefährlichen Kozia- und Dojke-Riffen.
Mit Benutzung dieser und neuerer Vorschläge gelangte das Departement für
Strassen- und Wasserbau im Wiener Handelsministerium nach langen technisch-
ökonomisch-kommerziellen Erwägungen zur Annahme eines kombinierten Projekts,
das in der Anlage eines Schiffahrtskanals am rechtsseitigen Ufer gipfelte. Es
wurde damit motiviert: weil die Schiffahrtslinie im Strombette ober- und unterhalb
des „Eisernen Tores" in der beiderseitigen Verlängerung der Kanalrinne liege;
weil das Absturzgefälle in diesem geschlossenen Kanal auf eine angemessene
Strecke sich verteilt, mithin auch die Geschwindigkeit der Wasserströmung
vermindert würde; ferner, weil die Herstellung des Kanals keine besonderen
Schwierigkeiten böte und sein Gelingen in kürzester Zeit sicher erwartet werden
dürfe. Die Kosten für sämtliche Arbeiten veranschlagte der k. k. Bau-Inspektor
Wex auf 4 A\illionen Gulden Ö. W.
Dies war alles, was bis 1870 in Wien geschah. Seit dem Pariser Frieden
hielt man dort nämlich an der Ansicht fest: die Beseitigung des „Eisernen Tores"
müsse, gleich der Sulina-Regulierung, als internationale Angelegenheit betrachtet
werden, und die in zahllosen Kommissionen erörterten Projekte wanderten auf lange
Zeit nach den Archiven! — Die Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft besass aber
ein zu vitales Interesse an der Lösung der „Eisernen Tor"-Frage, als dass sie
dieselbe ruhen lassen konnte. 1872 bildete ihr Direktor von Cassian mit dem
ungarischen Minister Trefort und dem Wiener Bankier Samson ein Konsortium,
das durch den berühmten Erbauer des Erie-Kanals, Mac Alpine, ein neues Projekt
für die Regulierung der Katarakte entwerfen Hess. Es basierte in der Haupt-
sache auf dem Schleusen -System und erschien so praktisch, dass einige
Kapitalisten die Mittel zu seiner Durchführung gern anboten. Nun raffte man
sich in den offiziellen Bureaus wieder auf und entsandte 1873 eine internationale
Kommission, bestehend aus österreichisch-ungarisch-türkischen Ingenieuren und
Donau-Dampfschiffahrts-Beamten, welche nach langen Beratungen einen Vorschlag
Von Belgrad zur bulgarisch-türkischen Grenze mit der F^nhn. 555
ausarbeitete, der die gesamten Aiisführiingskosten mit Hi Millionen Franken
feststellte.
Der 1876 aiisgelirociiene serbisch-türkische Krieg vereitelte leider die schon
nahe Vervvirklicluing des aiicli von mir freudig begrüssten , eifrig geförderten
Projekts. Wieder gingen mehrere Jahre ins Land, da kam 1879 die verheerende
Theiss- Überschwemmung, welche die ungarische Regierung veranlasste, eine
[Inquete ausländischer Wasserbau-Ingenieure zu berufen, die gleichzeitig auch
ihr Gutachten über das Regulierungs-Projekt der unteren Donau-Katarakte vom
Jahre 1874 abgeben sollte. Im Herbste 1883 traf ich in Orsova von der
ungarischen Regierung entsendete Ingenieure mit der Lösung dieser schwierigen
Aufgabe beschäftigt; auch wurden Versuche mit Oberst Lauers neuer Sprengpatrone
gemacht, welche überraschend günstig ausfielen.
Seit diesem letzten staatlichen Anlaufe bildete das „RiserneTor" lange wieder
ein stehendes Diskussionsthema in verschiedenen Wiener Vereinen, in welchen
die von mir in einem am 27. Januar 1874 in der Wiener Geographischen
Gesellschaft gehaltenen Vortrage berührten einschlägigen Daten und tlie schon
früher in meinem „Serbien" (1868) ausgesprochene Mahnung wiederholt oder
variiert wurde: „Sollen die Seestaaten England und Frankreich die mitteleuropäische
Produktion nicht ganz vom orientalischen Markte verdrängen, und die höherer
Kultur und vermehrtem Konsume zustrebenden reichen Länder am Schwarzen
imd Kaspischen Meere nicht länger dem Konstantinopeler Zwischenhandel tributär
bleiben, so erscheint es unabweisbar, dass dem mitteleuropäischen Verkehre eine
möglichst unbehinderte und billige Strasse nach den Häfen Samsum, Trapcznnt,
Rescht und Poti schleunigst eröffnet werde. Dieser grosse und von allen Banden
befreite Verkehrsweg kann aber kein anderer sein, als der durch seine Nebenflüsse,
sowie durch ein richtig kombiniertes Eisenbahnnetz mit seinen Hinterländern in
Verbindung gesetzte Donaustrom. Verstehen die Regierungen der Donaustaaten
ihre Aufgabe, besitzen sie den weiten Blick, über augenblickliche Bedrängnisse
hinweg ihre handelspolitischen Interessen zu fördern, dann werden die Barrikaden
an der unteren Donau nicht länger mehr auf einen Trajan warten, und die Nachwelt
wird dieselben mit ihrer traurigen Wirkung auf Kultur und Verkehr nur aus den
zeitgenössischen Schilderungen kennen lernen. Möchte dieser Moment nicht fern sein!"
Zehn Jahre später strich der Berliner Vertrag die Türkei definitiv aus der
Reihe der Donaustaaten, betraute gleichzeitig im 57. Artikel Österreich-Ungarn
in bindender Weise mit der Beseitigimg aller Schiffahrtshindernisse des unteren
Stromlaufs und berechtigte sie, wie schon früher der Londoner Vertrag vom
13. März 1871, als Kostenersatz zur Einhebung einer Tonnenta.xe von das „Eiserne
Tor" passierenden Schiffen. Nach langen Verhandlungen übernahm Ungarn die
technische Durchführung, das gemeinsame Ministerium des Äussern das bezügliche
y\rrangement mit Rumänien und dem territorial am meisten beteiligten Serbien.
Im Juni 1888 wurde das von dem tatkräftigen Kommunikations-Minister Baros
eingebrachte bezügliche Gesetz, sowie der mit 6 Millionen Gulden präliminierte,
auf 6 Jahre verteilte Kostenaufwand vom ungarischen Parlamente einstimmig
angenommen.
556 Von Bclf^rad zur bulgarisch-türkisclien Cirenze mit der Bahn.
Wie ich sciioii in der Schilderung meiner Kahnfahrten durch die Donau-
Katarakte im 1. (S. 252) und in diesem Bande hervorhob, bestehen sie aus
drei durcii die klippeniosen breiten Becken von Donji Miianovac und Orsova
getrennten Hauptpartien. Es sind, von dem seichten, einzelne Felsstücke bergenden
„Coronini-Arm" bei Moldova abgesehen: 1. das „Greben-Defilee" zwischen Golubac
und Donji Miianovac, 2. der „Kazan-Pass" zwischen Golubinje und Ogradina,
3. das „Eiserne Tor" zwischen Orsova und Sip. Betrachten wir nun die einzelnen
Katarakte und die grossartigen Arbeiten näher, welche an denselben ausgeführt
werden mussten.
19 km unterhalb Moldova stösst die Schiffahrt bei Golubac auf das erste
Riff, auf die 760 m lange „Stenjka". Der hier 950 m breite Strom fliesst bei
massigem Gefälle ziemlich ruhig, doch bei 0,75 m über Null wird der Verkehr
über diese Felsbank für grössere Boote unmöglich. 15 km abwärts, nahe den
Gutmannschen Kohlenwerken bei Drenkova, folgen die Quarzit-Glinimerschiefer-
Bänke „Kozla und Dojke" im stellenweise auf 340 m veren-gten Flussbette. Das
Gefälle betrug 2,65 m auf 2280 m Lauf, und erst bei 1,60 m über Null konnten
die durchschnittlich 1,60 m tauchenden Dampfer gefahrlos passieren. Hier, am
„Gospodjin Vir" (Frauenwirbel), zeigen in Felsen gehauene römische Votivtafeln,
dass die am rechten Ufer ausgesprengte Römerstrasse unter Kaiser Tiberius im
Jahre 28—30 n. Chr. durch die vierte und fünfte Legion ausgeführt, unter
Valentinian und Titus aber verbessert wurde (1. Bd., S. 204).
9 km weiter ragen unterhalb der dunklen Bivoli (Büffelfelsen) die 1765 m
langen braunroten Quarzporphyr-Klippen „Izlaz" und „Tahtalija", umgeben von
jeder Auswaschung widerstehendem felsitischem Schiefer, 0,95 m. über die 530
bis 950 m breite Stromfläche auf, welche bei einem Gefälle von 2,85 m auf
1900 m an einigen Stellen die Fahrt nur in einem 3,80 m breiten, durch rote
simandra (Bojen) gekennzeichneten Kanal gestatten. Bald darauf, am Greben
(1. Bd., S. 195), mit seinem gegen Svinjica streichenden Riffe, erweitert sich
plötzlich der auf 440 m verengte Stromspiegel gegenüber der Porecinsel auf
2220 m, und das erste Klippen-Defilee findet hier im pittoresken Grebenpylon
seinen Abschluss.
Die zur Beseitigung der skizzierten Schiffahrtshindernisse des Greben-Defilee
geplanten Arbeiten sind grösstenteils mit den von der internationalen Kommission
vorgeschlagenen und von dem erfahrensten Kenner der unteren Donau, Direktor
Marchetti, amendierten Entwürfen identisch. Durch die „Stenjka" wurde ein 800 m
langer, 60 m breiter Kanal geführt, der die Sprengung von 7400 m^ Gestein
erforderte. Der zweite geradlinige, 3500 m lange, durch die „Kozla-Dojkc",
bedurfte der Entfernung von 85 000 m' quarzigen Glimmerschiefers; der dritte,
3800 m lange, von den Riffen „Izlaz" und „Tahtalija" bis zum „Grebenpylon",
wurde durch Sprengung von 47 000 ni' Felsen hergestellt; damit aber das an
letzterem riesige Gefälle vermindert und bei Svinjica der Strom vertieft werde,
schnitt man die Grebennase durch Sprengung von 400000 m • ab und stellte mit
dem gewonnenen Material einen 350 m vom linken Ufer entfernten, das Bett auf
500 m verengenden, 6200 m langen Damm her, dessen Kronenpflaster 68000 m-
I
Von Belgrad zur bulgarisch-türkischen Grenze mit der Bahn 557
beträgt; ferner zur Abhaltung von Querstrümungen zwei i|iicrlautcniic Stiitzdäninie
am serbischen Ufer.
9 km abwärts vom Greben beginnt das zweite Klippen-Defilee. Der das
Donji A\ilanovacer Becken mit dem schmäleren Orsovaer verbindende 6260 m lange
„Kazan" vereinigt in seinen tief eingeschnittenen Schluchten eine Kiille romantischer
Bilder und grossartiger Werke von Menschenhand. Trajans rechtsuferigen Weg-
bauten gegenüber erblickt man die Szechenyi-Strasse mit prächtigen Galerien und
Viadukten, ferner grossartige Sprengungen am Cukar, welche in Anbetracht der
damaligen geringen technischen Hilfsmittel unsere Bewunderung erregen; nicht
leicht hätte sich eine noch würdigere Stelle zur Errichttmg von Denktafehi
für den grossen Imperator und den ungarischen Staatsmaini gefinideii, als im
Kazan mit stellenweise auf 200 m sich nähernden, majestätisch emporsteigenden
Kalkmauern, in deren Spalten unzählige Adler horsten, und an deren Fuss sich
der mächtig hinbrausende Strom sein steilenweise 50 m tiefes Bett grub. Am
oberen, 850 m breiten Defileetore bei Golubinje zieht sich die 530 m lange, aus
Granit, Porphyr usw. bestehende Felsbank wehrartig quer über den Strom hin.
Sein Gefälle beträgt hier 2,40 m auf 1000 m, die Strömung 2,85—3,85 m per
Sekunde, und erst bei 1,60 m über Null war die Fahrt über dieses gefährliche
Riff möglich. Man schuf hier durch Aushebung von rund 32000 m • einen 2 m
tiefen, tiO m breiten und 1300 m langen Kanal und zur Einengung der Fahrbahn
einen 3 m langen Staudamm, der eine Steinbewegung von über 120000 m-
erforderte, mit derartigem Profil, dass er bei mittlerem Wasserstande überflutet und
durch Bojen den Schiffern gekennzeichnet wird. Weiter gibt es im Kazan nur
eine erst bei 3,77 in über Null sichtbare Klippe, der Kaliniki; sonst hatten die
Dampfer im Kazan nur bei hohem Wasserstande stark mit der kaskadenartigen
Strömiuig auf der Bergfahrt zu kämpfen. Das dritte und letzte Katarakten-Defilee,
das eigentliche „Eiserne Tor", beginnt 4 km unterhalb der Festungsinsel ürsova
(Ada Kaleh). 3 knt von der ungarischen Grenze wird dort das Flussbett durch
hohe Felsniauern auf der rumänischen und zwei riesige Waldbach-Schuttkegel
auf der serbischen Seite von 950 auf 600 m verengt. Eine 380 m lange, zum
rechten Ufer hinüberstreichende Felsbank staut hier die nur 0,30—1,60 m über
sie tosend wirbelnde Wassermasse, und die noch ausgedehntere, aus zahllosen
F.inzelklippen bestehende Prigrada drängt einen grossen Teil des Schwalles nach
dem linken Ufer, wo er zwischen dessen Riffen La Recze, Krafjovin und dem
von der Prigrada vorspringenden Cifucki-Kamen in zahllosen Wirbeln und Wider-
strömen mit 3 — 4,75 m Schnelligkeit in einen 115 in breiten und 50 m tiefen Kanal
stürzt. Diese gefährlichste Stelle des „Eisernen Tores" zu befahren, wurde für
Ruderschiffe oft geradezu unmöglich, für Dampfer höchst gefährlich, und bei einem
Wasserstande von nur 2 m über Null musste jede Fahrt über die Prigrada
eingestellt werden. Das in diesem gefährlichsten aller Katarakte ausgeführte
Regulierungsprojekt entfernt sich wesentlich von dem durch Marchetti verfassten
und von der fachmännischen Kommission des Österreichischen Ingenieurvereins
gebilligten Vorschlage. Marchetti empfahl einen Schleusenkanal, da die durch Wex
befürwortete einspurige, 60 m breite offene Fahrrinne die Schiffahrt nur wenig
558
Vom Hclyrad zur luiluariscli-tiirkiscliuii Oifiizc iiill der I5aliii.
fördere und die gegen das Sclileuscnsystem erhobenen strategischen Bedeni<en
alle Projekte gleich berühren. Dagegen gestatte diese kostspieligere Anlage eine
tägliche Passage zu Berg und zu Tal von 20 Convois 100 Schleppern mit
einer halben Million Kilogramm Ladung, ohne zu dieser grossartigen Leistung mehr
als zwei kleine Schranbendampfer mit sechs Personen Bemannung zu erfordern.
An massgebender Stelle beschloss man jedoch, im Einvernehmen mit den
Ministerien des Handels unti des Krieges, einen offenen Kanal mit zwei Dämmen
von 2000, bezw. 2650 m Länge, 80 m Breite und 3 m Tiefe anzulegen, welcher nach
Trockenlegung der Baustelle durch die .'Xussprengung von 380000 in ■ Felsboden,
Der „Eiserne Tor"-Kanal.
etwas nörillicli und parallel vom roinischun, mit elnichaus gepflasterten Böschungen
von hartem Kalkstein angelegt wurde.
im Hinblick auf die grosse Verantwortlichkeit gegenüber der Schiffahrt
und auf die bedeutenden materiellen Opfer, welche gebracht werden mussten,
haben alle an dem grossartigen F^egulierungswerke beteiligten Kräfte mit
hoheiu Ernste und vollem Können seine Ausführung unternommen. Im Herbste
1889 begrüsste ich freudig die bereits allerorts aufgestellten Nivcllierungs-
zeichen der Ingenieure, welche die ungarische Regierung zur Angriffnähme der
riesigen Arbeiten entsendet hatte. 1890 wurden sie damit eröffnet, dass
ihr eifrigster Förderer, der am 22. Mai 1892 im 42. Lebensjahre früh verblichene
Gabriel v. Baros, in Gegenwart der Ressortminister von Österreich-Ungarn
und Serbien eine mit 4000 kg Carboazotinpulver im Grebenpylon vorbereitete
Mine durch elektrische Zündung auffliegen Hess. Dieser bedeutungsvolle Akt wurde
Golubac gegenüber in einem ungarischen Uferfelsen durch folgende Inschrift
verewigt: „Die mit Gesetzartikel XXVI im Jahre 1888 angeordnete Regulierung
der unteren Donau-Katarakte wurde unter der Regierung Franz Josefs i. und
Von Bcl.yKid /.Hl Inil.uariscli-tiirkisclicii (jrcii/.c iiiil dci H;ihii. 559
MiiiistL'r-PräsideiitscIiaft des Grafen Julius Szapary durch den k, unt^arisclieii
Handelsininisler Gabriel Barüs de Velus am 15. September 1890 begonnen. Gottes
Segen walte über diesem Werke und seinen Schöpfern."
Was in den folgenden Jahren von den Autoren des ministeriell genehmigten
Regulierungsplanes und den staatlichen Leitern seiner Durchführung, dem k. Sektions-
rate Hrnst Wallandt, k. Baurate Hoszpotzky, Baudirektor Ruptschitsch und last
not least — von dem Montanisten Ottermann, den Ingenieuren Hugo Luther und
Lemmer, als Vertretern der Berliner Diskontogesellschaft und der Braunschweiger
Maschinenfabrik G. Luther, mit ihrem tüchtigen Technikerstabe geleistet wurde,
um die übernommenen Arbeiten /um bestimmten 'renulii (1895) trotz vieler
unbesiegbar scheinender elementarer Schwierigkeiten zu vollenden, ist schwierig
zu schildern. Nur andeuten lässt sich, dass hier eine Aufgabe unter Verhältnissen
gelöst wurde, wie sie in der Geschichte der Sprengungen auf der ganzen Hrde
einzig dasteht und nach den ersten Resultaten weniger Beharrliche entmutigt hätte.
Beispielsweise zerschellten anfänglich am stahlharten Gestein der Jucbank kolossalste
Mcissel; aus den Bohrkronen brachen während dreier Tage schwarze Diamanten
im Werte von 25000 Mark heraus, und Bohrmaschinen tragende Schiffe blieben
hei niederem Wasser zwischen den spitzen Klippen hängen.
Diese und tausend Hemnuiisse anderer Natur wurden durch bewunderns-
werte Zähigkeit, deutschen Arbeitsmut und Krfindungsgeist siegreich überwuntien.
Bald lieferten die im grossen Stile eigens angelegten Maschinen-, Schiffs- und
Waggonbau-Werkstätten bei Orsova eigenartig konstruierte „Meisselschiffe", deren
iS — lU Tonnen schwere Fallmeissel mit unwiderstehlicher Kraft gewaltige Stücke
von den härtesten Felswänden trennten und die aufragenden Felsspitzen der
Stromsohle zertrümmerten. Auch baute man verbesserte Bohrschiffe, welche mit
12 Maschinen 12 Reihen Zündlöcher in die Felsen trieben und sodann, mit zuverlässigen
Patronen gefüllt, durch gleich viele mit denselben verbundene, in dem elektrischen
Zündapparat auf dem sich entfernenden Schiffe zusammengeführte Drähte nach
Stromschluss gleichzeitig entzündet winden. In dieser Weise wurden Riesenminen
von 3000- 8ÜU0 kg und einzelne, allerdings 32 000 Mk. kostende, von selbst
13000 kg Dynamit zur Explosion gebracht. Das meist durch kleine Ladungen
unter Wasser gewonnene, mittels löffel- und greiferartig gestaltete Förderapparate
heraufgeholte Sprenggut wurde gleich am Orte zur Anlage der Kanal- und
Staudämme verwendet; mit Fallmeissel, Kranen und Greiferkörben ausgerüstete
„Universalschiffe", deren herabgelassene, pendelnd aufgehängte Peilrahmen durch
oben ersichtliche Bewegung noch etwa vorhandene Felsspitzen anzeigten, hatten
allerorts die letzte Reinigung und Ebnung des Strombettes vorzunehmen.
Im Millenniumsjalire Ungarns war das Gigantenwerk in seinen schwierigsten
Partien vollendet. Wahrlich, seit die Römer ihren Staunen erregenden Limes an
der Donau erbaut und der geniale Szechenyi den Dampf auf derselben ein-
geführt, hatten ihre Annalen kein gleich wichtiges Ereignis verzeichnet wie die
pomphafte Feier, mit welcher Kaiser Franz Josef dessen glücklichen Abschluss
am 27. September 1896, im Beisein der Konige von Serbien und Rumänien,
beging. Das herrliche Schauspiel, als der stolze Dampfer „Ferencz Joszef" bei
560 Von Relc;rnd zur biilgari.sdi-tiiil<iscln.'ii Orciizc mit der l^nlni.
blauendem Himmel und unter dem Donner der Geschütze über die ieiclvtf^espannte
Kette in den neuen Kanal einfuhr, wird gewiss allen auf seinem rechten, serbischen
Leitdamme „Salaria" versammelten Zeugen unvergesslich bleiben.
Erst am folgenden Tage aber, als ich auf der vom Kapitän Kreiherrn
V. Merode geführten „Elisabeth" durch die Katarakte bis Semlin ging, die in
diesen bewältigten Arbeiten und am Juc und Greben noch einige der erwähnten
Meisselschiffe usw. am Werke sah, wurde mir so recht klar, was hier menschlicher
Geist in fortgeschrittenster technischer Wissenschaft, befeuert von patriotischem
Pflichtgefühl, Ehrgeiz und denkbar höchstgespannter Willenskraft, den wider-
strebenden Elementen abgerungen hatten. Urteilsfähige Fachmänner rühmten
schon damals die Anlagen am Juc, Greben, Tahtaiija, izlaz, Dojke, Stenjka
und bezeichneten das ganze grossartige Werk als eine bewundernswert gelungene
Grosstat unserer modernen Technik. Nur die berührten bescheideneren
Arbeiten im „Coronini", ferner einige weitere Sprengungen bei Golubac,
Kozla, Pietra negro und longo sollten noch ausgeführt und der Süddamm des
„Eisernen Tor"-Kanals um 600 m stromaufwärts verlängert werden, um das eine
Geschwindigkeit von 4,5 m erzeugende schwallartige Hereinstürzen der Fluten
zu hindern.
Vollendungsfristen und Kostenpräliminarien lassen sich begreiflicherweise für
ein Unternehmen, bei dem, abgesehen von den staatlichen Organen und der
Direktion, 40 Ingenieure, 9000 Arbeiter, 30 Sondier-, Spreng-, Meissel- und
Baggerschiffe, 5 Universalschiffe, 92 Steinprahme, 5 Schwimm- und 3 Fahrkrane,
9 Lokomotiven und 1400 Waggons tätig waren, das eine Felsenbewegung von
rund 1,5 Mill. m' (von diesen die Hälfte unter Wasser) erforderte, und für das
Wasserbau- und A^aschinentechniker erst vervollkommnete Bauapparate erfinden
mussten, niemals ziffernmässig genau vorher bestimmen.
Am 1. Oktober 1898 wurde das mit 6 Millionen Gulden präliminierte, mit
allen Ergänzungsarbeiten aber 18,25 Millionen kostende Werk, dessen Durch-
führung mit Interkalarzinsen eine 45 Millionen Kronen-Anleihe erforderte, von der
ungarischen Regierung in liberalster Weise kostenfrei dem internationalen Verkehr
provisorisch übergeben. Namentlich erfüllte sein Hauptobjekt, der „Eiserne
Tor"-Kanal, dessen Eröffnung etwa 90 mit Getreide für Süddeutschland befrachtete
Schiffe sehnlich am rumänischen Ufer erwarteten, sofort die auf ihn gesetzten
Hoffnungen. Vom Oktober bis Dezember passierten bei sehr kleinem Wasser-
stande schon 1208 Dampfer und 710 Schleppschiffe, welche ohne die Regulierung
gar nicht hätten verkehren können, mit 1 810 000 q. Als erstes schleppte das neue
Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaftsboot „Daniel" ein vollbelastetes Schleppschiff
in 42 Minuten durch den Kanal. Ihm folgte eine ganze Reihe Remorköre mit
1—4 Schleppern. Unter diesen brachten „Vindobona" bei nur 0,82 m Wasserstand
am Orsovaer Pegel einen auf 17 dm getauchten und mit „Europa" am 25. November
bei 0,87 m einen auf 18,25 dm tiefgehenden Schlepper durch den Kanal, dessen
Passage mit grösseren Convois man gleich wenig beabsichtigt hatte, wie
Begegnungen von zu Berg und Tal fahrender Schiffe, weil für erstere der Vor-,
für letztere der Nachmittag bestimmt worden war.
Von Beltjrad zur bulgarisch-türkischen Grenze mit ilcr Bahn. ^^61
So allgemein aber die Anerkennung der grossen Vorteile der glücklich
durchgeführten Donaureguiierung, insbesondere seitens der am Rohprodukfenhandel
stark beteiligten Uferstaaten, so peinlich wurden diese durch die Höhe der von
der ungarischen Regierung am 19. Februar 1899 infolge des Österreich-Ungarn
im Berliner Vertrage zuerkannten Rechtes publizierten und mit 1. Mai eingehobenen
Schiffahrtsgebühren auf der regulierten Strecke Moldova Turn-Severin, ferner
durch die hohe Kanal-Remorkierungstaxe berührt, welche vielfach direkt prohibitiv
erschienen und das grossartige Regulierungswerk für sie illusorisch zu machen
drohten. Am meisten hielt Rumänien seinen Transit- Getreidehandel nach
Deutschland bedroht, da der durchschnittlich früher von üiurgevo — Budapest
64 Kreuzer per q betragende Frachtsatz durch die oktroyierte Gebühr um 1 1 Kreuzer,
also nahezu um 18»/,, erhöht wurde, welches schädigende Verhältnis sich auf
weitere Distanzen wohl ermässigte, doch niemals ganz ausglich.
Das Schiffsgebühren- und Remorkierungstaxen-Normaie für die von Ungarn
regulierte Donaustrecke verordnet:
§ 1. Die den regulierten Stromabschnitt der unteren Donau ganz oder
teilweise passierenden Dampf- und Schleppschiffe, Barkassen und sonstige
Personen oder Waren befördernde Wasserfahrzeuge haben, insofern dieselben
nach § 2 von der Zahlung dieser Gebühr nicht befreit sind, die im § 3 fest-
gesetzten Schiffahrts- und Remorkierungs- Gebühren zu bezahlen. In der
Schiffahrtstaxe sind die für die Benutzung der regulierten Donau-Abschnitte und
für das Lotsen entfallenden Gebühren inbegriffen. Für die Benutzung des zu
Zwecken der zwischen Turn-Severin und Orsova durch das „Eiserne Tor" zu
liewirkenden Remorkierung dienenden Remorkörs wird eine separate Remorkierungs-
taxe eingehoben. Es können auf dem regulierten Donau-Abschnitt ausser diesen
Taxen, sovvie ausser den in den einzelnen Anlageplätzen etwa in Kraft stehenden
separaten Lokalgebühren keinerlei sonstigen Taxen eingehoben werden.
§ 2. Von der Zahlung der Schiffahrts- und Remorkierungstaxe sind befreit:
I. die Kriegsschiffe; 2. überhaupt alle stromabwärts fahrenden Ruderschiffe und
Barkassen, deren Tragfähigkeit 1000 Meterzentner nicht übersteigt und deren
Tiefgang weniger als 1 m beträgt, ferner die Flösse; 3. die Schleppdampfer,
insofern auf denselben keine Waren untergebracht sind.
§ 3. Der regulierte Donau-Abschnitt wird tarifmässig in zwei Teile geteilt,
und zwar: a) der Abschnitt Turn-Severin - Orsova, b) der Abschnitt Orsova—
Moldova. Von den durch beide Abschnitte verkehrenden Schiffen werden nach-
stehende Gebühren eingehoben: I. Von jedem leer oder beladen verkehrenden
Frachtendampfer oder Schleppschiff, Ruderschiff oder Barkasse auf Grund der
im kubischen Zertifikate des betreffenden Wasserfahrzeugs ersichtlich gemachten
vollen Ladungs-, bezw. Tragfähigkeit per Tonne ä 1000 Kilogramm 20 Heller.
II. Für die auf Dampf- oder Schleppschiffen, Ruderschiffen, Barkassen und
sonstigen Wasserfahrzeugen untergebrachten Waren sind an Schiffahrtstaxe für je
100 Kilogramm 18 Heller zu bezahlen. An einer ausnahmsweisen Begünstigung
partizipieren Steinkohlen (Anthrazite, Braunkohlen, Lignite), Bruchsteine, Kies,
Zement, Kalk, Brennholz, Düngersorten und rohes Steinöl, für welche diese Taxe
F. KAM TZ, Serbien. U. 'M
562 Von Belijrad zur bulgarisch-türkischen Grenze mit der R;ihn.
per 100 Kiloj^ramm 6 Heller beträgt. Die naeh publiziertem Fahrplane verkehrenden
und wöchentlich mehr als eine regelmässige Tour absolvierenden Personendampfer
haben für die auf ihnen untergebrachten Waren den unter 11 festgesetzten vollen
Tarifsatz, dagegen für ihre Tragfähigkeit bloss 50 Prozent des im Punkte 1 fest-
gesetzten Tarifsatzes zu bezahlen. Wenn irgendein taxpflichtiges Schiff bloss
durch einen der oben erwähnten zwei Teile des regulierten Donau-Abschnittes
verkehrt, so wird von demselben die Hälfte der unter 1 und 11 festgesetzten Taxen
eingehoben. 111. Für die Benutzung des zwischen Orsova und Turn-Severin im
„Eisernen Tor"-Kanal verwendeten Remorkörs werden unter dem Titel einer Remor-
kierungs-(Schlepp-)Taxe eingehoben: a) von leeren oder beladenen Dampf- und
Schleppschiffen, Ruderschiffen oder Barkassen für die im kubischen Zertifikate
des betreffenden Wasserfahrzeugs ersichtlich gemachte volle Ladungs-, bezw.
Tragfähigkeit per Tonne ä 1000 Kilogramm 5 Heller; b) für die auf den Schiffen
untergebrachte Ladung für je 100 Kilogramm 4 Heller.
§ 4. Der Führer eines jeden in Moldova oder Turn-Severin in die
regulierten Donau-Abschnitte eintretenden Schiffes ist verpflichtet, auf einem
Anmeldescheine die Ladungsfähigkeit und die Ladung des Schiffes zu fatieren.
Diesen Anmeldeschein , dessen richtige Ausfertigung der Lotse tunlichst zu
überwachen verpflichtet ist, reicht der Lotse behufs Feststellung der entfallenden
Schiffahrts- und Remorkierungstaxe der Schiffahrtsbehörde in Orsova ein. Das
bezüglich der Einhebung der entfallenden Schiffahrts- und Remorkierungstaxe
einzuhaltende Verfahren bestimmt ein besonderes Normale.
Im Finanzausschuss des ungarischen Abgeordnetenhauses erklärte der Handels-
minister Hegedüs am 7. November 1899, dass eine wesentliche Herabsetzung dieser
Remorkierungs-Gebühren in Aussicht genommen sei. Was aber den allgemeinen
Tarif der Stromgebühren betrifft, wäre es nicht seine Absicht, daran zu rütteln,
bis gründliche und erschöpfende Erfahrungen auch über diesen Punkt einen
Fingerzeig bieten werden.
Die aus national -politischen Gründen grossenteils Ungarn feindliche
rumänische Presse und selbst österreichische, serbische, bulgarische Journale
stritten weiter gegen die „magyarische" Belastung des unteren Donauhandels, und
die rumänische Regierung machte sich notgedrungen zum Dolmetsch der von
der heimischen Publizistik und in den Handelskreisen erörterten, auf die
Freigebung der Donauschiffahrt abzielenden Vorschläge. Diese gipfelten darin: Es
seien dem mit 80»;o am Donauverkehre beteiligten Ungarn 20"/,, der Regulierungs-
kosten, demnach 9 Millionen Kronen , durch die Donau-Uferstaaten Russland,
Rumänien, Bulgarien, Serbien nach dem sie treffenden Verkehrs-Prozentsatze
zurückzuerstatten. Diesen Anregungen gegenüber, und auch den von Russland in
einer Note unterstützten Rumäniens: die Höhe des Tarifs möge im Einvernehmen
mit den Vertragsmächten festgesetzt werden, hielt die ungarische Regierung den
Standpunkt fest: Die aufgeworfene Frage entziehe sich der diplomatischen
Erörterung, weil Ungarns vertragsmässiges Recht zur Einhebung von Strom-
gebühren unanfechtbar sei; doch schliesse dies Ausnahmebegünstigungen für
gewisse Warentransporte unter bestimmten Bedingungen nicht aus. So wolle
Von Belgrad zur bulgarisch-türkischen Grenze mit der i?.ihn. 563
man beim rumänischen Saiztransport liie wesentlich niedrigere II. Tariftaxe
anwenden, wodurch sich dieselbe um 0,18 Krone per q iierabmindern würde
(Januar 1900).
Nachdem nun im April 1900 auch Serbien zur Regelun<^ einzelner mit der
Eröffnung des „Eisernen Tor"-Kanals entstandener Grenzschwierigkeiten eine
Kommission im konzilianten Sinne abordnete, scheint es, dass die unteren
Donaustaaten sich mit der selbst von neutraler Seite für die Entwickelung des
internationalen Verkehrs als hinderlich betrachteten „Peage" und mit dieser
zusammenhängenden Belastung werden geduldig fügen, da sie bei der gegen-
w'ärtigen Sachlage in Österreich-Ungarn und Deutschland von deren grossen
Einfluss besitzenden Agrariern kaum eine wirksame Diversion zugunsten ihrer
Wünsche erwarten dürfen.
Ich schliesse mit dem anlässlich der Weihe des „Eisernen Tor"-Kanals von
seinem hohen Protektor Kaiser Franz Josef in Gegenwart der Könige von
Rumänien und Serbien am 27. September 1896 ausgesprochenen Wunsche: „Das
„Viribus unitis" vollbrachte epochale Werk möge für alle Zeilen die Bande guter
Nachbarschaft zwischen den Donaustaaten festigen!"
36*
Alphabetisches Sachregister.
Seite
Ak kilise (Pnlanka) 540
Seite
Abadzi (Schneider) 209
Alabana 294
Aladzahisar (Krusevac) 87
Abdulah Beg 215
— , Sandschak 288
Abdul Kerim 126 129 130
Alakinci 262 263
Abdul Medzid, Sultan 153 342
Albanescn 50
AbdurF^ahniauPasa, Gou-
Albini-Höhlen 73
verneur 154 164 171 207
Aldinac 352
Abdur Rahnian, türkischer
Aleksandrolit, Mineral 64
Grundherr 327
Aleksandrovac (Kozetin)
Abogovic, Mihail 361
79 284
Ackner 444
Aleksinac, Stadt 33 89
Ad Aquas 370 440 470
103 109 110 111 124
471 472 535
125 126 129 130 131
Ada Kaleh 497 498 500
132 133 140 142 158
501 502 503 508 557
193 349 415 544
Adam, Diiiiitrije 136
-, Befestigungen 125
Adam Klissi 486
- , Bezirk 170
Ad Fines (Kursumlija)
— , Garnison 132
252 277 286 302 321
— , Gymnasium 132
324 326
, Kreis 146 147 202 234
Ad Herculeiii 283 284 286
, Obelisk 132
Adlija Kula 357
— , Quarantäne 125
Ad malum (Bononia =
Aleksinacka banja 114
Vidin) 472
AIcssio (Lissus) 137
Adrianopel 218 241
Alexander, König 9 169
Adrianopcler Friede 33
177 184 353 390 420 492 518
Ad Scnifula.s 535
— , Zar 131
Ad Sextum 534
Ali Alijatja, türkischer
Afis PasaAgic, Kaimakam 234
Grundherr 327
Agaluks 312
Ali Beg, karamanischer
Aganlija, Dahienführer 508
Fürst 301
Agatangel, Archimandrit 220
Aliksar, Kohlenflöz bei
Agic Pasa 236 242
Brza Palanka 454
Ahmed Ejub Pasa 126 129
Ali Pasa 143 515
348 349
Ali Sahib Paäa 126
Ahmed Khan 111., Sultan 152
Allium melanantherum 268
Ahorn 310
Almus 472
Ajdanovacka crkva (hl.
Aloisios, Holzschnitzer 454
Georgskirche) 295
Aloviti Kamen 232
Seite
Alrusi (Atrimi) 203
Alt, Jakob 5(10
Alt-Moldova 530
Aiuta 453
Amam Ciftlik 135
Amboncn 23
Amiakum Pasa 505
Ammian 172
Ammoiiiten 346 520
Amselfeld (Kosovo polje) 139
Ana, Stevan Ncmanjas
Gemahlin 307
Anastasija 307
Anastasijevic, Misa 519 520
Anausarum 252
Andjelina, Gemahlin des
Stevan Brankovic 398
Andjelko, Hadzi 273
Andreas, Ungarkönig 355
Andrija, Baumeister 280
Andrijev potok 400
Andronikos 138
Angelus, Isaak, Kaiser 138
Anna, Heilige 25
Antin, Bischof 205
Antonije, Kapelan 288 '
AntonijeviO, llija, Kajietan
66 67 71 73 75 79
d'Anville 444 472 487
Apel, J. 123
Apollodorus, griechischer
Baumeister 483 484 485
486 495
Appel, Brauer 158
Aquis 470 471
Aranibasa Petar 413
Arandjelkovic, Dragutin,
Offizier 332
Arandjel, Sv , Kloster 106
134 362 365 366
566
Alpliabetisclics Saelircgistcr.
Seite
B.
Seite
Arbanaska reka
315
321
Seite
Banjica, Heilquelle 112
Arcar, Fluss
356
Baba-Gebirgsriickcn
389
Banjska reka 303 309
— , Ort
356
Babakajfels
527
529
310 319 326 336 337
Arcer (Rafiaria)
109
137
Babecki, Roman, Ingenieur
Banjskatal 315
Aredin
134
377 383 389
Baptisteriuni in Salona 172
Argos
411
Babicka-Gebiet
189
Baragin (Paracin) 376
Arkacliapolis, Schlacht bei
138
Babicka gora
188
189
Baranica 347
Arniata, Kastell
471
Babina
273
Baranicaer Höhen 349
d'Arnau Üniniiiik du
Saix,
— Glava 221
223
225
Baranica, Ruinenfeld 354
Baron, Hauptniann
515
— Glava-Plateau
223
Barba ros 422
Arnaiit, Bach
399 400
— Gorica
190
Barbatovac 294 301 319
Arnauten 124 125 311 312
Babinca
272
Barbeskahöhen 190
315 316 327 328 331 332
Babin Nos
357
Barbeska reka 189
339 340
— Zub (Orossniutter
-
Barbeskatal 189
Arnauti, Familie
366
zahn)
223 232
Barjaktarovic, llija 144
V. Arneth
140
Babisin Vrh
232
— , Lazar 414
Arneth, Josef, Archäo
löge
510
Babusnica
215
Barje 248
Arribantiuni
233
Badajova
48
142
Barlovo 301
Arsen, Erzbischofvon
Pec
Badincer Han
277
V. Baros, Gabriel, Handels-
(Ipek)
24 30
Badnjevac
290
minister 555 558
Arsena
109
Badnjevo 374 436 439 471
Barostafel 529
Arsenije IV., Patriarch
Bären-Haselnussbaum
310
Barth, Afrikaforscher 51
252 412
Baerenklau, Oberst
506
Bartos, Franja, Kreis-
Arsenovic
176
Bagrdan
542
ingenieur 158 163 165
Asaf Pasa
253
Bajazid, Sultan, Sohn
Mu-
176 177 180 186 189
Aschbach 444 453
472
rads 81 85 86 252
288
242 258 266 268 272
487
499
510
318
467
487
273 282
Asemus
472
Bajir I
149
Basarski Kamen 229
Asinae
46
Balajinac
175
Basknezen 430 431
Asperula ciliata Koc
1
121
Balajnski, Ingenieur
113
Batal (Teppichart) 210
Atanas, Schlossriiine
206
Balcinca
232
Batocina 539
Atanasovic, Andrija
294
295
Baldovin, Schatz-
—, Schlacht bei 140
Athos
6
kämmerer
252
Battard, Auguste, Berg-
Atruni (Alrusi)
203
Balduin II., Kaiser
36
138
ingenieur 427
Atta Beg
255
Balej
439
Batthiänyi 504
Attila
552
--, Staatsdomäne
465
Batulovac 277
Auersperg, Graf
60
Balicevac
290
Bazias 529 530
Augustae
472
Baljevac
34
35
Becar, Miloje 144
Aureus mens
534
Balkan 60 118 232
551
Becevica 204
Aurum dardanicum
341
Ballavstra, Mutatio
552
Becir Beg 159
Ausfuhrverkehr
267
Balta, Kreisingenieur
214
Becir Pasa 508
Avakuniovic
160
220
221
Becirovac, Berg 64
Avala
538
Baltina Cuka
260
— , Karaula 62 66
Avaren
138
Bamburek
292
293
Beckerek 530
Avena rufescens
268
Banicina
539
Becker, Oberst 126 225
Avramov potok
423
Banja 88 172 173
174
Begovic, Hassan, Türken-
Aya Sophia
23
188 463
548
familie 290
Azanja
540
— , Bezirk
170
Bejasnica 294
Azizieh, Kustschuk
er
— , Kreis
146
Beklemeh Kozeljokus 196
Dampfer-Kompanie
553
— Mündung
302
Bela Crkva (Kursumlija)
Aziz Pasa
129
130
- - (llidza), Therme
46
303 307
Banjica, Fluss
114
174
(Palanka) 540
Alphabetisches Sachregister.
5(i7
Seile
Bela III., Ungarkönig 138
Belan 232
Bela Palanka 126 189
193 194 196 197 198
201 202 203 204 207
211 212 220 22 1 222
225 54« 550
, Bezirk 232
— -, Denkmal der 1877
gefallenen Serben 202
— --, 1877. Eroberung
durch die Serben 201
, EntWickelung 201 202
— - , Konstantinopelcr
Strasse 202
— — , römische Baurestc
und Gräben 197 198 199
, Tiirkenschloss 198
200 201
Belasica 131
Bela reka 190 373 407
409 410 411
— Keka, Ort 407
Belava. Fluss 216
— , Gebirge 202 551
Bela Voda. Quelle 296
Belemnites canaliculatus 423
— giganteus 423
Belgrad 137 141 143
144 193 253 502 507
532 534 538 545 547
Belgrader Friede 109 530
Belgrad-Konstantinopeler
Bahn 193
— Heerweg 552
Belgrad- Niser Bahnlinie 212
Belica (Weissbach) 381
Beli Izvor, Bittersalzquellc 455
Bell Kamen (Weisser Fels)
261 281
Beli-A\arkovic, General
148 150 253 263
, Regent
9
Beli Potok
245
Beljanica
404 405
Beljkicev grob
275
Belmuz
68
Belo Brdo
64 178
Belogradcik 193 ??? 226
356 414
— , Kreis
225
Beloljin
294 307
Seite
Belloni, Milos' Leibarzt 113
Belopalanacki, Bezirk 211
Belo Polje 206 301
Benedikt II., Cir, Bischof
146 162
- XIV., F'apst 24
Benndorf, Professor 486
511 512 513
Beogradska mahala 136
Berilje 284
Berilovac 206 223 224
Berkovac, Kreis 150
Bcrkovica-Balknn 206
Berliner Vertrag 555 56!
Bernstein 2
Berzaskaer Kohlenwerk
524 525
Besevic, Bürgermeister
von Nis 160
Bezded Kamen 368
Beziste 216 220
Bienensteuer 430
Bigrenica 382
Biljeg 289
Bilo 399
Binicki 164 299 307
Binovice, Dorf 262
Birnbäume, wilde 313
Bitordja 265
— , Kastell 265
Bivoli (Büffclfelsen) 520 556
Bivolje 105
Blace 294 297 298 3«) 319
Black fly (amerikanische
Mücke) 526
Blanqui , französischer
Akademiker 222 534
Blaska (Srbovo?) 472
Blatasnica 298
Blato 202 211 214
Bleierze 270
Bljuvanovac (Veljkovo) 425
Bobalic, Vuk 87
Bobote 80
Boboviste 129 131
Böhm 447 499
Bogdan, l,jutica,Wojwode
134 373
Bogdanica 363
Bogicevic, Anta, General 355
BogiSic 111
Bogojevac 327
Seite
Bogorodica, Sv.,
Kloster
106
180 189 190
Bogovadja
463
Bogovina, Dorf
401 402
, l-luss
401
Bogujevac
321
Bogutovac
11
Bojadzija, Stanko 276
Bojnik
326 327 328
Bokludza, Bach
202 207
Boljetinskn reka
521
Boljevac, Bezirk
420 421
-, Ort
400 413
Boljevacki poto
k (Bad
Ribare)
105
Bononia (Vidin)
422 472
Bor
407 408 409
Borac
87
Bordelj (Ljubicevac) 478
Borkenkäfer 66
Borova Qlava 295
Borska reka 407 410
Boskovic.Jovan, Professor 510
Bosman 525
Bosnjaci 344
Bosnjacka djula 380
Bosnjane 380
Botune 204
Botunja 75
Boue, Ami 37 51 61 108
133 194.200 222 223
224 370 537
Bovan 108 122 123 131
Bovaner Kula 122
Bozarovic, Kapitän 493
Bozovic, Luka, Pfarrer 237
— , Nacelnik 322 344
— , Pera, Präfekt 292
— , Pctar, Kreishauptmann
158 285
— , Professor 270
Bozurnja 284
Brajinski Vis 337
Braljina 93
Branicevo 532
Brankovic, Djordje, Fürst
87 139 195 203 234 284
288 341 362 540
- , Fürstengeschlecht 490
~, Lazar 362
- , Pavle, Knez 532
- , Vuk 82 83 84 85 311
568
Alphabetisches Sachregister.
Seite
Bratendorf (Pecenjevce) 279
Bratisevac 216
Bratjevac 374
Bratkov Vrh 231
Bratujevac 439
Braun, Professor 487
Brauneisensteinmine,
Brestovacer 407
Brdarsl<i, Jovau 200
Bregova-Insel 425
Bregovo 431 471 474 475
Brekinja (Eberesche) 310
Bresnica 11 175 258
Bresnicic 300
Bresnicka reka 295
Bresnik 15 26 204 267
Brestovac 281 407
Brestovacka Banja 405 406
Brezina 253
Breznik, Bezirk 211
Brezova 25 26
Brezovica 55
Brijanje 328
Brikettfabrik. Radujevacer
423 426 427
Briner 504
Brkina Vrtaca 348
Brloga (Milutinovac) 477
Brnjica 535
Brocard, französischer
Mönch 341
Brod 271 272
Brodska opstinska kuca 272
Bertrandon et laBroquiere
87 97 138 203 341
Brown, Edward 87 94 249
— , George 234
Brus 74
Brüll, Budapester Bankier 423
Brusnik 425
Brvenica 35 318
Brvenik, Schloss 36
— , Stadt 15 36 52 64
Brvenikschjuclit 36
Brza 246
Brza Palanka 449 450 451
452 453 454 455 470
473 477 481 491 504
518 535
, Bezirk 439
Brzece 64 66 70 71
Brzi Brod 148 172
Seite
Brzi Brod, antike Bauten
172 173
Bublica 327
Bubna 148
Buchenstännne, verstei-
nerte 11
Buci am Jastrebac 105
Bucinac 326
Bucje 349 366 407
Bucovic, Oberst 126 150
Bucumetska reka 327
Budilovina 76
Budimlje 76
Budin Del 211
Büdinger, Geschichts-
forscher 487
Bugarinovacka reka 283
Bugar Korito 417
Bugarski, k. Baurat 259
Buje 327
Bujedzov, Stevan Dobrn,
Färber 243
Bujisic, Prokopije, Iguman
462 463 464
Bujkovski putok 422
Bujmir 130
Bukarest 241
Bukarester Friede 89
Bukova Glava, 247
Padina 202
Bukovce 425 471
Bukovik 275 276
Bukovi potok 400
Bukovo, Kloster 374 438
458 462 463 464
Buljane 380 385
Bunatovac 248
Bunike (Bilsenkraut) 443
Burci 402
Burdizu 472
Burgus Altus 371
Burier 483
Buttler, Major 143
Byzanz 138
Cacak 9 33 542
— , Kreis 1
Caglavica 303
Cagoljski rid, Hochebene 260
Cagrovac 186
Cagrovacka-Pass 186
I Seile
Campanuin pinifolia l^J'chtr.
J in litt, 121
Camurlija 148 178
Capljinac 148
i Carapic, Tanasije 474
Caretina 450
Caretina-Höhe 446
Carevac 389
Carev Kamen 552
Caribrod 222 230 548
' — , Schlacht bei 212
Carica 473
Caricina(Bolboros),Quelle 469
- (Starisina) 328
Caricin Kladenac 268
Carigrader Brücke 375
Carina 103
Carostävnik 284
Carrara 172
Carska Lavra, Kloster 17 181
Caruni graecinn Boiss. 121
Casal de Constantina
(Kostimpolje) 296
Casnji, Maler 454
V. Cassian, Direktor 554
Castrenses (castellani) 192
Caus Halini, Alajbeg 532
Cebrus 472
Cecevica 311
Cecinabrücke 189
Celei 487
Cefalov Do, Haltestelle 424
Cegr, Berg 144 177
Ceker, Berg 92
Cekmin 280
Cele Kula (Schädelturm)
144 150 179 180 194 345
Celije 186 188
Cemcretica 270
Cemernik 264 269 270
Cemerno, Berg 2 59
Centum 530
Cephaloiden 520
(ieraniidi (Rundziegel) 333
Ceribasa, Hochebene 493
Cercmidzari (Ziegel-
schläger) 231
Cerevic (Syrniien) 25
Cernec 453 499
Cernjajeff, General 108
129 130 131 132 147
225 226 416
Alphabetiscilcs Sachregister.
569
35
(Gruiul-
33
Seile
226
226
216
399
393
449
258
199
65
531
11
543
312
557
478
471
473
216
198
Cerova 106
Karaiila
Cesma Rakos
Cestobrodica 380 392
Pass
Cetace 446
Ccvrljuga
Chalkedonisches Konzil
Child, Clifton
Cibiiklija-Insel
Cibukovac
Cicevac
Ciftlik-Sahibien
lierren)
Cifucki-Kamcn
Ciganjski potok
Cikoljskabrücke
Cinia Diidu
Cincarcn
L'incarin, Kosta
Cingene derven, Kalk-
defilee
Ciperus niger
vadius
Ciplak ada, runiänisclie
Insel
Ciporovica
Balkan 210 225
Cirilovactal
Cista Pticina bei Liika
Ciul
Cizniic
Clary d'Aldringcn, Graf
Claudius, Kaiser
— II., Kaiser
Clevora (Mijnilovac) 453
456 470 471
Clissura, Wasserscheide
Cobani (Hirten)
Cohadzi, Nikola 136
Cohortcs Thracuni
Siriacae 355
Cokoce, Berg 382 383 387
Cokotin grob 105
Colak-Antic, Oberst 49 300
Colombots, Schioss 249
Coliinibina (Oolubinje) 444
Coiutea arboresceus 75
Conbustica81 347 354 356 357
Constantinopolis 137
Constantiiis 138
Copin grob 179
Cornu de capra (Geishorn)
Coronini, Donauarm 529
Cortanovic, Maler 432
Corvingrad
de Courtenay, Robert
Crambianis
Crcavac
Crep, Wojwode
Crispae
Crkovnica
Crkvena Mahala 268
Crkvina 130 326
Crna Cuka. Karaula
Crnajka. Fluss 441
- , Ort
Crna reka, Fluss 373 407
— Reka, Gebiet 346 413
414 415 416 421 435
Crnatovo
Crna Trava 187 270 271
Crnica 375 380 381 384
Seite
Seite
409
Cukljenik 184 185 244
556
Cukljenicka reka 244
463
Culex rept. (Mückenart) 526
481
Culic 374
I3S
Cuppae 444
134
Cupren 226
248
Ciuprija 140 142 380 543
389
- , Kreis 234 375
371
Cuprilic {Köprülü),Oross-
190
vezier 47
272
Curkovac, Weiler 265
327
Curlina 145 149 180 181
339
— , Kirche 182 183
442
Curtea de Arges, Kirche 397
441
Cvetanovac,Staatsdoniane465
410
Cvetkovic, Ingenieur 15
Cvijic, Professor 219 402 547
442
Cvilenijeff, Oberst 473 491
323
273
202
386
55
Crni Vir
55
CrniVrh92 188 216 222
223 226 246 248 331
494
346 374 389 405 407
232
Crnobarska reka
230
Crnoglavac, Mijat, Ceta-
534
führer
407
Crnovrska reka
453
Crnovunci (Schafhirten)
258
59 188 216 217 218 219
516
220
544
-, Weiler
137
Crvena Jabuka 272
Crvena reka, Bach 188
535
189 195
249
-, Bahnstation 188 195
216
— , Bergstadt an der
156
Crveni Breg 270 327
- Kamen
Cubra
Cubre
Cucale 294
Cuka 186
— marc
Cukar 187
Cukaru Marc
— miku (Kleiner Blutberg)
Cukic', Kosta, Minister 90
— , Petar
— , Wojwode
387
279
441
133
307
223
293
232
273
I9()
196
64
550
399
471
249
298
190
478
557
516
515
416
32
90
D.
Dadinci 275
Dahien 87
Damjanov, Andrija, Bau-
meister 162
Damjanuvic, l'aln)miie 457
Dainnjan, Sv. 94
Dampfschiffahrt, franko-
serbische 523 524
Daniele 249 341 357 398
Danilo, Bischof 146
Daphne Cneorum L. 121
Darda (wilder Birnbaum) 313
Dardania 233 313
Darkovac 267 .272
Dasnica 80
Daun, Graf, Major 48
David, Heiduckenführcr 366
Davidovac 366 380 493 494
Dazien 447 449 453 482 483
Debela ülava 388
Debeli Del 270 MH
Dec (Deez), Kastell 470
Decani, Kloster 163 181
335 343
Decebalus 118 470 482 483
Deda Viktor, Bischof 304
, Mönch 146
Dedic(Medvedja)289 334 335
Dedina Bara 273 276 545
Dedojevci 2
Deez (Dec), Kastell 470
570
Alphnbetisclic's Sachregister
Seite
Deez (Prahovo) 472
Üegrmen, Klosterriiiiie 316
Dejanovac 352
Deligrad 88 1Ü7 108
110 111 122 126 129
131 144 544
Deli Jovan 374 440 441 462
Delique, Holzhäiullcr 454
Oemetrios-Lavra zu
Salonik 220
Demetriuskirclic zu
Smyrna 23
Dcmir Barjam, Heg 247
Denska 181
Denta 507
Dernschwamni 139 167
Derven 346 347 348
Descani Kladennc 268
Despina Poljana 93
Desturca, Sarban Voda 458
Deuster, Ingenieur 483 484
Deve-Bagrdan 542
Devi Bakerdan 542
Devica-Gebirge 170 366
DevKazan(Teufelskessel)
245 246
Devojkin Kamen (Jung-
fraustein) 546
Devolin 248 253
Devotinska reka 249 250
Dezeva 46
Dianthus pelviforniis
Heuff. 121
Dibocica 233 335
Didron 24
Dierna 444 448
— (Orsova) 447 499
„Die Schlacht am Amsel-
feld", Epos 84
Dilaver Begova Kula 234 245
Dimic, Mala, Ingenieur 353
Dimitrije, Sv., Kloster 202
Dimitrijevic, Djoka, Dr. 123
Dimitr, Wojwode 203
Dimnica(Rauchfangsteuer) 146
Dinic, Dr., Arzt 214
Die Cassius 483 484 485
Divic 530
Divljane 220
Divljanski manastir,
Kloster 220 221
Divus Traianus pater 485
Seite
Djak Brdo 31 1 316 317 318 328
— , Milojc 539
Djakovo, Berg 11 15 16 34 59
— , Brunnen 17
—, Ort 26 311 333
Djakus 283
Djalucberg 410
Djemizlok, Bach 402 404
Djerdjelez, Heilquelle 112
Djordje, Bischof 143
~, Sv., Kloster 226 229
Djordjevic, Hauptmann 126
— , Mihailo, Beamter 367
-, Milisav 413 414 415
— , Ministerpräsident 465
— , Tih. R., Professor 132
Djuknic, General 420
Diumrukdzija(Zollbeamte) 38
Djunis 103 129 130 131 544
Djuniska Meana 106
— reka 103 105 106 129
130 142
Djuniski krs 106
Djurdjevi Stubovi
(Georgssäulen),Kloster-
ruine 46
Djurevac 298
Djuricagipfel 293
Djuric, Dimitrije, Ober-
leutnant 253
Djurina Sreca (Georgs-
Glückzeche) 270
Djusince 294
Dlugojnica, Dorf 262
Dobra 522 524 525 527 535
Dobra Glava 279 281 282
— Gera 282
Dobric, Bezirk 312 213
— Hochplateau 283 284 294
— Terrasse 175
Dobridol, Kastell 229
Dobrnjac, Petar, Wojwode
107 118 144 376 460 473 491
Dobrodolska reka 64
Dobrojance 248
Dobro Polje 272 413
Dobrotic 291 318
Dobruca , ' 241 486
Dobrujevac 413
Dochat, General 142 143 152
Dognacka 503 529
Dojke, Donauriff 556
Seite
Dojkinci 229
Doktoroff 130
Dolac 25
Dolap 550
Dolinen 188 346 402 422 451
Doljevac 283
Dolova 412
Domaszewski 233 448
Domitian 482
Donau- Danipfschiffahrts-
gesellschaft 474 482
497 501 523 524 553 554
Donaulimes 81 122 398
447 453 471 472 489
493 494 534
Donja Bresnica 293 294
— Dragusa 294
— Hrtica 315
— Josanica 294
— Kamenica 345 360 361 362
— Klisura (Kazanpass)
446 514
— Konjusa 294
— Kopasnica 233 545
— Koritnica 220
— Mutnica 389 392
— Pupavica 316
~ Recica 294
— Riana 265
— - Studena 184
— Vrezina 179
Donje Krnjino 216
— Romanovce 265
— Stopanje 279
— Tocanje 294
Trebesinje 258
Donji Adrovac 129 544
— Barbes 189
— Dedinac 320 321
^ Dusnik 186 187 189
— Krcmar 320
— Ljubes 106 130
— Matejevac 345
— Milanovac 443 444
445 447 455 517 518 556
Plocnik 301
Rinj 198
Dortico 535
Dorticum 472
Dozudic, Priester und
Lehrer 482
Draga, Königin 160
Alpluibctisches Sachregister
iU
1
Seite
Seile
üraganice, Karaula
45
Dusan, Zar 2 4 46 60 93
DraganoviO, Sava. Kreis-
180 194 252 257 361 397 467
förster
395
Dusanjevo(Dzanjevo
,Du-
üragasevie, Oberst
I8Ü
sanovac)
467
124 2»; 302 347
371
453
Dusanovac (Dzan
evo)
Dragoman
203 "552
361 467 468 469
, Schlacht bei
212
Dusica, Klosterruine
468 469
üragovac
327
Dusmanica, Kloster
76 79
üragovlje
188
Duvari brdo (Mauern
lerg) 301
Dragusa, Bach
190
Dva Brala, Bergterrasse 258
Dragutin, König
46
Dyonisije, Iguman
389
Drajinci
334
Dzanjevo(Dusanovac
)361
Draäkovac
282
467 47!
Draskovacki grad
190
Dzaverov Lug
281
Draäkova Kutina 185
18ti
192
Dzedzerac (Davidov
ac) 493
Drazevac, ürenzkaraula
134
Dzep
263
Drei Ohren (Tri U§i)
282
Dzepa
546
Drekalovici
46
Dzepnica
294 298
Drenca
76
Dzevrin
439
Drenkova
522
556
Dzeverinski Kamen
496
Drenovac
322
potok
496
Drenovacki potuk
108
Dzidsko groblje be
Sv.
Drenovcc
249
Djordje
229
Drin
59
Drina
142
148
E.
- Gebiet
49
Drobetae (Turn-Severin)
Eberesche
310
483 486
Edrisi
203
Drobnjak
49
Egeta 449 430 451
453
Drogoman
221
470 535
Droz, Dimitrije
232
Egri Palanka
252
Drubetis ('lurn-Severin)
453
Eierausfuhr
541
Drvodelja
332 335
Eilschiffe (Donau)
135
Dubasnica, Bach
402
Einsiedlerkapelle bei
Stu-
Dublje
93
denica
25
Dubnica
386 400
Eisenbahnen, Belgrad
-Nis
Dubocica
11
15
538 539 540 541
542 1
Duboki polok
372
543
544 545
Dubova
515
— , Nis— Caribrod (Kon-
Dubovac
507
stantinopel) 548
549
Dubovo
323
550 551
552 553
Dubravica
541
— , Nis Zibev£e(Salonik)
Dugacki Trap
367
545
546 547
Duga Poljana
186
Eisenindustrie
269 270
Dugo Polje
186
Eisenläger
400
Dukatski Vis
335
„Eisernes Tor" 495
503
Dundjeri (Häuserbauer)
514 553 554 555
556
269 272
557
558 559
Dupljane
279 546
„Eisernes Tür"-Kanal 492
Dupljaner Bach
468 !
495 496 498 500
509
Durmitor, Berg
60
535 558 559 560
561
Durostorum
472
562 563
Seile
497
482
122
50
134
„Eisernes Tor"-Klippen
Pass
Eishöhle (Ledenica)
Ejub Bey, Major
Ejub Pasa
Elisabethfort 497 500 502
503 508
Elisabethschanze 503
Eminova(Prva)Kutina 145 185
Engel 487
EpiscopusRemessianensis 199
Erdbeben 357
Erzlager 407 441 442
Erzzone 265
Esad, Ferik 253
Esat Beg 234
Eski-Dzuma 207
Eugen, Prinz 118 141 234
289 502 503 305 506
Euphemia, Nonne 23
Evans, Artur John 233 326
Evstatijc, Bischof 214
Faeniopteris stenoneura 423
Fahrpost Vidin— Nis 193
Falkenbad 110
Falkovce 193
Fasli Pasa 474
Fassdaubenfabrikation 315 3 Kl
Fazil PaSa 129 130 131
Feldzug, serbisch-türki-
scher, 1876 348 349 351 352
Ferdinand, Fürst von Bul-
garien 160
Festetics, üraf 48
Fef islam (Kladovo) 490
Feudalsystem 34
Fichtenwald 121
Filipov Han 366
Filosof, Kostadin 80 229
Fledermaushühle 51(')
Fleischwarenausfuhr 541
Florentiana 472
Florentin 504
Fluchhügel (prokletije) 366
Focic, Dahienführer 508
Forbiger 347 472
Forstorganisation, Tiroler 57
Franke, Geschichts-
forscher 453 487
572
Alphabetisches Sachregister.
Seite
Franl<o-serbisclie üanipf-
schiffahrts-Gcsellschaft
523 524
Franz Josef, Kaiser 559
Frauen, serbische 68
Frauen-Eis 249
Freiheitskampf, serbischer,
1804 144
Friedrich 1 , Kaiser 138
Fritzmann, St , Apotlieker 438
Froehner 485
Fronic, Glisan, Hauptmann 226
Funija, Höhle 422
Furtwengler 486
üabar
187
Gabarbach
441
Gabrovac, Ort
180
, Kloster
180
181
Gabrovacki potok
180
Gadzin Han
189
Gagince
248
Gaglovac, Dorf
105
— , Pulverfabrik
105
Gaglovacka rek?
-Tal
105
Gaglovica
130
Gaglovo
130
Gajtan
284 331
334
— Fabrikation
210 243 244
Galibabinacka rt
'ka
366
Gamza, Prinzessin
370
Gamzigrad 370 371 372 400 471
-- Plateau
370
Gamzova
474
Garca, Heiducke
366
Garcina Cuka
366
Gare
272
Garvanica
270
Gastfreundschaft
ser-
bische
71
Gavra
145
Qavrilo, Iguman
464
Gavrilovic Uros,
Advokat 353
Geistliche, serbische
70
GenistasubcapitataPancic 121
Gentiana ciliata
L.
121
Georgi, Veliki
Parkalab
Zupan
397
Georgssäulen
(Kloster-
ruineDjurdjev
Stubovi)
46
Seite
Qerlach, Reisender 203 540
Gerulatis 450 535
„Gesänge der Serben" 95
Gigen 487
Gikic 64
Gilan 248 337
Ginci-Balkanpass 230
Ginzovo 417
Glasovicki potok 323
Glavas, Stanoje, Hei-
duckenführer 289 415 539
Glavica 380 400 462
- Plateau 446
Glavicica 349 362
Glavicka Cukara 380
Gleboff, russischer Offizier
473 474
Glibocka 335
Gligorijevic, Vule 32
Glogovac 374
Glogovacko Brdo 357
Glogovica 131 410
Glubocica 233 288
Gobelja, Berg 92
Goc, Berg 92 93 249
^, Engpass 92
Godovic 25
Qötting,Bergingenieur410 423
Gojinovac 294
Golaca-Alp 293
Golas 188 202
Goldwäschcrei 373 410
Golecu 516
Golema Cuka 232
— reka 326 327
Goleme Bukve, Grenz-
zollamt 267
Golemo Selo 248 249
— Straziste 188
Goles Planina 311
Golija-Planina 46
Golina 367
Goli Vrh 441
Qolombotz, Schloss 249
Golub, Knez 249 399
Golubac 249 327 528 529
535 556 558
-, Burg 351
— , Schloss 527 529
Golubinja 448 450
Golubinje 443 444 447 448
450 499 516 556 557
Seite
üohibinjcGebir),
cl2
1388
395 402
— (Vranja)
249
Golubovac, Fels
424
Gombos
371
Gopcevic, Spirid
on
516
Gorica 148 149
150
154
158
180 181
Gorina
246
Gornja
505
- Bresnica
293 294
— Dragusa
294 297
— Josanica
294
-~ Kanienica
345 362
— Klisura
518
— Konjusa
294
- Koritnica
220
- Mutnica
388
-- Rccica
294
— Rzana
265
— Svarca
297
Vrezina
178
181 345
Gornjak, Kloster
435
Gornje Krnjino
215 216
" Tocanje
294
- Vlase
188
üornji Adroväc
544
- Barbes
189
— Krupac
206
— Ljubes
130
— Matejevac
178 345
- Prisjan
188
Rinj
198
Statovac
321
Qortschakoff, Fii
rst
133
Gorunovac
387
Gospodjin Vir
(Frauen-
Wirbel) 517
521
522 556
Gostusa
230
Grabova Mika
441
Grabovacer Kloster
383
Grabrovacka reka
320
Grabovica
477
Qrabovnica
321
Grabovnicka rck
a
334
Gracanica, Fluss
67
- , Kloster
252 254
Gradac
106
118 296
— , Berg 109 496 550
- breg 277
— , Klosterkirche 36
Gradacki potok 271 477
Alphabetisches Sachregister
57;]
Seite
GradaCko brdo 10(5
Gradasnica 118 190 229
Gradiska Cuka 356
Gradiste 122 174 175
176 275 283 357 535-
550 552
Gradnja 248 249 252
Gradska Glama 356
- reka 265 272
Gradskov 424
Grad Stalac 94
Gräber, römische 221
Gräberfeld bei Kraljevo
123 124
Grahovo 545 546
Gramada 158
Gramadahölien 348
Gramadasattel 345 346
Gramadja 261 265
Gramberg, Major 518
Grampiana 134
Gran, ungarischer Fluss 139
Graniranis 371
Granirianis 134
Granit 11
Grant, E. M. 374
Graphit 2
Grasevacka reka 73
Graäevci 64
Graätica 331
Grbavie 364 366
Grbavci 332
Grbljanovic. Lazar, Zar 111
Grci (Griechen) 216
Grdelica 269 274 281 545
Grdelicka Klisura 234 545
Greben 512 520 556
- Katarakte 518
- Pass 444 447 516
518 519 520 527 535
553 556
Pylon 55G 558
Greda (Flugsand) 528
Gredelina 352
Gredetin 544
Gregoriusklostcr auf dem
Berge Athos 24
Grenzregelung 33 89
Grgur, Sohn des Djuradj
Brankovic 350
Grgure 294
Grigorije, Bischof 1-J6 162
Seite
Grisebach 547
Qriselini 444 515
ürivas, Fanarlote 144
Grkinja 189
Grljan 369 417
Grljiäte 369 413
Grncari (Töpfer) 231
Grob 187
Grocka 490 534
Gröber, Kar! 84 467
Grohatljevica podvis 349
Gronsteld, Graf 60
Grossmutterzahn (Babin
Zub) 223
Gross-Stalac 94
Gruja 475
Grujic, Ministerpräsident 10
~, Mladen, Dr. 157
Grumbckow Pasa 341
Grza 380 389 391
Guberevac 243
Gubes 230
Gulijan 346
Gulijanska Planina 364
Gundulic 196
Gura Vaj 494
Gurgusovac (Knjazevac)
88 143 144 350
Gurgusovacer Kula 350
Gursovic, Jakov, Buljuk-
basa 62
üuruSehehce(Kurucesme) 199
Gusa (Kropf) 11
Gusanac Ali 460
Gutmann, Gcbriitler 525
Guzevje 270
Gyulni, Graf 506
H.
Hadrian, Kaiser 483 486
Hadzi, Titel 67
Hadzi Chalfa 199 2«) 224
341 362 532
— Jovan, Isposnik 391 392
— Nikolino ostrvo 519
- Prodanscher Aufstand 2
Hämus 249
Gebiet 224
Hafis Pasa 159 176 348 376
Seile
V. Hahn, Konsul 61 133
176 194 233 236 245
252 253 283 296 301
307 321 323 324 326
327 334 341 343 537
Hajducka, Terrainwclle 455
Haladza (KruJcvac) 87
Mali Beg, Kaimakam 220
Halikaniburg, Kastell 471
llalil Pasa 148 149 343
Hamilton, General 497 503
Hamites banaticus 423
rigulus 423
Hammaum, Mansion 286
302 326
Hammer
Hamsa Beg
Handschartanz
Hanfbau
Harac (Steuer)
Haralampije, hl
Harzovina
Hassan Pasa
Hatzeger Tal
Hebrusgebiet
Heiducken
Heiszier
Helvetier
Heraklestenipel
203 224
136
340 341
238 241
430
Kirche 202
335
417 540
482
259
55 56 196 231
141
192
284
V. Herder, Baron 63 64 (35
81 112 374 398 406 407 441
Herniaria glabra 310
hirsutn 310
Herodot 238
Hertzberg 531
Herzegowina 46 463
Herzog der Zeta 17
Herzog von Lothringen
142 505 507
Heuschrecken 274
Hierokles 233
Hilandar. Athoskloster 23
147 252 390 391
Hirsch, Baron 267
Hisarberg 204
Hochzeitsstcuer 430
Hodi>a-Balkan 194
Höhle, Oolubacer 526 527
Höhlen 346 526 527
Hofmann, Bergingenieur
346 374 404 407 441 442
Hajduk Veljko-Denkmal 432
574
Alphabetisches Sachregister.
Seite
Seite
Hoiiigtcniie (Mcdcnno
Ipek (Pec)
4 335
Giimno)
279 ,
Isajeff, üraf, General 460
Hormuzaki
467
461
473 474 491 \
Horom, Fort
532
Isferlik (Svrijig)
362 363
Horreum Margi 81
109 ;
Ismail Bej
88
299 370 380
387 543
— Pasa
235
Horstig, Artillerie-Oberst 166
Isnebol (Trn)
224 535
Horvatovid, Heerführer 126
Isker
265
129 130 176 225
348 349
Nisavagebiet
267 1
Hoszpotzky, k. Baiirat 559
Isperik
347
Hram, Feier des Kirchen- j
Isposnica-Kirche
bei Stu-
patrons
67
denica
25
Hristovina (Christusgriin) 333
Ister
118
Hrom, Fort
532
Ivackovic, Architekt 237
Hrtica Brdo
317 1
Ivan Beg
318 '
V. Huhn, A.
213
Ivanj-dan (24. Juli a. St.) 98
Hum
177
Ivanje
327
Humac
322
Ivankovac
414 415
— Plateau
293
Ivan Kula
316
Huinbrocht. Oberst
143
-, Sv.
180
Huinhöhe
136
Ivanova Kula 317 318 319 331
Hussein Beg
253
— Livada
223 357 421
— Pasa 145
254 270
Ivanovic, Ljuba,
Stabs-
Hunyädy, Jänos 87
139
offizier
150 331 '
194 195 298 299
311 319
Ivanovo Brdo
311
— , Ladislaw
60
Izlaz
525
Hyena speloca
404
- Riffe
520 556
Izom
259
Izvor, Dorf 206 223 347 367 389
I.
— , Karaula
223
Izvori (Rumisiana) 199
Ibar, Fluss 2 4 1 1 51 59
Izvorska reka
223
142 296 297 298
- Gebiet
295 296
Ibisov Zabran
349
J-
Ibrahim Beg
491
— Ferik
253
Jablanica, Bach
188 279
— Pasa 473 474 508
281 331
Ignjatieff
130
— , Bezirk
257 342
Ilic, Dimitrije, Pope
462
— , Ort
399 413
— , Djura, Lehrer
184
-, Tal
344
— , Milutin, Bezirkskapetan
Jabucar
540 ■
331 333
Jabucatore
458 459
— , Petar, Kniet
298
Jabukovac
456 457
Ilidza (Banja), Therme 46
]ag\i, Professor
463
llija (serbischer Donner-
Jaglicje
186
gott)
66
Jagnjilohöhe
15
-, Sv., Kloster
261
Jagodina
140 542 543
llinoer Kula
414
Jajino
243
Inogosta
252 261
Jakobljev, Oberst 353
Inokentijc, Bischof
163
Jakobojev, Oberstleutnant
Inovo
481
164 IGG
Seite
Jakomir, Bach 479
Jakovac, Bach 93
Jakovljevic, Aksentije,
Offizier 309
Jaksi Beg 138 203
Jalbotina 552
Jan (Teppichart) 210
Janicije, Bischof 143 146 147
janja (Joanikije), Bischof 4 6
, Dorf 224
— , Karaula 224
Janjevo 338 341
Janjevoer Gold- und Silber-
minen 277
Jankova crkva (Kirche)
298 299
— Khsural03 289 298 299
300 319
— Klisura-Strasse 301
Jankulov Zbeg 549
Janosica 358
Jarcevpotok.Vlasinaquelle 266
Jarcujak 2
Jasenica 426 436 439 471
Jasenova 507
Jasenovac, Berg 545
Jasika 88 103
Jasikaer Pontonbrücke 93
Jasikovac 425
Jasikova reka 373
Jastrebac 75 145 284 293
311 365
Jastreboff, russischer
Generalkonsul 163
Jasunja 190
— Quellen 189
Javor 216
— Armee 49
Javorac 298
Javorek, Jovan, Heiliger 93
Javorje 272
Jazyger 483
Jelasnica, Dorf 156 183 262 418
-, Fluss 183 185
— , Gebiet 158 184 260
—, Kohlenbergwerk 183
, Pass 183
Jelec, Schlossruine 46
Jelena, Gemahlin des Ka-
radjordje Petrovic 24
— , Gemahlin König Uro§ I. 36
Jelenatag, hl. 36
Alphabetisches Sachregister.
:}(■,)
Seite
387
206
532
172
• 47
Jelcn-Brdo
Jeni Han 202
— Horom, Fort
— Kiisla
Pazar (Neiimarkt)
Jerina, Gemahlin des
Fürsten Brankovic 35
122 383 540
JermenJic, Kirciie 118
Jeronim, Bischdf 163
Jesetra (Störart) 494
Jeskovik Planina 133
Jevta, Knez 346
Jezero 366
Jezerski bik (Seestier) 268
— - potok 249
Je^evica 2
Jiracek, Jan. Ingenieur 121
422 425 436
Jirccek 108 109 134 176
194 203 335 347 287 487
Jiiakim, Heiliger 25
Joanikije, Archiniandrit 180
— , Bischof von Uzice 6
-, Metropolit 280
Johannes II
kaiser
Joko, Knez
lornandes
üriechen-
532
413 414
283
Joäanica, Ort 11
— , Fluss 55
Josanifka Banja, Bad 51
54 55
, Granit 54
Josef, Kaiser 508
Josif, Bischof 5
Jovackasclilucht 261
Jovan, Sv., Kloster 178
189 UK) 205
Jovancev potok 387
Jovanova Ornica 220
Jovanovac 109
Jovanovic, Djoka, Bild-
hauer 432
— , Djordje 399
— , Dragoljub K., Kreis-
präfekt 412 420
, Kosta, Kapetan von
Niäevci .364
, Lazar, Oberst 316 331 348
-, Ljuba, Oberst 254
", Milutin, Oberst 126
Soitu
Jovanovic, Nicifor, Oberst
253 545
— , Persida, Lehrerin 281
Jube 528
Jucriff 446 447 515 516 569
Juden, spanische 208
Jug Bogdan, Wojwodc
288 290 318
Juhor, Berg 92 543
Jukoff, Major 4.53 474
Julius Apostata 138
Jungfraustein 546
Jurisic, Jevdjcnije, Offizier 332
Justinian, Kaiser 138 172
196 199 286 371 453
470 471 472 481 489 532
Jussuf Aga 118
- Paäa 50
K.
Kacabae 282 328
Kacanik, Schloss 60
Kacapunski manastir,
Kloster 261
Kadibogazpass 355 356
357 367 417
I Käsebereitung 59
I Kalabovce, Dorf 262
Kalafatfeld 415
Kalafat, Hochebene 395
Kaletinac 188
I -, Kastell 188
Kalimance. Dorf 262
Kaliniki (Kanlik), üonau-
klippe 516 557
Kahnikos, Bischof 147 172
Kaiinka 448
Kaina, Blockhaus 223
Tal 223
Kalofer 210
Kaludjer, Kirchenriünc 1 18
Kaludjere, Bach 178
Kaludjerska Livada
, (Monchswiese) 248
Kaludjerski Rt 424
Kaludra 294
Kamenica, Bach 456
-.Ort 144 148 178 535
Kamenski, Sergius, Graf 473
Kamilauchion 54
Seile
Kanlik (Kalinikklippe) 516
Kantakuzenos tJü
Kaonik 93 129 130 131
Kapit 332 335
Kaplanoglu, Djordje 217
Kappcr,Siegfried,Dichter8495
Kapudjal, Berg 528
Karadjordje 2 48 49 73
88 89 118 144 159 289
346 376 413 431 460
462 473 474 516 540
Karadjordjevic, Alexander,
Fürst 24 85 212 406
Karadzic, Vuk 431 454 492
„Karadzic", Zeitschrift 132
Kara Feis 460
Karaguzov Del 270
Karakasevic , Kreis-
ingenieur 542
Karanovac 1
Karanovic, Milutin, Haupt-
mann 229
Karansebes 507
Karapandza, Geschlecht 430
Karas 505
Karatas, Plateau 494
Karic 387
Karimaiiovic, Ali Aga 308
Karl, König von Rumänien 492
— jösterreichischerKaiser 142
~ VI. 503
Karliiki Kamen 190
— Pass 189'
Karlovo 210
Karlowitzer Friede 141
Karstphänomene 395 402
Kaäajna-Bach 495 497
— Kastell 496
— Sip 535
Kasapsko Polje 400
Kaskavaljkäse 216 217 232 269
Kastavar 280
Kastrat 315
Katakombe in Sofia 166
Katancic 285
Katun 133
Katunska rcka 126 134
Kavgalija, Niederung 242
Kaviargewinnung 493 494
Kazan-Pass 444 447 449
509 512 513 514 515
516 556 557
uG
Alphabetisches Sachregister.
Seite
Kazanski potok 445
Kebab 210
V. Kehrenberg, Komman-
dant 506 508
Keramische Erzeugnisse 209
Kern, J. 524
Khevenhiillcr, Uraf 503504 551
- ~ , österreichisclier Diplo-
mat 212
Kiepert, Geograph 134 222
357 444 453 472 499
Kijak 415
Kijevac 263
Kiko, Ingenieur 15
Kiniszi, Paul, Graf 532
Kiradzis (Pferdeverleiher) 135
Kirijeff.Niknla, Oberst 417 418
Kirschlorbeer, serbischer
271 274
Kischinjew 415
Kis derbend 546
Kisela cnrba (Ragout-
suppe) 100
Kita 246
Kitka 341 357
Kladovo 430 453 473 477
482 487 488 489 490
491 492 493 503 517
518 528 535
— , Bevölkerung 493
— , Bezirk 493
— , Georgskirche 493
— , Geschichte 490 491 492
Kladrup 356 357
Kladusnica 493
Klefisch & Scheuss,Fleisch-
viiarenfabrik 541
Kleiderwaren 208
Klein-Stalac 94 98
Klementiner 47
Klencus, Bach 402
Klepala (Syniantra) 162
Klicevac 533 534
Klicevacka bara 528
Klinar, Ingenieur 15 29 51
55 61
Klinkovski, Arzt HO
Kljuc, Berg 250
— , Uferstrich 430 431 438
439 478 493
Klokocevac 443
Kloster bei Naupara 103
Seite
Knautia flavescens var. 268
Knezevic, Proka, Kapelan
213 214
Knezevo Brdo 294
Knez-Selo 178 345
Knjazevac (Gurgusovac)
88 126 212 223 225
226 347 348 349 350
351 352 353 354 418 435
— , Bezirk 225
— , Einwohnerschaft 353
— , Kreis 147 202 351
353 358
— , Wiederaufbau 352
Kobasica, Berg 92
Kobisnica 471
Kocane 282
Koch, Robert, üeheimrat 527
Kocina Krajina 498
Koehler, G., General 487
Königseck, General 506
Königssteig 187
Köprülü(Cuprilic), Gross-
vezier 47 205
Köstendil 252
Kohlenlager 35 188 367
374 443 454 459 516
524 525 530 543
Kohlenwerk auf derVrska
Cuka 422 423
Kolac 99 100
Kolasin 49
Kollar 526 527
Kolotanz 67
Komiga 174
— Kloster 174
Komin 187
Kominski, Tscherkessen-
offizier 131
Komnena, Anna 251
Komplos (Prokuplje?) 287
-, Landschaft 138
Komplott, Cebinacer 257
Komren 148 177
Konaks, neue 206
Konarevo 11
Koncic 294
Kondzelj 322
Konjuvska reka 326 327
Konopnica 273 276
Konstantin der Grosse 137
138 168 172 325 485 544
Seite
Konstantin, Ftirst 467
Konstantinopel 168221 325 544
Konstantinopeler Heer-
strasse 107 108 193 194
375 380
Konstantinovic . Zivko,
Wojwode 492
Konstantinsbrücke 472
Kopaonik 2 11 38 51 56
58 59 60 61 62 63 64
65 66 92 121 216 289
297 311 365
63 64
70
267 545
287
260
296
541 542
— , Erze
— , Gehöftebau
Kopasnica
Koperhanum
Kopiljak
Koporic
Koporin, Kloster
Koprijan 87 162 174 176
287 288
Koprive 246
Koprivnica 186 190 418
Koprivsticasattel 229
Korallenreste 223
Korbevac 260 265
Korbevacka reka 260
Korbovo, Dorf 480 481
-, Insel 481
Korman 129 130 544
Kornjet 457
Koroglas-Kirche 466 467 468
Kosancic, Ort 284 328
-, Ivan, Wojwode 318
Kosanic 388
Kosanica, Bezirk 291 294
312 313 315 319
-, Fluss 304
Kosava (Südostwind) 528 529
Kosmaca 320
Kosmovac 188
Kosovica 495
Kosovo, Dorf 412
-, Ort 474
— polje (Amselfeld) 60 85
86 87 139 288 298 300
303 311 317 319
— Schlacht 301
- Vilajet 234 311
Kosta, Cir 180
Kostadinca 188
Kostiljnik 265
Alphabetisches Saclircgister.
577
Seite
Kostimpolje 296
Kostol 481 482 487 488
528 535
Kostolac 413 535
Kostur, Ort 202
. Fels " 36
Kotar, Bacli 400
Koflenik 92
Kovacevac 64
Kovacevic, Ljuba, Ge-
schichtsforscher 85 166
226 389
Kovioci 103
Kozaricahöhen 275
Kozarnik 351
Kozarska reka 273 274 545
Kozelj 357
Kozetin (Aleksandrovac) 79
Koziji grad (Kozjak) 357
Kozla 525
— , Donauriff 556
Koziic, Ivan, Ingenieur 158
Koziica, Erzstätle 270
KozmovaCko tocilo 185
Koznik, Schloss 75 76
Krafjovin, Donauriff 557
Kragujevac 539 542
Kragiijevacer Zweigbahn 542
Krajina 397 410 415 416
429 430 431 432 435
437 438 ';39 448 464
474 492 517
— Minen
442
- Wein
438 439
Krajkovac
289
Kraku-Ku-Üdnele
441
Kraljevac
122 123
Kraljevic, Marko
52 84
— , Ackerbauschule
3
— , Bischofskonak
3
— , Heil. Geist-Kirche
2
— , Marmor
3
— , Maschinenfabrik
3
— , Nacelstvo
3
— , Römerniederlassung
2
— , Schanze
2
— Selo (Novi Han)
357
F. KAM TZ, Serbien.
11.
181 196 203 247 261
327 400 443 467
— , Schloss des 249
Kraljevica 370 413
Kraljevo 1 9 47 92 12;n24 542
Seite
Kraljevoer Ebene 15
Krasnic, Arnautenstamm 333
Krastavce 186
Kratovo 341
Kraus, Franz 402
Krautsfeuer 430
Kravije 134 365
Krcmar 301
Krdzalieii (Banden) 144
Kremen 282
Kremenica, Berg 92
Krepicevoer Klosterkirche 399
Kretinismus 1 1
Kreuzfahrer 138
Krieg, serbisch-türkischer
1876 225 226
, 1877 226
Krimkrieg 146
Kritobulos 341
Kriva Bukva 189
Krivac (Kosavasturm) 528
Krivaca 331
Krivelj 405 407 409
Krivi Vir 372 395 399 400 413
Krivobarska Straza
Krivovirski Timok
Krnjina-Moschee
Krs
Kräevica, Dorf
— , Fluss
Krsija saturlui (Sel.ski
Kamen)
Krsni kolai
Krst
Krstic, Mihail
Krsticeva Mahala
Krstilovica 249 250 253
258 547
Krupac
Krusa
Krusevac 33 47 81 82 84
85 87 88 89 90 91 92
93 98 100 103 139 142
175 298 319 543
- , Brücken 100 103
— , Denkmal 91
— , Kreis 103 104 146 234
— , Votivkirche 91
-, Zarenkirche 81 82 84 85 87
Krusevica 273
Krusje 129 187
Krvavac, Bach 129
425
395
322
407
258
258
402
99 100
187
269
272
207
188
Seite
Krvavi Vis (Bluthügel) 108
Ksenija, Klostervorsteherin
in Sv. Bogorodica 189
Kubin 507
Kubrsnica 540
Kubusor 405
Kucaj-Gcbirge 402
Kuci 46
Kucuk Ali, Dahienführer 508
Kuczinski, Ingenieur 304
Kudernatsch, Geologe 520
Kukavica,Berg244246 262 545
, Dorf 262
Kukurek (Niesswurz) 216
Kula 414 418 422 423
Kulaer Hochebene 369
Kulina 175
, Ruinenberg von 105
Kulinska Banja 134
Kumanovo 218 252
Kumarevo 279
Kumarevska Cuka-Felsen 258
Kunawit (Suva HIanina) 139
Kundovic, Zollanitschef 268
Kunovaiki Vrh 196
Kunovica 194
— Pass 184 185 189 194
195 196 198
— — , 1443 christlich-
türkischer Feldzug 194
195 196
Kunovo 267
Kupelwieser, FML. 487
Kupferzone, vorgeschicht-
liche 408
Kupina (Brombeerstrauch) 216
Kurilovohöhe 221
Kurmus 328
Kuräid Pasa 108
Kursula, Jovan, Wojwode
108 110
KurSumlija 103 286 289
294 299 300 301 302
303 304 307 308 319
— , Bevölkerung 308
— , Kirchenruine Sv.
Petka 304 307
— , Kreis 150
— , öffentliche Gebäude 308
— , serbisch-türkische
Kämpfe 307 308
— , Sv. Nikolakirche 303 304
37
57S
Alphabetisches Sachregister.
Seite
Kurt, übcist 491
Kurttschai 484
Kuruf csme (BelaPalanka)
199 203
Kurvingrad 174 176 183 325
Pass 174 283
Kurvingrader Höhe 174
Schlossruine 174 545
Kurvin Han 174
Kusaca 194 549
Kusadak 539
Kusjak 471 473
Kusjaker Hafen 437
Kutinatal 185
Kutles 281
Kutleska Kapela Sv. Petka 281
Kutleski Drenak 282
Kutlovac 294
Kyrill, Apostel 205
Kvrillica 205
Lab
60
311 317
- Tal
318 319
Lacisled
80
Ladovce
318
Laeti
192
Lagarde, de, französischer
Vizekonsul 192
Lakat 15
Lalinac 366
Lalinacka reka 364
Lalince 248
Landwirtschaft 280 281
Landwirtschaftsschule,
staatliche, zu Bukovo
464 465
LanzonI, Apotheker 171 179
Lapastica 332 333 335
Lapie 194
Lapovo 542
La Recze, Donauriff 557
Lasnojevnc 64
Lasovacka Planina 357 366
Lasovo 413 415
Lastavicko polje 349
Läszlövar, Hochburg 527
Latif Aga, Muselim 2
Latif Beg 276
Latin, Filip 53
Laube, russische Diplo-
matenfaniilie 114
Seite
Lauer, Oberst 555
Laurocerasus Primus 274
Laz 387
Lazar, Fürst 24 60 75 81
82 83 86 92 95 138
203 248 290 299 301
311 318 319 397 442
443 542
„Lazar der Serbenzar",
Epos 84
Lazarev Kamen 403
Lazareva pecina 403 404
Lazarevac 294
Lazarevic, Jakov 435
— , Lazar, Oborknez 435
— , Mihail, Bürgermeister
von Negotin 432
-, Stevan 80 96 114 203
252 389 397
Lazarevo Selo 185
Lazarica 92
— , Epos 82 83 84
Lazine 399
Lebane 331 332 337 343 344
Ledenica (Eishöhle) 122
Lederata 531 532 535
Lejean 487
Leko, Marko, Dr. 258
Lemendzehöhe 263
Lemmer, Ingenieur 559
Lenovac 413 414
Lentulus, Oberst 2 47 48
Leontije, Metropolit 516
Lepaja 290
Lepcince 258
Lepenica 249 542
— Gebiet 249 261
Lepterijaquelle 114
Lesjanin, Miloje, Jurist 390
— , Oberst bezw. General
148 149 150 254 308 309
315316319 390 416 417 418
-, Rajko 390
— , Stojan Jovanovic 390
Lesje 389 390 392
Leskova Padina 270
Leskovac 138 174 201
233 234 235 236 237
238 241 242 251 253
260 277 280 281 289
321 332 335 344 391
413 545
Seite
Leskovac, Basilika „Sveta
Bogorodica" 236 237 280
~ , Bezirk. 160 257 313
— , Einwohnerschaft 237
- , Hanfbau 238 241
- , Hisar (Schlossberg)
234 237 242
-, Industrie und Gewerbe
241 242
- , Kirchen 237
— , Kreis 145 150
-, Mudirlik 337
— , öffentliche Bauten 236
, Pasa-Saraj 235 236
— , Rajah-Aufstand
234
— , Schulen
237
— , serbisch -türkisch
e
Kämpfe
234
— , Verwaltung
238
Leskovica
233
Leutrum, General
142
Liaskohle
423
Liberali
403
Limes Romanus
482
Linne
526
Lipljan
283
Lipovac
131
— , Bach
109
— , Schloss
134
Lipovica, Ort
281
-, Berg
349
Lisac
249 262
Lissabon
484
Lissauer
534
Lissus (Alessio) 137
233
283 303
Litica
188
Livada
64
Ljesnica
311
Ljocic, Svetozar, Ge
nie-
Oberst
215 424
Ljubicevac
478
Ljubotin, Berg 121 31 1318 547
Ljubostinja, Kloster 252
Ljuta Bara, Vlasinaquelle 266
- Stena 424
Ljuti Vrh 364
Loewenwald, General 504
Logorberg bei Eminova
Kutina 145
Logoriste 124
Lokosnica 190
Alphabetisches Sachregister.
579
Seite
Lokva 439
Lokvica, Karaula 310
Lom, Fluss 193 222 223
— , Stadt 193 367
Lomnica , 103
Londoner Vertrag 555
Longiniana 371
Lopatnica 1 1 202
Lopresti, Baron, Leutnant 532
Lopusl<a mehana 274
Lopusnja, Kirchenruine
396 397 398
Lozanic, Professor 123
184 258
Lubnica 413
Lubniiiki potok 316
Lucius Quintus 483
Lucjak, Bach 402
Ludwig. König von Ungarn 4
XV., König von Frank-
reich 1 1 1
Lugnmir, Fluss 94
— , Gau 94
Lugos 505 507
Lugoselo 507
Luka 369 407 409
Lukadizza 448
Lukadnizza (Lukadnica) 444
Lukavica 398
Lukovo 296 398 399 400
413 415
Lukovska reka 296
Luther, Hugo, Ingenieur 559
Luznica, Bach 188 215 272
, Bezirk 211 232
Lyperitza (Lepenica) 249
M.
Mac Alpine, Hydrotech-
niker 534
Macdonald, Sir, englischer
Konsul 192
Macedonci 331 336
Macija Stena, Karaula 317
Maciner „Heiligenwasser" 327
Mackovac 301 307 319
Macsay, Dr., Chefarzt 350
351 354 360 367 410
Madan, Gebirge 318 331
Madjare 107 294
Seile
MagdaleniL-,A\ihail,Oberst 215
- , Divissionskomman-
dant 424
Magien, Gebirge 347 357
Maglic, Dorf 12 15
— , Schlossruine 1 1
Mahmud Celebi 195
Chan 490
Hamam 490
Pasa 179
- PaSa-Han 194
- Pasa Prizrcnac, Gou-
verneur 154
Majdanpek, Stadt 518
- Gebirge 441 457
Majdevo 103
Majkovacki potok 327
Makresani 93
Mala üolubinja 448 449
- Grabovnica 243
Jasikova 373
- Kamara 149
Kamenica 455
Kosanica 316
-~ Plana 289 294 322
~ Reka 105
Tal 250
- Teskoba 389
Vrbica 481
Malajnica 459 462
- , Gefecht bei 431
Malaria 527
Malca 144 548
Maicevica 188
Malenik 401
Malerei, orthodoxe 6
Maletina 106
Mali Izvor 413
- Jastrebac 110 121 134 175
- most 208
- Siljegovac 130
- Sokolov Vis 311
- Stalac 98
Suvodol 202
- Timok 121 225
- Zvornik 503
Malo Kurilovo-Berg 199
Zdrelo 357
Manasijaer Marmorkirche 307
Manastirica, Kloster 493
Manastirska reka 190
Manastirski potok 546
Seite
Mannaberg. Jul., 527
Mannert 233 347 371 444
471 472 487 499
Manteanu, J , Berg-
ingenieur 409
Manuel 1 , Kaiser 335
-- II , Kaiser 138 162
Mara, Brankovics Gattin
82 83 84
— , Sultanswitwe 288
Marasli Pasa 31 519
Marburg, Kastell 471
Marchetti, Hydrotechniker
554 556 557
Marcianopolis 472
Margancc 258
Margum 81
Margus 534
Marija, Sv. 94
Marina Kutina 186
Marinacka Greda 60
Mariolovic, Vandjel 263
— Vasilje 269
Marjanov, Brüder 180
Markgraf von Baden 140 141
Marko Kraljevics grad 249
250 547
Markovac 542
Markov grad 249
— Kamen 285 400
— Vis, Berg 311
— -, Karaula 317
Markovic, llija» Oberst 126
— , Kosta 183
, Milan, Dr. ' 543
Markovo Kaie 149 181
Marmorlager 93
Marsigli, Graf 197 444
445 448 450 451 470
477 481 483 487 488
499 500 502 515 531 534
Martinova Cuka 232
Martorell 484
Maskare 89 98
Maslo (Schmalz) 218
Masurica, Dorf 262 270
Masuricabach 263 265
Masuricagebiet 257 260
261 202 263 264 289 546
MasuriCko polje 263 265
Masutin, Petar, moldau-
ischer Wojwode 397
:i7*
n.sn
Matejic, Ort
, Pavle
Mathias Corvinus, König
Maüi, Rista R., Bezirks-
hauptmann 275
Matijasic, Kreisingenieur
93
Matijevac
Mecl<aplateau
Medena Stcna
Medeno Gunino
Mediana, römisches Lust-
schloss 171
Medja
Medjova
Medjuana
Medjuluzje
Medjurovska crkva
Medosevac 158 175
Medovic,Dr.,Physikus526
Medvedja, Fhiss 333
- Gebiet 328 331
— leska (Bären-Hasel-
nussbaum)
-, Ort
Medza Planina
Medzininoff, Oberst
Mehadia 501 504 505 506
Mehana Sekirica
Mehandzijas (Wirte)
Mehanski potok
Mehemed Ali Effendi,
Passapordzija
Pasa 50
151 253
254 276
— Pasa Agie
— Ruzdi Pasa
— , Sultan
Mehlis, C, Dr.
Meldia, Mansion
Melentije, Bischof
Mercy, Gouverneur
97
145
502
505
Merion
Merosinska reka 175
Mesembria 138
— , Johanneskirche
Messe von Uzundzova
Metalica, Berg
Metallwaren
Meteoritenfall
Meteris
Seite
24
108
174
276
105
144
109
194
279
172
282
232
294
539
283
176
527
335
337
310
334
232
130
507
109
135
316
312
463
280
415
288
191
552
146
530
233
283
182
182
125
80
209
117
451
Alphabetisches Sachregister.
Seite
Midzor 225 232
Miglio, General 124
Mihail, Bulgarenzar 252
— , Fürst 45 145 459 477
492 508 541
— , Kir, Iguman 464
— , MetropoMt 10 114 163 220
— , Vidiner Teilfürst 361
Mihailjevic, Oberst 2
Mihailo, Djak 79
Mihajlovic, Tema, Pfarrer 269
Mihalck, Ingenieur 263
Mihalovski, Ingenieur 346
Mijailovac 455 517
Mijatovic, Geschichts-
forscher 85 397 493
Mijovce 248
Mikaschifthöhen 266
Miklosic 390
Milan, Fürst bezw. König
89 108 131 147 148
163
189
281
I
150 160
183 184
214 257
177
212
339
393
169
211
335
379
Milanovacer Becken
Milcin Vrh
Milenko, Wojwode 431
460 508
Milenkovic, Antonije
Milenov Vrh
Mileriadis, griechischer
Arzt
Mileta, Knez
- , Nikolic
Miletic, Radovan, Major
Miletina crkva
Mileva (Olivera), Sultan
Bajazids Gemahlin 24
Milica, Zarin 82 87 123
301
Dj.,
176
233
308
373
421
516
454
516
202
518
198
362
157
346
32
253
364
493
397
Milicevic, Milan
Schriftsteller 166
180 182 203
246
331
396
468
244
318
387
458
224
296
357
411
502
284
354
399
477
Militärspital bei Cele Kula
Miljko, Knez
Miljkov, Kloster
Miljkovac 134
520
180
435
542
178
Seite
Miljkovac, Kampf bei 145
Miljkovacer Schloss 366
Miljkovic, llija 70
Miloje, Wojwode 108 145
Milojkovac 552
Milojkovic 64
Milos, Fürst 31 32 33 37
38 109 112 113 118 122
145 146 159 350 356
406 416 430 432 436
443 455 501 517 519
539 540
Miloseva Kula 442 443
Milosevac 294
Milosevic, Blagoje 181
— , Stevan, Pope 411
Milosevo 466
Milovanova Cuka 445
Milovanovic, Bürger-
meister von Nis 169
Milutin, Ban 2
- , Kral] 252 258 493
Milutinovac 477 478
Milutinovic 54
Mino, Heiduck 322
Miranovac, Blockhaus 223
Mircia I. 467
Miroc 441 448 449 450
457 462 477
Mirocevo
Mirocplateau
Miroestrasse
Mirosevce
Mirovacer Plateau
Mirovo
450 451 535
451 535
451
247
316
413
Miskovic, Jovan, General
85 88 108 215 347 353
373 409 413 424 531
Misljenovacki potok 373
Mita, Zabunov
Mithad Pasa
163 164 172
32
150 151
175 180
183 189 193 206 207
223 232 234 258 367
Mithadstrasse bei Donja
Vrezina
Mitrofsky
Mitrovica
Mladen, Knez
Mlava
— Becken
Mladenovac
179
142
48 49 162
89 346
381 534
542
539
Alphabetisches Sachregister.
581
Seite
MIec (WolfsmÜLh) 216
Modra Stena 272
Mönche, serbische 30 31
Moesia inferior 472
— superior 472 534
Mösien 445 489
Mösier 192
Müsisch-thrazisch-darda-
nisches Strassennetz 137
Mohamed Pasa 159 234
Mohammed I , Sultan 87 96 363
— 11., Sultan 96 252
— 111., Sultan 95
Mojsia (Musa), Zar 80 87 97
Mojsinje, Bach 188 197 220
— , Dorf 93
— Planina 93
Mokra, Ort 221
— Planina 59
— Schlucht 199 221
Mokranja 439 455
Mokri Kamen, Karaula 317
— Kremen, Karaula 317
— Lug 534
Mokro, Landschaft 138
-, Ort 216
Mokros (Rumisiana) 199 221
Moldova, Ort 529 556
Insel 529
Aloltke 325
MomCilo, Wojwode 203
Momcilovo 326
Momin Kamen 114
Momina Klisura 546
Mommsen 192 197 510 511
Montenegro 46
Moralija, Buljukbasa 196
— Han 196
— Klisura 196
Morava 94 95 97 98 100
105 106 121 126 129
136 142 170 174 189
233 248 250 258 2«)
26! 262 265 267 272
277 279 281 282 283
289 298 326 534 542
543 544 545 546
Bahn 45
— Donau-Strassc 260 375
— Eisenbrücke bei Djunis 103
- Gebiet 49 94 131 133
169 170 279 299 319 398 542
Seite
Morava-Pass
135 174
- Tertiärbecken
259
— Timokscheide
402
Moravica 122
124 366
- Schlucht
HO
Tal HO
117 398
Moric
275
Moruna (Hausen)
494
Moskowitisches Glas
249
Mosna
443
Mosor-Höhe
190
- Kuppen
188
Moustiques (amerika
nische Mücken)
526
Mozgovacka reka
108 122
Mozgovo
HO
Mrakonija
449 513
~ Tal
514
Mramor, Berg
59
- , Moravabrücke
148
— , Ort 139 148 175 254 283
Mrdarberg 302
Mrka Poljana 270
Mrkonj 326 337
Mrkonjska reka 336
Mrmos 80
Mrnjavcevic, Djordje,
Wojwode 139 220
Mrselj 293 294
Mrsolj 129
Mrtvica 546
Mrtvina (Totensteuer) 430
Mrvez, Dorf 328
— , Hochebene 328
— pol je 327
Mucibaba 232
Mücke, Golubacer 526 527
Mühlsteinbrüche 93
Müller 444
Münch, Brüder, Tuch-
fabrik in Paracin 378
379 386 543
Muhti Effendi 185
Mujurdar Mustafa Effendi 149
Mukinja (Baumart) 310
Mula Jussuf, Dahienführer 508
— Paäa 460 461 516
Mulasim Ra§id Pasa 149
Salih Pasa 145
Atumdzija, Kosta llic 276
Mundarten 328 421
Muntoana, Grenzcardak 522
Seite
Murad 1 , Sultan 60 81
82 84 86 138 139 194
203 301 311 325 442
— IL, Sultan 60 87 195 284
IV. 200
Mursovica 272
Musa, Mojsia, Sultan 80
87 96 123 139 203 229
252 363
Pasa, Kaimakam 199
Musija, Zar 381
Musta Beg 160
Mustafa, türkischer Feld-
herr 60
— Pasa 145
Palanka (Bela Pa-
lanka) 143 196 200
Musteranstalt, landwirt-
schaftliche 282
Mutatio Cametae 109
~ Latina 202
— Redicibus (Radia) 194
— Sarmatae 109
— Ulmo 194
Mutavdzi (Wollweber) 231
Mutnica 389
Mutnicaer Kohlenflöz 386
Mutnicko polje 380
Muzinac 118
N.
Nafelniks 45
Naher-Kjor 484
Nahija 2
Naissus (Nis) 98 122 137
138 167 168 171 172
175 178 184 191 192
197 283 284 286 347
375 398
— , Kämpfe um 138
— Kastrum 167
Naissus — Thessalonik-
Slrasse 174
Nakrivanj 244
— , Kloster 244
Namen im Timokgebiet 354
Naprednjaci (Fortschritts-
partei) 353 393 403 418
Nasalevci 268
Natalie, Königin 93 160 163
Nationallieder, Serbische,
von Vuk 95
582
Alphabetisches Sachregister.
Seite
Naupara 103
Navissos (Nisava) 137
Nedelja, Sv., Kapelle 94
Nedzri, Dichter 86
Negotin 33 226 374 415
416 430 431 432 435
436 437 438 439 454
461 465 475 491 492 517
— , Baba Finka 432
— , Bewohnerschaft 436 437
-, Bezirk 439
— , Entstehung 430
— , Industrie und Handel 437
— , Kreis 439
, Maria Geburts-Kirche 435
, Milos-Denkmal 436 437
— , öffentliche Bauten 435 436
— , serbisch -türkische
Kämpfe 431
— , Veljkos Schanze 432
V. Neigebauer 444
Neipperg, Graf, General
505 506
Nejinci, Weiler 366
Nejo, Heiduck 366
Nemanja, Heil 25
--, Stevan 6 17 138 161
162 234 252 303 304
355 357 363
— , Zupaner-Geschlecht 46
Nenadovic, Ljubomir 432
— , Prota Matija 532
Nericev Han 108 109 122
Nerva, Kaiser 325
Nesa, Pope 258
Nesic, Djordje 158
Neskovic,Janicije, Bischof 9
Nestor, Sv., Anhöhe 130 131
~ — , Kirche
544
, Kloster
106
Nestus
139
Neu-Barcelona
530
Neugebauer
145 510
Neumarkt (jeni
Pazar) 47
Neu-Moldova
530
Neu-Ram, Fort
532
Nicetas, St.
199
Nikanor, Bischol
25
-, Mönch
458
Nikifor, Bischof
146
Nikodim, Heil., Erzbischof
458 493
Nikodim, Pope
-, Stadt
Nikola, Fürst von Mon-
tenegro
— , Hadzi
— , Sv., Heiliger
, Kirche 107
, Kloster 546,
Nikolajevic, Professor
Nikolaus, Heiliger
Nikolic, Milan
— , Tesa, General
Nikolicevo
Nikolina voda, Quelle
Nikopoli 140
Nikopolis ad Haemum
— — Istrum
Niksic, Hadzi Melentije
Nis 47 89 98 133 135
136 137 138 139 140
141 142 143 144 145
146 147 148 149 150
151 152 154 155 156
157 158 159 160 161
162 163 164 165 166
167 168 169 170 171
180 183 185 186 189
192 193 194 195 196
200 203 204 222 224
230 233 251 253 280
283 284 287 288 303
332 367 415 416 418
474 503 544 545
— , administrative Be-
deutung
— , altchristliche Grab-
stätten 165
— , antike Funde 166 167
, Bäder
— , Bahnhof
— , Befestigungen 139 142
152
-, Bezirk 160 169 170
— , Bistum
— , Carsija (Basarstrasse)
155
— , 1443 Schlacht bei
— , 1689 Schlacht bei
—, 1690 Belagerung und
Kapitulation 140
— , 1737 Einnahme durch
die Österreicher 141
Seite
Seite
493
Nis, 1737 Kapitulation 203
540
— 1809 serbische Nieder-
lage bei 144
49
-, 1838 Pest 146
519
— , 1841 Bauernaufstand 146
52
— , 1877 Bombardement 148
134
--, 1877/78 serbisch-
552
türkischer Krieg 148 149
184
— , 1878 Kapitulation 149
25
— , Ejalet 234
432
—, Eparchie 138 363
393
— , Festung 147
373
— , Frauenleben 156 157
441
— , Garnison 168
487
— , Gewerbe 168
487
-, Hospital 165
472
— , Kämpfe um 139
31
- , Kathedrale 162 163
- , Kirche Sv. Nikola „Pa-
liiulska" 164
Sv. Pantelejmon 161 162
Königskonak 159 160
Kreis 150 160 169 170 349
Kreisamt 160 161
Kumanovoer Strasse 258
Lage 150
Leskovacer Strasse 189
Moscheen 150 152
Moslims 151
Nationalitäten 168
Neubauten 154 155
neue Kathedrale 146
548 — , Nisavabrücke 151
öffentliche Bauten 151 152
150 — , Pokrivena carsija 151
politisches Leben 157
166 — , Prokupljer Strasse 175
168 - , Prostitution und Hy-
150 giene 157
154 — , Schulen 157
Schweineschlächterei 158
153 - , Stadtregulierung 158 159
313 ! —, Stara crkva (alte
146 j Kirche) 162
Strassenleben 155 156
156 I — , Timok- Donaubahn
284 I nach Rumänien 158
140 — , Tore 152
Trachten 156
141 — , Tulben 154
Übergabe an die
142 Türkei 143
Alphabetisches Sachregister.
583
Seite
Nis, Uhrtiim 152
— , Umgebung 136 172
173 174 175 176 177
178 179 180 181 182
183 184 185 186 187 ,
188 189
— , Verkehrsverliältnisse 158
— , Vinikschanzen 150
— , Vranjaer Balin 174
— , Weinbau in der L'm-
gebung 178
- , wirtschaftliche Ver-
hältnisse 157 158
-, Wohnungen und Kauf-
läden 154 155
— , Zahlungseinstellungen 158
Nisa, Prinzessin 136 174
Nisava 136 137 140 168
170 179 185 194 198
202 218 222 229 345
548 551
, Bezirk
211 232
Brücke
136
Gebiet
122 138 150
178 193
196 206 222
0.
Seite
Obilic, MiloS 76 82 84
203 442
Obia, Rtanj-Vorberg 399
Oblaöinsko jezero 284
Oblik 260 363 550
363
327
89
92
365
294
211
472
526
274
232
509 556
264 319 328
— - Pass 135 548 550 552
Nissa (Nis) 137 221
Nischlmeissel, Rittmeister 47
Nischt 139
Nisevci (Niscvac) 347 362 366
Nisko polje 136
Nisor 211 229
Nosoljin 45
Novae 472 535
Novakovic, Aleksa. Ad-
vokat 270
— , Dositije, Bischof 435
— , Gelehrter 85 114 176
467 518
— , Gesandter 343
Novi Han (Kraljevo Selo) 357
— Lom 399
— Pazar 45 46 47 48 49
50 89 144 148 289 294 295
, Dzamien 46
— — , Schloss 46
Novo Brdo 246 252 326 337 341
— Korito 356 357
— Selo 149 175 320 366 474
— Vlase 328
Nysos (NiS) 137 192
Höhlen
Obrazda
übrenovic, Milos
II., Milan, Fürst
— , Mihail III., Fürst
Obrtinci
Obst, Ödenburger
Öscus
Östren (Mücken)
Ogorela Cuka
Ogost-Quellgebiet
ügradina
Olivera (Mileva), Sultanin 85
Olmar-lnsel 460 473
Olympos 216 547
Omer Effcndi, Kadi 47 48
— Pasa 124 146 342
— , Subasa 357
Omerovac 294
Oniophorion 54
Orah 272
Orahovicafeld 545
Orana Njiva 260
Orasu Njampuluj 441
Oravica 529
Oresac 349 367
Oreskovic 150
Oreskovica 517
Oriziste 134
Orlid 294
Urliste, Grenzblockhaus 311
Orlovacberg 93
Orlovic, Wojwode 389
Orlov Kamen 225 232 328
v. Ornios, Sigmund 532
Ornithogalum Nyssanum 184
Orobus rubescens 184
Orsova 499 501 502 503
504 505 506 508 515 553 556
, 1737,39 österreichisch-
türkische Kriege 503
504 505 506 507 508
— , 1789/90 österreichisch-
türkische Kriege 508
— , Insel 557
— vetus Servie 500
Seite
Orurk, Graf, General 88
89 111 350 415 431 474
Osaonica 542
Osljane 356
üsman Saliovid, Arnaute 332
Paäa 4tX) 416 417 418
Osnic 400
Ostojic, Major 417
- , Oberst 474
Ostra Cuka 149 366
Ostraci 296
Oätrelj 407
Ostrica 275
OstroSehöhen 130
Ostrovica 137
Ostrovo, Insel 530 534
— , Ort 530
— mare, Dorf 455
, Insel 455
Ostrozub 274
Otac, Sv., Kirche 551
Ottermann, Montanist 559
Ozerovic, A, Kaufmann 525
Ozrengebirge 112 121 170
P.
Padei.
Padina
Pajsije, Vladika
Paklestica
545
328
261
229
Palanka 531 540 541
— Kruschowaz(Kru§evac) 89
Palanken 124
Palatiolum, Kastell 487
Paleologos.Manuel.Kaiser 467
Pälffy, Graf 140-
Palikuca 243
Palilula 308 363
Paljevstica 73
Pallavicini, Marquis 505
Palmotid 196
PanagiaNikodimozuAthen 23
Pancie, Professor 62 1 17
184 268 271 274 406 528
Pancova 507
Pandiralo 223 225
Panjkovac 130
Panojevici 46
Panselinos 6
Panta, Postmeister 333
Pantelija, Sv., Kloster 123
584
Alphabetisches Sachregister.
Seite
Pnntelije, Sv., Kloster 258
Pantheiejmon, Heiliger 66 67
Paprat 388
Papratnica 445 447 448 518
Paracin 89 138 140 376
377 378 379 380 391
392 415 543
— , antike Baureste 380
— , Entwickelung 377
— , Geschichte 376 377
-, Industrie 378 379
— , Kirche 377
— , Kreis 146
— , Schulen 377
Paraffin 367
Paraljevo 400
Partenije, Bischof 214
Pass zwischen Maglicer
und Dubocicaer Tal 15
Paschalik 133
Pasetti, Hydrotechniker 554
Pasic 276
Pasjacagebirge 284326 328 331
Paska Sija 552
Passarovitzer Friede 109
Passionei, Nuntius 167
Passe Auguste 143 354
367 368 504
Pastruga (Störart) 494
Paul], Wojwode 118 144
Pauvlitz 194
Patarica 259
Paten, Konsul 61 46
Pavla Orlovica gradic 389
Pavlica 204
— , Höhen von 52
— , Kirche 52 53 54
Pavlov Krst (Paulskreuz) 232
Pavlevce 258
PavlovicAdamovagradina 221
— , Dimitrije, Bezirks-
kapetan 293
, Bischof 237
— , Dragoljub, Professor 395
— , Ingenieur 432 435
439 451 455 467 477
489 510 512
— , Kosta, Nacelnik 161
-, Krsta 284
-, Milovan, Major 253 545
— , Peko,herzegowinischer
Insurgentenfiihrer 284
Seite
Pazarislc 545
Pazvan Oglu Pasa 144
356 372 413 414 431 518
Pazvandzija, Osman 118
Pcinja 257 335
Pec (Ipek) 4 48
— , Bezirk 335
Pecenje (= Braten) 3
Pecenjevacka reka 281 282
Pecenjevce 236 279 280
281 545
— , Kirche Sv. llija 279 280
Pecina (Höhlenbach) 402
Pek 528 530
— Gebiet 517
Pepeljevac 81 301 320
Pepeljusa 76
— Tal 81
Perlenkiesk zu Konstanti-
nopel 159
Persiani, Gesandter 10
Pertate 344
Pesa Prsid 243
Pescabara 444
Pescanica 129 544
Pesic, Jovanca 198
— Mihail, Hadzi 185
~, Naka 198
Pesterek 388
Pestis 321
Pet, Feste 515
Petar, Sv., Grlister Kloster 413
— — (Petrova crkva),
Kirche 46 183 184
Peter von Amiens 138
Petersen 486
Petka, Sv., Kirche 103 107
, Kloster 215 388
391 392 544
Petkovic, Sava, Offizier 309
— , Zaharije, Pope 380
Petkovica, Kloster 464
Petronijevic, Avram 89
145 501
Petrova crkva (Sv. Petar),
Kirche 46
— Gera 328 334
Petrovic, Jovan, Major 189
— , Michaile, Kapetan 45 51
— , Milan, Cetaführer 307
— , Miloje, Wojwode 144 540
— , Petar, von Suraklic 516
Seite
Petrovic & Raiiftl, Bel-
grad 374
—, Vasilije, Kniet 448 450
— , Veljko, Hajduk 89
111 114 144 350 414
415 420 431 432 435
473 474 518
Petrevo Jezero 331
Petrus, Festung 87
Petrusa, Ruine 381
Petruska crkva 381 382
Petschka(Pe(5), Erzbischef
von 143
Philadelphus, Kenst.Aug.,
Feldherr 138
Philipp von Burgund 341
Philippi. Graf 141 504
Philippepel 149 241
Philippus Arabs, Kaiser 197
Pholadomya ambigua 423
Piccolomini 505
— , Graf 47 288 319
Pilatovica, Karaula 296
Piletic, Wojwode 156
Piljakev Sanac, Gebirgs-
sattel
Pincum
Pirch
Piret
15
535
194
126
194 195
142
200 201 202 203 204
205 206 207 209 210
211 212 213 214 217 '
220 221 222 224 225
226 229 318 418 551
— , Aufstände 204
— , Bewohnerschaft 214
— , 1688 österreichisch-
türkische Kämpfe 203
— , 1737 österreichisch-
türkischer Krieg 203 204
- , 1876 Eroberung durch
Serbien 211
", 1885 serbisch-bulga-
rischer Krieg 212
— , Kastell 213
, Kirche „Rozdestvo
Hristevo" 214
— , — Sv. Trojica 214
— , Kirchen 204
, Kreis 145 150 160
163 196 211 270
— , NiJava-Eparchie 204
Alphabetisches Sachregister.
r)85
Seite
Pirot, öffentliche Bauten
204 213
— , Panajir (Messe) 206
207 208 209 210 211
-, Schloss -203
— , Teppiche 210
— , Zwetschken 211
Piroter Becken 202
— Strasse 181 183
Pirotski Cilini (Piroter
Teppiche) 210
Pirsa 453
Pirsnik 535
Piscabara 515
Piskalj 294
Piskanja 52
Pita (Kuchen) ' 210
Pivnica, Bach II 477
PlaCevica 249 250 253 547
Plana, Stadt 64
PInnabach 293
Planinica 400 413
Plavisevica 515
Plavijenje 439
Plavna 459
Ples 550
Plinius 341
Ploca U 194 196 348
Plofnik 294 301 322
Plos 385
Plot (Palisadenzaun) 38
Podgorac 400 401 402 413 415
Podujevo (Vindenae) 303 316
Podujevoer Han 302
Podvalac 525
Podvis, Kohlenwerk 367
Podvisberg 364
Podvisschloss 363
Podvrska, Berg 479
- reka 478
Pogledgipfel 293
Pojata Sliva 451
Pojnikovabach 516
Poljana 260
Poljanica, Bezirk 248 257
261 262 263
, Ort 415
Poluniir 15
Ponikve 395
Ponor 202 211 232
Pontes, Kastell 481 483
■185 486 489 498
Seite
Ponteserium 371
Pontonbrücke, Jasikaer 93
Pontus 534
Popen (Weltgeistliehe) 30
Popina 93
Popljesak 380
Popov Stub 550
Popova Cuka 270 410
Mahala 266
Popovac 337 380
~, Brücke bei 149
Popovii, Arzt 114
— , Djordje, Metropolit 141
— , Dositijc, Duhovnik 26
— , Jovan, Kaufmann 455
— , Juwelier 173
— , Nestor 163
— , Radojko J. 163
-, Radul, Kmet 469
— , Stevan, Protojerej 270
Popovica 441
Popovo 294
Porec Ali 118
— , Bezirk 439
-, Insel 518 519 556
— Insel-Schanze 446
-, Stadt 460 501 518 519
Porecka reka 409 443
444 446 447 449 450
472 499 516 518 535
Porez (Steuer) 430
Porta Naissitana 326
Poskurnjnk-Modell 99
Posrana, Höhle 363
Postzug 136
Potier, Jules, Ingenieur 422
Potok 290
Po^arac 94
Polare 386
Pozega 47 142
Pozezena 528
Praesidiuni Dasniin 98 109
- Pompei 81 98 108 109
122 134
Prahovo 88 431 455 469
470 471 473 474 499 528
PraporCetovic, Jovan,
Offizier 309
Praskovce 131
Pravoslavni (Rechtgläu-
biger) 69
Prcilovica 130 544
Seite
Prebreza 294
Predejane 270
Predejanska reka 270
Pregrada 497 557
Prekadin 294
Prekodoice 262 263
Prekonoge 346 364
Prekonozi 131
Prekopcelica 326 328 331 341
Prelesje, Bach 229
-, Berg 229
V. Premerstein, Anton, Dr. 485
Preobrazenje, Dorf 257 258
-, Sv., Kirche 261
Preobraienska reka 257
Prepolac 254 302 303 310
311 319
— , Berg 309 319
— , Schanze 318
— , Therme 303
Prepolacka reka 309
Preradovac 9
Presaknberg 382
PreseCina 243
Preseka 362
Presevo 252
Preslab 202 221
Preslop 190
Pressel , Wilhelm , In-
genieur 537
Preteiana 294
Pretresnja 294
Prevalac 26(J
Previti£ki Vis 311
Pribacka, Nahija 43
Pribakova 43
■Pribakovic, Filip, Kape-
lan 43 44
Priboj 260 261 463 547
— Han 260
PriCevac 352 362
Pridvorica 294 328 540
Prijesda, Schlosshcrr auf
Stalac 95 96 97
Prijodbach 455
Prilepac 277
Prilip 209
Priljepac, Schloss 341
Prinz von Hannover 60
Priscus, Geschichts-
schreiber 138
Prista 472
586
Alphabetisches Sachregister.
Seite
Pristina 60 149 150 209
303 311 315 319 333
— , Ejalet
234
— , Mudirlik
337
Prizren
311
— , Ejalet
150
Prizrenac, Schloss
341
Priita
417 422
Priitski potok
422
Procopius 172 199
202
— , Hisar
285 286
— , Hochburg
286 287
—, Incar dzamija
291
— , Konak
291
— , Kreis
150
-, Lage
285 286
— ,Sv Prokop-Kirche 290 291
— , Weinbau
292
Prolovic, Mijailo,
Rajah-
führer
294
Prosek
548
Prosenik
265
Protic, Konstantin,
Oberst 129
— , Regent
9 259
Provaljenik
216
Prpor
187
Prügelmaschine
79
Prugovo
131
Prva (Eminova) Kutina 185
Prvonek
259
Psolog (Salzberg)
64
Ptolemaeus 233 453 472 499
Pujca
405
Pukovac
282
Putnik,Radomir,Major253 254
233 371 446 453 470
471 481 489 499
Progorelica 11
-, Felsentor bei 11
Prokletije (Fluchhiigel) 366
Prokop, Sv., Kloster 248
Prokopiam 287
Prokopios, Heiliger 162 288
Prokopje 288
ProkopovaKutinal85 186 189
Prokuplje 47 48 103 176
284 285 286 287 288
289 290 291 292 318
—, Bewohnerschaft 291 292
— , Bezirk 291 312 313
— , Geschichte 287 288 289 290
— , Handel und Gewerbe 292
Q.
Seite
Quarantäne-Einrichtungen,
serbische 41
Quecksilberadern 538
R.
Rabadzi, Jelenska 210
Rabutin, General 532
Raca, Kloster 463
— , Ort 316
Räczok 37
Radan Planina 328
Radenkovac 131 366
Radenkoviö, Vladimir 234 244
Radevci 130 332
Radia(MutatioRedicibus) 194
Radikale 393
Radinovac 332 333 337
Radivoj, Deli 122
Radojkovic, Dina.Buljuk-
basa 352
Radojioviä, Gruja 365
~, Vuja 365
Radomir 149
Radosav, Pop, Knez 369
413 414
Radoslav, König 4 6
Radov Trn 272
Radovanjska reka 399
Radu-Bessarab 397 398
Radu Negru, Wojwode 397
Radujevac 425 429 437
443 469 471 474 528
Radul, Joan, Wojwode
397 398 399 493
Radus 11
Radusa 34
Rafunska 328
Rafunski Vis 333
Raizenstadt 37
Rajac, Berg 184
— , Ort 425 429 439
Rajah 38 41 42 43 45 47
48 110 133 136 141
143 144 145 146 147
162 171 279 280 289
295 312 331 430 431
448 505 549
— Aufstände 134 295 413
414 415 416
Seite
Rajah Cifcije (sahibije) 280
Rajinkovac 326 333
Rajko, sirm. V/ojwode 288
Rajkovic, Petar, Ritt-
meister a. D. 333
Rakib, Caus 196
Rakijabereitung 274
Rakitnica 417
Rakos 188 215 216 218
219 220
Rakovica, Kloster 538
— , Ort 472 475 535
Raija 539
Tunnel 539
Ram 48 528 531 532 533 535
— Buco, Arnaute 334
— , Feste • 531
Ramberti 296
Ramis Pasa 255 262
Ramni Kamen
246
Ramondia Nathai
iae 184
— serbica Pancic 121
Ranke
518
Ranos, Maler
110
Ranutovac
258
Rappiana
134
Ras, Residenz
46
Rascijani
37
Rascije
37
Raseva padina
178
Rasic, Tanasije,
Bezirks-
hauptmann
216
Rasica
294
Rasina
75 103 298
- Furt
93
Raska , Quarantänestadt
36 37
38 41 42 43
— , Schule
41 42 43
— Tal
46 49
Rasnica
414
Rassiani
37
Rastavnica crkva (Ab-
schiedskirche)
bei Pro-
kuplje
318
Ratiaria (Arcer)
81 109
137
354 357 472
Ratzen (Raizen)
37
Rauchfangsteuer
146
Ravanica, Fluss
381
— , Kloster 92 95 382 404
Ravna
354 355 358
— Banja
332 337 341
Alphabetisches Sachregister.
587
Seite
Ravno Buöjc, Ort 224 226
, Bach 223 224
Raianj 89 109 142 415
V. Rebain, Hauptmann 194
Reblaus 429 438 ^öö
Redzeb Aga 491
Rejjio Naissatensis 196
Reiskulturen 134
Reissing, Oberst 506
Remisiana (Bela Palanka)
189 196 197 198 202 221
Repince 261
Repiäte 546
Reponja, Karaula 316
Repuäarski potok 392
Resava 381
Resavac, Knez 414
Reäica 530
Resinac 294
Resnik 216
Respublica Ulpianorum 197
Rgoste 349 362
Rgotina 373 410 411 412 443
Rgotski Kamen 410
Rhabdophyllia (Korallon-
reste) 223
Rhäter 192
Rhodope 216 260
Rhoxolanen 482 483
Ribare, Bad (Boljevacki
potok) 105
Ribari 75
Ribarska banja 105 175
Ribnica-Ruine 80
Ribnicki potok 445 446
Ribnik 92
Riener. Josef, Ingenieur
248 250 258 266 268
Rinau, Oberstleutnant 143
Rinjska Planina 198
Ripaljka, Wasserfall 114
Ripanj 538 539
Ristid, Regent 259
Ristovac-Zibevie 258 547
Ritopek 534
Ritter, Geograph 346
Riznic. Mihail St., Lehrer
93 98 467
Rjecnik 469
Robin Deo (Orahovica-
feld) 545
Robov Dol 221
Rodofinikin
Seite
516
s.
Seite
Römerberg bei Kreinbach
Sabac
503
(Rheinpfalz)
Römerburgen im Rl
191
ein-
Sabor (Saborfeier) 66 67
68 70 93 94 178
lande
191 192
— Svctog Method
a 70
Rönicrstrasse Ni§—
kuplje— Adria
Rogljevo
Pro-
176
439
Sabovljevic, Ingenieur 198
Sadni Kamen 369
Sadrvan, Brunnen 159
Rogozna-Planina
Roman, Sv., Kloster
46
106
Safarik
Sahatci
353 354
209
107 544
Sahsuvar Paäa
235
Romanovmost,Haltestelle 425
Romanovska reka 263
Romansiana (Remesiana) 197
Sajaktuch 210
Sajid, Arnaute 332 333 337 340
Sajinovac 243 290
Romanski put 114
Rosberg, Bergingenieur 454
RosomaCa 229
Sajkovac 316
Saju potok 493
Saka, österreichischer
Roteiche
Rotliegendes
Rotmäntler
Rsovci
310
231
68
229
Hauptmann
Sakrna strana
Salaria bei Sip
Salas
36
346
496
374 417
Rtanj 76 110 114 118
121
Salona
172
122 347 370 395
396 399
Salonik 137 253 544 545 547
" Flora
121
— , Golf von
50
— Pyramide
223
Salz
63 64
Rtkovo
Rudare
481
243 315
- Quellen
Samaila
11
2
Rudarski manastir
242
Samarinovac
471
Rudinje
Rudnjak, Mine bei
Rudoffsky, üraf
Rudovica
229
64
504
216
Samarnica 275
Samija (Kopftuch) 125
Samokov 266 309 315
Samokovska reka, Eisen-
Ruj
266
werk an der
64
Rumänien
118
Samson, Bankier
554
Runiisiana (Mokros)
199
Samum
528
Ruplje 270
Ruptschitsch, Baudirektor 559
Ruschambach, Hauptmann 288
Rusen Aga 118
Sandhügelgebiet
Sapatura
Saprance
Saraka
528
451
255
402
Ruäid, Mehemed, Pasa 88 346
Rustschuk 207
, Ejalet 234
Ruvarac, Hilarion, Ge-
Sarbanovac 117 406 413
Sargebirge 59 252 31 1 440
471 547
Sarkamenbach 440
schichtsforscher 52 85
Sarköi (Pirot)
199 203
176 252 287 296
Ru2in Grob
387 398
244
Sarlinski potok
Sarmaten
282
483
Rvati
Riana
52
25 207
Sarmisegethusa (Varhelj)
447 482
— , Kloster bei
Rzavci
229
352
Sarparijakuppe
äaäir Paäa
Saäit Paäa
405
235
431
449
588
Alphabetisches Sachregister.
Seite
Saska 529 530
Sass, General 431
Sastanci 316
Sastavcimühle 316
Satjir Effendi 38 41
Sava, Konsislorialrat 163
— , Heiliger 17 269
Save 50 142 534
Savic, Milutin 438 464
Savarni Dol 189
Savrani 103
Schafhandel 218
Schafkäse, Vlasinaer 269
Schafsteuer 430
V. Scheda, Oberst 222
Scherdire (Pirot) 203
Schiffsgebühren- und Re-
morkierungstaxen (Do-
nau) 561 562 563
Schir köi (Pirot) 203
Schloss des Marko Kral-
ini
Graf 47
141 142
280 368
250
Toplica-
176
110
200
504 505
45
jevic
Schlösser
gebiet
Schmettau,
111 124
204
Schmiedewerkstätten
Schöffel, Professor
Schwarz, Philologe
Schwarzkohle
Schweigger 167 199 203
204 552
Schweinesteuer
Scirocco
Scunae
Scupi
Sebastiani, Graf
Secanica
Seckendorff, Graf 47 141
142 204 319 376 504 506
Seeligmann, Romeo, Pro-
525
487
122 123
430
528
233
233
461
175
148
fessor
Sehir koi
Seka Biber, Mollah
Sekiraca
Selacka reka
Selevac
Selicevica 145 174
185
Selim, Beg
~, Sultan
123
214
343
311
357 358
539
181
189 194
89
189
Seite
Selski Kamen 402
Semla (Flugsand) 528
Semlin 532
Senje 387
Seonabach 534
Serbiaco bei Rom 325
Seres 253
Serpentin 11
— Anlage 35
Sestak (Teppichart) 210
Severinsturm 488
Sevket Pasa, Gouverneur 154
Sezemca 105
Sibinjanin Janko (Hunyädy
Jänos) 298
Sibinovic, Stevan, In-
dustrieller 367
Sibnica 294 298
Sicevo 179 180 194 549 550
Sidzade (Teppichart) 210
Sigismund, König 487
Sijakovic. Misa 253
Sijarina 332 335 337
— banja 337 338 339
Sikiraca, Karaula
Sikirica
Sikirije
Sikje
Sikole
Sikolska reka
Siljakspitze
Siljegarnik
Siljomane
Silovo
Silvester, Metropolit
Sim (Störart)
Simeon, Bulgarenzar
- , Iguman
- (Nemanja), Heiliger
Simic, Lazar, Stadtkmet
von Paracin
- , Svetislav, Professor
Simijanu
Simon, Knez
Simonovic, Mileta Vujica,
Pope 294 295
Simulium pertinax (brasi-
lianische Mücke) 526
Sinajedenbrüder 106
Sinan Paäa 87 203
Sindjelic - Denkmal am
Cegr 177
317
543
249
222
374 454
374 425
118
281 282
294 297
333
296
494
138
5
163
379
395
481
464
Seite
Sindjelic, Stevan, Knez
von Resava 144 177
Singidunum (Belgrad) 137 534
Sinjac 551
Sinji Vir 425
Sinkovce 242
Sip 494 495 496 499 504
535 556
Siper Donaukanal 497
Sirenjar, Petar 414
Sirine 249
Sirmien 532
Siroka Padina 149 261
Siroke Njive 294
Sisevac-Vrcic, Kohlen-
werk 385 386
Sisnian, Bulgarenfürst 138 284
Sismanov 108
Sisoje (Sisojevac, Sise-
vac), Klosterruine 386 387
Sisojevac (Sisevac),
Klosterruine 386 387
Sistovoer Friede 503 508
Sitnica 59 311
Sjenica 48 50
Skapski, Oberst 431 473 474
Skela Kladovska 489
Sklavenfeld 54S
Skobaljevic, Nikola 246
247 259
Skopija (Skoplje) 241
Skopljak Pasa 539
Skoplje 209 218 233 241
Skorica 389
Skoska 456
Skrep, Karaula 317
Skrobnica 170
Skupstina 67 157 160 169
Slabica 549
Slap 232
Slatina 366 369 407 409
410 455 545
Slatinska reka 410 455
Slava 67 99 100
Slavej, Berg 229
Slavejkov 487
Sliborafels 522
Slisane 328 331
Slivje 364
Slivnica, Schlacht bei 212
Sljivovik 216
Slovica 178
Alphabetisches Sachregister.
589
Seite
Smaka, Beg 89
Smederevo 298 499 503
540 541
— , Kreis 539
Smedovo 439
Snietenik (Teppichart) 210
Smiljevac 249
Smith 472
Snegpolje 266
Sob, Arnautenstaiiini 333
Sofia 138 142 195 202
203 212 221 230 232 267
- , Diözese 204
, St. Sophia-Kirche 183
Sofronije, Bischof 205
— , Kir, Bischof 464
— , Mönch 25
Soko-Banja 110 Hl 112
113 114 134 143 415
, Schloss 366
-- grad 114 366
Sokolica 187 292
Sokolnica 1 14
Sokolov Kamen 186 188 424
- Vis 318
Sokolovac 328
Sokolovo Brdo 315
Sokolovski potük 266
Sokolska Planina 309 315
Solarovic, Hauptmann 475
Solinian, Suitan 189
Sopci 230
Sopocani, Klosferruine 46
Sopot, Kirche 122
Sopotnica 187
Sovanic, Djak Mihail 66
Spahije 34
Spaj 188 272
Spance (Spanza) 294 296
Spanza (Spance) 296
Spasic, Milovan 131
SpasovdanSabür(Hinimel-
fahrtstag) 335
Spiridion 146
Sracimir.BruderNemanjas 106
Srbovlah (Srbovo) 438
Srbovo (Srbovlah) 438 471
Srebrnac (Silberberg) 64
Srebrnica, Burg 80
-, Fluss 80
(Veluce), Kloster 80
Sreckovic, Mihail, Major 253
Seite
Seite
Sreckovic, Panta 24 414 415
Stickereien 209
Srednji potok
392
Sliliburg, Kastell 471
Sretenje, Kirche
34
Stitarac, Marko 32
Sretenovic, Sava
2
Sto 407 409 421 441 516
Srez Zaplanjski
186
Sto- und Trnak-Felsentor 15
Srndak, Nikola
146
Stoclet, Viktor 426
Srp
271
Stojanov Trap 275
Städtegründungen
200
Stojanovic, M ü., Kgl.
Stalac 87 94 95 96 97
Direktor 377
543
544
Stojka 447
Stalaktiten
346
Stojko, Pop 273
Stamenkovic, Professor
187
Stojkovic, Milenko 491 533
Stanca
12
Stolovi-Berge 2 11 59 92 193
Staniccnje
551
— Pass 392 393
Stanisav, Kniet
415
Straovac 385
Stanjanskareka, Fluss 223 226
Straänik 296
, Ort
226
Strasser, Oberst (50
Stankovac,Todor,Kapetan
344
Straza, Berg 366 387
Stanoje
89
^, Karaula 395
-, Pope
276
Strbac 441 449 513 515 528
Stanojevic, St.
85
Strbi Kamen 269
Stara Planina (Suva Pla-
Strbica 272
nina) 194 221
Strelac 272
- Srbija (Alt-Serbion)
45
Streija, ilija 276
Starhemberg, üuido 140
141
Streser 265
Stari Adzbegovac
542
Strimon (Struma) 252 259 265
Glog
259
Strizevac 216
Starina Novak
122
Strojkovce 243 244
Starisina (Caricina)
328
Strpci 360
Staro Plandistc
187
Struma 265 267
— selo Boljevac
4(X)
Strzugowski 325
Statovac
327
Stubal 252 294
Stava
296
Stubaler Hochebene 300
Stavska crkva (Kirche)
296
Stubalj 261
Stefan der Erstgekrönte,
Stubik 459 469
König
4
Studena 2 187
- 1., „Prvovencani"
17
Studenac 323
V., König von Ungarn
17
Studenica, Bach 11 17
. Sohn des Lazar
87
Studenica, Kloster (Carska
Stefanovic, Kadoslav,
Lavra) 3 17 31 34 464
Pope
335
, Besitztümer 26
— Tenka, Stevan, Senats-
, Gebeine des hl. Si-
präsident 519 520
meon 23
Steierdorf, Kohlenwerke
530
, Höhle des hl. Sava 25
Stein, Baron, Major
515
— — , Kirchensehatz 24
Steinbeil-Funde
137
, Kraljevska crkva 25
Stenjkabank 525
556
— -, Maria Himmelfahrt-
Steuern, türkische 430 431
Kirche 17 18 21 22 23
Stevan 139 174 229
24 25 29
, Sv., Kloster 126 133 258
, Sanktuarium 23
Stevanac
93
, Sarkophag des hl.
St. Helena
529
Simeon 22
590
Alphabetisches Sachregister.
Seite
Studenica, Kloster, Tana-
sije, Archimandrit 25 26
Studcnski Vrh 184
V. Stürmer, Baron 553
Stupnica 188 190
St>'locoenia(Korallenreste) 223
Styrum, üraf 60
Subasen (Lehnsherren) 33
Subotinac 122
Suca, Fürst 516
SuEavatal 385
Sucha- Felsengebirge
(Suva Planina) 194
Sümpfe 279
Sürüdzis (Postillone) 135
Sugrin 226
Sukovo, Bach 552
— , Bahnstation 552
Sukovska reka 552
Sukovski manastir 552
Suleiman Aga 333
— Pasa 349
— , Ramis Pasas Bruder 255
Sulejman, Sultan 87 129
130 229
Sulemanj (Siijomane) 297
Suleyman Beg 215
Suli Aga 234
Sulzer, Geschichtsforscher 487
Sumadija 118 121 413 421
Sumadijski puk 3
Sumanska reka 331 337
Sumatovac 352
Sumber 234
Samen, Mihail, Bischof 289
Sumpfbecken bei den
Viasinaquellen 266
Sumrakovac 402 413
Supanj, türkisches Zollamt 41
Supeljak (Jovanovac) 109 142
Supiji Kamen 188 196 276 550
Supovac 148 158 175 544
Surdulica, Dorf 262 264 265
— , Kirche Sv Roman 265
— , Römerkastelle 264 265
Susevje
546
Susiana, Kastell
471
Susica
415
Susice
129
Susnjak, Karaula
311
Suva cesma
322
Suvaja
294 395
Suva Morava
— Planina 60
139 177
188 189
202 204
184
193
216
110
185
194
219
Seife
260 261
121
187
196
221
328 550
258 294 301
211
358
65 296
61 62 63
294
bei
Suvi Dol
Suvodol
— , Kloster
Suvo Rudiste
, Karaula
Svarca
Sveta Petka- Kirche
Rudare 243
Sveti Method-Höhe 66
— Nikola-Balkan 121 193
204 205 207 221 222
223 224 225 226 357
367 550
- Nikola-Pass 193 226
Sveto Blagovestenje, Ka-
blarkirche
Svilajinac
Sviliste
Svinjare
Svinjarica
Svinjica
Svirce
Svoboda
Svodj
Svodje
Svrljig
— , Bezirk
— , Schloss
2
415
331
325
328
517 520 556
332 337 338
448
272
189 215
144
138 170
362 363 366
SvrljiskiTimok 134223 346 349
Syenitporphyr 11
Szechenyi, Graf 516
- Strasse 509 522 525
553 557
Szegediner Friede (1444)
203 234 287 288
Tabakovacko Brdo 425
Tagebuch des Generals
Miskovic 347 348 349
Tahtalia, Felsenriff 444
Tahtalija-Riffe 520 556
Taliata 409 442 444 445
446 447 449 450 453
499 518 535
Seile
Tamnic 425
Taninjanica i94 196
Tanda 441 442
Tankosic, Brüder 372
Tanuel, Bergingenieur 426
Tapae, Schlacht bei 482
Taraijawiese 268
Tarana (Maismehl) 218
Tactalia 510 535
Tatalia 444
Tatarna, Ebene 373
Tatarsko Polje 400
Taufakt 68 69
Tefik Bey 146
Tegostica 272
Tekija, Bach 331 500
, Ort 492 496 498 499 500 535
Telals 210
Temeni Vrh 178
Temska, Fluss 229 230
231 232 551
Temska-Gebiet 205 231 232
— , Ort 211 226 229
Tendzerlije 146
Tenka, Woivifode 431
Teodorovic, Ingenieur 388
Teppichfabrikation imCi-
porovicagebiet 232
Tertiär-Plateau, Kraljevoer II
Tesica 129
Teskovo 270
Tetomirov grad 114 118
Theodoropolis, Kastell 471
Theopompos, Claudius 363
Thessalonica (Salonik) 137
Thessalonicaer Heerweg 545
Thierheim, Graf 516
Thüngen, General 142
Thürheim, Graf 47
Tiberius, Kaiser 512 556
- Strasse 512
- Tafel 521
Tibiscuni . 447
Tierna 499
Tiesenhausen, Graf,Major 131
Tijelovac 202
Tilva Mik 405
— njagra 405 406
— ros 400 409
Timaccolum 347
Timachum majus, Mansion 347
minus, Mansion 347
Alphabetisches Sachregister.
591
Seite
Seite
Seite
Timacum minus (Bara-
Toplica, Gebiet 138
289
TrgoviSki Tiniok 193 223
nica) 81 354 356 358 364
296
297 299
226 349
Timacus 355
Hohen
176 283
Trgoviäte
47 351
Timcna, Kastell 471
, Kreis 160 269
270
Trha
315
Timociani 353
291 292 312 313
316
Tricornesium
447
Timocka Palanka (Gur-
332 343
Tricornium
534
gusovac) 350
, Milan
318
Tri Cuke
232
Tiniok 222 223 231 349
Toplicka ravnica
59
Trikir
99
357 372 373 402 410
Toplik, Bach
367
Tri Kladenca
189
415 417 424 470 471
Topoia
539
- Kule
447 516
472 473 475 528 534
Topolnica 122
126 443
Usi (Drei Oh
ren)
282
- Bahn 374 418 423 424 425
Toponica 134 135
136
Trn 204
224
230 267
— Diözese 435
146 148 178
189 366
— , Bezirk
211
— Gebiet 49 111 122 146
Tori-Stara-Planina (Crni
Trnava
2
25 45
178 226 347 Md 350
Vrh)
222
— , Kirche „Maria
Ver-
356 367 372 395 412
Torlaci
230 231
kündigung
2
420 421 474
Torlak
230 231
Trnavska reka
293
-- Grenze 416
— Volksbräuchc
230 231
Trnjane
243 374 544
— Nisava-Wasserscheide 226
Tosovic, Cira
223
Trnjanska reka
374
— Pass 354
, Mino
223
Trnova Sv. Petka
, Kloster 549
— Schanzen 474
Tovrljan
321
Troglav
2
59 92
— Strasse, römische 409
Trachyt
11 225
Trojanovic
366
— Weg Vidin— Nis 193
Trajan, Kaiser 118
444
Trojica, Sv , Kloster
180 362
Timurtas 138
447 469 470 472
481
Trompetenziegel
361
Tirnovo 285 397
482 483 486
495 512
Tropaeum
48(i
Tismana, Kloster 397
- Brücke 471 477
481
Trpeza
315 318
Tisovicatal 516
483 484 485 486
487
Trpezica
261
Titus, Kaiser 556
492 535
Trstenicki potok
495
Tmava 294
— Säule 483 484 485 489
Trstenik
92
100 142
Todor 543
— Strasse 109 516 531
Trubarevo
1(X)
130 131
- , Wojwoüc 97
— Tafel 499 509 510
311
Trubeckoj, Vasil
kaiser-
Todorovic, Janja 216
512 513
licher Generaladjut
ant 491
— , Viikoje, Leutnant 332
Transdierna 453 498 499 535
Trupale
136
333 337
Translitae, Mutatio
552
Tuchstoffe
113
Todorturm 93 95 97
Transniarisca
472
Tularc
294 301
Tohanj 141
Trbunje
294
Tularska reka
337
Tolovac 412
Trebotin
81
Tuiben (runde Mütze) 125
Tomaschek 233 252
Trebuc
409
Tumba
296
Tomatschek, W. 134
Trefort, ungarischer
Mi-
Tumuli
134
Tomic, Djordje, „Kaviar-
nister
554
Tuna-Vilajct
130 205
könig" 493
Trem
187 188
Tupale
332 335
— , Kirchcnruiiic 542
Trencevic, Zeka, Beg 89 109
Tupan
388
Tomin-dan 94
Trenk, Pandurenführer 522
Tupiznica
357 414
Topalovic, Qeneralstabs-
Trepanjska reka
246
Turcaninotf, russischer
major 150 416
TrepCa, Stadt
64
Offizier
474
Topcider, Lustschloss 538
Tresak
357
Turla
231
Topla 362 407
Tresibaba 223 347 348 349 351
Turn Severin 453 475 482
Toplac 252 284
Treska
296
483 487 488
Toplec 506
Treskovac
521
Turnu
494
Toplica 174 175 218
Treänja
265
Turres (Pirot)
202 233
283 284 285 288 296
Tresnjica, Blockhaus
310
318
337 545
301 302 303 317 328 545
Tresta
404
Turribas
202
592
Alphabetisches Sachregister.
Seite
Turribus(Turres),Mansion 202
Tutunovic, Brüder 157 158
Tvrtko, Kral] 301
Tymazit 225
u.
Ugljesa, Kesar 23 252
Ugrinovic, Erzpriester 411
Uhren, schweizerische 209
Uilla Chonazi (Kovaci) 103
Uj Palanka 532
Ulpia Traiana Sarmise-
gethusa, Colonia 453
Ulpiana (Lipljan) 283 303
Umac 247
Unam 450 535
Ungurani 369
Urania 249
Urban VIII., Papst 24
Urkup (Prokuplje) 288
Uros I., Stevan 46 463
— II., Milutin Stevan 25 463
- III., Stevan 252 284
Urosevic, Professor 64
Ursus spelaeus 404 550
Usce 26 34
Usje 528
Uspenije, Sv., Kloster 550
Utus 472
Uysterhagen, Jean 454
Uzice 33 48
Uzundzova 207
Uzun-Mirkovic, Oberst 126 225
V.
Seite
Vanosplateau 279
Vardenikalpe 263
Varna, Schlacht bei 87
Varnica 298
Varos 109 362 363
Varoski potok 445
Varvarin 88
Vasaca 392
Väsärhelyi , Hydrotech-
niker 495 553 554
Vasic, Professor 108
Vasilj 362 367
Vasiljevac 318
Vasilievic,Branko, Offizier
150 309
Vasojevici 46
Vavedenje Sv.Bogorodice,
Kloster
549
Vecir, Subasa
414
Vegetius
192
Veles
264
Velesnica
478
Velika Grabovnica 243
— Kamara
149
— Kosanica
316
— Lukanja
230
- Plana
293 294 541
— Reka
401
— Vrbnica
80 481
Veliki Izvor
373 417 424
— Jastrebac
121 134
— Krcimir
188
— Siljegovac
129 130
— Sokolov Vis
311
— Stalac (Gross-Stalac) 100
— Suvodol 202
— Timok 121 346 347 367
Vadin 487
Veliko Brdo
442
Vajuga 479
- Zdrelo
357
Valakonje 399 400 413
Velimirovic , Baute
n-
Valens, Kaiser 191 325
minister
510
Valenta, Ingenieur 281
Veljkovo (Bljuvanovac)
425
286 302 315 323
Veluce, Dorf
80
Valentinian, Kaiser 191 556
— (Srebrnica), Kloster
80
Valerian Domitianus 178
Verantius, Erzbischof 109
Valja mare potok 450
123
139
Valjanica 402
Verciorova
496
Valtrovic, Professor 54
Vermond, Graf
196 202
84 318 361 448 512 513
Versec
507
530
Vampirgräber (Vanipirsko
Verwaltungssystem,
tür-
groblje) 123 124
kisches
430 431
Vanlic, Oberst 420
Veta
189
196
Seite
Veterani, Graf, General
140 515
Veterani-Höhle 515
Veternica 233 244 247
248 249 279
— Gebiet 246 261
Vetren 358
Vetrilahühe 364
Vica 294 301
Vicianum (Pristina) 277
302 303 318 326 328 337
Vico Cuppe 535
Vida, Prinzessin 136 370
Vidin 136 141 144 193
225 356 367 369 414
416 417 418 423 431
473 475 503 553
— , Sandschak 363
— Belogradcik — Niser
Strasse 193
Vidov dan 322
Vidova voda 542
Vidovica planina 322
Vidrovac 465 471 473
— Plateau 471 535
Vierzig Märtyrer-Quelle 250
Vignje, ehemaliges Eisen-
werk 270
Viktor, Deda, Bischof 147 163
Vilägos 498
Vilandrica 189
Viljokolo 265
Viljokostica 265
V. Vilovo, Stefanovic,
Major 528
Viminacium 81 444 472
485 534 535
- Thessaloniker Heer-
strasse 134
Vina 246 247
Vince 528 530
Vinceia 534
Vindenae (Podujevo) 302 303
Vinik 140 148 150 154 177
Viola rupestris L. 121
Viquesnel 121
Virgil 526
Virmond, Graf 142 203
221 222
Visegrad 194 198
Visesava 518
Viseselo 294
Alphabetisches Sachregister.
5911
Seile
Seile
Seite
Visol<a 315 439
Vranja 234 246 247
248
Vrska Cuka 356 357 369
Visoki, Stevan 541
249 251 252 253
254
413 416 417 418
422 427
Vitanovfelsen 229
255 256 257 258
265
VrJnik
285
Vitkovac 130
289
544 547
Vrtaca Brezovica
388
Vitkovo • 79
— , Bewohnerschaft
252
Igriste
388
Vitoä 219
253 254
padina
388
Vitruv 484
— , I878Erstürniungdurch
Trgoviste
388
Vlachos (thessalische
Serben und Russen 253 254
Vrtibog-Karania
231
Wanderhirten) 5'J
, 1897 Rrdbeben
257
VrtiÄte
136
Vlad )., walachisclier
, (jarnison
256 257
Vrtop
232 331
Wojwode 397
, Cjescliichte
252
Vtoroff, russischer Offizier 474
VladiCin Han 261 263 546
— , Handel und Industrie
Vuöid 435 501 539
Vladikina Pinea (Bischnfs-
256 257
Vufiji Del
194
platte) 229
— , Kirche 253
255 256
Vucjanska reka 244 245 246
Vladislav, König von Un-
, Kreis 145 211 232 248
Vucje 234 244 245
246 248
iiarn 194 195 196 203
257 292
VuCji Del
149
284 298
— , öffentliche Baute
n 255
- Kr§
66
Vlahinja 244
Vranje (Vranja)
251 252
Vuckovic, Dragomir
215 424
Vlaho, Heiduck 366
Vranjska Banja 258
259
Vujic, Ingenieur
15
Vlahovci, Weiler 366
260 547
Vujica, Wojwode
539
Vlajkovci 73
, antike Baureste 259
Vuk 230 414 430
435
Vlase 248 249 294 332
Defilee
252
467 469 494 508
519
Vlasic, Sinia, Oberstleut-
—, Schlacht bei
246
526
533 542
nant 488
reka
252
Vukan
17
Vlasina, Fluss 188 221
- Tal
249
Vukotic, Vule, Kreisprä-
263 265 268 270 271
Vrapce
336 337
fekt
409
272 277
Vrata (Tor), Defilee
76
Vulidevic, Djuäa,
Hei-
Gebiet 262 269 276
Vratari
76
duckenführer
415 540
, Ort 265 267 268 269 274
Vratarnicn
368 369
— , Vujica
108 431
See 269
- Pass 358
367 368
Vulovo Brdo (Trpeza),
Vlasinska Klisura 270
Vratna, Bach
457
Karaula
317
Vlasinsko Blato 266
-, Dorf
458
Vurf
474
Viaski Do 423 424
Felstore
458 459
Vlaäko Polje 349
- , Kloster
457 458
Vlasotincer Bezirk 160
Vrazija Qlava
232
w.
211 232 257 273
— — Pass
232
Vlasotinci 201 215 269
Vrazogrnac 373 412 413
Wahlen
186 187
273 275 276
415 424
Wahlregleinent
186
Vodica, Kloster 397
VrazogrnaC'ka reka
373
Waichia piniforlnis
423
Vodice 541 542
Vrbica
358
Waldwirtschaft, serbische
Voichna, Cesar 23
Vrbicaer H<ihen
421
57 58
Voith, Artillerie-Leutnant 515
Vrbovac
294 413
Wallis, Marschall
505 .506
Vojihna (Mitar Vojino-
Vrbovo
262 265
Wallandt, Ernst, königl.
vic) 203
Vrcenovica
175
Sektionsrat
559
Vojinovic, Mitar(Vojihna) 203
Vrdilska reka
2
Wege, neue
207
Vojska 67
Vrdnik, Kloster
86 87
Weifert, Industrieller
270
Vojvodina 529
Vrelo
345
Wein, Krajinaer
421
Voljavia, Klosterkirche 25
Vre^ina
137
Weinbaukongress, ei
ster 1.57
Votivsteine, römische 185 204
Vrla 263
265 266
Weinbauschule, staatliche 438
-, serbische 204
Tal 2(il 263 269 546 \
Weinsteuer
430
Vrabce 332
Vrmd2a
118 398
V, Weiss, Oberstleutnant 222
VraCevi 295 i
Vrnjci. Bad
93
Weizenried
529
F. KANITZ, Serbien. 11.
38
r)94
Alphabetisches Snchregister.
Seile
Werkzeuge, vorgeschicht-
liche 408 409
Westball<an 232
Wex-Dinelli, Hydrotech-
niken 554 557
Wilhchn von Tyrus 138
Wirk- und Webwaren 209
Wollhandel 543
Wollwäscherei 372
Zameanje
Zamna
— Gebiet
— Höhen
Seite
II
459
456
461
Zablace
2
Zabrdjski potok
333
Zabrega
382
Zach, General 49 108 125
133 323 324
Zachariä, Militärarzt
157
Zaglavak, Bezirk
420 421 1
— Grenzberge
357
Zagorci
230
Zagradje
318 358 373 |
Zagubica
405 \
Zaguzane
263
269
Zahac
327
Zaja, Pascha
413
Zajecar 121 226 348 354
357 370 372
393
395
400 413 415
416
417
418 419 420
421
424
435 492 1
--, Bewohnerschaft
420
— , Bezirk
420 421
— , 1876 serbisch -türki-
scher Krieg
416 417 418
— , 1883 Bürgerkrieg
418
— , 1885 serbisch-bulga-
rischer Krieg
418
, Hntwickclun
g
418
, Garnison un
d Befesti-
gungen
420
— , Industrie
419
- , Kreis
437
Zajecarka ('l'any
)
405
Zanes 488 489 498 535
Zaplanje, Bezirk HM 186 291
-, Ort 189
Zarevo 73
Zasa , Majstor , Holz-
schnitzer 236
Zavetina Sv. Trojica-
Höhe 400
Zavoj 230
Zass, General ' 474
Zatonje 528
Zbeziste 245 246
Zdravica 297
Zdravinje 294
Zdravko, Heiduck 366
Zdravkovci, Weiler 366
Zdravkovic,Aleksa, Land-
tagsabgeordneter 411
Zdravnicaschlucht 295
Zebicaniühle 316
Zebince 545
Zedja, Berg 59
Zehent 430
Zelenicki Do 274
— potok 274
Zelenika (Immergrün) 274
Zelezna 231
Zeleznica 25
Zeleznik (Eisenpforte) 134
Zeljin 11 59 92
Zement 183
Zeno, Katariii 552
Zentralbalkan 231
Zerna 498 499 535
Zerophyten 268
Zibevce 545 547
Zica, Kloster 3 4 5 6 7
8 9 10
, Stadt 4
, Besitz, Einnahmen 10
Seite
Zidanje Ravanice (Bau
der Ravanica), Volks-
lied 53
Zika, Kapetan 107
Ziljci 74
Zimovnik 38
Zitkovac 129 351
Zitni potok (Weizenbach)
321 326 327
Zitoradje 176 262 263 283
284 286 323
Zivanovic, Architekt 328 413
— , Radak 466
Zivko, Pop 258
Zivkovic-, Brüder 198
, llija C, Major 307
Zlata -321 323 324 325 326 327
-, römische Festung 323 324
— , Prinzessin 325
Zlatari 103
Zlatarska reka 517
Zlatica, Bach 446
-, Ort 195
Zlatna reka 323 325 326
Zlatni potok (Goldbach) 324
Zljeb, Berg 59
Zlodol, Bach 190
Zlokucane \90 215
Zlot 402 403 404 405 413
Zlotska reka 402
Zölle auf Käse 217
Zograf, Kloster am Athos 435
Zubni Vis 335
Zujovic, Geologe 64
Zukato, Graf, General 88
453 456 473 474 491
Zukovac 354
Zukovacka reka 356
„Zum KraljeviO Marko"-
Han 274
Zupa, Bezirk 79
Zupskovino(ZupaerWein)104
Zvezdan 372
Zvornik 474
INHALT.
Seite
I. Von Cacak über Kraljevo, Zica nach Studenica I
II. Durch das Raskatal zum Nnvi Pazar-Detilee 33
III. Vom Ibar über Josanica auf den Kopaonik 51
IV. Über Brus, Koznik und Kruäevac nach Stalac 73
V. Über Deligrad, Soko-Banja auf den Rtanj und nach Aleksinac 105
VI. Stadt und Festunij Nis I33
VII. Durch Nis" L'mgebung zur Suva Flanina 17]
V'III. Von NIS über Bela Palanka, Pirot auf den Rakos, Sveti NIknIa- und Clporovica-
Balkan I93
IX. Von Leskovac an der Veteruica nach Vranja. Durcli die Masurica ins Viasinagebiet 233
X. Über Prokupljc durch die Jankova Klisura und Kursunilija auf den Prepolac . . 279
XI. Von Kursumhja durch die Kosanica. Fu.sta Reka und den Jablanicacr Arnauten-
bezirk nach Leskovac . . ■ 315
XII. Von Nis über Knjazevac, Soko-Banja und Zajecar nach Negotin Mb
XIII. Von Paracin durch das Crnica- und Baba-Qebiet zum Cestobrodica-Passe . . 375
XIV. Am Krivi Vir über Zlot, Brestovacka Banja, Zajecar, VrSka Cuka zur Jasenica . 39.5
XV. Über Radujevac, Negotin, den Deli Jovan und Donji Milanovac auf den Miroc.
Von Brza Palanka über Vratna, Bukovo, Prahovo zur Timokmündung . . 429
XVI. Von Brza Palanka über Kladovo am römischen „Eisernen Tor"-Kanal nach
Tekija und Ada Kaleh 477
XVII. Durch den Kazan imd von Donji Milanovac durch ilen (Ireben auf der Donau
nach Belgrad 509
XVIII. Von Belgrad zur bulgarisch-türkischen Grenze mit der Bahn. Durch die
regulierten Donau-Katarakte zum „Eisernen Tor"-Kanal 537
Druck von Bernhard Meyer, Leipzig.
DR Kanitz, Felix Philipp
317 Das Königreich Serbien
K25 und das Serben volk
Bd. 2
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