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Full text of "Die moment-photographie in ihrer anwendung auf kunst und wissenschaft"

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Moment-Photographie 




Anwendung auf Kunst und Wissenschaft. 



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From the 

Fine Arts Library 

Fogg Art Museum 
Harvard University 



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Die 



Moment-Photographie 



in ihrer 



Anwendung 'auf Kunst und Wissenschaft. 



Von 



'^ Dr. Josef Maria Eder, 

Docent an der k. k. technischen Hochschule nnd k. k. Professor an der Staats - Oewerbeachnle in 
Wien, Ehrenmitglied der Association Beige de Photographie, dos Vereins sur Förderung der 
Photographie in Berlin, des Photographischen Vereines in Berlin, in Wien, in Frankfurt a. M., 
der Photographic Society of Great Britain, des Photographic Club in London, der London and 
Frovinzial Photographie Association, Inhaber der Goldenen Medaille der Photographiiichen Gesell- 
schaft in Wien, der silbernen Fortschritts - Medaille der Londoner Photographischen Gesellschaft, 
des ersten Preises bei der Internationalen Photographischen Ausstellung in Wien etc. 



Zweite gänzlich umgearbeitete Auflage. 



Mit 190 Holzschnitten und Zinicotypien im Texte, sowie 30 Illustrationen 
auf 17 Liclitdruelctafeln und I Heliogravüre. 



C» eo»!»- 



Halle ». S. 

Druck und Verlag von Wilholm Knapp. 
1886. 



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HARVARD 

UNIVERSITY 

LIBRARY 



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HARVARD 
FINE ARTS 
LIBRARY 
. APR 1 M 

V. J 



Alle Rechte vorbehalten. 



Vorwort. 



Das vorliegende Buch über Momentphotographie entstand aus einem 
Vortrage, welchen der Verfasser am 2. Januar 1884 im „Vereine zur 
Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse" in Wien hielt. 

Die Tendenz dieses Vortrages, die Anwendung der Momentphotographie 
den Dilettanten und Fachmännern näher zu legen, veranlasste den Präsidenten 
der Wiener Photographischen Gesellschaft, Herrn Begierungrath Prof. Dr. 
Hornig, mit gütiger Einwilligung des genannten Vereines nach der 
Drucklegung des Vortrages in den Schriften des letzteren eine Anzahl 
Separatabdrücke herstellen zu lassen, welche als selbständige Broschüre 
erschienen (1884) und binnen einem Jahre vergriffen waren. 

Mittlerweile stieg das Interesse an der neueren Trockenplattenphoto- 
graphie, durch deren Hilfe die Herstellung von wirklichen Momentbildern 
oder wenigstens von Photographien mit lebenden Figuren nicht mehr sehr 
schwierig ist. Zugleich mehrten sich die Errungenschaften der wissen- 
schaftlichen Momentphotographie in staunenswerther Weise und das neu 
hinzugetretene Material tiberwog das bis zum Jahre 1884 bekannte sowohl 
qualitativ wie quantitativ. Deshalb musste die 2. Auflage des Büchleins 
gänzlich umgearbeitet werden und es liegt nunmehr in völlig neuer 
Gestalt vor. 

Der Zweck dieser Arbeit ist, eine ausführliche Darstellung über alles 
Dasjenige zu geben, was auf diesem Gebiete der Photographie zu leisten 
möglich ist, und solche Leistungen in guten Abbildungen vorzuführen. 
Die photographischen Manipulationen und technischen Erfordernisse, deren 
Kenntniss zur practischen Ausführung nothwendig sind, wurden nur inso- 
weit beschrieben, als sie zum verständniss vollen Arbeiten wichtig sind. 

Wir rathen dem Anfänger entschieden ab, die empfindlichen Platten 
selbst herzustellen, sondern empfehlen, die Trockenplatten, welche in zahl- 
reichen Fabriken in guter Qualität hergestellt werden, fertig zu beziehen 
und bei deren Verwendung anfangs einen geschickten Fachphotographen 
zu Eathe zu ziehen. Die eigene Darstellung der Emulsion erfordert schon 
nicht unbedeutende Kenntnisse und wurde in einem anderen Werke des 
Verfassers („Die Photographie mit Bromsilbergelatine", Halle a. S. 1885) 
ausführlich beschrieben. 

Obschon „Die Momentphotographie" ein in sich völlig abgeschlossenes 
Ganzes bildet, so beabsichtigte der Verfasser doch gewissermassen damit 
ein Supplement zu den photographisch-technischen Lehrbüchern zu geben, 



IV Vorwort. 

in welchen letzteren (Jas Hauptgewicht auf die Fertigstellung der photo- 
graphischen Platte gelegt ist, während wir uns hier mit der Vorbereitung 
und Auswahl der Modelle zu den photographischen Aufnahmen beschäftigen 
und in zahlreichen Illustrationen die Vielseitigkeit der Photographie bei 
der Aufnahme sehr flüchtiger Erscheinungen vorführen. 

Viele Dilettanten aus allen Kreisen der Gesellschaft betreiben die 
Photographie und speciell die Momentphotographie , welche gegenwärtig 
so ziemlich alle Zweige dieser Kunst umfasst. Wenn diese Thätigkeit bis 
jetzt nicht allerorts fruchtbringender für Kunst und Wissenschaft war, 
sondern nur in einer verhältnissmässig kleinen Anzahl von Fällen, so hat 
das seinen Grund wohl darin, dass das Arrangement nicht gut getrofibn 
worden und der Gesichtskreis des Experimentirenden vielleicht zu eng war. 

Die Vorbilder und Winke, welche hier gegeben sind, dürften in zahl- 
reichen Variationen zur Nachahmung anregen und mögen beitragen, die 
Photographie in weitere Kreise zu tragen. 

Die Collection von Lichtdrucktafeln und Heliogravüren, welche beige- 
geben ist, erscheint reichhaltiger, als es bis jetzt bei ähnlichen Werken 
üblich war. Es ist dies der Munificenz des Herrn Verlegers zu verdanken, 
welcher das Werk mit kostspieligen Illustrations-Beilagen mit grösster 
Opferwilligkeit in der vorliegenden Weise ausstattete. Zu der diesem Werke 
beigefügten Sammlung von Momentbildern erscheint noch eine zweite Serie, 
welche auch separat käuflich sein wird und worüber der Prospectus an 
einer anderen Stelle raitgetheilt ist. 

Das Bestreben des Verfassers, die Momentphotographie der Gegenwart 
quellenmässig zu schildern, wurde in hohem Masse durch die Freundlich- 
keit gefördert, mit welcher ihm von Seiten der Künstler und Gelehrten 
allerorts ein reiches Material mit grosser Zuvorkommenheit zur Verfügung 
gestellt wurde. So war es möglich, dass mustergiltige Originalaufnahmen 
nicht nur aus Oest erreich, sondern auch aus Deutschland, Frankreich, Schweiz, 
England, Italien, Algier, Amerika und Norwegen vorgeführt werden konnten. 
Für diu Lichtdrucke erhielt der Verfasser durchgehends die werthvoUen 
Originalmatrizen, welche Herr J. B. Obernetter in München trotz der sich 
entgegenstellenden Schwierigkeiten mit grösster Mühe und Sorgfalt in vor- 
trefflicher Weise reproducirte. Herr E. Schuster in Berlin stellte dem Ver- 
fasser zwei ausgezeichnete Heliogravüren als Illustration zur Verfügung, 
wovon die eine als Titelkupfer beigegeben ist, während die andere im 
zweiten Theile der Illustrationen etwas später erscheinen wird. 

Der Verfasser kommt einer angenehmen Pflicht nach, wenn er allen 
jenen Herren, welche seine Bestrebungen und Arbeiten freundlichst förderten, 
seinen wärmsten und verbindlichsten Dank ausspricht. 

Wien, Februar 1886. 

Der Verfasser, 



Inhalts - Verzeichniss. 



Seite 

I. Capitel. Einleitung. Geschichte der Momentphotographie 1 

II. Capitel. Die Camera und Objective 2 

Die Camera 2 

Porträt-Objective, Antiplanet, Euryskop 6 

III. Capitel. Bestimmung der Zeitdauer für Momentphotographien 10 

Geschwindigkeit von Gegenständen in Bewegung 10 

Entfernung des Gegenstandes von der Linse 11 

Belichtungszeiten bei verschiedenen Aufnahmen 12 

IV. Capitel. Ueber MomentverschlUsse 14 

Klappen- und Fall-Apparat 17 

Electrische MomentverschlUsse 18 

Thury und Amey's Momentversehluss 19 

V. Capitel. Prüfung der Apparate für Momentaufnahmen und Bestimmung der 
Geschwindigkeit des Momentverschlusses 21 

Erschütterung der Apparate 21 

Geschwindigkeit des Verschlusses 22 

VI. Capitel. Die photographische Flinte, der photographische Revolver und 
verschiedene Miniatur-Apparate 25 

Enjalbert's Revolver 25 

Pol's und Marey's photographische Flinte 26 

Marion's Miniatur- Camera 31 

Photographisches Opernglas 31 

Camera mit einem Sucher 32 

Detectiv- Camera 33 

Künstler-Camera 35 

VII. Capitel. Die photographischen Operationen bei der Herstellung von Moment- 
aufnahmen 36 

Empfindliche Emulsion 36 

Das Hervorrufen mit Pottaschen-Entwickler 36 

„ „ „ Soda-Entwicker 38 

,, „ „ Eisenoxalat-Entwickler 39 



VI Inhalta-Verzeichhiss. 

Seite 

Das Fixiren 40. 

Das Verstärken 40 

Das Lackiren 41 

VIII. Capitel. Momentaufnahmen im Atelier des Photographen und Ihre Ver- 
wendung zu Act-Studlen 42 

Bilder von Tänzerinnen, Gymnastikern ete 43 

Kinderbilder 44 

Photographie lachender Personen 46 

IX. Capitel. Die Momentphotographie zur Aufnahme von Landschaften und 
Wolicen 49 

Photographie von Landschaften 49 

Kurz belichtete sonnenbeleuchtete Jjandschaften mit Mondscheiu-fiffeet 49 

Die Photographie der Luft und des Himmels 50 

Wolken der Landschaft 51 

X. Capitel. Landschaften mit lebenden Figuren 54 

Photographische Genrebilder 56 

XI. Capitel. Strassenbilder und Ansichten von Städten mit belebten Scenen . 60 

Strassenbilder von Wien, London etc 61 

Bewegte Scenen in verschiedenen Landschaften 65 

Markirung eines Punktes bei Aufnahmen im Freien 66 

XII. Capitel. Momentbilder an dem Meeresstrande und an Flüssen 67 

Strandbilder 67 

Schiflfsboote und Dampfer 69 

XIII. Capitel. Aufnahmen von fahrenjden Schiffen aus etc 71 

Bewegliche Halter für die Camera an Schiffen 71 

Die Photographie fahrender Eisenbahnzüge 74 

Der Gebrauch des Velocipedes in der Photographie 75 

XIV. Capitel. Die Photographie vom Luftballon aus 78 

Die Verwerthung der Ballonphotographie zu geodätischen Zwecken . . 87 

XV. Capitel. Die Momentphotographie in Anwendung auf die Astronomie und 
Meteorologie 88 

Janssen's Photographie des Venus- Vorüberganges 88 

Photographie der Sternschnuppen 89 

Sonnenhöfe 89 

Photographische Bestimmung der Wolkenform und -Höhe ...... 90 

Photogi-aphie eines Wirbelsturmes 91 

XVI. Capitel. Die Momentphotographie zum Studium physiicalischer Bewegungs- 
erscheinungen 93 

Photographie der Cycloide 93 

Marey's Aufnahmen der Fall- und Flugbahnen 93 

Chronographische Momentaufnahmen 94 

Aufnahmen von schwebenden Flugapparaten 96 

XVII. Capitel. Die Photographie von Kanonenschüssen , Sprengungen , fliegenden 

Kugeln und Schallwellen 98 

David's Photographie eines blinden und scharfen Kanonenschusses . . 98 

Sprengung eines Felsens unter Wasser 99 



Inhalts-Verzeichniss. VII 

Seite 

Photographie von emporspritzendem Wasser und eines Lampencylinders, 

welcher durch eine Flintenkugel zerschmettert wird 101 

Vernichtung eines Maulesels durch eine Dynamitpatrone 101 

Photographie einer abgeschossenen Kugel 102 

Photographie der Dichtenänderung der Luft 104 

Photographie der Schallwelle 104 

XVIII. Capitel. Die Photographie des Blitzes und des electrischen Funkens . . 106 

Die Photographie des Blitzes von Haensel, Desquesnes, Kayser .... 106 

Die Photographie des electrischen Funkens 113 

XIX. Capitel. Thierstudien im photographischen Genre- und Landschaftsbild . 121 

Momentbilder von Lämmerheerden, zahmem Vieh, Pferden, Hireehen, Wild- 
schweinen etc. in Landschaften 121 

Momentbilder von Schwänen, Krähen etc 127 

XX. Capitel. Porträte von Thieren 129 

Porträte von Katzen 129 

„ Hunden 133 

„ Pferden 133 

„ „ Löwen und Tigern 135 

Aufnahmen in Thiergärten 136 

XXI. Capitel. Die Photographie von Thieren in Bewegung 138 

Die Ziele der Momentphotographie beim Studium der Bewegung der Thiere 138 

Muybridge's Momentphotographien von Thieren in Bewegung .... 141 

Galoppirende Pferde 142 

Laufende Stiere, Hunde etc 144 

Einzelbilder von Thieren in Bewegung 147 

Momentaufnahmen von Lugardon 147 

Fliegende Möven, laufende Widder, Pferde etc 149 

Momentaufnahmen von Anschütz 149 

Springende Rehe und Hirsche 151 

Marey's Photographien fliegender Vögel 152 

Marey's photographische Flinte 153 

Momentaufnahmen von fliegenden Eulen, Tauben, Schnepfen, Drosseln, 

Enten, Fledermäusen etc 157 

Photographie der Bewegung der Insekten 159 

Anschütz's Momentbilder fliegender Tauben und Störche 159 

Anschütz's Serienaufnahmen von Pferden in Bewegung 166 

XXII. Capitel. Die Photographie schlafender und hypnotisirter Personen, sowie 

ihre Anwendung zum Studium von physiologischen Processen 168 

Die Photographie schlafender und hypnotisirter Personen 168 

Die Photographie in Krankenanstalten 169 

Die Momentphotographie zum Studium rasch verlaufender physiologischer 

Processe (Herzschlag, Pulswelle etc.) 172 

Photographie der Haltung der Lippen beim Sprechen 174 

XXIII. Capitel. Der Mensch in Bewegung. 177 

Typen aus photographi schon Strasseü-Bildern u. s. w 177 

Laufende und springende Menschen 179 

Momentphotographie eines Salto mortale, Boxkampfes etc 181 



VIII Inhalts-Verzeichniös. 

Seite 

Marey's photographisch- physiologisches Atelier für das Studium der Be- 
wegungserscheinungen 182 

Aufnahmen von laufenden und springenden Menschen mit Benutzung des 

Chronographen 186 

Partielle Momentaufnahmen 187 

Anschütz's Serienaufnahmen von laufenden und springenden Menschen . 188 

XXIV. Capitel. Verwerthbarkeit von Momentbildern für künstlerische Zwecke und 

im Zoetrop 192 

Gebräuchliche Manier, Pferde zu zeichnen und die wahren Bewegungsbilder 193 
Widerspruch der gewöhnlichen Vorstellung von Bewegungserscheinungen 

mit den thatsächlichen Vorgängen 192 

Wiederherstellung der naturwahren Bewegung nach Momentphotographien 

im amerikanischen Wundercylinder 194 

Das Praxinoskop 195 

Schluss 196 



i 



I. CAPITEL. 

Einleitung. 



Geschichte der Momentphotographie. 

Die „ Momentphotographien " sind durchaus keine Erfindung der 
neuesten Zeit. Schon Daguerre (1840) und später Talbot (1851) 
nahmen Menschen in Bewegung vor mehr als 30 Jahren auf. Allerdings 
waren damals die zu den Aufnahmen benutzen Linsen lichtarm und die 
photographischen Platten unempfindlich; solche Bilder konnten deshalb 
nur sehr geringen Anforderungen genügen. 

Das im Jahre 1850 vom Franzosen Le Gray erfundene und bald 
darauf vom Engländer Archer verbesserte Collodionverfahren übertraf das 
Daguerre'sche um das 15- bis 30 fache an Empfindlichkeit. DieMoment- 
photographien waren dann nicht mehr selten und auf der Londoner Welt- j 
ausstellung 1862 wurden vielfach Momentbilder und Apparate, mit denen 
sie hergestellt waren, gebracht. 

Aus den Jahren 1862 und 1863 besitzt der Verfasser hübsche, 
momentan aufgenommene Strassenscenen, langsam segelnde Schiffe, Scenen 
an einer Landungsbrücke von Valentine Blanchard, sowie eine von 
Sayce im Jahre 1863 auf CoUodion -Emulsion photographirte Seestudie, 
in welcher das Spiel der Wellen, sowie ein fahrendes Dampfschiff' ziemlich 
scharf dargestellt ist. Aber die Bromsilber-Collodion-Emulsion war nicht 
so geeignet, die Belichtungszeit in jenem bedeutenden Grade abzukürzen, 
wie dies bei der Bromsilber-Gelatine-Emulsion möglich ist. 

Zufolge der Erfindung des Verfahrens mit Bromsilber-Gelatine-Emulsion 
durch den englischen Arzt Dr. Maddox (1871), welcher die Photographie 
zu seinem Vergnügen betreibt, wurde ein enormer Fortschritt in der 
Präparation ausserordentlich lichtempfindlicher Platten gemacht^). Solche 
Platten, welche trocken sind („Trockenplatten"), kann man gegenwärtig 
mit der ungefähr 20 fachen Empfindlichkeit der Collodionplatten herstellen. 
Sie halten sich sehr lange Zeit und zwischen der Belichtung in der Camera 
und der Hervorrufung des Bildes können Monate ohne Schaden verstreichen, 
was besonders für Keisende werthvoll ist. 

Ein ungeheurer Fortschritt in der Augenblicksphotographie wurde durch 
die Verwendung solcher Emulsionsplatten und lichtstarker Linsen erzielt. 



^) Die Geschichte des Bromsilber-Gelatine-Verfahrens und dessen gegenwärtiger 
Stand s. in Eder's „Photographie mit Bromsilber-Gelatine", 1885 (Knapp in Halle a. S.). 

Eder, Momentphotographie. 2. Aufl. 1 



2 Einleitung. 

In früheren Jahren wurde für kurze Belichtungen fast nur das 
Porträtobjectiv nach Petzval's Construction benutzt, welches eine unüber- 
troffene Helligkeit besitzt, aber weniger genaue und in die Tiefe durch- 
gezeichnete Bilder gibt, wie die neueren Objectivconstructionen. 

Steinheil construirte 1879 seinen Gruppenaplanat, an dessen Stelle 
er 1881 den Antiplanet setzte. Voigtländer trat im Jahre 1878 mit seinem 
Euryskop hervor. Dazu kam eine wesentliche Verbesserung der Moment- 
verschlüsse durch hervorragendeMechaniker, worunter z.B. Thury und Amey 
in Genf im Jahre 1883 einen höchst vollkommenen lieferten. 

Die Momentbilder wurden bis zu Beginn des Jahres 1880 grossen theils 
als Ouriosum und zur Herstellung belebter Genrebilder benutzt. 

Einzelbilder von erstaunlicher Grösse, Schärfe und Eeichthum an 
Details und Schwierigkeit der Aufnahme (insbesondere Menschen und 
Thiere im Lauf oder Sprung) stellt der Maler Lugardon in Genf (seit 
1883) her. Hier sind auch Boissonas in Genf (mit Kinderaufnahmen, 
Löwenporträten u. dergl.) und Uhlenhuth in Coburg zu nennen; ferner 
Newton in New- York mit Schiffsbildern und anderen Momentaufnahmen. 

Die erste Photographie des Blitzes rührt von dem Oesterreicher 
E. Haensel in Eeichenberg (1883) her; Dr. Kayser in Berlin erhielt 
1884 ein grosses Bild eines in die Erde einschlagenden Blitzes. 

Ein deutliches Bild einer abgeschossenen, fliegenden Flintenkugel stellte 
zuerst Prof. Mach in Prag 1884 her, welcher auch das Bild einer Schallwelle 
photographisch aufnahm. Andere physikalische Erscheinungen , z. B. die 
Bahn eines fallenden Körpers, wurden von Marey (1885) photographirt. 

Muybridge in Californien war der Erste, welcher schon 1877 unter den 
Anspielen des Gouverneurs Stanford Thiere und Menschen in Bewegung 
in rasch auf einander folgenden Serien photographirte, welche neue wissen- 
schaftliche Verwerthungen zuliessen. Ihm folgte der französische Physiologe 
und Akademiker Marey (1882) mit der Construction seiner photographischen 
Flinte, welche vorzüglich zum Studium der Physiologie der Bewegung diente. 

Charcot benutzte die Momentphotographie 1883 zum Studium von 
Krankheitserscheinungen. 

In neuerer Zeit (seit 1882) wird in Deutschland die wissenschaftliche 
"Momentphotographie von Ottomar Anschütz inLissai. P. geübt, welcher 
nicht nur in der Herstellung grosser photographischer Einzel- und Gruppen- 
bilder von Menschen und Thieren in Bewegung die höchste Vollkommenheit 
erreichte, sondern auch seit 1885 die Herstellung von Serienbildern cultivirt, 
welche allen Anforderungen der Wissenschaft genügen. 

Viele verdienstvolle Arbeiten anderer rastloser Forscher und Experi- 
mentatoren auf dem Gebiete der Momentphotographie, z.B. die Photographie 
von Luftballons aus, werden später erwähnt und in ihrer Entwicklung 
historisch geschildert werden. 



IL OAPITEL. 

Die Camera und Objective. 



I. Die Camera. 

Die Camera für Momentaufnahmeii weicht, von der gewöhnlichen 
photographischen Camera nicht ab. Weil jedoch dieselbe auch für Ex- 
cursionen und Reisen oft benutzt wird, trachtet man das Gewicht soweit 
zu vermindern, als es nicht auf Kosten der Festigkeit geht. 

Die Camera wird also leicht und 
compendiös gebaut, so dass ein Mann sie 
leicht (inclusive einer Anzahl empfind- 
licher Trockenplatten) transportiren kann. 
Als Beispiel sei die Schröder'sche Reise- 
camera (Berlin) angeführt, welche die 
Fig. 1 aufgestellt und zur Aufnahme be- 
reit zeigt. Alles lässt sich in die (daselbst 
abgebildeten) zwei KoflFerchen packen, 
derDreifuss eng zusammenlegen und an 
einem Riemen über der Schulter tragen. 

Solche Apparate werden von ver- 
schiedenen Fabrikanten mit gewissen Ab- 
änderungen erzeugt (Preis 100 bis 150 
Gulden, inclusive mehrerer Cassetten und 
Dreifuss). Man hoflfe nicht mit schlechten 
Apparaten billigster Sorte andere Bilder, 
als solche von ganz mittelmässiger Qualität 
zu erlangen. 

Bei Aufnahmen nach der Natur muss oft der Apparat gehoben oder 

gesenkt werden, bald der Rücktheil der Camera allein bewegt werden, um 

das Bild richtig fassen zu können. Ferner ist es erwünscht, den Apparat 

leicht derartig ändern zu können, dass man die Bilder im Hoch- oder 

Querformat erhält. 

1* 




Fig. 1. Reisecamera. 



4 n. Capitel. 

Als Beispiel einer vortrefflichen Camera wird im Nachfolgenden die 
Keisecamera von Wanans in Wien (VI. Kanalgasse) ausführlich beschrieben, 
weil sie durch sinnreiche Construction , compendiöse Form und geringes 
Gewicht bei grosser Solidität empfohlen zu werden verdient. 

In Fig, 2 ist die Seiten- und Vorderansicht gegeben. Das Stativ a 
ist dreitheilig und an den beweglichen Endtheilen durch Messingbeschläge 
befestigt (b). Am Stativkopf bei b ist ein Zinkring angebracht, in welchem 
ein anderer Zinkring am Bodenbrett der Camera passt, so dass sie beim 
Auflegen leicht zum Zusammenfallen gebracht werden können ; die Schraube 
des Stativkopfes fasst dann mit Leichtigkeit, ohne vieles Suchen, die Mutter 
des Bodenbrettes. 

Das Vordertheil c der Camera ist beweglich und kann mittels der 
Schraube bei Je in der gezähnten Messingleiste des Bodenbrettes nach 
vorne und rückwärts bewegt werden. 

Die Schraube bei Je hat einen doppelten Schraubenkopf, wovon der 
eine über den anderen hervorragt; der eine dient zum Bewegen des 
Vordertheiles der Camera an der gezähnten Leiste des Bodenbrettes, der 
andere fixirt es in jeder gewünschten Stellung. Lüftet man die Klemm- 
schraube f, so kann mittels der Schraube e das ganze Vordertheil nach 
vorne oder rückwärts geneigt werden. Die Spitze der Messingplatte, 
durch welche alle diese Schrauben gehen, zeigt an einer Marke die verticale 
Stellung und den Grad der Neigung an. 

Soll der Vordertheil mit dem Objectiv gehoben oder gesenkt werden, 
so lüftet man die Klemmschraube Ji und hebt oder senkt durch die ge- 
zähnte Schraube g das Brett. Soll nach unten zu Eaum geschaffen werden, 
damit man das Objectiv bedeutend senken kann, so klappt man das Brett- 
chen i heraus. 

Auch der Hintertheil der Camera mit der Visirscheibe ist beweglich. 
Er gleitet auf Messingplatten, welche trotz ihrer Stärke noch so viel 
Elasticität haben, dass sie durch Anziehen der durchgehenden Schraube Je* 
sich etwas nähern und dadurch an die mit Messing ausgekleideten Seiten 
des Bodenbrettes angepresst und festgehalten werden. So wird die grobe 
Einstellung besorgt; die Schraube am Vordertheil ermöglicht die feine 
Einstellung. 

Der hintere Theil ist so geräumig, dass er die matte Scheibe l auf- 
nimmt. Hebt man diese so weit, wie in der Fig. 3 angedeutet ist (ohne 
sie ganz herauszuheben), so kann man sie nach rückwärts schieben und 
an Stelle der Visirscheibe eine Doppelcassette einschieben. 

Zwei Haken mm' drücken die Visirscheibe (eventuell die Cassette) in 
unbeweglicher Lage an die richtige Stelle der Camera. Der ausziehbare 
Balg verengt sich nach vorne zu. 



Die Camera und Objective. 



5 



Fig. 3 zeigt die Kückansicht der Camera. Die oben erwähnten Haken 
mm' halten die Visirscheibe l fest. Der rückwärtige Theil der Camera d 
kann aus der Unterlage herausgehoben werden. Die Unterlage ist nämlich 
zweitheilig. Die Schraube n bewegt den Theil o und dadurch entfernen 
sich die daran befestigten Messingplatten, welche den Hintertheil der 
Camera festgeklemmt hielten. Der Theil d kann demzufolge herausgehoben 
und in der Eichtung des Pfeiles bewegt werden, während dem der Blase- 
balg sich im Vordertheil dreht und der Bewegung folgt. So ist es möglich, 
Hoch- oder Querbilder nach Wunsch zu erhalten. 




Fig. 2. Verstellbare Camera. 



Fig. 3. VerateUbare Camera. 



Die Vollkommenheit der Camera wird noch dadurch erhöht, dass die 
Visirscheibe um eine verticale Axe drehbar ist, so dass sie mittels der 
Schraube w entweder mit der rechten oder linken Seite dem Objectiv 
näher oder ferner gebracht werden kann. 

Soll die Camera zusammengelegt werden, so schiebt man Vorder- und 
Hintertheil möglichst zusammen und klappt das Bodenbrett auf; dieses 
legt sich ganz an die Camera an, so dass sich ein schmales, viereckiges 
Kästchen bildet und durch die Metallklappe n zusammengehalten wird. 

Die zusammengelegte Camera kommt mit sechs bis zwölf Doppel- 
cassetten in einen kleinen KoflFer. Die Cassetten sind aus verlässlichem 
Carton und Holzleisten construirt und haben sich als das leichteste Material 
bewährt und längere Erfahrungen sprechen für die Dauerhaftigkeit. 



6 II. Capitel. 

Das Stativ wird nach Art einer Flinte über der Schulter getragen. 

Oft muss der Apparat, völlig bereit zur Aufnahme, längere Zeit im 
Sonnenlichte stehen. Der Cassettenschieber ist geöffnet, die Feder des 
Momentverschlusses gespannt und man vs^artet den geeigneten Zeitpunkt 
zur Belichtung ab. Unter solchen Umständen w^ird die Platte selbst in 
den sorgfältigst gearbeiteten Apparaten einer Verschleierung ausgesetzt sein, 
indem ein Schimmer fremden Lichtes durch eine Kitze in die Camera treten 
und die Platte verderben kann. 





Fig. 4 Fig. 5. 

Umhüllung der Camera in der Sonne. 

Deshalb ist es dringendst zu empfehlen, die Camera mit einem dichten 
schwarzen Tuch (Fig. 4 und 5) zu bedecken, unter dessen Schutz man sie 
ohne Sorge im grellen Sonnenlicht stehen lassen kann. Die Cassetten mit 
den Platten sollten gleichfalls mit einem Tuch bedeckt werden, wenn man 
sie vom Koffer zur Camera oder zurückbringt. 

n. Die Objective. 

Von den zu Momentaufnahmen dienenden Linsen verlangt man: 
1. möglichst grosse Lichtkraft bei 2. möglichst grosser Tiefe der Bild- 
fläche und 3. correcte Zeichnung des Bildes. 

Am lichtstärksten ist das gewöhnliche Porträt-Objectiv nach Petzval's 
Construction, wie sie von Voigtländer, Dallmeyer u. A. erzeugt werden. 
Diese Linsen geben aber Gegenstände, welche verschieden weit hinter- 
einander entfernt sind, nicht genügend scharf; man sagt, „sie geben zu 
wenig Tiefe der Schärfe". Mit solchen Porträtobjectiven lassen sich einzelne 
Figuren, Thierbilder etc. vortheilhaft aufnehmen, allein zu Strassenbildern 
mit stark zurücktretendem Hintergrund eignen sie sich nicht, ebensowenig 
dann, wenn der Gegenstand nicht ziemlich genau bei jenem Orte bleibt, 
worauf der Apparat eingestellt ist. 

Ungleich besser und allgemeiner anwendbar zu Momentbildern aller 
Art ist der Antiplanet von Dr. Steinheil in München und dasEuryskop 
von Voigtländer in Braunschweig, wozu noch Rapid -Symmetrical-Lens 
von Boss, das Eapid-ßectilinear von Dallmeyer (beide in England) 
und das Bectilinear von Fran^jais in Paris kommen. Am beliebtesten 



Die Camera und Objective. 7 

sind der Antiplanet und das Euryskop. Sie verdanken dies dem Umstände, 
dass sie bei guter Lichtstärke eine grosse Tiefe des Bildes und ein grosses 
Gesichtsfeld scharf zeichnen. 

Für Visitbilder ist keine kleinere Sorte von Antiplaneten , als ein In- 
strument von 33 mm Oeflfnung und 18 cm Brennweite (Preis 80 Mk.) zu 
empfehlen. 

Besser ist die nächst grössere Nummer von 43 mm Oeflfnung und 
24 cm Brennweite (Preis 105 Mk.) oder noch besser jene von 48 mm 
Oeflfnung und 27^2 cm Brennweite (Preis 130 Mk. ^). Es ist immer besser, 
sich die grössere Sorte (48 mm Oeflfnung) zu kaufen, welche auch schon 
für Cabinetbilder ausreicht, aber Visitbilder mit ungleich grösserer Voll- 
kommenheit zeichnet, als die kleinere Sorte. Für Visit- und Cabinetbilder 
kann der Antiplanet warm empfohlen werden, besonders wenn man ein 
Fallbrett vor dem Objectiv oder hinter demselben anbringt. Für centrale 
Momentverschlüsse eignet sich der Antiplanet nicht so gut, weil die Vorder- 
und Hinterlinse so eng an einander grenzen, dass ausser dem Oentralver- 
schluss keine weiteren Blenden mehr Eaüm finden, so dass man die 
Momentaufnahmen ohne Blenden machen muss. Bei den grössten Anti- 
planeten kommt dies nicht in Betracht. 

Viele ausgezeichnete Momentaufnahmen wurden mit dem Antiplanet 
gemacht und es bedienen sich Lugardon in Genf, Scolik und David in 
Wien, Uhlenhuth in Coburg, Obernetter in München u. A. dieses 
Instrumentes. Auch der Verfasser hat den Antiplanet oft mit bestem Erfolg 
verwendet. 

Ein anderes desgleichen höchst empfehlenswerthes Objetiv ist das 
Euryskop, welches aber etwas weniger lichtstark als der Antiplanet ist. 
Für Visitbilder ist das Euryskop von 39 mm Oeflfnung und 21 cm Brenn- 
weite (Preis 100 Mk.) zu verwenden. Für grössere Bilder von Cabinet- 
format und darüber ist jedoch zweifelsohne eine grössere Sorte vorzuziehen, 
z. B. 66 mm Oeflfnung und 36 cm Brennweite (Preis 200 Mk. oder die 
nächst kleinere Nummer um 140 Mk.), welche der Verfasser als besonders 
geeignet, für grössere Bildformate fand und sogar Bilder von 30X^0 cm 
gibt. In den grösseren Objectivnummern kommt der Werth des Eurys- 
kopes erst zur vollen Geltung und ist insbesondere in diesem Falle am 
Platz. Es wird vom Ingenieur Wight, von Lugardon (neben dem 
Antiplanet), von Schwarz in Berlin, Burger in Wien u. A. zu Moment- 
aufnahmen benutzt. Die reichliche Distanz der Vorder- und Hinterlinse 



^) Die grösste Sorte der Antiplanete von 64 mm Oeffnung und 36 mm Brennweite 
kostet 210 Mk. , giebt aber Bilder bis 17 X 22 om und ist wohl für Cabinetbilder das 
geeignetste. Das Euryskop, welches dieselbe BildgrÖsse liefert, ist wohlfeiler. 



g II. Capitel. 

erlaubt leicht die Anbringung des centralen Momentverschlusses und ausser- 
dem die Einschiebung der Blenden. ^) 

Sowohl Antiplanet als Euryskop geben (namentlich die grösseren Sorten) 
ohne Blende scharfe Bilder. Wünscht man jedoch eine grössere Tiefe der 
Schärfe (z.B. bei Landschaftsbildem) , oder ein ausgedehnteres, scharfes 
Bild, oder ist man nicht sicher, dass das aufzunehmende Object genau an 
dem Platze bleibt, wohin man den Apparat eingestellt hat, so muss man 
Blenden anwenden. Der Verfasser kann für solche Fälle die drittgrösste 
Blende anrathen, welche noch genügende Helligkeit für die meisten Moment- 
bilder (Strassen-, SchiflFsbilder etc.) gibt. Erst durch das Abblenden kommt 
die Tiefe der Schärfe und das grosse Gesichtsfeld zum vollen Ausdruck. 

Man kann im Allgemeinen sagen, dass man noch gute Momentbilder 
unter sonst günstigen Lichtverhältnissen machen kann, wenn der Durch- 
messer der Blende V12 der Brennweite beträgt. Dadurch wird die Licht- 
kraft 4 mal geringer, als wenn der Linsendurchmesser Ve der Brennweite 
betragen würde, dagegen wird an der Schärfe viel gewonnen. 

Man hüte sich aber, die Objective mehr abzublenden, als unumgänglich 
zur Erreichung der erforderlichen Schärfe nothwendig ist, weil sonst zu 
wenig Licht in den Apparat kommt. Ferner strenge man kleine Instrumente 
niemals stark an, sondern begnüge sich, mit kleinen Linsen auch nur 
kleine Bilder machen zu wollen. Immer sind grössere Objective vorzuziehen, 
welche man in grösserer Entfernung aufstellt und welche ohne Blende oder 
mit der 2. oder 3. Blende schon das gewünschte Bild liefern. Auch haben 
grössere Objective entsprechend längere Brennweiten und man erhält im 



^) In neuerer Zeit construirt Voigtländer lichtstärkere Earyskope, welche zweimal 
heller als die gewöhnlichen sind. Die Versuche des Verfassers mit diesem In- 
strument ergaben, dass es wohl sehr hell ist (zweimal so hell als das gewöhnliche 
Euryskop), aber an Tiefe der Schärfe und Grösse des Gesichtsfeldes namhaft hinter dem 
gewöhnlichen Euryskop zurücksteht. Wenn es also zur allgemeinen Anwendung nicht 
so sehr wie letzteres zu empfehlen ist, da es einen etwas entfernteren Hintergrund nicht 
mehr scharf giebt, so eignet es sich doch zu Specialzwecken; nämlich Aufnahme einzelner 
Figuren, z.B. springende Menschen, laufende Thiere etc. Es leistet dann mehr als ein 
Porträtobjectiv , weil es bei gleicher Lichtkraft etwas tiefer und correcter zeichnet. Das 
rapide Euryskop besitzt bei einem Linsendurchmesser von 66 mm eine Brennweite von 
257 mm und zeichnet Visitbilder. 

In jüngster Zeit construirte R. von Voigtländer ein neues Objectiv, welches ähnlich 
dem Porträtobjectiv aus zwei getrennten Hinterlinsen hergestellt, aber doch von dem- 
selben wesentlich verschieden ist. Es hat z. B. für Gabinetbilder einen Linsendurchmesser 
von 54 cm, eine Brennweite von 263 mm und steht an Helligkeit zwischen dem Porträt- 
objectiv und dem gewöhnlichen Euryskop. 

Es zeichnet die Gegenstände kleiner als das Euryskop, ist lichtstarker als dasselbe 
und besitzt grosse Tiefe der Schärfe (grösser als beim Porträtobjectiv). Deshalb eignet 
sich das Instrument für Einzelfi^uren und Gruppenaufnahmen. 



Die Camera und Objeotive. 9 

Bedarfsfalle die Figuren in ziemlich ansehnlicher Grösse, ohne dass man 
den Gegenständen allzu nahe auf den Leib zu rücken braucht. 

Man hat vorgeschlagen, die Momentbilder mit kleinen lichtstarken 
Objectiven in kleinem Format herzustellen, da dies meistens sehr leicht 
ist. Dann kann man die Bilder vergrössern. Die Vergrösserung kann ohne 
Schaden das 2 fache , nöthigenfalls das 4 fache von der Originalaufnahme 
betragen und dann würden Aufnahmen in Visitkartenformat genügen, um 
vergrösserte Bilder in grossem Massstabe zu erhalten. In kleinen Bild- 
formaten wird die Tiefe der Bilder verhältnissmässig grösser und bei 
Objectiven mit kurzer Brennweite wird die scheinbare Bewegung der sich 
bewegenden Objecto geringer. Ob er nett er in München, Anschütz in Lissa 
bewiesen, wie vortrefflich dieser Weg ist. Allein das Vergrössern kleiner 
Negative ist eine schwierige und kostspielige Sache und wenn Jemand 
nicht selbst mit der Technik dieser Processe vertraut ist, möchten wir ihm 
hierzu nicht rathen; — ausser er wagt sich an die höchsten Aufgaben 
der Momentphotographie heran, wie an die Aufnahme rapid fliegender 
Vögel oder quer rennender Pferde (s. Anschütz weiter unten). 

Im Allgemeinen empfehlen wir Aufnahmen mit den grösseren Nummern 
des Antiplaneten oder des Euryskopes, welche zu allen Arten der Moment- 
photographie durchschnittlich in gleichem Masse gut verwendbar sind. 



III. CAPITEL. 

Bestimmuiig der Zeitdauer für Momentphotographien. 



Der photographische Augenblick, die Dauer eines „Momentes", ist 
ein eben so dehnbarer BegriflF, wie die Ausdrücke lang oder kurz. Die 
sog. Momentbilder werden in der Eegel mit einer Belichtungszeit von Vio 
bis Vöo Secunde hergestellt. Längere Zeitdauer der Belichtung bis V2 
Secunde ist nur bei sehr ruhigen Gegenständen anwendbar (s. unten). In 
rascher Bewegung befindliche Gegenstände muss man in ^loo oder V200 
Secunde oder in Ausnahmefällen in noch kürzerer Zeit anfertigen. 

Personen im Atelier des Photographen, welche in eine bestimmte 
Pose gebracht werden, Tänzerinnen in schwierig beizubehaltenden Stellungen, 
selbst Kinder können mit verhältnissmässig langer Aufnahmezeit photographirt 
werden (V5 bis 1 Secunde), wenn man den richtigen Zeitpunkt ruhig 
abwartet. 

Anders gestaltet sich die Sache, sobald der zu photographirende 
Gegenstand in fortgesetzter Bewegung ist , wie dies z. B. bei gehenden 
Menschen, trabenden Pferden und fahrenden Schiflfen der Fall ist. 

Dazu darf die Expositionszeit längstens Vio Secunde betragen. 
Meistens aber ist diese Zeit schon viel zu lang. Eine bewegte Strassen- 
scene wird in der Eegel ungefähr V30 bis V50 Secunde exponirt. In 
schwierigen Fällen darf man die Zeit von V200 Secunde nicht überschreiten, 
z. B. bei Springern in der Luft, laufenden Pferden, brandenden Wogen u. s. w. 
Unter solchen schwierigen Verhältnissen müssen die Nebenumstände mög- 
lichst günstig sein: Sonnenlicht, hell erleuchtete Scenerie, lichtstarke 
Linsen, höchst empfindliche Platten, — Alles muss harmoniren! 

Es lässt sich in Kürze zeigen, inwieferne der Photograph seine Arbeit 
sich zurechtlegen kann. 

Zunächst soll eine kleine Tabelle nach Jackson für die Geschwindig- 
keiten mitgetheilt werden, aus welcher ersichtlich wird, wie rasch sich ver- 
schiedene Objecto in der Natur zu bewegen pflegen: 



Bestimmung der Zeitdauer für Momentphotographien. JJ 

Meter 
in 1 Secunde. 

Ein Mann, der 4 Kilometer pro Stunde zurücklegt. . . 1,11 

^ 1 4.0 

Ein SchiflF, welches 9 Knoten die Stunde macht , . . 4,63 

Eine Woge, 30 Meter gross, bei einer Tiefe von 300 Meter 6,81 

Ein SchiflF, welches 17 Knoten in der Stunde macht . . 8,75 

Ein Torpedoboot, welches 20 Knoten in der Stunde macht 10,80 

Ein trabendes Kennpferd 12,00 

Ein galoppirendes Eennpferd (900 Meter in der Minute). 15,00 

Ein Expresszug von 60 Kilometern pro Stunde . . . 16,67 

Flug eines Falken oder einer Brieftaube 18,00 

Eine Woge bei einem Seesturm 21,85 

Ein Expresszug der schnellsten Art 26,81 

Flug eines der schnellsten Vögel ........ 88,90 

Eine Kanonenkugel : 500,00 

Darnach kann man von Fall zu Fall die Kürze der Belichtungszeit 
berechnen und den „Momentverschi uss" wählen. 

Je kleiner der Gegenstand auf der Visirscheibe der Camera erscheint, 
desto kleiner ist auch seine scheinbare Bewegung. Da nun ein Gegenstand 
im photographischen Apparat um so kleiner erscheint, 1. je weiter er von 
der Linse entfernt ist, 2. je kürzer die Brennweite der Linse ist, so folgt, 
dass beide Factoren auf die scheinbare Verschiebung der Contouren des 
Bildes Einfluss haben. Andererseits ist es einleuchtend, dass die Belichtungs- 
zeit zur Erlangung eines scharfen Bildes um so kürzer sein soll, je grösser 
die scheinbare Verschiebung der Bildeontouren während einer gewissen 
Zeit ist. 

Dies macht nachfolgende Tabelle klar: 

Entfernung des Gegenstandes von 
der Linse (dem Objectiv) 

100 fache Brennweite Vioo 

500 fache „ .... 

1000 fache „ .... 

Der Gebrauch der Tabelle ist einfach: Bewegt sich ein Pferd mit 
5 Meter Geschwindigkeit in der Secunde vor dem Objective, in einer Ent- 
fernung, welche gleich der 1000 fachen Brennweite des Objectives ist, so 
ist das Bild genügend scharf, wenn man Vöo Secunde belichtet. Ist das 
Pferd aber vom Objectiv nur um die 100 fache Brennweite entfernt, so 
darf man nur Vöoo Secunde (d. i. 10 mal kürzer) belichten. 

Daraus folgt, dass es um so schwieriger ist, gute scharfe Moment- 
bilder zu machen, je näher der aufzunehmende Gegenstand ist. Es muss 
dann viel kürzer belichtet werden, um scharfe Bilder zu erhalten, und nur 



Geschwi 


ndigkeit für 


1 Secunde 


1 Meter 


5 Meter 


10 Meter 


Belichtungszeit in Secunden 


VlOO 


Vöoo 


Vi 000 


V20 


Vioo 


V200 


VlO 


V50 


Vioo 



12 ni. Capitel. 

Platten von höchster Empfindlichkeit bei gutem Lichte geben brauchbare 
Kesultate. Je kleiner also die Bildchen oder richtiger gesagt die Figuren 
auf dem Bilde werden — sei es durch weitere Entfernung der sich be- 
wegenden Gegenstände oder durch Verwendung von Linsen mit 
kürzerer Brennweite — desto leichter ist es, gute Momentbilder zu 
machen, weil der „Moment" während der Dauer der Belichtung nicht so 
kurz zu sein braucht. 

Die Schwierigkeit wächst demgemäss bedeutend, wenn die Figuren 
im grossen Massstabe aufgenommen werden und trotzdem scharf und reich 
an Details sein sollen. 

Diese Schwierigkeiten machen es erklärlich, warum viele Photographen 
es vorziehen, die Momentbilder in kleinem Formate herzustellen und diese 
Photographien erst zu vergrössern. 

Belichtet man die Platte allzu kurz, so fehlt die Zeichnung in den 
Schatten und die photographischen Bilder erscheinen nur als Silhouetten. 
Betreffs der Kürze der Belichtung kommt viel auf die Art des aufzu- 
nehmenden Bildes an. Ein Seestück mit freiem Himmel erscheint 3 mal 
heller als eine oflFene freie Landschaft und 20 mal heller als eine Land- 
schaft mit dichtem Baumschlage im Vordergrunde. 

Wird ein in Bewegung befindlicher Gegenstand „momentan" aufge- 
nommen, so erscheint das Bild trotzdem niemals absolut scharf. Die Ver- 
schiebung auf der Platte ist aber sehr gering; die zulässige Grenze der 
Unscharfe der Contouren mag bei 0,1 mm liegen. Dann lassen die 
Bilder auch eine Vergrösserung zu und erscheinen hinlänglich scharf. 

Die Grösse der Verschiebung des Bildes auf der Platte hängt, wie 
erwähnt, nicht nur von der Geschwindigkeit des sich bewegenden Gegen- 
standes, sondern auch von dessen Entfernung von der Linse und der 
Brennweite der letzteren ab. 

Um dem Anfänger die Arbeit zu erleichtern, wollen wir die ungefähre 
Belichtungszeit für einige häufigere Fälle geben, vorausgesetzt, dass man 
ein Antiplanet oder Euryskop (mit grossen Blenden) anwendet. 

Belichtungszeit. 

Lachende Kinder, lebende Bilder etc., bei welchen man 
einen Augenblick der Euhe abwartet und dann mit dem 
„Klappenapparate" oder einem regulirbaren.Moment- 

verschluss aufnimmt Vö bis 1 See. 

Dressirte Hunde, Katzen, ruhige Löwen etc V2 bis Vio « 

Strassenscenen, vom Fenster eines Stockwerks aus, je 

nach der Grösse der Figuren V20 bis Vöo » 

Weidendes Vieh, Schafheerden mit freiem Himmel . . V20 bis V30 ?» 
Fahrende Schiffe in einer Distanz von 500 bis 1000 m V20 bis Vso »» 



Bestimmung der Zeitdauer für Momentphotographie. ]^3 

Belichtiingtzeit. 

Fahrende Schiflfe in grösserem Bildformate und näheren 

Distanzen V50 ^is Vi 50 S^c. 

Thiere, welche 3 bis 5 cm hoch am Bilde erscheinen 

sollen und quer gehen (z. B. Thiergartenbilder), 

erhalten nur dann scharfe Beine, wenn man belichtet^) V50 bis Vi 00 »> 
Springende und trabende Pferde, fliegende Vögel, laufende 

Menschen etc. erfordern die kürzeste Belichtung. . Vioo^isVioo » 

uiid Viooo .» 

Wir wollen als Beispiel beschreiben, wie Henderson das Derby- 
Eennen in England mit verschiedenen Belichtungzeiten photographirte. 

Er arbeitete mit einem Fallbrette mit Kautschukschnur oder mit einein 
Kautschukbande ohne Ende, welches über zwei Bollen läuft und in welches 
zwei Schlitze geschnitten sind, die sich in entgegengesetzter Eichtung 
passiren. Interessant war die Wahrnehmung Henderson 's, dass bei einer 
Belichtungszeit = Vio Secunde, die Menschen leidlich scharf erschienen, 
von den laufenden Pferden aber in Folge der grossen Schnelligkeit keine 
Spur zu sehen war. Erst bei einer Exposition von V400 Secunde waren 
sowohl die Pferde wie die Menschen ganz scharf. ^) 

Nach diesen Angaben kann man die Wahl des Momentverschlusses 
treffen. Für Expositionszeiten von Vö bis V20 Secunden genügt das ein- 
fache Fallbrett aus Holz oder Carton, oder eine rotirende Cartonscheibe 
mit schwacher Feder. Für Vöo Secunden muss das Fallbrett schon 
mittels einer starken Feder odet Gummischnur beschleunigt werden. Besser 
sind dann schon Präcisionsapparate von zwei gegen einander sich bewegenden 
Schiebern, z. B. Thury und Amey's Verschluss, welcher eine Geschwindig- 
keit von 1 bis V200 Secunden giebt. 

Bei den äusserst kurzen Expositionen von Viooo Secunden erhält man 
nur mehr Silhouetten (schwarz auf weissem Grund oder umgekehrt), weil 
die Lichtwirkung nicht mehr stark genug ist, um Halbschatten zur Geltung 
zu bringen. 

^) Oft ist das ganze Thier scharf abgebildet, nur die Schweifspitze oder die Enden 
des Fasses erscheinen anscharf, weil sie sich viel schneller bewegen, als das ganze Thier. 

^) Die Pferde waren 100 Fnss von der photographischen Camera entfernt. Die 
nähere Beschreibung aller Einzelheiten s. „British Journal of Photography", 1883, S. 309; 
auch „Photographisches Wochenblatt", 1882, S. 197. 



IV. CAPITEL. 

Ueber Momentrerschlüsse. 



Eine Belichtungsdauer von Vö bis 1 Secunde kann man ohne alle 
besonderen Vorrichtungen geben, wenn man den Deckel des photographischen 
Objetivs sorgfältig lüftet, ihn rasch wegzieht (ohne den Apparat zu er- 
schüttern!!) und wieder schliesst. 

Bei der Aufnahme von Personen oder anderen Gegenständen, von 
welchen man erwartet, dass sie sich wenigstens einen Bruchtheil einer 
Secunde ruhig verhalten werden, benutzt man langsame Verschlüsse, weil 
sonst das Bild in dem Schatten oder Halbschatten ganz ungenügend 
durchgezeichnet werden würde. 

Man benutzt in diesem Falle den pneumatitchen „Klappenapparat", 
und ein solcher ist in den meisten: grösseren Porträtateliers vorhanden. ^) 
Solche Klappen (s. Fig. 6) lassen sich durch den Druck eines Kautschuk- 
ballons, d.i. pneumatisch, öflfnen und schliessen. Unsere Figur zeigt, wie 
der Photograph die Aufmerksamkeit eines Kindes fesselt und unbemerkt 
den Apparat rasch öffnet und schliesst. 

Für wirkliche Momentbilder braucht man aber andere Vorrichtungen, 
welche das rasche Oeffnen und Schliessen gut besorgen. 

Die Anforderungen, welche an einen guten Momentverschluss zu 
stellen sind, sind folgende: 

1. Der Verschluss soll eine kurze Exposition ermöglichen. 

2. Er soll ruhig arbeiten und während des Oeffnens und Schliessens 
die Camera nicht erschüttern. 

3. Er muss verschieden lange Expositionen gestatten. 

4. Es soll dabei die Zeitdauer der jeweiligen Exposition bekannt sein. 
Die meisten Misserfolge rühren daher, weil der 2. Punkt (ruhiges 

Arbeiten des Apparates) nicht erfüllt ist und gerade dieser ist der wichigste. 



') Cadett in England, Liesegang in Dusseldorf, Braun in Berlin u. A. bringen 
solche Verschlüsse in den Handel. In Deutschland ist der sog. Grund nev'sche Klappen- 
verschi uss häufig angewendet. 



lieber Momentverschlüsse. 



15 



Eher kann man unter Ausserachtlassen des 3. und 4. Punktes mit einigem 
Glücke gute Erfolge erzielen. 




Flg. 6. Aufnahme eines Kindes mittels eines pneumatischen Objectivverschlusses. 

Der einfachste Momentverschluss ist ein luftdichter Sack aus schwarzem 
Sammet, welcher vor der Camera dicht um das Objectiv befestigt wird 
(nach Prof. Vogel). Am anderen Ende des Sackes (s. Fig. 7 und 8) ist 
ein Brett A angebracht, w^elches eine Ooffnung besitzt; die letztere iann 
im Bedarfsfalle geschlossen werden. Hebt man den Sack so hoch, dass 





Fig. 7. 



Sack mit Objectivverschluss. 



Fig. 8. 



derselbe sich über das Objectiv legt, so kann kein Licht in den Apparat 
eindringen; senkt man ihn, so fällt durch die Oeffnung des Brettes Licht 
ein. In der Stellung von Fig. 8 ist der Apparat geschlossen. 

Man kann auch den Sack wagrecht halten und bei A ein Schiebebrett 
einführen; in dem Augenblick, wo man den Schieber wegzieht und wieder 
schliesst, erfolgt die Belichtung. Der Sammetsa^k hindert, dass die Er- 



16 



rV. Capitel. 



schütterung sich dem Apparate mittheilt; er kami überdies auf einen selb- 
ständigen Stock gestützt werden. 

Sicherer lässt sich mit Momentverschlüssen arbeiten, 
f fejg^v-^-^^ m welche von geschickten Mechanikern construirt sind 
1 ,„,,.. „,„J r ^^^ ^^^^ ^^^ Auslösung einer Feder automatisch 

functioniren. 

Fig. 9 zeigt einen solchen Verschluss in der ein- 
fachsten Form, nämlich den sogenannten „Guillotine- 
Apparat" oder das „Fallbrett". ^) 

B ist ein Brett, welches in dem Eahmen CC 
senkrecht verschiebbar ist. Der Eahmen sitzt mit 
seiner Eückseite auf dem Objectivglas L des photogra- 
phischen Apparates (letzteres ist durch den punktirten 
Kreis L angedeutet). In der in der Figur angedeuteten 
Stellung ist das Glas durch den unteren Theil des Brettes 
gedeckt, g ist eine Sph-alfeder, welche, sobald der Stift 
S weggezogen ist, das Brett mit grosser Geschwin- 
digkeit nach unten zieht, so dass das Objectivglas in 
dem Momente frei wird, wo die Oeffnung dasselbe 
passirt, um dann sofort wieder durch den oberen Theil jB zugedeckt zu werden. 
Ein Fallbrett gleitet am ruhigsten und besten, wenn man in einem 
Messingrahmen ein Holzbrettchen gleiten lässt. Diese Anordnung (welche 




Fig. 9. 






Fig. 10 



Fig. 11. 
Verschiedene Ausschnitte des Fallbrettes. 



Fig. 12. 



Ingenieur Wight allen anderen vorzieht) ist sehr zu empfehlen. Die von 
Dilettanten improvisirten Fallverschlüsse von Holz in Holz oder Carton in 
Carton sind fast alle schlecht und werden in der Eegel von den Besitzern 



^) Näheres über Momentverschlüsse s. Eder's „ Ausfuhr! iches Handbuch der Photo- 
graphie", 1884, I. Band, S. 329. 



Ueber Momentversehliisse. 



17 



weggeworfen, sobald sie einige Dutzende von Troekenplatten dadurch ein- 
gebüsst haben. 

Es ist durchaus nicht gleichgültig, welche Oeffnung man dem Pallbrette 
giebt. Von den drei Ausschnitten (Fig. 10 bis 12) giebt der erste (runde) in 
derselben Zeit am wenigsten Licht; der quadratische ist schon besser; am 
meisten Licht lässt aber die von Wight empfohlene Form von Fig. 12 einfallen. 

Obschon die theoretisch richtigste Lage des Fallapparates, sowie aller 
Momentverschltisse, diejenige zwischen den beiden Linsenpaaren ist (s. Fig. 
13 u. 14), so findet man doch selten diese Anordnung. Meistens erscheint 
es am bequemsten, das Fallbrett mittels eines Einges vorne an dem 
Objective zu fixiren. Man kann es dann leicht wechseln und an einem 
anderen Objective anbringen. In der That ist dieser Vorgang den Dilettanten 
auch anzurathen. 





n. C 




Fi«. 18. Fig. 14 

Fallapparat im Inuern des Objectivs. 



Fig. 15. Befestigung des Momont- 
verschlusses auf einem eigenen Stativ. 

Am meisten, sind aber beim Fallapparate Erschütterungen zu fürchten, 
wenn das Fallbrett nicht ganz widerstandslos hinabgleitet. In diesem Falle 
kann man den Momentverschluss , getrennt von der Camera, auf einem 
Stativ aufstellen (s. Fig. 15) und durch einen dichten Sack von schwarzem 
Stotfe lichtdicht mit der Camera verbinden. 

Der Fallapparat wird fast immer mit einer pneumatischen Auslösung 
versehen. 

Für Geschwindigkeiten von Vio bis V20 Secunde lässt man das Fall- 
brett im freien Fall horabgleiten. Je höher es fallt, desto grösser ist die 



Etler, Momentpliotngraplite. 2. Aufl. 



2 



18 



IV. Capitel. 



Geschwindigkeit, d. h. die Belichtungszeit ist um so kürzer, je höher die 
Oeffnung des Fallbrettes über der Objectivöffnung angebracht ist. 

Hat die Oeffnung des Objectivs und der Ausschnitt im Fallbrette einen 
Durchmesser von 4 cm (40 mm), so ist die Dauer der Belichtung während 
des Falles = Vie Secunde, wenn der Abstand der Oeffnung des Fallbrettes 
über jener des Objectivs 2 cm ist; dagegen nur V27 Secunde bei einem 
Abstand von 6 cm und V50 Secunde bei einem Abstand von 20 cm. Dies 
erklärt sich daraus, dass die. Geschwindigkeit eines frei fallenden Gegen- 
standes um so grösser ist, aus je grösserer Höhe er herabfätlt. 

Für die Oeffnungen des Objetives 6 cm (= 60 mm) beträgt für die ge- 
nannten Abstände die Belichtungszeit aber Vio^ Vis ^^^ V33 Secunde. 




Fig. Iß. Rotirende Scheibe mit electrischer Auslösung. 



weil der vorbeigleitende grosse Ausschnitt dem Lichte durch längere Zeit 
Zutritt lässt. 

Durch die Anwendung von Gummischnüren kann man die Bewegung 
des Fallbrettes, je nach der Kraft der Spannung verdoppeln, ja auf das 
Vierfache erhöhen. Z. B. gab ein Fallbrett von 7 cm Oeffnung eine 
Expositionszeit von V13 Secunde, wenn es durch eigene Schwere fiel; mit 
einer Gummischnur V50 Secunde, mit doppelter Schnur Vei Secunde; je- 
doch ist die Gewalt der Spannung mit der doppelten Schnur so gross, dass 
hölzerne Fallapparate gefährdet sind und zuweilen zersplittern. 

Ein zweites System der Momentverschlüsse ist das der rotir enden 
Scheibe. Wir wollen dasselbe an einem Momentverschlusse mit elektrischer 
Auslösung nach Dr. Stein (Fig. 16) erklären, obschon wir die pneumatische. 



lieber Momentverschlüsse. 



19 



der Einfachheit wegen, vorziehen.^) Die Scheibe 8 dreht sich um den Oentral- 
punkt c. Bei d befindet sich die Linsenöffnung; die Scheibe selbst ist bei 
d durchlöchert. Dreht sich die Scheibe in derEichtung des Pfeiles (durch 
einen Faden oder Gummischnur bewegt), so erfolgt im Augenblicke des 
Vorübergleitens der einen Oeffnung über die andere die Belichtung. Der 
Sperrhaken T wird durch den Electromagneten B ausgehoben, sobald die 
Leitung 'j> und q durch den Drücker bei a geschlossen ist. BeiD befindet 
sich eine kleine galvanische Batterie. 

Einer der besten Momentver- 
schlüsse ist der von Thury und 
Amey in Genf (Chemain des Sources 
Plainpalais 12). Derselbe hat seine 
Stelle zwischen beiden Linsen (an der 
Stelle, wo sonst die Blenden ange- 
bracht sind) und ist eine äusserst 
präcise Mechanikerarbeit. Fig. 17 
zeigt den Thury-Amey'schen Ver- 
schluss sammt dem Objectiv. Im 
Inneren der länglichen Metallhülse 
bewegen sich zwei mit einer runden 
Oeflfnung versehene Blechschieber gegen 
einander. Während sie die Oeffnung der 
Linse passiren, erfolgt die Belichtung. 
Eine starke Feder beschleunigt die 
Bewegung so bedeutend, dass die Zeit 
der Belichtung auf V200 bis VssoSecunde 
reducirt wird. Eine einfache Hemmung 
verlangsamt den Gang, je nach Bedarf 
auf längere Zeit bis sogar auf einige 
Secunden. Die Auslösung des Ver- 
schlusses erfolgt pneumatisch (mittels 
eines Kautschukballons und Schlauches). 

Der Verfasser kann den Thury und Amey "sehen Verschluss als ganz 
verlässlich empfehlen. Bei zahlreichen Versuchen damit erfolgte niemals eine 
Schwierigkeit, welche auf einen Constructionsfehler des Apparates oder 
Erschütterung zurückzuführen gewesen wäre. Um das Objectiv mit einem 
solchen Verschlusse versehen zu lassen, ist es nothwendig, dasselbe an die 
genannten Mechaniker zu schicken, welche ein neues Objectivrohr (in der 
Mitte mit dem Verschluss) dazu anfertigen, ohne die geringste Gefahr für 




Fig. 17. 
Thury u. Ainey'a centraler Momentverschluss. 



*) Für systematisch auf einanderfolgende Momentaufnahmen aber ist die electrisehe 
Auslösung die einzig richtige (s. hei Aufnahmen, wie von ÄIuvi)ridge, Anschütz etc.). 

2* 



20 ^^' Capitel. Üeber Momentverschlüsse. 

die Linsen.^) Ferner empfiehlt der Verfasser angelegentlieh, sieh auch 
Blenden dazu anfertigen zu lassen, welche bei Strassenaufnahmen und dergl. 
die besten Dienste leisten. 

Es existiren noch unzählige Momentverschlüsse der verschiedensten 
Systeme. Es liegt nicht in dem Zwecke dieses Buches, alle diese zu be- 
schreiben, was übrigens schon in anderen Werken geschehen ist^). sondern 
bloss leitende Gesichtspunkte zu geben und den wohlgemeinten Eath zu 
ertheilen, sich nicht mit mangelhaften Momentverschlüssen an eine ver- 
gebliche Arbeit zu machen, welche nur Zeitverlust und Enttäuschung bringt. 



*) Der Preis für einen Thury und Am ey 'sehen Verschluss schwankt mit der 
Grösse des Objeetivs. Ein Objeetiv bis 20 mm Durchmesser beträgt er 88 Frariken, von 
30 bis 40 mm 100 Franken, von 50 bis 60 mm 136 Franken. 

^) Eder's ausführliches Handbuch der Photographie, 1884, Bd. I, 4. Heft, S. 315 
(Knapp in Halle a. S.). 



V. CAPITEL. 



Prüfung der Apparate für Momentaufaahmeii und Bestimmung 
der Geschwindigkeit des Momentverschlusses. 



I. Prüfung der Apparate. 

Hat man sich mit einem Antiplanet oder Euryskop oder einem anderen 
der auf S. 6 angegebenen Objeetive versehen, so kann man sicher sein, 
dass die Linse an und für sich ihrer Aufgabe entspricht. 

Nicht so sicher ist dies bei den oft schlecht construirten Moment- 
verschlüssen. Um zu untersuchen, ob sie den Apparat nicht erschüttern, 
kann man folgende Probe machen: 

Man stelle auf ein von der Sonne beschienenes Haus oder ein hell 
sich abhebendes Gitter scharf ein (unter Benützung der 2. oder 3. Blende). 
Hierauf befestigt man den Momentverschluss, legt eine empfindliche Platte 
ein und nimmt mittels des Verschlusses die Belichtung vor. Beim Ent- 
wickeln des Bildes sollen alle Fensterkreuze oder Gitterstäbe scharf erscheinen ; 
schlechte Momentverschlüsse machen die Linien durch Erschütterung entweder 
in horizontaler oder verticaler Eichtung, oder nach allen Seiten hin unscharf. 

Besteht der Verschluss diese Probe, so macht man eine zweite, um 
sein Verhalten bei der Aufnahme beweglicher Gegenstände zu studiren. 
Am leichtesten ist die Probe vom Fenster eines Hauses (1. oder 2. Stock) 
zu machen, von wo aus man den Apparat die Länge der Strasse entlang 
richtet; den unmittelbaren Vordergrund beziehe man nicht mit ein. Er- 
scheinen an der in dieser Weise gemachten Momentphotographie die 
gehenden Menschen und trabenden Pferde scharf, so ist die Schnelligkeit 
des Verschlusses für die gewöhnlich vorkommenden Momentbilder genügend. 
Oft aber erscheinen die im nächsten Vordergrunde gehenden Menschen in 
Folge der verhältnissmässig schnelleren Bewegung unscharf, die weiter 
rückwärts befindlichen aber noch scharf, dann ist die Geschwindigkeit des 
Moment verschlusses keine sehr grosse und für manche Fälle nicht ganz 
ausreichend. 

Gestattet ein Momentverschluss die Regulirung der Schnelligkeit, so 
macht man mehrere Aufnahmen desselben Strassenbildes mit wechselnder 
Geschwindigkeit. Jene Zeitdauer ist dann die richtige, welche am ver- 
hältnissmässig längsten ist und noch volle Schärfe der beweglichen Figuren 
giebt. Niemals exponire man kürzer, als unumgänglich noth- 
wendig ist. 



22 



V. Capitel. 



IL Bestimmung der Geschwindigkeit der Momentverschlüsse. 




\ 



1 







Die Zeitdauer, welche während des Oeffnens und Sehliessens eines 
Momentverschlusses verstreicht, soll genau bekannt sein. Man muss die 
Schnelligkeit der Belichtung dem zu photographirenden Gegenstand anpassen 
können, oder man kann sich an gewisse Aufgaben gar nicht wagen, wenn 
man nicht die Schnelligkeit seines Verschlusses bestimmen kann. 

Für Apparate mit veränderlicher 
Schnelligkeit soll mau sich Tabellen 
anlegen, welche die verschiedenen 
Spannungen der Feder geben. ^) 

Am einfachsten führt die Methode 
des Verfassers^) zum Ziele. Ein Ge- 
hülfe schwingt vor dem Objectiv in 
einem theilweise oder ganz verdunkelten 
Zimmer mit ausgestrecktem Arme ein 
Stück brennenden, mittels einer Zange 
gehaltenen Magnesiumdraht. Indem 
man laut die Secunden nach einer Uhr 
zählt, werden die Schwingungen so 
regulirt, dass in einer Secunde eine 
Schwingung des Armes im Kreise 
gemacht wird. Der Apparat war vor- 
her auf den brennenden Punkt scharf eingestellt und eine empfindliche 
Platte in ersteren gelegt worden. Nun wird der Momentverschluss in 
Thätigkeit gesetzt; der sich bewegende Lichtpunkt wird auf der Platte 
photographirt und das Bild dann hervorgerufen. Man erhält ein sehr 
deutliches, scharfes Kreissegment. Hierauf bestimmt man auf der Visir- 
scheibe den Durchmesser des Kreises , welchen das vom Gehilfen ge- 
schwungene Licht auf der Visirscheibe beschreibt; der entsprechende 
Kreis wird auf Papier gezeichnet. Hierauf wird das Bild des Kreissegmentes, 
welches der geschwungene Magnesiumdraht während der Function des 
Apparates auf der Platte erzeugte, auf den gezeichneten Kreis aufgetragen 
und man misst, den wievielten Theil eines Kreises es beträgt. 

Wir wollen den Vorgang an einem practischen Beispiele beschreiben: 
Man bestimmt z. B. den Durchmesser AC des Kreises (Fig. 18) auf der 



Fig. 18. Bestimmung der Geschwindigkeit 
eines Momentvertchlusses. 



*) Bei Thury und Amey's Apparat lässt sich die Schnelligkeit der Belichtung 
in Graden an einer Scheibe ablesen, für welche sieh der Verfasser die Expositionszeit 
nach Brachteilen einer Secunde in der oben angegebenen Weise bestimmt. 

2) Zuerst im Jahre 1882 im Bullet, de l'Associat. Beige de Phot. S. 285 vom Ver- 
fasser publicirt. 



Prüfung der Apparate für Momentaufnahmen etc. 



23 



Visirscheibe dadurch, dass der Gehilfe mit aiisgestreektem Arme ein 
Kerzehen an zwei entgegengesetzten Punkten hält. Wenn er dann, 
ohne sieh vom Platze zu bewegen, den brennenden Magnesiumdraht 
schwingt, so wird z. B. das Kreissegment AB auf der empfindlichen 
Platte photographirt. Da es den zehnten Theil dc^s während einer 
Secunde durchlaufenen Kreises bildet, so ist die (loseh windigkeit des 
Apparates = Vio Secunde. 

Die Genauigkeit 
dieser Methode genügt 
für die Praxis voll- 
kommen. 

Es wurden noch 
andere sehr sinnreiche 
und complicirteApparate 
angegeben, um die Be- 
stimmung der Geschwin- 
digkeit des Verschlusses 
mit mathematischer Ge- 
nauigkeit vorzunehmen, 
von welchen wir die 
wichtigsten beschreiben 
werden. 

Eine sehr grosse 
Genauigkeit gestattet die 
Methode A. Londe's 
(Fig. 19). Ein Streifen 
berusstes Papier ist an 

dem Fallbrette des 
Momentverschlusses be- 
festigt. Dann versetzt 
man eine Spitze in regel- 
mässige Bewegung, welche das berusste Papier berührt und weisse Linien ein- 
kratzt. Ferner stellt man einen Ohronograph mit einem electromagnetischen 
Apparate auf; die Stimmgabel kommt in regelmässige Schwingungen von be- 
kannter Schwingungszahl pro Secunde. Die Schwingimgen der Stimmgabel 
bringen die Spitze in Vibration und diese schreibt eine gewisse Anzahl derselben 
auf das sich vorbeibewegende berusste Papier. Je langsamer das Fallbrett des 
Momentverschlusses vorbeigleitet, desto mehr Schwingungen werden am Papier 
eingeschrieben. Fig. 19 zeigt das Eesultat eines solchen Versuches. Die 
Spitze machte 100 doppelte Schwingungen in 1 Secunde; 6 Schwing- 
ungen zeichneten sich am Papierstreifen während des Herabfallens des 
Fallbrettes ein, d. h. das Fallbrett Hess den Apparat während ^/joo Secunde 




Fig. 19. Chronograph zur Bestimmung der Geschwindigkeit eines 
Momenty erschlusses . 



24 



V. Capitel. Prüfung der Apparate für Momentaufnahmen etc. 



offen. Bringt man aber eine Blende an, welche die Oeffnung zum Theil 
verschliesst, so reducirt sieh die wirksame Belichtungszeit auf ^/loo Secunde. 
Viel einfacher und ebenso genau ist die Benutzung von Stimmgabeln, 
welche mit einem Violinbogen gestrichen und dadurch in Vibrationen ver- 
setzt werden, wie zuerst Dr. Laudy empfahl; diese machen bekanntlich 
für eine gewisse musikalische Note eine bestimmte Anzahl von Schwingungen 
für 1 Secunde. Es sind electrische Apparate oder dergl. hierbei über- 
flüssig und man braucht hierzu keine kostspieligen Apparate. Z. B. macht 
eine Stimmgabel für den Ton C3 256, G 384, C4 512 Vibrationen. 
Man hat solche Stimmgabeln für einen gewissen Ton oder eine be- 




Fig. 20. 



Fig. 21. 



Bestimmung der Gescbvrindigkeit von Momentverschlüssen. 

stimmte Anzahl von Schwingungen in physikalischen Cabineten. Für 
unseren Zweck bringt man an einer Zinke eine feine Spitze an, welche 
dazu bestimmt ist, in das mit Euss geschwärzte Fallbrett eines Moment- 
verschlusses während des Falles Zickzacklinien einzukratzen. Fig. 20 zeigt 
die Anordnung des Fallbrettes und der Stimmgabel. Man bringt die Spitze 
der letzteren mit dem ersten in Berührung, versetzt die Stimmgabel durch 
Streichen mit dem Violinbogen in Schwingungen und lässt das Fallbrett 
herabgleiten. Es zeichnet sich eine Zickzacklinie ab (ähnlich wie sie auf 
Fig. 19 ersichtlich ist) und daraus lässt sich die Schnelligkeit der Be- 
lichtungszeit berechnen. Es sei z. B. die Oeflfnung des Apparates 8 cm; 
auf eine solche Strecke habe nun eine Stimmgabel, welche 256 Vibrationen 
in der Secunde macht , 20 mal sich hin und her bewegt , so wäre die Be- 
lichtungsdauer = ^^/256 = V12 Secunde. Die Geschwindigkeit eines 
rotirenden Momentverschlusses kann mittels einer schwingenden Stimm- 
gabel in ganz ähnlicher Weise, wie die eines Fallbrettes bestimmt werden, 
wie in Fig. 21 versinnbildlicht. 



VI. CAPITEL. 



Die photograpMsche Flinte, der photographische Keyolyer 
und yerschiedene Miniatnrapparate. 



Um Vögel oder andere sieh rasch bewegende Thiere rasch und richtig 
mit dem photographischen Apparate erhaschen zu können, gab man dem 
letzteren die Form einer Pistole (Skaife 1860), eines Eevolvers (Enjal- 
bert 1882) oder einer Flinte (Marey 1882 und Fol 1884); man zielt 
damit auf den Gegenstand und ein Drücker öffnet einen Momentverschluss. 

Diese Apparate verdienen alle Beachtung, obwohl sie nur ausnahms- 
weise benutzt wurden und nur in wenigen Händen gute Erfolge gaben. 




Fig. 22. Enjalbert's photographischer Revolver. 



I. Enjalbert's photographisoher Revolver. 

Enjalbert's Eevolver hat die Form eines kleinen Taschenrevolvers, 
aber anstatt tödtliche Bleikugeln zu schleudern, dient er dazu, kleine photo- 



26 VI. Capitel. 

graphische Plättchen von 4 cm Seitenlänge herzustellen. Der „Photo-Rcvolvor" 
ist hermetisch gegen Licht verschlossen und erlaubt den sich bewegenden 
Objecton leicht zu folgen. 1 in Fig. 22 zeigt die äussere Ansicht desselben 
auf Vs verkleinert. In 2 ist das Innere dargestellt. An der Mündung 
des Laufes befindet sich eine aplanatische Doppellinse von kurzer 
Brennweite. In der Trommel H ist der Momentverschluss A (eine sich 
drehende Scheibe) enthalten, C ist eine Cassette. Drückt man an die 
Zunge des Eevolvers, so dreht sieh der Cylinder mit den empfindlichen 
Platten {g) und es wird eine neue Platte vorgeschoben. Die Platten selbst 
befinden sich in kleinen Eähmchen (3 in Fig. 22). 

Der Photo-Eevolver , welcher von Paris aus in den Handel gesetzt 
wurde, hat den üebelstand, dass er in vielen Fällen denjenigen, auf den 
er gerichtet ist, in argen Schrecken versetzt, wobei wohl auch der harm- 
lose Photograph mitunter in den Verdacht eines Strassenräubers kommen 
dürfte. Die Versuche, welche der Verfasser damit anstellen sah, fielen 
ungünstig aus, weil die Haltung des photographischen Eevolvers aus freier 
Hand eine zu unsichere war; die meisten der Bilder waren ganz unscharf. 



IL Die photographische Flinte. 

Vollkommener, als der Photo-Eevolver ist die photographische Flinte 
des französischen Akademikers Marey , welcher dieselbe speciell zum Studium 
der Flugbewegung der Vögel construirte und auf deren Handhabung und 
wissenschaftlich interessante Ergebnisse wir weiter unten zurückkommen 
wollen. Als Vorbild diente ihm ein ähnlich ausgerüstetes Fernrohr, mit 
welchem der französische Astronom Janssen den Venusvorübergang rasch 
nach einander photographirte (s. unten). 

Mit Benutzung der Marey 'sehen Versuche construirte Dr. Fol eine 
photographische Flinte, welche grössere Bildformate liefert und allgemeiner 
anwendbar erscheint. 

Dr. FoTs^) photographische Eepetirflinte gibt Bilder von 9XlO cm, 
enthält 11 Platten und ist mit einem Steinheil'schen Antiplanet von 2V2 cm 
Durchmesser und I4V2 cm Brennweite ausgerüstet. Der Verschluss ist 
ähnlich dem Thury und Amey'schen (s. S. 19). 

Die Camera besteht aus einem Balg (Fig. 23 ss) und ist durch eine 
Scheidewand 8 vollkommen lichtdicht in zwei Theile geschieden. 

Die linke Hälfte des Balges (Fig. f^g) bildet eine Kammer, welche 
bestimmt ist, mittels des linken Objectives ein Bild auf der matten 



*) Dr. Fol in Genf veröffentlichte seine Arbeiten im „Archiv des sciences physiques 
et naturelles" in Genf. 1884. 



Die photographische Flinte, der photographische Kevolver etc. 



27 



Scheibe gl zu erhalten. Die rechts liegende Hälfte des Balges sd begränzt 
den Baum, in welchem das Objectiv, welches den Verschlusaapparat trägt, 
ein dem vorhergenannten ähnliches Bild auf einer empfindlichen Platte 
bildet, welche in dem Behältniss B sich befindet. 

Ein Stirnbrettchen fr trägt beide Objective und bildet die Vorderwand 
des Balges. Ein breiter Eahmen c trägt die matte Scheibe und das Platten- 
behältniss, während er zugleich die Rückwand des Balges bildet. 




Fig. 23. Dr. Fol's photographiache Flinte. 



Der Plattenkasten ist geräumig genug, um zwei Sätze von sechs 
Platten unterzubringen. Jede Platte befindet sich in einem Holzrähmchen 
und ist auf der Eückseite mit einer sehr dünnen Metallplatte bedeckt, 
welche das Durchfallen des Lichtes zur folgen- 
den Platte verhindert. Wenn eine Platte ex- 
ponirt wurde, so genügt es, den Apparat 
wieder aufrecht zu stellen imd dann nach ^^^^ 

rechts zu neigen, damit die exponirte Platte p|^ p^S^ 
in das rechte Behältniss falle. Vor jeder 
Exposition ist es zweckmässig, die Schraube 
y anzuziehen, um den vorletzten Eahmen 
an den Eand des Kastens anzudrücken und 
selben in gleiche Entfernung vom Objectiv 
zu bringen. 

Das Einstellen wird durch zwei Metall- 
rahmen mitZahnrädern (Fig. 24) bewerkstelligt, 
welche sich unter dem Apparate befinden und 
deren einer das Stirnstück ci trägt, während der andere es in einem Falz des 
ersteren Eahmens sich bewegt. Die zwei Eahmen werden einer auf dem 




Fig. 24. 
Dr. Fora photogriüipiüche Flinte. 



28 



VI. Oapitel. 



anderen bewegt durch einen seitlich angebrachten Knopf P, der in eine 
Spindel übergeht, welche zwei cannelirte Cylinder p trägt. Die Cannelirungen 
greifen in eine Zahnstange der Seitenstücke des Metallrahmens ci ein. 
Der Eahmen es wird durch ein horizontales Ead R mit verticaler Axe in 
Bewegung gesetzt, letztere endet an der unteren Seite in einen Knopf, den 
man in der linken Hand hält und der dem Apparate als Träger dient, wie 
beim Schusse mit dem alten Carabiner. Es genügt, den Knopf leicht mit 

der linken Hand in der einen oder anderen 
Eichtung zu drehen, um herbeizuführen, dass 
mit Hilfe des grösseren Eades (Fig. 24) R 
eine rasche Bewegung des Eahmens es und 
hiermit des Stirnbrettchens und der Objective 
erfolgt. 

Ein kleines Zahnrad r dient , um die 
Bewegung des grossen Eades auf die ent- 
gegengesetzte Seite des Eahmens zu über- 
tragen und eine ruhige , schleifende Bewe- 
gung, frei von aller seitlichen Abweichung, 
zu ertheilen. 

Während des Gebrauches wird der 
Apparat auf einen Träger (Fig. 25) in Ge- 
stalt eines Gewehrschaftes befestigt, welcher 
aber aus vier Platten besteht, die mittels 
Scharnieren beweglich sind, welche es er- 
möglichen, ihn gänzlich zusammenzufalten. 
Der vordere Theil enthält ein cylindrisches 
Eohr, in welchem ein Kolben ijp gleitet, 
der durch eine Spiralfeder sp fortgeschoben 
wird. Wenn die Feder sich ausdehnt, so 
stosst sie den Kolben plötzlich vorwärts 
und erzeugt eine Compression der Luft in 
dem Eohre, die sie durch den Kautschuk- 
schlauch ca auf den Verschlussapparat überträgt und seine Auslösung be- 
wirkt. Ein Druck mit dem Finger auf die letztere genügt, um sogleich 
den Verschlussapparat in Bewegung zu setzen.^) 

Die Art der Verwendung des Apparates ist einfach. Wenn der Platten- 
behälter an den gehörigen Platz gebracht, der Verschlussapparat herge- 
richtet, der Kolben an die Schulter (Fig. 26) gelegt, die Feder gespannt ist, 
so genügt es, den Apparat gegen den zu photographirenden Gegenstand zu 




Fig. 25. 
Dr. Fol's photographische Flinte. 



^) Dr. Fol's Apparat wurde in der Werkstätte für physikalische Apparate in 
Genf (Plainpalais) ausgeführt. 



Die photographisehe Flinte, der photo^raph Ische Revolver etc. 



29 



wenden und das Bild auf der matten Scheibe zu untersuchen; eine leichte 
Bewegung mit der linken Hand genügt, um das Einstellen zu beenden und 
den Apparat in der gegebenen Stellung zu erhalten, während der Zeige- 
finger der rechten Hand die Exposition im geeigneten Moment bewerk- 
stelligt. Es genügt sodann, den Apparat nach zwei entgegengesetzten 
Eichtungen zu bewegen , um eine neue empfindliche Platte an die Stelle 
derjenigen zu bringen, welche eben isolirt wurde, und kann man, nachdem 
die Federn gespannt sind, zu einer folgenden Exposition schreiten. 

Mit den gegen- 
wärtig im Handel be- y ' - ' ^ .■ i^ ' " >p^. y r "^j". ' ""t> .""j.M i g ff . ...^^^■■■^^^.| 

findlichen Platten erhält 
man im Freien, bei 
schönem Wetter, im 
Sommer oder zur Mit- 
tagszeit treff'liche Nega- 
tive mit viel Detail. 
Unter anderen Verhält- 
nissen sind so rasche 
Expositionen ungenü- 
gend, um auf der Platte 
einen für ein gutes Ne- 
gativ hinreichenden 
Lichteindruck zu er- 
halten. 

Dieser Apparat hat 
Vorzüge gegen andere 
tragbare, welche bisher 
vorgeschlagen wurden . 
Zur Lösung der Fragen, 
welche die Mechanik 
der Bewegungen von 
Thieren, des Fluges der 

Tauben, des Ganges der vierfüssigen Hausthiere und des Menschen auf- 
tauchen lässt, ist es allerdings unzweifelhaft, dass die Gesammtheit der 
Apparate und Einrichtungen von Muybridge und von Marey 
(s. unten) vollständigere und werthvollere Daten liefern können. Die 
Eeihenfolge der Stellungen, welche ein Thier in einer gewissen Gangart 
einnimmt, in sehr nahen Zwischenräumen auf einer Platte photographirt, 
ist gewiss viel lehrreicher, als die Aufnahmen, welche FoTs Apparat her- 
zustellen erlaubt. Aber anderseits ist die unten beschriebene Methode von 
Marey nach ihrer Beschaffenheit auf jene Thiere begrenzt, welche man 
genau im Profil vor dem Objectiv in einer bestimmten Entfernung vorbei- 




Fig. 26. Dr. Fol'a photographisehe Flinte. 



30 



VI. Capitel. 



gehen lassen kann, während man mit Dr. Fol's Apparat alle Stellungen 

verzeichnen kann unter Bedingungen, unter denen man einen Flintenschuss 

abgeben könnte. 

Um einen Beleg für die Anwendbarkeit der photographischen Flinte 

zu geben, wird es genügen, auf die Aufnahmen hinzuweisen, welche Dr. 

Fol auf zwei oder drei Spaziergängen mit einer Repetirflinte erzielte. 

Eine Taube, die ihren 
Taubenkobel verlässt , in 
dem Augenblicke, in wel- 
chem sie sich in die Lüfte 
erhebt (Fig. 27) — eine 
Taube, die anlangt und sich 
niederlässt — Möven, die 
im Fluge einhalten oder 
auf eine Beute niederstossen 

— ein Hund in Gleichge- 
wichtsstellung auf drei 
Füssen oder welcher sich 
kratzt — ein Hahn und 
eine Henne in Stellungen, 
welche sie schwerlich auf 
Geheiss annehmen würden 

— kleine Mädchen, die 
über die Schnur springen, 
oder kleine Knaben, welche 
Bock springen spielen, 

ohne zu ahnen, dass man im Zuge ist, sie zu photographiren — wilde 
Vögel in verschiedenen Stellungen u. dgl. m. 




Fig. 27. 
Momentaufnahme mit der photographischon Flinte. 



III. Kleine photographisohe Handcamera. 

In neuerer Zeit wurden von mehreren Mechanikern kleine Apparate 
construirt, welche man in einer Tasche zu sich stecken kann und beim 
Exponiren in der freien Hand hält. Bei den kleinen photographischen 
Handapparaten ist es nöthig, den Gegenstand rasch und sicher auf die 
Mitte der Platte zu bringen. Mit einer derartigen Camera, welche das 
Visiren erlaubt, ist es nicht schwer, Bilder von sich bewegenden Thieren 
oder Volksscenen zu erhalten. Der an der Vorderseite beim Objectiv an- 
gebrachte Momentverschluss wird durch den Druck eines Fingers ausgelöst 
oder es dient hierzu eine pneumatische Vorrichtung. 

Der compendiöseste Taschenapparat für Photographen ist Marion 's 
Miniatureamera. Diese englische Firma (erzeugt den in Fig. 28 abge- 



Die photographische Flinte, der photographisohe Revolver etc. 



31 



bildeten Apparat in der doppelten Grösse unserer Figur. Die Platten 
haben nur 3 em Seitenlänge. Kin Visirrohr erlaubt die Einstellunia: des 




Fig. 28. Marion' 8 Miniaturcamera. 

gewünschten Gegenstandes in das Gesichtsfeld der Camera. An der Vorder- 
seite ist ein Fallbrett angebracht. Eine Zahnstange ermöglicht das 
Einstellen des Bildes. Die 
Cassetten sind entsprechend klein 
und aus Metallblech gefertigt. 
Der Preis des Apparates ist ein 
sehr massiger, jedoch haben die 
Aufnahmen, wegen ihrer Klein- 
heit, wenig practischen Werth 
und deshalb ist auch der Apparat 
fiir ernstere Arbeiten kaum zu 
empfehlen. 

Wenn man freie Wahl hat, 
entscheide man sich immer für 
etwas grössere Formate (z. B. 
9 X 12 cm) und wende einen 
stabilen Dreifuss oder ein an- 
deres solides Fixirungsmittel der 
Camera an ^'*' ^' p**^*^»'^*!'^'*^*^^^ opemgias. 

Als Curiosum sei erwähnt, dass man eine Miniaturcamera in die Form 
eines Opernglases gebracht hat. In das eine Rohr des Opernglases 
(Fig. 29) wird ein mattes Glas eingeschoben und damit eingestellt, während 




32 



VI. Capitel. 



in das andere die empfindliche Platte kommt. So ist es möglich, den 
gewünschten Punkt zu finden und unauffällig ein Augenblicksbild zu 
erzeugen. ^) 

Ein solches photographisches Opernglas mag in gewissen Fällen 
practisch sein, indem es das Photographiren ohne jedwedes Aufsehen 
ermöglicht. Es sind aber noch zahlreiche andere Apparate erfunden worden, 
welche mitunter oft nur einer Schrulle entsprungen sein mögen. Als Beispiel 
mag der „photographische Cylinderhut" dienen, welcher in einem verdeckten 
Loch seines Deckels eine Linse birgt, während sein Futter den auszieh- 
baren Blasebalg der Camera ersetzt; ein Spazierstock dient als Stativ. Ob 
diese Erfindung jemals in der Praxis ausgeführt wurde, ist dem Verfasser 
nicht bekannt. 



lY. Camera für Momentaufnahmen mit einem Sucher. 

1 




Fif?. 30. Camera für Momentaufnahmen mit einem Sucher. 



Die Verwendung eines soliden Stativs ist zur Herstellung grösserer 
Momentbilder nahezu unerlässlich. In Fig. 30 ist eine solche Camera 



*) Genauere Besehreibung s, Eder's „Ausführliches Handbuch der Photographie", 
4. Heft. 



Die photographisehe Flinte, der photographisehe Revolver etc. 



33 



abgebildet^), welche mit einem Visirrohr versehen ist. An der Seite der 
Camera befindet sich als „Sucher" eine viereckige Röhre; an der vorderen 
Oeffmmg befinden sich horizontal und vertical zwei sich kreuzende Haare 
oder Metalldrähte, desgleichen am hinteren Ende zwei diagonale Drähte. 
Diese Röhre dient als „Sucher". Mittels der Fäden wird das durch die 
Röhre sichtbare Bild in Felder getheilt und der Mittelpunkt kann leicht 
gefunden werden (s. Fig. 30). Vor der Aufnahme wird das Bild auf der 
matten Scheibe der Camera scharf eingestellt, die Platte eingelegt und nun 
wartet man, bis der Gegenstand sich in die Mitte des Gesichtsfeldes bewegt 
(in unserer Figur ein fahrender Eisenbahnzug). Dann wird rasch der 
Momentverschluss geöffnet. 



V. Die Dedeotivoamera. 





Fig. 31. 



DedectiYcameras. 



Fig. 32. 



Die Kürze der Belichtungszeit macht es möglich, dass man Personen 
und Vorgänge photographiren kann, ohne dass es Jemand bemerkt. Es 
sind jedoch besondere Vorkehrungen nöthig, wenn die Leute sich bew^egen 
und vom Photographen nichts wissen dürfen. Zu diesem Zw^ecke hat 
Bolas eine kleine Camera mit einem Objectiv von sehr kurzer Brenn- 
weite als Kasten oder Kofferchen arangirt, die sogenannte Dedectiv- 
camera (Fig. 31 zeigt die äussere Ansicht derselben). Die Einstellung 
wird wegen der Kürze der Zeit nicht wie gewöhnlich mit der mattge- 
schliflfenen Visirscheibe vorgenommen, weil während des Vertauschens der 
letzteren mit der die empfindliche Platte enthaltenden Cassette die ganze 
Situation sich verändert. Deshalb ist eine zweite Linse als eine Art Sucher 
zum Einstellen verwendet (Ausführlicheres s. E der 's „Handbuch der 
Photographie", 1884, Bd. 1, S. 362). B ist das zum Photographiren, A 

^) Französisches Patent von Henry Correja, 25 Avennue de Villiers, Paris. 

£dor, Mumontphotograpliie. 2. Aufl. 3 



34 



VI. Capitel. 



das zum Einstellen bestimmte Objectiv; E Oeffniing, durch welche das 
Auge beim Einstellen blickt; C Kautschukballon für den pneumatischen 
Momentverschluss ; I> Riemen zum Tragen des ganzen Kästchens. Vor 
dem zur Aufnahme dienenden Objectiv kann noch ein Spiegel oder Prisma 
angebracht werden, welches das Bild im rechten Winkel in den Apparat 
wirft. Dadurch wird die aufzunehmende Person über die Richtung ge- 
täuscht, nach welcher der Apparat wirkt. 

Eine andere Form zeigt die amerikanische Dedectivcamera ^) in Fig. 32. 
Bei a befindet sich das Objectiv mit einem Momentverschluss; durch die 




Fig. '.VA, Aufnahme mittel» der Dedectivcamera. 



Oeffnung b wird ein Bild mittels Spiegels nach c geworfen, wodurch man 
die richtige Lage des Bildes aufsuchen kann. Die empfindlichen Platten 
befinden sich in der Cassette d und die Rückwand der Camera kann nach 
Bedarf mittels einer einfachen Hebelvorrichtung e verschoben werden, je 
nachdem der Gegenstand näher oder weiter entfernt ist. 

Schmid 's Dedectivcamera wiegt nicht mehr als drei englische Pfund. 
Sie ist so klein, dass man sie unter dem Arme tragen und leicht in ein 
Felleisen verpacken kann. Die „New-Yorker Times" schreibt, dass die 
„Dedectives" bei den amerikanischen Touristen sehr populär werden und 
bei Manchem einen so unzertrennlichen Begleiter abgeben, als das Reise- 
handbuch. 



*) Sehniid'R Patent -Dedectivcamera. Bei Anthony in New -York (Broadway, 
N. Y. 591). 



Die photographisehe Flinte, der photographische Revolver etc. 35 

Fig. 33 zeigt eine von Anthony in New-York mittels dieser Camera 
aufgenommene Photographie (Facsimile in Holzschnitt) in Originalgrösse 
und andere gute Bilder dieser Art sind in Anthony 's „Photographic 
Bulletin" enthalten. 

Solche Dedectivcameras sollen amerikanische und engliche Geheim- 
polizisten in Gebrauch haben. Ein officielles Pariser Bankinstitut soll eine 
versteckte Camera zum Photographiren von Personen benützen, welche sich 
beim Verkauf von Werthpapieren, Wechseln etc. verdächtig machen. 

VI. Die Künstlercamera. 

Zu den Apparaten für Momentphotographie gehört auch die sog. 
„Academ3'-Camera" oder „Künstlercamera", welche sich namentlich zur 
raschen Herstellung von Studienbildern für Maler eignen soll. 

Bei allen diesen Instrumenten werden ganz kleine Plattenformatc be- 
nutzt von ungefähr 3 bis 8 cm Seitenlänge. In der Regel wird von den 
Händlern empfohlen, diese Künstlercameras frei in der Hand zu halten 
oder sie an die Schulter anzupressen , um einigermassen Stabilität zu 
erlangen. 

Obschon der Verfasser zugibt, dass es möglich ist, mit einer ruhigen 
Hand brauchbare Bilder in dieser Art zu erhalten, so zeigte sich aber 
doch bei seinen eigenen Vorsuchen das Resultat nicht günstig. Es rosul- 
tiren viele Fehlvorsuche, welche unscharfe Bilder geben und manche im 
Handel unter diesem Namen vorkommenden Apparate haben kaum mehr 
Werth, als ein Spielzeug. 



3* 



VII. CAPITEL. 

Die photograpMschen Operationen bei der Herstellung Yon 

Momentanfnahmen. 



Obschon die Herstellung empfindlicher Trockenplatten und deren Ent- 
wicklung und weitere Behandlung nicht im Plane dieses Werkes liegt, so 
soll dennoch das Wichtigste über die photographischen Operationen bei 
der Herstellung von Momentbildern hier mitgetheilt werden. 

Man wähle verlässliche, käufliche Bromsilbergolatineplatten, welche im 
Handel leicht zu beschaffen sind. Für jene, welche die Platten selbst dar- 
stellen, geben wir eine Vorschrift (nach Scolik) in der unten stehenden Note ^) 



^) Man löst in separaten Flaschen : 

A) 20 g Bromammonium, 

2V2 S Jodkalium, 
40 g harte Winterthur-Gelatine in 
250 cc Wasser; 

B) 30 g Silbernitrat in 

250 cc Wasser, wozu man nach erfolgter Lösung soviel Ammoniak hinzu- 
fugt, als zur Wiederauflösung des Niederschlages nothwendig ist. 

Man löst nun A. im Wasserbade, so dass die Temperatur der Fliissigkeit innerhalb 
der Flasche nicht 40 Grad 0. übersteigt und trägt dann mittels einer Spritzflasche oder 
auf andere Weise in kleinen Portionen und unter heftigem Schütteln B. (von gewöhn- 
licher Zimmertemperatur) ein. Diese Emulsion stellt man durch ^j^ Stunden in ein 
Wasserbad von 55 Grad C. und schüttelt alle 5 bis 10 Minuten die Flasche sehr stark. 
Die Temperatur des Wasserbades soll während dessen nicht unter 50 Grad C. sinken. 

Man giesst dann in eine flache Schale aus und lässt durch 6 bis 12 Stunden er- 
starren, wonach man wäscht. Man kann auch nach dem Schmelzen 10 Tropfen Brom- 
ammoniumlösung (1 : 10) pro Liter Emulsion zusetzen , wenn sie vielleicht Schleier 
beim Entwickeln zeigen sollte ; aber durch diesen Zusatz kann die Empfindlichkeit sinken. 

Diese Rapidemulsion gibt sehr empfindliche Platten, welche bei kurzer Exposition 
mit Pyro-Entwickler etwas dünne, aber sonst gute Matrizen geben, während bei zu langer 
Exposition sich die Lichter leicht verflachen. 

Am besten eignet sich hierfür der Pyro-Pottaschen-Entwickler. 

Die Platten fixiren sehr langsam und bedürfen häufig der Verstärkung. 



Die photographischen Operationen bei der Herstellung von Mumeutaufnahmen. 37 

und vorweisen auf des Verfassers „Die Photographie mit Bromsilbergelatine" 
1886 (Verlag von W. Knapp in Halle a. S.). 



I. Das Entwickeln. 

Zur Entwicklung der Platten verwendet man am besten den Pottaschen- 
oder Soda-Entwickler. Manche Plattensorten geben aber mit Eisenoxalat 
die besten Resultate. 



1. Der Pottaschen-Entwickler. 

Nach längerer Beobachtungsdauer und zahlreichen Versuchen über 
die Haltbarkeit der Lösungen und den Charakter der Bilder gelangte der 
Verfasser zu einer endgiltigen Formel, welche in Nachfolgendem besteht. 
A. 100 ccm Wasser, 

25 g neutrales schwefligsaures Natron (Natriumsulfit), 
3 bis 4 Tropfen concentrirte Schwefelsäure 0, 
10 g Pyrogallol, 
werden aufgelöst (in der angegebenen Reihenfolge) und filtrirt. Die Lösung 
ist mehrere Monate haltbar. 
B) 200 ccm Wasser, 

90 g kohlensaures Kali oder Pottasche (frei von Chlorsalzen), 
25 g neutrales schwefeligsaures Natron 
werden aufgelöst und nach öfterem Schütteln die meistens trübe Lösung 
filtrirt. 

Vor dem Gebrauche mischt man 
100 ccm Wasser, 
1 ccm (=15 Tropfen) Pyro-Lösung (A), 
1 ccm (== 15 Tropfen) Pottaschen-Lösung (B). 
Das Gemisch giesst man in eine Tasse, bedeckt diese mit einem Carton 
und bewegt sie öfters. 

In der Schale mit Entwickler bleibt die Platte 10 bis 30 Minuten 
lang liegen. Da der Entwickler ziemlich verdünnt ist, wirkt er langsam; 
macht aber die Negative zarter als concentrirter Entwickler. Die Empfind- 
lichkeit der Emulsion ist mit dem schwachen Entwickler dieselbe, wie mit 
concentrirterem, nur dauert die Entwicklung länger. 



^) Die Schwefelsäure hat den Zweck, eine vielleicht vorhandene alkalische Reaction 
des Natriumsulfit zu neutralisiren , welche die Bräunung der Pyrolösung veranlassen 
wurde. Man kann anstatt dieser Säure auch 1 bis IV2 g Oitronensäure nehmen, jedoch 
wirkt diese als Verzögerer, hält die Platte wohl klar, aber macht mitunter die Bilder 
etwas zu hart. 



38 VII. Capitel. 

Sind sehr starke Beleuchtungs-Contraste in dem Bilde vorhanden, so 
kann man den Entwickler noch mit dem gleichen Vol. Wasser verdünnen 
(z. B. weisse Thiere auf einem grünen Hintergrund von Laubwerk). 

Wird das Bild mit dem verdünnten Entwickler zu monoton, zu flach 
(zu arm an Contrasten in der Lichtwirkung), so giesse man den verdünnten 
Entwickler ab und ersetze ihn durch stärkeren, z. B. : 
100 ccm Wasser, 

3 bis 5 ccm Pyro-Lösung (A), 

3 bis 5 ccm Pottaschen-Lösung (B). 

Oder man entwickle solche Bilder gleich zu Beginn mit dem stärkeren 
Entwickler (3 bis 8 Minuten lang). 

Da aber in der Eegel die sehr lange im Entwickler gequälten Nega- 
tive harte Bilder geben, so empfiehlt der Verfasser für gewöhnlich die 
verdünnte Lösung. 

Nach beendigter Entwicklung spült man den Entwickler mit Wasser 
gut ab und legt die Platte (im Finstern) durch 5 bis 10 Minuten in eine 
concentrirte Alaunlösung, welche die gelbe Färbung der Schicht zum 
grossen Theile wegnimmt, spült wieder mit Wasser ab und fixirt. 

Die Farbe des Bildes ist dunkelbräunlich, deckt gut und ist deshalb 
namentlich für Momentaufnahmen geeig:net. 

Die Präparate sollen chlorfrei sein. Namentlich das kohlensaure Kali 
enthält oft viel Ohlorkalium; eine in destillirtem Wasser gelöste, mit Sal- 
petersäure sauer gemachte und filtrirte Probe soll mit Silbernitratlösung 
keine oder höchstens eine schwache Trübung (Chlorsilber) geben. Gehalt 
an kieselsauren und schwefelsauren Salzen schadet nicht merklich. Dagegen 
sind manche Handelssorten mit Soda stark vermischt und hinterlassen beim 
Auflösen in obigem Quantum Wasser viel von einem salzartigen körnigen 
Rückstand. Chemisch reines kohlensaures Kali ist zu theuer; am besten 
wird sich sogenanntes Sal tartari, welches durch Glühen von Weinstein 
dargestellt wird, eignen. 

Lässt man das Alaunbad weg und fixirt die Negative sofort nach dem 
Entwickeln, so wird die Farbe der Negative mehr gelblich-braun bis oliven- 
grün. Aber auch die ganze Gelatineschicht ist gefärbt, was der Schönheit 
der Matrize sehr schadet. 

2. Der Soda-Entwickler. 

Derselbe ist vortrefflich für Momentaufnahmen und liefert klare Matrizen, 
Bei manchen Platten gibt er etwas weniger Empfindlichkeit als der Pott- 
aschen-Entwickler; doch ist der Unterschied gering. 

Folgende Vorschrift ist sehr zu empfehlen: 

L 100 g neutrales schwefligsaures Natron (krystallisirt), 500 g destillirtes 
Wasser, 14 g Pyrogallol und 5 bis 10 Tropfen Schwefelsäure. 



Die photographischen Operationen bei der Herstellung von Momentaufnahmen. 39 

IL 50 g krystallisirtes kohlensaures Natron, chemisch rein (von cal- 
einirter, wasserfreierSoda nimmt man die Hälfte), 500g destillirtes Wasser. 

Das schwefligsaure Natron wird in kaltem destillirten Wasser unter 
Umschütteln in circa 2 Minuten gelöst, dann das Pyrogallol zugesetzt, 
das sich fast momentan löst ; ebenso löst sich das kohlensaure Natron bald 
in dem kalten deötillirten Wasser. 

Beide Lösungen müssen, reinstes Pyrogallol vorausgesetzt, voll- 
kommen farblos und geruchlos sein und halten sich, gut verstöpselt, 
längere Zeit. 

Zum Entwickeln nehme man 20 ccm Pyro-Lösung (I), ^20 ccm Soda- 
Lösung (II), 100 ccm gewöhnliches Wasser. 

Das Bild erscheint in einigen Minuten und ist in 10 bis 20 Minuten fertig. 

Auch hier gilt dieselbe Regel, betreffs der Verdünnung mit Wasser, 
wie beim Pottaschen-Entwickler. Verdünnt man den Entwickler weiter 
mit gleichen Theilen Wasser, so erhält man sehr zarte Bilder, muss aber 
die Platte 30 bis 45 Minuten im Entwickler liegen lassen. 

Mischt man aber: 

20 ccm Soda-Lösung, 
20 ccm Pyro-Lösung 
und nur 20 ccm Wasser, 
so erhalten die Bilder viel mehr Kraft und bedeutend mehr Contraste 
zwischen Licht und Schatten. Die Entwicklungsdauer beträgt dann nur 
4 bis 8 Minuten. 

Auch die mit dem Soda-Entwickler hervorgerufenen Platten werden nach 
dem Entwickeln abgespült, in ein starkes Alaunbad gelegt und dann fixirt 
— ganz so, wie dies beim Pottaschen-Entwickler beschrieben wurde. 

3. Eisen Oxalat -Entwickler. 

A. 100 g neutrales oxalsaures Kali, 
300 ccm destillirtes Wasser. 

B. 100 g Eisenvitriol, 
300 ccm Wasser, 

6 Tropfen concentrirte Schwefelsäure. 

Die Lösung A hält sich unbegrenzt lange ; die Lösung B eine Woche 
lang und wird unbrauchbar, sobald sie gelb wird. 

Unmittelbar vor dem Gebrauche mischt man drei Eaumtheile A mit 
einem Raumtheil B. Das Bild entwickelt sich in diesem Entwickler in 
10 bis 30 Minuten fertig. Bei sehr kurzen Expositionen wechselt man 
alle Viertelstunden den Oxalatentwickler und entwickelt 1 Stunde lang oder 
man benutzt statt der flachen Tassen schmale tiefe Cuvetten (Wannen), in 
welche man die Platten senkt und in welchen der Entwickler weniger 
rasch als in Tassen verdirbt, weil die Luft nicht so reichlich zutreten kann. 



40 VII. Capitel. 

. Als Beschleuniger dient eine Lösung von 1 Theil Fixirnatron m 
200 Theilcn Wasser, welche sich acht Tage lang hält. Man füge davon 
2 bis 4 Tropfen zu 100 ccm Entwickler. 

Ist die Entwicklung beendigt , so spült man mit Wasser gut ab und" 

fixirt. 

« 

n. Das Fixiren. 

Ein Theil Fixirnatron in vier Theilen Wasser oder bequemer: ein 
Theil gesättigte wässerige Eixirnatronlösung gemischt mit zwei Theilen 
Wasser dient als Fixirer. In diesem Bade bleiben die Platten liegen, bis 
jede Spur von Bromsilber (von der Eückseite besehen) verschwunden ist. 
Es ist besser die Platte noch 5 Minuten länger im Fixirer liegen zu lassen, 
wenn auch das Bromsilber scheinbar schon ausjBxirt ist. 

Diese Lösung ist häufig (am besten alle zwei bis drei Tage) zu er- 
neuern, weil in alten Fixirbädern ein Ablösen der Schichte eintreten kann. 

Nach dem Fixiren spült man die Platten mit Wasser unter der Brause 
gut ab, legt auf 8 bis 10 Minuten in eine Schale mit reinem Wasser und 
hierauf in eine Alaunlösung. Diese letztere ist eine gesättigte Auflösung 
von Alaun in Wasser. Auch in diesem Bade bleiben die Matrizen während 
einiger Minuten, worauf man sie nochmals in eine Schale mit reinem 
Wasser legt und dann sehr gut und andauernd mit Wasser abspült. 

Dann werden die Platten zum freiwilligen Trocknen auf einen Platten- 
ständer gestellt. 

III. Das Verstärken. 

Erscheinen die Negative nach dem Fixiren und Trocknen zu schwach, 
so kann man sie verstärken. 

Von den vielen Verstärkern, welche zu gewöhnlichen Porträt- oder 
Landschafts- Aufnahmen sich eignen, sind die meisten auch für unsere 
Zwecke verwendbar. 

Es kann jedoch nicht genug davor gewarnt werden, zu kurz belichtete 
Platten zu verstärken, welche an und für sich schon hart sind. Man be- 
helfe sich lieber mit der Eetouche (Abdecken zu dünner Stellen mit Carmin 
oder rothem Lack etc.). 

Ist jedoch die Platte im ganzen zu dünn und frei von Schleier, so 
eignet sich am besten die Jodquecksilber- Verstärkung , weil sie ausser- 
ordentlich ausgiebig ist und stark deckt. 

Man legt das gut fixirte, bestens gewaschene Negativ in ein 
Bad von 

1 Theil Quecksilberchlorid, 
3 Theilen Jodkalium 
und 200 Theilen Wasser. 



Die photographischen Operationen bei der Herstellung von Momentaufnahmen. 41 

Das Bild verstärkt sich mit bräunlicher Farbe. Taucht man die 
Platten nur ganz kurze Zeit ein, so verstärken sich insbesondere die zarten 
Schatten; nach längerer Einwirkung kräftigt sich die Platte durch und 
• durch. ^) 

Hat die Platte die genügende Kraft erlangt, so spült man sie mit 
Wasser ab, legt sie durch 10 bis 15 Minuten in eine Schale mit reinem 
Wasser und badet sie dann in einer schwachen Lösung von Ammoniak 
(1 Theil Ammoniakflüssigkeit und 6 bis 10 Theilen Wasser). Durch diese 
Behandlung wird die Farbe des Bildes dunkelbraun und gewinnt an 
Beständigkeit. 

Obschon andere Vers tärkungs -Methoden grössere Beständigkeit der 
Negative geben, so empfieht der Verfasser für Momentbilder, welche 
sehr dünne sind, dennoch vor allem diese Verstärkung. 

Genügt eine massige Verstärkung (z. B. bei Kinderporträten etc.) , so 
räth der Verfasser folgende Methode an, welche sehr beständige 
Matrizen liefert. 

Die Platte wird zuerst in Wasser, dann in eine Lösung von 1 bis 2 
Theilen Quecksilberchlorid, 2 Theilen Bromkalium in 100 Theilen Wasser 
gelegt, bis die gewünschte Kraft errreicht ist; man wäscht dann oberfläch- 
lich ab und übergiesst mit einer Lösung von 10 Theilen neutralem schweflig- 
saurem Natron in 100 Theilen Wasser, wodurch die Farbe grauschwarz 
wird. Diese Methode ist sehr zu empfehlen, weil die so verstärkten 
Platten beständig im Lichte sind und gut copiren. 

IV. Das Lackiren. 

Die fertigen und an der Luft getrockneten Negative werden schwach 
erwärmt und mit „Negativlack" lackirt. 



^) Eine vor dem Verstärken getrocknete Platte soll vor dem Verstärken mit Wasser 
gleichmässig abgespült werden. 



Vlll. CAPITEL. 



Momentaufnahmen im Atelier des Photographen und ihre 

Verwendung zu Act-Stndien. 

Bilder von Kindern und lachenden Personen. 



I. Forträtphotographien und Act-Studien. 

Die gewöhnliche Porträtphotographie zieht vielen Nutzen aus der 
Abkürzung der Belichtungszeit. Wird die Belichtungszeit bei wenig 
empfindlichen Präparaten eine lange, so erscheint schon nach 20 bis 30 
Secunden der Ausdruck der unbeweglich sitzenden Personen gezwungen, 
der Blick starr, die Miene steif oder verzerrt. Es ist vorgekommen, dass 
bei langen Sitzungen Leute ohnmächtig geworden sind. Sehr häufig tritt 
eine Erschlaffung ein, das Kinn fällt herunter, der Mund öffnet sich; der 
hiergegen geführte Kampf erzeugt dann eine sehr unangenehme Unruhe 
im Gesichte. Es ist dies eine Folge des Anstarrens eines festen Punktes, 
wodurch stets mehr oder minder starke hypnotische Zustände herbeige- 
führt werden. Nervösen Personen werden dabei die Augen sehr leicht 
feucht, sie fangen an zu blinzeln, der Augapfel tritt vor und der Blick 
wird immer starrer. 

Dagegen kann sich w^ohl jede Person durch 4 bis 6 Secunden, d. i. 
die Zeit, welche gegenwärtig eine Porträtaufnahme meistens währt, ohne 
Anstrengung ruhig verhalten. Durch die Kürze der Expositionen erhalten 
die Porträte bedeutend mehr Leben und der Ausdruck ist ungezwungen. 

Im Porträtatelier des Photographen werden in der Eegel auch heute 
noch keine wirklichen „Momentbilder" gemacht. Da man das Licht durch 
Gardinen und Vorhänge dämpfen muss, um künstlerische Beleuchtungs- 
effecte zu erzielen, wird zu viel Licht geraubt. Kann man durchaus nicht 
die Belichtung auf mehrere Secunden ausdehnen, z. B. wenn kleine Kinder 
zu photographiren sind, so lässt man reichlich Licht in das verglaste 
Atelier treten und exponirt mit den lichtstärksten Objectiven V2T V4 ^^d 
Vs Secunde. Man öffnet und schliesst den Deckel der Linse, so rasch 
man kann, oder benutzt einen „Klappenverschluss" vor dem Objective, 
wie dies auf S. 15 beschrieben wurde. 



Momentaufnahmen im Atelier des Photographen und ihre Verwendung etc. 43 

So werden die Bilder von Tänzerinnen, Gymnastikern, Fechtern etc. 
gemacht. Sie sind keine Augenblicksbilder im eigentlichen Sinne des 
Wortes, weil die Person während der Aufnahme ruhig stand, wenn auch 
nur kurze Zeit. 

Ein ausgezeichnetes Beispiel dieses Genres zeigt Tafel I unseres 
Werkes, welche nach einer Aufnahme von Herrn Eicci in Mailand mittels 
Lichtdruck vervielfältigt ist. 

Wir haben eine gefeierte italienische Seiltänzerin vor uns, welche am 
Seile liegend mit graciöser Leichtigkeit die Balance erhält, während ein 
munteres Lächeln über ihre Züge gleitet. Von demselben trefflichen Pho- 
tographen liegt mir das Bild von Kindern vor, welche eben einen Ball in 
die Höhe werfen und ihn aufzufangen suchen^); ferner die Photographie 
eines Fechters, welcher eben mit dem Eapier ausfällt. 

Sehr schöne Momentphotographien von Kindern und Charakterköpfen 
verdanken wir auch Herrn ühlenhuth in Coburg, dessen Leistungen auf 
einem anderen Gebiete (nämlich Thierstudien) wir noch weiter unten 
würdigen werden. 

„Meine Kinderbilder und Charaktertypen, schreibt ühlenhuth, ent- 
stehen so nebenbei; kommt einmal ein hübsches Kind in mein Atelier, das 
sich für dergleichen Aufnahmen eignet, so bitte ich die Eltern um Er- 
laubniss für eine oder die andere Aufnahme in dieser Manier und dann 
geht es frisch an's Werk. Auch direct von der Strasse greife ich nach 
Art des Modelljägers meine Studienmodelle auf, doch stösst man dabei 
besonders bei den alten Bauernweibern häufig auf Widerstand; dieselben 
fürchten sich vor dem Abnehmenlassen. Da muss ich denn zur List meine 
Zuflucht nehmen, gebe ihnen Commissionen und locke sie so in meinen 
Bau; dann konmit gewöhnlich noch eine kurze Unterhandlung und sie er- 
geben sich in ihr Schicksal." 

Alle Studienaufnahmen werden bei ühlenhuth ohne Kopf- und 
Eückenhalter bei offener Blende gemacht und es wird höchstens 1 Secunde 
exponirt. 

Es bedarf wohl keiner weiteren Beispiele, um klar zu machen, dass 
sich die Momentphotographie in hervorragender Weise zu Herstellung von 
„ Act-Studien" für Maler eignet. Die Photographie ist für Maler besonders 
wichtig, um eine gezwungene Stellung festzuhalten, in welcher das Modell 
nicht lange verharren kann, oder um ein Bild einer Person während 
einer wirklichen Arbeitsleistung zu erhalten, was einen unendlich grösseren 
Werth hat, als eine Skizze nach einer fingirten Handlung. 

„Alle unnatürliche Attitüde ist falsch und kleinlich, jede wirkliche 
Handlung ist schön und wahr." 



^) NB. der in der Luft fliegende Ball ist retouchirt. 



44 VIII. Capitel. 

Mit diesen Worten zog schon Diderot, der Herausgeber der berühmten 
französischen- Eneyclopädie , vor 100 Jahren in seiner Schrift „Essais sur 
peinture"* gegen den Missbrauch mit gezwungenen, gesuchten Modell- 
stellungen an den Pariser Kunstschulen zu Felde und empfahl das Studium 
der Natur. Diese Auslassungen des einflussreichen, naturalistischen Kritikers 
fanden bei Goethe und Schiller anerkenntmde Aufmerksamkeit. Und passt 
diese Polemik nicht jederzeit für Jene, welche nicht beachten, dass nur 
eine gründliche Kenntniss der Natur eine gegründete Thätigkeit der Kunst 
zu befördern vermag? 

Gegen die verfehlte Methode, wie von manchen Malern das Studium 
des menschlichen Körpers an Modellen wohl auch noch heute hie und da 
betrieben wird, lässt sich Mancherlei einwenden. 

„Viele dieser academischen Stellungen sind gezwungen, zugerichtet 
und zurechtgerückt; alle die Handlungen, die kalt und schief durch irgend 
ein Modell ausgedrückt werden und immer durch eben denselben armen 
Teufel, der gedungen ist, dreimal die Woche zu kommen und sich durch 
den Professor wie eine Gliederpuppe behandeln zu lassen — was haben 
sie, ruft Diderot aus, mit den Stellungen und Bewegungen der Natur 
gemein?" 

„Der Mann, der in Eurem Hofe Wasser aus dem Brunnen zieht, wird 
er durch Jenen richtig vorgestellt, der nicht dieselbe Last zu bewegen hat 
und mit zwei Armen in der Höhe auf dem Schulgerüste diese Handlung 
ungeschickt simulirt?" 

Die Künstler und Photogfaphen sind auf dem rechten Wege, diesem 
Mangel 'abzuhelfen und an manchen Orten werden „photographische Act- 
Studien" hergestellt, welche zum Studium des menschlichen Körpers und 
der Beleuchtung für den Maler grosse Dienste leisten.^) 

n. Kinderbilder. 

In die Gruppe der uneigentlichen Momentbilder gehören die meisten 
Kinderbilder; mit diesen ist aber die Sache keineswegs so einfach, wie 
beim Phqtographiren Erwachsener. 

Es gab eine Zeit in der Photographie, wo man Kinder mit Schrecken 
im Atelier erscheinen sah und wo manche Photographen im Wartezimmer 
die Tafel aufhängten „Baby's werden nicht photographirt". Dies war in 
den Tagen, wo die Leute sich zum Photographen drängten und man keine 
Zeit und Mühe für eine einzelne Person opfern wollte. 

^) Wir verweisen z.B. auf eine „Actstudie" von Taeschler-Signer in Basel in 
D. Stolze's „Stellung und Beleuchtung in der Photographie" 2. Heft. 1885 (Verlag von 
W. Knapp in Halle a. S.), ferner auf die grosse Collection von Dr. Heid in Wien 
(Landstrasse) u. A. 



Momentaufnahmen im Atelier des Photographen und ihre Verwendung etc. 45 

Gar mancher Photograph wird jedoch bei solchen Aufgaben, welche 
Schwierigkeiten bieten, um so passionirter arbeiten; gerade so, wie der 
Arzt „schwierige Fälle" am liebsten behandelt und dem Chemiker eine 
verwickelte Analyse gerade recht interressirt. 

In dem Falle, als das Kind dem Photographen zugethan ist und willig 
alles befolgt, was er ihm sagt und wenn ihm sein ganzes Thun Ver- 
gnügen macht, so ist ein gutes Bild unschwer zu erhalten. Kinderfreunde 
werden immer ein leichtes Spiel haben, denn die kleinen Wesen merken es 
gar bald, wer sie liebt und es findet schnell eine Verständigung zwischen 
ihnen und dem Photographen statt. 

Die Frage: „Wie soll man es mit 'dem Kinde während des Photo- 
graphirens halten?" lässt sich wohl nicht allgemein beantworten. Trotz- 
dem gibt Eobin'son in einem längeren Artikel in der Photographic News 
(1884, S. 778) hierüber gute Anhaltspunkte. 

Vor Allem hilft keine Heftigkeit, sondern Geduld. Nach einigen 
Worten findet man mitunter , dass das . Kind von einem stümperhaften 
Photographen für unseren Zweck schon verdorben und derartig in Furcht 
gesetzt worden war, dass es nur mit Angst die Apparate betrachtet. 
Wenn die Mutter oder Tanten überdies das Kind ermahnen, nur recht bald 
ruhig zu sein, oder ihm gar drohen, so bewirkt dies in der Regel nur 
das Gegentheil. 

Der Hauptreiz selbst des hübschesten Kindes hegt in seinem Aus- 
druck. Diesen zu erwecken, ist die Kunst des Photographen und er kann 
sich dazu verschiedener Mittel bedienen. Eine einfache Pose, z. B. Setzen 
auf einen Tisch oder Sessel, in ein Kinderwägelchen ist wohl das Beste. 
Man bereite Spielzeuge, besonders solche, welche man nur hört und nicht 
sieht, z. B. Spieldosen, vor. Um gut Freund mit dem Kinde zu werden, 
ist es vorzüglich, diesem zu zeigen, dass man allein die Disposition über 
die vorhandenen Spielsachen hat und gestatte weder der Wärterin noch 
der Mutter, sie selbst dem Kinde vorzuführen, sondern reservire sich allein 
dieses Eecht. Beschäftigt sich eine zweite Person mit dem Kinde, so 
wird es zerstreut; dies soll nicht zugegeben werden und die betreflfende 
Person unnachsichtlich aus dem Atelier entfernt werden. 

Mit furchtlosen Kindern hat man leichtes Spiel, wenn man schnell 
arbeitet. Bei ihnen ist stets das erste Bild das beste, so lange eben noch 
der Eindruck der Neuheit währt. Dann werden sie ungeduldig, halten 
nicht mehr aus, verlassen ihren Platz und sind meistens an demselben 
Tage nicht mehr zu brauchen. 

Sehr schwierig ist die Behandlung der nervösen Kinder. Sie haben 
den besten Willen, aber in Folge einer angeborenen Aengstlichkeit oder 
von rauher Behandlung beben sie vor allem Ungewöhnlichen zurück. Der 
Photograph muss sich mit solchen Kindern gut bekannt machen, was am 



46 VTÜ. Capitel. 

besten schon im Wartezimmer geschieht. Alles muss sanft und ruhig 
vorgenommen werden. Gelingt es auf solche Weise, eine erste Aufnahme 
zu machen, so hat man meist gewonnen, indem das Kind bei jeder 
folgenden sich weniger ängstlich fühlt. 

Am schwierigsten ist die Behandlung scheuer, blöder Kinder. Sie 
haben keineswegs specielle Angst vor dem Photographen, sondern wollen 
sich eben nur in den Böcken der Mutter verbergen. Es gelingt zumeist 
die Aufnahme, wenn man sie ohne Weiteres ins Atelier bringt und in 
einem Stuhl, ohne viele Umstände zu machen, placirt. Sie nehmen dies dann 
oft als eine Nothwendigkeit hin und man kann rasch ein Bild anfertigen. 

Durch seine Kinderbilder berühmt ist Boissonas in Genf. Seine 
Momentbilder an lachenden, weinenden und spielenden Kindern sind in 
weiten Kreisen bekannt. 

Wir verdanken einige Kinderbilder der Freundlichkeit des Herrn 
Boissonas, welcher uns die Originalnegative für das vorliegende Werk 
zur Verfügung stellte. 

In Tafel II ist dasselbe Baby lachend und weinend photographirt. 
Ferner ein Kind, welches in einem Buche blättert, ein anderes, wie es 
spielend und vergnügt lachend des Vaters Hut aufsetzt. Die beiden letzt- 
genannten Bildchen sind aus grösseren Bilder-Collectionen von Boissonas 
entnommen; derselbe hat verschiedene kleine Begebenheiten aus der Kindcr- 
welt in einen Oyclus von 10 bis 12 Bildern zusammengestellt, welche als 
Musterleistungen photographischen Schaffens erklärt werden mtissen und 
allen Kinderfreunden wärmstens zu empfehlen sind.^) 



III. Die Photographie lachender Personen. 

Unter den lachenden Personen sind lachende Kinder noch am leichtesten 
zu photographiren. Der Eindruck der Photographie ist meistens ein 
angenehmer und hübscher. Kinder haben wenig ausgeprägte Züge und 
selten treten unschöne Verziehungen des Gesichtes hervor. 

Erwachsene Personen sollen sich nicht lachend photographiren lassen: 
auch das Lächeln erscheint häufig unangenehm und unschön, sobald es 
auf dem Bilde bleibend festgehalten ist. Unter hundert Photographien 
lachender Personen werden gewiss neunzig so ungünstig ausfallen, dass 
die Betreffenden kaum ein zweites Bild nachbestellten dürften. Bei manchem 
freundlichen Mädchengesicht, welches lachend im Leben gewinnend hübsch 
ist, treten bei genauerer Betrachtung die von der Nase gegen den Mund 



^) Z.B.: Es kommen zwei kleine Mädchen zusammen, um Kaffee zu trinken. Die 
eine spielt die Hausfrau, die andere den Gast; diese Soenen werden vorsrefrihrt , bis das 
Zerbrechen einer Sehale dem Spiele ein Ende macht. 



Momentanfnahmen im Atelier des Photographen nnd ihre Verwendung etc. 47 

laufenden Muskelpartien beim Lachen stark hervor und machen in der 
unretouchirten Photographie das (lesicht alt und hart. 




Fig. 34. Porträt eines lachenden Mädchens. 

Dem geschickten Fachmann gelingt es dennoch in manchen Fällen 
ganz gut, ein lachendes Gesicht einer erwachsenen Person hübsch zu 
photographiren. Hierzu gehört ein sehr gutes Modell und ein rascher, 
gut geschulter Blick des Photographen. Beides ist in dem vorstehenden Bilde 
(Fig. 34) vereinigt, welches von dem bekannten Photographen Falk in 



48 VIII. Capitel. Momentaufnahmen im Atelier des Photographen etc. 

New- York stammt. Unser Bild ist nach der Original-Photographie in Helio- 
typie mit gütiger Erlaiibniss Herrn Falk 's reproducirt. Es mag an dem Bilde 
vielleicht Manches auffallen, z. B. das starke Sichtbarwerden der Zähne — 
aber ohne Zweifel ist der Getammt^indruck ein hübscher und der freund- 
liche Ausdruck des lachenden Gesichtes und der schelmische Blick sind 
glücklich erhascht worden. 

Schliesslich mögen hier noch einige Worte über den Einfluss der 
Mundmuskeln auf das Mienenspiel hinzugefügt werden. 

Es gibt nii^hts in dem Gesichte, was für den Ausdruck so mass- 
gebend wäre, als der Mund und dies kommt wohl daher, dass mit dem- 
selben mehr Muskeln in Zusammenhang stehen, als mit irgend einem 
anderen Theile des Gesichtes. Ein kleines Herauf- oder Herunterziehen 
der Mundwinkel gibt dem Gesichte einen Ausdruck guter oder schlechter 
Laune. Der verstorbene englische Professor Partridge konnte dies bei 
seinen anatomischen Vorlesungen in der Royal Academy gar nicht genug 
betonen. Er hatte ein zusammengesetztes Bild, um zu beweisen, dass die 
Augen, von deren Einfluss auf den Ausdruck man so viel spricht, einen 
selbständigen Ausdruck überhaupt nicht haben. Er zeigte, dass der so- 
genannte fromme Blick gar nicht existirt, wenn nicht der Mund das 
Seinige dazu thut; denn w^enn der Mund lacht, so scheinen auch die 
Augen zu lachen. 



IX. CAPITEL. 

Die Moinentphotographie zur Aiifnalime Yon Landschaften 

und Wolken. 



Landschaftsaiifnahmen wirklich momentan zu machen, ist imter Um- 
ständen schwer. Befinden sich weisse Häuser, helle Felsen, freies Ge- 
wässer im Vordergrund und wenig Laubwerk im Hintergrund, so kann 
man, ähnlich wie bei Strassenbildern , V20 '^is V50 Secunde l)elicljten und 
helle Gegenstände des Vordergrundes, wie Viehheerden etc., momentan 
photographiren. 

Man wird aber eine blosse Landschaft niemals momentan, sondern 
mit einer oder mehreren Secunden Belichtungszeit photographiren. Hier- 
für sprechen mehrere Gründe: Zunächst ist zu beachten, dass die dunklen 
Laubmassen der Bäume und Gesträuche arm an photographisch wirksamen 
Licht sind und dass bei einer momentanen Belichtung in denselben nie- 
mals Details im Bilde herauskommen. Dadurch erscheint das Laubwerk 
schwarz und schwer. Ferner geben die lichtstarken Objective, wT.lche 
man zur Momentphotographie benutzt, keine genügende Tiefe der Schärfe, 
der Hintergrund wird dadurch verschwonamen und die Landschaft erscheint 
nicht scharf durchgezeichnet. Dieser Fehler lässt sich nur durch Ein- 
schiebung der kleinsten Blenden beheben und dann werden die Linsen zu 
lichtarm für momentane Expositionen. 

Mit sehr kurz belichteten (Vioo Secunde) sonnenbeleuchteten Land- 
schaften lässt sich aber trotzdem ein hübscher Eflfect erzielen. Die in 
Folge der zu kurzen Belichtung fast schwarze und mit w^enigen hellen 
Lichtern erhellte Landschaft macht den Eindruck eines Mondschein- 
bildes; solche liegen z. B. von Schwartz in Berlin, Burger in 
Wien u. A. vor. 

In der Tafel XI ist die Momentphotographie eines Sonnenuntergangs 
von Herrn Hofphotographen Albert Schwartz in Berlin dargestellt 
(Lichtdruck nach dem Originalnegativ). 

Durch die kurze Belichtungszeit sind wohl die helleren Lichtparti(ni 
am Hinmiel und der spiegelnde Eeflex am Wass(»T des Flussc^s schön 

Ednr Momentphotographie. 2. Anfl. 4 



50 IX. Capitel. 

durchgezeiclinet und die geg(Mi Westen gelagerten Haiifenwolken heben 
sich scharf vom Himmel ab. Der Natur der Sache gemäss erscheint der 
Baumschlag im Vordergrund schwarz und in dichten Schatten gehüllt. 
Der Effect der ganzen Landschaft nähert sich einem Mondscheinbilde, und 
der ganze Effect zielt sogar auf ein solches ab. Unsere Illustration zeigt, 
wie Herr Schwartz diese Wirkung mit bestem Erfolge zu erzielen weiss. 
Von demselben Künstler rühren noch zahlreiche andere VTolkenstudien 
her, welche namentlich bei Malern die grösste Anerkennung fanden. 



„Obwohl in den letzten Jahren grosse Fortschritte in der Landschafts- 
photographie gemacht wurden, so sind doch einige der herrlichsten Effecte 
in der Natur von den Photographen gänzlich vernachlässigt worden. Hierzu 
gehört vor Allem die bildliche Wiedergabe der Atmosphäre." So schreibt 
ßobinson und legt den l^hotographen ans Herz, die W'ichtigkeit der „Luft" 
als Mittel in der Landschaft besondere Effecte zu erzielen, wohl zu würdigen. 

Der Himmel verbreitet eine allgemeine Stimmung über alle Gegen- 
stände einer Landschaft. Durch die Perspective werden die Schatten ge- 
stärkt und geschwächt und der Ton des Lichtes verändert sich mit der 
Bewölkung. Welche herrlichen Effecte von Licht und Schatten, von Dunkel 
und Halbdunkel entstehen nicTit, wenn zwischen Gewitterwolken ein Sonnen- 
strahl durchbricht und auf kleinen kräuselnden Meereswellen spielt! Dass 
nicht nur der Maler sondern auch der Photograph wahrhaft künstlerische 
Erfolge durch solche Studienbilder erzielen kann, beweist die Beleuchtungs- 
und Wolkenstudie an der Nordsee von Kindermann in Hamburg (Tafel X). 

Die Luft ist der natürliche Hintergrund der Landschaft, sie soll für 
den Landschafter denselben Zweck erfüllen, wie der Hintergrund des 
Porträtphotographen, und darf nicht, wie dies so oft geschieht, als eine 
leere Fläche Papier behandelt werden, sondern sie muss dazu dienen, die 
Hauptgegenstände hervorzuheben und plastisch zu machen, indem man die 
Eichtung der W^olkenlinien den Landschafts linien entgegensetzt, Licht und 
Schatten einander entgegenhält, um entweder Eelief und Breite zu ge- 
winnen oder im Allgemeinen die Hervorbringung von malerischem Effect 
zu unterstützen, wenn nicht, z.B. bei einem schönen Sonnenuntergänge 
— der Himmel den Hauptgegenstand bildet, in welchem Falle dann die 
Landschaft untergeordnet werden muss. ^) 

Der künstlerische Photograph hat ein Auskunftsmittel an der Luft. 
und wenn er den malerischen Effect derselben auszunützen versteht, kann 
er die Werthlosigkeit eines Motivs, das an sich nicht des Photographirens 
werth wäre, dadurch beheben, dass er es durch eine gefallige Wolken- 
bildung interessant macht. 



^) Robinson, Pietorial Effect in Photography (deutseh bei W. Knapp in Halle a.S.). 



Die Momentphotograph ie zur Aufnahme von Landschaften und Wolken. 51 

Dies gilt insbesondere für einen niedrigen geraden Horizont, bei 
welchem ein glatter wolkenloser Himmel das Bild sehr schädigen würde, 
wie Skizze Fig. 35 und Fig. 36 zeigt. 

In letzterer Figur (nach Robinson) wurde eine eigenthümliche 
Uebereinstimmung der Theile des Bildes durch die grossen Massen von 
Licht hergestellt, welche sich am Himmel aufthürmen und in der Land- 
schaft wiederholt werden. 

Vortreflfliche Bilder dieser Art wurden besonders auf Trockenplatten 
hergestellt und wir wurden durch die Freundlichkeit der unten genannten 
Herren in die Lage versetzt, sie dem vorliegenden Werke in Lichtdruck 
beizugeben; wir verweisen auf Tafel X und XI dieses Bandes (Be- 
leuchtungs- und Wolkenstudie am Moore von Kindermann; Sonnenunter- 




Fi^. 35. Landschaftsphotographie mit Wolkenhintergrund. 



gang von A. Seh war tz), worin die Wolkenbilder eigentlich Selbstzweck 
und Hauptmotiv sind; ferner auf Dreesen's Genrebild aus dem Landleben 
in Schleswig, wo der leere Baum des Himmels durch künstlerisch wirkc^ndo 
Wolkenmasson ausgefüllt ist (s. die Lichtdruck -CoUection im IL Band); 
auf Täschler-Signer's Aufnahme von fischenden Knaben, welche an 
einem Schweizer See fischen und wo sich im Hintergrund zwischen den 
Bergen zusammengeballte Wolken oder Nebelmassen erheben, welche man 
so oft im Hochgebirge, namentlich des Morgens, beobachten kann (s. Licht- 
druck-OoUection im IL Band). 

Die Wolken sollten in der photographischen Landschaft eine viel 
wichtigere Stelle einnehmen als ihnen bis jetzt eingeräumt wurde. „Ich 
sage nicht", schreibt ein kunstvorständigc^r Liebhaber der Photographie, 

4* 



52 



IX. Capitel. 



„dass eine Photographie ohne Himmel oder mit einer weissen Fläche für 
den Himmel durchaus unnatürlich ist, aber für mich ist eine solche Photo- 
graphie matt, abgeschmackt und unpoetisch. Ich kann nicht begreifen, 
wie ein Photograph mit dem Bewusstsein der reichen Hilfsmittel, die er 
an den Wolken besitzt, diese in seinen Landschaften vernachlässigen kann. 
Sie haben eine so verschiedenartige Schönheit in sich; sie geben dem 
Künstler eine solche Macht in der Herstellung des Gleichgewichtes und 
der Harmonisirung seiner Oomposition; wenn richtig angewendet, unter- 
stützen so sehr alles Andere, dass ich ihre so häufige Vernachlässigung 
nicht verstehen kann". 

Es fragt sich nun, wie man am besten die Wolken in eine Land- 
schaftsphotographie einfügt. Die directe Aufnahme des schön bewölkten 
Himmels zugleich mit der Landschaft ist selten möglich; denn die zum 
IjiunlsebafebiMr ikiss^mk^j^h Wolk^Mi ^ind nicht immer im gegebenen Augen- 
blicke am Himmel und dann 
kommen auch noch technische 
Schwierigkeiten in Betracht. 
Der Himmel und die Wolken 
sind im Verhältniss zur Land- 
schaft sehr hell erleuchtet und 
erfordern deshalb eine kürzere 
Belichtung (ungefähr Vs) ^'^ 
jene, wenn man sie mit 
allen Details photographiren 
will. 

Es ist deshalb am besten, 
Wolkenplatten separat aufzu- 
irgend einer Landschaft ein- 




Fig. 36. Landschaft mit Wolkenhintergrund. 



nehmen und dann in das positive Bild 
zucopiren. 

Am nützlichsten für den Photographen sind die Haufenwolken (Cumuli), 
welche mit ihren scharf begrenzten Umrissen sich deutlich vom Himmel 
abheben und ferner die Lämmerwolken. Gerade diese Wolkenform ändert 
am häufigsten ihre Gestalt und gewährt einen pittoresken Anblick. Be- 
sonders dann ist der Anblick schön, wenn die Sonne hinter den Wolken 
steht oder doch vor der Camera, aber so, dass sie nicht mehr in das 
Objectiv direct hineinscheint. 

Die Wolkenaufnahmen gegen die Sonne sind aber bei den meisten 
Landschaften, welche doch keine Gegenbeleuchtung haben, nicht an- 
WM^.ndbar. 

Dr. Stolze warnt mit Eecht, es sollen beim Eincopiren von Wolken 
in eine Landschaft keine groben Verstössen gegen die Lichtvertheilung 
))egangen wcM'den. So wäre es z. B. fehlerhaft, wenn zu c^iner Landschaft, 



Die Momentphotographie zur Aufnahme von Landschaften und Wolken. 53 

welche von rechts beleuchtet ist, ein Wolkenhimmel eincopirt wird, in 
dem die Sonne links oder hinter einer Wolken steht. 

Bei Haufenwolken ist ein solcher Fehler am auffallendsten. Oft sind 
freilich die Wolken so unbestimmte Gebilde, dass sie bei jeder Beleuchtung 
zu jeder Art von Landschaften passen. 

Am geeignetsten für die Aufnahme von Wolkenplatten ist die See- 
ktiste mit ihrem freien Horizont, besonders an Tagen, wo vor einem 
kommenden Sturme oder eintretendem Eegenwetter bei noch unverhüllter 
Sonne sich die wunderbarsten Wolkenformationen bilden und oft in wenigen 
Stunden eine Eeihe der schönsten Wolkenplatten liefern. 

Bezüglich des technischen Vorgehens bei der Herstellung und beim 
Eincopiren von Wolkenplatten ist wenig zu bemerken. 

Als Objectiv kann irgend ein Aplanat, oder eine Landschaftslinse ver- 
wendet werden. Man blende es mit der kleinsten Blende ab und exponire 
vielleicht Vs bis V2 Secunde. Als Entwickler dient der Oxalat-Entwickler 
mit Zusatz von Bromkalium ^) oder der Soda-Entwickler von normaler Con- 
centration und Zusatz von einigen Tropfen Bromkaliumlösung. 

Die Wolkenplatten sollen sehr kurz 'belichtet und sehr dünn ent- 
wickelt sein, damit man durch sie das copirte Bild erkennen und zugleich 
auch den Himmel schnell eincopiren kann. 

Das Eincopiren des Wolkennegativs in eine Landschaft ist sehr ein- 
fach, sobald der Himmel am Landschaftsnegativ genügend kräftig war und 
deshalb die ganze Fläche des Himmels an dem positven Abdruck weiss 
blieb. Man legt dann an der Eückseite des Wolkennegatives eine Maske 
von schwarzem Papier auf, welche genau nach den Conturen der Land- 
schaft geschnitten ist, lässt jedoch die Maske nicht an die Conturen des 
Bildes reichen, sondern 1 bis 2 mm darunter. Sollte ein einzelner Baum 
in die Luft vorragen, so lege man eine ziemlich undurchsichtige Stelle der 
Wolkenplatte darüber. Bei einiger Vorsicht wird dann das Landschafts- 
bild selbst beim Eincopiren der Wolken nicht den geringsten Schaden 
leiden. 



^) Z. B. : Auf 100 com Entwickler 5 bis 20 Tropfen Bromkaliumlösung 1 ; 10. 



X. CAPITEL. 

Landschaften mit lebenden Fignren. 



Landschaftsbilder machen einen sehr künstlerischen Eifect durch die 
Einführung von lebenden Figuren in den Vorder- und Mittelgrund. 

Es ist überraschend, den Fortschritt in der Landschaftsphotographie 
zu verfolgen, seitdem die üelatineplatten die Abkürzung der Belichtungs- 




Fig. 37. Landschaftsphotographie. 

zeit ermöglichten. In den neueren landschaftlichen Genrebildern der her- 
vorragenden Photographen findet sich mehr Bewegung und Natürlichkeit 
in den Figuren. 

Oft wird aus der unbedeutendsten Landschaft und mit anscheinend 
geringfügigen Mitteln ein Erfolg erzielt. Wie man solche Erfolge erreicht, 
bleibt freilich der Erfindungsgabe und dem richtigen Blicke des Photo- 
graphen überlassen. 

Wenn sich auch keine bestimmten Eegeln für die Anbringung von 
Figuren in Landschaften geben lassen, so sind doch die leitenden Gesichts- 
punkte zu beachten, welche ein Meister im photographischen Genrebild, 
der berühmte englische Photograph Eobinson, gibt: 

„Die Figuren müssen sowohl wegen des Gegenstandes da sein, als sie 
zum Gegenstande passend sein sollen, so dass die Uebereinstimmung gewahrt 



Landschaften mit lebenden Figuren. 



55 



wird; sie werden zu dem Zwecke angebracht, um einer Scene Leben zu 
geben oder um gewisse Partien zurückzudrängen, indem sie entweder lichter 
oder dunkler als diese Partien sind. Strenge zu vermeiden ist aber das 
unentschuldbare Anbringen von Figuren in Scenen, in welchen sie nichts 
zu thun haben und wo sie nur eine unangenehme Wirkung machen. Den 




Fig. 38. Landachaftsphotographie. 



besten Unterricht über diesen Gegenstand wird man sich verschaffen, wenn 
man Photographien betrachtet, worin Figuren mit Erfolg und mit Geschick 
angebracht sind." 

Da auch der Verfasser des vorliegenden Buches auf dieses Genre der 
Momentphotographie grossen Werth legt, so ist hier eine Anzahl von 
Muster Photographien dieser Art beigegeben und zwar ausser den Skizzen in 
Holzschnitt und Photozinkotypie noch zahlreiche Photographien in Licht- 
druck^), w^elche dem Amateur und Fachphotographen von Nutzen sein werden. 

Triflft man das Arrangement bei der photographischen Aufnahme selbst, 
so kann man die Figuren auf eine kleine Bewegung beschränken und mit 
massig abgeblendeten Landschaftslinsen oder einem Antiplanet oder Euryskop 
u. dergl. V2 <^^ör V4 Secunden exponiren. sobald helles Licht herrscht. 



^) Davon ist der grössere Theil im IT. Bande der „Monientphotographie" (im Licht- 
druck) enthalten. 



56 X. Capitel. 

Pig:. 37 zeigt ein Landschaftsbild mit Figuren vonKobinson, welches 
eine rohe Skizze nach der ausgezeichneten Original-Photographie (28X^8 cm) 
ist. Fig. 38 zeigt die photographische Wiedergabe einer anderen Land- 
schaft mit lebenden Personen desselben Künstlers im verkleinerten Mass- 
stabe, welche eine Erndtescene vorstellt (nach einem „Ink-Photo" von 
Sprague in London in Photozinkotypie von Angerer und Göschl in Wien 
reproducirt). Vor mir liegt eine ganze Serie von Blättern dieses unüber- 
troffenen Meisters von echt künstlerischem Verständniss. Unansehnliche 
Landschaften mit ärmlichen Gesträuchen, leere Strandpartien ins Weite 
mit zartem Nebel verlaufend, erhalten durch bewegte, kräftig gezeichnete 
Figuren im Vordergründe einen unendlichen Beiz. 




Fig. 39. Photographisches Genrebild. 

Dies soll noch an einigen Skizzen nach guten Photographien gezeigt 
werden. Z. B. zeigt Fig. 39 ein anderes hübsches Genrebild nach einer 
Photographie Eobinson's. 

Ein älterer Herr richtet an ein an der Umzäunung eines Feldes 
lehnendes junges Mädchen scherzend eine Herzensfrage. Das Motiv ist 
dem Landleben entnommen. So reizend und leicht dieses Genre erscheint, 
so ist es doch schwieriger, als man glauben mag. Wir empfehlen aber 
allen Amateuren der Photographie es zu versuchen, und diese werden 
wohl häufig im Kreise ihrer Bekannten die zum Gelingen nöthigen 
Elemente finden. 

Eobinson wählt seine Modelle zumeist aus Damen der guten Ge- 
sellschaft, die ein Vergnügen darin finden, in einer schönen Landschaft 



Landschaften mit lebenden Figuren. 



57 



die angemessene Staffage zu bilden. Die Costnrae sind keine Masken- 
costume, sondern Eobinson kauft sie den Leuten vom Leibe ab, wo er 
sie damit sieht. 

Die Gegenstände und Mo- 
tive für Genrebilder bieten sich 
häufig ganz unerwartet dar. 

Eobinson erzählt, dass er 
einmal einen Obstgarten durch- 
schritt, um eine schon früher 
ausgewählte Ansicht zu photo- 
graphiren und er musste hier- 
zu eine Thüre in der Bretter- 
Umzäunung passiren. Eines 
seiner Modelle, welches einen 
Stock in der Hand hielt, lief 
voraus, um die Pforte zu öffnen. 
Als dies geschehen war, drehte 
es sich um, indem es den Pho- 
tographen erwartete, und trällerte 
ein altes Liedchen: 

Open the gate and let her through 
For se is Patty Watty's cow. 

„Welch' eine liebenswürdige 
Stellung mein Modell hatte, *''»• ^®- Photograpiäscues uenrebiid. 

während es so sprach!" schreibt Robinson-. Natürlich wurde alles Andere 
bei Seite gelassen und sofort das Bild gemacht. Ich gebe eine kleine Skizze 
(Fig. 4:0), welche eine Vorstellung der Originalphotographie gibt. 

Einige Zeit nachher 
sah Eobinson dasselbe 
Modell am Ufer eines 
Baches, indem es seinen 
Gefährten zurief: „Soll ich 
hinüberspringen". Dies 
wäre wieder ein guter Vor- 
wurf zu einem Bilde ge- 
wesen, aber derHintergrund 
warhässlich und convenirte 
nicht. Eobinson suchte 
eine andere Umgebung und 
fand sie (Fig. 41). In 
diesem Falle war aller- 
dings die ursprüngliche 





Fig. 41. Photographisches Genrebild. 



58 



X. Capitel. 




Fig. 42. Kinder am Muuro. 



Pose und der Hintergrimd verändert und die erste Idee weiter umge- 
staltet worden. 

Ein einfaches Motiv behandelt Robert Slingsbury in seiner Photo- 
graphie „Wird es schwimmen?" Das liebenswürdige Bildchen, dessen 

Skizze wir in Fig. 42 nach 

der Photographie reprodu- 

ciren , ist ungezwungen 

^ __^--' ,.-, ^, dem Leben entnommen: 

Kinder vertrauen einPapier- 
schiffchen dem Meere an, 
und sind neugierig ob und 
wie lange es schwimmen 
wird. 

Ein anderes photogra- 
phisches Genrebild „Eine 
Frauen schule" war in der 

Londoner photogra- 
phischen Ausstellung 1885 
ausgestellt; es wurde von 
P. H. Emerson in Cantab angefertigt (Fig. 43). Die Scene scheint 
einer vergangenen (ireneration anzugehören. Es liegt Verdienst in der 
Conception und Gruppirung, obschon Oostnme von vergangenen Zeiten 
vielleicht besser am Platze gewesen wären. 

Die Entstehung eines 
Bildes von Max Ziegler 
in Berlin verdient erwähnt 
zu werden. Es ist in 
Fig. 44 in Holzschnitt 
skizzirt und in Dr. Stolzes 
„Die Stellung und Be- 
leuchtung in der l^hoto- 
graphie" (Knapp in Halle 
a. S. 1885. 2. Heft) als 
Photographie abgedruckt. 
— Zu einem Künstler- 
Costumefest, welches in 
Freien walde bei Berlin statt- 

Fig. 43. Eine Frauenschule. f^j^J ^ Jj^^tC Sich aUCh 

Ziegler mit seiner Camera begeben, um auf Bildmotive zu fahnden. 

An diesem Feste betheiligten sich auch drei junge Damen, Töchter 

eines wohlhabenden Villenbesitzers. Als sie nun vom Feste nach Hause 

zurückkehrten, veranlasste sie Ziegler, in der auf dem Bilde dargestellten 




Landschaften mit lebenden Figuren 



59 



Weise vom Bote aus die Schwäne des die Veranda umgebenden Teiches 
zu füttern. Er wählte Standpunkt, Gruppirung, Hintergrund seinen künst- 
lerischen Intentionen entsprechend, nur dass er dann von seinen Modellen 
nicht völlige Euhe verlangte, sondern im Gegentheil forderte, dass sie sich 
der Eolle, die sie spielten , entsprechend bewegen sollten. In der Original- 




Tig. 44. Heimkehr von einem Costumefeste. 



Photographie wirkt das direkte Sonnenlicht sehr gut; auch erscheint der 
Moment, wo die eine der beiden Schwestern den Schwänen Futter zuwirft 
und der eine dasselbe auffischt, treflflich gewählt. 

Das Charakteristische an dieser Art von Genrebildern besteht darin, 
dass sie eine freie Erfindung des schaffenden Photographen sind, der je- 
doch dadurch ein wirkliches Gemälde schafft, dass er nicht ein „lebendes 
Bild" arrangirt und aufnimmt, sondern den Moment abpasst, wo eine 
von ihm planmässig veranlasste Handlung sich malerisch repräsentirt. 



XL CxVPlTEL. 

Strasseiibilder imd Ansichten von Städten mit 
belebten Scenen. 



In der Kegel begnügte man sich in frülieren Jahren damit, die An- 
sichten von Städten mit Hinweglassung jedes bewegten Lebens zu photo- 
graphiren und entweder die menschenleerste Tageszeit abzuwarten oder die 
wider ihren Wunsch auf der Platte mitphotographirten unruhigen Leute 
„wegzuretouchiren", da sie ohnedies in Folge ihrer Bewegung fast alle 
unscharf und verschwommen erschienen. 

Unvergleichlich besser und charakteristischer als Photographien nach 
der alten Methode, wobei man auf Collodion trockenplatten 2 bis 3 Minuten 
an einem sonnigen Tage exponirte, sind aber die neueren Momentbilder, 
in welchen uns die Stadt voll Leben und in reger Thätigkeit vor unsere 
Augen geführt wird. 

Ueber die technischen Erfordernisse der Aufnahmen solcher belebter 
Strassenansichten ist wenig zu sagen. 

Bei langen Strassenztigen , Alleen oder anderen weithin perspectivisch 
verlaufenden Ansichten muss das Objectiv nicht selten stark abgeblendet 
werden, damit sowohl der Vordergrund als auch der Hintergrund scharf 
erscheint. Da man sich jedoch in der Eegel im ersten oder zweiten Stock- 
werk eines Gebäudes befindet und der Massstab der Figuren in der Strasse 
selbst ziemlich klein ausfällt, so braucht man nicht sehr kurz zu belichten 
(s. S. 12 und S. 20). Unter den angegebenen Umständen genügt die Zeit- 
dauer von V20 t^is höchstens V50 Secunde vollständig, namentlich wenn kein 
trabendes Pferd sich in dem unmittelbaren Vordergrunde befindet. 

In grossen Städten, wie in London, hat der Photograph bei der Her- 
stellung von Strassenbildern viel mit allerlei Hindernissen zu kämpfen; 
selten ist die x\tmosphäre auf weite Strecken rein genug und am trübsten 
sind die Morgenstunden, wo Rauch und Dunst über den Strassen liegt. 



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Fig. 45. Boad Street Station in London (Mo 



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1 (Moraentphotographie von W. Cobb). 



Strassenbilder und Ansichten von Städten mit belebten Scenen, 



61 



An manchen Tagen (namentlich am Montag Morgen) ist ausserdem der 
Lärm und das Gedränge in den Strassen so gross, dass dies nichts weniger 
als beruhigend auf die Nerven des Photographen einwirkt; beständig ist 
die Camera in Gefahr umgestossen zu werden oder sonst einen Unfall 
zu erleiden. 

Kann man mit dem Dreifuss den richtigen Standpunkt nicht erreichen, 
so hilft vielleicht das Befestigen der Camera am Dache eines Omnibus 
oder am Gitter einer Kirche, oder von einer Annoncensäule herab, kurz. 




Fig. 46. Strasse in einer Vorstadt Wiens. 



der Photograph muss oft die sonderbarsten und bedenklichsten Positionen 
einnehmen. Wie die „Photographic News" mitthcilen, wurde ein uner- 
müdlicher Photograph sogar für einen „Dynamiter" gehalten, wurde 
arretirt und polizeilich verhört, weil er sich anschickte, von einem ver- 
steckten Winkel aus die königliche Börse zu photographiren. 

In Folge der Schwierigkeiten und Verdriesslichkeiten bei Strassen- 
aufnahmen kommt es, dass man wohl ab und zu einzelne gute Strassen- 
ansichten Londons sieht, aber ganze Serien von solchen Bildern sind 
selten. W. Cobb erregte durch schwierige Aufnahmen dieser Art (1884) 
die Aufmerksamkeit der Fachleute und wir bringen die Reproduction eines 
solchen Bildes in Fig. 45 (Aiitotypverfahren nach Meissenbach nach 
der Originalphotogi'aphie). 



62 



XL Capitel. 



Unser Bild ist eines der besten aus Cobb's Coilection; es stellt in 
einer Weise das geschäftliche Treiben auf def Strasse dar, wie es nicht 
häufig zu sehen ist. Der Apfelhändler (Coster-Monger) mit seinem Karren, 
der Knabe, welcher den leeren Korb über dem Kopfe trägt und der „Gab" 
(Droschke), waren in rascher Bewegung im Vordergrunde abgebildet. 




Fig 47. Momentphotographie einer Strasse. 



Ein anderes Momentbild von Gh. Scolik (Fig. 46) zeigt das Leben 
in den Strassen einer Vorstadt Wiens (Josefstadt), wo zahlreiche Passanten 
verkehren, ohne den Photographen zu bgachten; als Guriosum mag 
auf einen mitton auf der Strasse sich wälzenden Hund aufmerksam ge- 
macht werden. Zur Aufnahme dieses Bildes w\irde ein Antiplanet benutzt. 



Strassenbilder und Ansichten von Städten mit belebten Seenen. 



63 



In Fig. 47 ist eine Momentaufnahme der Leipzigerstrasse in Berlin 
mittels Holzschnitt copirt^); die Aufnahme wurde von Crümm in Berlin 
mit einer Expositionszeit von V20 Secunde gemacht. 

Fig. 48 zeigt eine Compagnie französischer Infanterie, welche in einem 
Städtchen eben die Brücke passirt (nach einer Aufnahme Londe's). 

Auf dem heliographisch reproducirten Bilde bemerken wir die ge- 
waltig ausschreitenden Tambours, deren scheinbare Riesenschritte aber 
nur dem gewöhnlichen Marschtempo entsprechen. 




Fig. 48. Moineiitphütügrapbiti einer Krücke mit Militär. 



Weitaus seltsamer als diese Bilder ist Capitiln Baden-Pritchard's 
Aufnahme einer Strasse mit dem „Hotel Sahara" in der Oase Biskra in 
Afrika. Biskra ist die bedeutendste Oase in Algerien; sie hat eine Länge 
von ca. 3 km und eine Breite von V2 ^^' Di^ ganze Strecke ist mit 
Dattelpalmen bepflanzt, wovon auch eine auf dem Bilde sichtbar ist. 
Unser Bild, welches dem 2. Bande dieses Werkes als treflflicher Lichtdruck 
beigegeben ist, zeigt die Einwohner in der Landestracht, den malerischen 



^) Der Holzschnitt ist einem Artikel Prof. Vogel's in der Zeitsehrift „Vom Fels 
zum Meer" entnommen. 



Strassenbilder und Ansichten von Städten mit belebten Scenen. 65 

weissen Ueberwtirfen und den Kopf- und Naekentüchern, welche gegen die 
glühende Sonnenhitze schützen. 

Eine andere von Baden-Pritchard in Afrika photographirte Scene: 
„Araber mit Kameelen in der Nähe von Biskra", zeigt Tafel IV dieses 
Werkes. Die mit dem Gepäck der Eeisenden beladenen Kameele sind im 
Wüstensand gelagert; die Sonne steht schon tief und bald wird die kleine 
Karawane aufbrechen, um in die unferne Oase zu gelangen. 

Als schöne Musterbilder sind in die Collection der Lichtdrucke im 
2. Bande dieses Werkes noch beigegeben: 
Ein Genrebild nach dem Landleben in Schleswig, von Wilh. Dreesen 

in Flensburg. 
Aufladen von Heu auf den Wiesen nächst der Themse, von J. Gale 

in London. 
Fischende Knaben an einem Schweizer See, von Täschler-Signor 

in Basel. 
Eine Jagdscene, Momentphotographie von Obernetter in München. 
Deutsche Kürassiergruppe, von 0. Anschütz in Lissa in Posen. 
Englische Bauern am flachen Lande bei der Arbeit, von G. Hadloy 

in Lincoln. 
Hafen von Scarborough in England, von G. Hadley in Lincoln. 

Wie sehr der Charakter einer einfachen Allee oder einer Parkanlage 
durch den Vorkehr der Wagen und der Personen verändert wird, weiss 
wohl Jedermann. Die Idee, auch hier bewegte Figuren einzuführen, hat 
deshalb ihre gute Berechtigung. 

Sehen wir z. B. die Partie aus der Hauptallee des Wiener Praters 
in Fig. 49, welche nach einer Momentphotographie von Ch. Scolik in 
Wien in Holz geschnitten ist. Der Apparat stand auf einem Eisenbahn-^ 
viaduct, welcher die Allee quer überbrückt. Im V-ordergrunde der schön 
perspectivisch verlaufenden Allee alter Kastanienbäume befindet sich ein 
Sicherheits Wachmann, welcher den Wagenverkehr ordnet, der an manchen 
Tagen daselbst sehr lebhaft ist. An der rechten Seite der Strasse warten 
Fussgänger den passenden Moment zum Ueberschreiten ab oder betrachten 
die fahrenden Wagen. An anderer Stelle geben wir die Bilder von Personen, 
welißhe mit Hast vor dem Wagen vorübereilen und deren Bewegungen hier- 
bei eigenthümlich charakteristisch sind (s. S. unten). Ferner verweisen wir 
auf die Promenade am Meeresstrande, welche in der Collection der Licht- 
drucktafeln (Tafel III) enthalten ist. 

Mitunter wünscht man bei Strassenbildern ganz bestimmte Scenen zu 
erhalten , z. B. Trauerzüge , Frohnleichnams-Processionen ^ etc. In einem 

^) Die Prohnleichnams-Proeession in Wien, an welcher sich der allerhöchste Hof 
betheiligt, wurde z. B. von Ch. Scolik vom Dache eines niedrigen Vorbaues am Graben 
photogr^phirt. 

Eder, Momentphotographie. 2. Aufl. 5 



66 ^- Capitel. Strassenbilder und Ansichten von Städten mit belebten Seenen. 

solchen Getriebe braucht der Photograph sich nicht sonderlich zu 
verbergen. 

Anders ist dies bei einsamen Wegen oder Promenaden, an welchen 
man Binzelfiguren zu erhaschen trachtet, sei es um Costtim- oder andere 
Charakterbilder darzustellen. Hierzu muss der Herankommende unbefangen 
sein und kann aus diesem oder aus anderen Gründen nicht vorbereitet werden. 

Solche Aufnahmen müssen gut arrangirt sein, so dass man auf die 
gutwillige Mitwirkung der betreflfenden Personen völlig verzichten kann. 

Will man z. B. gehende Menschen aufnehmen, so stellt man einen 
Gehilfen an einem markirten Punkte auf, z. B. wie in Fig. 50 an einen 




Fig. dO. MarkiruDg eines Punktes bei Momentaufnahmen. 



Meilenstein oder dergl. Man richtet darauf die Camera, welche thunlichst 
verdeckt aufgestellt werden soll; dann tritt man bei Seite, so, dass der 
Herankommende nicht sofort auf die vorbereitete photographische Aufnahme 
aufmerksam wird. In dem Augenblicke, in welchem der sich bewegende 
Gegenstand den markirten Punkt passirt, lässt man den Momentverschluss 
spielen. Es ist empfehlenswerth, die Personen gegen den Apparat zukommen 
zu lassen und womöglich einen brauchbaren Hintergrund mit auf das Bild 
zu bekommen. 

Namentlich den im Gebirge reisenden Touristen ist dieses Genre der 
Momentphotographie zu empfehlen und bei einiger Geduld wird eine 
hübsche Ausbeute an gelungenen Bildern erhalten werden. 



XII. OAPITEL. 

MomentMlder an dem Meeresstrande und an Flüssen. 



Man kann die unruhige See ohne grössere Schwierigkeit als irgend 
eine Landschaft photographiren. 

Die Möglichkeit, stürmische Wogen in so kurzer Zeit wiederzugeben, 
dass sie stille zu stehen scheinen, bereitet beim ersten Anblick grosse 
Ueberraschung. 

Manche hübsche 
Bilder wurden von den 
am Strande sich 
brechenden Meeres- 
wellen erhalten; von 
gewaltigen Wogen, 
weiche hochauf- 
schäumen und am Ufer 
zerstäuben, von breiten 
Wassermassen , welche 
sich träge gegen den 
Strand zu wälzen und 
langsam daselbst sich 
brechen. (Vergl. auch 
den beiliegenden Lichtdruck nach der Momentphotographie vom Ingenieur 
Wight. Tafel IX.) 

Der Meeresstrand gibt noch in anderer Eichtung ein sehr fruchtbares 
Feld für den Photographen ab. 

Das Beiwerk an demselben ist häufig so malerisch, dass man es 
meistens ohne schwierige Auswahl photographiren kann und die figurale 
Ausschmückung erfordert oft nicht einmal grosse Anstrengung der Modelle. 

Die Photographie Eobinson's, nach welcher die Illustration, Fig. 51, 
gemacht ist, war ohne vorherige Verständigung des im Bilde befindlichen 




Fig. 51. Bild am Meeresstrande. 



68 



XII. Capitel. 



kleinen Mädchens aufgenommen. Der Apparat war auf die am Ufer be- 
findlichen Krabbenkörbe gerichtet worden und das Mädchen kam dazu, 
um damit zu spielen. Das ältere Mädchen, welches schon bei einigen 
anderen photographischen Genrebildern Eobinson's mitgewirkt hatte, eilte 
auf einen Wink des Photographen herbei, stützte sich auf die Körbe und 
bückte sich, um mit dem Kinde zu sprechen; bevor es aufschaute, war 
das Bild gemacht. 

Die Eückkehr von Schifferbooten ist oft reich an lebensvollen Zwischen- 
fällen und dramatischen Situationen. Zahlreiche wettergebräunte Männer 
warten am Ufer auf deren Ankunft. Das Nahen der Boote, die Landung, 
das Bergen der erbeuteten Fische, gibt gute Gelegenheit für den Photographen. 




Fig. 52. Bild am Meeresstrande. 

Wer das Leben an der Küste des Meeres kennt, wird sich leicht 
Gelegenheit' zu hübschen Bildern verschaffen können. Für den Frenaden 
gibt Eobinson in seinem Buche „Picture Macking by Photography" 
lehrreiche Winke. Er räth an, sich einen intelligenten Schiffer zu engagiren. 
und sich ihm sammt der Camera anzuvertrauen. Man lasse sich die Mühe 
nicht verdriessen und mische sich unter sie, höre ihre Erzählungen an 
und wird so in die Gelegenheit kommen, einen hübschen Vorwurf zu 
einem Bilde zu erhalten. 

Gehen dann die Leute auf die Idee des Photographen ein, so sind 
sie meistens sehr willig, ihre Boote, Netze und andere Geräthschaften ins 
richtige Licht zu bringen und geben selbst gute Modelle ab. 

Ein kleines Stück Land als Vordergrund mit einigen Figuren, welche 
sich gegen die im Horizonte verschwindende See kräftig abheben, mit 
Booten oder dergl. geben wirksame Bilder. 



Momeutbilder au dem Meeresstraude und au Fllisseu. 



69 



Ein Beispiel dieser Art von Momentbildern gibt Fig. 52, welches 
nach einer grossen Photographie von Slingsby in Lincoln in Holz ge- 
schnitten ist. Es stellt ein Schiflferboot dar, welches eben in die See sticht. 

Der Wolkenhintergrund ist bei solchen Bildern nicht selten künstlich 
eincopirt, um die Monotonie eines klaren Himmels zu mildern. Oft sind 
wohl auch die Personen am Strande separat aufgenommen und werden 
erst später in das Bild des Meeres eincopirt. Jedoch erfordert dies die 
Hand eines vortrefflichen Künstlers und technisch vollkommen ausgebildeten 
Photographen, um auf diese Weise hübsche Combinationsdrucke zu erhalten. 




Fig. 53. Monieivtaufnahiue an der Themse. 



Viel schwieriger als Aufnahmen an der Küste der offenen See sind 
Flussstudien in Thälern, z. B. am Ehein. Ingenieur Wight in Charlotten- 
burg hatte daselbst Momentbilder erhalten, welche in den photographischen 
Gesellschaften zu Wien, Berlin und an anderen Orten vollste Anerkennung 
fanden. Er nahm z. B. in Assmaunshausen am Ehein einen Schleppdampfer 
von einem Fenster des Hotel „zur Krone" auf und zwar gegen die Sonne, 
was sehr ungünstige Beleuchtungsverhältnisse ergibt. Ueberdies hat der 
eingeengte Ehein beim „Bingerloch" eine grosse Geschwindigkeit (12,5 km 
per Stunde) und die Schleppdampfer arbeiten mit ihren angehängten Fracht- 
schiflfen schwer, um die Strömung zu überwinden. 

um die genügende Dampfspannung zu erzeugen, müssen die Dampf- 
kessel durch fortwährendes Aufschütten von Kohle forcirt werden. Der 
hierdurch erzeugte Eauch lagert sich in dem engen Flussthale und schneidet 



70 XII. Capitel. Momentbilder au dem Meeresstrande und an Flüssen. 

dadurch viel Licht ab. Trotzdem waren die Aufnahmen Wight's voll- 
kommen gelungen. 

In Fig. 53 ist eine Momentphotographie an der Themse von William 
Mayland in London in Holzschnitt copirt. Die abgebildeten Dampf boote 
und Segelboote sind fast alle Handelsschiffe, welche den Frachtverkehr 
auf der Themse vermitteln. 

Für unsere Leser von besonderem Interesse ist eine Momentaufnahme 
Newton 's am East Eiver, dem gewaltigen Strome bei New- York. Im 
Vordergrunde ist das Personenschiff „Crystale Wave", einer jener colossalen 
Dampfer, welche die amerikanischen Ströme befahren. Jedes Seil und 
jede Eisensparre ist in vollkommener Schärfe wiedergegeben und hebt 
sich klar und rein vom Hintergrunde ab, trotzdem das Schiff in voller 
Fahrt ist und seine Eäder das Wasser mächtig aufwühlen. Im Hinter- 
grunde bemerken wir kleinere Schiffe, welche zum Frachtentransporte 
bestimmt sind. . 

Herr Newton hatte uns gütigst das Originalnegativ für das vor- 
liegende Werk zur Verfügung gestellt, welches im IL Theile den Illu- 
strationen in Lichtdruck beigegeben ist. 



^) Diese Figur ist einem Artikel Baden-Pritchard's in dem „Magazine of Art" 
entnommen. Auch übergegangen in Baden-Pritchard's „About Photography and Photo- 
graphers", 1883, S. 10. 



XIIL CAPITEL. 

Aafnalunen Yon fahrenden Schiffen ans. — Eisenbahnzlige. 
Der Tricyclesport nnd die Photographie. 



I. Aufnahmen von fahrenden SohifPen aus. 

Wenn die Platten gut und die Momentverschlösse verlässlich sind, so 
lassen sich auf oflfener See am schwankenden Boden eines Schiffes leichter 
Bilder herstellen, als man erwarten möchte. 








Fig. 54. 



Bewegliche Halter für die Camera. 



Fig. 55. 



Ist das Meer unruhig, so liegt die grösste Schwierigkeit darin, das 
Bild an die rechte Stelle der Platte zu bringen. Ein „Sucher", wie wir 
ihn oben beschrieben haben, ist deshalb von Vortheil und die Camera muss 
leicht beweglich sein, damit man sie leicht dem Gegenstande nachdrehen kann. 

Crowe in England erhielt viele gute Momentbilder von einem Boote 
aus ^). Er klemmte seine kleine Camera an dem Geländer fest und richtete 
dieselbe, welche an einem Kugelgelenk beweglich war, auf den Gegenstand. 

Bei Aufnahmen von fahrenden Schiffen aus befestigt Hannynton die 
Camera auf einem beweglichen Doppelringe, ähnlich wie dies beim Schiflfs- 
compass üblich ist, oder auf eine analoge Balancirvorrichtung. 2) 



^) Crowe bediente sieh derselben Vorrichtung zur Photographie von dem Dache 
eines Omnibus aus. 

2) „Year-Book of Photography for 1884", S. 97 (mit Figur). 



72 



XII [. Capitel. 



Ein compendiöser und nach allen Richtungen hin beweglicher Halter 
für die Camera rührt von Beard in England her. ^) Derselbe lässt sich 
leicht an Geländer, Gitter etc. anschrauben. Fig. 54 zeigt, wie der Halter 
mittels der Schraube s bei V an einem Eisenstab befestigt wird. Bei B 
dreht sich der Träger um eine verticale Axe; bei B befindet sich ein 
Kugelgelenk, welches jede beliebige Neigung des eigentlichen Untersatzes 
(Trägers) der Camera (bei T) erlaubt. Die punktirten Linien zeigen 
einige Veränderungen der Stellungen. In Fig. 55 erscheint der Halter an 
ein Brett fixirt und in Fig. 56 sind daselbst dessen Theile in einer anderen 
Ansicht deutlich abgebildet. 




Fig. 56. Beweglicher Halter für die Camera. 




Fig. 57. Bewe);licher Camerahalter 
an einer Sthiffswand 



Zur völligen Erklärung, wie ein mögUchst bewegliches Camera-Stativ 
an das Geländer eines Schiffes befestigt wird, dient Fig. 57. 

Fährt ein Schiff in derselben Eichtung, wie dasjenige, worauf sich 
der Apparat befindet, so braucht man nicht so kurz zu belichten, als wenn 
es in entgegengesetzter Eichtung an uns vorüberfährt. Auch wenn ein 
Fahrzeug uns direct entgegenfährt, ist die Sache nicht so schwer. 

In England, wo der Segelsport vielseitig betrieben wird und auf den 
Bau und die Ausschmückung einer „Yacht" grosse Summen verwendet 
werden, ist auch die Herstellung von Schiflfsbildern nicht selten, weil solche 
Momentbilder gut bezahlt werden und sich eine genügende Anzahl von 
Käufern dafür findet. So sind z. B. West & Son in Gosport in England 
als Specialisten berühmt durch ihre „Yacht studies". In ihrem photo- 
graphischen Verlage findet sich eine grosse CoUection von Bildern 
segehider Schiffe und der Name der Yacht, sowie der Besitzer sind genau 



Photogr. News. 1885, S. 201. 



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Fiff. 58. MomentphotoffTajhie ,0, 




hie Ton Segelschiffen. 



Aufnahmen von fahrenden Schiffen aus. Eisenbahnzüge etc. 



73 



registrirt. Häufig ist nur ein Schiff" in grossem Formate am Bilde er- 
sichtlich. In anderen Fällen kommen mehrere in das Gesichtsfeld des 
Apparates. Fig. 58 zeigt die Photozinkotypie einer Momentphotographie 
vonWest, wo vier Segel- 
schiffe abgebildet sind, 
welche sich in massigen 
Entfernungen nebenein- 
ander im Meere be- 
finden. Eine andere 
schnell segelnde Yacht 
zeigt Fig. 59 (Auto- 
typie nach dem Origi- 
nal). Die Photozinko- 
typie gibt uns einen 
schwachen Begriflf von 
der Schönheit der Spie- 
gelung im Meere und 
der Schärfe an denOrigi- 
nalphotographien. West 
arbeitet häufig gelegent- 
lich einer Eegatta und 
pflegt seine Camera in 
ein Boot zu stellen, so 
dass sowohl die Camera 
als die aufzunehmenden 
Schiffe sich bewegen. 

In Deutschland be- 
fasst sich der bekannte 

Amateur Ingenieur 
Rieh. Wight in Char- 
lottenburg mit der 
Photographie fahrender 
Schiffe und stellte eine 
grosseMenge gelungener 
Bilder fahrender Fluss- 
und Seedampfer, Segel- 
schiffe etc. her. 

In unserem Titel- 
bilde ist eine solche 

Momentaufnahme vorgeführt. Ingenieur Wight erhielt dieselbe in Stock- 
holm gegenüber dem königlichen Palais. Ein Schiff fährt mit qualmendem 
Schornstein den Kanal hinab und die Schiffsschraube wirft weisse Wellen 




Fig. 59. Momentphotographie eines Segelbootes. 



74 XIII. Capitel. 

auf. Vor dem königlichen Palais, welches einen grossen Theil des Hinter- 
grundes einnimmt, liegt der Dampfer „Nord Stjernan". Der allmählig 
in der Luft sich auflösende Steinkohlenrauch und die zarte Modellirung 
der Aufnahme sind in der Photogravure E. Schuster 's in Berlin in aus- 
gezeichneter Weise wiedergegeben. 

Eine andere Tafel in Lichtdruck (Tafel IX) verdankt der Autor gleich- 
falls Herrn Ingenieur Wight, welcher das Negativ hierzu gütigst zur 
Verfügung stellte. Die Schönheit der brandenden Wellen, die Schärfe des 
in ziemlicher Entfernung segelnden grossen Schiflfes, die Harmonie der 
Stinmiung qualificiren diese Aufnahme zu einer mustergiltigen. 

Dieses Bild zeigt die Einfahrt der Swine von der Ostsee. „Ob- 
gleich die Sonne durch leichte Wolken bedeckt war", schreibt Herr 
Wight, „so war doch die Luft sehr klar und ich hatte bei der Ent- 
wickelung der ganzen, am selbigen Tage aufgenommenen Serie von Moment- 
bildern keine Schwierigkeiten." 

„Ich benutzte bei dieser Aufnahme (die Plattengi'össe ist 18X24 cm) 
das neue Voigtländer'sche Euryscop No. 4 mit der drittgrössten Blende. 
Die Hervorrufung geschah mit dem Pottaschen-Entwickler." 

Ingenieur Wight benutzt jetzt nur noch das von ihm selbst construirte 
Fallbrett (Holzbrett in Metallftihrung mit Gummischnur), welches zwischen 
der Camera «nd dem Objectiv angebracht ist. Es ist leicht transportabel und 
arbeitet sehr rasch und ruhig. Wight hat bei bewegter See, sowohl von 
einem Boote, wie auch von einem rasch fahrenden Dampfer entgegen- 
kommende Schiffe aufgenommen, welche ganz scharf wurden. 

Hier müssen wir auch eine Momentphotographie von Herrn Eud. 
Schuster in Berlin hervorheben, welche er auf dem Mälar-See bei Stockholm 
während einer Vergnügungsfahrt aufgenommen hatte. Als Objectiv wurde 
eine Eapid-Symmetrical von Eoss und ein Fallverschluss dicht hinter der 
Blende, benutzt. Das hübsche Bild, welches in vortrefflicher Heliogravüre 
dem zweiten Theile der Illustrationstafeln beigegeben ist, gewinnt dadurch 
an Interesse, dass die Aufnahme vom Deck eines selbst in rascher Fahrt 
befindlichen Dampfers gemacht wurde. 

n. Die Photographie von fahrenden Eisenbahnzügen. 

Einen in voller Geschwindigkeit daherbrausenden Eisenbahnzug zu photo- 
graphiren, ist häufig der sehnlichste Wunsch aller Anfänger in der Moment- 
photographie und doch ist es eine undankbare Sache. Ist die Momentaufnahme 
sehr gelungen und ganz scharf, so scheint eben der Zug stille zu stehen 
und höchstens der ausströmende Dampf und die Versicherung des Photo- 
graphen erwecken im Beschauer den Glauben an die „Augenblicklichkeit" 
der Aufnahme. Trotzdem wurde diese Aufgabe öfters versucht und zwar 



Aufnahmen von fahrenden Schiffen aus. Eisenbahnzüge etc. 75 

mit Erfolg schon im Jahre 1880 von Marsh Brothers in England, 
welche den Schnellzug, „Flying Dutchman"* genannt, während der Fahrt 
scharf aufnahmen. 

Besser als die Aufnahmen der Eisenbahnzüge auf der offenen Strecke 
gelingen sie beim Einfahren der Züge in Stationen. Ein hoher Stand- 
punkt der Camera (am besten eine Brücke über die Geleise, wie sie sich 
bei manchen belebten Stationen finden), von welchem man die bei der 
Halle wartenden Personen überblickt und den Zug gegen sich herankommen 
lässt, ist für diesen Zweck am günstigsten. Hübsche derartige 
Momentbilder machte z. B. Scolik in Wien bei der Station Hütteldorf an 
der Westbahn. 

Hier wären auch noch die photographischen Aufnahmen vom Fenster 
eines fahrenden Eisenbahnwagens zu erwähnen. Man behauptet, es sei 
möglich, vom Wagenfenster aus mittels eines Momentverschlusses fernere 
Landschaften zu photographiren. In der That ist die scheinbare Bewegung 
ferner Gegenstände, selbst bei Eilzugsgeschwindigkeit nicht so gross, dass 
hierin eine ernste Schwierigkeit liegen würde. Allein die fortdauernde 
heftige Erschütterung des Wagens selbst, dürfte wohl kaum zu über- 
windende Schwierigkeiten verursachen. 

So wird wohl noch fernerhin der Eeisende auf das Vergnügen ver- 
zichten müssen, die herrlichen Landschaftsbilder, an denen er vorübereilt, 
zu photographiren und wird sich begnügen müssen, seine photographischen 
Versuche bloss an den Haltestellen vorzunehmen. 

III. Der Gebrauch des Yelooipedes in der Photographie. 

In der neuesten Zeit bedienen sich zahlreiche englische Amateure und 
Touristen dreirädriger Ve 1 o c i p e d e s für photographische Excursionen ; 
die Touren sollen dadurch unendlich erleichtert werden, und gegenwärtig 
werden zahlreiche diesbezügliche Velocipede-Constructionen auf den Markt 
gebracht. 

Der Gebrauch des Velocipedes ist besonders in England ein allge- 
meiner geworden und das Tricycle ist gegenwärtig ein Gegenstand des 
Vergnügens und der practischen Verwendung. Die Vervollkommnung und 
neue Verwendung desselben als „Photo-Tricycle" dient wohl mehr zum 
Vergnügen; jedoch wird sich wohl auch eine nützliche Seite abgewinnen 
lassen. 

Man muss dieser Verbindung von Photographie und rascher Eeise- 
gelegenheit eine geeignete Form geben und hierzu liegen mehrfache 
Versuche vor. 

Practisch ist z. B. das Photo-Tricycle von Eudge und Co., welches 
unter dem Namen „Oonventry-Eotary" bekannt und in Fig. 60 abge- 



76 



XIII. Capitel. 



3. 





Aufnahmen von fahrenden Schiffen aus. Eisenbahnzuge etc. 77 

bildet ist. Die Camera ist an einem Kugelgelenk befestigt, welches eine 
Drehung nach allen Eichtungen erlaubt und deshalb das Einstellen irgend 
eines Gegenstandes in wenigen Augenblicken ermöglicht. Drei Platten- 
kästen enthalten 6 Platten von 12X16 cni und können leicht gewechselt 
werden. Der photographische Apparat kann entweder am Tricycle selbst 
oder an einem mitgebrachten Dreifuss befestigt werden, welcher leicht 
verpackt werden kann. 

Fig. 61 zeigt, wie nach einer anderen Methode eine kleine Camera 
ohne Benutzung eines Dreifusses (Stativ) am Tricycle fixirt wird; dies 
geschieht an einem Eade der ruhig stehenden Maschine. Eine einfache 
Klemme genügt hierfür. 

Diese Neuerung ist in Amerika und England schon im Gebrauch und 
wird sich auch anderwärts bei den Liebhabern des Tricycle-Sports Eingang 
verschaffen, denn die Beschreibung derselben, wie der Cyclist durch Wald 
und Flur eilt und die Schönheiten der Natur im Fluge geniesst und bei 
besonders anziehenden Gegenden Halt macht und das Bild ohne Mühe 
aufnimmt und Albums der durchfahrenen Strecken zur Erinnerung 
sammelt, klingen in der That verlockend. 



XIV. CAPITEL. 

Die Photographie Yom Luftballon aas. 



Es ist wohl kaum nothwendig, auf das specielle Interesse hinzuweisen, 
welches die Lösung des Problems der Photographie vom Luftballon aus 
in sich schliesst. Die „Ballonphotographie" hat schon oft die Aufmerk- 
samkeit von Aeronauten, Photographen und Militär-Ingenieuren auf sich 
gezogen. 

Die ersten Versuche, vom Luftballon aus Photographien herzustellen, 
wurden seit 1859 von Zeit zu Zeit mit mehr oder minder gutem Erfolge 
gemacht. Man hatte entweder bloss das interessante Schauspiel, das sich 
dem Luftschiffer beim Anblick der zu seinen Füssen liegenden Erde bietet, 
im Auge , oder man verfolgte ein wissenschaftliches Ziel , z. B. topogra- 
phische Aufnahmen aus der Vogelperspective , sei es für kartographische 
oder militärische Zwecke. 

Der Luftsehiffer erhebt sich vom Erdboden in die Höhe der 
Atmosphäre und erhält auf der photogi'aphischen Platte das Bild der 
Wolken und die schönen optischen Effecte, welche man in den hohen 
Eegionen bewundert, oder gewinnt die Photographie einer Festung oder 
eines feindlichen Lagers während des Krieges aus der Vogelperspective. 
Welche bewunderungswürdigen Errungenschaften! 

Die Verwendung des Luftballons zum militärischen Eecognoscirungs- 
dienst wurde schon im Jahre 1783 vom französischen Genie-Lieutenant 
Meussnier empfohlen und 1793 bei der Belagerung von Valenciennes 
versucht. Auf alle diese Versuche, welche bis in die neueste Zeit fort- 
geführt werden, können wir hier nicht eingehen, da uns nur die Einbe- 
ziehung der Photographie interessirt. 

Die erste Photographie vom Ballon aus unternahm Nadar im Jahre 
1859. Napoleon III. versuchte 1859 im österreichisch-italienischen Kriege 
die feindlichen Stellungen bei Solferino durch die Luftschiffer Nadar und 
Godard auskundschaften zu lassen. Nadar machte damals ein, indess 
meist undeutliches, photographisches Bild des Schlachtfeldes. 



Die Photographie vom Luftballon aus. 79 

Nadar setzte 1860 seine Versuche in Paris fort und erzielte bessere 
Eesultate. Bei einer seiner vielen Aufifahrten verunglückte er und brach 
sich beide Füsse. 

King und Block photographirten Boston von einem Ballon captif 
(1860) und Negretti (1863) von einem freien Ballon aus eine Londoner 
Vorstadt. 

Später befasste sich Glaisher und Coxwell mit meteorologlischen 
und photometrischen Versuchen in höheren Luftschichten und untersuchten 
die Schnelligkeit der Schwärzung von photographischem Chlorsilberpapier. 

Dagron nahm im Jahre 1878 das Panorama von Paris vom Ballon 
captif in 500 m Höhe auf und üesmarets photographirte 1880 die 
Erde von 1100 m und mit himmelwärts gerichteten Apparate die Wolken 
in 1300 m Höhe. Diese merkwürdigen Photographien befinden sich im 
Conservatoire des Arts et Metiers in Paris. 

Shadbolt in London und Tissandier in Paris übertrafen in den 
Jahren 1883 bis 1885 die Leistungen ihrer Vorgänger (s. unten). 

In Wien richtete die erste Ballonphotographie Hans Lenhart ein 
(October 1885). Er benutzte einen Antiplanet, welcher auf sehr weit 
entfernte Gegenstände eingestellt war und einen Thury und Am ey 'sehen 
Verschluss. Der Luftschiffer Silber er übernahm die Belichtung der Platten. 
Es wurden schöne Bilder desPraters, derEotunde und der Donau erhalten, 
welche in Lichtdruck in der Zeitschrift „Der photographische Mitarbeiter" 
beigegeben sind. 

Die erste Idee, einen kleinen Ballon captif steigen zu lassen, welcher 
nur den photographischen Apparat, nicht aber einen Menschen trägt, hatte 
Prof. Karl Günther in Wien im Jahre 1862 ausgesprochen und veröffent- 
licht; er wollte Terrainaufnahmen machen und die Exposition auf elec- 
trischem Wege von der Erde aus veranlassen. 

Im Jahre 1877 schlug Walter B. Woodbury dieselbe Anordnung 
vor und wollte gleichfalls das Oeffnen und Schliessen des Objectivs mit 
einem electrischen Momentverschluss und langen Leitungsdrähten vom 
Erdboden aus bewirken. Die Camera führte Woodbury aus, sie wog 
sammt Zugehör ungefähr 6 kg. Sie enthält auf einer Scheibe 4 empfind-, 
liehe Platten, welche durch eine Viertelumdrehung zur Belichtung gelangen. 
Ein kleiner Electromagnet setzt den Momentverschluss, ein anderer die 
Scheibe mit den Platten in Bewegung. 

Als Instrument zu Aufnahmen vom Ballon aus ist der Antiplanet mit 
sehr kurzen Expositionszeiten geeignet (wie Lenhart in Wien zeigte), 
sowie auch das Euryskop und lichtschwächere Instrumente, z. B. der ge- 
wöhnliche Aplanat. Dr. Stolze glaubt sogar das noch lichtschwächere 
Pantoskop von 25 cm Brennweite empfehlen zu können. Die Maximalhöhe 



80 



XIV. Capitel. 



für Linsen von 25 cm Brennweite wäre nach Dr. Stolze 1000 m, denn 
dies repräsentirt schon einen Massstab von 1 : 4000 für die Aufnahme. 
Die Hauptschwierigkeit bei Ballonaufnahmen liegt in der rotirenden 
Bewegung des Ballons und dem Zittern der Gondel. Es soll sich die 
geringste Bewegung dem Ballon mittheilen ; selbst wenn man nur die Hand 
auf den Band des Fahrzeuges legt, so erhält letzteres eine zitternde Be- 
wegung, welche einige Zeit braucht, um sich zu legen. Am ungünstigsten 
ist die Zeit der ersten Auffahrt. In dem Augenblicke, wo der Ballon von 




Fig. 62. Shadbolt's Ballon-Einrichtung. 



der Erde emporsteigt, empfängt er eine rotirende Bewegung, welche selbst 
bei kurzer Exposition mit einem Momentverschhiss es schwer macht, 
scharfe Photographien zu erhalten. 

Dreht sich der Ballon in 6 Minuten einmal um seine Axe, so wird 
die Unscharfe am Bande des Bildes bei Vio Secunden Exposition noch sehr 
bedeutend sein; erst bei Vöo Secunde wird diese Unscharfe verschwinden. 

Ferner wird der Ballon durch Luftströmungen in der Windrichtung 
bewegt. Man wird bei einem ganz massigen Winde von 5 m Geschwin- 
digkeit in einer Höhe von 1000 m nur Vio Secunde belichten dürfen; in 
einer Höhe von 500 m V20 Secunde, wenn man auf leidlich scharfe 
Bilder rechnen will (nach Stolze). 



Die Photographie vom Luftballon aus. 



81 



Bei weitem die grösste Unscharfe wird aber nach Dr. Stolze durch 
die pendelnde Bewegung der Gondel hervorgerufen. Der eigentliche 
Ballon hat ein sehr geringes, die Gondel ein bedeutendes Gewicht und 



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geringen Umfang. Jeder Windstoss wird daher den Ballon vorwärts 
jagen, während die Gondel zurückbleibt und dann in pendelnde Bewegung 
geräth. In einem Ballon captif ist die Unruhe des ganzen Systems aber 

Eder, Momentphotographie. 2. Aufi. 6 



82 



XIV. Capitel. 



SO gross, dass man in einem solchen mit Erfolg gute Photographien nicht 
herstellen kann. 

Die günstigsten Bedingungen zur Ballonphotographie sind dann ge- 




geben, wenn der Ballon seine grösste Höhe erreicht hat und bei sanftem 
Winde ruhig dahinschwebt. Dann kann man ohne besondere Vorrichtungen 
bei Vöo bis V150 Secunde Expositionszeit scharfe Bilder erhalten, wie 
Tissandier in Paris und Andere gezeigt haben. 



Die Photographie vom Luftballon aus. 



83 



Dr. Stolze, welcher mitMeydenbauer die verlässlichen Bedingungen 
zur Herstellung guter Ballonphotographien studirte, empfiehlt ein eigenes 
Aufhängesystem der Gondel, welches den Papierdrachen der Knaben nach- 
geahmt ist; diese stehen bekanntlich stundenlang ruhig am Himmel. Be- 
züglich dieser sinnreichen Construction , welche noch nicht in der Praxis 
ausgeführt wurde, aber das Erzielen guter Eesult^te weniger dem Zufalle 
anheimgibt als die bis jetzt gebräuchlichen Einrichtungen, sei auf die 
Originalabhandlung im „Photographischen Wochenblatt", 1881, S. 328, 
verwiesen. 

Wir wollen einige jener Apparate beschreiben, welche in jüngster 
Zeit zur Ballonphotographie verwendet wurden, sowie die erhaltenen Bilder 
vorführen. 




Fig. 65. Die Tiieiuse vom HuHoii aus photogruphirt. 

Cecil V. Shadbolt, welcher namentlich in den Jahren 1883 und 
1884 sich in England damit beschäftigte, unternahm zahlreiche Auffahrten 
mit seinem Ballon „Monarch": 

Die Einrichtung des Korbes zeigt Fig. 62 (nach einer Photographie). 
Am Bande desselben ist die Camera befestigt. Mr. Shadbolt steht im 
Korbe und Mr. Dale, welcher ihn gewöhnlich begleitete und ihn bei 
seinen Arbeiten assistirte, steht daneben. 

Shadbolt fertigte eine Serie von „Ballonphotographien" an, welche 
bei mehreren Ausstellungen in England zu sehen waren. 

Fig. 63 gibt eine Vorstellung von Shadbolt's Photographie von 
Blackheat (bei London). Dieselbe geschah aus einer Höhe von 2700 Fuss 
vom Ballon „Monarch" aus. Die Originalphotographie zeigt Häuser, 
Strassen, Gärten etc. deutlich; unsere Eeproduction in Meisenbach's 
Autotypie gibt allerdings nicht mehr als eine Skizze des Bildes. Ferner 



84 . XIV. Oapitel. 

nahm Shadbolt noch das Royal Albert Dock, sowie das Arsenal von 
Woolwich auf. 

In Fig. 64 ist eine andere Aufnahme Shadbolt's vom Ballon aus dar- 
gestellt; die Aufnahme erfolge in der Nähe von London in einer Höhe von 
650 m. Das Bild wurde möglichst genau im Holzschnitte für die Zeitschrift 




Fig. 66. Momentphotographie von Gaston Tissandier und Jacques Ducom; aufgenommen vom BaUon 

aus über Paris in 605 m Hohe. (Plan der Seine mit zwei kleinen Schiffen; Brücke Louis Philippe; Port 

de r Hotel-de-Yille und der Spitse der Insel Saint-Louis.) 



„La Nature" copirt und wir geben diesen Holzschnitt, welcher deutlicher als 
die Photozinkotypie ist, wieder. 

Gelegentlich des Sinkens des Ballons, beiläufig 500 Fuss entfernt von 
der Themse, war ein anderes Bild in schräger Sehlinie erhalten. Fig. 65 
zeigt eine Skizze (Autotypie nach der Originalphotographie) dieses Bildes. 
Die Themse zieht sich von einigen Schiffen bedeckt in Windungen gegen 
den Horizont hin, im Vordergrunde sind Strassen und Häuser sichtbar. 

Gaston Tissandier, der Herausgeber der Zeitschrift „La Nature", 
unternahm mit Jacques Ducom, einem geschickten Amateur, am 15. Juni 



Die Photographie vom Luftballon aus. 



85 




Fig. 67. Tissandier's Apparat zur Ballon-Photographie. 



1885 eine Ballonfahrt bei Paris und von denselben wurden hierbei Photo- 
graphien hergestellt, welche die von ihrem Vorgänger erhaltenen bei 
weitem übertrafen. 

Das Bild, welches 
sie bei Paris in einer 
Höhe von 605 m auf- 
nahmen, ist in Fig. 66, 
nach „La Nature", re- 
producirt (Heliogravüre 
nach dem Verfahren 
Petit). 

Derphotographische 
Apparat war am Bande 
des Schiffchens senk- 
recht befestigt und war 
um eine Axe drehbar 
(s. Fig. 67). Es war 
eine sog. „Touristen- 
camera" von 13X18 cm. 
Das Objectiv war ein Bec- 
tilinear von FrauQais 
(eine Linsenart, welche dem Euryskop ähnlich ist); die Linse hatte 35 cm 
Brennweite und wurde mit einer Blende von 0,25 mm verwendet. 

Der Momentverschluss 
bestand in einem Fallbrette 
mit Kautschukbändern. Die 
Exposition war auf Vöo So- 
cunde bemessen und hätte 
noch abgekürzt werden 
können, doch scheint dies 
fiir aerostatische Aufnahmen 
nicht nothwendig zu sein. 

Die Abfahrt des Ballons 
erfolgte um 1 Uhr 40 Minuten 
bei südwestlichem Winde. 

Eine erste Aufnahme wurde Fig. es. Erklärender Plan fUr die Photographie von Fig. 66. 

X, in ■%€' i. "1. j 1- Port de l'Hotel - de - ViUe. 2. Qaais de l'Hotel-de-Ville. 

naCÜ 10 MmUten über dem 3. Bue de Brosse. 4. Alte Caseme Lobau. 5. Bue de I'Hotel- 

-r,, ,,. i T> UM- -U' u de-Ville. 6. Brücke Louia -Philippe. 7. Kalte Bäder. 8. Des- 

ÜitabllSSement „Bon-MarCnee gleichen. 9. Bue de BeUay. 10. Quai de Bourbon. 11. Quai 

j T> T» T- 1 T_ • d'Orleans. 12. Brücke Saint-Louis. 13 und 14. Schiffe, 

m der KUe ijabylOne bei 15. Landungabrücke rar schiffe. 

einer Höhe von 670m gemacht 

und für das Journal „L'IUustration" photozinkographisch reproducirt. Auf 

einer zweiten Aufnahme war die Umgebung der Polizeipräfectur abgebildet; 




86 



XIV. Capitel. 



auf einer dritten, welche über der Insel St. Louis bei 605 m Höhe aufge- 
nommen wurde, findet man alle Details; man kann die Eauchfänge der 
Häuser, die Bäume in den Alleen zählen. Die photozinkographische Re- 
production der Aufnahme ist in Fig. 66 gegeben. Der kleine Plan, welcher 
in Fig. 68 abgebildet ist, stellt die topographische Aufzählung der in der 
Photographie abgebilden Gegenstände dar. 

Im Verlaufe des Balloncurses , welcher sich bis Beims erstreckte, 
wurden noch mit Erfolg mehrere Aufnahmen in und ausser Paris bei 
Höhen von 800 — 1000 m hergestellt. Mit dem verticalen Apparate wurden 
auch Aufnahmen der Wolken versucht, die in der Luft schwebten, wobei 




Fig. 69. Diagramiu des Weges nnd der Erhebung des Ballons von Tissandier. 



jedoch die weissen Wolken, welche sehr intensiv die Sonnenstrahlen reflec- 
tiren, keine befriedigenden Resultate gaben. Für solche Aufnahmen muss der 
Apparat in anderer Weise angeordnet werden, und diese Versuche müssen 
demnach einer späteren photographischenBallonexpedition vorbehalten bleiben. 

Der Weg, welchen Tissandier's Ballon von 1 Uhr 40 Minuten bis 
zu seiner Landung um 6 Uhr 30 Minuten zurücklegte, sowie dessen 
Erhebung in die Luft ist durch das Diagramm in Fig. 69 angegeben. 
Nach 6 Uhr gelangte der Ballon in eine Höhe von 1940 m und stieg 
über die Wolken. 

Auf Grundlage der erzielten gelungenen Aufnahmen in Vogelperspective 
folgert Tissandier, dass die Photographie im Ballon mit höchst empfind- 
lichen Emulsionsplatten für die Aufnahmen von Plänen, Festungen und 



Die Photographie vom Luftballon aus. 87 

feindlichen Werken eine bedeutende Zukunft hat. Auch in geographischer 
Beziehung hat man ein mächtiges Hilfsmittel, um schwer oder gar nicht 
zugängliche Stellen aufzunehmen, sobald über denselben ein Ballon hin- 
ziehen kann. 



Yerwerthung der „Ballonphotographie" zu geodätisohen Zwecken. 

Wenn man nun scharfe Platten vom Ballon aus erhalten hat, fragt 
es sich, wie man aus diesen den Plan einer Gegend fär geodätische Zwecke 
construiren kann; denn man kann mit Bestimmtheit behaupten, dass die 
empfindliche Platte während der Aufnahme fast nie horizontal genug 
stehen wird, um das Bild als eine ähnliche Projection der natürlichen 
Landschaft betrachten zu dürfen; es wird vielmehr immer mehr oder 
weniger perspectivisch verkürzt sein. Da gibt es nun nach Dr. Stolze 
ein ungemein einfaches und zuverlässiges Mittel, um die richtige geo- 
metrische aus dieser perspectivischen Projection zu finden. Man steckt 
nämlich auf einer ebenen Fläche des aufzunehmenden Terrains ein genaues 
Quadrat von grösseren Dimensionen, z.B. 200:200 m, ab, und markirt 
die Eckpunkte so, dass sie sich deutlich mit photographiren. Aus dem 
nun perspectivisch verkürzten Bilde desselben kann man mit Leichtigkeit 
alle Constanten der perspectivischen Verschiebung finden, so dass man 
nachher im Stande ist, dadurch, dass man die Perspective rückwärts 
construirt, für jeden Punkt des Bildes den entsprechenden Punkt der 
geometrischen Oonstruction zu finden, die sich dann, falls man es mit 
einer annähernden Ebene zu thun hat, ungemein einfach gestaltet. 

„Complicirter wird die Sache", schreibt Dr. Stolze, „wenn das 
Terrain wellig oder gar gebirgig ist. Dann muss man mit Nothwendigkeit 
einige gewöhnliche photogrammetrische Aufnahmen mit zu Hilfe nehmen, 
um die Niveauunterschiede zu finden und alle Daten der Platte auf einen 
Horizont zu reduciren. Trotzdem wird auch so die Arbeit bedeutend 
einfacher, als wenn man auf terrestrische Photogramm etrie allein ange- 
wiesen ist, und man kann wohl sagen, dass nach dieser Methode ge- 
machte Ballonaufnahmen, durch ihre Einfachheit und die Leichtigkeit, 
mit der sie sich construiren lassen, Alles weit übertreffen, was auf dem 
Gebiete geodätischer Specialaufnahmen bisher geleistet wurde. Besonders 
im Flachlande gehört ihnen unzweifelhaft die Zukunft, und man wird in 
nicht allzulanger Zeit kaum begreifen können, wie es möglich war, so 
lange ohne sie auszukommen. Möge sich die Photographie schnell auch 
dieses ihr zugehörige Gebiet erobern!" 



XV. OAPITEL. 



Die MomentphotograpMe in Anwendung auf die Astronomie 

und Meteorologie. 



Die Photographie hat der Astronomie und Meteorologie schon gute 
Dienste geleistet. Z.B. ist es bekannt, dass mit Hilfe der Stereoskop- 
Photographie die Kugelform des Mondes bewiesen werden kann. 

Ich will hier auf die 
Photographie der Sonnen- 
corona und andere Ge- 
biete der Astrophotographie 
nicht eingehen , sondern 
nur Janssen's Apparat zur 
Herstellung momentaner 
photographischer Serien- 
bilder von Erscheinungen 
am gestirnten Hinunel be- 
schreiben, weil er dieAn- 
• regung zu Marey's bahn- 
brechenden Arbeiten gab. 
Prof. Janssen in 
Paris bediente sich der 
Momentphotographie zur 

Fig. 70. Positives Bild einer Aufnahme von Jansen mit dem bildUcheU Darstollunff der 

astronomischen Bevolver, beim Venus-Vorübergang am 8. Dec. 1874. ^ 

Positionen des Planeten 
Venus bei seinem Vortibergange vor der Sonne. 

Janssen benutzte im Jahre 1874 einen eigenthtimlichen , von ihm 
construirten astronomischen Eevolver, in welchem sich eine empfindliche 
Platte drehte und erhielt in ihrem Umkreise in rascher Aufeinanderfolge 
eine Anzahl von nebeneinander befindlichen Momentaufnahmen. 

Fig. 70 zeigt eine Serie von Photographien der Venus, während ihres 
Vorüberganges vor der Sonne in Intervallen von 70 Secunden (Facsimile 
nach einer Photographie von Janssen^). 

^) Aus Marey's Developpement de la methode graphique. 1884. 




Die Momentphotographie in Anwendung auf die Astronomie eto. 89 

Die Scheibe der Venus hebt sich schwarz vor einem dreieckigen, 
glänzenden Ausschnitt der Sonnenscheibe ab. Die Scheibe, welche im 
ersten Bilde aus der Sonnenscheibe austritt, ist im dritten Bilde im innern 
Gontact mit ihr. 

In neuester Zeit wurde die Photographie zum Beobachten des Stern- 
schnuppenfalles am 27. November 1885 in Berlin zufolge einer Anregung 
Dr. Zenker 's angewendet. Jedes Jahr erscheinen im November zahlreiche 
Sternschnuppen. Besonders glänzend war der Sternschnuppenfall am 
27. November 1872, als die Erde durch die Bahn des Biela'schen Cometen 
ging und mit einer Gegend des Cometen, dessen einzelne Theile dann 
als Sternschnuppen auf die Erde fielen, selbst zusammentraf. Dasselbe 
Phänomen wurde von dem Astronomen für den 27. November 1885 vor- 
ausberechnet und traf auch ein. Um möglichst viele und sichere Be- 
obachtungen zu erhalten, schlug Dr. Zenker die Photographie als 
Beobachtungsmittel vor. 

Wird ein feststehender Apparat gegen den Himmel gerichtet, so 
erscheinen nicht nur die Fixsterne, und zwar in Folge ihrer scheinbaren 
Bewegung, als kleine Linien, sondern zwischen ihnen hindurchgehend auch 
die Bahnen der dort fallenden Sternschnuppen. Obwohl die Dauer der 
Sternschnuppen nur wenige Augenblicke (1 bis 2 Secunden) beträgt, so 
entsteht dennoch ein Lichtbild. Stellt man zwei unter sich identische 
Apparate parallel zu einander in einer Distanz von einigen Kilometern auf, 
so können durch Vergleichung der auf beiden Platten entstehenden Licht- 
linien die Wege der Meteore in der Luft räumlich construirt werden. 
Diese und andere astronomische Probleme sind mit Hilfe der Photographie 
lösbar und die in den Berliner Observatorien vorgenommenen ersten Ver- 
suche in dieser Bichtung fielen sehr befriedigend aus. 



Die atmosphärischen Erscheinungen und die Färbung des Himmels, 
welche seit der Eruption des Vulkans Krakateo vom 27. August 1883 
die Aufinerksamkeit aller Meteorologen erregte, wurden mit grösster Wahr- 
scheinlichkeit auf den massenhaften Auswurf von staubförmigen Theilchen 
und Dämpfen in die Luft zurückgeführt. Thollon bemerkte, dass der 
sonst so reine Himmel von Nizza trüb und neblig war und dass die Sonne 
selbst während der schönsten Tage von einer Art von Hof umhüllt war. 

Ch. Moussette in Auteuil machte später dieselbe Beobchtung und 
versuchte das interessante Phänomen zu photographiren , was auch voll- 
ständig gelang. Am 23. April 1884 mittags photographirte er den Hof 
um die Sonne und Fig. 71 zeigt das Facsimile der Momentphotographie 
eines besonders charakteristischen Sonnenhofes. ^) 

1) La Natnre. 1884. S. 462. 



90 



XV. Capitel. 



Zugleich erscheinen auf dieser Platte einige Wolken abgebildet. 
Dass ein genaueres Studium der Wolken, besonders ihrer Form und 
Höhe, von hohem Werth für die Erkenntniss der atmosphärischen Vor- 
gänge ist, wurde von den Meteorologen bereits allgemein anerkannt. 

Das von Dr. Zenker schon im Jahre 1860 erfundene und von Braun 
1867 verbesserte „Nephoscop" gab die Wolkenhöhe und Eichtung der 
Bewegung nicht sehr genau an. Weitaus vollkommener ist die photo- 
graphische Methode. 

Harwer beschrieb 
im Jahre 1881 einen 
Apparat, um die Wolken 
mittels des photogra- 
phischen Stereoskop- 
Apparates zu unter- 
suchen und Aufschlüsse 
über ihre Form und 
senkrechten Dimen- 
sionen zu gewinnen. ^) 
Unter Leitung von 
A b n e y wurde diePhoto- 
graphie in Kew in Eng- 
land im Jahre 1883 
zu demselben Zwecke 
im grösseren Umfange 
benützt. Es wurden zu 
beiden Enden einer 
Basis von 200 m Länge 
zwei Oamera's aufge- 
stellt, gegen die Wolken 
gerichtet und dann 
elektrisch gleichzeitig 
dieselben Wolkengebilde aufgenommen und trigonometrisch alle gewünschten 
Dimensionen bestimmt. 

Wie Dr. Zenker in den „Photographischen Mittheilungen" (1884, 
S. 121 und 138) veröffentlichte, machte er seit dem Sommer 1882 gleich- 
falls Versuche mit Hilfe der Photographie die Wolkenhöhe zu bestinmien. 
Er bediente sich zweier oder dreier photographischer Apparate von gleicher 
Brennweite (= 50 cm) und benützte Platten von 14 cm im Quadrat. Die 
meisten Vortheile ergab die Aufstellung der Camera mit senkrechten Axen, 




Fig. 71. Momentphotographie eines Sonnen-Hofes. 



1) Photogr. Wochenblatt. 1881, S. 104. 



Die Momentphotographie in Anwendung auf die Astronomie etc. g| 

während ein Fadenkreuz sich mitphotographirte. BetreflFs der zur Berech- 
nung nöthigen Formeln verweisen wir auf die Originalabhandlung. 

Durch diese Aufnahmen wurde bewiesen, dass die für die Wetter- 
bestimmung so wichtigen und durch ihre eigenthümliche Form so ausge- 
zeichneten Cirruswolken weniger hoch schweben, als man bisher glaubte. 
Man kann an den Cirruswolken das Herabsinken der oberen warmen und 
feuchten Luftströmungen Schritt für Schritt verfolgen, sowie an den Haufen- 
wolken das Emporsteigen derselben am Tage und das Niedersinken am 
Abend. Man kann die wirklichen Geschwindigkeiten der über einander 
hingehenden Luftströmungen bestinmien und danach ihr Eintreffen an ent- 
fernteren Orten und ihren Einfluss auf die Bewegung der Minima voraussagen. 

Man kann die Vorgänge der Eegenbildung innerhalb der Wolken, 
sowie die wirkliche Gestalt der Wolken erkennen. 

So erscheint denn die Beobachtung der Wolken mit Hilfe der Augön- 
blicksphotographie als ein wichtiges Hilfsmittel meteorologischer Forschung, 
sowohl in wissenschaftlicher, wie practischer Beziehung. Es wäre daher im 
höchsten Grade wünschenswerth , wenn dieselben systematisch und durch 
längere Zeit auf einer Anzahl von meteorologischen Stationen eingeführt würde. 



Eines der merkwürdigsten Momentbilder, welches ein seltenes atmo- 
sphärisches Phänomen zum Gegenstand hat, stammt von Eobinson 
Howard (Miner Countj in Dakota in den vereinigten Staaten). Am 
28. August 1885 ging ein Tornado in der Nähe der Stadt vorüber. Solche 
Tornados sind fürchterliche Orkane zur Eegenzeit in den Wendekreisen. 
Der erwähnte Orkan trat um 4 Uhr Nachmittags auf und ging in der 
Eichtung nach Süd -West. Er dauerte zwei Stunden und tödtete viele 
Personen und zerstörte alle Ansiedlungen , welche er im Wege fand. 
Langly, der bekannte französische Astronom und Akademiker, erhielt 
das Bild gelegentlich einer Visite des Observatoriums Washbum (Madison, 
Wisconsin) durch dessen Director Holden. Allerdings glauben Langley 
und Holden, dass das Originalnegativ einer Eetouche unterzogen worden 
sei, allein dennoch handelt es sich um eine Eeproduction reeller Phänomene 
welche merkwürdig genug sind, dass sie unilbre Aufmerksamkeit verdienen. 
Die Journale von Wisconsin, welche vom Tornado vom 28. August 
sprechen, geben die Geschwindigkeit des Orkans auf 64 km an und die 
zerstörte Strecke, welche seinen Weg bezeichnet, auf 91 m Breite. Wir 
geben in Fig. 72 das Facsimile der genannten Photographie nach den 
„Comptes rendus des s6ances de l'Academie des Sciences de Paris". Der 
Tornado streift den Boden mit seinem unteren Ende. Seine heftigen Wirbel 
reissen alles vom Erdboden weg, was irgendwie beweglich ist und zwar 
werden die Gegenstände horizontal weggerissen und nicht emporgezogen, 



92 XV. Capitel. Die Momentphotographie in Anwendung auf die Astronomie etc. 

wie man sich gewöhnlich vorstellt; zugleich werden riesige Ströme von 
Staub aufgewirbelt. 

Man hat beobachtet, dass diese gefürchteten Wettersäulen mit ihren 
mächtigen Wirbeln durch Störungen in den oberen Luftschichten entstehen, 
sich dann nach einer gewissen Richtung fortbewegen, ohne in ihrer Form 
wesentlich geändert zu werden. Die „Wetterschichte" liegt so zu sagen auf 




Fig. 72. Photographie eines VTirbelsturmes. 

den unteren, verhältnissmässig ruhigen Luftschichten auf und bewegt sich 
darauf mit Eilzugsgeschwindigkeit weiter. Nur an einer einzigen Stelle 
verlängerte sich in dem vorliegenden Falle die Wettersäule bis zum Erd- 
boden. Die gewaltigen Wirbelstürme (Oyclonen) oder Hurricone (wie man 
sie in Westindien nennt), oder Teifune (wie sie im Chinesischen Meere 
heissen), sind noch immer unklare Erscheinungen und der gegenwärtige 
Stand der Wissenschaft erlaubt nicht, irgend welche Gesetze ihrer Be- 
wegung aufzustellen, obschon diese höchst wichtig für die Schiflffahrt wären. 
Darüber hinaus können nur sorgfältige objective empirische Beobachtungen 
helfen und die Momentphotographie hat schon heute, wie wir gesehen 
haben, einen kleinen Beitrag hierzu geliefert. 



XVI. CAPITEL. 



Die MomentphotograpMe züm Studium physikalischer 
Bewegungserscheiuungen. 



Sowohl Physiker, als auch Mathematiker stehen oft ebenso häufig wie 
Physiologen, vor der Aufgabe, die Bahn von Körpern, welche sich in 
Bewegung befinden, zu bestimmen. 

Man kann diese Fragen mittels der Photographie lösen, wenn man 
einen glänzenden oder weissen Körper vor einem schwarzen Hintergrunde 
bewegen lässt. Es gelingt so leicht, die parabolische Bahn eines ge- 
worfenen Körpers genau abzubilden. 

Auch complicirtere Aufgaben lassen sich lösen, z. B. die Cycloide, 
diese eigenthümliche Curve, deren Berechnung und Construction viel 
mathematische Kenntnisse erfordert, lässt sich leicht photographisch 
darstellen. Man bringt an einer schwarzen Scheibe einen glänzenden 
Punkt an und lässt die Scheibe langsam laufen. Eichtet man einen photo- 
graphischen Apparat gegen diese Scheibe, so bildet sich als continuirliche 
Curve die Cycloide ab. 

Bei der Photographie der Fall- oder Flugbahnen von geworfenen 
Körpern erscheint eine Notirung der Zeit höchst wichtig, weil man die 
Bewegungsgesetze sonst nicht erkennen kann. 

Man weiss bei der gewöhnlichen Momentphotographie zwar, an welchen 
Orten des Baumes der leuchtende Punkt sich befand, man kennt aber 
nicht den .Weg, welchen er in jedem Zeitpunkte seines Laufes zurück- 
gelegt hat. Diese Kenntniss der Zeit erhält man nach Marey (Developpe- 
ment de la Möthode Graphique par l'emploi de la Photographie, 1884, S. 42) 
auf folgende Art: 

Statt den photographischen Apparat fortwährend vor dem sich be- 
wegenden leuchtenden Punkte offen zu halten, unterbreche man das Licht 
in regebnässigen und bekannten Zwischenräumen; man wird auf diese 
Weise eine unterbrochene Bahn erhalten, weil das Einlassen des Lichtes 
in den Apparat ein intermittirendes ist. 



94 



XVI. Capitel. 



Um die regelmässigen Unterbrechungen in der Beleuchtung zu er- 
zielen, lasse man vor dem Objectiv mittels eines gleichförmigen Eäder- 
werkes eine Scheibe sich bewegen, welche zehn Umgänge in der Secunde 
erreicht und mit zehn Fenstern versehen ist, also wird in jeder Secunde 
100 mal das Licht in den photographischen Apparat eingelassen. Auf 
diese Art wird die Bahn Zwischenräume zeigen, welche das Mass des 
Baumes geben, den der leuchtende Körper in dem hundertsten Theile einer 




Fig. 73. Ghronographische Bahn eines Körpers, welcher frei fällt, nachdem er eine 
horizontale Bewegung erhalten hat 



Secunde zurückgelegt hat. Je nach der Geschwindigkeit, welche einem 
leuchtenden Punkte ertheilt wird, wird seine Bahn von sehr dicht ge- 
drängten oder von mehr oder weniger auseinanderliegenden Punkten ge- 
bildet erscheinen, deren Länge den Baum anzeigt, welchen der leuchtende 
Punkt während der Dauer der Exposition zurückgelegt hat. In der para- 
boüschen Curve eines Körpers, welcher horizontal geworfen wurde (Fig. 73), 
stellt die Bahn sehr gedrängte Bilder im oberen Theile dar, als der be- 
wegte Körper noch eine geringe Geschwindigkeit besass, weiche jedoch 
immer mehr von einander entfernt sind, in dem Masse, als der Fall ein 
beschleunigterer wird. Die Scheibe, welche die Exposition unterbricht, ist 



Die Momentphotographie zum Studium physik. Bewegungsersoheinungen. 



95 



mit zehn Fenstern durchbrochen, deren eines grösser ist als die anderen 
und ein intensiveres Bild entstehen lässt. In gleicher Weise hat Marey 
das Bild der Bahn einer Elfenbeinkugel erhalten, die nach dem Auffallen 
auf einen Marmortisch wieder zurückprallte (Fig. 74). 

Gewisse Körper, welche in Bewegung begriffen sind, erleiden während 
des Falles eine gewisse Aenderung in der Bewegung um sich selbst, welche 
zu kennen sehr interessant ist. So bedauert Marey lebhaft, dass er bei 
Gelegenheit der genauen Erforschung der Flugbahn gewisser Körper kein 




Fig. 74. Ghrooographische Bahn eines fallenden und zurückprallenden Körpers. 



Mittel kannte, die Aenderungen in ihrer Bewegung um sich selbst bestimmen 
zu können, welche sie in der Luft, in der sie fliegen, in verschiedenen Ab- 
ständen ihrer Bahn erfuhren, so machen z. B. gewisse kleine Vorrichtungen 
aus Papier, welche die Form von Vögeln besitzen, während ihres Falles 
eigenthümliche Flug-Bewegungen, welche zur Erkenntniss der mechanischen 
Vorgänge während des Fluges von Belang sind. 

Pline, welcher diese Gattung von Versuchen erfunden hat, zeigte, 
dass diese kleinen Apparate verschiedene Bahnen einschlagen, je nach der 
Stellung ihres Schwerpunktes, der Biegung ihrer Flügel, der Breite ihrer 
Oberfläche, der Länge und Richtung ihres Schweifes. Die Kenntniss dieser 



96 



XVI. Oapitel. 



Bewegungen ist von grosser Wichtigkeit zur Erklärung der Mechanik des 
schwebenden Fluges gewisser Vögel. 

Wenn man einen dieser kleinen Apparate durch das Ende des Schweifes 
vertikal aufgehängt hält, wie auf Fig. 74 ersichtlich ist, und man ihn 
plötzlich auslässt, so sieht man ihn zuerst beinahe senkrecht fallen, 
dann von der Bahn ablenken und sich nach vorwärts bewegen mit be- 
schleunigter Bewegung, welche jedoch der Widerstand der Luft bald auf 
eine gleichförmige Bewegung zurückführt. Die Bahn, welche er zurück- 
legt, ist bisweilen sehr lang gestreckt und der Apparat, welcher von einer 
Höhe von 2 Metern föUt, kann einen Weg von 7 — 8 Metern zurücklegen, 
bevor er den Boden berührt. Anderemale wird der Apparat, nachdem er 
einen abwärts gerichteten Weg zurückgelegt hat, wieder aufwärts in einer 
ziemlich bedeutenden Höhe sich bewegen und so die Art der Eaubvögel 

nachahmen, welche die Falkner „La 
ressoucre" genannt haben. Diese 
Aenderungen in der Richtung des be- 
weglichen Gegenstandes hängen von 
der Verschiedenheit in der Neigung 
während des Falles ab. Aber man 
kann nur ungefähr auf diese 
sich rasch folgenden Bewegungen 
schliessen und das Auge wird nur 
in unsicherer Weise diese Ablen- 
kungen in der eingeschlagenen Bahn 
beurtheilen können. Um dieEinfltisse 
zu bestimmen, welche die Ge- 
schwindigkeit des Apparates in der 
Luft ändern, ist es unumgänglich 
nothwendig, mit Genauigkeit die 
Bahn desselben in einer Reihe von Versuchen kennen zu lernen, wo- 
bei man die durch das Gleichgewicht, die Oberfläche und die 
Gestalt gegebenen Bedingungen wechseln lässt. Die Photographie gibt 
alle diese Auskünfte, auch dürfte es sehr wichtig sein, dieselben für jene 
Leute bekannt zu geben, welche sich mit der Luftschiflffahrt befassen, da 
sie durch die aufeinander folgenden Momentphotographien wichtige Aus- 
künfte erhalten werden. 

In Fig. 75 ist ein Schwebeapparat nach den Angaben von Pline abge- 
bildet; die beiden symmetrischen Flügel, welche aus Papier ausgeschnitten 
sind, bilden einen rechten Winkel, welcher oben offen ist. An der Kante 
dieses Winkels ist ein Stift aus Stahldraht angebracht, welcher an einer Seite 
in einen Wachsknopf endet. Dieser kleine Flugapparat kann in der Länge 
des Stiftes verschoben werden, um den Schwerpunkt mehr oder weniger weit 




Fig. 75. 
Schwebeoder Pspierspparst, Ton oben gesehen. 



Die MomentphotograpMe zum Studium physik. Bewegungserscheinungen. 



97 



von den Flügeln zu entfernen, andererseits ist ein Sehweif am Eücktheile des 
Apparates durch einen Streifen Papier gebildet. Diesem Schweife kann 
man verschiedene Neigungen geben, auch die Flügel können in verschiedener 
Weise gebogen werden. Alle diese Abänderungen wirken auf die Bahn 
des Apparates, wie bemerkt wurde, ein. Um jedoch in jedem Falle die 
Stellung und Richtung des Apparates an verschiedenen Orten seiner Bahn 




^T- 



I 




Vlg. 76. Ghronographisohe Bahn eines frei fallenden Schwebeapparates. 

ZU kennen, genügt es, auf die aufeinander folgenden Momentphotographien 
zurückzugreifen. Die Fig. 76 zeigt die verschiedenen Phasen der Be- 
wegungen des Apparates mit seiner Flugbahn, die Aenderungen in der 
Stellung und in der Geschwindigkeit von dem Zeitpunkte an, wo man ihn 
vertikal fallen lässt, bis zu jenem, wo er eine ziemliche Geschwindigkeit 
in horizontaler Eichtung erfahren hat. 



Eder, Momentphotographie. 2. Aufl. 



XVII. OAPITEL. 



Die Photographie von KanonenscMssen, Sprengungen, 
fliegenden Kugeln nnd Schallwellen. 



I. Photographie eines Kanonensohusses. 

Das Abfeuern eines Kanonen- oder Flintenschusses gehört zu jenen 
Erscheinungen, welche in wenigen Augenblicken verlaufen. 

Im Momente des Abfeuerns entströmt eine compakte Eauchwolke dem 
Bohre, welche, in immerwährendem Schwanken begriflfen, rasch ihre Form 
und Gestalt wechselt und als formloser Dunst in der Luft verschwindet. 
Wie T)ft wurde nicht der Bauch der Geschütze in Bildwerken aller Art 
gezeichnet, aber es mag dieser wohl selten nach der Natur copirt worden 
sein. Die Phantasie schafft ein beiläufiges Bild und der Beschauer pflegt 
demselben keine weitere Aufmerksamkeit zuzuwenden. 

Es erfordert viel Geduld, die einer Kanone entströmenden Eauchmassen 
im richtigen Moment photographisch abzubilden. 

Nimmt man die Belichtung einige Augenblicke zu spät vor, so hat 
der sich ausdehnende Bauch die ganze Scene verhüllt. Einen Augenblick , 

zu früh ist der Bauch noch gänzlich im Bohre. I 

Wir führen unseren Lesern in Tafel XII und XIII zwei Momentbilder | 

einer abgefeuerten Kanone vor. I 

Die beiden vortreiflich gelungenen Momentphotographien der Bauch- 
erscheinung bei einem blinden oder scharfen Kanonenschuss wurden im 
Sommer 1884 bei guter Sonnenbeleuchtung von dem österreichischen 
Artillerie-Lieutenant Ludwig David hergestellt. Wir sehen die Be- 
dienungsmannschaft und den Offizier in ihrer Beschäftigung und an einem 
der Bilder einen Sonnenschutzschirm aufgespannt. Die Aufnahme des 
blinden Schusses aus zwei schweren Feldgeschützen erfolgte gelegentlich 
eines Manövers im Wiener Walde bei einer Expositionsdauer von circa 
V50 Secunde. Die Contouren des Bauches sind bei dieser Beleuchtungs- 



Die Photographie von Kanonenschüssen, Sprengungen, fliegenden Kugeln etc. 99 

dauer bereits etwas verwischt. Der scharfe Schuss, aus einem eben solchen 
Feldgeschütz, wurde während der scharfen Schiessübungen auf dem 
Artillerie-Schiessplatze Steinfeld bei Wiener-Neustadt bei einer viel kürzeren 
Expositionsdauer von nur circa V300 Secunde aufgenommen. Trotz der 
vehementen Expansion des Eauches sind in Folge der sehr verminderten 
Belichtungszeit die Contouren hier noch scharf, d. h. die Rauchwolke zeigt 
sich noch in ihrer ganzen compakten Masse. In beiden Fällen sehen wir 
aus dem Zündloche eine dünne Eauchsäule mit Heftigkeit in die Luft 
getrieben. Die Entfernung des Apparates vom Geschütz betrug circa 20 m. 
Die zur Aufnahme benutzten photographischen Bromsilberplatten wurden 
mit dem Pottaschen-Entwickler hervorgerufen. 

n. Sprengung eines Felsens unter Wasser. 

Bei der grossartigen Sprengung der Höllenthor-Felsen bei New- York 
hatte die Momontphotographie eine Gelegenheit, ihre Leistungsfähigkeit zu 
zeigen. Die Vorbereitungen zu dieser Eiesensprengung erforderten mehrere 
Jahre und es mussten die Minen gross tentheils unter dem Meeresspiegel 
gemacht werden. 

Die DynamitJadung wurde im October 1885 von der Küste von Long-. 
Island aus durch den electrischen Draht entzündet. Die Explosion wurde 
in der Entfernung von mehreren Meilen empfunden. 

Im Augenblicke der Explosion war das Wasser sehr bewegt. Eine 
ungeheure Menge von Wasser mit Steinen und Holz wurde 150 bis 200 
Fuss in die Höhe geschleudert. Die Ufer waren von Schaulustigen dicht 
besetzt und von der Meeresseite hatten sich in sicherer Entfernung zahl- 
reiche Schiflfe eingefunden. 

Auf einem Dampfer hatte sich E. P. Griswold mit einem photo- 
graphischen Apparate^) aufgestellt und unmittelbar nach erfolgter Explosion 
eine Momentaufnahme gemacht, w^obei die Wassermassen sich am höchsten 
in der Luft befanden. Das amerikanische Journal „The World" (11. October 
1885), sowie der „Scientific americain" (17. October 1885) publicirten 
die damals aufgenommenen Momentphotographien.^) 

Wir fügen das Facsimile der in letzterem Journale abgedruckten 
photographischen Aufnahme bei, welche nebst vier anderen Momentbildern 
von den Mitgliedern der Society of Amateur Photographers in New-York 
(Beach, Eipley, Dubois, DarrowO hergestellt wurde. 

Die Abbildung Fig. 77 zeigt die durch die Explosion emporge- 
schleuderten colossalen Wasserberge, welche fast Eisbergen gleichen. 



^) Als Objectiv diente eine Morris on^sohe Linse. 

2) Auch in Anthony's Photogr. Bulletin (New-York) 1886, Bd. 17, No. 2 sind 
Lichtdruoi«e nach Original -Negativen beigegeben. 

7* 



Die Photographie von Kanonenschüssen, Sprengungen, fliegenden Kugeln etc. IQl 



m. Photographie von emporspritzendem Wasser und dergl. 

Prof. Pickering ^) in Cambridge (Amerika) photographirte desgleichen 
emporspritzendes Wasser. Es wurde ein Stein in einen Kübel voll Wasser 
aus einer Höhe von 6 oder 7 Fuss fallen gelassen und ein Bild des in die 
Höhe gespritzten Wassers, welches verschiedene Formen annimmt, aufge- 
nommen. Die Expositionszeit betrug Vso Secunde. Herr Prof. Pickering 
war so gütig, die Copien dieser und anderer ähnlicher Aufnahmen (z. B. das 
aus einem umgeworfenen Glase frei herabfallende Wasser) dem Verfasser zu- 
zusenden. Ein anderes Bild stellt einen Lampencylinder dar, wie ihn eben 
eine Flintenkugel zerschmettert. Die Belichtungszeit betrug Vi50 Secunde. 

IV. Vernichtung eines Maulesels durch eine Dynamitpatrone. 

Ein bemerkens- 
werthes Experiment BS18^ ^^ 7^^^^-^. ^^i^ 
führte der Amerikaner 
Henry L. Abbot im 
Juni 1881 vor. Es galt 
einen unbrauchbaren 
Maulesel zu vernichten, 
und man wollte diese 
Gelegenheit benützen, 
um die Empfindlichkeit 
der Gelatineplatten zu 
demonstriren. Hierzu 
wurde dem Thiere eine 
Dynamitpatrone vor den 
Kopf gebunden und ein 
photographischer Appa- 
rat gegen dasselbe ge- 
richtet. Dieselbe elec- 
trische Leitung brachte 

die Patrone zur 
Explosion und löste den 
Momentverschluss der 
Camera aus. 

Fig. 78 zeigt das 
lebende Thier, Fig. 79 
dasselbe unmittelbar 
nach der Explosion; es ^BH^^^^^Hi^BBL^A^^tiiS^ij^^^^^:^ 

steht noch auf den Fig. 79. Mauleäel nach der Explosion. 




Fig. 78. Maulesel vor der Explosion. 




^) Proceedings of the Americain Academy of Arts and Sciences. 1885. 



102 



XVII. Capitel. 



Beinen, während der zerstückelte Kopf heriimgeschleudert wird und sich 
der Schwanz krampfhaft krümmt. Die Figuren sind getreue Holzschnitte 
nach den I^hotographien. ^) 

V. Photographie abgeschossener Kugeln. 

Viel schwieriger als die Aufnahme des dem Geschütze entströmenden 
Dampfes ist die Photographie einer abgeschossenen Kugel im Fluge. 

Trotzdem die Geschwindigkeit einer Kanonenkugel 500 m in der 
Secunde beträgt, wurde dennoch im Jahre 1866 im Arsenal zu Woolwich 
in England eine fliegende Kanonenkugel photographirt. 




Fig. 82. Fig. 81. 

Photographie einer abgeschossenen Flintenkugel. 

Ohne Zweifel aber hat Prof. Dr. Mach in Prag für diesen Zweck 
die sinnreichste aller ähnlichen Methoden erdacht und mit bewunderungs- 
würdiger Präcision durchgeführt. 

Prof. Mach^) arbeitet in einem total verfinsterten Eaume, worin sich 
der Apparat und die abzuschiessende Pistole befinden. Da wohl nicht 
leicht ein Momentverschluss rasch genug functioniren würde, um das kleine 



1) Aus Scientific American. 1881, S. 194. 

^) Photogr. Corresp. 1884. S. 288. — Ferner s. Mach, Beitrag zur Mechanik der 
Explosionen (Sitzungsber. d. Wiener Akademie d. Wissenschaften. II. Abth. Juliheft 1885). 



Die Photographie von EanonenschüsseD, Sprengungen, fliegenden Engeln etc. ^03 

Projectil im Fluge scharf zu photographiren , so lässt Prof. Mach die 
photographische Linse gänzlich offen und belichtet nur die fliegende Kugel 
im AugenbUcke des Vorbeifliegens durch einen momentan aufblitzenden elec- 
trischen Funken. Das abgeschossene Projectil besorgt selbst das Entstehen 
dieses Beleuchtungsfunkens an der geeigneten Stelle. 

Die Hinterladerpistole wird sorgfaltig befestigt und das genaue Zielen 
durch Hindurchsehen durch den Lauf mit Hilfe eines Planspiegels be- 
werkstelligt. 

Der Schliessungsbogen einer Flaschenbatterie F ist bei 1 und 2 
unterbrochen (Fig. 80). Fliegt die Kugel bei 1 vor dem Fernrohrobjectiv 
zwischen den Dräthen durch, welche mit Glasröhren bedeckt sind, so 
zerschlägt sie dieselben und es erscheint bei 1 und 2 ein Entladungsfunke. 
Das Licht von 2 dient zur Momentbeleuchtung der Kugel, sammelt sich 




Fig. 83. 
Photogfliphie der Dichtenünderung der Luft. 



mit Hilfe von an dem Kopfe K der photographischen Kammer 
und entwickelt in P das Bild. P ist natürlich auf 1 möglichst scharf 
eingestellt. 

Die Elektroden bei 1 sind in nebenstehender Zeichnung (Fig. 81) 
dargestellt: gg Glassäule auf einem Brette 6 6, mm Messingstäbe, dd 
Zuleitungsdräthe , rr Glasröhrchen, bei ee zugeschmolzen, mit dünnen 
Dräthen, die zu mm führen. Fliegt die Kugel bei h durch, so zerschlägt 
sie die Bohren, löst den Funken aus und wird mit diesem und den noch 
stehenden Bohren sichtbar. 

Das Schema des Negativbildes ist auf Fig. 82 abgebildet. 

00 00 Abbildung des erleuchteten Fernrohrobjectivs, r r sich deckende 
Glasröhren, dd ein Zuleitungsdraht , der zur bequemeren Orientirung im 
Gesichtsfelde belassen wurde, f (der schwarze Fleck) Funke bei 1, ä 
Kugel (nicht ganz kugelförmig aus käuflichen Patronen). Die Abbildung 
ganz scharf. 



1()4 



XVII. Capitel. 



VI. Photographie der Dichtenänderung der Luft. 

Ein Momentbild, um die Dichtenänderung der Luft nach derPoucault- 
Töpler'schen Schlierenmethode und durch folgende Vorrichtungen er- 
halten (Fig. 83). 

F Flasche zur Momentanbeleuchtung (im dunklen Zimmer). Das von 
dem Funken f ausgehende Licht wird durch das Femrohrobjectiv 
auf der Blendung h b hart am Eande derselben gesammelt. Verursacht 
der untergestellte Bunsen- Brenner Unregelmässigkeiten in der Luft vor 
0, so gelangt das unregelmässig gebrochene Licht neben bb vorbei 
auf den Kopf k der Kammer und bildet die Dichtenänderungen der Luft 
auf P ab. 




Fig. 85. 



Photographie einer Schallwelle. 



Das beigegebene Bild ist ohne Weiteres verständlich. 
Zur Ersichtlichmachung einer Schallwelle nach derselben Methode 
wurde folgender Apparat (Fig. 84) verwendet. 



VII. Photographie einer Schallwelle. 

Die Sichtbarmachung der Schallwellen hat zuerst Töpler erzielt. 
Ausgedehnte weitere Studien rühren von Prof. Mach her, insbesondere 
über die genaue und willkürliche Eegulirung der Momentanbeleuchtung. 

Die Flasche I entladet sich über 1 in der Flasche II, die Flasche II 
durch einen sehr langen und dünnen Draht D in die Flasche III, und 
letztere gibt ihren Funken in 2 ab. 

Durch die Entladung in 2 entsteht eine Schallwelle. Erst wenn die- 
selbe zu einer merklichen Grösse sich entwickelt hat, kommt der Funke 
in 2 (etwa 0,00002 Secunde später), beleuchtet dieselbe momentan und 



Die Photographie von Kanonenschüssen, Sprengungen, fliegenden Engeln etc. 105 

entwickelt wie in dem vorigen Fall durch das unregelmässig gebrochene 
Licht ein Bild derselben auf P. 

Das Schema des erhaltenen Bildes ist in Fig. 85 ersichtlich. 

00 00 Bild des Objectivs o, e Bild der sich drehenden Elektroden 1, 
f (der schwarze Fleck) Bild des über die Elektrodenkugeln greifenden 
Funkens bei 1. 

SS SS Bild der Schallwelle. 

Die Arbeiten Prof. Mach's zeigen recht deutlich, wie weit die 
wissenschaftliche Momentphotographie zum Studium sehr flüchtiger physi- 
kalischer Phänomene in den Händen von Gelehrten zu Eesultaten fährt, 
allerdings ist ein hohes Mass von Scharfsinn und Kenntnissen nöthig, um 
die Versuche richtig einzuleiten und erfolgreich durchzuführen. 



XVIII. CAPITEL. 

Die Photographie des Blitzes und des electrischen Funkens. 



I. Die Photographie des Blitzes. 

Seit Benjamin Franklin, der grosse Bürger Amerikas, durch sein 
Experiment mit dem „Drachen" den sicheren Beweis für die Identität von 

Blitz und electrischem Entladungsfunken erbracht 
und den himmlischen Peuerstrahl der Herrschaft 
des Menschen unterworfen, sind die Gewitter- 
Erscheinungen ein wichtiger Theil der Physik 
geworden. Neben den Speculationen über die 
Ursache der atmosphärischen Electricität war es 
namentlich das Studium der verschiedenen Formen 
des Blitzes und seiner Wirkungen, welches das 
Interesse der Forscher wach rief und dessen Re- 
sultate in der allmäligen Vervollkommnung des 
Blitzableiters ihre segensreiche practische An- 
wendung fanden. Der französische Academiker 
Arago unterscheidet in seiner nachgelassenen um- 
fangreichen Monographie über das Gewitter 
folgende drei Hauptarten von Blitzen : Die Linien- 
blitze, welche aus einem schmalen und an seinen 
Rändern scharf begrenzten Lichtstreifen bestehen, 
auch Blitze in „Zickzackform" genannt; sodann 
die am häufigsten vorkommenden Flächenblitze, 
welche am besten durch den Volksausdruck, dass 
sich dabei die Wolken öflfnen, characterisirt sind; 
Fig. 86. endlich die so seltenen Kugelblitze, welche sich dem 

Beobachter in der Form von Feuerkugeln zeigen. 
Zu den herrlichsten, leider aber auch gefährlichsten Naturphänomenen 
gehören sicherlich die Linienblitze. Wessen Herz schlägt nicht höher 
beim Anblicke eines solchen majestätischen Feuerstrahles, der aus einer 




Photographie eines Blitzes. 



Die Photographie des Blitzes und des electrischen Funkens. 



107 



hoch über dem Horizonte schwebenden Gewitterwolke plötzlich zur Erde 
hinunterzuckt und auf dem dunklen Pirmamente eine vielfach geschlängelte 
glänzende Furche von weisser, rother oder violetter Farbe verzeichnet! 
Mancher Naturfreund mochte dabei die Flüchtigkeit der schönen Erschei- 
nung bedauert haben, welche das Studium derselben ungemein erschwert. 
Es ist kaum möglich, alle Theile eines etwas längeren Blitzstrahls gleich- 
zeitig zu übersehen, geschweige denn, die oft merkwürdige Form desselben 
dem Gedächtnisse einzuprägen. Der Engländer Wheatstone konnte durch 





Fig. 87. 



Photographien eines Blitzes. 



Fig. 88. 



sehr sinnreiche Versuche die Zeitdauer des Blitzes messen; sie wurde 
kleiner als ein Millionstel einer Secunde gefunden. Dies ist ein so winziges 
Theilchen der unendlichen Zeit, dass uns zu dessen Vorstellung das 
menschliche Begriffsvermögen ganz im Stiche lässt. Es ruft daher grosses 
Staunen hervor, dass es gelang, den Blitz zu photographiren. Wie ist es 
möglich, so fragt man, eine nur so ausserordentlich kurz andauernde Er- 
scheinung in der photographischen Camera aufzufangen und zu fixiren? 
Dies gelang zuerst einem geschickten österreichischen Photographen, 
Eobert Haensel in Eeichenberg, mit Hilfe der Bromsilbergelatine- 
platten. 



108 XVm. Capitel. 

Viele erfolglose Bemühungen waren vorausgegangen, ehe es unserem 
Photographen in der Nacht vom 6. Juli 1883 vergönnt war, einige prächtige 
Platten mit Blitzbahnen zu erhalten. 




Fig. 89. Photographie eines Blitze». 

Es war das erste mal, dass Blitzstrahlen absichtlich photographirt 
wurden. Eine zufällige Blitzaufnahme geschah etwa gleichzeitig durch 
Crow in England, als derselbe während eines Gewitters einen Kirchthurm 
aufnahm, in welchen im selben Augenblicke ein Blitz einschlug. 

Eobert Haensel war in folgender Weise vorgegangen. Am 6. Juli 
1883 stand ein Gewitter am Himmel und zahlreiche Blitze durchkreuzten 



Die Photographie des Blitzes und des electrischen Funkens. X09 

den Himmel. Der Photograph richtete seinen Apparat gegen jene Stelle 
des Horizontes, wo sich die Blitze am häufigsten zeigten und Hess das 
Objectiv offen. Es war 10 Uhr Nachts und der Hinmiel finster. Im 
Apparate befand sich eine Gelatineplatte und das Bild der aufleuchtenden 
Blitze entstand auf derselben. Auf diese Weise wurden sechs Platten 
exponirt und die erhaitenen Photographien sind in unseren Figuren im 
Facsimile nachgebildet. 

Haensel schätzte die Distanz der Blitze auf 1700 m. Die erhaltenen 
Blitz-Bilder sind sehr interressant in Bezug auf die Form des electrischen 
Funkens. Fig. 86 zeigt einen senkrechten Blitz, dessen Zickzacklinien 
meistentheils schwach abgerundet sind. Zur Linken der Fig. 87 bemerkt 
man einen doppelten Lichtstrahl und in der Mitte theilt er sich sogar in 
drei Arme. Im selben Augenblicke schlägt ein anderer Blitz durch den 
Himmel und dieser ist verästelt; die feurigen Arme gehen von dem mittleren 
Ast aus und einer derselben verliert sich im Baume. Fig. 88 zeigt uns 
zwei sehr hübsche Furchen, welche anfangs parallel laufen, aber sich dann 
nähern, ohne in einander tiberzugehen; schliesslich entfernen sie sich von 
der Grenze des Horizontes; der eine von den beiden hatte auf der Platte 
einen deutlich kräftigeren Eindruck als der andere zurückgelassen. Fig. 89 
ist ein interessantes Bild, welches einen verästelten Blitz in seiner ganzen 
Schönheit wiedergibt. 

Schon die ersten Blitzbilder boten so überraschende Aufklärungen 
über die Form der Blitzbahnen, dass sie das Interesse der bedeutendsten 
Physiker und Meteorologen wachriefen. Der erste Blick auf die porträtirten 
Blitze lehrt, dass die Maler und Schriftsteller alter und neuer Zeit ganz 
fehlgehen, wenn sie den Blitz als eine zickzackförmige Linie darstellen, 
deren einzelne geradlinige Theile scharfe, oft spitze Winkel mit einander 
bilden. Der Blitz bildet eine geschlängelt^ Linie ohne scharfe Ecken und 
gleicht dem electrischen Funken, der sich mittels eines Euhmkorff sehen 
Inductors im physikalischen Cabinet erzeugen lässt. Nur verfügt der 
himmlische Electriker über etwas umfangreichere Apparate und kräftigere 
galvanische Batterien, denn die abgebildeten Blitze hatten, wie sich leicht 
berechnen lässt, die bedeutende Länge von über anderthalb Kilometern. 
Einer der von Haensel aufgenonmienen Blitze zeigt auch die merkwürdige 
Erscheinung der Verästelung, indem sich von dem kräftigen Hauptstrahl 
mehrere Seitenäste nach allen Bichtungen des Baumes abtrennen, die sich 
wiederum in zahbreiche feinere Zweige gabeln. Diese Thatsache lehrt, dass 
der Blitz meist keine einfache Entladung zwischen zwei Punkten ist, sondern 
die Entladung von einem Punkte ausgeht, aber in vielen Punkten 
endet. Eine solche photographisch aufgenommene Blitzbahn hat viele 
Aehnlichkeit mit einem Flusssystem auf der Landkarte, wo zahlreiche Bäche 
und Nebenflüsse zusammenfliessen, um schliesslich den Hauptstrom zu bilden. 



110 XVIII. Capitel. 

von welchem man zwar ein bestimmtes Ende, aber keinen solchen Anfang 
erkennt; nur durchläuft der Blitz seine Bahn umgekehrt, wie der Fluss. 
Es ist bemerkenswerth, dass bereits Arago die Verzweigungen der Blitze 
erwähnt; jedoch hält er nur Gabelungen in zwei oder höchstens drei 
Theile („Dreizack") für beglaubigt und verweist Blitze mit mehr als drei 
Spaltungen in das Eeich der Fabel. Die photographische Platte, welche 
mehr und besser sieht als das Auge des besten Beobachters, belehrt uns 
über die feinsten Aederchen, welche sich von den Zweigen des vom Auge 
allein wahrgenommenen Hauptstrahls abspalten (Fig. 90). Die nach dem 
Vorbilde des Eeichenberger Photographen von Desquesnes in Frankreich 
und Dr. Kays er in Berlin später aufgenommenen Blitzbilder zeigten gleich- 




Fig. 90. Photographie eines Blitze». 

falls sehr zahlreiche Verästelungen. Vielleicht ist es nun begreiflich, dass, 
wie uns Arago erzählt, einst vierundzwanzig Barchen vom Blitze getroflfen 
wurden, obwohl man nur drei deutlich geschiedene Donnerschläge gehört 
hatte. 

Eine andere Photographie eines Blitzes rührt von Desquesnes in 
Billancourt (Seine) her. Mascart legte sie am 21. November der „Societe 
fran^aise de Physique" vor. Er selbst gibt uns hierzu eine anschauliche 
Schilderung: 

„Ich hatte seit geraumer Zeit die Absicht eine Blitzphotographie her- 
zustellen und hatte mir deshalb schon eine Marke an meiner photo- 
graphischen Camera angebracht, welche die Einstellung auf entfernte 
Wolken anzeigte. In dieser Weise konnte ich den Apparat jederzeit auf- 
stellen, ohne den Einstellpunkt erst suchen zu müssen, denn ich musste 



Die Photographie des Blitzes und des eleotiischen Funkens. Xll 

in der Nacht operiren. Am Abend des 13. Juli 1884 bereitete sich ein 
Gewitter vor. Ich richtete meinen Apparat dorthin, w6 die Blitze zu 
erscheinen begannen. Der Schimmer war intensiv genug, um auf der 
Visirscheibe die Silhouette der Bäume hervorzubringen, was mir die 
Orientirung mit meinem Apparate erleichterte. 

Als Alles eingerichtet war, ersetzte ich die Visirscheibe durch eine 
Cassette mit einer empfindlichen Bromsilbergelatineplatte. Ic^ öflfnete das 
Objectiv und wartete. Nach beiläufig einer halben Stunde zeigten sich die 
Blitze einzeln am Horizonte. Dies verursachte auf der Platte das Entstehen 
der Silhouette der Bäume und der Wolken. Gegen Mitternacht erreichte 
das Gewitter seinen Höhepunkt und ein sehr heller Blitz erschien im 
Gesichtsfelde meines Apparates. Ich schloss schnell das Objectiv und 
entwickelte die Platte. Das Bild auf der entwickelten Platte überraschte 
mich im höchsten Grade. Ich bemerkte zahlreiche Aeste und Zweige, 
welche den Blitz zusammensetzten. In der That hatte ich den Blitz 
während seines Entstehens genau beobachtet und nichts ausser den haupt- 
sächlichsten Armen bemerkt. 

Als ich das Negativ mit der Loupe untersuchte, bemerkte ich eine 
Zweitheilung des Blitzes. Neben dem starken Strahl lief ein zweiter, viel 
feinerer, fast parallel neben seiner ganzen Länge und näherte sich einige 
Male fast ganz dem ersteren." 

Einen Blitzstrahl in unmittelbarer Nähe photographirte Dr. Kayser 
in Berlin. Die Photographie, welche an Merkwürdigkeit und interessanten 
Details die vorhergegangenen übertrifft, wurde in Berichten der Berliner 
Academie der Wissenschaften, 1884, Bd. 2, S. 1119 in Lichtdruck repro- 
ducirt. Der Hergang war der folgende: Am 16. Juli 1884 zogen über 
Berlin einige sehr starke Abendgewitter, welche Dr. Kayser benutzt hatte, 
um eine Eeihe von Blitzaufnahmen zu machen. Gegen 10 Uhr Abends 
erfolgte der stärkste Blitz des Gewitters, dem sehr schnell ein gewaltiger 
Donnerschlag folgte. Die Photographie desselben, welche in Fig. 91 ab- 
gebildet ist, zeigt nachstehende Erscheinungen: 

Der Hauptstrahl besteht nicht etwa aus einer einzigen hellen Linie, 
sondern er wird von vier dicht nebeneinander liegenden Linien gebildet. 
Links wird der stärkste Theil des getheilten Strahles markirt. Eechts 
schliesst sich ein breiteres, helles Band an, dem noch weiter nach derselben 
Seite hin, zwei dicht nebenher verlaufende Strahlen folgen, die zum grössten 
Theil in einen Strahl zusammenfliessen. An der äussersten rechten Strahl- 
partie folgt noch ein deutlich ausgesprochener vierter Strahl. Dr. Kayser 
meint, dass man es hier mit einer oscillirenden Entladung zu thun habe, 
bei welcher in sehr kurzen Zwischenräumen die Entladungen in entgegen- 
gesetzter Eichtung — von der Wolke zur Erde und umgekehrt von der 
Erde zur Wolke unter Benützung desselben Luftkanals — verlaufen. 



112 XVm. Capitel. 

Die Zeiträume, innerhalb deren solche intermittirende Entladungen, von 
denen schon Dove spricht, erfolgen, sind nur Bruchtheile einer Secunde. 
DieEechnung, welche Kay ser diesbezüglich anstellte, stimmt ganz gut mit 




Fig. 91. Photographie eines Blitzes. 



der auf der Platte projicirten Form des parellelstrahligen Blitzes und den 
Distanzverhältnissen der einzelnen Strahlenbestandtheile. Bei einer Be- 
obachtung des Blitzbildes mit der Loupe ergab sich, dass die vier ver- 
einigten Blitzstrahlen in einem Canale laufen, dessen Umrandung am 
hellsten ist. Den hellen Band erklärt Kay ser aus der cylindrischon Gestalt 



Die Photographie des Blitzes und des eleetrisehen Funkens. 113 

des leuchtenden Baumes. Von den vier Theilen des Blitzes gingen eine I 

grössere Anzahl von schwächeren Seitenentladungen aus, die sich zum | 

Theil selbst wieder verästelten. In etwa sechzig verschiedenen Punkten \ 

endigten dieselben, was freilich nur an dem Negativ zu zählen ist, während 
auf dem Abdruck die feinsten Aeste verschwinden. Das sonderbarste Ver- 
halten zeigte , der früher erwähnte helle Streif eii , der neben dem ersten 
stark markirten Strahl zur rechten Seite herabläuft. Das ganze Band wies 
bei genauer Betrachtung unter der Loupe eine merkwürdige Struktur auf. 
Es besteht nämlich dasselbe aus hellen .horizontalen Schichten, welche 
durch dunkle Zwischenräume getrennt sind. Die Erklärung dieser Er- 
scheinung bereitet Schwierigkeiten. Sowohl Dr. Kays er, als Dr. Stolze 
(Photographisches Wochenblatt, 1886) versuchten dieselbe. Am wahr- 
scheinlichsten kommt Kayser noch die Möglichkeit vor, dass der Blitz 
die auf seinem Wege befindlichen Eegentropfen in leuchtenden Dampf 
verwandelt hat und jeder Tropfen eine Schicht geliefert habe. Es war 
nur der erste Blitz von solchen Schichten begleitet. Bei den folgenden 
Entladungen, die von keinem hellen Bande zur Bechten begleitet werden, 
war der Canal wohl noch von heissen Gasen, nicht aber von Wassertropfen 
erfüllt. Dagegen spricht aber wiederum die längs der Blitzbahn gewiss 
nirgends gleichmässige schichtartige Vertheilung der Eegentropfen. Ausser- 
dem wären nach einer Berechnung Kayser's vierhunderttausend Grad 
Celsius nothwendig gewesen, um alle im Blitzcanal befindlichen Wasser- 
tropfen durch Verdampfen in Schichtform zu bringen. Die Länge des 
fixirten Blitzes betrug 300 m; die Breite der „Aureole" etwa 28 m. Die 
Schichten des hellen Streifens haben eine Länge von etwa 1,7 m und eine 
Höhe von 0,35 m. Bei Annahme der gleichen Tiefe ergibt sich für jede 
Schicht ein Volum von ^/lo cbm und wenn je 15 Eegentropfen auf ein 
Gramm gehen, so kommt obige Zahl von Celsiusgraden heraus. Kayser 
knüpft an die Frage nach der Entstehung der Schichten, die er noch oflen 
lässt, den Wunsch, dass in Zukunft häufiger und unter günstigeren Ver- 
hältnissen Blitz-Photographien hergestellt werden mögen, als bisher. Dass 
dann unsere Hochgebirgsgewitter mit ihren kräftigen Entladungen noch 
bessere Blitzbilder liefern können, als das ungünstig situirte Berlin, dürfte 
wohl kaum einem Widerspruche begegnen. 

n. Die Photographie des eleetrisehen Funkens. 

Als die Photographie des Blitzes die allgemeine Aufmerksamkeit auf 
sich lenkte, begannen sich von mehreren Seiten die Naturforscher mit der 
Photographie des eleetrisehen Funkens zu beschäftigen; denn Blitze sind 
ja auch nichts anderes, als gewaltige electrische Funken, welche die 
atmosphärische Electricität liefert. 

Eder, Mumentphotographie. 2. Aufl. 8 



114 TVm. Capitel. 

Schon Eood, Pinaud, Schnauss und andere fanden, dass ein elec- 
trischer Funke als Stern oder Eing sich abbildet, wenn man ihn direct 
auf die photographische Platte schlagen lässt.^) 

Der Physiker Feddersen berechnete mit Hilfe der Photographie die 
Dauer der electrischen Funkenerscheinung. Er Hess den Entladungsfunken 
einer Batterie zwischen zwei Kugeln durchschlagen, die in einem Kasten 
eingeschlossen waren, welcher eine kleine Oeflfnung hatte, durch welche 
die Lichtstrahlen des Funkens heraus auf einen sehr regelmässig rotirenden 
Spiegel fielen und von wo aus die Strahlen des durch den Spiegel ver- 




Fig. 92. Photographiti des electrischen Funkens. 

breiterten Funkens auf eine matt geschliffene Scheibe (respective photo- 
graphische Platte) gelangten. Hier wurde das Bild in Form eines länglichen 
Streifens photographirt. Feddersen berechnet aus der Drehungsge- 
schwindigkeit des Spiegels und der Länge des Funkenbildes die Geschwindig- 
keit des Funkens auf 2 — 3 Milliontel Secunden. 

Statt die photographische Aufnahme electrischer Funken mittels 
rotirender Spiegel vorzunehmen, führte von Melchbeck und Plücker, 
Welten, Dr. Stein und Ducretet die Photographie direct aus, um die 
Form der Entladung zu bestimmen. 

Der Versuch wird in einem Zimmer angestellt, welches sich völlig 
verfinstern lässt. Zunächst wird eine Camera mit einem lichtstarken photo- 



^) S. die genauere Beschreibung dieser Versuche und Literaturangabe in E der 's 
Ausführlichem Handbuch der Photographie. 1884, Bd. I, S. 34. 



Die Photographie des Blitzes und des electrisehen Funkens. 115 

graphischen Objectiv so aufgestellt, dass die Enden der Conductoren (und 
somit auch die zwischen ihnen auftretenden Funken) scharf erscheinen. 




Fig. 93. Photographie des electrisehen Funkens. 



Man verfinstert dann das Zimmer, legt eine empfindliche Platte ein, öffnet 
den Objectivdeckel und lässt einen oder mehrere Funken überspringen. 

Bei Dr. Stein's Versuchen^) springen sechs Funken in der Secunde 
über. Während der Apparat zur Photographie bereit war, wurde eine 




Fig. 94. Photographie des electrisehen Funkens. 



grosse Influenz -Electrisirmaschine in Gang gesetzt und 10 Umdrehungen 
gemacht, so dass etwa 60 Funken erzeugt wurden. Es entstand die in 
Fig. 92 abgebildete Photographie. Die Dicke des electrisehen Funkens 
entspricht der Dicke der Funkenlinio. Ein Funken war hiernach nur 



^) Ghemisch-technisehe Mittheilungen der neuesten Zeit. W. Knapp in Halle a. S. 
1885. S. 28. 

8* 



116 



XVIII. Capitel. 



Vö mm dick. Die blitzartigen Linien zeigen den photographirten Weg an, 
welchen der Funke durch die Luft genommen hat. 

Nach der ersten Wegstrecke, etwa V2 c^i vom Conductor entfernt, 
bis wohin fast alle Funken den gleichen Weg machen, gehen sie von der 
geraden Linie ab, weil die zwischenliegenden Luft- und Aethertheilchen 
ihnen einen gewissen Widerstand entgegensetzen. Diesen Widerstand muss 
der Funken überwinden. Die Luft weicht ihm aus, je nach ihrer momen- 
tanen durch den Funken selbst hervorgerufenen Compression, nach oben und 
unten, nach rechts und links, wodurch einerseits die Zickzackform des 

Funkens, analog der natür- 
lichen Form des Blitzes 
entsteht, andererseits der 
umstand bedingt wird, 
dass niemals ein Funken 
den anderen völlig deckt. 
Auch können aus gleichem 
Grunde nicht alle Funken 
gleich scharf auf der photo- 
graphischen Platte er- 
scheinen , weil begreif- 
licher Weise nur auf das 
Mittel des Funkenweges, 
den man ja vorher nicht 
kennt, scharf eingestellt 
werden kann. 

Das in Fig. 92 er- 
sichtliche photographische 
Bild des electrischen Fun- 
kens gibt noch zu einigen 
Es zeigt nämlich rechts 




Fig. 95. Photographie des electrischen Funkens. 



weiteren interessanten Beobachtungen Anlass. 
eine viel stärkere Lichtwirkung als links. 

Die statischen Spannungsströme bewegen sich immer in der Eichtung 
vom negativen zum positiven Conductor der Influenzmaschine. Auf unserer 
Abbildung ist bei Abgang des Funkens aus dem Conductor die Licht- 
intensität eine in ganz eminentem Grade höhere, als in dem Moment, wo 
er den entgegengesetzten (positiven) Conductor erreicht. 

.Gelungene Aufnahmen des Funkens einer Hol tz 'sehen Influenz- 
maschine rühren ferner von van Melckbecke und Plücker^) her. 
Wie Fig. 93 zeigt, ähneln diese Momentbilder den vorigen. 



1) La Nature. 1884, S. 180. 



Die Photographie des Blitzes und des electrischen Funkens. 



117 




Welten^) in Genf photographirte den Funken einer Töpler'schen 
Electrisirmaschine; er stellte dieselbe in ein finsteres Zimmer und Hess den 
Objectivdeckel oflfen ; 
durch Verschieben der 
Platte erhielt er zwei 
Bilder auf demselben 
Negativ. Diese neuen 
Documente schliessen 

sich eng an die 
Melckbecke-Plücker- 
schen Eesultate an. 
Das obere Funkenbild 
zeigt (Fig. 94), wie 
der Funken sich in 
zwei Arme theilt und 
sich dann wieder in 
einen einzigen ver- 
einigt. 

In neuester Zeit 
hat ein französischere 
Physiker, Mr. D u er e t e t, 
einen höchst einfachen 
Apparat construirt, um 
ohne Objectiv die elec- 
trischen Lichtphäno- 
mene der Electricität 
von hoher Spannung zu 
pho tographiren . ^) Der 
Apparat (Fig. 95) besteht 
aus einem viereckigen 
Kasten ^ 5 CZ>, welcher 
auf einem Ebonitfusse 
ruht. In dem oberen 

Brette A B dieses 
Kastens befinden sich, 
ebenso wie in den seit- 
lichen Brettern AD und 
BD, Oefliiungen, durch 

welche 3 hohle Ebonit- ^^^e- 97. Photographie des electrischen Funkens. 



Pig. 96. Photographie des electrischen Funkens. 




1) La Nature. 1884, S. 180. 

^) Stein's Electrotechnische Rundschau. 



118 



XVnr. Capitel. 



Stäbe gehen; durch diese laufen an ihren Enden Messingkugeln tragende 
Drähte {HL N), Im Fusse des Trägers D C befindet sich eine Trieb- 
stange mit Zahnrad, ebenfalls aus Messing, welche ein kleines Tischchen 
P trägt, das mit Leichtigkeit auf- und abgedreht werden kann. An 
Stelle des Tischchens P oder der Kugeln HLN kann man auch Spitzen 
oder isolirende Körper anschrauben. Der St-ab E vermittelt eine elec- 

trische Verbindung mit 
dem Tischchen P. 
Wird nun eine licht- 
empfindliche Platte in 
irgend welcher Eich- 
tung in diesen Kasten 
parallel zu den Punkten 
HLNP eingeschoben, 
so wird sich auf der- 
selben der von H nach 
N überspringende oder 
von L kommende und 
nach P sich verbrei- 
tende Funken abbilden. 
Zur Erzeugung der 
betreffenden electri- 
schen Phänomene kann 
sowohl der Funken 
eines Euhmkorff, als 
auch derjenige einer 
H 1 1 z 'sehen Influenz- 
maschine benutzt wer- 
den. Die Fig. 96 bis 
100 geben naturgetreue, 
auf photographischem 
Wege gewonnene Ab- 
bildungen derartiger 

electrischer Bilder. 
Fig. 96 und 97 wurden 
folgendermassen dar- 
gestellt: Auf die mit dem negativen Pole einer Euhmkorff-Inductions- 
rolle verbundene Metallplatte P war eine photographische Platte, mit 
der lichtempfindlichen Schicht nach unten, gelegt worden; auf diese hatte 
man eine sehr dünne Ebonitplatte und darauf eine zweite solche Scheibe, 

^) Photozinkographien nach den in der „Lumiere eleotrique'' veröffentlichten Ori- 
ginalen No. 4 (1885) Seite 160 reproducirt. 




Fig. 98. Photographie des eleotrisohen Fankens. 



Die Photographie des Blitzes und des electrischen Funkens. 



119 



die von der ersten durch kleine Spänchen getrennt war, um zwischen 
beiden etwas Luft zu lassen, gebracht. Ueber der zweiten Ebonitscheibe 
lag wiederum eine photographische Trockenplatte, mit der lichtempfind- 
lichen Schicht nach oben. Auf dieser Schicht lag eine metallische runde 
Platte gleich der Platte P Fig. 95: diese Platte war mit dem positiven 
Pole des Euhmkorff verbunden. Einen Moment wurde der Funke durch- 
gelassen und auf den 
photographischen Plat- 
ten unsere beiden Fi- 
guren 96 und 97 ge- 
wonnen. Das am 
positiven Pole erhaltene 
Bild zeigt eine viel 
breitere Lichtkrone, als 
dasjenige am negativen 
Pole. Ein analoger 
Effect ist aus Fig. 98 
ersichtlich. Es zeigt 
dieses Bild das Ueber- 
schlagen eines mit einer 
H 1 1 z 'sehen Influenz- 
maschine erzielten 
Funkens von H nach 
N (Fig. 95) in natür- 
licher Grösse. Die 
photographische Platte 
war hier auf einen 
Ebonitteller (P in Fig. 
95) aufgelegt und 
letzterer mittels der 
Schra.ubenstange bis zu 
HN emporgeschraubt 
worden. Auch hier ist 
ersichtlich, wie am po- 
sitiven Pole die Aus- 
strahlung eine viel be- 
deutendere ist, als am negativen; der Funken ist 9 cm lang. Fig. 99 
zeigt zwei in ähnlicher Weise übergeschlagene 15 cm lange Funken einer 
Euhmkorff sehen Bolle. Die beiden photographirten Funken machen hier 
den Eindruck einer aus mehreren Litzen zusammengewirkten Schnur. 
Was schliesslich das in Fig. 100 photographirte Funkenbild anbelangt, so 
wurde dasselbe in folgender Weise erhalten. Bei P (Fig. 95) war wiederum 




Fig. 99. Photographie de» electriachen Funkens 



120 ^^ni. Capitel. Die Photographie des Blitzes und des electrischen Fankens. 

ein Metalltischchen aufgeschraubt und mit einem der Pole in Verbindung 
gebracht worden. Auf dem Metalltischchen ruhte eine dünne Ebonitscheibe 
von derselben Grösse, wie die auf dieselbe gelegte photographische Platte, 
deren empfindliche Schicht nach oben sah. Auf diese Schicht wurde der 
obere Gontact L (Fig. 95) aufgesetzt und dessen Leitungsstäbchen mit 
dem anderen Pole der InductionsroUe verbunden. Trotz der zwischen- 
liegenden Isolatoren (Ebonit und Glas) zeigt sich ein Lichtkreis wie in 




Fig. 100. Photographie des electrischen Funkens. 

Fig. 96 und 97 und ausserdem eine Anzahl von x^usstrahlungen nach allen 
möglichen Eichtungen, indem der aufschlagende electrische Funke hier 
zwischen der Kugel und der photographischen Platte vom Mittelpunkte 
aus nach der Peripherie auseinanderstob. Neben den beiden Hauptadern 
des electrischen Funkens sind noch zwei eigenthümliche breitere und 
blassere divergirende Streifen ersichtlich. Bei der grossen Einfachheit des 
geschilderten Apparates und in anbetracht, dass die lichtempfindlichen 
Trockenplatten sehr leicht zu behandeln sind, dürften derartige Experimente 
vielfach wiederholt werden und wohl zu manchen interessanten Aufschlüssen 
über das Wesen des electrischen Funkens führen. 



XIX. CAPITEL. 

Thierstudien im photographischen Genre- und 
Landschaftsbild. 



In einem geistreichen Essay über Landschaftspbotographie ^ erzählt 
Eobinson folgenden Dialog zwischen Sidney Smith und dem bekannten 
englischen Thiermaler Landseer: 

Als Sidney Smith, dem viele witzige Gespräche zugeschrieben 
werden, von dem bekannten englischen Thiermaler Landseer gebeten 
wurde, ihm zu einem Porträt zu sitzen, antwortete der Domherr von St. Paul : 
„Ist denn Dein Diener ein Hund, dass er so etwas thun soll?" — Eine 
schöne Zumuthung, dass der grosse Thiermaler nicht im Stande sein sollte, 
das Gesicht eines Menschen zu treflfen. Wird die Zeit nie kommen, wo 
die verschiedenen Zweige der Photographie ihre bestimmten Vertreter 
haben werden? Wird der Landschafter inmier prahlen, dass er auch 
Personenphotograph ist, wie einige Landschaftsmaler es als eine ganz 
aussergewöhnliche Leistung ansehen, dass sie auch menschliche Gestalten 
zeichnen können? Wird der Porträtphotograph immer so entzückt sein 
über diesen Theil der Kunst, dass er niemals Zeit findet, etwas in Archi- 
tectur oder Landschaft zu arbeiten? Wenn je ein Jünger unserer Kunst 
sich berufen fühlt, einen bestimmten Zweig zu wählen, so wird er Thier- 
photograph werden. 

Man kann vortreffliche Porträte von Thieren und Thierstudien in ver- 
schiedenen landschaftlichen Bildern erhalten: sie erfordern aber Geduld, 
Geschicklichkeit und Gelegenheit. Der Photograph, welcher hierin Erfolg 
haben will, muss die Gelegenheit suchen und die zwei anderen Eigen- 
schaften besitzen, sonst wird er kaum auf gute Eesultate rechnen können. 
Ein 14 tägiger Aufenthalt in einem Landhause würde viele schöne Objecto 
zur Aufnahme geben. Die Melkzeit ist immer eine gute Gelegenheit; Pütte- 

^) Chapters on landscape and out-door photography (Phot. News. 1884. S. 139). 
Diesem Essay sind mehrere Absätze des vorliegenden Capitels wörtlich entnommen. 



122 XIX- Capitel. 

riing ist ein Thema, das dem Künstler immer Nahrung bringt. Thiere 
während der Fütterung, wie Binder, Sehweine, Schafe, Küchlein, Tauben, 
Enten und Gänse: da ist kein Ende von Gelegenheiten, die dieses Genre bietet. 

Ein ausgezeichnetes Thierbild, eine Art „Thier-Idylle", von 0. An- 
schütz in Lissa ist im zweiten Theile der Lichtdrucktafeln abgebildet. Ein 
Mutterschwein wird gefüttert. Während eine Magd ihm Futter zuwirft, 
drängt sich die junge Schaar heran, um Milch zu saugen. 

Indem man diese und ähnliche Thierbilder macht, soll man nicht 
vergessen, dass es sich für künstlerische Zwecke nicht so sehr darum 
handelt, die Photographie eines schwier zu photographirenden Gegenstandes 
zu erhalten, sondern dass ein hübsches Bild gemacht werden soll, welches 
eine malerische Wirkung macht. Es gibt Menschen, welche glauben, 
wenn sie ein Thier zum Stillstehen bringen, Alles gethan zu haben, was 
man von ihnen fordert; aber dies ist nur ein sehr geringer Theil, da ist 
noch Composition, Licht und Schatten und Alles, w^as zu einem Bilde 
nöthig ist, in Betracht zu ziehen. 

Eine Gruppe von Schafen auf einer flachen Wiese, gleichmässig von 
der Vorderseite beleuchtet, würde als Bild werthlos sein, während dieselben 
Schafe von der entgegengesetzten Seite betrachtet, wo das Licht nur deren 
Eückon streift, vielleicht sehr malerisch wäre. Schafe sind leicht zu be- 
handeln und für ein Landschaftbild sehr vortheilhaft. Wenn die Heerde 
in einer Eeihe liegt oder in einer anderen unschönen Stellung, macht man 
ein paar Schritte vorwärts, wodurch einige von ihnen aufstehen und 
umherschauen und dadurch der Photograph den Effect erhält, den er be- 
nöthigt. Wenn sie aufschrecken und davonlaufen wollen, wird ein kluger 
Assistent, der ruhig um dieselben herumgeht, sie wieder zum Stehen bringen, 
während das Nachahmen des Hundegebells oder ein Pfiff schnell Ausdruck 
und Bewegung in die Heerde bringt, ohne sie aufzuscheuchen (Robinson). 

Eine schöne Momentphotographie einer Lämmerheerde machte Graf 
Estcrhazy in Ungarn auf einem seiner Güter. Er unternahm mit seinem 
Apparate, den Hofphotograph W. Burger in Wien mit einem Fallapparat 
zu Momentaufnahmen eingerichtet hatte, eine Excursion. Zufällig kam 
eine Lämmerheerde entgegen, welche bei ihrem langsamen Vorschreiten 
noch genügend Zeit zum Aufstellen des Apparates und Exponiren ge- 
währte. Das so erhaltene sehr gelungene Bild ist im zweiten Theile der 
Lichtdrucktafeln (nach dem Originalnegativ) abgebildet. 

Zahmes Vieh kann in den mannigfachsten Arten als Staffage von 
Landschaftsphotographien benutzt werden und besonders Pferde, Kühe, 
Schafheerden u. s. w. sind willkommene Objecte für den Landschafter. 

Werden dunkle Thiere gegen den hellen Hintergrund gestellt, so gibt 
dies dem Bilde ein schönes Relief. Wer hierbei eine kluge Auswahl bei 
der Anordnung trifft und sich die Mühe eines langwierigen Zuwartens 



Thierstudien im photographischen Genre- und Landschaftbild. 123 

nicht verdriessen lässt, kann die künstlerische Wirkung sehr steigern. 
Bringt man z. B. ein dunkles Pferd hinter helle, wie dies Fig. 101 nach 
einem Bilde von H. Wall vorstellt, so ist die Wirkung viel günstiger, als 
wenn man dies schwarze Pferd nach vorne bringt. 

Der Photograph kann nicht separate Thierstudien machen^), was für 
den Maler von grossem Nutzen ist, welcher sie dann in eine beliebige 
Landschaft stimmungsvoll unter denselben Beleuchtungs Verhältnissen ein- 
führt. Er muss desto mehr darauf achten, dass er seine Bilder bei guter 
Uebereinstimmung der Thiere mit der Landschaft aufnimmt. 

Es ist oft eine harte Geduldsprobe, wenn sich die in Bewegung be- 
findlichen Thiere nicht malerisch gruppiren wollen. 




Fig. 101. Thiorstudio. 

Sehr stimmungsvolle Thierstudien mit zahmem Vieh, wahre Genre- 
bilder im besten Sinne, versteht in ausgezeichneter Weise Herr A. Borderia 
in Eeims herzustellen. Von ihm erhielt der Verfasser zahlreiche Moment- 
bilder aller Art: weidende Kühe, Ziegen an einer Euine hinaufkletternd, 
eine in einem Hofe befindliche Meute von Hunden, ferner Kühe, welche 
Kälber säugen, kurz lauter Bilder, wie sie nur der Maler und Thierfreund 
der Natur abzulauschen versteht. Herr Borderia hatte für dieses Werk 
dem Verfasser einige Negative zu Verfügung gestellt, welche in Lichtdruck 
vervielfältigt sind (s. die Tafeln im 1. und 2. Theil). Wir machen auf den 
unübertrefiflichen Eflfect der Spiegelung bei dem an der Tränke stehenden 



^) Wir sehen hier von den sogenannten Combinationsdrucken ab, bei welchen ver- 
schiedene Theile mehrerer Negative durch Retonche zn einem neuen Bilde combinirt 
werden. 



124 XIX. Capitel. 

Vieh aufmerksam und auf zwei andere Bilder im zweiten Theile, worauf sich 
unter anderem eine Kuh befindet, welche mit dem Hinterfusse sich eine 
lästige Fliege wegkratzt. 

Wenn eine Heerde sich mehr oder weniger in der Landschaft aus- 
breitet, gibt dies am Bilde ein gutes Mass für den Beschauer, wie die 
Landschaft in die Ferne verläuft und gibt auch eine Idee über die Distanzen 
wenn aus irgend einem Grunde (durch eintönige Beleuchtung oder Farben- 
verhältnisse) die Perspective unklar erscheint. Unter allen Umständen zeigen 
die Thierbilder als auch ihre Umgebung in der Eegel ein hübsches Eelief. 
Dies mag die Skizze in Fig. 102 (nach Wall) zeigen, in welchem eine flache 
Gegend und niedrige Linie des Horizontes den Beschauer sehr leicht über 
das Mass der Abstände täuschen. Die Kühe in dieser Skizze dienen also 
zur Abwechslung der Linien und des Ausdruckes. 




Fig. 102. Thierstudie. 

Hofphototograph Uhlenhuth in Coburg beschäftigte sich gleichfalls 
viel mit Thierbildern und wählte insbesondere einen Wildpark zum Orte 
seiner Aufnahmen. Wir bringen mehrere seiner vortreflFlichen Moment- 
bilder im zweiten Theile in Lichtdruck und machen insbesonder auf das 
malerische Bild ;, Damhirsche", auf seine „Wildschweine im Thiergarten 
weidend" und den „Edelhirsch" aufmerksam. 

Fast immer gruppiren sich die Hirsche, diese malerischen Thiere, von 
selbst zu einem schönen Bilde. Aber ihre Furchtsamkeit zwingt den 
Photographen zu besonderer Vorsicht. Man muss sich mit der äussersten 
Euhe und Vorsicht nähern, denn die Hirsche haben sehr scharfe Sinne. 
Wenn man sie in ihren natürlichen Stellungen und Lebensgewohnheiten 
überraschen will, muss man sich und seine Apparate sorgsam so aufstellen, 
dass man gegen den Wind steht. Sowie die Thiere „Witterung" be- 
kommen, verschwinden sie plötzlich. Es wird in der Eegel am besten 
sein, sich mit einem erfahrenen Wildhüter oder Jäger ins Einvernehmen 
zu setzen. 

Lassen wir aber Herrn Uhlenhuth selbst die erläuternden Worte zu 
seinen Bildern sprechen: 



Thierstudien im photographischen Genre- und Landschaffcsbild. 125 

„Ein grosser Theil meiner Thierbilder ist aus dem Wildparke Sr. 
Hoheit des Herzogs von Coburg, und ich verdanke dem Wohlwollen und 
dem Interesse, das der Herzog an allen meinen Arbeiten nimmt, manche 
Erleichterung. Se. Hoheit gestattet mir nicht nur den freien Zutritt in 
seine Wildgehege, sondern hat auch angeordnet, dass mir von Seite seiner 
Beamten die nöthige Hilfe wird." 

,;Die Aufnahmen von Damwild, Fasanen und Truthühnern sind 
auf • der Callenberger Fasanerie , welche sich ungefähr eine Gehstunde 
von Coburg befindet, angefertigt. Der dortige Fasanenwächter, Herr 
Curtius, hat eine ganz besondere Gabe, die seiner Pflege übergebenen 
Thiere zu zähmen, so dass sie selbst aus weiter Ferne herbeieilen, wenn 
sein „Kommt, Kommt!" u. s. w. erschallt. Es ist dies ein prächtiger An- 
blick, wenn von allen Seiten die schönen Damhirsche mit dem Jungwild 
in elegantem Laufe, 400 an der Zahl, herbeikommen und sich um ihren 
Pflegevater sammeln." 

„Dieser Umstand ist für mich sehr günstig, denn ich bin jederzeit 
im Stande, mit meinen Arbeiten zu beginnen. Schon ehe der Buf erschallt, 
habe ich mich vollständig zum Exponiren fertig gemacht, d. h. der Apparat 
ist auf eine ganz bestimmte Entfernung, je nachdem ich die Figuren 
grösser oder kleiner haben will, eingestellt. Die erste Platte steckt bereits 
mit aufgezogenem Schieber darin, der Momentverschluss ist gespannt, der 
Apparat ist leicht durch Tannenreisig maskirt. Mit dem so fertig gestellten 
Apparat gehe ich, denselben so vor mir tragend, dass ich darüber hinweg- 
sehen kann, auf das Wild los, setze, sobald ich die eingestellte Distanz 
erreicht, den Apparat nieder und drücke ab. Auf dieselbe Weise exponire 
ich meine Platten. Hauptsache dabei ist nur, dass man darauf achtet, 
dass erstens die Thiere sich in schönen Stellungen und Gruppen befinden; 
zweitens, dass möglichst die besten Exemplare dem Apparate am nächsten 
stehen, dass wenigstens einzelne Figuren ganz frei stehen, und dass drittens 
der Hintergrund malerisch sich zu dem Ganzen stimmt und die Modelle 
klar auf sich hervortreten lässt." 

„Anders, wie eben geschildert, geht es mit den Aufnahmen der Both- 
hirsche und Wildschweine; dieselben befinden sich etwa 2V2 Wegstunden 
von Coburg im sogenannten Saupark bei Mönchröden. Diese Thiere sind 
nicht so zahm, im Gegentheil recht unangenehm scheu und bin ich daher 
gezwungen, meinen Stand in der Nähe der von ihnen am liebsten be- 
suchten Plätze sehr sorgfältig zu decken. Ich lasse mir dazu von Laub- 
werk, Tannenreisig u. s. w. vollständig dichte Hütten bauen und muss dabei 
auch den Wind beobachten, denn besonders die Wildschweine haben sehr 
feine Nasen. Um eine Platte zu exponiren, habe ich volle ^/4 Stunden, 
beinahe ohne ein Glied zu rühren, gewartet, bis die Thiere unter die 
malerische Buche gingen und wenigstens ein guter Keiler in den Bereich des 



126 



XU. Oapitel. 



Apparates kam; ich zweifelte beinahe am Erfolg, demi das Licht war 
schon gelb, die Sonne im Untergehen, Va^ Ulir Nachmittags: jedoch ich 
erhielt eine gute Aufnahme. Possirlich ist es, wie die Thiere erschreckt 
auseinanderlaufen, sobald der Verschluss gelöst wird. Erst nach geraumer 
Zeit kehren sie vorsichtig wieder zurück und so geht es fort," 

„Als Apparat benützte ich einen zusammenlegbaren Beiseapparat von 
Bennekendorf in Berlin. Am geeignetsten zu Momentaufnahmen ist je- 
doch nach meiner Erfahrung der Gruppen -Antiplanet; derselbe zeichnet 
sehr tief und ist sehr lichtstark. Ich benutze ein ziemlich grosses Objectiv 
No. 6, um möglichst grosse Figuren zu bekommen, ohne gerade so sehr 
nahe heranofehen zu müssen." 




Fig. 103. Thierstudie.^ 

„Als Verschluss benutzte ich einen Fall verschluss , der pneumatisch 
ausgelöst wird. Bei demselben habe ich, um die Schnelligkeit zu ver 
mehren, anstatt der Guraraischnüre Gummiröhren verwendet und kann so 
die Schnelligkeit leicht dadurch vermehren, dass ich die Bohren stärker 
anziehe." 

„Das Schlagbrett läuft auf einer Sammetunterlage, damit der Verschluss 
auch vollständig lichtdicht schliesst. Der Schlag wird durch eine Gummi- 
lage gemildert und ist der untere Theil durch einen Messingschuh gegen 
Herausschlagen gesichert. Um das Erschüttern des Apparates zu ver- 
meiden, ist der Verschluss mit dem Apparat durch Messingstreifen ver- 
schraubt." 

„Als Entwickler brauche ich Oxalat -Entwickler, dem ich vorsichtig 
Fixirnatron zusetze. Die Entwicklung spielt bei allen diesen Sachen die 
Hauptrolle; von ihr hängen die Eesultate ab; es dauert oft stundenlang, 
ehe eine Platte vollständig entwickelt, und man darf dabei die Geduld nicht 



Thierstudien im photographischen Grenre- und Landschaftsbild. 



127 



verlieren. Ich habe auch verschiedene angepriesene Erapfindlichmacher 
probirt, doch waren bisher alle eher von Nachtheil wie von Vortheil; ge- 
wöhnlich verschleierten dann die Platten. Vorläufig halte ich daher an 
meiner alten Methode fest, mit schwachem Entwickler unter vorsichtigem 
Natronzusatz anfangend, den Entwickler allmälig zu verstärken und oft 
zu wechseln." 

Eine andere reizende Momentphotographie von Hirschen in einem 
Wildpark erhielt W. 0. Link in Potsdam. Dieses Bild des geschickten 




Fig. 104. Photographie einer Kräheo-Colonie. 



Amateurs ist in Tafel VI in Lichtdruck abgebildet. Zum Unterschiede von 
vielen anderen Momentbildorn ist bei dem vorliegenden auch grosse Acht- 
samkeit auf die scharfe Wiedergabe des Waldes gelegt worden, so dass 
auch die Baumpartien zur malerischen Wirkung gelangen. Herr Link 
lernte als Autodidact die Photographie und behalf sich mit einem selbst 
construirten Verschlusse, so dass seine photographische Leistung um so 
mehr Anerkennung verdient. 

Nach mehreren Fehlversuchen construirte Herr Link eine rotirende 
Scheibe vor dem Objectiv, die das Auslösen der Feder durch eine sehr 



128 ^^* Oapitel. Thierstodien im photographischen Genre- und Landsohaftsbild. 

lange Schnur gestattet. So stand er bei seinen Aufnahmen circa 200 
Schritt von dem gut verhüllten Apparate entfernt. 

Von den Vögeln laden insbesondere Schwäne und andere Wasser- 
vögel zu Momentbildern ein, weil dieselben sich vom Wasserspiegel sehr 
vortheilhafb abheben und in ihren Stellungen stets anmuthig sind. Ein 
Teich in einem Parke mit Schwänen und Wasserpflanzen ist dem Amateur 
ein willkommenes Object. Sollen jedoch solche Aufnahmen nicht hart 
werden und das weisse Gefieder nicht eine kreidige weisse Flftche bilden, 
so muss man der Hervorrufung der Platten alle Sorgfalt zuwenden und 
diese Operation langsam und mit verdünntem Entwickler (s. S. 39) durch- 
führen; dann bleiben die Details auch in den Weissen gewahrt. 

Eine schöne Serie von Thierstudien verdanken wir den Engländern 
Marsh Brothers in Henley (England). Ihre Momentbilder von Schwänen 
und Tauben haben auf mehreren Ausstellungen erste Preise errungen. 
Fig. 103 zeigt eine Gruppe von schwimmenden Schwänen (Holzschnitt 
nach der Original- Photographie).^) 

V*® de la Tour du Pin Verclause gab eine hübsche Illustration 
nach einer Momentphotographie zu einem sehr anziehend geschriebenen 
Artikel^ über die Nester der Saatkrähe. Er studirte die Lebensgewohnheiten 
einer Colonie von 5 bis 600 dieser Thiere, welche ihre Nester in dem Park 
von Nanteau-sur-Lumain in Prankreich in der Nähe seiner Wohnung gebaut 
hatten. Seit langer Zeit nisteten sie in hohen Pappeln und ihre Nester 
verliefen in mehreren Etagen bis nahe zum Gipfel der Bäume. Der ge- 
nannte Naturfreund beobachtete das Treiben dieser Thiere durch längere 
Zeit und nahm schliesslich eine Momentphotographie der ganzen Gesellschaft 
auf, welche wir in Fig. 104 reproduciren. 



^) Eine wirkliche Photographie der Schwäne ist Eder's „Handbuch der Photo- 
graphie'' beigegeben. 

2) La Nature. 1885, S. 95. 



XX. CAPITEL. 

Porträte Ton TMeren. 



Wie es unter den Photographen Specialisten gibt, welche mit Vor- 
liebe Studienköpfe in Eembrandt-Beleuchtung, Kinder-Photographien u, dgl. 
machen, so widmen sich auch manche dem Thier-Porträte. 

Joshua Eeynald fand, wie Robinson erzählt, um die besten und 
charakteristischesten Porträte von Personen zu erhalten, es sehr vortheilhaft, 
nodt denselben zu speisen und einen ganzen Abend zu verbringen; wir 
können deshalb nicht erwarten, dass wir von den sogenannten unver- 
nünftigen Geschöpfen die besten Bilder erhalten, wenn wir als gänzlich 
Fremde mit der Camera in der Hand vor dieselben hintreten. 

Um Thiere zu photographiren, wird unendlich viel Geduld und Sorgfalt 
gefordert. Es ist zum Beispiel schwer, dass man sich einer Katze mit der 
Absicht, sie zu photographiren, nähern kann, und eine reine Unmöglichkeit 
ist es, dieselbe ins Atelier oder an irgend einen andern fremden Platz zu 
bringen, um dort ein Bild von ihr zu bekommen. Von allen Hausthieren 
braucht die Katze am nothwendigsten ein „Heimathsporträt". 

Wenn man die besten Resultate erhalten will, so muss man mit den 
„Thiermodellen" ein ebenso genaues Studium eingehen, als es je mit dem 
erhabensten Geschöpfe, dem Menschen, noth wendig ist. Man darf nicht er- 
warten, von einem schottischen Terrier den günstigsten Ausdruck bei der 
ersten Begegnung, oder das behagliche „Spinnen" (Schnurren) einer Katze 
bei einer nur flüchtigen Bekanntschaft zu erhalten. 

Unter den amerikanischen Damen wurde es im Jahre 1884 plötzlich 
Mode, die Katzen photographiren zu lassen. Die Photographen lassen 
sich solche Aufnahmen gut bezahlen, indem sie behaupten, dass die Katzen 
für ihre wohlgemeinten Rathschläge in Betreff der Pose etc. lange nicht 
so empfänglich seien, ja nicht einmal ein solches Verständniss dafür hätten, 
wie ihre liebenswürdigen Herrinnen. Jedenfalls erfordert es eine gewisse 
Aufmerksamkeit, um nicht die Bilder der einzelnen Katzen, die sich be- 
kanntlich häufig sehr ähnlich sehen, mit einander zu verwechseln. Bei 

Eder, Momeotpbotographie. 2. Aufl. 9 



130 



XX. Capitel. 



menschlichen Porträten soll dergleichen zuweilen vorgekommen sein, be- 
sonders bei jenen Marktphotographen, welche ihre Bude in kleinen Dörfern 
aufzuschlagen pflegen; doch hier wurde derirrthum von den Bauern selten 
entdeckt, besonders wenn der Anzug einigermassen stimmte. Die Frage 
der Aehnlichkeit konnte hierbei kaum in Betracht kommen, denn dieselbe 
war auch bei den richtigen Bildern häufig so gering, dass sie nicht als ent- 
scheidendes Merkmal gelten konnte. Eine Katzenverwechselung dürfte 
jedoch nicht unbedenklich sein; denn die Damen kennen in der Eegel ihre 




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Fig. 105. 



Fig. lOG. 



Katzenbilder von Pointer. 



Lieblinge ganz genau und eine Jede würde es dem Photographen gewaltig 
übel nehmen, wenn er ihr das Bild einer falschen Katze octroyiren wollte. 
Wir bringen eine Serie von Katzenbildern in Fig. 105 bis 107 (Photo- 
zinkotypie nach dem Original), welche von Herrn Harry Pointer in 
Brighton (England) stammen. .Der aufmerksame Schüler" (The attentive 
pupil), die Katze als „Kinderwärterin" und jene mit der Brille, welche ein 
Album betrachtet — sind hübsche Scherze, originell in der Anordnung 
und bei den schwierigen Verhältnissen der Aufnahme technisch sehr ge- 
lungen. Mr. Pointer widmete alle seine Aufmerksamkeit und Kunst seiner 
Specialität, nämlich der Herstellung von Katzen-Porträten nach dem Leben. 
In diesen Bildern kann der Thierfreund physiognomische Studien machen; 
der Gesichtsausdruck der Thiere ist je nach ihrer Laune merkwürdig ver- 



Porträte von Thieren. 



131 



schieden und spricht oft eint* ausdrucksvolle Sprache. Allerdings hat Mr. 
Pointer seine Katzen gut gezähmt, wie das Bild in Fig. 108 zeigt, wo 
ihna die Thierchen zutraulich auf der Schulter sitzen. Fig. 109 zeigt ein 
grösseres Porträt von Pointer 's Lieblingen. 

Der Hund ist in seinem Benehmen sehr verschieden von der Katze. 
Er kümmert sich nicht, wo sein Bild aufgenommen wird, deshalb ist es in 
sehr kurzer Zeit und mit wenig Mühe geschehen. Die grossen Hunde, ohne 
Ausnahme, nehmen es in einer nachlässigen, beschaulichen Art auf, während 
die kleinen Hunde — jedf^nfalls die schwierigsten — Alles, was um sie vor- 
geht, wissen wollen und deshalb nicht leicht im Focus erhalten werden können. 





Fig. 107. 



Fig. 108. 



Katzenbilder von Fointer. 

Es ist schwer, einige Winke zu geben, wie mau die Hunde „vor dem 
Apparate** behandeln soll; aber dies kann (nach Eobinson) als eine Eegol 
angesehen werden, dass heftiger Lärm, wie man ihn anzuwenden pflegt, um 
die Aufmerksamkeit der Hunde zu erregen, den entgegengesetzten Effect er- 
zielen wird. Bei einem ganz leisen mit dem Munde gemachten Geräusch, 
Krabbeln auf einem Papier oder einem leichten Eeiben, dessen Ursprung 
unsichtbar, wird der Hund meistens aufschauen, obwohl es beinahe zu viel 
ist, wenn man sagt, dass der Ausdruck durch diese oder andere einfache 
Mittel controlirt werden kann, während Jedermann weiss, welchen auf- 
regenden Einfluss das Wort „Ratz" (d. h. Ratte) auf jede Art der Terriers hat. 
Aber dies soll immer als letztes Hilfsmittel angewendet werden, da auch 
der folgsamste und besterzogene Terrier (Rattler) nicht mehr lange ruhig 
sitzen kann, wenn er das Wort Ratz auch im sanftesten Tone lispeln hört. 

9* 



132 



XX. Capitel. 



Ein schnaufender Hund ist immer die Qual eines Photographen. Diese 
Schwierigkeit wird manchmal durch einen Trunk behoben; aber das Wasser 
soll ihm erst unmittelbar vor der Exposition gegeben werden, da die 




Fig. 109 ' Katzenbilder von Puiuter. 



Wirkung dessel))en bald vorüber ist. Es kann auch theilweise verhindert 
werden, wenn man den Hund einige Zeit vor der Aufnahme nicht herum- 
laufen lässt. 



Porträte von Thieren. 



133 



Heutzutage können wir viel charakteristischere Porträte als in früherer 
Zeit von Hunden erhalten, da wir Momentbilder von ihnen machen können. 

Hunde, welche dem Operateur gehören und gut dressirt sind, mögen 
auch oft gute Dienste zur Staffage einer Landschaft leisten. Wall erzählt 
von schönen Landschaftsaufnahmen englischer Amateure, welche in dieser 
Weise prächtige Effecte erzielten. Als Beispiel, wie man Hunde benützen 
kann, um dem Auge einen interressanten Punkt zu schaffen, gibt Wall 
eine Skizze eines Bildes zweier Hirschhunde, welche sich vor einem ge- 
birgigen Hintergrund auf einem mit Gras und Haidekraut bewachsenem 
Felsen lagern (Fig. 110). 




Fig. 110. Porträte von Hunden. 



Häufiger noch als Hunde, werden Pferde photographirt. Jeder 
Pferdebesitzer denkt, er hat das beste Pferd, das je existirte, und wünscht 
dessen Bild. Glücklicher Weise ist das Pferd ein gutes Modell. Der 
Photograph hat nichts zu thun, als zu schauen, ob die Stellung graciös 
und der Blick freudig ist. Ein Pferd kann nicht lächeln, aber es kann 
viel durch die Stellung der Ohren und des Kopfes zum Ausdrucke bei- 
tragen. Das Einzige, worauf man, wenn möglich schauen muss, ist, 
dass man die vier Füsse sieht. Es passirt oft, dass die zwei näheren 
Füsse die entfernteren decken und es den Anschein hat, als stünde das 
Pferd auf zwei Pflöcken. Ein Pferd, das auf diese Art steht, ist ausser- 
ordentlich hässlich, aber auch in der Art, wie die Pferde stehen, gibt es 
eine Mode, und Wall weigerte sich sogar einmal, eine Dame zu Pferde 
zu photographiren , weil ihr Reitknecht darauf bestand, dass das Pferd 
mit den Beinen parallel sich vor den Apparat stellen solle. 

Pferde halten leicht ruhig. Sie spitzen ihre Ohren und horchen auf 
ein Geräusch — entweder das Rascheln eines Papieres oder einen Pfiff — 
während der ganzen Dauer der Exposition. Es gibt wohl unruhige Pferde, 



134 



XX. Capitel. 



die durch nichts zum Stillstehen zu bringen sind, aber glücklicher Weise 
wenige. Viele werden den Zaum ununterbrochen kauen, aber dies kann 
manchmal durch das Lockern desselben verhindert werden. Wirkliche 
Plage verursacht bei heissem Wetter das fortwährende Wedeln mit dem 
Schweife, wenn die Fliegen sie quälen. Das einzige Mittel', dies zu ver- 
hindern, ist: man nimmt die Pferde an einem kühlen umwölkten Tage auf. 

Wenn man das Bild 
eines Pferdes braucht, 
ist es viel besser, es 
ohne Sonne zu machen, 
da das grelle Licht 
und der Schatten des 
Sonnenscheins im 
Stande ist, die Aehn- 
lichkeit zu verderben. 
Eine mächtige Bei- 
hilfe ist die Moment- 
photographie für den 
Zoologen. Um wie 
viel instructiver ist 
eine Aufnahme eines 

lebenden Thiercs 
gegenüber einem Bilde 
nach einem ausge- 
stopften Museums- 
Exemplare. Wer wird 
leugnen , dass eine 

Photographie einen 
viel correcteren Begriff 
eines Thieres erweckt, 
als die oft unvoll- 
kommene Handzeich- 

Fig. 111. Photographie eines Löwen. UUUg? Die Herstellung 

illustrirter naturgeschichtlicher Tafelwerke mit Hilfe der Photographie wäre 
eine höchst werthvolle Leistung. 

Solche Sammlungen photographischer Thierbilder wurden schon in 
einigen Thiergärten begonnen. Fig. 111 zeigt das nach dem Leben aufge- 
nommene Porträt des Löwen aus dem zoologischen Garten in London. Es 
ist das erste Bild einer von Dixon aufgenommenen Serie von Thierstu dien. ^) 

^) Nach einer Photographie in „Photographic News", 1883, S. 266, von Angerer 
und Göschl in Wien photozinkotypirt. Ein Holzschnitt davon findet sich in „Scientific 
American Supplement", 1883, S. 6103. 




Porträte von Thieren. 



135 



Das Porträt des Tigers ist vom selben Künstler, wie jenes des Löwen 
hergestellt. Es ist ein Momentbild des Königstigers aus dem zoologischen 
Garten; unsere Copie der Tiger-Photographie (Fig. 112) zeigt das Thier 
in Buhe. 

Zu den besten Leistungen auf dem Gebiete der Momentphotographie 
gehören die zahl- 
reichen Aufnahmen 
von Löwen , welche 
Herr Boissonas in 
Genf hergestellt hat. 

Mehrere dieser 
Bilder sind in grossem 
Pormate hergestellt 
und gänzlich scharf. 
Wir verdanken der 
Freundlichkeit Herrn 
Boissonas' einige 
kleinere Bilder (s. die 
Lichtdrucktafel im 2. 
Theile). Auf dem 
einen blickt uns der 
Löwe ruhig an, auf 
einem zweiten brüllt 
das Thier im heftigen 
Zorne und zeigt sein 
schreckliches Gebiss. 
Dieses Bild ist gleich- 
wohl so scharf, dass 
jeder Zug des Ge- 
sichtes und jedes Haar 
sichtbar ist. Ein drittes 
Bild zeigt die Löwen- 
bändigerin Miss Cora, 
welche sich bei ihren 
Löwen im Käfig 
befindet. 

Manchmal kommt der Photograph hierbei schlecht weg. So wurde 
August Petit in Paris beim Photographiren einer Tigerin innerhalb 
ihres Käfigs ernstlich verwundet. Er Hess aber nicht ab, sondern fertigte 
ausserdem noch die Bilder mehrerer Löwen und Leoparden an.^) 




Fig. 112. Photographie eines Tigers. 



1) „Photographic News", 1883, S. 777. 



136 



XX. Capitel. 



Bei Aufnahmen in Thiergärten oder sogenannten Menagerien rauss 
man in unauffälliger Weise die Markirung des Punktes, worauf die Camera 
eingestellt, ist, vornehmen; oft mitten auf einer mit Kies bestreuten Fläche 
oder in Teichen. Hierzu benutzt der Verfasser ein Stückchen Papier, das 
er zu Füssen des Thierwärters legt und dann auf die Figur des letzteren 
(entsprechend der Höhe des zu photographirenden Thieres) scharf einstellt. 
Tritt das später in den Raum gelassene Thier in die Nähe der Marke, so 
wird die Belichtung vorgenommen. 




Fig. 113. Photographie eines tropischen Sumpfes mit Krokodilen. 



So wurden vom Verfasser die Photographien des Ehinoceros, sowie 
der Antilope in der Menagerie zu Schönbrunn (bei Wien) erhalten, welche 
in Tafel VIII. abgebildet sind. Bei einer Photograpie einer Giraffe und 
eines Elephanten von Boissonas wurde das zahme Thier von seinem 
Wärter geführt und so die Gelegenheit zu den sechs gelungenen Moment- 
photographien gegeben, welche gleichfalls in Tafel VIII. abgebildet sind. 

Eine andere Thierstudie, welche wir hier reproduciren (Fig. 113), 
ist nicht nur vom naturwissenschaftlichen Standpunkte interessant, sondern 
bezeugt auch den Muth des Photographen. Ein Engländer bereiste die 
Umgegend von Bombay und machte mit seinem photographischen Apparate 
Landschaftsaufnahmen. Bei Muygapier (nächst Kurrachee) kam er zu 
einem von prachtvollen tropischen Bäumen umgebenen Sumpf, welchen 



Porträte von Thieren. 137 

er zu photographiren beschloss. Der Breifuss wurde aufgestellt und eben 
steckte er den Kopf unter das schwarze Tuch, als ein riesiges Krokodil 
aus dem Wasser tauchte und auf der Visirscheibe der Camera erschien, 
dem folgte ein zweites , drittes und mehrere andere. Ein Anderer wäre 
schleunigst davongelaufen. Unser Engländer aber beendigte gelassen das 
Emstellen und nahm das Porträt der Eeptilien auf, wie sie sich in die 
Sonne legten. Die beistehende Figur ist nach einem Pacsimile, welche 
der „Scientific American" im Jahre 1882^) nach der Originalphotographie 
brachte, hergestellt (Photozinkotypie). 



„Scientific American Supplement", 1882, Nr. 362 S. 5813. 



XXL CAPITEL. 

Die Photographie Ton Thieren in Bewegimg. 



I. Die Ziele der Momentphotographie beim Stadium der Bewegung 

der Thiere.^) 

Das Ziel der Naturwissenschaft, die Bewegungen vollständig und auf 
die einfachste Art zu beschreiben, ist in Bezug auf die Bewegungen der 
Thiere nur in äusserst unvollkommener Weise erreicht. Seit vor zwei- 
hundert Jahren durch Borelli die ersten eingehenden üntersuchuDgen 
über die Bewegungen der Thiere angestellt worden sind, ist dieselbe Auf- 
gabe immer wieder von neuem in Angriff genommen; doch führten alle 
die zahlreichen und von den bedeutendsten Physiologen angestellten Unter- 
suchungen zu keinem positiven Ergebniss. Wohl sah man, dass die von 
Borelli aufgestellte Lehre in mannigfachen Beziehungen unrichtig sei, aber 
es gelang nicht, eine neue Theorie zu finden, welche einerseits mit den 
Beobachtungen und andererseits auch mit den Gesetzen der Physik und 
Mechanik in besserem Einklänge wäre als die als irrthümlich erkannte 
Lehre Borelli's. 

Die Gründe für dieses immer wieder von neuem eintretende Misslingen 
sind mannigfacher Art. Einige sind physiologischer, andere psycho- 
logischer Natur. 

Erstere beruhen darauf, dass wir mit unserem Auge die Bewegungs- 
vorgänge nicht klar aufzufassen vermögen. Wenn wir einem sich be- 
wegenden Thiere mit dem Auge folgen, so sehen wir nicht einmal die 
Contouren eines einzelnen bewegten Theiles scharf. Wir sind zweitens, 
was die Auffassung der Bewegung des gesammten Thieres aufs höchste 
erschwert, nicht im stände, die zahlreichen sich nebeneinander abspielenden 



^) Dieser Theil des vorliegenden Capitels ist dem Artikel Dr. Miillenhoff's „Die 
Momentphotographie im Dienste naturwissenschaftlicher Forschung" (Westermann's Monats- 
hefte 1885) entnommen. 



Die Photographie von Thieren in Bewegung. 139 

Bewegungen zu gleicher Zeit zu beachten. Besonders stark tritt diese 
Unvollkommenheit unserer Beobachtung hervor, wenn es sich um die Auf- 
fassung schneller Bewegungen handelt. 

Im gewöhnlichen Leben wird man sich allerdings dieser Unvollständig- 
keit der durch das Auge aufzunehmenden Sinneseindrücke nicht recht be- 
wusst; man ist wenigsten geneigt, die Unzulänglichkeit der directen 
Beobachtung auf diejenigen Fälle zu beschränken, wo die bewegten Theile 
durch ihre Kleinheit der Auffassung durch das Auge Schwierigkeiten 
bereiten, wo die Bewegungen besonders schnell verlaufen oder wo sehr 
zahlreiche Bewegungen nebeneinander statthaben. 

Jedermann gibt ohne weiteres zu, dass man den Bewegungen nicht 
im einzelnen zu folgen vermag, wenn eine Fliege über den Tisch läuft. 
Wegen der Kleinheit der Beine dieses Thieres, wegen der kurzen Dauer 
der einzelnen Bewegung und wegen der grossen Zahl der sich gleichzeitig 
nebeneinander abspielenden Bewegungs Vorgänge ist es unmöglich, bei der 
Fliege alle Einzelheiten des Laufes zu verfolgen. Nicht einmal die Be- 
wegung eines einzelnen Organes, z. B. eines Beines, fasst man gut 
auf. Ein Insektenbein, das wie das der Fliege aus Htiftglied und Schenkel- 
ring, aus Oberschenkel, Unterschenkel und fünfgliedrigem Fuss gebildet 
ist, hat nicht weniger als neun gegeneinander bewegliche Einge, und dazu 
kommen noch die arii letzten Fussgliede angehefteten Fussklauen und die 
Haftlappen, die ebenfalls für sich beweglich sind; bei jedem Schritte des 
Thieres verändern alle diese Theile sowohl gegeneinander wie auch gegen 
die stützende Unterlage fortwährend ihre Stellung und zwar in der alier- 
mannigfachsten Weise. Kein Wunder ist es daher, dass die Auflösung 
der Gehbewegungen der Insekten in ihre einzelnen Phasen und infolgedessen 
unsere Kenntniss von der Gangart dieser Thiere im allgemeinen recht 
unvollständig ist. 

Wie bei dem Insektengange die Kleinheit der Organe und die grosse 
Zahl der sich gleichzeitig bewegenden Theile, so verhindert beim Vogel- 
flug die Schnelligkeit der Auf- und Abbewegungen der Flügel eine deut- 
liche und vollständige Auffassung. 

Wenn ein Sperling von der Strasse aufs Dach fliegt, so erkennen 
wir, dass die Flügelenden rasch zwischen zwei Extremlagen hin und her 
schwanken, können aber weder die Gestalt der Flügel bei diesen Bewe- 
gungen noch die Zahl der in einer bestimmten Zeit ausgeführten Flügel- 
schläge auflassen. 

In anderen Fällen erkennt man, dass es keineswegs allein die Kleinheit 
der bewegten Theile, die Schnelligkeit der Bewegungen und die verwirrende 
Menge der sich gleichzeitig vollziehenden einzelnen Verschiebungen der 
Theilchen gegeneinander ist, was die Auffassung mit blossem Auge un- 



140 XXI. Capitel. 

möglich macht. Auch wenn ein grosses Thier mit wenig Gliedmassen, 
z.B. ein Pferd, in langsamem Gange am Wagen vorwärts schreitet, so 
folgt unser Auge den Bewegungen nur sehr unvollkommen; wir sehen 
dann die einzelnen Gliedmassen zwischen bestimmten extremen Stellungen 
sich bin und her bewegen, fassen aber selbst bei langsamem Gange den 
Ehythmus der Bewegung nicht mit dem Auge, sondern nur mit dem Ohre 
auf. Es scheint sich daher für unsere Wahrnehmung der ganze Ehythmus 
der Bewegung vollständig zu ändern, wenn das Thier etwa vom Strassen- 
pflaster auf Asphalt übergeht und wir das Aufschlagen der Hufe auf den 
Boden nicht mehr hören können. Anstatt des regelmässigen Wechsels 
der in bestimmten Zeitintervallen aufeinander folgenden Schritte glauben 
wir dann plötzlich ein regelloses Durcheinander von unkontrollirbaren 
Bewegungen zu sehen. 

Dasselbe, was für die Bewegungen des Pferdes gilt, findet man auch 
bei den scheinbar am besten bekannten aller Bewegungen, bei den Geh- 
bewegungen des eigenen Körpers; auch hier gibt es noch zahlreiche Un- 
klarheiten, und in den Schilderungen der verschiedenen Beobachter treten 
die mannichfachsten und tiefgreifendsten Unterschiede hervor. Man kann 
allerdings die Gehbewegungen beliebig langsam sich vollziehen lassen, nfian 
gewinnt aber dadurch kaum einen Vortheil, wenn es nicht der ist, dass 
man dadurch um so deutlicher erkennt, wie wirksam neben der physio- 
logischen Unvollkommenheit unseres Auges die psychologischen Momente 
die Auffassung beeinträchtigen. 

Selbst wenn unser Auge das denkbar vollkommenste optische In- 
strument wäre, selbst wenn es im stände wäre, den jeweiligen Zustand 
der Lage der einzelnen Theile ganz vollständig, ganz ohne irgend welche 
Abweichung und in unendlich kurzer Zeit aufzufassen, so würden wir 
dadurch noch immer kein vollkommenes Bild von den Bewegungen er- 
halten, denn wir sind weder im stände, die gemachten Wahrnehmungen 
zu fixiren, noch auch sie anderen gut mitzutheilen. In dem rasch wech- 
selnden Spiele der Bewegungen verdrängt ein Eindruck den anderen, und 
vergebens strengt der Beobachter sein Gedächtniss an, um sich jede Einzel- 
heit der Vorgänge nachher zu reproduciren. Ebenso scheitern alle Ver- 
suche, aus dem Gedächtniss durch Wort oder Bild anderen die Bewegungs- 
vorgänge zu beschreiben. Wer je etwas über den Gang, den Flug, das 
Schwimmen gelesen hat, weiss, wie schwerfällig und dabei doch unvoll- 
ständig die Schilderung dieser Hergänge wird; er erkennt, wie äusserst 
unvollkommen eine Bewegung durch das gesprochene oder das geschriebene 
Wort dargestellt wird. 

Für die Bewegungen der Thiere hat man dieses versucht durch zwei 
Methoden der Beobachtung, die beide als graphische Methoden bezeichnet 
werden können. 



Die Photographie von Thieren in Bewegung. 141 

Die erstere derselben, die ehronographische Methode Marey's, ist 
basirt auf der Anwendung eines Registrirapparates; derselbe besteht aus 
einem rotirenden Oylinder, auf dem die Zeitdauer und Richtung der ein- 
zelnen Bewegungen in Form von Curven aufgetragen wird. Aus der 
Anzahl und der Form der Ourven, die während einer Umdrehung erhalten 
werden, erkennt man beispielsweise bei einem fliegenden Vogel erstens 
die Zahl der Flügelschläge, zweitens die Zahl der Zusammenziehungen und 
Streckungen der Muskeln; es lässt sich sodann drittens vermittels dieses 
Apparates die Höhe und Weite der Bewegung an den Flügelspitzen messen; 
es wird viertens ermöglicht, im Detail die Richtung feszustellen, in der 
sich ein einzelner Punkt an der Oberfläche des Thieres verschiebt gegen 
die verticale, gegen die horizontale Vorwärtsbewegung des Thieres, gegen 
die auf diesen beiden Richtungen senkrechte horizontale Querrichtung. 

Ausserordentlich werthvoll ist diese von dem geistreichen französischen 
Forscher und seinen Schülern für zahlreiche Untersuchungen angewandte 
Methode. Sie liefert für jeden Punkt der Oberfläche die Bahn und zwar 
in durchaus zuverlässiger Darstellung. Dennoch ist diese Methode allein 
kaum im stände, ein klares Bild von dem jeweiligen Zustande des ganzen 
bewegten Thieres zu liefern; sie gibt eben die Darstellung dieser Ober- 
fläche allzu unvollständig, nur punktweise, und es wäre daher, um ein 
Bild von der gesammten Oberfläche zu gewinnen , erforderlich, die gleich- 
zeitige Feststellung der in jedem Momente der Bewegung bestehenden Ver- 
theilung von Tausenden von Punkten an der Oberfläche des Thieres. 

Für das, was durch die chronographischen Registrirapparate nur 
schwer erreichbar scheint, für die Fixirung der Gesammtform des bewegton 
Thieres in jedem Momente der Bewegung, kommt uns nun die zweite 
graphische Methode zu Hilfe, die photographische Methode. Diese wurde 
insbesondere von Muybridge, Marey, Lugardon und Anschütz aus- 
gebildet. 

n. Muybridge's Momentphotographie von Thieren in Bewegung. 

Es ist klar, dass ein Phototograph, welcher einen Vogel im Fluge, 
ein laufendes Pferd, oder einen springenden Menschen für wissenschaftliche 
Zwecke photographiren will, mit einem gewöhnlichen photographischen La- 
boratorium oder Atelier nicht ausreicht, da muss schon ein grosser freier Raum 
geschaffen werden, der allen Ansprüchen solcher Untersuchungen genügt. 

Die ersten systematischen Photographien von Thieren in aufeinander 
folgenden Bewegungen machte der Amerikaner Muybridge.^) Er folgte 
einer Anregung des Gouverneurs Leland Stanford und begann seine Ver- 

*) „Photograph. Mittheiluugen", 1879, Bd. 16, S. 85, 136 und 257. „Photographie 
News", 1883, S. 243. 



142 XXI. Capitel. 

suche auf den Ztichtereien zu Palo Alto in Californien im Jahre 1877 
und 1878. 

Muybridge liess ein Pferd auf einer Eennbahn traben, und zwar vor 
einer Eeihe von zwölf bis dreissig nebeneinander befindlichen Cameras, 
welche automatisch arbeiteten (Fig. 114). Auf der mit Kautschuk ge- 
pflasterten Eennbahn waren Fäden gespannt, welche zum Momentverschluss 
der Camera führten. Der Verschluss wurde mittels Electricität in Function 
gesetzt, sobald das Pferd einen dieser Fäden bei seinem Laufe entzweiriss 
oder nur berührte. Dadurch wurde eine Camera nach der anderen, sobald 
das Pferd vorbeikam, zur Aufnahme geöflfnet und dreissig aufeinander- 
folgende Photographien während des Laufes erhalten. Je nach der 
Schnelligkeit des Thieres folgten die Aufnahmen in Zwischenräumen von 
1 Ws Vi 00 Secunde aufeinander. 

Neben dieser Eeihe der automatisch functionirenden Cameras befanden 
sich fünf andere — auf unserer Skizze sind nur drei Sichtbar — welche 
während des Experiments an verschiedenen Stellen der Bahn aufgestellt 




Fig. 114. Rennbahn mit Vorrichtung zum Photographiren des Pferdes. 

waren. Dadurch erhielt Muybridge verschiedene Ansichten des in Be- 
wegung befindlichen Pferdes. 

Die Momentbilder wurden mit lichtstarken Porträtobjectiven und einem 
sehr rasch wirkenden Verschluss, der durch starke Federn getrieben wurde, 
gemacht. Muybridge schätzt die Exposition auf Vioooo Secunde; jedoch 
erscheint dies übertrieben und dürfte kaum Viooo Secunde betragen. 

Was immer für eine Zeit es gewesen sein mag, sicher ist, dass 
Muybridge scharfe Bilder eines galoppirenden Eennpferdes erhielt. 

Das Pferd bewegte sich vor einer weissen, hellbeleuchten Wand. Auf 
dieser hebt sich das Bild des Pferdes als dunkle Silhouette ab. Eigentlich 
ist es die helle Wand, welche das photographische Bild liefert. 

Fig. 115 zeigt die Augenblicksbilder des Eennpferdes „Sallie Gardner", 
welches sich 16 m pro Secunde bewegte und in Zwischenräumen von 
V25 Secunde aufeinanderfolgend aufgenommen wurde. Im Original^) sind 



^) Die Originale waren für Deutschland debitirt von E. S. Mittler, k. Hofbueh- 
handliing, Berlin, SW., Kochstr. 69. Eine Serie von 12 Blättern der Muybridge'schen 
„Attitudes of animals in motion" in Photolithographie ist durch Atkinson (Liverpool, 
Manchesterstreet 33) um 4 Schilling käuflich. 




Die Photographie von Thieren in Bewegung. 143 



^^ 














144 XXI. Capitel. 

die Oontouren aber nicht so scharf wie in unserem nach dem photogra- 
phischen Original verkleinert ausgeführten Holzschnitte. 

Die Besprechung der aus diesen Aufnahmen gemachten anatomischen 














Oie Photographie von Thieren in Bewegung. 145 

Studien würden hier zu weit führen. Es sei auf die illustrirte ausführliche 
diesbezügliche Abhandlung im „Scientific American" ^) verwiesen. 

Ausserdem rühren von Muybridge die Bilder trabender Pferde 
(3,3 m pro Secunde) her, ferner Bilder von Pferden, welche vor kleine 
Wagen gespannt sind und sich 1,6 bis 10 m pro Secunde bewegen. 
Hierauf folgen die Aufnahmen von Schweinen, Hunden, Rindern und 
Menschen, woraus Muybridge ein Album von 203 Seiten herstellte. 

In Fig. 116 ist die Photographie eines galoppirenden wilden Stieres 
wiedergegeben; es lässt sich eine gewisse Analogie des Rhythmus der 
Bewegungen dieses Thieres mit jenen des Pferdes nicht verkennen. Da- 
gegen tritt selbst bei flüchtiger Betrachtung die durch den anatomischen 
Bau bedingte Steifheit der Beine und des Körpers klar hervor, welche den 
Lauf der Binder charakterisirt. 

Ein anderes Bild aus Muybridge's CoUection zeigt Fig. 117. Es 
stellt die verschiedenen Stellungen eines Windhundes in vollem Laufe dar, 
deren Originäl-Photographien bei dem Umstände, dass in England alljährlich 
grosse Windhund -Wettrennen 2) veranstaltet werden, für den Sportsmann 
vieles Interesse bieten. 

Im Jahre 1883 nahm Muybridge seine Untersuchungen über die 
Bewegungen der Menschen und Thiere wieder auf. Er arbeitete mit 
40 automatischen electro-photographischon Camera's und Dallmeyer'schen 
Objectiven. 

Er nahm die Bewegungen des Menschen (Mann und Frau) mit und 
ohne Last, gehend, laufend oder springend auf; ferner Hess er diese Be- 
wegungen auf ebenem, ansteigendem oder abschüssigem Boden vornehmen, 
sowohl von bekleideten als auch nackten Menschen und stellte ausgedehnte 
Versuchsreihen an. (Hierüber vergl. Capitel XXIII, S. 179.) 

Ferner bezog er Land- und Wasserthiere, sowie Vögel in den Kreis 
seiner Studien. 

Im Jahre 1885 erregten seine Aufnahmen im zoologischen Garten 
von Philadelphia neuerdings die öffentliche Aufmerksamkeit. Er photo- 
graphirte von drei verschiedenen Standpunkten aus mit drei Batterien von 
je 12 Cameras in der Weise, dass in demselben Moment die drei ersten 
Cameras exponirt wurden; im folgenden die drei zweiten etc. Die Exposition 
soll Vöooo Secunde betragen haben. Dunkle Thiere wurden vor einem 
hellen Hintergrunde aufgenommen; bei hellgefärbten Thieren war der 
Hintergrund dunkel. Die Thiere bewegten sich womöglich frei; manche 
Thiere waren eigens gezähmt. Reissende Thiere konnten freilich nur im 
Käfig photographirt werden. 

*) „Scientific American Supplement", 1879, No. 158, S. 2509. 
2) Die Summe der Preise bei diesem Wettlauf betrug im Jahre 1884 16000 Gulden 
in Gold. 

Sder, Momentphotographie. 2. Aufl. 10 



146 



XXI. Capitel. 



Muybridge wird bei seinen Arbeiten von der Universität in Pensyl- 
vanien, sowie durch eine Anzahl von Subscribenten (schon jetzt über 130) 
unterstützt. Der Subscriptionspreis beträgt 100 Dollars. 














Die Photographie von Thieren in Bewegung. I47 

Die Kosten seiner Arbeiten werden sich voraussichtlieh auf 20000 
bis 30000 Dollars belaufen. Sobald das Werk beendigt ist, wird es mehr 
als 100 Tafeln enthalten; das Bildformat wird 9X12 Zoll sein und der 
Pigmentdruck als Vervielfältigungsmittel benutzt.^) 

Dr. Willmann beschrieb die Ergebnisse der Muybridge'schen Pferde- 
aufnahmen in dem Werke „The Horse in Motion as shown by instantaneous 
Photography. London, Turner and Co. 1882", welches unter den Anspielen 
des ehemaligen californischen Gouverneurs Stanford publicirt wurde. 



IIL Einzelbilder von Thieren in Bewegung, — Anschütz's Momentbilder. 

Das berechtigte Aufsehen, welches die Bilder vonMuybridge machten, 
ist hauptsächlich darin begründet, dass Jedermann die ün Vollkommenheit 
der gewöhnlichen Beobachtung, der Sinneswahrnehmung mit blossem Auge, 
klar vorgeführt wurde. Nicht nur die Naturforscher, sondern auch die 
Maler kamen zu der Einsicht, dass ihre bisherigen Vorstellungen über die 
Bewegungen der Thiere, die jeder zu kennen meinte, durchaus irrige seien. 

Hinsichtlich der Modellirung der einzelnen Körperformen wurden die 
Momentbilder Muybridge's durch den Genfer Maler Lugardon über- 
troflfen. 

Derselbe arbeitete zuerst mit dem Thuxy-Amey'schen Momentver- 
schluss und nahm die Menschen und Thiere in grossem Massstabe auf. 
Er benützte hierzu den Antiplanet und das Euryskop und entwickelte seine 
Platten mit Eisenoxalat, worin er dieselben oft V2 Stunde und länger 
belässt. ^) 

Diese Bilder erregten auf mehreren Ausstellungen die höchste Aner- 
kennung und wir sind durch die grosse Freundlichkeit Herrn Lugardon 's 
in die Lage versetzt, mehrere seiner ausgezeichneten Momentbilder in 
Lichtdrucken nach dem Originale diesem Werke beizugeben. 

In Tafel XIV sehen wir Pferde einen Fluss durchschreiten, wobei 
nicht nur die Thiere und ihre Eeiter ganz scharf und völlig durchge- 
zeichnet sind, sondern auch der aufgewirbelte Gischt des Wassers wie zu 
einer Schneemasse erstarrt zu sein scheint. 

Von überraschender Originalität sind die Porträte der fünf in einer 
Eeihe sitzenden Hunde, wovon einige erhitzt keuchen und mit hängender 
Zunge Athem schöpfen (s. die Lichtdruckdafeln im IL Theile); ferner ist 



^) Es soll bei der „Scovlll Manufacturing Comp, of New- York" erscheinen. 
^) Cuvetten sind bei so langer Entwicklungsdauer besser als Tassen, weil die Luft 
weniger leicht zutritt. 

10* 



14Ö ^^I. Capitel. 

dem Werke die Photographie einer Meute von Hunden, wovon einer an 
einem Manne hinanspringt und am Bilde völlig in der Luft schwebend er- 
seheint (s. den IL Theil), sowie eine Aufnahme von springenden Känguruhs 
(s. den IL Theil) beigegeben. 

Ausserdem verdanken wir Lurgardon die Momentbilder von fliegenden 
Möven, welche am Genfer See aufgenommen wurden. Fig. 118 bis 120 
, ^_ zeigen einzelne Proben aus diesen Bildern (Pacsimile 

^^^pi^ . in Holzschnitt). 

J|^ Fig. 121 bis 124 geben einige Skizzen der 

/^ Lugardon'schen Momentaufnahmen von Widdern, 

welche wohl auf den Originalphotographien viel 

grösser und deutlicher als auf unsern Holzschnitten 

dargestellt sind. 

Besonders reiche Auswahl bietet Lugard on's 
Collection an Pferdeaufnahmen. Wir finden selbe in 
allen Stellungen, mit und ohne Eeiter und stets in 
Flg. 120. grossem Formate und reich an Details. Ein vor- 

Fliegende MOven. " . . i 

zügliches Beispiel zeigt Fig. 125 (Heliotypie nach der 
Photographie), worauf das Pferd quer vor dem Apparate vorbeiläuft und 
über ein Hinderniss setzt. 

Andere Momentbilder eines springenden Pferdes mit Eeiter und eines 
sich bäumenden Pferdes sind in Fig. 126 und 127 in verkleinertem 
Massstabe nach Lugardon's Aufnahmen skizzirt. 

jK^^^ ä^^^k ^^fiä ^flSii 

7^ E^ IHL <121 

Fig. 121. Flg. 122. Fig. 123. Fig. 124. 

Gehende Widder. 

Die Herren Lieutenant David und Ch. Scolik in Wien photo- 
graphirten wiederholt Pferde und Eeiter in dem Augenblicke, wo sie 
über eine Barriere setzten. In Tafel XVI sind diese Bilder unseren 
Lesern vorgeführt. Es mag noch bemerkt werden, dass zur Aufnahme 
ein Antiplanet grösster Sorte und der Thury-Amey'sche Momentver- 
schluss benützt wurde. 

In noch bedeutend grösserem Massstabe photographirte Herr Graf 
Esterhazy einen Schimmel im Sprunge, wobei das Thier völlig in der 
Luft zu schweben scheint (so wie dies auch bei einigen der vorher er- 
wähnten Aufnahmen der Fall ist). 

Herr Hofphotograph Burger in Wien, welcher die Einrichtung zu 
den Aufnahmen übernommen hatte, bediente sich hierzu der Platten von 



Die Photographie von Thieren in Bewegung. 



149 



Löwy und Plener und eines Euryskops von 66 mm Oeflfnung. Eines 
dieser Bilder ist in den Illustrationstafeln des zv^eiten Theiles enthalten. 

Auch Ansehtitz, auf dessen hervorragende Leistungen wir noch 
weiter unten zurückkommen, hat oft Pferde bei verschiedenen Gelegen- 
heiten photographirt. 

Fig. 128 und 129 sind trabende vor einem Wagen gespannte Pferde 
(Anschütz). Fig. 130 ist ein vor einen Pulverwagen gespanntes Pferd. 
Fig. 131 und 132 sind Typen aus Anschtitz's Militcärbildern. 




Fig. 125. Momentphotographie von Lugardon. 

Unsere Skizzen sind jedoch nur Silhuetten, während in den Anschütz- 
schen Originalphotographien sich reichliche Detailzeichnung in den Figuren 
findet. 

Einzelne sehr schöne Momentbilder von Anschütz wurden mit 
dessen, gütiger Erlaubniss in Lichtdruck (nach den Originalnegativen) re- 
producirt und diesem Werke beigegeben (Tafel XVII). 

Wir machen auf das sich bäumende Pferd, das trabende, vor einen 
Wagen gespannte Viergespann, sowie die berittene deutsche Militärkapelle 
aufmerksam. 



150 XXI. Capitel. 

Auch im zweiten Theile der Lichtdruck-Illustrationen ist eine deutsche 
Kürassiergruppe zu Pferd, eines der schönsten Bilder von An schütz, 
beigegeben. 





Fig. 126. Fig. 127. 

Fig. 128. Fig. 129. Fig. 130. 





Fig. 131. Fig. 132. 

Momentphotographien von Pferden. 

Springende Eehe und Hirsche sind viel schwieriger als Pferde zu 
photographiren. Trotzdem wurden von Anschtitz vortreflfliche Moment- 
bilder von ihnen erhalten. Die Eehe sprangen über ein kleines Gebüsch und 
nahmen die in Fig. 133 und 134 abgebildete Stellung an. Anschütz's 
Originalaufnahmon sind voll Zeichnung und in Tafel XVII ist eine der 
Origiüalphotographien wiedergegeben , welche als eine unübertroflfene 
Leistung auf diesem Gebiete bezeichnet werden muss. 



Die Photographie von Thieren in Bewegung. 151 

Beobachten wir ein Eeh, welches über eine Hecke setzt. Die Vorder- 
beine werden so unter den Leib geschlagen, dass sie fast an den Seiten 
desselben anliegen. Die Hinterbeine werden, nachdem sie dem Körper 
den Schwung gegeben haben, gerade ausgestreckt, so dass die ganze 
Unterfläche des Thieres eine flach gekrümmte Linie bildet. 

In Fig. 135 und 136 sind die Momentbilder eines laufenden Hirsches 
dargestellt, welche aus einer grösseren Eeihe von Muybridge's Moment- 
bildern entnommen sind. 

In den Augen der Laien gilt ein springendes Thier oder ein springender 
Mensch als die grösste Leistung. Anschütz, welcher die grössten Er- 
fahrungen auf diesem Gebiete hat, erklärte jedoch von den Gangarten des 
Pferdes, abgesehen von Carriere, den Trab für viel schwieriger als Galopp 
und Sprung; bei letzterem ist die Bewegung des Vorwärtsschnellens immer- 
hin eine gleichmässige , während sich beim Trabe die Beine bedeutend 
schneller bewegen und dies im verdoppeltem Masse in den Fussfesseln statt- 

Fig. 133. Fig. 134. Fig. 135. Flg. 136. 

Rehe und Hirsche in Bewegung. 

findet. Für die Wissenschaft sind unstreitig die Darstellungen von Bewegungen 
am lehrreichsten, die sich zur Sehaxe im rechten Winkel bewegen, ein 
Umstand, der in der Momentphotographie ein Hauptfactor ist und dem 
vielfach sehr aus dem Wege gegangen wird, der aber für Anschütz von 
Anfang an wegen seiner Schwierigkeit den Hauptreiz ausgeübt hat. Selbst- 
verständlich können bei solchen Aufnahmen, die nur bei voller Oeflfnung 
und bei kürzestem Lichteindrucke gemacht sind, keine zu grossen Ansprüche 
in Bezug auf tiefgehende Schärfe gestellt werden. So ist der Trompeterchor 
(Tafel XVII), welcher allerdings im schärfsten Trabe reitet, nicht in allen 
Theilen scharf, da Anschütz bei Manöveraufnahmen auf eine möglichst 
ausgedehnt.e Schärfe Eücksicht nehmen musste und deshalb dreimal lang- 
samer exponirte, als er sonst gethan hätte. 

Interessant sind die Mittheilungen, welche Herr Anschütz über die 
Art und Weise machte, nach welcher er bei seinen Aufnahmen, besonders 
den MilitärbHdern, vorging. Alle seine in Verwendung kommenden 
Apparate sind auf das Festeste und Schwerste hergestellt und er legt 
auf grosse Leichtigkeit keinen Werth. Den Apparat aufzustellen, d. h. 
fertig zur Aufnahme sein, kostet ihm höchstens 5 — 8 Secunden Zeit. 
Allerdings führte Anschütz, wenn er in die Manöver auszog, wo er seine 



152 



XXI. Capitel. 



berühmte CoUection von Militärbildern herstellte, ein Gepäck von über 
2V2 Centner mit; dazu gehörte ein massives eisernes Stativ, welches auf 
jeden beliebigen Wagen angeschraubt werden konnte. Wenn er wünschte, 
blieb der Apparat auf dem Stative und konnte, ohne ihn zu gefährden, im 
schnellen Trabe querfeldein dahin fahren, wo es was zu sehen gab; an- 
kommen und momentan belichten war eins. 

Nur auf diese Weise war es möglich, dassAnschütz bei den Militär- 
Manövern stets rechtzeitig eintraf und sowohl der Cavallerie als den ver- 
schiedenen anderen Waffengattungen bei allen ihren Bewegungen folgen 
konnte. Die Mühe und Strapazen waren oft sehr schwer und kaum ein 
Zweiter wird sich denselben unterziehen. 

Anschütz's Momentbilder umfassen bereits über 1000 Darstellungen; 
darunter erregen die Scenen aus dem Militärleben, die Thierbilder und 
zahlreiche allerliebste Genrebildchen das allgemeine Interesse in so hohem 
Grade, dass sie schon vielfach verbreitet sind und eine noch weitere Ver- 
breitung in weitere Kreise in vollstem Masse verdienen. Die Original- 
aufnahmen erschienen im Selbstverlage von Ottomar Anschütz in Lissa 
in Posen (Deutschland). 



IV. Marey's Photographien fliegender Vögel. 




Fig. 137. Mdrey's photogiaphiacbe Flinte. 



Der französische Physiologe Marey 
publicirte im Jahre 1882 eine Eeihe 
von Aufnahmen (insbesondere von 
Vögeln im Fluge), zu welchen er 
seine „photographische Flinte" ver- 
wendete ; der photographische Apparat 
war in die Form einer Flinte gebracht, 
wodurch das Zielen wesentlich er- 
leichtert wurde. 

Im Laufe der Marey 'sehen photo- 
graphischen Flinte (Fig. 137) sitzt 
das Objectiv und in der drehbaren 
Trommel eine empfindliche Platte. 
Ein Uhrwerk setzt im gegebenen 
Momente die Trommel so in Bewegung, 
dass sie sich einmal in der Secunde 
in zwölf Absätzen (kurzen Stillständen) 
herumdreht und nach jeder Zwölftel- 
Umdrehung einen Momentverschluss 
von V720 Secunde öffnet. 



Die Photographie von Thieren in Bewegung. 



153 



Fig. 137 zeigt die äussere Ansicht und Handhabung der Flinte. 

Wenn man den Drücker der Flinte niederdrückt, so wird das Uhr- 
werk in Bewegung gesetzt und überträgt auf die einzelnen Theile des 
Instrumentes die erforderliche Bewegung. Eine Centralaxe, welche zwölf 
Umdrehungen in der Secunde macht, setzt die anderen Theile des 
Apparates in Bewegung. Hierzu gehört zuvörderst eine undurch- 
sichtige Scheibe, welche mit einer schmalen fensterartigen Oeflfnung 
versehen ist. Die Scheibe bildet den Verschluss und lässt das Licht, 




Fig. 138. Mechanismus der photographischen Flinte: 1. Ansicht des gesammten Appparates. 2. Ansicht 
des Verschlusses und der mit fensterartigen OefTnungen versehenen Scheibe. 3. Bunder Wechselkasten 

fUr 25 Platten. 



welches durch das Objectiv gegangen ist, nur zwölfmal in der Secunde, 
und jedesmal nur durch V720 Secunde in den weiteren Theil des Apparates 
eindringen. Hinter dieser Scheibe befindet sich eine zweite, welche frei 
um dieselbe Axe rotirt und mit zwölf fensterartigen Oeflfnungen versehen 
ist. Hinter dieser zweiten Scheibe wird eine lichtempfindliche Platte ein- 
gesetzt, die entweder rund oder achteckig ist. Die mit zwölf fensterartigen 
OeflFnungen versehene Scheibe muss in eine intermittirende Bewegung ver- 
setzt werden, so dass sie zwölfmal in der Secunde stehen bleibt und einen 
Bündel von Lichtstrahlen in den Apparat eindringen lässt. Diese ruck- 



164 



XU. Gftpitel. 



weise Bewegung wird durch eine auf der Centralaxe angebrachte Exentric E 
hervorgebracht, die eine hin- und hergehende Bewegung der Axe eines 
Sperrkegels ertheilt, welche bei jeder Oscillation einen der, auf der mit 
den fensterartigen Oeflhungen versehenen Scheibe angebrachten Zähne c 
weiterschiebt. Ein besonderer Verschluss verhindert das Eindringen des 
Lichtes, sobald zwölf Bilder hergestellt wurden. Andere Einrichtungen 
bezwecken, das Vordringen der empfindlichen Platte über die Stelle zu 
verhindern, wohin sie durch die Sperrvorrichtung geschoben wird und wo 
sie während des Lichteindruckes unbeweglich feststohen muss. Man stellt 




Fig. 139. Phutographie einer MOve während des Fluges mit der photugrapliischen Flinte. 



durch Verlängerung oder Verkürzung des flintenlaufartigen Rohres ein und 
controlirt die Einstellung durch eine im Bodenstück angebrachte Oeflfnung 0. 
Ein kreisrunder Wechselkasten, welcher ähnlich den bereits im Handel 
befindlichen eingerichtet ist, dient zur Unterbringung von 25 empfindlichen 
Platten und zur Einführung derselben in die Flinte, ohne sie der Einwirkung 
des Lichtes auszusetzen. 

Vor Anwendung des eben beschriebenen Apparates zum eingehenden 
Studium des Fluges der Vögel wurden von Marey bei einer Reihe von experi- 
mentellen Versuchen befriedigende Resultate erhalten. So wurde z. B. ein 
schwarzer Pfeil an eine Centralaxe befestigt, um welche er sich dreht, indem 
er sich von einem durch die Sonne hell beleuchteten weissen Hintergrunde ab- 
bebt. Die Drehung erfolgt so rasch, dass die Enden des Pfeiles in der Secunde 



Die Photographie von Thieren in Bewegung. 155 

einen Weg von 5 m zurücklegten, was sechs Umdrehungen entsprach. 
Der Zieler bemerkt bei der Schnelligkeit der Bewegung auf eine Entfernung 
von 10 m, indem er auf den Mittelpunkt der Scheibe einstellt, nur im 
Allgemeinen eine graue Färbung. Wird die empfindliche Plattte entwickelt, 
so findet man auf derselben zwölf in Kreise vertheilte Bilder, auf deren 
jedem man den Pfeil mit seinen projectirten Schatten beinahe ebenso 
deutlich bemerkt, als ob er festgestanden hätte. Bei einem anderen Ver- 
suche wurde ein schwarzer Secundenpendel , welcher vor einem weissen, 
in Grade getheilten Lineal oscillirte, photographirt und zwölf Bilder der 
bei der vollen Oscillation aufeinander folgenden Stellungen erhalten. Um 
volle Sicherheit über das Mass der Expositionsdauer zu erhalten, wurde 
am Instrumente ein chronographischer Apparat angebracht, der in einem 
Kautschukballon bestand, welcher bei jeder Verschiebung einen Stoss er- 
hielt und durch eine Luftleitung aus Kautschuk mit einem Schreibapparate 
in Verbindung stand, durch den die Bewegungen auf einem in Drehung 





Fig. 140. YergrOsserang einer Aufnahme bei Fig. 141. YergrOsserung einer Aufnahme zu 

Beginn der Flttgelsenkung. Ende der Flttgelsenkung. 

versetzten Cylinder verzeichnet werden, wobei zur Controle ein Chrono- 
graph oder ein Diapanson benutzt wurde. In dieser Weise kann die Dauer 
des Lichteindruckes und die dazwischen verlaufende Zeit mit hinreichender 
Genauigkeit gemessen werden. 

Nach diesen Controlversuchen schritt Marey zum Photographiren von 
in Bewegung befindlichen Thieren. Er nahm eine Möve in vollem Fluge 
auf. Da dieser Vogel in der Secunde genau drei Flügelschläge macht, 
so beobachtet man an den zwölf Bildern vier aufeinander folgende, gleich- 
artige Stellungen, die sich periodisch folgen (s. Fig. 139). Die Flügel 
sind zuerst auf das Maximum erhoben, dann senken sie sich; im folgenden 
Bilde sind sie am tiefsten gesenkt und im vierten heben sie sich wieder. 
Hierauf wiederholt sich eine neue und ähnliche Serie von Bewegungen u. s. w. 
Durch Vergrösserung dieser Abbildungen, erhält man auf die Entfernung 
sichtbare Bilder (Fig. 140 und 141), bezüglich deren Klarheit und Präcision 
Marey sich noch nicht hinreichend befriedigt erklärt, indem seine Negative 



156 XXI. Capitel. 

noch schwach körnig sind, was er seiner geringen üebung in photo- 
graphischen Operationen zuschreibt. Durch die Heliogravüre erhält man 
nur eine schwarze Silhouette. Marey zweifelt nicht, dass man später 




Fig. 142. Momentphotographien verschiecleDer VOgel im Fluge. 



hie Photographie von l^hieren in Öewegühg. 157 

Tonabstufungen in den Bildern erhalten wird. Unter einem Mikroskop kann 
man bei schwacher Vergrösserung bereits jetzt an den mit sehr genauer 
Einstellung erhaltenen Abbildungen die Schwungfedern zählen und die 
Lagen der Federn wahrnehmen. Werden die Photographien der Vögel 
in einem Phenakistokop angeordnet, so werden die Flugbewegungen ziem- 
lich gut wiedergegeben, doch ist die Zahl der Abbildungen, welche jeder 
Stellung der Flügel entsprechen, noch zu gering, um eine genaue Dar- 
stellung des Fluges zu ermöglichen. Man kann dieses Ziel erreichen, z. B. 
durch Verdoppelung der Schnelligkeit in der Bewegung des empfindliehen 
Apparates und des Verschlussapparates. Marey hat mit seinem Apparat 
dies erfolgreich versucht, indem noch der Lichteindruck in der kurzen 
Expositionszeit von Vuoo Secunde zur Erzielung eines Bildes hinreichte, 
wiewohl das verwendete Objectiv nicht zu den rasch arbeitenden gehörte. 

Diese Versuche dehnte Marey auf verschiedene Arten von Vögeln aus. 

Fig. 142 repräsentirt eine Eeihe von Silhouetten von fliegenden Vögeln, 
deren Beschreibung wir folgen lassen. 

H^ ist eine Eule (Hibou) im Moment, wo sie ihre Flügel niederlässt. 
H^ und H^ zeigen den Vogel in den Perioden, wo er die Flügel immer 
mehr senkt. In S4 werden die Flügel gehoben. Die runde Form des 
Kopfes macht die Silhouette im ersten Blicke schwer verständlich. Eine 
andere Merkwürdigkeit liegt in der schrägen Neigung des Körpers, aber 
man gewöhnt sich bald an diesen Anblick der Eule. 

Der Silberfasan (F) ist im Moment des Niederlassens und in der 
Mitte des Niederschiagens der Flügel aufgenommen. Auch er ist ein 
wenig geneigt. Seine Bauchseite war dem Apparate zugekehrt. 

Die Taube (Pigeon) ist in P^ am Ende der Flugsenkung gezeigt. 
F^ das Ende der Erhebung. Die in P^ dargestellte Taube ist ein „Pigeon 
Montauban"; diese Gattung fliegt recht schlecht. Man muss den Vogel 
in die Luft werfen, um ihn zum Fliegen zu bringen und meistens macht 
er auch dann nur Anstrengungen seinen Fall zu verhindern, 

p^ ist eine Pfautaube (Pigeon-Paon) während sie die Flügel senkt; 
p^ am Schlüsse der Senkung. 

M zeigt eine Möve in horizontalem Fluge, etwas von hinten gesehen. 
Die Stellungen 1, 2, 3, 4, 5 entsprechen den successiven Senkungen der 
Flügel. Mq ist das Bild einer schwebenden Möve, von oben gesehen. 
Mq ist eine Möve mit gesenkten Flügeln, schräg gegen die Flugrichtung 
gesehen. M^ eine andere Flügelstellung derselben Möve. 

Eine Waldschnepfe (Becassine) stellt B^ und B^ dar, von vorn 
während der Flugsenkung gesehen. B^ ist die Seitenansicht schräg von 
unten, am Ende einer Flügelhebung. In B^ und B^ lässt sich die 
Schnepfe mit halb gebogenen Flügeln über die Luft gleiten. 



158 XXI. Capitel. 

Die Drossel (Grive) ist in ö^^ abgebildet, von unten während der 
Flügelsenkung. In G2 hält der Vogel die Flügel fast geschlossen und 
wirft sich wie ein Projectil vorwärts bis zu einem neuen Flügelschlag; 
dann nimmt er wieder die Stellung O^ an. 

Der Sperber (Emouchet) schwebt in E fast unbeweglich. Der 
Schnabel ist immer gegen den Bauch gerichtet. Der Vogel erhält sich 
mittels einiger Flügelschläge gegen den Wind am Platze. 

Die Ente (Canard) zeigt C^ und C^ in verschiedenen Graden der 
Erhebung der Flügel; C^ ist der Schluss der Senkung. 

Die Fledermaus ist nach Marey schwer zu photographiren, wegen 
ihres capriciösen Fluges, ihres kleinen Körpers und der späten Stunde, in 
welcher sie erscheint. Marey machte viele Fehlaufnahmen, bevor er 
brauchbare Bilder auf der Platte seiner photographischen Flinte erhielt. 
Ch^ zeigt die Fledermaus mitten in der Flügelhebung; das Thier ist von 
unten gesehen; Ch^ am Ende der Senkung der Flügel und zwar von vorn 
gesehen. Das in Ch^ repräsentirte Thier hat einen Theil der Membran 
zwischen den Klauen auf der rechten Seite verloren. 

Das genaue Studium der Flügelstellungen dieser Vögel , z. B. der 
Taube, gibt eineii Einblick in die Erklärung der Flugbewegungen. 

Verfolgt man den Flügel in seinem Wege von dem Momente, wo er 
-in der äussersten Erhebung ist, so sieht man (nach Marey) ihn dann sehr 
rasch nach vorwärts bewegen und in dieser Stellung verdeckt er seitlich den 
Kopf des Vogels. Dann senkt sich der Flügel und biegt sich während dem 
einwärts. Bis zum Ende der Senkung sind die Gliederungen des Flügels aus- 
gebreitet; dann falten sie sich plötzlich und das Flügelgelenk bildet mit dem 
Niveau des Körpers einen Winkel; die Federn entfernen sich eine von 
der anderen und ihre dachziegelartige Uebereinanderlagerung (Imbrication) 
wird ersichtlich. Es bilden sich freie Zwischenräume, welche man mit 
jenen verglichen hat, welche die Bretter einer Jalousie trennen; sie scheinen 
den Zweck zu haben, die Luft durchzulassen, wenn der Flügel zurück- 
bewegt wird. 

Die Function der Federn war schon mehrmals durch die Autoren, 
welche sich mit dem Fluge der Vögel befassten, vorhergesagt worden; 
allein man hatte diese Schlüsse mehr aus der Anatomie gezogen, als 
wirklich direct beobachtet. 

Existirt die beschriebene Function in allen Augenblicken des Fluges? 
Marey hat Grund zu der Annahme, dass sie sich nur in den Flügel- 
schlägen während des Wegfliegens zeigt und dass die Biegung des Gelenkes 
und die Trennung der Federn aufhört, wenn der Vogel in voller Ge- 
schwindigkeit fortschiesst. 



Die Photographie von Thieren in Beweguug. 15g 

Ein anderes interessantes Resultat geht aus den Aufnahmen eines 
fliegenden Vogels hervor, welche Muybridge herstellte. Diese Bilder 
beweisen, dass jede Pltigelfeder eine von den übrigen unabhängige Be- 
wegung ausführt, ähnlieh der Euderer eines Bootes. Hieraus würde es sich 
erklären, warum es grossen Vögeln möglich ist, eine Zeit lang in der 
Luft zu schweben, ohne bemerkbare Thätigkeit der Flügel.^) 

Um in dieser Frage und noch vielen anderen zu urtheilen, müssen die 
Experimente in noch weit grösserer Anzahl, Bilder in Serien und unter 
verschiedenen Winkeln gemacht werden, in der Art, dass der Vogel im 
Profil, sich nähernd und wegfliegend, photographirt wird. Schliesslich 
wird mit Vögeln verschiedener Gattung operirt werden müssen, um die 
eigenthümlichen Charaktere jedes einzelnen zu erfahren. 



Y. Photographie der Bewegung der Insekten. 

Um die Bewegungen der Insektenflügel zu studiren, bringt Marey 
das Insekt an einen langen Zeiger (ähnlich wie an einen Uhrzeiger) mittels 
einer Klammer an, lässt aber den Flügeln freien Spielraum. Der Hinter- 
grund ist schwarz. Ist das Insekt hell und gut beleuchtet, so hebt es 
sich gut ab. Das Thier flattert fortwährend und zugleich dreht sich 
langsam der Zeiger, so dass die aufeinander folgenden Flügelschläge neben 
einander auf der Platte abgebildet werden.^) 



VI. Anschütz's Momentbilder fliegender Tauben und Störche. 

Trotz der grossen Errungenschaften durch Marey und Lugardon 
blieb dennoch die Aufgabe ungelöst, von einem sich bewegenden Thiere 
in möglichst kurzen und gleichmässigen Intervallen zahlreiche Aufnahmen 
hintereinander herzustellen, von denen jede nicht nur den äusseren Umriss 
des während der schnellsten Bewegung aufgenonunenen Körpers, sondern 
auch sämmtliche Details in der Vollständigkeit wiedergibt, wi& es sonst 
ein guter Photograph thut; das Verdienst, dieses Ziel mit grösster Con- 
sequenz verfolgt und es schliesslich auch erreicht zu haben, gebührt dem 
deutschen Photographen Anschütz in Lissa. 

Das, was in den vorher angeführten Arbeiten im einzelnen erstrebt 
wurde, vereinigt sich auf das vollkommenste in den Darstellungen von 
Anschütz.^) Schon vor mehreren Jahren erregten seine während der 



1) Photogr. Archiv, 1886, S. 39. 

2) S. Marey's oben citirtes Werk, S. 40 (daselbst zwei Figuren). 

^ Wir folgen hier dem Eingangs citirten höchst interessant geschriebenen Artikel 
Dr. Mullenhofrs. 



160 



XXI. Capitel. 



schnellsten Bewegungen aufgenommenen Bilder von Pferden wegen ihrer 
grossen Schärfe und ihres reichen Details allgemeine Aufmerksamkeit. 
Bald nach diesen ersten Versuchen erschien in rascher Aufeinanderfolge 



2 




eine grosse Anzahl von Aufnahmen, welche nicht nur von der eminenten 
technischen Geschicklichkeit des Darstellers, sondern auch von grosser 
wissenschaftlicher und künstlerischer Begabung desselben hinsichtlich der 
Auffassung und der Wahl der Motive Zeugniss ablegten. Es genüge, zu 



Die Photographie von Thieren in Bewegung. ißl 

erinnern an die geradezu überraschenden Bilder aus den Kaisermanövern 
1883 und 1884, ferner die der Natur mit inniger Liebe abgelauschten 
Scenen aus dem Thier- und Landleben. 

Unter den Bildern aus dem Thierleben erregen zumal die Aufnahmen 
von Tauben und Störchen unsere ganze Aufmerksamkeit; gerade diese ver- 
dienen hinsichtlich des ihnen innewohnenden naturw^issenschaftlichenWerthes 
hier eingehend besprochen zu werden. Von beiden T.hierarten liegen grosse 
Eeihen von Bildern vor, die sowohl bezüglich der Mechanik der Bewegung 
wie auch bezüglich des Verhaltens der Thiere während der Euhe sehr 
lehrreich sind. Eine dieser Aufnahmen führen wir als Facsimile in Holz- 
schnitt in Fig. 143 vor. 

Bei den fliegenden Tauben erkennen wir die Stellung einer jeden 
einzelnen Feder, sowohl der Flügel- wje der Schwanzfedern, in wunder- 
barer Schönheit und Vollständigkeit. Man sieht hierbei, wie bei der 
Flügelhebung die Arme so hoch aufgerichtet 
werden, dass die beiden Flügelflächen mit 
ihrer Oberseite zusammenschlagen; es ist dieser 
Hergang bekanntlich durch das klatschende 
Geräuch auch schon direct wahrnehmbar. Man 
kann sodann die bei der Flügelbewegung er- 
folgende Gestaltsveränderung jeder einzelnen 
Feder im Detail verfolgen. Bald ist bei der vorbereJnt.u'f Landung. 

Flügelsenkung jede Schwungfeder nach auf- 
wärts gebogen, bald bei der Flügelhebung nach abwärts concav geformt. 
Der Handtheil und der Unterarmtheil des Flügels zeigen dabei eine sehr 
verschiedene Stellung, je nach der Eichtung, in welcher der Vogel fliegt. 
Man erkennt, wie der Impuls nach vorn vorwiegend durch den Handtheil 
des Flügels, die Bewegung aufwärts durch den Unterarmtheil hervorge- 
bracht wird; wie je nachdem ob das Thier steigen oder nur vorwärts 
fliegen will, bald der eine, bald der andere Theil des Flügels an Grösse 
und demgemäss an Wirksamkeit gewinnt. Neben den Flügeln wirken 
auch die Steuerschwanzfedern für die Lenkung in der Vertikalen, während 
die Direction nach rechts und links durch Verkürzen respective Vergrössern 
der Propellerfläche der einen Seite bewerkstelligt wird. 

Besonders zahlreiche Aufnahmen hat Anschütz vom Storch geliefert, 
und diese Darstellungen sind in doppelter Beziehung von hervorragendem 
Interesse. Der Storch gehört, wie allgemein bekannt, zu den ausge- 
zeichnetsten, gewandtesten Fliegern; er ist zugleich einer der grössten 
europäischen Vögel. Wenn es darauf ankommt, für die Zwecke der Praxis 
die Flugbewegung irgend eines Thieres zu analysiren, so dürfte, wie das 
bereits vielfach durch Mo uillard und andere französische Aviateure ausge- 
sprochen worden ist, kaum ein kleines Thier als Modell gewählt werden, 

Eder, Momentphotographie. 2. Aufl. 11 




162 



XXI. Capitel. 



und von den grösseren Vögeln ist kaum einer für die Beobachtung so 
bequem, es ist kaum einer so leicht zähmbar wie gerade der Storch. Es 
wird daher die Kenntniss der Flugmanöver gerade dieses Thieres von be- 
sonderer Wichtigkeit sein. 



3 

5< 




Der Storch bietet als Hausgenosse des Menschen noch ein anderes 
Interesse. Er wird allgemein einer vielseitigen und liebevollen Beobachtung 
gewürdigt wegen seines für jedermann sichtbaren und höchst wunderbaren 
Verhaltens im Neste; die Darstellungen, die wir der Geschicklichkeit des 
Photographen verdanken, zeigen uns dieses Verhalten des Meisters Aldebar 
in höchst anziehender Weise. 



Die Photographie von Thieren in Bewegung. 



163 



Die Störche waren durchaus nicht angenehm von dem in ihrer Nähe 
auf dem Dache aufgestellten Apparate überrascht, der Alte stand ruhig 
und still, so dass eine Aufnahme der Bev^egungen nicht möglich war; die 
Jungen verhielten sich eben so ruhig. Da verfiel Herr Anschütz auf die 



m^^pii 




Fig. 146. Die Strafpredigt. 



Idee, sich oben eine Laubhütte zu bauen, in diese kam ein alter Apparat 
und ein ausgestopfter Bock a la Vogelscheuche — nach und nach gewöhnte 
sich die Familie Storch an die ihnen verdächtigte Nähe und nach Wochen 
konnten dann die Aufnahmen in Wirklichkeit ausgeführt werden. 




Fig. 147. Das Storchpaar im Keste. 

Bekanntlich verlassen beim Storche Männchen und Weibchen das Nest 
nur abwechselnd; eines der beiden Alten hat als Wache im Neste zurück- 
zubleiben, während das andere Thier, um Nahrung zu holen, ausgeflogen 
ist. Ein solcher einsamer Wachtdienst dauert durchschnittlich 3 bis 4 
Stunden; gewöhnlich fliegt bei der Ankunft des einen alten Thieres das 
andere sofort auf. Dieser Moment der Ablösung ist als der interessanteste 

11* 



164 



XXI. Capitel. 



von dem Photographen durch eine ganze Reihe von Darstellungen fixirt 
worden. 

In Fig. 144 sehen wir das Thier mit weit ausgebreiteten Flügeln 
sieh dem Neste nähern; noch ist die Flügelstellung dieselbe, wie sie beim 



5 




Segeln und Kreisen beobachtet wird, aber der Storch beginnt bereits die 
Beine nach vorne zu werfen. Er krümmt sodann den Handtheil seines 
Flügels stark nach vorn; der Flügel, welcher vorher die Gestalt einer 
flachen Mulde hatte, erscheint jetzt am Handgelenk fast rechtwinklig ge- 
bogen. Noch stärker wird die Biegung der Flügel und noch gerader 
nach vorn, werden die Beine gerichtet in dem letzten Momente beim Be- 



Die Photographie von Thieren in Bewegung. 



165 



treten des Nestes; hier stemmt dasThier seinen Lauf fast wagerecht nach 
vorn, die beiden Flügel beugen sich zu einem Halbkreise; ihre Fläche ist 
genau senkrecht und nach vorn geöffnet; durch den grossen Druck, den 
die Flügel bei dieser Stellung durch die von vorn auf sie einwirkende 




Luft erfahren, hebt das Thier seine Vorwärtsbewegung auf; jetzt geht es 
aus der komischen Grotesktänzerstellung in die normale Euhestellung über, 
indem es sich hoch aufrichtet und die Flügel auf dem Bücken zusammenlegt. 
Bei dem eben beschriebenen Landungsmanöver hat der Storch haupt- 
sächlich ein Hinausscbiessen über das Nest hinaus zu vermeiden; vielfach 
passt er die zum Erreichen des Nestes erforderliche Kraft besser ab und 



166 XXI- Capitel. 

lässt sich dann aus der Höhe einfach steil herabfallen; dabei bilden seine 
Flügel einen mächtigen Fallschirm (Fig. 145). Durch wechselnde Stellung 
der Flügelflächen, die gegen den Horizont bald schräger, bald steiler ge- 
neigt sind, weiss das Thier stets den Fall derartig zu dirigiren, dass es 
auf einem bequemen Platze nahe am Nestrande ankommt. Ausserordentlich 
interessant ist es, die bei diesem Acte des passiven Fluges hervortretende 
Selbständigkeit des Daumentheiles des Flügels, des sogenannten Lenkfittichs, 
zu beobachten, der bald von den anderen Flügelfedern weit abgespreizt 
wird, bald an dieselben dicht angelegt erscheint (Fig. 146). 

Kommt das von dem Ausfluge heimkehrende Thier auf das Nest 
zurück, so wird es vielfach von seinem Partner im Neste empfangen und 
zwar je nach den Umständen in recht verschiedener Weise. In einem 
Falle sehen wir, wie das zurückgebliebene Thier (Fig. 146) mit vorge- 
strecktem Halse dem Heimkehrenden heftig entgegenklappert; es sieht fast 
aus, als wenn der unglückliche Ankömmling eine energische Strafpredigt 
über sich ergehen lassen müsste, weil er länger als zulässig vom Neste 
fem geblieben ist. — Ganz anders in anderen Fällen; hier klappert der 
Storch mit zurückgelegtem Kopfe und senkrecht aufgerichtetem Schnabel 
lustig in die Luft hinein, voll Freude, dass die ersehnte Ehehälfte wiederkehrt. 

Fig. 147 zeigt, wie das Storchenpaar friedlich im Neste sich befindet. 

Eecht langweilig muss ' ein solcher einsamer Wachtdienst auf dem 
Neste sein, zumal wenn, wie in den angeführten beiden Darstellungen, die 
Jungen noch klein sind und zusammengekauert ruhig daliegen. 

Sehr häufig sind diese Zeiten der Buhe für den Wachhabenden aller- 
dings nicht. Zunächst gilt es, bei der Ankunft die Jungen zu füttern, zu 
schnäbeln und, wie eine Aufnahme Anschütz's zeigt, was mit blossem 
Auge kaum sicher zu beobachten ist, zu tränken. Aus dem geschlossenen 
Schnabel lässt auf diesem Bilde das alte Thier einen feinen Wasserstrahl 
in den weitgeöffneten Schnabel des durstigen jungen Thieres hineinlaufen; 
an heissen Tagen erfolgt diese Tränkung besonders häufig. 

Wenn die Jungen etwas herangewachsen sind, so beginnen sie sich, 
im Gebrauche ihrer Flügel zu üben; wie man aus den zahlreichen Dar- 
stellungen sieht, ist fast immer nur eines der Jungen bei dieser Thätigkeit; 
wegen des beschränkten Raumes ist eine Uebung zu zweien nicht wohl 
thunlich. Dagegen werden die Uebungen im Klappern vielfach im Chore 
ausgeführt. 

Will bei der Ankunft seines Partners das bis dahin im Neste zurück- 
gebliebene Thier ausfliegen, so lüftet es zunächst die Flügel, hebt sie fast 
senkrecht empor, beugt seinen Körper weit über nach vorn und stürzt 
sich mit einem mächtigen Kopfsprunge über den Eand des Nestes (Fig. 148). 
Es wird dabei häufig aufmerksam von den im Neste zurückbleibenden 
Jungen beobachtet. Das abfliegende Thier formt die Flügel in manchen 



Die Photographie von Thieren in Bewegung. 167 

Momenten wie einen Fallschirm (Fig. 149) und streckt nun das Hand- 
gelenk seines Flügels, welches während des Abstossens noch rechtwinkelig 
geknickt war, allmählig vollkommen gerade aus, und nun schiesst es mit 
der scharfen Vorderkante der Flügel, die Luft rasch durchschneidend, 
10 m weit vorwärts, ehe der erste active Flügelschlag erfolgt. 

YII. Anschütz's Serienaufnahmen des Pferdes in Bewegung. 

Die Darstellung von Thieren in Bewegung mittels zusammenhängen- 
den Serienaufnahmen ist durch die Unterstützung des preussischen Cultus- 
ministeriums wesentlich gefördert worden. Die Wichtigkeit dieser Arbeiten 
erkennend, hat der Cultusminister von Gossler Herrn Anschütz eine 
ausserordentliche Beihilfe aus Staatsmitteln gewährt und ihn dadurch in den 
Stand gesetzt, sich die von ihm erfundenen Apparate anfertigen zu lassen. 
Schon die ersten Vorversuche ergaben sehr befriedigende Eesultate; im 
October 1885 fanden die weiteren Aufnahmen statt. 

Das preussische Kriegsministerium hat sich die Vortheile der neuen 
Errungenschaft zuerst dienstbar gemacht. Von seiner Seite wurde der 
Auftrag ertheilt, für das Militär-Eeitinstitut in Hannover Pferde in Schritt, 
Trab, Galopp und Carriere aufzunehmen. Die Aufnahmen liegen nun vor 
und erregen durch ihre Grösse (die Figur ist 8 cm hoch) und vollkommene 
technische Ausführung Bewunderung. Das Thier ist z. B. in einem Galopp- 
sprung während ^/4 Secunde zwölfmal photographirt. Der Standpunkt der 
Camera war absichtlich sehr tief gewählt, um genau den Aufsatz des 
Hufes auf den Boden bei Beendigung des Sprunges erkennnen zu lassen; 
auch ist ein Horizontal-Massstab angebracht, welcher sich auf jedem Bilde 
mitphotographirt. 

Die Aufnahmen sollen dienen, die für die Eeitkunst im Allgemeinen 
und für das Zureiten der Cavallerie-Eemonten im Besonderen wichtigen 
Bewegungen des Pferdes genau kennen zu lernen. 

Aus den Momentbildem ^) ersieht man, dass das Pferd nach dem 
Sprunge nicht mit beiden Vorderfüssen zugleich den Boden berührt, sondern 
mit dem einen allein, was unseren gewöhnlichen Anschauungen ebenso 
widerspricht, wie die Beinstellung während des Sprunges, wovon wir in 
dem vorliegenden Werke mehrfache Beispiele vorgeführt haben (vergl. S. 142). 



*) Eine Abbildung dieser Photographie war in der „lilustrirten Zeitung" (No 1 
vom Jahre 1886) enthalten. 



XXll. CAPITEL. 



Die Photographie schlafender und hypnotisirter Personen, 
sowie ihre Anwendung zum Stndium von physiologischen 

Processen. 



I. Die Photographie schlafender und hypnotisirter Personen. 

Mit seltenen Ausnahmen gewähren die Photographien Schlafender 
keinen angenehmen Anblick. Ganz kleine Kinder sehen, so aufgenommen, 
zwar zuweilen gut aus, Erwachsene aber fast nie. Frauen haben da- 
bei zumeist den Ausdruck tiefer Eeue, Männer die Züge langen und 
schweren Leidens.^) Sollte nach dieser Sachlage vielleicht die „schlafende 
Schönheit" ganz ins Gebiet des Eomanes verwiesen werden und ein wirk- 
liches Bild derselben alle Illusion zerstören? 

Nicht immer ist es aber gerathen, das Porträt einer schlafenden 
Person sich auf dem Wege der Photographie anzueignen. In Deutschland, 
in der Nähe von Ems, kam im Jahre 1885 ein interessanter Process zur Er- 
ledigung. Ein Handelsmann war in einer Eestauration eingeschlafen und 
bot seine ohnehin schon interessante Physiognomie in der hierbei gewählten 
Lage ein so komisches Bild dar, dass mehrere anwesende Gäste wünschten, 
dieses Bild ihren Mitmenschen auch in weiteren Kreisen bieten zu können. 
Ein Photograph, der sich unter den Anwesenden befand, hatte rasch seinen 
Apparat zur Hand und in Eile den Schläfer photographirt , ohne dass 
dieser eine Ahnung davon hatte. Auf die Neckereien seiner Bekannten 
liess der Handelsmann durch eine dritte Person eines seiner vom Künstler 
in den Handel gebrachten Bilder erwerben und stellte den Strafantrag 
gegen den Photographen. 

Das Gericht erblickte in dem Vorgehen des Photographen eine un- 
rechtmässige Aneignung eines fremden Porträtes; die Bilder wurden 
gerichtlich eingezogen und aus dem Handel gebracht. 



*) Photographic News, 1883, S. 727; Photogr. Wochenblatt, 1884, S. 36. 



Die Photographie schlafender und hypnotisirter Personen etc. \QQ 

Wir müssen auch der Photographien eines Mädchens im normalen, 
dann im hypnotisirten Zustande erwähnen, welche im photographischen 
Verein zu Berlin 1884 gezeigt wurden. Im hypnotisirten Zustande con- 
vergiren die Augen noch, aber das rechte nach einem tieferen Punkte, der 
Unterkiefer ist zurückgesunken; im Ganzen herrscht der Ausdruck der Ab- 
spannung vor. Anders erscheint die Photographie des Mädchens im hypno- 
tisirten Zustande, nachdem ihr die Hände wie zum Gebet gefaltet worden 
sind. Das Gesicht hat sich verklärt, die Lippen sind geschlossen, die Augen 
aufwärts gejichtet, die Pupillen verengert; im Ganzen' liegt der Ausdruck 
vollster Verklärung, der besonders zur Geltung kommt, wenn man die untere, 
etwas herbe Partie des Gesichtes verdeckt. Im komischen Gegensatze hierzu 
erscheinen die Photographien, welche Frösche in hypnotisirtem Zustande 
in diversen drolligen Stellungen vorführen.^) 

n. Die Photographie in Erankenanstalteii. 

In Krankenhäusern, speciell in Irrenanstalten wendete man die Photo- 
graphie schon vor 30 Jahren an. Brushfield in Chester fand bei seinen 
im Jahre 1857 gemachten Versuchen, welche er der Londoner photo- 
graphischen Gesellschaft vorlegte 2), dass Geisteskranke häufig erfreut sind, 
ihre eigenen Porträte zu sehen. Eine Patientin bat den photographirenden 
Arzt um ihr eigenes Porträt, welches sie ihrem Sohne nach Irland senden 
wollte, um zu zeigen, wie viel besser es mit ihr gehe! In Bezug auf 
verbrecherische Wahnsinnige erkannte Brushfield schon damals die 
Wichtigkeit, ein Porträt von ihnen zu haben, da viele eine verbrecherische 
Anlage und Erziehung haben. Wenn diese der Anstalt entfliehen, dann 
sind sie dem Gemeinwesen doppelt gefährlich. Man kann sie leicht auf- 
spüren, indem man ihre Photographie an die Polizeiverwattung sendet, 
bevor sie irgend einen gewaltthätigen Act verübt haben. 

Hinsichtlich jener, deren Züge nicht zu einem ruhigen Ausdruck ge- 
bracht werden können, sind sehr lichtempfindliche Präparate nothwendig. 

Der Wunsch nach letzteren ist im Laufe der Jahre in Erfüllung ge- 
gangen und der Arzt als Photograph kann sich heute an Aufgaben wagen, 
die in den fünfziger Jahren als unlösbar galten. 

Viele französische Krankenhäuser besitzen gegenwärtig nach einem 
Berichte von Albert Londe in der Zeitschrift „Nature" ihre photogra- 
phiaehe Abtheilung, worin mit den rasch arbeitenden Bromsilbergelatine- 
platten gearbeitet wird. Speciell in dem Pariser Hospital „la Salpetriere", 
dem berühmten Frauen-Irren- und Siechenhause, verwendet Prof. Charcot^) 



^) „Photograph. Wochenblatt", 1884, S. 50. 

3) Jour. London. Soc. Bd. III, S. 289. 

^ „Photographic News", 1883, S. 561. Auch „Photogr. Archiv", 1884, S. 21. 



170 



XXn. Capitel. 



mannigfach die Photographie. Am Tage seiner Aufnahme ins Hospital 
wird der Kranke photographirt und dann ferner bei allen Veränderungen 
seines Zustandes. 

Bei hysterischen Contracturen ist dies von grossem Werthe. 



5 




Die verschiedenen Aufnahmen werden in einem Album gesammelt 
und geben ein treues Bild von dem Anfangszustande und der Veränderung 
der Krankheit. Momentaufnahmen sind dem Arzte auch in manchen Fällen 
sehr willkommen, so z. B. bei Hystero-Epilepsie und der eigentlichen 



Die Photographie schlafender und hypnotisirter Personen etc. 



171 



Epilepsie u. s. w., denn Professor Charcot hat nachgewiesen, dass diese 
Bewegungen aus ganz unterscheidbaren Perioden sich zusammensetzen, die 
sich in charakteristischer Reihenfolge vorführen. 

Um solche Reihen von Bewegungen abzubilden, werden an eine 
Camera in Kranzform neun Objective von gleicher Brennweite angeschraubt. 
Hinter denselben befindet sich eine Scheibe aus geschwärztem Aluminium 
mit einer rechteckigen Oeflfnung. Die Scheibe wird durch ein Uhrwerk 
in Drehung versetzt. Während sie stillsteht, schliesst sie den Apparat. 
Ein Eleetromagnet löst die Scheibe aus, so dass die Oeffnung an einem 
der Objective vorbeigeht und es dann wiederum schliesst. 



^i- 




Fig. 151. Metronom und electrische Batterie zum Auslösen des Momentapparates. 



Es steht demnach der Apparat fortwährend gerüstet da. Fig. 150 zeigt 
die Aufstellung des electrisch in Bewegung zu setzenden Apparates bei ärzt- 
lichen Beobachtungen. Der neben dem Kranken stehende Arzt belichtet 
mittels eines electrischen Drückers (D). 

u§T Eine einfache Vorrichtung an der electrischen Leitung erlaubt die neun 
Aufnahmen rasch hintereinander zu machen. 

Ein Uhrwerk (Metronom, (7. Fig. 151) setzt den electrischen Ver- 
schluss nach Bedarf in regelmässigen Intervallen in Thätigkeit, indem bei 
E zwei Spitzen in Folge der Pendelschwingungen abwechselnd in ein 
Schälchen mit Quecksilber tauchen: dadurch wird der Strom der Batterie jB 
geschlossen. Ä ist die photographische Camera, bei welcher eine Nadel 
angebracht ist, welche anzeigt, welches Objectiv zuletzt in Thätigkeit war. 



172 



XXU. Capitel 



Fig. 150 zeigt, wie eine hysterische Person in ihrem Krankenlager 
photographirt wird. Der Saal ist hell genug hierfür und der Arzt logt 
die Hand an den electrischen Drücker, welcher den Verschluss der Camera 
in Bewegung setzt. 

Eine Probeaufnahme mit diesem Apparate ist in Fig. 152 reproducirt. 
Die Camera war auf zwei Personen gerichtet worden, welche auf der 




Fig. 152. Serie von aufeinanderfolgenden Momentbilderu. 

Strasse spaziren gingen. Die neun aufeinander folgenden Momentbilder 
zeigen uns, wie diese Personen anfangs hintereinander gehen, sich an- 
sprechen und dann zusammen weiter wandeln. 

In derselben Weise lassen sich andere Vorgänge in regelmässiger 
Aufeinanderfolge photographiren. 



III. Die Momentphotographie zum Stadium rasch verlaufender 
physiologischer Frocesse. 

Schon im Jahre 1865 wurde die Photographie, trotz der UnvoU- 
kommenheit der damals angewendeten Methoden, von Onimus und 
A. Martin zum Photographiren der Bewegungen des Herzens in lebenden 
Thieren angewandt und sie legten ihre Resultate in den „Etudes critiques 



Die Photographie schlafender und hypnotisirter Personen etc. 



173 



sur les mouvements du coeur" im Journal de rAnatomie et de la Physiologie 
(1865) nieder. Es wurde z. B. das Herz einer Schildkröte und eines Hasen 
in seinen extremen Positionen des Zusammenziehens und Erweiterns 
photographirt. 

Später cultivirte insbesondere Dr. Stein in Frankfurt a. M. die phy- 
siologische Photographie, um gewisse Thätigkeiten einzelner Organe dar- 
zustellen. Mittels photographischer Curvenbilder wurden viele physiologische 
Vorgänge, z. B. der Herzschlag, die Pulswelle, die Athmung, Muskel- 
contraction und menschliche Temperatur verzeichnet. 




Fig. 153. Dr. Stein's Pulshammer. 



Czermak hatte zuerst im Jahre 1863 in den Sitzungsberichten der 
Wiener Academie der Wissenschaften vorgeschlagen, den Pulsschlag zu 
photographiren. Er wollte die Lichtstrahlen durch eine Sammellinse con- 
densiren und an einem auf die Arterie aufzuklebenden halbkugelförmigen 
Knöpfchen vorbeigehen lassen. Der Schatten, welchen dieses Knöpfchen 
an einer gegenüberliegenden Wand vergrössert wirft, gibt durch seine 
hüpfende Bewegung eine mit hinlänglicher Deutlichkeit photographirbare 
Curve. 

Czermak führte diese Idee nicht practisch durch. Dies blieb Dr. 
Stein vorbehalten, welcher mehrere vollkommene Apparate, sogenannte 
photographische Pulshammer, construirte und die Pulscurven photographirte. 



174 XXII. Capitel. 

Fig. 153 zeigt Stein's Pulshammer. 

Der Apparat besteht aus einem Metallrähmchen von Messing, auf 
welchem die Feder EF mittels dreier Sehrauben befestigt ist. Bei a 
trügt die Fedor nach oben einen Messingknopf, nach unten das auf die 

I Arterie drückende runde Hornknöpfchen. Das Messingknöpfchen 
a steht mit dem Metallstäbchen M in directer Verbindung, 
letzteres articulirt bei h mit dem Fischbeinhebel H, Dieses 
Stäbchen trägt an seinem langen Ende das geschwärzte Glimmer- 
stückchen C, welches in» der Mitte ein Bohrloch l zeigt. Der 
Stützpunkt des Hebels H ist an eine Schlittenschraube S be- 
festigt, durch welche die ganze Hebelvorrichtung je nach dem 
Hoch- oder Tiefliegen der Arterie verschieden gestellt werden 
kann. BB sind Gummibänder, die hei mmmm an die vier 
Zapfen des Rähmchens FE zur Befestigung am Arme einge- 
hängt werden können. 
Der Hebel mit dem Glimmerblättchen geräth durch den 
Pulsschlag in hüpfende Bewegung. Fällt nun ein Lichtstrahl 
durch das Bohrloch des Blättchens bei l auf eine photogra- 
phische Platte, welche durch ein Uhrwerk langsam und gleich- 
massig vorwärts bewegt wird, so bildet sich eine Curve auf 
der Platte, welche dem Pulschlage entspricht. 
Fig. 154 zeigt eine von Dr. Stein photographirte Puls- 
curve. Die Curvenhügel entsprechen den einzelnen Pulsschlägen. 
Je kräftiger die Blutwelle ist, deso stärker gehen die Curven- 
hügel in die Höhe; dies geschieht z. B. nach genossenem 
Mittagsmahle, nach dem Ersteigen einer Treppe. Es markiren 
sich aber niemals einfache zu- und abnehmende Blutwellen, 
sondern die Pulswelle prallt an die Arterienwand doppelschlägig 
an; ferner erkennt man an der Curve die Pause, welche zwischen 
der Zusammenziehung und Ausdehnung des Herzens eintritt. 
Diese Pause ist bei dem normalen Pulse auf der Höhe des 
Curvenhügels durch eine deutliche Querlinie dargestellt (s. 
üeber alle weiteren Einzelheiten der Anwendung der 
Photographie auf Anatomie und Physiologie verweisen wir 
auf Dr. St ein 's Werk „Das Licht im Dienste wissenschaft- 
licher Forschung" (Halle a. S. 1885), wo auch Transmissions- 
apparate für Herzschlag und Athmung, für Muskelzuckungen u. a. ra. 
angegeben sind. 

Bekanntlich hängt die Hervorbringung des Lautes überhaupt und die 
Aussprache der Vocale mit einer gewissen Mund- und Zungenhaltung zu- 



Die Photographie schlafender und hypnotisirter Personen etc. 



175 



sammen, welche schon wiederholt der Gegenstand der Untersuchung der 
Sprachforscher war. 

Fig. 155 bis 157 zeigen die Stellung der Lippen während der Aus- 
sprache der Vocale A, und ü. und man wird hierin ein Beispiel finden, 







s X 



wie man ^von den Lippen lesen" kann. Die Figuren wurden nach Photo- 
graphien hergestellt und sind einem Artikel von Felix Hement über 
„Les progres recents dans Tenseignement des Sourds-Muets" entnommen.^) 



^) La Nature, 1885, S. 168. 



176 XXII. Capitel. 

Durch die Momentphotographie wurde aber noch manche andere 
Aufgabe gelöst, welche weniger der Wissenschaft, als dem künsterischen 
Leben nahe steht. 

Barnard^) in New- York photographirte einen Violinspieler während 
seines Musikvortrages und machte ausserdem noch von mehr als hundert 
anderen Künstlern, wie Sängern, Schauspielern, Pianisten etc. Aufnahmen, 
die für die richtige Stellung, Pingerhaltung, Mundbewegung etc. vortreflfliche 
Studienbilder sind. Da die aufgenommenen Persönlichkeiten nicht nur hervor- 
ragende Künstler waren, sondern sich auch frei von der namentlich bei 
Sängern nicht seltenen Untugend des „Grimassenschneidens" halten, so 
mögen solche Photographien schätzbare Vorbilder für Jünger der Kunst sein. 



1) Photogr. Archiv, 18^3, S. 70. 



XXIII. GAPITEL. 

Der Mensch in Bewegung. 



Schon bei flüchtiger Betrachtung von photographisch aufgenommenen 
Strassenscenen oder anderen Momentbildern, auf welchen Menschen in 
Bewegung abgebildet sind, fällt das Ungewohnte, ja sogar Absonderliche 
in der Haltung der einzelnen Personen auf. 

Fig. 158. Fig. 159. Fig. 160. Fig. 161. Fig. 16Ä. Fig. 163. 

Typen aus photographischen Strassen-Bildern. 



Betrachten wir einzelne Figuren aus verschiedenen Momentbildern, 
bei welchen die Menschen in völliger Unbefangenheit sich bewegten, so 
treten uns diese Verhältnisse vollkommen deutlich vor Augen. 

In Fig. 158 bis 168 sind solche Figuren aus belebten Strassenscenen 
herausgegriffen und getreu nach den beim Verfasser befindlichen Originalen 
copirt. 

Fig. 158 bis 162 zeigen verschiedene Personen, welche langsam 
promeniren. Bei den meisten dieser Bilder fällt die Stellung des auf- 
tretenden, vorgeschobenen Fusses auf, wobei consequenter Weise der Fuss 
mit der Ferse und stark aufwärts gerichteter Fussspitzo den Boden be- 
rührt. Ein Maler dürfte kaum solche Stellungen, wie in Fig. 159, 161, 

Eder, Moraentphotoprraphle. 2. Aufl. 12 



178 



XXIII. Capitel. 



162, 165 und 167 darzustellen wagen und der in Fig. 165 abgebildete 
Offizier würde wohl selbst kaum glauben, dass er eine solche Stellung einge- 
nommen habe, als er einmal über die Strasse schritt, ohne eine Ahnung 
von dem lauernden Photographen zu haben. Das weite Ausschreiten des 
geschäftig eilenden Mannes (Fig. 162) findet sich dagegen häufig auf 
Momentbildern. — Fig. 163 bedarf noch einer kleinen Erläuterung. Die 





Fig. 164. 



Fig. 165. Fig. 166. Fig. 167. 

Aufnahmen von Menschen in Bewegung. 



Fig. 168. 



daselbst abgebildete Person wartete auf der von vielen Wagen befahrenen 
Hauptallee im Wiener Prater knapp an der Fahrstrasse, bis sie dieselbe 
übersetzen konnte. Ein Wagen fuhr soeben vorbei, ein zweiter nahte; 
mit raschem Schritte eilte der Mann zwischen beiden durch, wobei er 
einen kleinen Anlauf genommen zu haben scheint. In diesem Augenblicke 
wurde er von einem Eisenbahnviaducte aus von den Herren Scolik und 
David photographirt. 








Fig. 169. 



Fig. 170. Fig. 171. Fig. 172. 

Lafufende und springende Kinder. 



Fig. 173. 



Fig. 164 ist ein in Eeihe und Glied in einem grösseren Zuge 
marschirender Turner (gegen den Apparat kommend) aus Obernetter's 
Aufnahmen des Münchener Schützenfestes; während in Fig. 166 ein Mann 
aus einem bayrischen Eegimente, welches eben exercirte, von rückwärts 
abgebildet ist. 

Anders erscheint die Körperhaltung, wenn der Mensch einen Gegen- 
stand in der Hand hält. Fig. 167 ist ein pflügender Bauer, welcher 



Der Mensch in Bewegung. 179 

hinter dem Pfluge langsam herschreitet und dabei sein Pfeifehen raucht. 
Fig. 168 zeigt einen Bauer, welcher mit der Peitsche in der Hand neben 
dem pflügenden Gespann herläuft, um die Thiere zur Eile anzutreiben (nach 
Momentbildern von Lugardon). 

Einzelne laufende Kinder sind in Fig. 169, 170 und 171 
wiedergegeben (nach Lugardon); eine systematische Wiedergabe 
der aufeinanderfolgenden Bewegungserscheinungen eines laufenden 
Menschen ist weiter unten durch die Momentbilder Marey's anschaulich 
abgebildet. 

Fig. 172 zeigt ein über einen Stab springendes Kind; Fig. 173 einen 
vom Sprungbrett ins Wasser springenden Knaben. 

Hill und Saunders hatten in der Ausstellung der „Photographic 
Society of Great Britain" im Jahre 1881 die Bilder von zwei Athleten 
ausgestellt, von denen sich der eine mit den Beinen am Eecke schwingt; 
dieser hatte den anderen aber an den Händen gehalten und soeben losge- 
lassen, so dass Letzterer bereits einen Eaum von 24 Zoll durchfallen hatte. 
Das Bild war so scharf, dass man sicher ist, dass der Athlet höchstens 
einen Eaum von 1 cm während der Exposition durchfiel. Die Exposition 
war wahrscheinlich V270 Secunde.^) 

Als eine vortreflfliche Momentaufnahme dieser Art ist das Bild des 
Malers Lugardon in Genf hier abgebildet (Fig. 174; Facsimile in Zinko- 
typie nach dem Original von Angerer und Göschl in Wien). Es wurde 
hierzu ein Antiplan^t und Thury und Amey's Momentverschluss benützt. 
Ein Mann schwingt sich mittels eines Stockes über die Springschnur und 
lässt im Moment, wo er am höchsten Punkte angekommen ist, den Stock 
los; dadurch erscheint der Schwerpunkt in erstaunlicher Weise verrückt 
und unsere Figur zeigt die wunderliche Stellung des Mannes in diesem 
Augenblicke, wo er eher durch einen unglücklichen Fehltritt zu Boden 
zu stürzen, als regelrecht zu springen scheint. 

Sehr interessant und auch sonst von hübscher Wirkung sind die 
gleichfalls von Lugardon aufgenommenen badenden Knaben, welche im 
Lichtdruck als photographische Copie vom Original mit gütiger Erlaubniss 
Herrn Lugardon's in Tafel XV beigegeben sind. Wir sehen den Knaben 
frei im Sprunge schwebend; die Wassertropfen spritzen zu seinen Füssen 
vom Sprungbrette empor, die Hände tauchen eben ins Wasser. Der Kopf 
des zweiten Knaben ist, trotzdem er im Schatten ist, genügend durchge- 
zeichnet. Die kleinen Wellen erscheinen vöUig scharf. Es würde ein 
rascher und sicherer Blick eines Malers dazu gehören, die Scene festzu- 



^) „British Journal of Photography", 1882, S. 120; „Photographisches Wochen- 
blatt", 1882, S. 86. 

12* 



180 



XXin. Capitel. 



halten und das zierliehe Spiel der kleinen Meereswellen so wiederzugeben, 
wie es hier im Augenblick von Vsoo Secunde geschah. 

Auf Tafel XVI ist ein Velocipedist in dem Moment-e des Abspringens 
vom Bicycle abgebildet, und der Lichtdruck unmittelbar nach dem Original- 
negativ hergestellt. 




Fig. 174. Momentaufnahme eines Stockspringers. 



Muybridge, welchem wir so viele wichtige Untersuchungen über die 
Bewegungen der Thiere verdanken, studirte auch die menschlichen Be- 
wegungsphänomene in rasch aufeinanderfolgenden systematischen Auf- 
nahmen , mit jenen Apparaten , welche wir schon auf S. 142 beschrieben 
haben. 



Der Mensch in Bewegung. Jgl 

Muybridge befasste sich unter anderem mit den Exercitien von 
amerikanischen Athleten. Von 10 Uhr eines sonnigen Sommertages ange- 
fangen bis 4 Uhr Nachmittags wurde in rascher Eeihenfolge geboxt, ge- 
fochten, gerungen, gesprungen etc. und sämmtliche Bewegungen wurden 
momentan photographirt. Zuerst wurde ein Gymnastiker während eines 
Salto mortale photographirt. Er stand bewegungslos vor der Camera. Auf 
ein Zeichen sprang er in die Luft, überschlug sich rückwärts und stand dann 
wieder in seinen eigenen Fusstapfen. So kurz auch die Zeit des Sprunges 
war, so wurden doch während derselben 14 Aufnahmen gemacht, die ihn 
in verschiedenen Stellungen zeigten. 

Bei einem Salto mortale ist die Bewegung so schnell, dass das Auge 
derselben gar nicht folgen kann. Man sieht nur eine sich in der Luft 
herumdrehende Figur. Sehen wir uns jedoch die davon gemachten Auf- 
nahmen an, so finden wir eine interessante Folge von Stellungen, welche 
wohl geeignet wären, unter den auf den Zetteln befindlichen gedruckten 
Abbildungen eine vollständige Revolution herbeizuführen. 

Ein Hercules des „Olympischen Club" in San Francisco lieferte eine 
gute Muskelspielstudie für einen Bildhauer, indem er auf Armlänge über 
seinen Kopf ein Gewicht von 150 Pfund hielt. Von dem Augenblicke an, 
wo er das Gewicht zu seinen Füssen ergriflf, bis dahin, dass er es be- 
wegungslos über seinem Kopfe hielt, wurden 14 Aufnahmen gemacht, 
welche zeigten, was für Muskeln zur Wirkung gelangten und wie und 
wann sie arbeiteten. 

Mr. Gerichton, Lehrer des Boxens, führte mit seinen ehemaligen 
Schülern einen Boxkampf aus und alle dabei vorkommenden, oft sehr 
schnellen Bewegungen, als Auslagen, Angriff, Parirungen, Finten, Contres, 
Kopfschläge und Kniebewegungen wurden sämmtlich durch die Camera 
fixirt, und die Bilder können Jenen, welche die Boxkunst erlernen wollen, 
als gute Vorlagen dienen. 

Damals schon nahm Muybridge einen Springer auf, was Marey 
und An schütz unter veränderten Umständen vier Jahre später wiederholte. 
Es wurden vierzehn Fäden mit gleichen Abständen quer vor dem Springer 
ausgespannt, welche er bei dem Sprunge sämmtlich nacheinander zerreissen 
musste. Jeder Faden stand mit der Camera so in Verbindung, dass er beim 
Zerreissen den Momentverschluss derselben öflfnen musste. 

Im Jahre 1883 unternahm Muybridge neuerdings Untersuchungen 
über die Bewegung des Menschen und der Thiere , über deren Fort- 
schreiten wir schon oben (S. 145) berichtet haben. 

Die grossen Erfolge, welche Muybridge hatte, regten auch andere 
Photographen zu ähnlichen Versuchen an (vergl. Barnard's Aufnahmen 
S. 176). 



182 



XXIII. Capitel. 



Anderson gab 1883 ein Werk heraus, in. welchem die verschiedenen 
nothwendigen Bewegungen des Reiters durch 28 Photographien nach der 
Natur illustrirt sind.^) 

Ein nach wissenschaftlichen Principien erbautes physiologisches Atelier 
zum Studium von Bewegungsvorgängen befindet sich seit Beginn des 
Jahres 1883 in der Avenue des Princes in Paris, dessen Leitung die 
französische Regierung, auf deren Kosten das Atelier errichtet worden ist, 
dem im Gebiete der Photographie durch die auf S. 152 erwähnten 
Momentaufnahmen fliegender Vögel bekannt gewordenen Professor Marey 
übertragen hat. 




Fig. 175. Laufbahn zur Aufnahme photographischer Momentbilder. 

In diesem Atelier sollen Aufnahmen in Bewegung befindlicher Thiere 
und Menschen gemacht werden, und zwar hat sich Marey zunächst 
folgende Aufgabe gestellt:^) 

1. Die einzelnen Bewegungen, Stellungen u. s. w. zu bestimmen, 
welche der Mensch in verschiedenen Perioden des Laufens, Gehens, und 
Springens annimmt. 

2. Die äusseren Umstände ausfindig zu machen, durch welche diese 
Bewegungen beeinflusst werden, die also den Schritt verlängern oder ver- 



*) „British Journal of Photographic", 1883, S. 722; „Photographisches Wochen- 
blatt", 1884, S. 43. 

2) „La Nature", 1883. „Bulletin de TAssociation Beige de Photographie", 1883. 
„Photographisches Archiv", 1884. 



Der Mensch in Bewegung. 



183 



kürzen oder den Lauf beschleunigen und dem entsprechend dem sich fort- 
bewegenden Menschen günstig oder ungünstig sind. 

3. Den während den verschiedenen "Bewegungsstadien geleisteten 
Kraftaufwand zu messen, um darnach die vortheilhafteste Weise zur Nutz- 
barmachung dieses Arbeitsaufwandes herauszufinden. 

Fig. 175 macht die Einrichtung und das Aeussere von Marey's 
physiologischem Atelier deutlich. Die kreisrunde und genau horizontal 
gelegte Laufbahn besteht aus zwei nebeneinander herlaufenden Wegen, 
Von denen der innere, 4 m breit, für Pferde, der äussere für Menschen 
bestimmt ist. Um diese Bahn herum läuft eine Telegraphenleitung, deren 
Stangen 50 m weit von einander entfernt stehen und die jedesmal, so oft 
die auf der Bahn gehende Person eine solche Telegraphenstange passirt, 
in der Hauptstation ein Signal geben. Aus diesen Signalen lässt sich 





Fig. 176. Fig. 177. 

Marey^s Dunkelwagen zur Momentphotographie. 



jederzeit die Schnelligkeit der laufenden Person berechnen. Das im Mittel- 
punkt der Bahn befindliche Gestell enthält eine Trommel, die ebenfalls 
durch einen Telegraphendraht in Bewegung gesetzt wird und der in der 
Bahn gehenden Person das Tempo der Schritte angibt. 

Professor Mar ey kleidet die Personen, mit welchen er seine Versuche 
anstellt, weiss und lässt sie vor einem schwarzen Hintergrund vorüber- 
gehen; ferner verwendet er nur eine Camera und ein Objectiv (Gegen- 
satz zu Muybridge), aber nimmt auf derselben Platte verschiedene Be- 
lichtungen vor, so dass sich nach dem Entwickeln der betrefiende 
Gegenstand auf verschiedenen hintereinander liegenden Stellen der 
Platte zeigt. 

Die Bauart und Einrichtung des Apparates geht aus Fig. 176 und 177 
hervor. Fig. 176 ist der auf Schienen laufende Dunkelwagen, w^elcher 
näher an den Hintergrund heran oder weiter von demselben weggefahren 
werden kann, je nach der Beschaflfenheit der in Anwendung kommenden 



184 



XXin. Capitel. 



Objective und der gewünschten Grösse der Aufnahme (die Distanz ist 
meistens 40 m). Aussen am Dunkelzimmer sieht man die rothen Fenster- 
scheiben, durch welche der Operateur die auf der Bahn laufenden Personen 
beobachtet, und ein Sprachrohr, durch welches er seine Befehle ertheilt. 
Durch die in der Figur weggelassene Vorderwand der Dunkelkammer 
hindurch sieht man eine grosse drehbare Scheibe, die nahe am Umfange 

eine kleine Oeflfhung(Spalte) 
hat. Hinter derselben be- 
findet sich das Objectiv, 
in welches mit Unter- 
brechungen Licht eindringt, 
so oft der Spalt dasselbe 
passirt. Die Scheibe hat 
einen Durchmesser von 
1,3 m und der Spalt misst 
genau den hundertsten 
Theil ihres Umfanges, so 
dass also, wenn die Scheibe 
sich zehnmal in der Se- 
cunde dreht, jede Belich- 
tung nur Vi 000 Secunde 
dauert. In Bewegung ge- 
setzt wird die Scheibe 
durch ein Eäderwerk mit 
einem 150 kg schweren 
treibenden Gewicht. 

Fig. 177 zeigt das 
Innere des Wagens. Ä ist 
die Camera, B die sich 
drehende Scheibe, D ein 
Verschluss für das Objectiv, 
welchen man zu Beginn 
des Experimentes öffnet 
und nach Beendigung des- 
selben schliesst, um nicht Licht länger als nothwendig ins Innere dringen 
zu lassen. E ist ein Fenster in der Vorderwand des Wagens, durch 
welches hindurch die Aufnahmen gemacht werden. In dem Wagen, in 
welchen nur rothes Licht eindringt, können' die Platten sofort gewechselt 
und entwickelt werden. 

Fig. 178 ist die Abbildung der vor dem schwarzen Hintergrunde sich 
hinbewegenden weissgekleideten Person. Die Bahn, auf welcher dieselbe 
geht, ist 20 cm höher als die angrenzende Bodenfläche, und an der ganzen 




Fi«. 178. 
Vorkehrung zur Momentaufnahme eines laufenden Mannes. 



Der Mensch in Bewegung. Ig5 

Abschrägung dieser Bahn läuft eine mit schwarzen und weissen Feldern 
versehene Scala, die zum Messen der Schnelligkeit des Laufes und der 
einzelnen Körperbewegungen dient. Jedes der schwarzen und weissen 
Felder ist Vl2^ lang. Die Belichtungen mit der Camera geschehen durch 
den in der sich drehenden Scheibe befindlichen Spalt. Dreht sich also die 
Scheibe mit immer gleichmässiger Schnelligkeit, so müssen auch die Be- 
lichtungen in regelmässigen Zwischenräumen stattfinden, z. B. 10 in jeder 
Secunde. Hat sich die aufzunehmende Person nun zwischen jeder der 
einzelnen Belichtungen V2 ^fi vorwärts bewegt, so muss demnach die Ge- 
schwindigkeit ihres Laufes 5 m in der Socundc botragen haben. 




Fig. 179. Mann, über ein Seil springend. 

Trotzdem wird die Schnelligkeit der Scheibendrehung durch folgende 
Vorrichtung controlirt: Auf dem dunklen Hintergrunde ist ein rundes 
Zifierblatt angebracht^ in dessen Mitte sich ein beweglicher glänzender 
Zeiger befindet (Fig. 178). Das Zifierblatt ist aus schwarzem Sammt, in 
welchen weisse Nägel eingeschlagen sind. Zur Umdrehung um den ganzen 
Umfang des Zifferblattes gebraucht der Zeiger genau 1 Secunde. Nimmt 
nun die Aufnahme oder eine Eeihe von Aufnahmen den Bruchtheil einer 
Secunde z. B. ^/jq oder ^/lo Secunde in Anspruch, so hat dann auf dem 
fertigen Bilde der Zeiger ^/lo, respective ^/lo des Kreisumfanges zu- 
rückgelegt. 

Klarer wird dies aus Fig. 179. Hier zeigt die Aufnahme eine Person, 
welche über ein Sprungseil springt. Die erste Figur stellt den Mann in 
dem Augenblicke dar, als er vor dem Sprunge den Anlauf nimmt. In der 
letzten Figur hat er den Sprung bereits ausgeführt und ist eben dabei, 
sich wieder in die Höhe zu richten. Man sieht aus diesem Bilde (einer 
heliographischen Copie der leider nicht ganz scharf gerathenen Original- 
photographie) 9 verschiedene Abbildungen des Mannes, so dass dem ent- 
sprechend 9 Umdrehungen der Scheibe vor der Camera nöthig waren, wo- 



186 



XXIII. Capitel. 



bei der Schlitz also 9 mal vor dem Objectiv erschien und 9 aufeinander 
folgende Aufnahmen gestattete. Die von dem Springer während dieser 
Operation zurückgelegte Distanz lässt sich leicht mit Hilfe der Scala zu 
Füssen derselben messen. Man bemerkt. das& die Distanzen nicht immer 
gleich lang sind: die grösste Geschwindigkeit zeigt sich kurz vor dem 




Fig. 180. Momentphotographie eines laufenden Mannes. 

Sprunge; nachdem der Anlauf genommen ist; eine Verminderung der 
Schnelligkeit ist in dem Augenblicke zu bemerken, als die Person sich 
zuerst in der Luft befindet, ein noch auffälligeres Nachlassen derselben 
von dem Momente an, wo der Mann wieder den Erdboden berührt hat. 




Fig. 181. Momentphotographie eines gehenden Mannes. 

Um nun zu erforschen, ob die Figuren in gleichmässigen Intervallen 
aufgenommen worden sind, und um die Zeitdauer dieser Intervalle zu be- 
rechnen, müssen wir das Zifferblatt oder, wie Marey es nennt: „den 
photographischen Chronographen" zu Eathe ziehen, wie ebenfalls 
Fig. 179 anzeigt. Die Sache ist sehr einfach. Der Zeiger ist so vielmal 
abgebildet, als Belichtungen stattfanden, nämlich 9 mal, und um die Pause 



Der Mensch in Bewegung. Ig7 

zwischen jeder Belichtung herauszufinden, braucht man nur den jedes- 
maligen Winkel des Zeigers zu berechnen. 

Derartige Aufnahmen von laufenden Menschen oder Thieren gerathen 
am besten, wenn sich die betreffenden Aufnahmegegenstände schnell vor- 
wärts bewegen. Von einem selbst noch massig schnell laufenden Manne 
lassen sich in der Secunde 9 bis 10 Aufnahmen machen, bei denen die 
Bilder ganz klar ausfallen und nicht übereinander greifen (s. Fig. 180). 

Geht jedoch die Person langsam, wie in Fig. 181, so zeigen sich auf 
dem Bilde so zahlreich verschlungene Stellungen oder Gestalten, dass es 
schwer ist, sich einen deutlichen Eindruck von den einzelnen Figuren zu 
verschaffen. Diesem Uebelstande hilft man durch sogenannte „partielle 
Aufnahmen" ab, d. h., indem man zum leichteren Verständniss des 
Ganzen gewisse Stellen des Bildes unterdrückt. 




Fig. 182. Langsamer Gang (es ist nur die tecbte Hälfte des Körpers sichtbar). 

Da bei diesen Aufnahmen nur weisse Gegenstände auf die Platte 
kommen, braucht man einfach die Körpertheile, welche man im Bilde nicht 
haben will, schwarz zu kleiden. Solche partielle Aufnahmen sind für viele 
Zwecke höchst wichtig, weil dieselben solche Bilder liefern, auf denen man 
die Bewegung bis ins Kleinste verfolgen und beobachten kann. 

Wenn ein Mann halb schwarz, halb weiss gekleidet ist und beim 
Gehen die weisse Seite dem Apparate zuwendet, z. B. die rechte, so erhält 
man ein Bild wie in Fig. 182. In demselben erscheint nur die rechte 
Hälfte des Mannes und das Bild ist klarer, als wenn auch der linke Fuss 
und Arm zur Ansicht gekommen wären. 

Besonders für die Analyse schneller Bewegungen sind die partiellen 
Aufnahmen von Werth, weil sich auf derartigen Bildern die verschiedenen 
Bewegungsstadien in sehr kleinen Zwischenräumen und mithin in sehr mannig- 
faltiger Weise darstellen lassen. Man kleidet zu diesem Zwecke die be- 
treflfende Person ganz schwarz und befestigt an deren äusserston Arm-, 
Schenkel- und Beinflächen der Länge nach schmale glänzende Metallbänder, 
welche die Bewegung und Stellung der Gelenktheile noch genügend er- 
kennen lassen. 



188 XXm. Capitel. 

Unter solchen umständen lassen sieh von demselben Gegenstande auf 
eine einzige Platte in der Seeunde nicht nur zehn, sondern hundert ver- 
schiedene Aufnahmen bringen, ohne dass man die Schnelligkeit der 
Scheibendrehung zu steigern brauchte. Man muss dann nur statt des 
Schlitzes in der Scheibe deren zehn in genau gleich weiten Abständen 
anbringen. 

Wie eingehend sich dann die mannigfaltigen Bewegungen und 
Stellungen der Extremitäten eines laufenden Menschen verfolgen lassen, 
zeigt Fig. 183: 

Es ist das Negativ einer Aufnahme, bei welcher der rechte Fuss, 
die Arme mit glänzenden Bändern, der Kopf in der Nähe des Ohres mit 
einem glänzenden Knopfe versehen waren. Es fällt die correspondirende 
Arm- und Fussbewegung auf, während die oscillirenden Kopfbewegungen 
durch den obersten Punkt angedeutet sind. 




Fig. 183. Partielle Momentphotographie eines laufenden Mannes mit glänzenden Bändern. 

Professor Marey's Studien erwiesen sich auch für die Militärpraxis 
von Werth. Marey machte in der französischen Academie der Wissen- 
schaften die Mittheilung, dass nach seinen Untersuchungen 70 Schritt in 
der Minute das beste Marschtempo sind. Der deutsche Turnschritt 
ist 1 km in 10 Minuten, also etwa 175 Schritt in der Minute. Das 
Militär macht im muntern Marschtempo bekanntUch 120 Schritt in der 
Minute. 

Während Marey auf einer einzigen Platte die verschiedenen Phasen 
der Bewegung aufnahm, richtete 0. Anschützl2 photographische Cameras 
mit electrischer Auslösung ein, wie dies schon oben bei seinen Thierbildern 
beschrieben wurde. Der Vortheil der letzteren Methode liegt darin, dass 
die Einzelbilder sich nicht decken, sondern sich sogar in den kürzesten Zeit- 
intervallen völlig getrennt darstellen. Am deutlichsten sprechen diese 
hervorragenden Leistungen von Anschütz durch die Bilder selbst. 

In Fig. 184 sind zwölf Stellungen eines sehr schnell laufenden Mannes, 
welcher einen Hut in der Hand hält, abgebildet (Holzschnitt nach der 



Der Mensch in Bewegung. 



189 



Original-Photographie ^). Wie rasch der Mann lief, geht aus dem Plattern 
des Bockes und der sprungartigen Fortbewegung (7 und 8) hervor; ferner 
war der Zeitraum, während welchen diese zwölf Aufnahmen gemacht 




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wurden, ein äusserst kurzer (ein Bruchtheil einer Secunde). und deshalb 
konnte der Laufende während dieser Zeit nur einmal mit jedem Fusse 

^) Die Originalphotographie zeigt noch viele Halbtöne und Schatten in den Figuren, 
welche in unserer Copie nicht ersichtlich sind. 



190 



Xini Capitel. 



den Erdboden berühren. Desto genauer sind aber die üebergänge der 
verschiedenen Stadien der Bewegung ersichtlich, und hierin liegt der hohe 
Werth der Anschütz 'sehen Aufnahmen. 



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Nicht weniger interessant ist die Aufnahme eines über ein Hinderniss 
springenden Mannes, welchen Anschütz zwölfmal photographirte, während 
der Springer noch in der Luft schwebte. Wir führen diese sehr merk- 
würdige Aufnahme mit freundlicher Erlaubniss von Herrn Anschütz in 



Der Mensch in Bewegung. 191 

Fig. 185 vor, wobei die Copie möglichst genau nach den Originalbildern 
hergestellt ist. 

Diese Momentphotographien wurden von Anschütz im Jahre 1885 
hergestellt. Anschütz hat durch seine Ausdauer in der systematischen 
Momentphotographie die vollkommensten Eesultate erzielt, welche bis jetzt 
bekannt wurden. 

Alle diese Arbeiten sind äusserst complicirt und erfordern viel Um- 
sicht und Genauigkeit in der Arbeit. Es wäre von höchstem Werthe für 
wissenschaftliche Arbeiten, wenn das Institut, welches Anschütz in Lissa 
geschaffen* hat, zu einer bleibenden Einrichtung würde, und eine solche 
könnte der gesammten wissenschaftlichen Welt zu gute kommen. Es könnten 
auch auswärtige Eegierungen nach den Beispiele der deutschen diese 
Arbeiten zu militärischen und wissenschaftlichen Zwecken Subventioniren 
und verschiedene eigene Untersuchungen unter der Mitwirkung von Ge- 
lehrton ausführen lassen. 



XXIV. CAPITEL. 

Verwerthbarkeit von Momentbildem für künstlerische 
Zwecke und im Zoetrop. 



Man glaubt ganz allgemein, dass der Künstler, speciell der Maler, 
der einen sich bewegenden Körper darstellt, wirklich den in der Natur 
sich abspielenden Vorgang fixirt; dies ist jedoch nur in sehr beschränktem 





Fig. 186. Fig. 187. 

Gebräuchliche Manier, Pferde zu seichoen. 

Falle zutreffend, denn der Maler pflegt die Vorgänge nicht anders darzu- 
stellen, wie sie den beobachtendem Auge scheinen und nicht wie sie 
sich thatsächlich vollziehen. 

Die den thatsächlichen Vorgängen entsprechenden Momentphotographien 
von sich rasch bewegenden Menschen und Thieren entsprechen durchaus 
nicht den Vorstellungen, welche sich der Beschauer von diesen Phänomenen 
bildet (vergl. S. 139). 

Die Muybridge 'sehen und Anschütz'schen Aufnahmen der Pferde 
werfen alle bisherigen Theorien über den Haufen. So erhebt sich beispiels- 
weise ein galoppirendes Pferd nicht zuerst mit den Vorder-, sondern mit 
den Hinterbeinen vom Erdboden. Ebenso sind in einem Momente seine 
Beine alle nach allen Eichtungen gegen den Erdboden gestemmt, wie 
wenn es störrig wäre, und gleich darauf schwebt es in der Luft und hat 
alle Beine unter den Bauch gezogen. Mit einem Worte, alle unsere Vor- 
stellungen und Darstellungen von der Bewegung des Pferdes waren von 
Anfang bis zu Ende falsch.^) 

^) Vergleiche „Photographisehes Wochenblatt", 1881, S. 220, aus „British Journal 
of Photography", 1881, S. 336. 



Verwerthung von Momentbildern zur künsterischen Zwecken und im Zoetrop. 193 

Desgleichen ist an allen diesen Bildern die Bein- und Arrastellung des 
Mensehen, die doch ohne Zweifel richtige Wiedergaben der Natur sind, mehr 
oder weniger unnatürlich, ja erscheinen mitunter sogar als lächerliche Carri- 
caturen. Der Grund dieser Erscheinung liegt darin, dass das Auge nicht 
imstande ist, die Einzelnheiten einer etwas raschen Bewegung zu erfassen. 
Wird eine glühende Kohle mehr als 8 mal in der Secunde im Kreise ge- 
schwungen, so erscheint sie als feuriger Kreis und man ist weder im 
Stande, anzugeben, an welchem Punkte die Kreislinie des Körpers sich zu 
irgend einer Zeit befindet, noch auch welches seine Gestalt ist. In ähn- 
licher Weise verschwimmen alle Einzelnheiten andrer sich bewegender 
Körper. 




Fig. 188. Zeichnung eines Wettrennens, nach Momentphotographien componirt. 



Die Momente, welche uns in solchen Fällen im Gedächniss bleiben, 
sind meist solche von verhältnissmässiger Euhe oder auch wohl Combi- 
nationen kurz aufeinander folgender Bewegungen, in welcher Weise sie 
auch meistens von den Malern dargestellt werden. Schnell fahrende 
Wagen malt der Maler mit verwischten Eadspeichen; die Momentphoto- 
graphie gibt die Speichen so scharf, wie die eines stehenden Wagens (vergl. 
Tafel XVII). 

Vergleicht man die Muybridge'schen und andere Momentaufnahmen 
von Menschen und Thieren mit denen, wie sie bisher unsere besten Maler 
abzubilden pflegten, so bemerkt man, dass kaum eine einzige Stellung eines 

fJder, Momentphotographie. 2. Aufl. 13 



194 



XXIV. Capitel. 



sich rasch bewegenden Objectes in den Photographien vorzufinden ist. 
Obschon nur die letzteren richtig sind, erscheinen uns diese Gemälde und 
Zeichnungen dennoch naturwahrer. 

Fig. 186 und 187 zeigen springende und galoppirende Pferde, wie 
sie die Künstler bis jetzt zu zeichnen pflegten; diese Bilder erscheinen uns 
völlig correct, sind aber in der Wirklichkeit unwahr. 

Eine illustrirte amerikanische Zeitung („The American Queen") brachte 
1882 das Bild eines Jagdrennens mit Hindernissen (in Holzschnitt), worin 
ein Zeichner alle Stellungen der Thiere sclavisch treu nach Muybridge 
entwarf und componirte; dasselbe ist in Fig. 188 etwas verkleinert reproducirt. 

Trotz aller künstlerischen Zuthaten, 
welche der Zeichner hinzufügte, tritt doch 
der eigenthümliche Fall ein, dass — wie 
H. W. Vogel treffend bemerkt^) — ein 
Bild um so unnatürlicher und unmöglicher 
erscheinen kann, je naturwahrer es in 
Wirklichkeit ist. 

Man würde aber über das Ziel hinaus- 
schiessen, wenn man alle Momentbilder als 
unbrauchbar zur Vorlage für Maler und 
Zeichner erklären wollte. Alle Photo- 
graphien langsamer Bewegungen, welche 
unser Auge in allen Einzelnheiten verfolgen 
kann, trachten thatsächlich die Maler natur- 
getreu darzustellen. Hier wird jede photo- 
graphische Beihilfe höchst erwünscht sein. 
Von raschen Bewegungen aber werden nur die Grenz- oder Culminations- 
punkte dem Auge wahrnehmbar sein, und sobald ein solcher erhascht ist, 
wird er die beste Vorlage für den Maler sein. 

Möglich auch, dass das Auge des Malers und des Publikums durch 
die öftere Betrachtung guter Momentbilder mit der Zeit besser geschult 
wird, und dass der Künstler in Zukunft manche gewagte Stellung einer 
Momentphotographie wiedergeben darf, welche man jetzt nicht goutiren will. 
Thatsache aber ist, dass schon jetzt viele Maler photographische Bilder 
zu ihren Skizzen benützen und aus Momentphotographien das Wellenspiel 
des Meeres, das Thun und Treiben in belebten Strassen mit Vorsicht und 
kluger Auswahl hier und da für ihre Gemälde benützen. 

Am besten kann man die ganze Lebendigkeit jeder Bewegung aus 
den einzelnen Momentbildern völlig naturgetreu wiederherstellen, wenn 
man die aufeinanderfolgend gemachten Momentbilder an eine strobos- 




Fig. 189. 
Amerikanischer Wundercyllnder. 



1) „Photographisehe Mittheilungen", Bd. 19, S. 180. 



Verwerthbarkeit von Momentbildern für künstlerische Zwecke und im Zoetrop. I95 

kopische Scheibe oder besser in ein Phantaskop oder einen 

„amerikanischen Wundercylinder" (auch Zoetrop genannt) bringt. 

Wenn man das Innnere des Wundercylinders (Fig. 189) mit den 

aufeinanderfolgenden Photographien eines sprmgeriden Mannes (s. S. 142 




Anmerkung 1 und S. 189) bedeckt und den Cylinder in rasche Drehungen 
versetzt, so glaubt das durch einen der Spalte^ blickende Auge den Mann 
in Bewegung zu sehen. Die verschiedenen rasch aufeinanderfolgenden Licht- 
eindrücke verschmelzen zu einer einzigen Lichtempfindung und der Eindruck 



196 XXIV. Capitel. Verwerthbarkeit von Momentbildern etc. 

ist ein völlig naturwahrer; gezeichnete Figuren vermögen nur einen 
schwachen Ersatz der photographischen Bilder zu geben. 

Sehr vollkommen und nach dem Principe der Laterna magica com- 
binirt mit dem „Wundercy linder", ist das Eeynaud'sche „Praxinoskop" 
construirt. Es beruht auf dem Principe des Stroboskops, aber projicirt 
die bewegte Scene auf eine Wand, ähnlich wie ein Nebelbilderapparat. ^) 

Eeynaud's Apparat braucht nur eine gewöhnliche Lampe. In Fig. 
190 ist der ganze Mechanismus so dargestellt, dass seine Anordnung 
ersichtlich ist. Es gibt zwei Projectionen, aber eine einzige Lampe genügt 
für beide. Eine Linse projicirt eine Landschaft etc. und die andere (in 
unserer Figur die obere) die sich bewegenden Figuren. Eichtet man 
beide Linsen auf einen Schirm und dreht die aufeinanderfolgend ge- 
machten Momentbilder genügend rasch, so bewegen sich die Figuren und 
stellen eine bewegte Scene vor. 

Sir Charles Wheatstone hatte schon im Jahre 1870 ein ähnliches 
Instrument construirt, jedoch fehlten die dazu erforderlichen correcten 
Bilder. 

Mit einem solchen Apparat wurde auch die anfangs angezweifelte 
Eichtigkeit der Muybridge'schen Aufnahmen constatirt. Muybridge 
selbst produeirte im März 1882 in der Eoyal Society in London seine 
Bilder mittels eines ähnlichen Apparates, welcher durch electrisches 
Licht beleuchtet war. Einer dieser Vorstellungen wohnte der Prinz von 
Wales bei. Besonders die Boxer führten nach allen Eegeln der Kunst 
einen lustigen Boxkampf zum unendlichen Ergötzen der Versammlung auf. 

Nicht minderes Erstaunen erregten die Bilder in Paris, wo sie im 
Salon des berühmten Malers Meissonier vor einem Publicum von 
Künstlern und Wissenschaftsmännern in ähnlicher Weise vorgeführt 
wurden. ^) 

So sehen wir die Momentphotographie, deren Ausübung gegenwärtig 
für Nichtfachleute nicht mehr allzu schwer ist, bei richtiger Anwendung 
sich weit über das Niveau der blossen Liebhaberei erheben. Berücksichtigt 
man Alles, was sich bis jetzt schon damit leisten lässt, so wird wohl 
Niemand zweifeln, welche bedeutende Unterstützung dadurch Kunst und 
Wissenschaft erfahren wird. Und treffend ist die Aeusserung eines be- 
rühmten französischen' Astronomen und Akademikers: 

„Die photographische Platte wird bald die wahre Netzhaut 
des Gelehrten sein." 



1) „Photographic News", 1882, S. 675, aus „La Nature". 

2) „Photographische Mittheilungen", Bd. 19, S. 36 und Bd. 20, S. 265. 



Namen-Register. 



Abbot 101. 

AbDey 90. 

Amey s. Thury und Auiey. 

Anderson 181. 

Anschütz 2. 65. 122. 149. 151. 

159. 168. 188. 
Anthony 35. 
Archer 1. 

Baden-Pritchard 63. 65. 

Beard 72. 

Benekendorf 126. 

Blanchard 1. 

Block 79. 

Boissonas 2. 46. 135. 

Borderia 123. 

Braun 90. 

Brushfield 169. 

Bnrger 7. 49. 122. 148. . 

Charcot 2. 169. 
Cobb 61. 
Coxwell 79. 
Orowe 71. 
Czermak 173. 

Dagron 79. 
David 7. 98. 148. 
Desmartes 79. 
Desquesnes 110. 
Dixon 134. 
Dreesen 51. 65. 
Ducom 84. 

Enjalbert 25. 
Esterhäzy 122. 148. 

Falk 47. 
Feddersen 114. 
Fol 25. 26. 

Oale 65. 
Glaisher 79. 
Godard 78. 



Griswold 99. 
Günther 79. 

Hadley 65. 
Haensel 2. 106. 
Hannyton 71. 
Harwer 90. 
Hement 175. 
Henderson 13. 
Hill 179. 
Howard 91. 

Janssen 88. 

Kayser 2. 111. 
Eindermann 50. 
King 79. 

Laudy 24. 
Le Gray 1. 
Lenhard 79. 
Link 127. 
Londe 23. 63. 
Lugardon 23. 63. 

Mach 2. 102. 

Maddox 1. 

Marey2. 24. 88. 93. 152. 182. 

Marsh 75. 128. 

Martin 172. 

Mayland 70. 

Melckbecke 114. 

Meussnier 78. 

Moussette 89. 

Müllenhoff 138. 159. 

Muybridge 2. 141. 179. 

Nadar 78. 
Negretti 79. 
Newton 2. 70. 

Obornetter 7. 65. 178. 
Onimus 172. 

Petit 135. 
Pickering 101. 



Pinaud 114. 
Pline 95. 
Plücker 114. 
Pointer 130. 
Prümm 63. 

Reynaud 196. 
Robinson 50. 54. 66. 129. 
ßood 114. 
ßudge 75. 

Saunders 179. 
Schnanss 114. 
Schwartz 7. 49. 51. 
Schuster 74. 

Scolik 7. 62. 65. 75. 148. 178. 
Shadbolt 79. 83. 
Silberer 79. 
Skaife 25. 
Slingsby 69. 
Stein 18. 115. 173. 
Steinheil 2. 6. 

Stolze 44. 52. 58. 79. 82. 
87. 113. 

Talbot 1. 

Täschler-Signer 44. 51. 65. 

Thollon 89. 

Thury u. Amey 2. 19. 22. 79. 

Tissandier 79. 82. 

Uhlenhuth 2. 43. 124. 

Voigtländer 2. 6. 

Wall 123. 133. 

Wanaus 4. 

Welten 117. 

West 72. 

Wheatstone 196. 

Wight 7. 16. 67. 69. 73. 74. 

Woodbury 79. 

Zenker 89. 90. 
Ziegler 58. 



Abbildungen nach Momentphotographien im Texte. 



Seite 

Momentaufnahme mit der photographischen Flinte von Fol 30 

Aufnahme mittels der Detectivcamera von Anthony 34 

Porträt eines lachenden Mädchens von Falk 47 

Landschaftsphotographien mit Wolkenhintergrund 51 u. 52 

Land Schaftsbilder mit lebenden Figuren 54, 55, 56, 57, 58 u. 59 

Boad Street Station in London von Cobb 61 

Strasse in einer Vorstadt Wiens von Scolik 61 

Strasse in Berlin von Prümm 62 

Momentphotographie einer Brücke mit Militär von Londe 63 

Hauptallee des Wiener Praters 64 

Bilder am Meeresstrande von Bobinson und Slingsby 67 u. 68 

Momentaufnahme an der Themse von Mayland 69 

Segelschiffe von West 73 

Ballonphotographien von Shadbolt 81, 82 u. 83. 

Ballonphotographie von Tissandier 84 

Photographie des Venus- Vorüberganges von Janssen 88 

Momentphotographie eines Sonnen-Hofes 90 

Photographie eines Wirbel sturmes von Howard 92 

Chronographische Photographie fallender Körper von Marey .... 94, 95, 96 u. 97 

Sprengung eines Felsens unter Wasser 100 

Vernichtung eines Maulesels durch Dynamit von Abbot 101 

Photographie einer abgeschossenen Flintenkugel von Prof. Mach 102 

Photographie des Blitzes von Haensel 106, 107 u. 108 

„ „ „ „ Desquesnes 110 

„ Kayser 112 

Photographie des electrischen Funkens von Dr. Stein 114 

„ „ „ „ „ Melckbecke und Plücker 115 

,, Welten 115 

„ Ducretet 117, 118, 119 u. 120 

Thierstudien 123 u. 124 

Schwimmende Schwäne 126 

Colonie von Saatkrähen 127 

Momentbilder von Katzen von Pointer 130, 131 u. 132 

Porträt von Hunden 133 



Abbildungen nach Momentphotographien im Texte. 199 

Seite 

Photographie eines Löwen von Dixon 134 

„ „ Tigers von Dixon 135 

„ „ tropischen Sumpfes mit Krokodilen 136 

„ „ Pferdes im Galopp von Muybridge 143 

„ „ rennenden Stieres von Muybridge 144 

„ „ laufenden Windhundes von Muybridge 146 

„ „ springenden Pferdes von Lugardon 149 

Springende Rehe und Hirsche 151 

Photographie einer fliegenden Eule, Taube, Möve, Schnepfe, Drossel, Ente, Fleder- 
maus etc. von Marey 157 

Momentaufnahme fliegender Tauben von Anschötz . 160 

Fliegende Störche von Anschütz 162, 163, 164 u. 165 

Photographie in Krankenhäusern 170 u. 172 

Photographie des Pulsschlages 174 

Photographie der Lippenstellung beim Sprechen 175 

Typen aus photographischen Strassenbildern 177 

Laufende und springende Menschen 178 u. 180 

Marey's Momentaufnahmen des Menschen in Bewegung 185 u. 187 

Anschütz's Serienaufnahmen eines laufenden und springenden Mannes . . 189 u. 190 



Druckfehler- Berichtigung. 

Seite 33 ist zu lesen: „Detectivcäraera" statt „Dedectiveamera" 
„ 63 „ „ „ „Prümm" statt „Criimm". 



Tafeln in Heliogravüre und Lichtdruck. 



Titelblatt. Stockholm, Momentaufnahme von R. Wight, Heliogravüre von ß. Schuster 

in Berlin. 
Tafel I. Italienische Seiltänzerin, Momentphototographie von L. Ricci in Mai- 
' land, Lichtdruck von J. B. Obernetter in Mönchen. 

„ II. Momentbilder von Kindern, 4 Aufnahmen von Boissonas in Genf, 

Lichtdruck von J. B. Obernetter in München. 
„ in. Promenade am Meeresstrande inYarmouth in England, Aufnahme von 
Edwards in London, Lichtdruck von J. B. Obernetter in München. 
.J „ IV. Araber mit Kameelen in der Nähe der Oase Blskra, Aufnahme von 

b Baden-Pritchard in London, Lichtdruck von J. B. Obernetter in München. 

^ „ V. Bauer mit einem Ochsengespann pflügend, Aufnahme von Borderia in 

Jl Reims, Lichtdruck von J. B. Obemetter in München. 

2 • Ochsen bei der Tränke, desgleichen. 

J „ VI. Hirsche im Prühjahrs-Wildpark in Potsdam, Ausfnahme von Link in 

" Potsdam, Lichtdruck von J. B. Obernetter in München. 

I „ VII. Ungarische Lämmerheerde, Aufnahme von Graf Esterhäzy, Lichtdruck 

t von J. B. Obernetter in München, 

l „ VIII. Photographie eines Rhinoceros und einer Gazelle, Aufnahme von 

* Eder in Wien, Lichtdruck von J. B. Obernetter in München. 

Photographie eines Elefanten und von Meerschweinchen, Auf- 
nahme von Boissonas in Genf, Lichtdruck von J. B. Obernetter in München. 

„ IX. Strandbild von der Ostsee, an der Mündung derSwine, Aufnahme von 

Ingenieur Wight in Charlotten b urg , Lichtdruck von J. B. Obernetter in 

München. 
„ X. Beleuchtungsstudie am Meere, Aufnahme von Kindermann in Ham- 
burg, Lichtdruck von J. B. Obernetter in München. 
„ XL Sonnenuntergang, von Alb. Schwartz in Berlin, Lichtdruck von P. 

Schahl in Berlin. 
, „ XIL Scharfer Kanonenschuss, Aufnahme von L. David in Wien, Lichtdruck 

von J. B. Obernetter in München. 
„ XIIL Blinder Kanonenschuss, desgleichen. 

• „ XIV. Pferde, einen Pluss durchschreitend, Aufnahme von Lugardon in 

Genf, Lichtdruck von J. B. Obernetter in München, 
i „ XV. Knabe, ins Wasser springend, Aufnahme von Lugardon in Genf, 

Lichtdruck von J. B. Ober netter in München. 
„ XVL Pferd mit Reiter im Sprunge, drei Aufnahmen von L. David und 
Scolik in Wien, Lichtdruck von J. B. Obernetter in München. 
Velocipedist vom Bicycle springend, desgleichen. 
„ XVII. Bäumendes Pferd, Aufnahme von Anschütz in Lissa i. P. , Lichtdruck 
4 von J. B. Obernetter in München. 

Springender Rehbock, desgleichen. 

Deutsche Militärkapelle zu Pferde, desgleichen. 

Viergespann im Trabe, desgleichen.